Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter: Ein Erklärungsmodell für die Entstehung von Schutzpflichten gegenüber Dritten [1 ed.] 9783428522538, 9783428122530

Bei dem Schuldverhältnis mit Schutzwirkung zugunsten Dritter handelt es sich um eine Rechtsfigur, die zwar seit langem z

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Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter: Ein Erklärungsmodell für die Entstehung von Schutzpflichten gegenüber Dritten [1 ed.]
 9783428522538, 9783428122530

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 354

Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter Ein Erklärungsmodell für die Entstehung von Schutzpflichten gegenüber Dritten

Von Antonios V. Papadimitropoulos

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ANTONIOS V. PAPADIMITROPOULOS

Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 354

Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter Ein Erklärungsmodell für die Entstehung von Schutzpflichten gegenüber Dritten

Von Antonios V. Papadimitropoulos

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Wintersemester 2005 / 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-12253-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Ȃeinen Eltern und Xenia, deren Liebe und Unterstützung mir die Kraft für diese Arbeit gegeben haben

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2005/2006 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg mit der Gesamtnote summa cum laude als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis zum Stand Februar 2006 berücksichtigt worden. Sofern nichts anderes angemerkt ist, werden die üblichen Abkürzungen nach Kirchner/Buts, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage, Berlin 2003, verwendet. Zu den Grundgedanken, die die vorliegende Arbeit durchziehen, gehört vor allem die Überzeugung, dass man auf eine dogmatisch und methodisch konsequente Vorgehensweise nie verzichten darf. Denn in meinen Augen stellt dogmatische Arbeit nichts anders als den Versuch dar, sachgerechte Lösungen in Bezug auf konkrete praktische Probleme zu entwickeln, sie möglichst reibungslos in die gesamte Rechtsordnung als das maßgebliche Wertsystem einzugliedern und dadurch materiell zu rechtfertigen. Auf dieser Grundlage habe ich versucht, ein Modell herauszuarbeiten, das zur Lösung des Problems der Entstehung von Schutzpflichten zugunsten von Personen dienen soll, die in keinem Vertragsverhältnis mit dem Schutzpflichtschuldner stehen oder stehen sollen. Damit wird jedoch nicht verkannt, dass die Entstehung von Schutzpflichten zugunsten Dritter nicht die einzige denkbare Form vertraglicher Drittschutzwirkungen darstellt. Um einem Dritten zu einem Schadensersatzanspruch nach Vertragshaftungsrecht zu verhelfen, könnte man sich ferner vor allem der Möglichkeit bedienen, die Entstehung eines solchen Schadensersatzanspruchs unabhängig von der Verletzung primärer Pflichten im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem zu begründen. Anknüpfungspunkt für die Haftung des Schädigers wäre dann die Verletzung der primären Pflichten im Rahmen des Vertragsverhältnisses, das den Schädiger mit seinem unmittelbaren Vertragspartner verbindet. Danken möchte ich insbesondere meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Uwe Blaurock, der meine Arbeit betreut und stets mit großem Interesse begleitet hat, vor allem weil er die menschliche Seite der Betreuung nie außer Acht gelassen hat. Außerdem danke ich Herrn Professor Dr. Günter Hager für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie Herrn Professor Dr. Apostolos Georgiades, der die Arbeit angeregt hat.

Vorwort

8

Darüber hinaus möchte ich der griechischen Stiftung „I. S. Latsi“ und dem Graduiertenkolleg des Landes Baden-Württemberg für die großzügige finanzielle Unterstützung danken. Letztlich danke ich allen meinen Freunden, die mich – oft sogar unbemerkt – auf ihre Art entscheidend unterstützt haben. Allerdings schulde ich unter ihnen einen besonderen Dank Herrn Assessor Dr. Jens-Hinrich Binder, LL.M., Herrn Anwaltsreferendar Georgios Filioussis und Herrn Rechtsanwalt Konstantinos Trivoureas für die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens. Freiburg i. Br., im März 2006

Antonios Papadimitropoulos

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung

17

2. Kapitel Das Schuldverhältnis mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter in der Rechtsprechung

23

A. Das Anwendungsfeld des Rechtsinstituts in der Rechtsprechung . . . . . . . 24 I.

Die geeignete Fallgruppenbildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

II. Fallkonstellationen (vornehmlich) mit Personen- oder Sachschäden. . . . 28 1. Schutzwirkung rund um das Miet-, Pacht- bzw. Leihverhältnis . . . . 28 2. Verwahrungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Schuldverhältnisse über Dienstleistung bzw. Werkherstellung . . . . . 34 4. Kauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 5. Pflichten außerhalb der eigentlichen Vertragsdurchführung. . . . . . . . 46 III. Fälle mit primären Vermögensschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Schädigende Auskunftserteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Schutzwirkung in Zusammenhang mit der Führung einer Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Mehrgliedriger bargeldloser Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4. Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 5. Eingestellte Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 B. Die abstrakte Rechtsfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 I.

Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Zugrundelegung des rechtsgeschäftlichen Modells ohne grundsätzliche Ablehnung des gesetzlichen Modells. . . . . . . . . . . . . . . 62

10

Inhaltsverzeichnis 2. Verwendung erläuternder und ergänzender Vertragsauslegung. . . . . 71 II. Drittschutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Begründende Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Klassische Bezugspunkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Neuere Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa)

Auflockerung des verlangten Gläubigerinteresses. . . . . . . . 84

bb) Verlagerung des Argumentationsschwerpunkts auf die Leistungsnähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Negative Voraussetzungen: Erkennbarkeit des Drittschutzes und Schutzbedürftigkeit des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3. Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 IV. Einwendungsdurchgriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 C. Funktionelle Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Kapitel Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

110

A. Die Notwendigkeit einer dogmatischen Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I.

Grundsätzliche Orientierung der Vertragsauslegung an den Parteiinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

II. Allgemeine Zulässigkeit einer Drittschutzabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 III. Vertragsauslegung in den Drittschutzfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Vertragsauslegung bei fehlenden Drittschutzerklärungen – Maßgeblichkeit der objektiven Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Grundsätzliche Maßgeblichkeit des Haftungsmodells . . . . . . . . . . . . . 120 3. Konkrete Beurteilung der Interessenlage in den Drittschutzfällen . . 121 a) Erste Prüfebene: Das Vorliegen hinreichender Parteiinteressen für den Drittschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) Allgemeine Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Konstellationen mit einem Interessengegensatz. . . . . . . . . . . 126 b) Zweite Prüfebene: Vertragsauslegung bei vorliegenden Parteiinteressen für den Drittschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

Inhaltsverzeichnis

11

aa) Erläuternde Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 bb) Ergänzende Vertragsauslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (1) Allgemeine Vorgehensweise – die Voraussetzung einer Vertragslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (2) Der vertragliche Regelungsplan in den Drittschutzfällen – Unzulässigkeit der ergänzenden Auslegung mangels Vertragslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 IV. Zusammenfassung – Gesamtwertung des rechtsgeschäftlichen Modells 143 C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung. . . . 145 I.

Die Bedeutung der Rechtsprechung in normativer Hinsicht . . . . . . . . . . 146

II. Legitimationsvoraussetzungen einer Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Rechtsfortbildung als über den möglichen Gesetzeswortsinn hinausgehende Rechtsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Vorliegen einer „Gesetzeslücke“ als Rechtsfortbildungsvoraussetzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Rechtliches Gebot einer Normhinzufügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Rechtliche Notwendigkeit der Regelungsergänzung . . . . . . . . . . 153 b) Rechtliche Möglichkeit der Regelungsergänzung. . . . . . . . . . . . . 155 c) Das Verhältnis zum herkömmlichen Lückenschema . . . . . . . . . . 156 III. Rechtsfortbildung zur Rechtfertigung des SSD; die Berufung auf allgemeine Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Treu und Glauben im Verhältnis zwischen Schädiger (S) und Drittem (D) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Treu und Glauben im Schuldverhältnis, das Schutzwirkungen entfalten soll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Die Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Das Gleichheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 4. Der Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 5. Das Sozialstaatsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 D. Schlussfolgerung zu bisherigen Erklärungsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

12

Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel Prämissen der weiteren Untersuchung

172

A. Das SSD und der Relativitätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 B. Die bestätigende Funktion von § 311 III S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I.

Die Offenheit von § 311 III S. 1 BGB in Bezug auf Drittschutzwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

II. Zum Normierungsgehalt von § 311 III S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 III. Die begrenzte Bedeutung von § 311 III S. 1 BGB für die Drittschutzproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 C. Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 I.

Die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

II. Die Hypothese einer parteigleichen Drittstellung als Rechtsfortbildungsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 III. Notwendigkeit zur Erforschung des einfachen Schuldverhältnisses . . . 190 IV. Grundsätzliche Anerkennung der Drittschutzwirkungen als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 5. Kapitel Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

193

A. Terminologische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 B. Allgemein anerkannte Ausgangspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 I.

Das Schuldverhältnis als Organismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

II. Der Pflichteninhalt des Schuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Hauptpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Unselbständige Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Selbständige Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3. Ergänzende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 C. Notwendigkeit einer erneuten Analyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 I.

Die Zentralrolle von Treu und Glauben – Konkretisierungsbedürfnis. . 205

II. Treu und Glauben bei den Schutzpflichten – Konkurrenz mit dem Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

Inhaltsverzeichnis

13

III. Die entscheidende Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 D. Erneute Analyse des primären Inhalts zweipoliger Schuldverhältnisse.. 212 I.

Unterscheidung zwischen Zentral- und Rahmenpflichten. . . . . . . . . . . . . 212 1. Kriterien und Inhalt der Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Die materielle Rechtfertigung der Unterscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . 216

II. Zentralpflichten; Schuldverhältnisse ohne Zentralpflichten . . . . . . . . . . . 218 III. Rahmenpflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 1. Zum Inhalt der Rahmenpflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Begründung von Rahmenpflichten: Aufstellung der maßgeblichen Grundfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3. Stellungnahme zur Begründung von Rahmenpflichten . . . . . . . . . . . . 227 a) Die zutreffende Betrachtungsweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b) Zur materiellen Rechtfertigung von Rahmenpflichten . . . . . . . . 230 aa) Zweckförderungsfunktion als allgemeiner Orientierungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 bb) Maßgeblichkeit abstrakter Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . 234 cc) Bezug zu einem besonderen Schuldverhältniszweck . . . . . . 235 dd) Institutionelle Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 ee) Erklärung der Rahmenpflichten bei der Vertragsanbahnung und bei nichtigem Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 ff) Ergänzende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Konkretisierung in Bezug auf die Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . 245 aa) Materielle Rechtfertigung der Schutzpflichten. . . . . . . . . . . . 247 bb) Entstehungsvoraussetzungen von Schutzpflichten . . . . . . . . 251 (1) Vorliegende Einwirkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . 252 (2) Einwirkungsmöglichkeiten aufgrund des Willens der Beteiligten bzw. des Inhalts des Schuldverhältnisses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (3) Bezugnahme auf einen besonderen Schuldverhältniszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 cc) Das willentliche Moment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (1) Rechtsnatur, Inhalt und Ermittlung des Parteiwillens. . 258

14

Inhaltsverzeichnis (2) Erfordernis ausreichender subjektiver Zurechnungsgründe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (3) Insbesondere: Entstehung von Schutzpflichten im Verhältnis zu nicht voll geschäftsfähigen Personen . . . 267 dd) Der Einfluss Dritter auf die maßgebliche Willensbildung . 272 (1) Verdeckte und offenkundige Dritteinmischung . . . . . . . 272 (2) Zurechnung im Innen- und Außenverhältnis. . . . . . . . . . 273 (3) Handeln des Dritten für fremde Rechnung mit dem Willen des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (4) Gesetzliche Vertreter und Organe juristischer Personen 279 (5) Fehlende Zurechnung im Innen- oder im Außenverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 IV. Überschneidungsfragen in Bezug auf Zentral- und Rahmenpflichten . . 283 1. Zusammentreffen von Zentral- und Rahmenpflichten . . . . . . . . . . . . . 283 2. Zur Abgrenzung von Zentral- und Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . 287 a) Abgrenzung anhand der geschützten Gläubigerpositionen – die Erwartung auf Erfüllung von Zentralpflichten als Schutzgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 b) Weitere Abgrenzungsgesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 V. Zusammenfassung wichtiger Erkenntnisse zum primären Pflichteninhalt von Schuldverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 6. Kapitel Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

311

A. Grundschema einer Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 B. Ausdehnung von Rahmen- und insbesondere von Schutzpflichten auf Dritte (Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 I.

Überlegungen zur Begründung drittgerichteter Rahmenpflichten (Rahmenpflichtmodell) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

II. Begründung drittgerichteter Schutzpflichten (Schutzpflichtmodell) . . . 318 1. Allgemeine Ausgangspunkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 2. Inhaltliche Erläuterungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 a) Die erforderliche Interpretation der Lage: Gegenstand, Kriterien, Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326

Inhaltsverzeichnis

15

b) Zum maßgeblichen Willensinhalt – Die entscheidende Grundfrage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 c) Rechtskreisöffnung des Dritten (D) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 aa) Die Positive Entscheidung des Dritten (D) zur Rechtskreisöffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 bb) Gerichtetheit der Rechtskreisöffnung des Dritten . . . . . . . . . 339 cc) Insbesondere: Rechtskreisöffnung im Verhältnis zum Erfüllungsgehilfen des Gläubigers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 dd) Insbesondere: Die Rechtskreisöffnung bei Stellvertretung . 349 ee) Anderweitige Verhältnisse zwischen Gläubiger (G) und Drittem (D). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 ff) Hervorhebung allgemeiner Anhaltspunkte zur Beurteilung der Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 d) Bezugnahme auf das Schuldverhältnis, das Schutzwirkungen entfalten soll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 aa) Das entscheidende Kriterium: Die Mitwirkung des Dritten an der fremden Schuldbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 bb) Gesichtspunkte zur Behandlung der Grundfrage bei drittgerichteten Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 cc) Insbesondere: Die maßgebliche Grundfrage beim Einsatz von Erfüllungsgehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 e) Nachträgliche Berührung mit der Leistung als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 aa) Die interessierende Problematik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 bb) Bezugnahme auf die Schuldnerleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 cc) Leistungsnutzung als Teil des Vorgangs zur Schuldverhältnisabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 dd) Schutz vor künftigen Gefahren zur Förderung der gegenwärtigen Schuldverhältnisabwicklung. . . . . . . . . . . . . . 379 ee) Schutzpflichten allein im Hinblick auf die nachträgliche Leistungsnutzung – Dritte mit einer Zentralstellung . . . . . . 383 ff) Betonung der abstrakt-institutionellen Betrachtungsweise. . 394 f) Klarstellende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 3. Vergleich mit den Drittschutzvoraussetzungen der Rechtsprechung 398 4. Anwendung auf Beispielsfälle aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . 402

16

Inhaltsverzeichnis a) Schutzwirkung von Mietverhältnissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 b) Schutzwirkung in Zusammenhang mit Dienst- und Werkverträgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 c) Schutzwirkung bei Kauf-, Auskunfts- und Geschäftsbesorgungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 d) Schutzpflichten beim mehrgliedrigen Zahlungsverkehr . . . . . . . 416 e) Weitere Fälle mit Vermögensschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 III. Rechtsfolgen – Kein Einwendungsdurchgriff auf das Verhältnis zum Dritten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 IV. Zusammenfassung wichtiger Erkenntnisse zum Drittschutz beim Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 C. Das Verhältnis des SSD beim Schutzpflichtmodell zu anderen Rechtsinstituten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 7. Kapitel Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482

1. Kapitel

Einleitung Der Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter (im Folgenden VSD) gehört seit langem zu den anerkannten Instituten des deutschen Rechts. Seine gefestigte Existenz wird nicht nur durch seine langjährige Anwendung durch die Rechtsprechung,1 sondern auch durch die Tatsache bestätigt, dass er heute auch in der Literatur praktisch unbestritten ist.2 Seine Funktion liegt vor allem darin, bei einer Verletzung von vertraglichen Pflichten durch eine der Vertragsparteien Schadensersatzansprüche nach vertraglichen Regeln zu Gunsten von Personen zu begründen, die sich am Vertrag nicht beteiligt haben und, weil kein Vertrag zu ihren Gunsten im Sinne von § 328 BGB vorliegt oder keine Abtretung an sie stattgefunden hat, die vertraglich geschuldete Leistung nicht fordern können. Im Gegensatz zur Drittschadensliquidation,3 die auch dazu bestimmt ist, Schäden dritter Personen zu kompensieren, stehen beim VSD die Schadensersatzansprüche dem geschädigten Dritten persönlich zu. Schadensersatzrechtlich wird der Dritte also beim VSD so behandelt, als ob er selbst Vertragspartei wäre, und in diesem Sinne wird er in einen „fremden“ Vertrag einbezogen. Beim VSD geht es also um den Schutz, nicht um die Haftung Dritter; zum Schadensersatz kann nur eine der Vertragsparteien verpflichtet sein. Auf dieser Basis ist nur selbstverständlich, dass jede Vertragspartei haften kann, sofern ihr eine Pflichtverletzung zuzurechnen ist; dass auch den Gläubiger einer Leistung (Neben-)Pflichten treffen können, ist seit jeher anerkannt.4 ___________ 1

s. unten 2. Kapitel. Vgl. auch Erman(11)/Westermann, § 328, Rn. 11; Papst, S. 1; Hirth, S. 110; MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 102; Eckebrecht, MDR 2002, 426. Neben den einigen ablehnenden Meinungen, auf die Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 I 1 Fn. 1 und 2 verweist, s. auch Hattenhauer, S. 106 f. 3 Bei der Drittschadensliquidation wird von der h.M. dem Verletzten das Recht zugesprochen, den Schaden eines Dritten als eigenen Schaden beim Schädiger zu liquidieren. Einen Überblick über die Drittschadensliquidation s. bei Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 8 III. 4 s. zunächst nur Larenz, Schuldrecht AT, § 10 II e (weitere Verhaltenspflichten), f (nachvertragliche Pflichten), g (Leistungspflichten) (S. 138 ff). Dies klärt nunmehr § 241 II BGB, indem er nicht zwischen Gläubiger und Schuldner unterscheidet, sondern allgemein von Rücksichtnahmepflichten hinsichtlich der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils spricht, s. dazu nur RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 125 f. 2

18

1. Kap.: Einleitung

Über die Begründung eines Schadensersatzanspruchs Dritter hinaus bedient man sich des VSD auch deshalb, um Dritten die Möglichkeit zu verschaffen, sich auf Einwendungen und Einreden – vor allem bezüglich einer Haftungsbegrenzung und der Verjährung – aus einem Schuldverhältnis zu berufen, an dem sie selbst nicht beteiligt sind.5 Auch zur Rechtfertigung einer Sonderverbindung zwischen Schädiger und Geschädigtem hat die Annahme eines VSD mit dem weiteren Zweck gedient, dem Geschädigten ein Mitverschulden seines Erfüllungsgehilfen oder seines gesetzlichen Vertreters gemäß § 254 II S. 2 i.V.m. § 278 BGB auch im Hinblick auf seine unabhängig von der Sonderverbindung bestehenden Ansprüche zurechnen zu können.6 Auf diese Funktionen des VSD wird hier nicht eingegangen.7 Ebenso wenig zu besprechen ist im Rahmen dieser Arbeit auch das Verständnis des VSD als Grundlage für die Aktivlegitimation eines am Vertrag selbst nicht beteiligten Dritten, die Schadensersatzleistung an die eigentliche Vertragspartei im eigenen Namen zu fordern.8 War die Bezeichnung des zu behandelnden Rechtsinstituts als „Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter“ am Anfang seiner Entwicklung noch zutreffend, so täuscht sie nunmehr über die Möglichkeit seiner Anwendung auf nicht vertraglich begründete Schuldverhältnisse hinweg. Denn spätestens9 nach der Entscheidung des BGH vom 28.1.1976,10 welche die Grundsätze des VSD auf das Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen (heute § 311 II BGB) für anwendbar erklärt hat, ist allgemein anerkannt, dass Dritte nicht nur in Verträge, sondern auch in gesetzliche Schuldverhältnisse als Schadensersatzberechtigte einbezogen werden können.11 Aus diesem Grund empfiehlt sich die Bezeich___________ 5

s. BGH v. 7.2.1968, BGHZ 49, 278; BGH v. 19.9.1973, BGHZ 61, 227; BGH v. 29.3.1978, BGHZ 71, 175; BGH v. 7.7.1976, NJW 1976, 1843. Im Schrifttum s. Blaurock, ZHR 146 (1982), 238 ff; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 22; Erman(11)/Westermann, § 328, Rn. 17; Klein, JZ 1997, 390 ff; Räcke, S. 15 ff, alle mit weiteren Nachweisen. 6 s. z.B. BGH v. 29.4.1953, BGHZ 9, 316 (318 ff). Ausführlich dazu etwa Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 10 XI 4 und 5, mit weiteren Nachweisen zur Literatur und Rechtsprechung. 7 Davon nicht erfasst wird jedoch das Problem des Einflusses von Einwendungen und Einreden des Schuldners aus dem Vertrag mit dem Gläubiger bzw. des Einflusses eines etwaigen Mitverschuldens des Vertragsgläubigers im Sinne von § 254 BGB auf den Schadensersatzanspruch des Dritten aus dem VSD. Zur Behandlung dieser Fragen in der Rechtsprechung s. unten 2. Kapitel B. IV. 8 Vgl. dazu BGH v. 22.10.1984, DB 1985, 165 für die Möglichkeit eines Kommanditisten, Schadenersatzleistung an die KG vom Beirat der KG zu verlangen, der aus Nichtgesellschaftern besteht. 9 s. bereits Gernhuber, FS Nikisch, S. 266 f und 268 (für sämtliche Schuldverhältnisse allerdings im Stadium ihrer Erfüllung), und Weimar, MDR 1959, 266 (für die Vertragsverhandlungen). 10 BGHZ 66, 51. S. dazu auch unten 2. Kapitel B. I. 1. 11 s. beispielsweise Palandt(65)/Grüneberg, § 328, Rn. 15.

1. Kap.: Einleitung

19

nung des Instituts als „Schuldverhältnis mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter“12 (im Folgenden SSD), wobei der wohl häufigste Fall13 eines SSD der VSD bleibt.14 Aus dieser Funktionsbeschreibung folgt, dass das SSD weder ein besonderer Schuldverhältnistyp wie die im zweiten Buch des BGB in den §§ 433 ff geregelten einzelnen Schuldverhältnisse noch eine besondere, selbständige Haftungsgrundlage zu Gunsten des geschädigten Dritten ist. Denn einerseits ist das SSD kein Gefüge von Pflichten und Forderungen mit einem besonderen charakteristischen Inhalt, wie der Kauf oder das Mietverhältnis, und wird nicht mit einem bestimmten Entstehungsgrund verbunden, wie die Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung oder ungerechtfertiger Bereicherung. Vielmehr kann prinzipiell jedes Schuldverhältnis15 Drittschutzwirkung entfalten, wenn die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sind.16 Andererseits besagt das Vorliegen eines SSD allein nicht, dass eine Partei des Schuldverhältnisses dem Dritten gegenüber tatsächlich haftet.17 Dazu ist des Weiteren eine anerkannte Haftungsgrundlage erforderlich, wie insbesondere § 280 I BGB. Diese bestimmt auch ___________ 12 Im Anschluss an Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 I 1. So auch AKBGB/Dubischar, § 328, Rn. 14; Stahl, bereits im Titel; Wiegand, S. 98; Faust in Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Rn. 3/12. 13 Unter den ganz wenigen Entscheidungen, die die Schutzwirkung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses annehmen s. vor allem BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51, sowie ferner BGH v. 10.1.1968, JZ 1968, 304. 14 In der Rechtsprechung und der einschlägigen Literatur wird weitgehend immer noch nur von VSD gesprochen. Dies hängt allerdings weder mit einer Ablehnung des SSD als Oberbegriff noch mit einer allgemeinen Verneinung der Anwendbarkeit der Grundsätze des VSD auf gesetzliche Schuldverhältnisse zusammen, sondern ist eher als eine Synekdoche (pars pro toto) zu verstehen. 15 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 2 e. Die einschränkende Annahme, dass jede Vertragsart Drittschutzwirkung entfalten kann, ist allerdings öfters vorzufinden; s. BGH v. 13.7.1994, NJW 1995, 51 (52); OLG Oldenburg v. 27.8.1996, MDR 1997, 451; MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 100; Staudinger(1994)/Kaduk, Vorbem. zu §§ 328 ff, Rn. 82; Sonnenschein, JA 1979, 227; Urban, S. 79; Winterfeld, S. 41. 16 Dieser Annahme widersprechen die oft in der Rechtsprechung vorkommenden Aussagen nicht, dass bestimmte Schuldverhältnisse zu Drittwirkungen mehr oder weniger neigen als andere. Vgl. BGH v. 22.1.1968, BGHZ 49, 350 (353): „Zu den Verträgen mit Schutzwirkung für Dritte gehört insbesondere auch der Mietvertrag“. Im gleichen Sinne über den Mietvertrag BGH v. 19.9.1973, BGHZ 61, 227 (233); OLG Hamm v. 14.12.1976, VersR 1977, 531. Vom entgegengesetzten Punkt her BGH v. 11.1.1977, NJW 1977, 2073 (2074): „Jedoch erlaubt der Anwaltsvertrag von seinem Wesen und seiner Struktur her nur in seltenen Fällen eine [...] unmittelbar Schadensersatzansprüche auslösende Einbeziehung Dritter in die aus dem Vertrag bestehenden Pflichten. Denn er ist auf ein Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt aufgebaut und daher vom Inhalt her streng zweiseitig und ohne Außenwirkung angelegt“ – weitere Nachweise s. 2. Kapitel Fn. 214. Angesichts der Kaufverträge s. BGH v. 13.12.1967, DB 1968, 260. 17 s. auch Sonnenschein, JA 1979, 227.

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1. Kap.: Einleitung

die konkreten Voraussetzungen, etwa Verschulden, unter denen die Haftung entsteht. So kann aufgrund eines SSD gegenüber dem Dritten – etwa im Rahmen von § 599 BGB – nur für grobe Fahrlässigkeit gehaftet werden. Eine Modifizierung der Haftungsgrundlagen des Zivilrechts erfolgt durch die Rechtsfigur des SSD nicht. Die Konstruktion eines SSD dient demnach lediglich dazu, die Grenzen des Relativitätsgrundsatzes in Bezug auf die Haftung der Parteien des Schuldverhältnisses zu überwinden. Die Regeln, die im Rahmen des Schuldverhältnisses für die Haftung an sich gelten, bleiben folglich von der Erweiterung des möglichen Gläubigerkreises prinzipiell unberührt. Mit anderen Worten ist die Antwort auf die Frage, wann eine Partei haftet, nicht beim SSD zu suchen. Diese Rolle tragen weiterhin die besonderen Haftungsregeln, die bei einem Schuldverhältnis gelten. Aufgrund des SSD ist lediglich die Frage zu beantworten, wem gegenüber beim Vorliegen der entsprechenden Haftungsvoraussetzungen gehaftet wird. Insofern muss man zwischen dem Vorliegen eines SSD und der Haftung gegenüber dem geschützten Dritten unterscheiden: Von der praktischen Bedeutung einer solchen Feststellung abgesehen kann ein Dritter durchaus in den Schutzbereich eines Schuldverhältnisses einbezogen sein, ohne gleichzeitig schadensersatzberechtigt zu sein.18 Damit ist auch die Bemerkung zu begründen, dass auch die Haftung im Rahmen des SSD, wie sonst immer bei einem Schuldverhältnis, eine Pflichtverletzung voraussetzt. Lässt sich eine verletzte Pflicht19 nicht ermitteln,20 so scheidet die Haftung nicht nur gegenüber den eigentlichen Parteien des Schuldverhältnisses, sondern auch gegenüber Dritten aus.21

___________ 18

s. z.B. OLG Hamm v. 12.7.1996, BB 1996, 2295 (2296 f); OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (615 ff); OLG Köln v. 4.6.1986, NJW-RR 1988, 157; LG Hechingen v. 12.7.1985, WM 1985, 1341 (1343). 19 Dabei handelt es sich auch dann um eine Pflichtverletzung, wenn die entsprechende Schadensersatzpflicht unabhängig von einem Verschulden vorliegt; dies ist z.B. beim § 536a I BGB bei anfänglichem Mangel der Fall, s. nur Palandt(65)/Weidenkaff, § 536a Rn. 9; Larenz, Schuldrecht BT 1, § 48 III 3 (S. 237 f). 20 Hier ist davon auszugehen, dass eine verletzte Pflicht bereits zwischen den Schuldverhältnisparteien und nicht nur gegenüber dem Dritten besteht. Diese Vermutung, die in den durchaus meisten Fällen auch zutreffen dürfte, soll allerdings lediglich den Aufbau der folgenden Ausführungen ermöglichen, nicht hingegen die Problematik vorwegnehmen, ob der geschützte Dritte auch ohne eine gleichzeitige Pflichtverletzung zwischen Gläubiger und Schuldner der Grundobligation schadensersatzberechtigt sein kann (vgl. zunächst die Gegenüberstellung von Haftungs- und Primärpflichtmodell unten 2. Kapitel B. III.). 21 So deutlich bei BGH v. 9.7.1987, NJW 1987, 3132 (3133); OLG Düsseldorf v. 19.9.2002, VersR 2003, 917; OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (615 ff). Vgl. auch BGH v. 21.2.1983, NJW 1983, 1779 (1779 f); BGH v. 19.10.1978, BGHZ 72, 343, OLG Düsseldorf v. 29.10.1996, NJW-RR 1997, 1314; OLG Hamm v. 26.5.1987,

1. Kap.: Einleitung

21

Kann man vielleicht das bereits Dargestellte als einen mehr oder weniger anerkannten Kern des SSD betrachten, so bleiben trotz der jahrelangen höchstrichterlichen Anwendung des Rechtsinstituts und der fast unüberschaubaren Literatur zum Thema22 viele Fragen immer noch ungeklärt.23 Dabei handelt es sich nicht bloß um Fragen an der Peripherie des Instituts, sondern um Probleme bezüglich seiner Grundsätze: Von dem legitimierenden Grundgedanken und der Rechtsgrundlage bis zu den Voraussetzungen und den Grenzen seiner Anwendung herrscht beim SSD immer noch große Unsicherheit.24 Dabei kann vor allem auf die Suche nach einem Kriterium zur sinnvollen Begrenzung des Kreises der in ein fremdes Schuldverhältnis einbezogenen Dritten hingewiesen werden.25 Zur genannten Unsicherheit hat auch die Ausdehnung des SSD durch die Rechtsprechung auf ganz neue Felder beigetragen, die über die herkömmlichen Sachverhalte weit hinausgehen: Für gefestigt gehaltene Konturen wurden aufgegeben, und das bis dann herrschende Verständnis musste sich auf die neue Lage wieder anpassen. Darüber hinaus musste man auch bezüglich der „alten“ Sachverhalte umdenken.26 Bei der folgenden Untersuchung wird ein einheitliches Schema verwendet, um die beteiligten Personen zu beschreiben: „D“ ist der geschädigte Dritte, dessen Schutz gemäß dem SSD in Frage kommt, „S“ ist der Schädiger und „G“ sein Schuldverhältnispartner.27 Zu beachten ist dabei, dass die Schutzwirkung ___________ NJW-RR 1987, 1109 (1110); LG Hechingen v. 12.7.1985, WM 1985, 1341 (1343); so auch offenbar BGH v. 16.2.1971, NJW 1971, 752. 22 Vgl. Albrecht, S. 66; Bayer, JuS 1996, 473; Schlechtriem, FS Medicus, S. 529; Stahl im Vorwort. 23 Dickes, S. 10; Hirth, S. 13 f; Soergel/Hadding, Anh. § 328, Rn. 4. Vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 I 5 d. 24 s. auch Larenz, Schuldrecht AT, § 17 II (S. 128); Hirth, S. 13 f; Plötner, S. 19; Lorenz, JZ 1997, 361 f; Teubner, FS Schmidt, S. 306 f. Für verfestigt hält hingegen Eggert, KritV 2002, 100 f, die Voraussetzungen des SSD, obwohl er gleich im Anschluss (S. 101 ff) über die umstrittenen Drittschutzfälle berichtet. 25 Als das „Kernproblem“ des SSD bezeichnen diese Frage Sonnenschein, JA 1979, 225 sowie 228, und Ebke/Scheel, WM 1991, 392; von der schwierigsten Streitfrage beim SSD spricht MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 119. 26 Über das Anwendungsfeld des SSD in der Rechtsprechung s. unten 2. Kapitel A. Hier genügt bloß der Verweis auf das bereits Gesagte über die Entwicklung des Instituts vom Vertrag auf das Schuldverhältnis mit Schutzwirkung für Dritte. 27 An dieser Stelle kann als unentbehrliche Voraussetzung betrachtet werden, dass zwischen S und G ein Schuldverhältnis besteht, damit überhaupt von einem SSD die Rede sein kann. Vgl. BGH v. 16.10.1990, NJW 1991, 352; OLG Hamburg v. 14.6.1990, VersR 1991, 476: Erfordernis eines Vertrags zwischen G und S. Diese Annahme gilt jedoch nicht wirklich ausnahmslos, s. unten 6. Kapitel B. II. 1. Darüber hinaus wird hier zunächst unterstellt, dass die Pflicht, deren Verletzung zur Schädigung des D führt, (auch) zum Inhalt des Schuldverhältnisses zwischen G und S gehört, was G insoweit zum Gläubiger und S zum Schuldner macht. Damit soll allerdings keine endgültige Stel-

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1. Kap.: Einleitung

eines Schuldverhältnisses nicht a priori eine bestimmte Schuldverhältnispartei betrifft. Es ist vielmehr eine Frage der konkreten Konstellation, welcher der beiden Schuldverhältnispartner gegenüber einem Dritten (D) im Sinne des SSD schadensersatzpflichtig werden kann.

___________ lung zur Frage genommen werden, ob die durch S verletzte Pflicht auch oder sogar nur gegenüber D besteht, s. auch Fn. 20.

2. Kapitel

Das Schuldverhältnis mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter in der Rechtsprechung Die eigenständige Geschichte des VSD beginnt in der Rechtsprechung grundsätzlich mit der Entscheidung des BGH vom 15.5.1959.1 Zwar wird in dieser Entscheidung nicht zum ersten Mal überhaupt vom vertraglichen Schutz zu Gunsten Dritter gesprochen;2 auch in der Literatur hat Larenz den Begriff VSD in den rechtswissenschaftlichen Sprachgebrauch bereits 1953 eingeführt.3 In diesem Urteil wird aber erstmals die selbständige Existenz des Rechtsinstituts im Vergleich zu traditionellen Rechtsfiguren (insbesondere im Vergleich zum Vertrag zu Gunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB) deutlich4 betont. Die Urteilsbegründung in diesem Fall eröffnete also den Weg für die weitere Entwicklung der Rechtsfigur des VSD aufgrund einer neuen Basis.5 Die materielle Geschichte des Rechtsinstituts beginnt allerdings viel früher: Nur einige Jahre nach dem Inkrafttreten des BGB sind Sachverhalte entschieden und Rechtsfolgen ausgesprochen worden, die man später dem VSD zugeordnet hat.6 Da die historische Entwicklung des SSD als richterlich gebildete Rechtsfigur in der einschlägigen Literatur mehrmals dargestellt worden ist,7 erscheint ihre erneute Darstellung eher überflüssig. Auf eine Schilderung des heutigen Standes der Rechtsprechung zum SSD kann indes für den weiteren Aufbau dieser Untersuchung nicht verzichtet werden. Dieses Anliegen wird dadurch verfolgt, indem zum einen die Fallgestaltungen präsentiert werden, in denen die Rechtsprechung die Drittschutzwirkung bejaht oder verneint hat (unter A.). Zum anderen werden die allgemeinen Eigenschaften (vornehmlich Anwendungskriterien und Rechtsfolgen) der Rechtsfigur geschildert, wie diese in der Rechtsprechung angewandt wird (unter B.). Schließlich sind einige elementare Schlussfolgerungen zur funktionellen Stellung des SSD gemäß seiner Behandlung in der Rechtsprechung notwendig (unter C.). ___________ 1

Beim sog. „Capuzolfall“, NJW 1959, 1676. Bereits früher hat BGH v. 28.5.1957, BGHZ 24, 325 (327), wörtlich von der Schutzwirkung eines Beförderungsvertrags gesprochen. 3 In der Erstauflage seines „Lehrbuchs des Schuldrechts“, Bd. I, S. 139 ff. 4 Vgl. aber bereits früher BGH v. 21.9.1955, VersR 1955, 740 (742). 5 So auch Hirth, S. 28. Zu dieser Entscheidung, s. auch unten 2. Kapitel B. I. 1. 6 s. statt vieler Hirth, S. 18 ff mit vielen Nachweisen zur damaligen Rechtsprechung. 7 Aus der neueren Literatur s. Hirth, S. 15 ff; Ziegltrum, S. 14 ff. 2

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

A. Das Anwendungsfeld des Rechtsinstituts in der Rechtsprechung I. Die geeignete Fallgruppenbildung Für die Schilderung des Anwendungsfelds des SSD in der Rechtsprechung können natürlich nicht alle in der Rechtsprechung behandelten Konstellationen in Fallgruppen oder als Einzelfälle dargestellt werden. Die folgenden Ausführungen verstehen sich also eher als eine Darstellung repräsentativer Fälle, die ein möglichst weites Spektrum der Rechtsprechung abdecken und die Richtung ihrer Ergebnisse aufzeigen sollen. Bei dieser Aufgabe sind auch einzeln gebliebene Fälle wichtig, wobei natürlich der Schwerpunkt bei der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt. Berücksichtigt werden allerdings nur Entscheidungen, welche das Vorliegen eines SSD ausdrücklich annehmen oder ablehnen; außer Acht gelassen sind hingegen Urteile, welche diese Rechtsfigur gar nicht in Betracht ziehen, unabhängig davon, ob sie im Ergebnis den Schadensersatzanspruch bejahen oder nicht bzw. ob die Anwendung des SSD möglich erscheint oder angesichts der übrigen Rechtsprechung sogar konsequent wäre. Nur ausnahmsweise sind darüber hinaus Urteile zu untersuchen, die vor der Durchsetzung des Begriffs VSD veröffentlicht8 und dem SSD zuzuordnen sind. Die nachfolgende Darstellung baut grundsätzlich auf dem Typ des Schuldverhältnisses auf, das jeweils Drittschutzwirkungen entfalten soll.9 Dabei muss man allerdings beachten, dass im Rahmen eines einzigen Schuldverhältnistyps oftmals ganz unterschiedliche „Arten“ der Drittschutzwirkung in Betracht kommen,10 so dass eine solche Systematisierung kaum dafür hilfreich ist, die für ___________ 8

s. oben 1. Kapitel bei Fn. 1 und 3. Vgl. auch Hirth, S. 18 ff; Ziegltrum, S. 14 ff; Puhle, S. 7 ff. 10 Die Richtigkeit dieser Aussage fällt zuweilen ohne weitere Überlegungen unmittelbar auf. Dies ist offenbar etwa bei den Drittschutzwirkungen der Fall, die bei einem Kaufvertrag in Frage kommen: Drittschutzwirkung des Kaufvertrags zwischen Hersteller und Zwischenhändler zu Gunsten des Produktendabnehmers für bestimmte Eigenschaften der Kaufsache (Stichwort: Produzentenhaftung), s. z.B. BGH v. 26.11.1968, BGHZ 51, 91 („Hühnerpestfall“); Drittschutzwirkung des Kaufvertrags über eine Maschine zwischen Hersteller und Zwischenhändler zu Gunsten des Endabnehmers in Bezug auf Schäden an der verkauften Maschine wegen Verschuldens des Herstellers bei der Verladung der Maschine zu einem Zeitpunkt, in dem die Transportgefahr auf den Endabnehmer bereits übergangen war (§§ 446, 447 BGB – vgl. die Gruppe der obligatorischen Gefahrentlastung der Drittschadensliquidation), s. BGH v. 18.6.1968, NJW 1968, 1929; Drittschutzwirkung des Kaufvertrags über eine Pizza zu Gunsten desjenigen, der sie im Auftrag des Käufers abholt, bezüglich Schäden, die ihm durch unzureichende Verpackung der Pizza an seiner Kleidung entstehen, s. LG Frankfurt v. 18.2.1986, NJW-RR 1986, 966. Noch anschaulicher wird die Ungleichartigkeit dieser Fälle, wenn man in diese Gruppe Drittschutzwirkungen einordnen würde, die vorvertragliche Schuldverhältnisse (s. nunmehr § 311 II BGB) entfalten, wenn es sich um Kaufverhandlungen handelt, so der Fall bei BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51, „Gemüseblattfall“: Schutz9

A. Das Anwendungsfeld des Rechtsinstituts

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die Drittwirkung wesentlichen Merkmale der verschiedenen Fälle herauszuarbeiten. Darum geht es aber hier nicht; vielmehr wird jegliche Verbindung dieser Fallzusammenstellung mit dogmatischen Unterstellungen ausdrücklich abgelehnt: Der Typ des Schuldverhältnisses soll vielmehr nur als Kurzbeschreibung für die Umstände und die Interessenlage des jeweils behandelten Falls dienen, da beide Größen bei gleichen Schuldverhältnistypen großenteils gleich bzw. vergleichbar sind. Entspricht jedoch diese Unterstellung der wahren Lage nicht mehr, so wird die Unterscheidung anhand des Schuldverhältnistyps nicht mehr streng aufrechterhalten. Deshalb werden nicht nur besondere Fallgestaltungen erwähnt, die die bei einem bestimmten Typ von Schuldverhältnissen typischerweise vorkommenden Sachverhaltsmerkmale bzw. die einschlägige Interessenlage abändern, sondern auch verschiedenartig gelagerte Fallgestaltungen häufig in besonderen Fallgruppen zusammengestellt, obwohl ihnen die gleiche Schuldverhältnisart zugrunde liegt.11 Insofern kommt es sogar zur Wiedergabe von einzelnen Fällen, wenn die konkreten Umstände eine Einordnung zusammen mit anderen Fällen unter eine Fallgruppe nicht erlauben. Mit ähnlichen Überlegungen ist auch die Teilung der dargestellten Konstellationen in Fällen mit (vornehmlich) Personen- bzw. Sachschäden und Fällen mit reinen Vermögensschäden zu rechtfertigen. Denn Personen- bzw. Sachschäden weisen auf einen eher intensiven oder sogar persönlichen Kontakt des Geschädigten zum Schädiger und somit auf ein möglicherweise wichtiges Tatbestandsmerkmal hin. Davon abgesehen ist nicht zu leugnen, dass heutzutage vor allem die Fälle mit Vermögensschäden das größte Interesse an sich ziehen.12 Möglicherweise ist dies auf die längere Geschichte des SSD bei Personenschäden13 zurückzuführen, die zu einer gewissen Einigkeit über die zu erzielenden Ergebnisse geführt hat.14 Dazu kommen auch die Entwicklungen im Deliktsrecht, das nur vor Personen- und Sachschäden einen umfassenden Schutz gewährt: Die Tatsache, dass gewisse praktische Probleme, welche zur Entwicklung des SSD bei Personen- und Sachschäden beigetragen haben,15 inzwischen ___________ wirkung zu Gunsten eines minderjährigen Begleiters des möglichen Käufers für Körperschäden vor Kaufabschluss (eingehender zu dieser Entscheidung unten 2. Kapitel B. I. 1.). Den Fall im Hinblick auf den Typus des abzuschließenden Vertrags einzuordnen, wäre offenbar sachlich ungerechtfertigt; vgl. aber Hirth, S. 50. 11 Vgl. die gesonderte Darstellung mehrerer Geschäftsbesorgungsverhältnisse unten 2. Kapitel A. III. 12 s. auch Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 199; Honsell, FS Medicus, S. 225; Plötner, S. 22. 13 s. Fn. 19. 14 Bei Sachschäden ist, im Gegensatz zu Personenschäden, das Verhältnis des SSD zur Drittschadensliquidation (Stichwort: „Obhutsfälle“) noch nicht abschließend geklärt, s. dazu z.B. Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 8 III 7 a. 15 Dass die Entwicklung des SSD in großem Maße darauf zurückzuführen ist, dass das geltende Deliktsrecht in bestimmten Fällen einen Schadensersatzanspruch nicht zu-

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

auf anderem Wege gelöst sind,16 macht die Suche nach einer richtigen Erklärung des SSD bei Vermögensschäden gewissermaßen dringender als bei Personen- und Sachschäden. Wichtigster Erklärungsfaktor für dieses Interesse scheint jedoch die Vorstellung zu sein, dass die Fälle mit Vermögensschäden ein viel umfangreicheres Feld abdecken könnten als die Fälle mit Sach- und insbesondere mit Personenschäden.17 Es ist nämlich oft eine nicht ausdrücklich erklärte Ansicht zu spüren, dass das Anwendungsfeld des SSD bei Sachverhalten vor allem mit Personen- und großenteils auch mit Sachschäden mehr oder weniger seine Grenze erreicht habe. Demgegenüber kann sich der Kreis derjenigen Personen, die Vermögensschäden durch eine Pflichtverletzung im Rahmen eines fremden Schuldverhältnisses erleiden können, grundsätzlich viel stärker ausdehnen als der Kreis derjenigen, bei denen der Eintritt von Körper- oder Sachschäden möglich ist.18 ___________ lässt oder erheblich erschwert (etwa indem es einen Verschuldensnachweis durch den Geschädigten erfordert oder dem Geschäftsherrn die Exkulpationsmöglichkeit für das Verhalten seiner Verrichtungsgehilfen – s. § 831 I S. 2 BGB – einräumt), lässt sich nicht bezweifeln, s. beispielsweise Palandt(65)/Grüneberg, § 328, Rn. 13. Ob dies jedoch Zweifel über die dogmatische Rechtfertigung und die Legitimität des SSD überhaupt begründen kann, ist durch die weitere Behandlung des SSD zu beantworten. 16 Vgl. Erman(11)/Westermann, § 328, Rn. 11. Dabei sei beispielsweise erinnert an die Vereinheitlichung der Verjährungsregelung für das Vertragshaftungs- und das Deliktsrecht (s. § 195 BGB; vgl. den Fall bei BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51), an die richterliche Fortbildung des Deliktsrechts, etwa bezüglich Beweislasterleichterungen (vgl. etwa Palandt(65)/Sprau, § 823, Rn. 183 f) und Einschränkungen der Exkulpationsmöglichkeit nach § 831 BGB (s. dazu Erman(11)/Schiemann, § 831, Rn. 3; vgl. ferner in diesem Zusammenhang die Annahme einer Verkerspflichtverletzung – beispielsweise in Bezug auf die Organisation von Großbetrieben – im Rahmen des § 823 I BGB, s. dazu Matusche-Beckmann, passim; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 1239; Steinmeyer, DB 1988, 1050 mit weiteren Nachweisen), oder an die gesetzliche Regelung zur Produzentenhaftung in Bezug auf Personen- und Sachschäden (ProdHaftG). 17 Vgl. Schürmann, S. 132. 18 In einem Gutachtenfall (der Gutachter S erstellt im Auftrag des G ein Gutachten, das zum Gebrauch durch einen Dritten (D) bestimmt ist – s. zum Sachverhalt unten 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15) hat BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059, nicht nur der Bank als Darlehensgeberin, sondern auch dem Bürgen, der für das Darlehen gebürgt hat, einen Schadensersatzanspruch gegen den Gutachter (S) im Sinne des SSD zugesprochen, der das falsche Gutachten im Auftrag des Darlehennehmers (G) erstellt hat. Denkt man diesen Fall weiter, so könnten die Angestellten des Bürgen einen Vermögensschaden erleiden, falls der Bürge wegen des erlittenen Schadens in Konkurs geraten würde. Dass wegen verminderten Einkommens einige unter diesen Angestellten ihre Mietverträge über ihre bisherigen teuren Wohnungen zu Gunsten günstigerer kündigen, und dass dadurch eine Schädigung ihrer Vermieter eintritt, wäre ferner nicht auszuschließen. Das (absichtlich) übertriebene Beispiel zeigt, dass Vermögensschäden in mehreren Stufen möglich sind: Dabei handelt es sich nicht einfach um die Schädigung einer größeren Anzahl von Personen, wie es oft auch in Fällen mit Personen- und Sachschäden vorkommen kann – z.B. Beschädigung von in das Miethaus eingebrachten Sachen, die mehreren Personen gehören, s. BGH v. 7.11.1984, NJW 1985, 489 –, sondern

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Allerdings darf die Unterscheidung zwischen Personen- bzw. Sachschäden und reinen Vermögenseinbußen nicht überschätzt werden. Zwar haben die Rechtsprechung für lange Zeit nur Personenschäden beschäftigt,19 was das Verständnis über das SSD – insbesondere bezüglich der maßgeblichen Voraussetzungen – stark beeinflusst hat. Vor diesem Hintergrund hat man zwar die Sachschäden in das bisherige Schutzwirkungssystem verhältnismäßig einfach integriert,20 die Vermögensschäden jedoch oft mehr oder weniger ausdrücklich als ein besonderes Problem im Rahmen des SSD betrachtet, das der besonderen Behandlung bedürfe.21 Man kann jedoch oft die Fallgestaltungen, in denen ein Vermögensschaden entstanden ist, unwesentlich in die Richtung variieren, dass dadurch ein Personen- oder Sachschaden ohne gleichzeitige Änderungen an der materiellen Interessenlage eintreten kann, so dass es als rein zufällig erscheint, ob der betroffene Dritte einen Vermögens- oder einen Körper- bzw. Sachschaden22 erleidet.23 Deswegen werden bei der nachfolgenden Darstellung auch Fäl___________ um die Ausdehnung der schädigenden Folgen der ersten Pflichtverletzung auf mehrere Personenkreise. Dies ist bei Sach- und Personenschäden in geringerem Maße möglich. 19 Die erste Entscheidung des BGH, bei der ein Schadensersatzanspruch für primäre Vermögensschäden aufgrund SSD anerkannt worden ist, ist das Urteil zum sog. „Testamentsfall“ vom 6.7.1965, JZ 1966, 141. Die Kompensation von Sachschäden im Rahmen eines SSD hat der BGH erstmals 2½ Jahre später angenommen, BGH v. 22.1.1968, BGHZ 49, 350. 20 Grundlegend BGH v. 22.1.1968, BGHZ 49, 350 (355). Angesichts der Meinungen in der Literatur vgl. bereits vor dieser Entscheidung Lorenz, JZ 1966, 144 (s. Fn. 21). 21 Vgl. die Skepsis des BGH beim „Testamentsfall“ vom 6.7.1965, JZ 1966, 141, darüber, ob es sich dabei um einen echten Fall eines VSD handelt. Noch eindeutiger ist die Verlegenheit von Lorenz, JZ 1966, 144, in seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung: „So sehr man es mit Recht bedauern mag, daß mit dem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte bisher nur Personenschäden und nicht auch Sachschäden erfaßt wurden, so sehr ist zu befürchten, daß mit der Einbeziehung von Vermögensschäden schlechthin die Fahrt ins Ungewisse beginnt“. S. auch v. Caemmerer, FS Wieacker, S. 320 f. 22 Ähnliches gilt für die Unterscheidung zwischen Schäden, die in einer Verminderungen des bestehenden Vermögens, und solchen, die im Nichterfolgen eines bevorstehenden Vermögenszuwachses (vgl. § 252 BGB, entgangener Gewinn) bestehen (vgl. die Fallgruppenbildung von Papst, S. 174 ff.). So geht es etwa in den „Gutachtenfällen“, s. unten 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15, normalerweise um Verminderung des bestehenden Vermögens des Dritten wegen falscher Auskunft (s. z.B. BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059). Sehr wohl ist es aber möglich, dass die Auskunftserteilung den D nicht dazu veranlasst hat, eine schädliche Vermögensdisposition zu machen (z.B. ein in Wahrheit nicht ausreichend gesichertes Darlehen zu gewähren, wie beim BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059), sondern ihn davon abgehalten hat, einen gewinnbringende Disposition vorzunehmen; dass der zweite Fall anders einzuordnen wäre als der erste, ist nicht selbstverständlich. 23 Besonders deutlich bestätigt sich diese Aussage etwa bei BGH v. 11.10.1988, NJW 1989, 1029: Durch fehlerhafte, vom Hersteller (S) stammende Gebrauchsanweisungen eines Produkts (Fugendichtungsmasse) erleidet der Endkäufer (D) des Produkts einen Vermögensschaden, indem er im Rahmen mehrerer Werkverträge mit weiteren Personen das Produkt bei Versiegelungsarbeiten an den Fenstern der Werkbesteller an-

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

le mit reinen Vermögensschäden oft zusammen mit Fällen eingeordnet, in denen vorwiegend Personen- bzw. Sachschäden entstehen, wenn dies wegen der Ähnlichkeit in offenbar wesentlichen Punkten erforderlich erscheint.

II. Fallkonstellationen (vornehmlich) mit Personen- oder Sachschäden 1. Schutzwirkung rund um das Miet-, Pacht- bzw. Leihverhältnis Fallkonstellation 1 – „Gemietete Sachen“: S vermietet dem G eine Sache.24 Durch eine Pflichtverletzung des S im Mietverhältnis in Zusammenhang mit der gemieteten Sache kommt es zu Körper-25 oder Sachschäden bei D. Dabei kann es sowohl um die Verletzung der Pflicht des S, die gemietete Sache gemäß § 535 I S. 2 BGB in einem geeigneten Zustand zu überlassen bzw. während der Mietzeit zu erhalten,26 als auch um die Verletzung einer anderen Nebenpflicht27 des S gehen. Auf die Frage nach der Natur der verletzten Pflicht wird jedoch in den einschlägigen Entscheidungen kaum eingegangen;28 die Unterscheidung ist allerdings vor allem bezüglich der Anwendung des § 536a I BGB – verschuldensunabhängige Haftung für anfängliche Mängel der Mietsache – von Bedeutung, was oft den praktischen Grund für die Anerkennung einer Drittwirkung bei Mietverhältnissen darstellt.29 ___________ gewendet hat und wegen der dadurch entstandenen Mängel am erstellten Werk Nachbesserungsarbeiten hat leisten müssen (s. § 633 II a.F. BGB). Der Umstand, dass hier der Käufer das Produkt bei anderen anwendet und selbst somit nur einen Vermögensschaden erleidet, ist für die Beurteilung des Falls offenbar unwesentlich. Ganz ähnlich die Fallkonstellation bei BGH v. 14.5.1974, NJW 1974, 1503. 24 Am häufigsten handelt es sich um Mieträume. Es fehlt allerdings auch nicht an Fällen mit gemieteten beweglichen Sachen, s. RG v. 4.3.1920, RGZ 98, 210 (sog. „Kreissägefall“); OLG Köln v. 27.5.1992, OLGZ 1993, 199 (gemietetes Pony); OLG Rostock v. 4.6.1998, VersR 2000, 888 (gemietete Hebebühne). 25 Der Ersatz von Körperschäden spielt in dieser Fallgruppe in der neueren Rechtsprechung kaum mehr eine Rolle. 26 s. z.B. BGH v. 23.6.1965, NJW 1965, 1757: nicht rechtzeitige Entfernung der durch eine gefallene und anschließend zerbrochene Flasche entstandenen Öllache; RG v. 5.10.1917, RGZ 91, 21: Überlassung einer mit Tuberkelbakterien verseuchten Wohnung; BGH v. 10.1.1968, JZ 1968, 304: mangelnde Wasserdichtung; OLG Hamm v. 14.12.1976, VersR 1977, 531: mangelhaft gesicherte Balkonbrüstung. 27 s. z.B. RG v. 4.3.1920, RGZ 98, 210: Der Vermieter hat Maßnahmen zur Sicherung der überlassenen Kreissäge unterlassen; OLG Hamm v. 17.8.1988, NJW-RR 1988, 1481: fehlende Unterrichtung des Mieters über Einbrüche in andere Mietwohnungen in demselben Gebäude mit Hilfe manipulierter Nachschlüssel. 28 Vgl. aber OLG Rostock v. 4.6.1998, VersR 2000, 888 (890). 29 s. BGH v. 22.1.1968, BGHZ 49, 350 (354); RG v. 5.10.1917, RGZ 91, 21 (24). S. ferner BGH v. 20.12.1978, WM 1979, 307 (308); BGH v. 17.12.1969, WM 1970, 127 (128 f). Vgl. Canaris, Karlsruher Forum 1998, S. 86.

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Im Hinblick auf den geschützten Personenkreis werden, oft allerdings ohne konkreten Bezug zum jeweils vorliegenden Fall, Familienangehörige, wie Ehefrau,30 Tochter31 oder Nichte,32 sowie Angestellte33 des Mieters (G) genannt.34 Für geschützt hat die Rechtsprechung ferner gehalten: den in unehelicher Lebensgemeinschaft mit der Wohnraummieterin Zusammenwohnenden;35 die Mitglieder eines nichtrechtsfähigen Vereins, die an einem vom Verein in gemieteten Räumen veranstalteten Stiftungsfest teilgenommen haben;36 den Darsteller (D), der sich an der vorgesehen, von G organisierten Bühnenvorführung beteiligen sollte, für Körperschäden, die er wegen des gefährlichen Zustandes der von S zur Verfügung gestellten Bühne erlitten hat;37 den Eigentümer, der seine Sachen in die von G gemieteten Räume einlagert, oder dessen Sachen G befugt in diese Räume eingebracht hat;38 den Vertreter (D) einer GmbH (G), der Räume im Namen der GmbH gemietet hat, diese jedoch zur Einlagerung der eigenen Sachen benutzt hat.39 Demgegenüber wird heute40 mangels Schutzbedürftigkeit41 die Einbeziehung des Untermieters in den Hauptmietvertrag ausdrücklich abgelehnt.42 Außerdem ___________ 30

RG v. 3.6.1921, RGZ 102, 231. So offenbar auch BGH v. 21.9.1965, VersR 1965, 1098. 31 BGH v. 28.4.1952, BGHZ 5, 378; RG v. 5.10.1917, RGZ 91, 21. Vgl. BGH v. 18.1.1968, NJW 1968, 1323 (1324). 32 OLG Köln v. 27.5.1992, OLGZ 1993, 199. Allerdings lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen, ob sie den Drittschutz gerade auf die Eigenschaft des Kindes als Nichte der Mieterin stützt; erwähnt wird diesbezüglich nur die Schutzpflicht der Mieterin für das Kind unabhängig von deren Entstehungsgrund. 33 RG v. 4.3.1920, RGZ 98, 210; OLG Rostock v. 4.6.1998, VersR 2000, 888. 34 BGH v. 15.2.1978, BGHZ 70, 327 (329); BGH v. 19.9.1973, BGHZ 61, 227 (233); BGH v. 7.2.1968, BGHZ 49, 278; BGH v. 25.4.1956, NJW 1956, 1193; BGH v. 10.5.1951, BGHZ 2, 94 (97); RG v. 29.7.1937, JW 1937, 2592; OLG Celle v. 9.3.1984, VersR 1984, 1075. Beide Gesichtspunkte erwähnt das RG v. 11.3.1935, JW 1935, 1768 für den Schutz des bei seinem Vater arbeitenden D. 35 OLG Hamburg v. 17.8.1988, NJW-RR 1988, 1481 (1482). A.A. noch OLG Hamm v. 14.12.1976, VersR 1977, 531 (532 f). 36 BGH v. 23.6.1965, NJW 1965, 1757 (1757 f). 37 RG v. 4.4.1939, RGZ 160, 153. In diesem Fall handelte es sich technisch gesehen nicht um einen Mietvertrag, sondern um einen ähnlichen „entgeltlichen Vertrag besonderer Art“ zur Überlassung von Räumen (a.a.O. S. 155); dies spielt allerdings keine Rolle für die Drittwirkung an sich. 38 BGH v. 7.11.1984, NJW 1985, 489; BGH v. 17.12.1969, WM 1970, 127; BGH v. 22.1.1968, BGHZ 49, 350; OLG Koblenz v. 23.12.1997, VRS 96, 243 (244). In einigen Fällen ist der Eigentümer (D) Verwandter des G (s. z.B. BGH v. 22.1.1968, BGHZ 49, 350: Schwester; OLG Koblenz v. 23.12.1997, VRS 96, 243: Mutter), die Gerichte stellen allerdings nicht entscheidend auf diese Eigenschaft ab. 39 BGH v. 10.1.1968, JZ 1968, 304. 40 Anders noch BGH v. 22.1.1968, BGHZ 49, 350. 41 Zu dieser Drittschutzvoraussetzung s. unten 2. Kapitel B. II. 2.

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

hat der BGH43 abstrakt, d.h. ohne Bezug auf den konkreten Fall, offenbar wegen der nur flüchtigen Sachbeziehung44 den Drittschutz für die Besucher der Mietwohnung45 sowie für den zu entscheidenden Fall den Drittschutz zu Gunsten des Ehemannes verneint, der seine im Krankenhaus untergebrachte Frau besucht und dadurch einen Unfall erleidet.46 In diesem Sinne hat bereits das RG den Drittschutz auf die in die Hausgemeinschaft aufgenommenen Personen beschränkt und folgerichtig die einmal in der Woche einige Stunden beim Mieter (G) tätige „Reinemachefrau“ davon ausgeschlossen.47 Wesentlich für den Schutz des D ist, den anschließend zum Schaden des D führenden Kontakt der persönlichen oder sachlichen Güter des D zur Mietsache im Hinblick auf das Verhältnis zwischen S und G als befugt ansehen zu können.48 Zur Verneinung einer solchen Befugnis reicht nach der Rechtsprechung freilich der Umstand nicht aus, dass die laut dem Mietvertrag erforderliche ___________ 42 Grundlegend BGH v. 15.2.1978, BGHZ 70, 327. So auch BGH v. 20.12.1978, WM 1979, 307. 43 BGH v. 10.5.1951, BGHZ 2, 94 (96 f). 44 Vgl. die Zurückhaltung des Gerichts – BGH v. 10.5.1951, BGHZ 2, 94 (97) – bei der Beurteilung des hypothetischen Falles, dass „der Ehemann mit Einverständnis der Krankenhausverwaltung sich dauernd, auch über Nacht, in der Nähe seiner Frau im Krankenhaus aufhalten würde“. 45 Zu dieser Zeit (1951) hat man den VSD immer noch als berechtigenden Vertrag zu Gunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB verstanden. Da damit vornehmlich Leistungsansprüche gemeint sind, ist nahezu zwingend, den Drittschutz nur zu Gunsten von Personen zu gewähren, die aufgrund ihre Beziehung zur gemieteten Sache einen ähnlichen Leistungsanspruch wie der Mieter selbst haben könnten, was jedoch bei Personen mit nur vorübergehendem Kontakt zum Leistungsgegenstand, wie z.B. bei Besuchern der Mietwohnung, ausgeschlossen ist. Deshalb ist fraglich, ob die Begrenzung des Drittschutzes auf Personen der Hausgemeinschaft, wie sie der BGH in diesem Urteil vornimmt, auch im Lichte der späteren Entwicklung der Rechtsprechung aufrechterhalten werden kann. In gleichem Sinne wie der BGH aus dieser Zeit auch OLG Karlsruhe v. 15.10.1952, ZMR 1953, 175 (Logiergäste); LG Stuttgart v. 23.9.1953, VersR 1954, 247 (vorübergehend besuchender Vater des Mieters). Aus der neueren Zeit s. OLG Köln v. 8.11.2000, VersR 2001, 205. Der Ausschluss der Gäste aus der vertraglichen Schutzwirkung scheint der h.M. im Schrifttum zu entsprechen, s. Palandt(65)/Grüneberg, § 328, Rn. 28; Erman(11)/Westermann, § 328, Rn. 11; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 2 e. 46 Genauer betrachtet handelt es sich nicht um die Frage nach der Einbeziehung des Ehemannes in einen fremden Vertrag; vielmehr war der Ehemann selbst Partei des Behandlungsvertrags über seine Ehefrau. Das Ergebnis der Entscheidung wird jedoch im Rahmen des SSD vorgestellt, weil dies der Sichtweise des Gerichts entspricht. 47 RG v. 29.7.1937, JW 1937, 2592. 48 Ausdrücklich BGH v. 22.1.1968, BGHZ 49, 350 (355 f). Dies wird mittelbar auch von den Urteilen verlangt, die einen nach dem Inhalt des Mietvertrages bestimmungsgemäßen Gebrauch der Mietsache erfordern (Leistungsnähe) – BGH v. 7.11.1984, NJW 1985, 489; BGH v. 15.2.1978, BGHZ 70, 327 (329); BGH v. 19.9.1973, BGHZ 61, 227 (233) – da freilich nur ein befugter Gebrauch bestimmungsgemäß erfolgen kann. Zu diesem Merkmal im Allgemeinen s. unten 2. Kapitel B. II. 1. a).

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schriftliche Zustimmung des S für den Gebrauch der Mietsache durch Dritte nicht eingeholt worden ist; es genüge, dass S die Mietsachebenutzung durch D gekannt und sie billigend hingenommen hat.49 Aus der seitens des S geduldeten Benutzung der Mietsache durch D hat der BGH bereits früher eine noch weitergehende Konsequenz gezogen: Er hat dem D einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des VSD auch für den Fall zuerkannt, dass der Mietvertrag zwischen S und G mangels Vertretungsmacht nicht zustande gekommen ist.50 Im Bereich der Vermögensschäden hat der BGH einen Schadensersatzanspruch der Ehefrau (D) des Mieters (G) gegen den Vermieter (S) nicht wegen Schlecht-, sondern wegen Nichterfüllung des Mietvertrages zugesprochen: S konnte dem G das gemietete Ferienhaus nicht überlassen, und deshalb mussten beide Eheleute (G und D) ihre Urlaubszeit zu Hause verbringen.51 Ebenfalls eine besondere Problematik betrifft die Anerkennung eines Anspruchs des D, der mit dem eigentlichen Mieter (G) eine Rechtsanwaltssozietät bildet, gegen den Vermieter S auf Duldung eines Schilds, das auf die neue Praxis des D hinweist.52 Denn anders als in den meisten anderen Fällen wird hier mit Hilfe des Instituts des VSD nicht ein Schadensersatz-, also ein sekundärer, sondern ein primärer Anspruch des Dritten (Sozius des Mieters) gegen den Vermieter (S) auf Erfüllung der in Rede stehenden Nebenpflicht begründet.53 Fallkonstellation 2 – „Geliehene Sachen“: Die Lage ist hier nicht wesentlich anders im Vergleich zur Fallkonstellation 1 („Gemietete Räume“): S ist nicht der Vermieter, sondern der Verleiher einer Sache an G. Wegen Verletzung ei___________ 49 BGH v. 15.2.1978, BGHZ 70, 327 (329); BGH v. 10.1.1968, JZ 1968, 304; OLG Hamburg v. 17.8.1988, NJW-RR 1988, 1481 (1482). 50 BGH v. 10.1.1968, JZ 1968, 304: Dabei stützt sich das Gericht auf „eine sich nicht an formale Zufälligkeiten klammernde, sondern den wirtschaftlichen Gegebenheiten gerecht werdende und die Interessenlage beider Parteien berücksichtigende Wertung“. Vgl. auch OLG Stuttgart v. 7.2.1975, MDR 1975, 841 (842): Hier wird anscheinend eher auf den endgültigen Auszug aus der Mietwohnung als auf das formelle Ende des Mietverhältnisses abgestellt. 51 BGH v. 12.5.1980, BGHZ 77, 116 (124). 52 OLG Düsseldorf v. 27.5.1988, NJW 1988, 2545. 53 Hirth, S. 79. Zu dieser Problematik s. auch BGH v. 9.7.1987, NJW 1987, 3132 (3133): Hier wird mangels einer Pflichtverletzung die Frage offen gelassen, ob dem D ein Anspruch gegen S auf Unterlassung der (vermeintlich) pflichtverletzenden Handlung aufgrund VSD zustehen könnte; OLG Hamburg v. 10.2.2005, NJOZ 2005, 4297 (4304 f): Das Gericht nimmt einen VSD an, um den Anspruch des D gegen S zu begründen, die im Vertrag zwischen G und S vereinbarte Preisbindung einzuhalten. Vgl. ferner OLG Hamburg v. 28.10.1999, NJW-RR 2001, 845 ff sowie LG Gera v. 14. 4. 1998, NJW-RR 1998, 1466 (1467).

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

ner Sorgfaltspflicht durch S entstehen bei D Schäden.54 Trotz der auffälligen Ähnlichkeit zur Fallkonstellation 1 ist die Trennung der Fallgruppen sinnvoll. Denn im Gegensatz zum Vermieter ist der Verleiher nicht verpflichtet, die Sache in den für den vertragsmäßigen Gebrauch erforderlichen Zustand zu versetzen und sie während der Leihzeit in diesem Zustand zu erhalten – vgl. § 598 und § 535 I S. 2 BGB –, sondern muss den Gebrauch der Sache in dem Zustand gestatten, in dem sie sich befindet.55 Möglicherweise vom Verleiher vorzunehmende Vorkehrungen insbesondere in Bezug auf die Sicherheit der geliehenen Sache sind also bei der Leihe nicht von der Hauptleistungspflicht erfasst wie beim Mietverhältnis (vgl. § 535 I S. 2 BGB). Ferner gilt bei der Leihe die Haftungsbegrenzung des § 599 BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, was auch für das SSD besondere Probleme aufwirft.56 Die Rechtsprechung scheint die Drittwirkung eines Leihverhältnisses nicht anders zu behandeln als bei den Mietverhältnissen.57 Deshalb lässt sich der Schluss ziehen, dass in den Fällen, in denen die Drittwirkung eines Mietverhältnisses anerkannt wird, auch beim Vorliegen einer Leihe die Drittwirkung grundsätzlich angenommen würde. Fallkonstellation 3 – „Vorsichtslose Mitmieter“: Wie in der Fallkonstellation 1 – „Gemietete Sachen“, geht es auch bei dieser Konstellation um die Drittschutzwirkung des Mietverhältnisses zwischen G und S. Anders als dort ist aber hier von der Haftung des Mieters für Schäden die Rede, die er durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht58 bei einem anderen Mieter (D) seines Vermieters verur___________ 54 s. z.B. die Konstellation bei OLG Köln v. 4.6.1986, NJW-RR 1988, 157: S hatte dem G ein Motorrad geliehen; wegen fehlerhafter Befestigung des Schutzblechs des Vorderrades durch den Verleiher (S) kam es zu einem Unfall, bei dem nicht nur der Entleiher (G) tödlich verletzt wurde, sondern auch seine mitfahrende Ehefrau (D) Verletzungen erlitt. Das OLG Köln v. 4.6.1986, NJW-RR 1988, 157, bejaht die Drittschutzwirkung des Leihvertrages zu Gunsten der Frau des Entleihers, verneint jedoch im konkreten Fall die Haftung des Verleihers wegen fehlenden Verschuldens. 55 Larenz, Schuldrecht BT 1, § 50 (S. 295). 56 Zur Stellungnahme der Rechtsprechung hinsichtlich der Frage, inwiefern gesetzliche Haftungsbeschränkungen, die dem Entleiher (G) gegenüber gelten, auch den Schadensersatzanspruch des Dritten (D) aus dem SSD verkürzen können, s. unten 2. Kapitel B. IV. 57 s. vor allem BGH v. 7.2.1968, BGHZ 49, 278: Das Gericht behandelt den vorliegenden Fall ausdrücklich unabhängig davon, ob es sich um ein Miet- oder Leihverhältnis handelt. 58 Dabei geht es um die Haftung des Mieters in seiner Eigenschaft als Gläubiger der Hauptleistung, da ihn insoweit die entsprechenden Nebenpflichten treffen. Um diese Problematik geht es auch bei der Fallkonstellation 9 – „Haftung des Dienstberechtigten bzw. Werkbestellers“, s. unten 2. Kapitel A. II. 3. Als Sorgfaltspflichtverletzung ist z.B. der Umstand bewertet, dass der Mieter den zu seinem Betrieb gehörenden Teil der Wasserleitung in den Betriebsferien im Winter ungeschützt zurücklässt, BGH v. 9.10.1968,

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sacht. In diesem Fall ist als Schuldner der verletzten Pflicht (S) der Mieter und als Gläubiger (G) der Vermieter anzusehen. Die in Frage stehende Pflichtenwirkung des Mietverhältnisses zwischen G und S für D hat die Rechtsprechung mehrfach abgelehnt.59 Fallkonstellation 4 – „Hausverwaltungsvertrag“: G vermietet eine ihm gehörende Wohnung dem Vater des minderjährigen D. Das Kind (D) stürzt von dem unzulänglich geschützten Balkon der Wohnung und erleidet Körperschäden. Der Eigentümer und Vermieter der Wohnung G, der sich am Mietobjekt in erster Linie kapitalmäßig interessiert, hat alles, was mit der Auswahl der Mieter, dem Abschluss der Mietverträge, der Betreuung des Hauses und seiner Bewohner zusammenhängt, dem Hausverwalter S vertraglich übertragen. Der BGH hat nicht nur die Schutzwirkung des Mietvertrages zwischen G und dem Vater des D zu Gunsten des D60 angenommen, sondern auch die Einbeziehung des D in den Schutzbereich des Hausverwaltungsvertrags zwischen G und S bezüglich der Verletzung der daraus entstehenden Sorgfaltspflichten bejaht.61 Fraglich ist allerdings, ob dieses Ergebnis auch im Lichte der neueren Rechtsprechung zum SSD aufrechterhalten werden kann, welche die Schutzbedürftigkeit des Dritten als weitere Voraussetzung des Drittschutzes fordert.62 Mit diesem Argument ist etwa der Schutz des Untermieters (D) verneint worden,63 weil ihm ein vertraglicher Anspruch bereits gegen seinen eigenen Vermieter (G) desselben Inhalts zustehe, wie der Anspruch, der ihm aus dem Hauptmietverhältnis aufgrund der Rechtsfigur des SSD gegen den Hauptvermieter (S) zustehen wür___________ NJW 1969, 41; s. in diesem Zusammenhang ferner BGH v. 16.10.1963, NJW 1964, 33. Um die Verletzung einer ausdrücklich vereinbarten Nebenpflicht geht es bei OLG Köln v. 15.2.1995, NJW-RR 1995, 1480. 59 BGH v. 9.10.1968, NJW 1969, 41; OLG Köln v. 15.2.1995, NJW-RR 1995, 1480, OLG Celle v. 9.3.1984, VersR 1984, 1075; OLG Hamburg v. 30.12.1980, VersR 1981, 1133 (dabei handelt es sich zwar um die Drittschutzwirkung eines Pachtvertrags; dieser Umstand dürfte allerdings kaum erheblich Besonderheiten aufweisen). S. bereits früher BGH v. 16.10.1963, NJW 1964, 33 (34 f): Hier wird die Frage zwar offen gelassen, trotzdem zeigt die Problembehandlung und die verwendeten Argumente, dass die Ablehnung der Drittschutzwirkung am nächsten lag. Vgl. aber BGH v. 16.2.2005, ZMR 2005, 520 (521): Aufgrund der im Mietvertrag für einen Campingplatz enthaltenen Abrede, dass der Mieter für alle Schäden hafte, die von ihm verursacht werden, wird die vertragliche Drittschutzwirkung für den konkret vorliegenden Fall bejaht. In Zusammenhang nun mit Vermögensschäden ablehnend auch BGH v. 26.3.1974, DB 1974, 1222 (Beschädigung des gemeinschaftlich benutzten Aufzugs und Entstehung von Mehrkosten für den anderen Mieter); LG Köln v. 1.12.1976, NJW 1977, 810. 60 In Bezug auf die Schutzwirkung des Mietvertrages gibt es keinen Unterschied zur Fallkonstellation 1 – „Gemietete Sachen“. 61 BGH v. 18.1.1968, NJW 1968, 1323 (1324). 62 s. unten 2. Kapitel B. II. 2. 63 s. oben bei Fallkonstellation 1 – „Gemieteten Sachen“.

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

de. Denn auch in der hier angesprochenen Fallkonstellation hat D aufgrund des Mietverhältnisses zwischen G (dem Vermieter) und seinem Vater als SSD bereits einen vertraglichen Anspruch gegen G, der ihm möglicherweise günstiger ist (vgl. § 536a I BGB) als die verschuldensabhängige Haftung des S aus dem Hausverwaltungsvertrag als VSD.

2. Verwahrungsverhältnis Fallkonstellation 5 – „Obhut über fremde Sachen“: G schließt einen Verwahrungs- bzw. einen Lagervertrag mit S. G übergibt dem S zur Aufbewahrung bzw. lagert in seine Lagerräume Sachen ein, unter denen einige nicht dem G selbst, sondern einem Dritten (D) gehören. Wegen einer Pflichtverletzung durch S64 werden Sachen des D beschädigt65 bzw. gehen verloren.66 Nach der Rechtsprechung entfaltet das Verhältnis zwischen G und S Drittschutzwirkung für den Eigentümer (D), wenn S damit rechnen soll,67 dass die übergebenen bzw. eingelagerten Sachen nicht seinem unmittelbaren Vertragspartner (G), sondern einem Dritten gehören.68

3. Schuldverhältnisse über Dienstleistung bzw. Werkherstellung Fallkonstellation 6 – „Sorgfaltsverletzungen des zur Werkherstellung bzw. zur Dienstleistung Verpflichteten“: G vereinbart die Pflicht des S zur Herstellung eines Werkes bzw. zu einer Dienstleistung.69 Zeigt S dabei die erforderli___________ 64 Z.B. ungerechtfertigte Sterilisation der verwahrten Hündin bei KG v. 29.10.1993, NJW-RR 1994, 688. 65 So bei KG v. 29.10.1993, NJW-RR 1994, 688. 66 So bei BGH v. 10.5.1984, NJW 1985, 2411. 67 Erkennbarkeit – s. dazu unten 2. Kapitel B. II. 2. Im vorliegenden Fall verlangt allerdings der BGH v. 10.5.1984, NJW 1985, 2411 (2412), dass S „gewußt [hat], daß Eigentümerin des einzulagernden Gutes die Kl. zu 2 [D] gewesen sei“ (eigene Hervorhebung). 68 BGH v. 10.5.1984, NJW 1985, 2411 (der BGH verneint zwar im Ergebnis die Schutzwirkung; dies geschieht allerdings nicht prinzipiell, sondern nur im Hinblick auf das fehlende Wissen des S über die tatsächlich bestehenden Eigentumsverhältnisse; s. auch Fn. 67); KG v. 29.10.1993, NJW-RR 1994, 688 (689). Zu einer Stellungnahme zu Gunsten des VSD tendiert auch BGH v. 16.6.1987, NJW 1987, 2510 (2511) – zu diesem Urteil s. auch Fn. 99. 69 In den weitaus meisten Fällen dieser Fallgruppe geht es um die Schutzwirkung von Werkverträgen. Die folgenden Konstellationen erfahren jedoch keine wesentliche Änderung, wenn nicht die Werkherstellung, sondern die entsprechende Dienstleistung geschuldet wird (vgl. §§ 631 und 611 BGB). Dies bestätigt auch die Tatsache, dass in den einschlägigen Entscheidungen die Art des maßgeblichen Schuldverhältnisses oft nicht explizit genannt wird (vgl. BGH v. 21.9.1955, VersR 1955, 740; wahrscheinlich

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che Sorgfalt nicht, so entstehen bei Dritten (meistens) Sach- oder Personenschäden. Die Sorgfaltsverletzung durch S ist entweder in der mangelhaften Herstellung des Werkes bzw. in der mangelhaften Dienstleistung an sich70 oder in der Nichtbeachtung einer in Zusammengang mit der Werkherstellung bzw. Dienstleistung stehenden Nebenpflicht71 anzusehen. Als geschützt sieht die Rechtsprechung hauptsächlich Familienangehörige72 des Bestellers bzw. Dienstberechtigten (G), die S etwa befördern soll,73 allerdings nur, soweit sie „gerade in ihrer Eigenschaft als Familienangehörige“ mit der Leistung des Schuldners in Berührung kommen.74 Darüber hinaus hat sie Angestellte75 des G für geschützt gehalten, die etwa unter der vom Unternehmer S fehlerhaft hergestellten Raumdecke im Betrieb des G arbeiten und durch herabfallende Spann___________ handelt es sich hier um ein Dienstverhältnis, s. auch Puhle, S. 20 f; Hirth, S. 24 f). Allerdings gilt diese Gleichstellung nur insoweit, als die Interessenlage im Übrigen dieselbe bleibt; das ist z.B. dann nicht der Fall, wenn S nicht als selbständiger Unternehmer, sondern als abhängiger Arbeitnehmer auftritt, vgl. die Fallkonstellation 7 – „Arbeitsverhältnis“. Verschiedene Fälle solcher Dienstverhältnisse werden allerdings als besondere Konstellationen dargestellt, s. z.B. die Fallkonstellation 4 – „Hausverwaltungsvertrag“ oder 8: „ärztliche Behandlung“. 70 s. z.B. BGH v. 11.7.1978, NJW 1978, 2502 (sog. „Abschleppfall“): unsorgfältiges Abschleppen und Beschädigung des widerrechtlich geparkten Autos durch den Abschleppunternehmer; BGH v. 13.2.1990, NJW-RR 1990, 726: mangelhafte Wasserdichtung des von S erstellten Hauses. 71 s. z.B. BGH v. 10.11.1970, BGHZ 55, 11: Entzündung des Benzins, das in einem unvorsichtig gelagerten Behälter enthalten war. 72 BGH v. 29.4.1953, BGHZ 9, 316 (318); BGH v. 8.5.1956, MDR 1956, 534. Vgl. auch BGH v. 13.2.1990, NJW-RR 1990, 726 (727); BGH v. 28.4.1994, NJW 1994, 2231 (in dieser Entscheidung allerdings in Bezug auf Vermögensschäden: Durch mangelhafte Wasserdichtung des von S erbauten Hauses entstehen beim Mieter Sachschäden, die aufgrund des Mietverhältnisses der (Mit-)Eigentümer (D) tragen muss); OLG Nürnberg v. 2.10.1973, MDR 1974, 401. 73 So die Konstellation in BGH v. 29.4.1953, BGHZ 9, 316. Zur Bedeutung von Personenbeförderungsverträgen in der Rechtsprechung zum SSD s. Fn. 88. 74 BGH v. 13.2.1990, NJW-RR 1990, 726 (727); BGH v. 28.4.1994, NJW 1994, 2231. In Anbetracht dieser Voraussetzung wird allerdings in beiden Fällen die Drittschutzwirkung abgelehnt – s. unten bei Fn. 92 und 95. 75 BGH v. 10.11.1970, BGHZ 55, 11; BGH v. 7.11.1960, BGHZ 33, 247; BGH v. 21.9.1955, VersR 1955, 740; RG v. 10.2.1930, RGZ 127, 218. Nicht die Angestellten des Hauptunternehmers (G), sondern die Angestellten (D) des mit dem Subunternehmer S nicht unmittelbar vertraglich verbundenen Hauptbestellers sieht das OLG Braunschweig v. 7.3.1986, NJW-RR 1986, 1314, als in den Schutzbereich des Werkvertrages zwischen Hauptunternehmer (G) und dem Subunternehmer (S) einbezogen. Dass auch der Hauptunternehmer (G) wegen des Verschuldens des Subunternehmers (S) (s. § 278 BGB) gegenüber den Angestellten (D) des Hauptbestellers aus seinem (G) Werkvertrag mit dem Hauptbesteller als VSD schadensersatzpflichtig ist, sieht das Gericht nicht als Hindernis (fehlende Schutzbedürftigkeit – s. unten 2. Kapitel B. II. 2.), sondern als ein weiteres Argument für die Drittwirkung, denn auf diese Weise wird der andernfalls erforderliche doppelte Rückgriff (D gegen G und anschließend G gegen S) vermieden.

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

betonplatten verletzt bzw. getötet werden76 oder durch unsorgfältiges Handeln des S bei der Reinigung der im Betrieb des G befindlichen Maschinen Brandverletzungen erleiden.77 Außerdem hat die Rechtsprechung in den Schutzbereich des entsprechenden Vertrages einbezogen: den Eigentümer des widerrechtlich geparkten Pkw, der im Auftrag der Polizei (G) von einem Abschleppunternehmer (S) abgeschleppt werden soll;78 den Eigentümer (D) des bis auf die Umfassungsmauern zerstörten Hauses, das der Bauunternehmer (S) im Auftrag von Hausmietern (G) mit Zustimmung des Eigentümers (D) aufbauen soll, für Schäden, die dem D dadurch entstehen, dass der Unternehmer (S) die Standfestigkeit der Umfassungsmauern nicht untersucht und auf eine etwaige Einsturzgefahr nicht hinweist;79 die Kinder, die sich auf dem Gelände der Kindertagesstätte zu der Zeit aufhalten, zu der der vom Betreiber der Kindertagesstätte (G) beauftragte Unternehmer (S) das Rasenmähen durchführt;80 das Kind (D), das sich aufgrund eines Vertrages des Platzinhabers (S) mit seiner gesetzlichen Vertreterin zur Erholung in einem Jugendlager aufhält, für Körperschaden, die dem D wegen unzureichender Beaufsichtigung entstehen;81 den anbauberechtigten Grundstückseigentümer bei fehlerhafter Errichtung der Kommunmauer durch den von seinem Nachbarn (G) beauftragten Bauunternehmer (S);82 den Eigentümer, dessen Grundstück durch unvorsichtig im Auftrag seines Nachbars (G) von S durchgeführte Fundamentarbeiten an der Grenzmauer des Nachbargrundstücks beschädigt wird;83 den Grundstückseigentümer (D) beim Vertrag der Stadt (G) mit dem Unternehmer (S) über Trümmerbeseitigung aus dem Grundstück des D;84 den Hauptbesteller (D) für Schäden, die ihm der vom Hauptunternehmer (G) beauftragte Subunter___________ 76

So der Sachverhalt bei BGH v. 7.11.1960, BGHZ 33, 247. So der Sachverhalt bei BGH v. 10.11.1970, BGHZ 55, 11. 78 BGH v. 11.7.1978, NJW 1978, 2502 (2503). 79 BGH v. 24.2.1954, NJW 1954, 874. 80 OLG Düsseldorf v. 17.7.1997, NJW-RR 1998, 99. 81 OLG München v. 11.5.1978, VersR 1979, 747; s. auch in ganz ähnlichen Fällen OLG Schleswig v. 9.1.1976, VersR 1978, 237 (237 f); OLG Koblenz v. 30.3.1965, NJW 1965, 2347 – in der letzten Entscheidung ist nicht von einem VSD, sondern lediglich vom § 328 BGB die Rede, allerdings ohne Klarstellung, ob auch primäre Leistungsansprüche auf Beaufsichtigung oder nur Schadensersatzansprüche den Kindern selbst zustehen sollen. 82 OLG Düsseldorf v. 9.12.1964, NJW 1965, 539 (541). Ob auch in diesem Fall von einer Beschädigung des Nachbarsgrundstücks (Sachschäden) die Rede sein kann, was m.E. eher zu bejahen ist, mag dahinstehen. Denn auf jeden Fall kann als zufällig erachtet werden, ob die nicht ordnungsgemäß erfolgte Mauererrichtung im konkreten Fall eine Beschädigung des Nachbargrundstücks hervorruft oder Maßnahmen notwendig macht, die eine solche Beschädigung abwenden sollen. 83 OLG Koblenz v. 7.5.1999, NJW-RR 2000, 544. In ähnlichem Sinne KG v. 21.8.2003, EWiR 2004, 219 (Leitsatz). 84 KG v. 24.9.1957, NJW 1958, 185. 77

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nehmer (S) bei Bauarbeiten an seinem (D) Grundstück verursacht;85 den Unternehmer (D) für Sachschäden, die bei ihm ein anderer Unternehmer (S) verursacht, den der gemeinsame Auftraggeber (G) mit der Unterstützung des ersten Unternehmers (D) bei der geschuldeten Werkherstellung beauftragt hat;86 die Kinder, die als Fahrgäste der Bahn einen Unfall erleiden, aufgrund des Beförderungsvertrags87 zwischen dem Jugendamt (G) und der Bundesbahn (S);88 die Personen (D), die aufgrund eines Reisevertrags zwischen dem Reiseanmelder (G) und dem Reiseveranstalter (S) reisen sollen;89 den Geschäftsführer (D) einer GmbH (G) bei einem Vertrag der G mit S über die Erbringung von Mobilfunkleistungen an D bezüglich des Vermögensschadens, den D wegen einer Pflichtverletzung des S in Bezug auf seine Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH, nicht hingegen im Rahmen seiner anderweitigen Tätigkeiten erleidet.90 ___________ 85

OLG Celle v. 24.3.1999, BauR 2000, 580. BGH v. 18.6.1985, BauR 1985, 704 (705). In einem ähnlich gelagerten, früher entschiedenen Fall wurde hingegen die Drittschutzwirkung zu Gunsten des D abgelehnt und die Lösung der Drittschadensliquidation vorgezogen BGH v. 30.9.1969, NJW 1970, 38 (40): G beauftragt zwei Unternehmer (D und S) mit der Durchführung von Arbeiten an einem Neubau, wobei durch ein Verschulden des S – unvorsichtig benutztes Streichholz – das zum größten Teil ausgeführte, aber von G noch nicht abgenommene Werk des D beschädigt wird. Dadurch entstehen Vermögensschäden bei D, da er die Arbeiten erneut durchführen muss (vgl. § 644 I S. 1 BGB). 87 Bei der Beförderung von Personen bedient sich die Rechtsprechung der Rechtsfigur der Drittschadensliquidation nicht; anders noch RG v. 18.11.1915, RGZ 87, 289 (290) (sog. „Klosterfall“). Bei der Beförderung und Beschädigung von Sachen Dritter wird hingegen eher die Drittschadensliquidation vorgezogen; s. Palandt(65)/Heinrichs, Vorb. v. § 249, Rn. 115 und 117 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung. 88 BGH v. 28.5.1957, BGHZ 24, 325. Die Beförderungsverträge über Personen bildeten früher ein wichtiges Anwendungsfeld des VSD (dazu ausführlich Hirth, S. 18 ff; Puhle, S. 8 ff, beide mit weiteren Nachweisen). Unabhängig davon, dass der VSD bei Beförderungsverträgen über Personen heute in der Rechtsprechung kaum eine Rolle spielt, ist bereits ihre Zuordnung in die Problematik des SSD zweifelhaft; vgl. BGH v. 28.5.1957, BGHZ 24, 325 (327): „dem Kind, mag es auch nicht Vertragspartner des Beförderungsunternehmers sein und keinen eigenen Beförderungsanspruch haben, [komme] zum mindesten die Schutzwirkung des Beförderungsvertrages [...] zugute“ (eigene Hervorhebung). Näher liegt die Annahme, dass entweder G als Vertreter des D auftritt, so dass D selbst Vertragspartei des Beförderungsvertrags wird, oder dass der Beförderungsvertrag zwischen G und S als berechtigender Vertrag zu Gunsten des D im Sinne von § 328 BGB anzusehen ist, Staudinger(1994)/Kaduk, § 328, Rn. 64 und 66 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung insbesondere des RG; vgl. ferner Bayer, S. 182 f; Gernhuber, FS Nikisch, S. 262. Hat D bereits einen Anspruch auf die vertragliche Leistung, dann erübrigt sich die Frage nach dem Vorliegen eines SSD, s. bereits oben 1. Kapitel. 89 BGH v. 15.6.1989, NJW 1989, 2750 (2751): Diese Rechtsfolge wird allgemein ohne Bezug auf bestimmte Schäden bzw. Schadensarten ausgesprochen; auf jeden Fall sind allerdings Ansprüche wegen Vermögensschäden eingeschlossen (vgl. die in der Entscheidung abgedruckten AGB, S. 2750). 90 OLG Düsseldorf v. 30.9.1999, NJW-RR 2000, 932 (933). 86

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Demgegenüber wird der Schutz des Mieters von Räumen wegen fehlender Schutzbedürftigkeit91 für Schäden verneint, die der Mieter durch eine Sorgfaltsverletzung des vom Vermieter (G) beauftragten Bauunternehmers (S) bei Bauarbeiten am Miethaus erleidet.92,93 Mit derselben Begründung wird ferner der Schutz des Käufers (D) eines Autos wegen Schlechterfüllung des Reparaturvertrages verneint, den der Verkäufer (G) mit dem Werkstattinhaber (S) geschlossen hat, um die vom Verkäufer (G) gegenüber D geschuldete Untersuchung des Autos durch S als dessen (G) Erfüllungsgehilfe durchführen zu lassen.94 Ebenso verneint wird der Schadensersatzanspruch des Miteigentümers D eines Hauses, das der von einem anderen Miteigentümer (G) beauftragte Bauunternehmer (S) erbaut hat, für Schäden, die dem D wegen Mangels des errichteten Hauses entstehen;95 ferner der Schadensersatzanspruch des Eigentümers (D) eines durch unsorgfältige Rohrlegearbeiten beschädigten Hauses, welche im Auftrag eines Energiewirtschaftsunternehmens (G) vom Unternehmer S durchgeführt wur-

___________ 91

s. unten 2. Kapitel B. II. 2. BGH v. 13.2.1990, NJW-RR 1990, 726 (727). So auch OLG Oldenburg v. 27.8.1996, MDR 1997, 451 (außerdem soll in diesem Fall auch „die enge rechtliche und tatsächliche Beziehung zwischen dem Mietverhältnis und der Ausführung des Werkvertrages“ fehlen, weil die von S unsorgfältig ausgeführten Elektroarbeiten in den Nachbarnräumen stattgefunden hatten; dies hindert jedoch das Gericht nicht daran, deshalb einen Fehler der gemieteten Räume im Sinne von § 536 I BGB und einen Schadensersatzanspruch des D gegen seinen Vermieter nach § 536a I BGB anzunehmen); OLG Hamm v. 10.3.1986, NJW-RR 1987, 725 (hier fehle außerdem beim Abschluss des Werkvertrages die für die Schutzwirkung erforderliche Bestimmbarkeit des geschützten Dritten, weil der Mietvertrag zwischen Eigentümer und Drittem zu dieser Zeit noch nicht geschlossen war). So im Bereich der Vermögensschäden auch OLG Stuttgart v. 14.10.1999, BauR 2000, 427 (428); OLG Celle v. 4.10.1974, VersR 1975, 838 (840). A.A. BGH v. 22.3.1983, VersR 1983, 892. 93 Anders noch BGH v. 29.9.1959, VersR 1959, 1009 (1009 f); OLG Köln v. 10.3.1976, VersR 1976, 1182 (bei Vermögensschäden). Im vom BGH entschiedenen Fall verursacht die Pflichtverletzung des Bauunternehmers keinen Schaden des Mieters selbst, sondern die Körperverletzung seiner Tochter (D), die Lage ist jedoch vergleichbar. Auch in diesem Fall war jedoch D als Tochter des Mieters in die Schutzwirkung des Mietverhältnisses zwischen ihrem Vater und seinem Vermieter einbezogen (s. dazu oben Fallkonstellation 1 – „Gemietete Sachen“) und hatte somit wegen ihrer Verletzung ebenfalls einen Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter, da der Bauunternehmer als Erfüllungsgehilfe des Vermieters „zur Wahrung der Obhutspflichten aus dem Mietvertrag“ tätig war (BGH a.a.O. S. 1009); demnach könnte man auch insofern von fehlender Schutzbedürftigkeit der D sprechen. 94 BGH v. 15.2.1992, NJW 1993, 655 (656). 95 BGH v. 28.4.1994, NJW 1994, 2231; trotz Sachschäden erleidet D in diesem Fall eine Vermögenseinbuße, weil infolge des Mangels nicht seine eigenen Sachen, sondern die Sachen seines Mieters beschädigt werden (s. auch Fn. 72). Nach dem BGH (a.a.O. S. 2232) widerspreche die Verneinung des Drittschutzes nicht BGH v. 24.2.1954, NJW 1954, 874 – s. die Konstellation oben bei Fn. 79. 92

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den;96 der Ersatzanspruch des D für reine Vermögensschäden in dem Fall, dass der von G (Zweckverband Abwasserreinigung) mit der Durchführung von Erdaushubarbeiten beauftragte S schuldhaft bei der Werkherstellung ein Stromkabel beschädigt, das unter anderen auch den Betrieb des D mit Strom versorgt, der deswegen zu einem vorübergehenden Arbeitsstillstand kommt;97 der Anspruch des Käufers (D) aus dem Speditionsvertrag zwischen Verkäufer (G) und Spediteur (S) für eine Schutzpflichtverletzung des Spediteurs – mangelhafte Frostschutzverpackung – und Beschädigung der gekauften, bereits im Eigentum des Käufers stehenden Sachen.98 Fallkonstellation 7 – „Arbeitsverhältnis“: Der Wachmann S arbeitet beim Bewachungsunternehmer G. G schließt einen Vertrag mit einem Lagerhalter über die Bewachung der bei ihm eingelagerten Sachen, unter denen auch Sachen des D zu finden sind. Durch einen Diebstahl kommen die Sachen des D abhanden. Die Frage nach der Drittschutzwirkung des Arbeitsvertrages99 zwischen S und G zu Gunsten des D und folglich nach dem Vorliegen eines Schadensersatzanspruchs des D gegen S hat der BGH100 mit dem Argument verneint, dass dies „den Haftungsbereich des Arbeitsvertrages des Wachmanns in einer für den Arbeitnehmer nicht mehr überschaubaren und daher unzumutbaren ___________ 96 BGH v. 3.11.1961, VersR 1962, 86 (88). Bei einer ganz ähnlichen Konstellation verneint auch OLG Köln v. 17.9.1982, VersR 1984, 340, die Drittschutzwirkung. Hierzu gehört auch die Entscheidung BGH v. 5.6.1990, NJW-RR 1990, 1172: In einer ähnlich gelagerten Fall, stimmt die Gemeinde G in einem Vertrag mit dem Betreiber eines Elektrizitätswerks (S) der von S beabsichtigten Verlegung von Leitungen zu. D, dessen Schutz hier verneint wird, hatte aufgrund einer gleichen Erlaubnis der Gemeinde (G) schon vorher Wasserleitungen an dem Ort verlegt, an den S nachher die eigenen Stromleitungen verlegt; wegen der späteren Leitungsverlegung durch S wurde der Zugang des D an die eigenen Leitungen erschwert. 97 BGH v. 12.7.1977, NJW 1977, 2208 (2209). Dem Umstand, dass G nach dem Vertragsschluss auf die Möglichkeit einer Beschädigung des Stromkabels und somit einer Schädigung des D ausdrücklich hingewiesen wurde, ist nach der Entscheidung keine besondere Bedeutung beizumessen (a.a.O. S. 2209). 98 OLG München v. 31.10.1957, NJW 1958, 424 (424 f). Es ist nicht klar, ob hier ein VSD – damals hatte sich dieser Begriff in der Rechtsprechung noch nicht durchgesetzt, s. oben im Text bei Fn. 1 – oder tatsächlich ein berechtigender Vertrag zu Gunsten des Käufers verneint wird; da es sich um eine Nebenpflicht handelt, ist eher anzunehmen, dass der primäre Anspruch, wie der Anspruch auf die Hauptleistung – Transport der Sache –, nur dem unmittelbaren Vertragspartner (G) des Spediteurs zusteht; vgl. im Ergebnis Palandt(65)/Grüneberg, § 328, Rn. 24. 99 Nicht berücksichtigt wird hier die Drittschutzwirkung des Bewachungsvertrages zwischen G und dem Lagerhalter zu Gunsten des D. Der BGH v. 16.6.1987, NJW 1987, 2510 (2511), lässt die Frage offen, ob dem D ein direkter Schadensersatzanspruch gegen G aus dem Bewachungsvertrag mit dem Lagerhalter als VSD zusteht, oder ob D seinen Schaden bei G aufgrund der Rechtsfigur der Drittschadensliquidation durch den Lagerhalter liquidieren lassen kann; deutlich ist allerdings eine Tendenz für die erste Lösung. 100 BGH v. 16.6.1987, NJW 1987, 2510 (2511).

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

Weise ausweiten“ würde. Darüber hinaus weist das Gericht auf die fehlende Schutzbedürftigkeit des D hin, da für seinen Schaden bereits G aufgrund VSD bzw. Drittschadensliquidation hafte; dennoch scheint dieses Argument im Vergleich zu arbeitnehmerschützenden Motiven weniger ausschlaggebend für das erzielte Ergebnis zu sein.101 Fallkonstellation 8 – „Ärztliche Behandlung“:102 In dieser Fallgruppe geht es um die Schutzwirkung des Vertrags zwischen G – zuweilen ist G die Krankenkasse des Patienten103 – und dem Arzt (S) bzw. dem Krankenhausträger (S) über eine ärztliche Behandlung für Schäden, die durch einen Fehler104 des S oder seiner Angestellten bei dritten Personen (D) entstehen. Durch die Drittschutzwirkung des Arztvertrages soll entweder die zu behandelnde Person selbst oder eine weitere Person erfasst werden. In der zweiten Variante geht es insbesondere um die ärztliche Behandlung schwangerer Frauen; Fehler bei deren Behandlung wirken sich nicht (nur) auf die behandelten Frauen selbst, sondern in Form von Körperschäden (auch) auf das ungeborene bzw. soeben geborene Kind aus.105 Die Rechtsprechung spricht dem geschädigten Dritten (behandelte Person oder Kind) vertragliche Schadensersatzansprüche gegen S in beiden Konstellationen zu.106,107 ___________ 101

s. auch Plötner, S. 92. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob lediglich die ärztliche Behandlung oder auch die Aufnahme des Patienten bzw. der Schwangeren in das Krankenhaus geschuldet wird; denn auch im zweiten Fall ist die Behandlung der aufgenommenen Person das Hauptelement der geschuldeten Leistung, s. BGH v. 10.5.1951, BGHZ 2, 94 (96). 103 So z.B. bei BGH v. 25.3.1986, BGHZ 97, 273. Zur Rechtsprechung des RG s. Hirth, S. 23. 104 Der Fehler des S kann auch darin bestehen, dass er den Patienten bzw. die Schwangere über mögliche Gefahren nicht aufklärt oder seine bzw. ihre Einwilligung zu einer bestimmten Behandlung nicht wirksam einholt. S. z.B. BGH v. 10.7.1954, NJW 1956, 1106: Einwilligung zu Elektroschockbehandlung; BGH v. 6.12.1988, BGHZ 106, 153 (159): Einwilligung der Mutter zur Änderung des Entbindungskonzepts. 105 Weil dabei nicht der Schaden der behandelten Person selbst angesprochen wird, lässt sich den einschlägigen Entscheidungen oft nicht entnehmen, ob die Schwangere selbst oder ihre Krankenkasse Vertragspartei des Behandlungsvertrages ist; s. z.B. BGH v. 10.11.1970, NJW 1971, 241; OLG Düsseldorf v. 30.1.1986, NJW 1986, 2373. Jedenfalls erscheint dieser Umstand für den Drittschutz unerheblich. 106 Zur ersten Konstellation (Schadensersatzanspruch der behandelten Person) s. BGH v. 25.3.1986, BGHZ 97, 273 (276); OLG Düsseldorf v. 3.10.1974, NJW 1975, 596 (596 f). Zur zweiten (Schadensersatzanspruch des Kindes) s. BGH v. 6.12.1988, BGHZ 106, 153 (160), BGH v. 10.11.1970, NJW 1971, 241 (242); OLG Brandenburg v. 8.4.2003, NJW-RR 2003, 1383 (1384); OLG Düsseldorf v. 30.1.1986, NJW 1986, 2373; OLG Hamm v. 4.4.1984, VersR 1985, 598. Vgl. auch BGH v. 14.7.1992, NJW 1992, 2962: „[…der Behandlungsvertrag] entfaltet Schutzwirkung i.S. des § 328 BGB zu Gunsten des untersuchten Kindes und seiner Eltern“ – wegen dieser Formulierung 102

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Bei der ärztlichen Behandlung kranker oder schwangerer Personen können neben Körper- auch primäre Vermögensschäden bei Personen entstehen, die selbst nicht Vertragsparteien sind. Dabei handelt es sich hauptsächlich um die erhöhten Unterhaltsaufwendungen der Eltern für unerwünschte108 oder geschädigte109 Kinder. In diesem Fall erkennt die Rechtsprechung beiden Eltern einen vertraglichen Schadensersatzanspruch unabhängig davon zu, welcher von diesen Vertragspartei des Behandlungsvertrags ist.110 Keine Schutzwirkung entfalte hingegen der Behandlungsvertrag zwischen der Krankenkasse (G) und dem Träger des Krankenhauses (S) über die Behandlung eines Patienten für die Mutter (D) des Patienten wegen Schäden, die ihr wegen des von S verschuldeten ___________ bleibt unklar, ob ein VSD oder ein berechtigender Vertrag zu Gunsten Dritter bei unmittelbarer Anwendung von § 328 BGB gemeint ist. Nicht grundsätzlich ablehnend für den Schutz des noch ungeborenen Kindes BGH v. 18.1.1983, BGHZ 86, 240 (253 f), da im konkreten Fall lediglich ein ersatzfähiger Schaden des Kindes verneint wird. 107 In Bezug auf die erste Konstellation (Schadensersatzanspruch des Patienten) liegt, ähnlich wie bei den Beförderungsverträgen über Personen – s. dazu Fn. 88 –, die Annahme nahe, dass der Behandlungsvertrag zwischen G und S ein berechtigender Vertrag zu Gunsten des D im Sinne von § 328 BGB ist bzw. dass G als Vertreter des D den Vertrag mit S abschließt; s. BGH v. 10.1.1984, NJW 1984, 1400 (berechtigender Vertrag der Eltern zu Gunsten der Tochter – § 328 BGB); Erman(11)/Westermann, § 328, Rn. 27 (Vertretung des Kindes durch seine Eltern). Vgl. ferner BGH v. 10.5.1951, BGHZ 2, 94 (95); BGH v. 23.2.1955, VersR 1955, 279 (280); BGH v. 10.7.1954, NJW 1956, 1106; BGH v. 13.12.1951, BGHZ 4, 138 (149); BGH v. 11.4.1951, BGHZ 1, 383 (386); OLG Hamm v. 6.11.1953, VersR 1955, 235; RG v. 29.10.1936, RGZ 152, 175 (176 f); Staudinger(1994)/Kaduk, § 328, Rn. 55. Bei der zweiten Konstellation (Schadensersatzanspruch des Kindes) sind alternative Vorschläge nicht häufig vorzufinden (s. aber OLG Celle v. 15.12.1954, VersR 1955, 408: Dienstvertrag zwischen dem beim Vertragsschluss noch Ungeborenen – vertreten durch seinen Vater – und dem Krankenhausträger; subsidiär zieht das Gericht den Vertrag zu Gunsten Dritter – § 328 BGB – in Betracht). 108 s. z.B. BGH v. 18.3.1980, BGHZ 76, 259. 109 s. z.B. BGH v. 22.11.1983, BGHZ 89, 95; BGH v. 18.1.1983, BGHZ 86, 240; BGH v. 17.12.1985, BGHZ 96, 360. 110 s. BGH v. 18.3.1980, BGHZ 76, 259 (262): fehlgeschlagene Sterilisation der Mutter, Anerkennung des Schadensersatzanspruchs ihres Ehemannes; BGH v. 18.1.1983, BGHZ 86, 240 (249); BGH v. 22.11.1983, BGHZ 89, 95 (98); BGH v. 17.12.1985, BGHZ 96, 360 (367 f); BGH v. 28.6.1994, NJW 1994, 2417 (2419): Gesundheitsschäden des Kindes, Schadensersatzanspruch des am Behandlungsvertrag nicht beteiligten Ehegatten. Vgl. auch BGH v. 14.7.1992, NJW 1992, 2962. Unerheblich für den Schutz des Vaters des Kindes sei im Grunde genommen der Umstand an sich, dass er zur Zeit der Geburt des schwerstgeschädigt geborenen Kindes mit dessen Mutter noch nicht verheiratet war, OLG Frankfurt v. 19.5.1993, VersR 1994, 942 (943). Die erforderliche Leistungsnähe [s. unten 2. Kapitel B. II. 1. a)] muss aber im konkreten Fall gegeben sein; diese verneint BGH v. 19.2.2002, MDR 2002, 637 (638), für den 15jährigen, der ein Kind mit einer 12jährigen zeugt, in Bezug auf die gynäkologische Behandlung seiner Freundin. Dass die Antwort wahrscheinlich anders ausfiele, wenn „eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft“ zwischen Vater und Mutter vorläge, lässt diese Entscheidung nur vermuten.

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

Todes ihres Sohnes entstehen (Verlust einer Unterhaltsrente).111 Ebenso wenig geschützt sei der Unfallversicherungsträger (D) durch den Behandlungsvertrag zwischen dem Versicherten (G) und dem behandelnden Arzt (S) bezüglich der Rentenzahlungen, die D an G wegen der falschen Behandlung des G durch S leisten muss.112 Ähnlich falle der zu untersuchende Arbeitnehmer (D) prinzipiell nicht in den Schutzbereich des Vertrages zwischen Arbeitgeber (G) und dem Betriebsarzt (S).113 Fallkonstellation 9 – „Haftung des Dienstberechtigten bzw. Werkbestellers“: S ist im Rahmen eines Schuldverhältnisses berechtigt, von G Dienstleistungen oder die Herstellung eines Werkes zu verlangen. Verletzt S seine aus diesem Verhältnis entstehenden Pflichten, so können außer G auch dritte Personen (D) Körper- oder Sachschäden erleiden. Bei dieser Fallkonstellation handelt es sich um die Haftung des Dienstberechtigten bzw. Arbeitgebers oder des Werkbestellers (S) gegenüber Dritten wegen Verletzung derjenigen seiner Pflichten, die ihn als Gläubiger114 der von G zu erbringenden Dienst- bzw. Werkherstellungsleistung treffen.115 Irrelevant sind in diesem Zusammenhang hingegen die Pflichten, die S bei der Entrichtung der geschuldeten Vergütung (§§ 611 I bzw. 631 I BGB), also als Schuldner der Gegenleistung, beachten muss. In den hier einschlägigen Fällen geht es also um Sorgfaltspflichtverletzungen des S und vor allem um die Verletzung von Schutzpflichten nach § 618 BGB,116 die auch bei Schuldverhältnissen über eine Werkherstellung zu beachten sind.117 ___________ 111

OLG Düsseldorf v. 3.10.1974, NJW 1975, 596 (596 f). BGH v. 28.6.1994, NJW 1994, 2417 (2419) – dies gelte auch dann, wenn D selbst den Behandlungsvertrag mit S abgeschlossen hätte. 113 LG Paderborn v. 15.5.2001, MDR 2001, 1304 (1305). Das Gericht geht allerdings von der grundsätzlichen Schutzwirkung des Vertrages zwischen G und S aus, um sie anschließend wieder wegen fehlender Schutzbedürftigkeit des D ausnahmsweise zu verneinen (allgemein zum Merkmal der Schutzbedürftigkeit in der Rechtsprechung s. unten 2. Kapitel B. II. 2.), da der Betriebsarzt als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers im Sinne von § 278 BGB betrachtet wird, der folglich selbst für den Schaden des Arbeitnehmers aufkommen muss. 114 Diese Problematik ist auch bei der Fallkonstellation 3 – „vorsichtslose Mitmieter“ einschlägig: Auch dort geht es um die Verletzung der Pflichten des Mieters, die sich aus seiner Position als Gläubiger der geschuldeten Gebrauchsüberlassung ergeben, nicht hingegen als Schuldner der Miete (§ 535 II BGB). 115 Damit sind nicht nur Hauptpflichten wie z.B. die Abnahmepflicht des Bestellers (§ 640 BGB), sondern auch Nebenpflichten (zur Unterscheidung s. Palandt(65)/Sprau, § 631, Rn. 24 ff) wie vor allem die Schutzpflichten nach § 618 BGB gemeint, die auch bei Werkvertragsverhältnissen zu beachten sind, s. Palandt(65)/Weidenkaff, § 618, Rn. 1 sowie Palandt(65)/Sprau, § 631, Rn. 26. 116 So bei BGH v. 20.2.1958, BGHZ 26, 365; BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269. 117 s. Fn. 115. 112

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Bezüglich der geschützten Personen handelt es sich hauptsächlich zum einen um Angehörige des G, die sich befugt118 an dem Ort befinden, an dem die Dienstleistung erbracht wird,119 und zum anderen um Leute, deren sich G bei der Dienstleistung bzw. Werkherstellung bedient,120 nämlich Arbeitnehmer121 oder Subunternehmer.122 Demgegenüber wird die Einbeziehung des Bestellers (D) in die Schutzwirkung des Werkvertrages zwischen dem Unternehmer (G) und einem anderen Besteller (S) für Schäden verneint, die D an seinen dem G zur Verarbeitung übergebenen Sachen durch eine Explosion erleiden muss, die auf eine Pflichtverletzung des S im Verhältnis zu G zurückzuführen ist.123 Ebenfalls verneint wird der Schadensersatzanspruch des Unterfrachtführers (D) gegen den Absender (S) aus dem (Haupt-)Frachtvertrag zwischen dem Absender (S) und dem Hauptfrachtführer (G)124 für Schäden, die D am von ihm eingesetzten Transportfahrzeug wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung der Gehilfen des S bei der Verladung entstehen.125

___________ 118 Allerdings muss keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen G und S darüber vorliegen, vgl. BGH v. 13.2.1975, NJW 1975, 867 (868). 119 BGH v. 13.2.1975, NJW 1975, 867 (868 f); RG v. 6.1.1939, RGZ 159, 283 (285); RG v. 12.7.1919, JW 1919, 820: In all diesen Fällen geht es um die Söhne der Arbeitnehmer. Vgl. auch OLG Hamm v. 7.6.1993, OLGZ 1994, 292 (295 f): Die Schutzwirkung des „dienst- bzw. arbeitsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses“ zwischen G und dem Dienstberechtigten (S) zu Gunsten des Kindes (D) des G wird nur deshalb verneint, weil G nicht damit rechnen müsste, dass D sein Kind auf den Arbeitsplatz mitbringen würde. 120 BGH v. 21.5.1970, VersR 1970, 831; BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269; BGH v. 20.2.1958, BGHZ 26, 365; RG v. 12.9.1940, RGZ 164, 397. Vgl. BGH v. 5.2.1952, BGHZ 5, 62 (67): Gleichstellung des Unternehmers selbst und seines Erfüllungsgehilfen bezüglich der Pflichten des Bestellers gemäß § 618 BGB. Ablehnend hingegen OLG Frankfurt v. 30.4.1998, NJW-RR 1999, 532, mit dem Argument, dass „der Auftragnehmer [G] sich nicht auf Schutz und Sorge der Auftraggeberin [S] für seine Arbeitnehmer [D] verließ, vielmehr auf seine fachliche Einschätzung dessen, was er meinte, seinem Arbeitnehmer zumuten zu können“. Hier ist aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung eher die erforderliche Pflichtverletzung zu verneinen, nicht hingegen das Vorliegen eines VSD an sich – s. bereits oben 1. Kapitel. 121 So etwa bei BGH v. 21.5.1970, VersR 1970, 831 und BGH v. 20.2.1958, BGHZ 26, 365. 122 So etwa bei BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269. 123 BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2928 f). 124 An der Fallbeurteilung ändert sich nichts, wenn der Vertrag zwischen S und G nicht als Fracht-, sondern als Speditionsvertrag erachtet wird, OLG Hamm v. 15.6.1998, NJW-RR 1999, 1123 (1123 f); in diesem Fall ist S der Versender, G der Spediteur und D der von G eingesetzte Frachtführer. 125 OLG Hamm v. 15.6.1998, NJW-RR 1999, 1123 (1123 f).

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

4. Kauf Fallkonstellation 10 – „Produzentenhaftung“: S verkauft eine Sache an G, die er selbst (S) hergestellt hat; beim anschließenden Einsatz der Sache durch G entstehen bei D Personen- oder Sachschäden.126 Diese Schäden sind entweder auf einen Mangel der Sache an sich127 oder auf die fehlerhafte Auskunft über die gefahrlose Verwendung bzw. über die Eigenschaften der Sache128 zurückzuführen. Bezüglich der Weise, auf welche die Sache die Sphäre des D erreicht und dem Schaden verursacht, ist zwischen zwei Konstellationsvarianten zu unterschieden:129 In der ersten erreicht die Sache den D durch eine reine, mehr oder weniger standardisierte Absatzkette (insbesondere aufeinander folgende Kaufverträge); G kauft die Sache von S nur deshalb, um sie weiterzuverkaufen, G tritt also lediglich als Zwischenhändler zwischen Hersteller (S) und Endabnehmer (D).130 In der zweiten Variante ist G selbst der Endabnehmer der Sache, er kauft sie nämlich, um sie für die eigenen Zwecke zu benutzen, deshalb tritt er nicht als Zwischenperson zwischen S und D auf. Zu Körperschäden des D kommt es allerdings deshalb, weil die von G beabsichtigte und anschließend vorgenommene Verwendung der Sache Auswirkungen in die Sphäre des D haben kann, etwa weil D im Betrieb des G arbeitet.131 Bei dieser Unterscheidung geht es nur um eine grobe Differenzierung, die sich nicht in allen Fällen scharf durchführen lässt.132 Trotzdem ist an dieser Stelle, ohne darauf ausführlicher einzugehen, daran festzuhalten, weil die Rechtsprechung diese Fallgruppen nicht gleich zu behandeln scheint: Während bei der ersten Variante die Dritthaftung des S als schlechthin ausgeschlossen

___________ 126

Hier sind auch Fälle zu berücksichtigen, in denen D selbst wegen der besonderen Lage keinen Sach- oder Personenschaden erleidet, sondern den Sach- oder Personenschaden anderer ersetzen muss, weil er die Sache nicht für sich selbst, sondern für einen anderen verwendet. S. dabei auch Fn. 23. 127 So z.B. bei BGH v. 26.11.1968, BGHZ 51, 91: durch Bakterien verunreinigter Impfstoff. 128 s. z.B. BGH v. 11.10.1988, NJW 1989, 1029: fehlerhafte Gebrauchsanweisungen; BGH v. 14.5.1974, NJW 1974, 1503: Die mit einem Prüfzeichen versehene Ware entspricht nicht den für die Führung des Zeichens vorausgesetzten Normen. 129 Vgl. Steinmeyer, DB 1988, 1051 f. 130 s. BGH v. 11.10.1988, NJW 1989, 1029; BGH v. 14.5.1974, NJW 1974, 1503. 131 s. BGH v. 25.4.1956, NJW 1956, 1193 (sog. „Dreschmaschinefall“); BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (sog „Capuzolfall“). 132 Vgl. BGH v. 26.11.1968, BGHZ 51, 91: Es ist nicht klar, ob der Tierarzt G den Impfstoff vom Hersteller S deshalb gekauft hat, um ihn an D weiterzuverkaufen, oder deshalb, um ihn im Rahmen der Erbringung einer einheitlichen Tierbehandlungsleistung an D zu verwenden. Die konkrete Konstellation behandelt der BGH anscheinend als ein Fall einer Absatzkette – erste Variante.

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angesehen wird,133 wird dieselbe Frage bei der zweiten Variante eher nach den allgemeinen Grundsätzen bzw. Voraussetzungen des SSD beantwortet.134 Die hier zugrunde gelegte Differenzierung ist freilich in der Rechtsprechung nicht als solche vorzufinden; auch beim Drittschutz innerhalb von Absatzketten sollen die allgemeinen Grundsätze – vor allem Anforderung einer Fürsorgepflicht des Käufers (G) für den Dritten – maßgeblich sein.135 Ob allerdings die Rechtsprechung die postulierte Gleichbehandlung beider Grundkonstellationen der Produzentenhaftung in dem Fall, dass in der ersten Variante die maßgebliche Fürsorgepflicht der Zwischenperson G für den Endabnehmer der Ware D (ausnahmsweise) bestünde,136 aufrechterhalten und den Drittschutz bejahen würde, erscheint angesichts der konkreten Vorgehensweise der Rechtsprechung m.E. zweifelhaft. Fallkonstellation 11 – „Nebenpflichten beim Kaufvertrag“: Wie bei der Fallkonstellation 10 („Produzentenhaftung“) geht es hier auch um die Drittschutzwirkung des Kaufvertrages zwischen S (Verkäufer) und G (Käufer). Anders als dort ist hier der Verkäufer S nicht unbedingt auch Hersteller der Sache. Hier handelt es sich um Schäden, die auf die fehlerhafte Durchführung von Nebenpflichten des Verkäufers (S) zurückzuführen sind, die jedoch mit der Herstellung der Sache und der Bestimmung ihrer Eigenschaften bzw. ihrer Tauglichkeit für bestimmte Verwendungen an sich nicht verbunden sind: Aufstellung des gekauften Klappbetts;137 seemäßige Verpackung des gekauften und zu verschiffenden Elektrizitätswerks138 oder korrekte Verpackung der bestellten Pizza;139 Verladung der verkauften Maschine auf das Fahrzeug des Endabnehmers ___________ 133

Grundlegend BGH v. 26.11.1968, BGHZ 51, 91 (96) – vgl. dazu Fn. 132; s. auch BGH v. 11.10.1988, NJW 1989, 1029 (1030); BGH v. 14.5.1974, NJW 1974, 1503. 134 Schutz der verletzten Arbeitnehmer des Käufers: BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (1676 f); BGH v. 25.4.1956, NJW 1956, 1193 (1193 f; im konkreten Fall wird allerdings der Schutz eines nur vorübergehend beim Käufer beschäftigten Arbeiters verneint, a.a.O. S. 1194). Verletzung der Kinder des Käufers wegen giftiger Kinderzimmermöbel: LG Frankfurt v. 25.6.1990, NJW-RR 1991, 225 (der Schadensersatzanspruch wird jedoch im Ergebnis wegen eingetretener Verjährung verneint). Schutz aller Bewohner (D) – insbesondere Mieter – des Hauses des Wasserabnehmers (G) bei einem Wasserlieferungsvertrag für Gesundheitsschäden, die sie wegen des Verbrauchs von bleivergiftetem Wasser erleiden, RG v. 26.11.1936, JW 1937, 737 (737 f). 135 s. die Entscheidungen in Fn. 133; zu den Voraussetzungen des SSD im Allgemeinen s. unten 2. Kapitel B. II. 136 Denkbar ist etwa der Fall, dass der Kleidungsverkäufer G dem in seinem Laden arbeitenden Angestellten D ein vorher vom Hersteller S gekauftes Kleidungsstück als Teil der geschuldeten Vergütung (§ 611 I BGB) übereignen würde. 137 OLG Hamm v. 12.7.1976, VersR 1977, 842. 138 OLG Düsseldorf v. 26.10.1995, NJW-RR 1996, 1380. 139 LG Frankfurt v. 18.2.1986, NJW-RR 1986, 966.

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

(D) oder dessen Frachtführers;140 Nachprüfung des Ölstandes bei Nachfüllen des Öltanks durch den Öllieferanten.141 In der Rechtsprechung ist die Drittschutzwirkung des Kaufvertrages für die Tochter (D) des Käufers (G) des Klappbetts, die das Bett nutzen sollte, anerkannt;142 außerdem für den Freund (D) der Tochter der Pizzakäuferin (G), der die Pizza abholt und wegen der mangelhaften Verpackung und der daraus fließenden Flüssigkeit Schaden an seinem Mantel erleidet.143 Demgegenüber werden dem Endabnehmer (D) einer Maschine keine unmittelbaren Ansprüche gegen den Erstverkäufer S aus dem Kaufvertrag zwischen S und dem Zwischenhändler (G) für den Schaden144 zuerkannt, den D wegen der unvorsichtigen Verladung der verkauften Maschine durch S und ihrer darauf folgenden Beschädigung erleidet; D wird hingegen auf das Institut der Drittschadensliquidation verwiesen.145 Darauf wird auch der Endabnehmer von Öl (D) für Sachschäden verwiesen, die das wegen des unsorgfältigen Verhaltens des Öllieferanten (S) aus dem Öltank ausgelaufene Öl verursacht hat, während ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch des D aus dem Öllieferungsvertrag zwischen seinem unmittelbaren Vertragspartner (dem Zwischenhändler G) und S abgelehnt wird.146 Wegen fehlender Schutzbedürftigkeit wird auch der Schadensersatzanspruch des vom Käufer (G) beauftragten Speditionsunternehmers (D) gegen den Verkäufer (S) für Vermögensschäden verneint, die bei D wegen der fehlerhaften Verpackung der zu befördernden Sachen durch den Verkäufer (S) entstehen.147

5. Pflichten außerhalb der eigentlichen Vertragsdurchführung Fallkonstellation 12 – „Begleitende Tochter bei der Vertragsanbahnung“: G betritt den Selbstbedienungsladen des S in Begleitung ihrer minderjährigen Tochter D. Während G nach Aussuchen der Waren noch an der Kasse steht, ___________ 140

BGH v. 18.6.1968, NJW 1968, 1929. BGH v. 6.6.1978, NJW 1978, 1576. 142 OLG Hamm v. 12.7.1976, VersR 1977, 842 (843). 143 LG Frankfurt v. 18.2.1986, NJW-RR 1986, 966 (966 f). 144 In diesem Fall erleidet D nur einen Vermögensschaden, weil die Beschädigung der Maschine zwar vor dem Eigentums- aber nach dem Gefahrenübergang stattgefunden hat (§§ 446 bzw. 447 I BGB). 145 BGH v. 18.6.1968, NJW 1968, 1929 (1930 f). 146 BGH v. 6.6.1978, NJW 1978, 1576 (1577). Die Möglichkeit der Drittschadensliquidation, ohne sich allerdings mit der Problematik des VSD auseinander zu setzen, akzeptieren hierbei außerdem: BGH v. 27.2.1964, VersR 1964, 632; BGH v. 15.10.1971, VersR 1972, 67 (68). 147 OLG Düsseldorf v. 26.10.1995, NJW-RR 1996, 1380 (1382). D könne von seinem Auftraggeber (den Käufer G) den Ersatz seines Schadens verlangen, denn S sei Gehilfe des G bei der Erfüllung seiner Pflichten aus dem Speditionsvertrag mit D. 141

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rutscht D auf einem auf dem Boden liegenden Gemüseblatt aus und erleidet dadurch einen Körperschaden. Der BGH hat in diesem Fall die Grundsätze des VSD angewendet und der D einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch gegen S aus c.i.c. zuerkannt,148 obwohl D unstreitig von vornherein nicht die Absicht hatte, selbst einen Kaufvertrag abzuschließen.149 Zur allgemeinen Bedeutung dieser Entscheidung sind zwei Bemerkungen notwendig. Zum einen scheint die Art des abzuschließenden Vertrages an sich keine Rolle für oder gegen die Drittschutzwirkung zu spielen: Die Tatsache, dass das Gericht die materielle Begründung des Drittschutzes lediglich in der Beziehung zwischen G und D (Mutter und Tochter – Fürsorgeverhältnis) sieht,150 rechtfertigt den Schluss, dass der Inhalt des abzuschließenden Vertrages an sich für die Drittschutzwirkung im Stadium seiner Anbahnung keine Rolle spielt. Zum anderen lässt der BGH die Frage ausdrücklich offen, ob der „bloße Zustand, daß der Kunde sich bei der Anbahnung und Abwicklung des Kaufvertrages in einem Selbstbedienungsladen eines Dritten bedient, für die Annahme einer Schutzwirkung [für den Dritten] ausreichen würde“.151 Insofern schließt der BGH die Schutzwirkung für Personen nicht grundsätzlich aus, die nicht zu den traditionell in den vertraglichen Schutzbereich einbezogenen Dritten, d.h. vor allem Familienangehörigen und Angestellten, gehören. Fallkonstellation 13 – „Mitfahrender Dritter“: In diesem Fall bietet der Verkäufer S dem Käufer G die Möglichkeit an, das verkaufte Material mit seinem Auto kostenfrei anzuliefern. In das Auto steigen außer S auch der Käufer G sowie sein erwachsener Begleiter D ein. Nach einer Weile kommt es zu einem Unfall, wobei D verletzt wird. Der BGH weigerte sich in dieser Fallkonstellation, dem Begleiter (D) des Käufers einen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer zuzusprechen.152 Tragendes Argument ist, dass die Mitfahrt des D in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Materialeinkauf und der vereinbarten Anlieferung des Materials stand, dass sie also außerhalb der Zwecke erfolgte, die S und G verfolgten. Darüber hinaus hat D keineswegs beratend gehandelt oder sonst eine Hilfstätigkeit in Bezug auf das durch G und S vorgenommene Geschäft ausgeübt bzw. ausüben sollen. Ob ein abweichendes Ergebnis in einem solchen Fall zu erwarten wäre, ist allerdings der Entscheidung nicht mit Sicherheit zu entnehmen. ___________ 148

BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (56 ff). BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (55). 150 BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (57 f). 151 BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (57). 152 BGH v. 27.11.1959, VersR 1960, 153 (156). Dabei wird immer noch mit dem berechtigenden Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB) argumentiert. 149

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

Fallkonstellation 14 – „Vermögensschäden wegen kundenschädigender Äußerungen“: Die Gesellschaft G schließt mit der Bank S einen Darlehensvertrag, der S u.a. zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen verpflichtet, von denen sie Kenntnis erlangt (Bankgeheimnis). Dabei legt auch die an G beteiligte Gesellschaft D1 gegenüber S ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 18 i.V.m. § 19 II KWG offen. Indem sich S vertragswidrig zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der D1 öffentlich äußert, entsteht nicht nur der D1 ein Vermögensschaden, sondern auch dem D2, dessen Namen – durch seine Teilnahme an mehreren, miteinander verbundenen Gesellschaften – sehr eng mit D1 verbunden ist, was für S ohne weiteres erkennbar ist. Sowohl in Bezug auf D1 als auch in Bezug auf D2 wird die Schutzwirkung des Darlehensvertrages zwischen G und S abgelehnt.153

III. Fälle mit primären Vermögensschäden 1. Schädigende Auskunftserteilung Bei diesen Fallkonstellationen wird S im Rahmen eines Schuldverhältnisses verpflichtet, dem G eine Auskunft154 zu erteilen. Diese Auskunft wird aber, obwohl sie nur dem G gegenüber geschuldet ist, durch einen Dritten (D) verwendet bzw. hat auch auf einen Dritten (D) Auswirkungen, der deswegen Vermögensschäden erleidet. Innerhalb dieses Schemas sind folgende Konstellationen von Bedeutung: Fallkonstellation 15 – „Gutachtenfälle“:155 G beauftragt156 einen Fachmann157 (S) mit der Erstellung eines Gutachtens.158 Dieses Gutachten will G ei___________ 153

BGH v. 24.1.2006, ZIP 2006, 317 (322 f). Dabei ist die „Auskunft“ im weiten Sinne, nämlich als Wissensmitteilung mit jedem möglichen Inhalt zu verstehen: Sie kann Information über reale Tatsachen, Bewertung, Würdigung, Empfehlung, Rat, Schätzung einer Wahrscheinlichkeit usw. oder eine Kombination dieser Elemente enthalten; vgl. Soergel/Häuser/Welter, § 676, Rn. 3 f. Voraussetzung für die rechtliche Erheblichkeit der geschuldeten Auskunft ist allerdings ihre objektive Überprüfbarkeit; eine bloße Geschmacksmitteilung scheidet z.B. aus diesem Zusammenhang vollkommen aus. Die Form der Auskunft, ob mündlich (s. z.B. BGH v. 16.10.1990, NJW 1991, 352) oder schriftlich (s. z.B. BGH v. 30.3.1976, WM 1986, 498), und zwar meist als fachmännisches Gutachten (s. z.B. BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378), spielt keine Rolle. 155 Meistens handelt es sich tatsächlich um schriftliche Gutachten. Entscheidend für die Zusammenstellung in eine Fallgruppe ist jedoch nicht die Form der Auskunftserteilung, sondern die Interessenlage; hierher gehören also auch Fälle, in denen die maßgebliche Auskunft mündlich erteilt wird, s. z.B. BGH v. 17.5.1990, NJW 1991, 32. Auch umgekehrt ist die Erstellung eines Gutachtens nicht unbedingt mit einer ähnlichen Interessenlage verbunden wie bei den hier dargestellten „Gutachtenfällen“, s. z.B. BGH v. 154

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nem Dritten (D) vorlegen, um ihm dadurch eine zuverlässige Sachaufklärung anzubieten, die den D dazu veranlassen soll, bestimmte Dispositionen vorzunehmen.159 Diese Dispositionen bestehen hauptsächlich darin, dass D einen Vertrag mit G – beispielsweise über die Gewährung eines Darlehens an G oder über den Ankauf des begutachteten Grundstücks des G – schließt. Das Streben des G danach, den D in Bezug auf den erwünschten Vertrag zu überzeugen, ist auch der Grund, warum G den Auftrag zur Gutachtenerstellung im eigenen Namen erteilt. Damit das Gutachten die von G gewünschte Überzeugungskraft aufweist, ist es bei dieser Konstellation ferner notwendig, dass der Gutachter (S) als objektiv beurteilender, unabhängiger und unparteiischer Sachverständiger auftritt;160 gerade deshalb schenkt ihm D unabhängig davon bzw. trotz der ___________ 23.1.1985, JZ 1985, 951 (951 f); BGH v. 2.11.1983, NJW 1984, 355 (355 f); BGH v. 29.9.1982, NJW 1983, 1053 (1054); OLG München v. 1.6.1990, NJW-RR 1991, 1127 (1128). 156 Dabei müssten wirklich vertragliche Beziehungen zwischen G und S vorliegen; ein öffentlich-rechtliches Verhältnis wie jenes zwischen dem Vollstreckungsgericht und dem beauftragten Sachverständigen scheide also als VSD ohne weiteres aus, BGH v. 20.5.2003, NJW 2003, 2825 (2826). So im Ergebnis auch OLG Brandenburg v. 11.1.2000, WM 2001, 1920 (1921). 157 In vielen Fällen handelt es sich um öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, s. z.B. BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059; BGH v. 23.1.1985, JZ 1985, 951. Manchmal wird dieser Eigenschaft sogar übermäßig große Bedeutung beigemessen, s. OLG Dresden v. 19.11.1996, NJW-RR 1997, 1001 (1002). Der BGH hat sich jedoch ausdrücklich dafür geäußert, dass die Haftung des Gutachters aus VSD nicht schlechthin davon abhängen kann, ob er in gleicher Weise wie ein öffentlich bestellter Sachverständiger auftritt und die gleichen Erwartungen wie ein solcher hervorruft, BGH v. 14.11.2000, WM 2001, 529 (532); so auch BGH v. 22.2.2001, WM 2001, 876 (877; hier geht es um einen durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts erstellten Beratungsbericht); BGH v. 9.7.2002, NJW-RR 2002, 1528; BGH v. 20.4.2004, NJW 2004, 3035 (3036). 158 Dabei kann es auch um die Erstellung des Jahresabschlusses einer Gesellschaft nach §§ 316 ff HGB gehen; § 323 HGB über die Haftung des Abschlussprüfers entfalte keine Sperrwirkung gegen die Annahme eines VSD, BGH v. 2.4.1998, NJW 1998, 1948 (1949); OLG Düsseldorf v. 19.11.1998, NZG 1999, 901 (903); OLG Hamm v. 12.7.1996, BB 1996, 2295 (2297). Allerdings sei § 323 II HGB auch bei der Haftung des Abschlussprüfers aufgrund VSD zu berücksichtigen [BGH a.a.O. S. 1050; BGH v. 15.12.2005, DB 2006, 385 (386)]. A.A. (für die maßgebliche Sperrwirkung) LG Frankfurt v. 8.4.1997, WM 1997, 1932 (1935); LG Hamburg v. 22.6.1998, WM 1999, 139 (141 f). 159 Wenn diese Dispositionen nicht auf der Grundlage der erteilten Auskunft vorgenommen werden, etwa weil D die Unrichtigkeit der Auskunft erkannt hat bzw. weil er an der Richtigkeit der Auskunft ernsthafte Zweifel hat, so scheidet ein Schadenersatzanspruch mangels Kausalität freilich aus, s. etwa BGH v. 17.9.2002, NJW 2002, 3625 (3626). 160 Vgl. z.B. BGH v. 9.7.2002, NJW-RR 2002, 1528; BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1060 f); BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (381 f sowie 386); BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1759 f); BGH v. 23.1.1985, JZ 1985, 951 (952).

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

Tatsache sein Vertrauen, dass S von G und nicht von D selbst beauftragt wird161 und G und D typischerweise gegenläufige Interessen haben.162 Dieses Vertrauen erweist sich für D im konkreten Fall als schädlich, weil die im Gutachten enthaltene Information falsch ist. Die Frage lautet, ob D einen Schadensersatzanspruch gegen S aus dem Schuldverhältnis zwischen S und G im Sinne des SSD ableiten kann. Vorausgesetzt, dass die beabsichtigte Gutachtenverwendung dem S erkennbar ist,163 nimmt heute164 die Rechtsprechung165 in solchen Konstellationen einen VSD zu Gunsten des geschädigten Gutachtenempfängers (D) an:166 Bei der Gewährung eines Darlehens durch D an G aufgrund eines Gutachtens des S, das die Vermögenslage des G optimistischer einschätzt, als sie in Wahrheit ist, sieht die Rechtsprechung nicht nur den Darlehensgeber,167 sondern auch den Bürgen, der für einen Teil des Darlehens bürgt, unabhängig davon als geschützt an, ob er Kenntnis vom Inhalt des Gutachtens hatte.168 Beim Ankauf des von S im Auftrag des Verkäufers (G) begutachteten Objekts wird der auf das Gutachten vertrauende Käufer (D) als geschützt angesehen.169 Ebenso für geschützt wird der ___________ 161 Das Gutachten des S soll den D sogar vor falschen Angaben des G schützen, so nachdrücklich BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (386). 162 Zur Interessenlage s. eingehender unten 3. Kapitel B. III. 3. a) bb). 163 Zu dieser Voraussetzung s. unten 2. Kapitel B. II. 2. 164 Anders noch BGH v. 15.5.1979, BGHZ 74, 281 (289 f); BGH v. 5.12.1972, NJW 1973, 321 (322); OLG Frankfurt v. 24.10.1985, NJW 1986, 854; OLG Stuttgart v. 5.12.1972, VersR 1974, 272 (273); OLG Saarbrücken v. 12.7.1978, BB 1978, 1434 (1435) alle mit dem Hinweis auf den Interessengegensatz zwischen G und D; OLG Schleswig v. 6.6.1961, VersR 1961, 1148 (1149). 165 Die Rechtsprechung zu den „Gutachtenfällen“ bestätigen auch BGH v. 2.2001, WM 2001, 872 (873) und BGH v. 22.2.2001, WM 2001, 876 (877) durch eine Parallelwertung zum VSD im Rahmen des § 839 BGB. 166 Im Bereich des Anlegerschutzes vgl. ferner BGH v. 26.9.2000, BGHZ 145, 187 (197 ff). 167 BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1060 f); BGH v. 19.12.1996, NJW 1997, 1235; BGH v. 21.1.1993, WM 1993, 897; BGH v. 18.10.1988, NJW-RR 1989, 696 (696 f); BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1759 f); BGH v. 19.3.1986, JZ 1986, 1111; OLG Bremen v. 9.12.1997, VersR 1999, 499 (500); OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (615 ff); OLG Köln v. 29.11.1995, BB 1996, 898 (899); OLG Karlsruhe v. 22.12.1989, NJW-RR 1990, 861; OLG Frankfurt v. 7.7.1988, NJW-RR 1988, 337 (338); LG Frankfurt v. 8.4.1997, WM 1997, 1932 (1935). A.A. OLG Düsseldorf v. 16.4.2002, NJW-RR 2002, 1709 (allein für den Fall, dass das maßgebliche Gutachten mehreren Interessenten vorgelegt wird); LG Mönchengladbach v. 31.5.1990, NJW-RR 1991, 415 (416 f). 168 BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1062). 169 BGH v. 9.7.2002, NJW-RR 2002, 1528; BGH v. 14.11.2000, WM 2001, 529 (532); BGH v. 2.4.1998, NJW 1998, 1948 (1949); BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (280 ff); OLG Düsseldorf v. 19.11.1998, NZG 1999, 901 (903) – nur prinzipiell; OLG Dresden v. 19.11.1996, NJW-RR 1997, 1001 (1002) – hier jedoch unter der Voraussetzung, dass S als Sachverständiger die staatliche Anerkennung genießt, vgl. aber Fn. 157;

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Besteller eines Werks gehalten, der auf die Aussage des vom Bauunternehmer (G) beauftragten Sachverständigen (S) über die vermeintliche Vertragsmäßigkeit und Mängelfreiheit des erstellten Werkes vertraut hat.170 Bei einem im Auftrag des Geschädigten (G) erstellten Schadensgutachten hafte aus VSD der Gutachter (S) dem regulierenden Haftpflichtversicherer (D), der aufgrund des fehlerhaften Gutachtens unnötig hohe Leistungen erbringt.171 Prinzipiell wird auch die Schutzwirkung eines Gutachtenvertrages zwischen einem begutachtenden Arzt (S) und dem Versicherer (G) auch zu Gunsten des durch den Versicherungsvertrag Begünstigten (D) für möglich gehalten, allerdings nicht für den konkret vorliegenden Fall.172 Verneint wird demgegenüber der Schutz des Prozessgegners (D), dem ein im Auftrag seines Prozessgegners (G) erstelltes Gutachten als Grundlage für die Vergleichsverhandlungen vorgelegt wird.173 Zu den Gutachtenfällen gehören nicht die Konstellationen, in denen das Gutachten keinem Dritten vorgelegt werden soll, um ihm als Entscheidungsgrundlage zu dienen, sondern lediglich zur eigenen Information des Auftraggebers (G) des Gutachters (S) beitragen soll; solche Gutachtenverträge entfalten nach der Rechtsprechung keine Schutzwirkung zu Gunsten betroffener Dritter.174 Dies gelte auch für den Fall, dass G aufgrund des Gutachtens Entscheidungen treffen wird, welche die Belange des D unmittelbar beeinflussen; S sei bloß eine Hilfsperson des G, und deshalb müsse die Gutachtenerstellung durch S so behandelt werden, als ob G selbst die maßgebliche gutachtliche Untersuchung

___________ OLG Köln v. 19.6.1991, NJW-RR 1992, 49; OLG Hamburg v. 14.6.1990, VersR 1991, 476 (476 f); LG Hamburg v. 19.5.1988, DStR 1989, 649 (650). A.A. OLG Schleswig v. 16.3.1987, VersR 1987, 624 für den Fall, dass der Verkäufer die durch das Gutachten bestätigte Eigenschaft zugesichert hat, so dass dem Käufer Schadensersatzansprüche gegen den Verkäufer zustehen (§ 463 BGB a.F. – fehlende Schutzbedürftigkeit; ausdrücklich dagegen OLG Köln v. 19.6.1991, NJW-RR 1992, 49); OLG Hamm v. 27.5.1994, VersR 1995, 800. 170 BGH v. 7.2.2002, NJW 2002, 1196 (1197). 171 OLG München v. 21.5.1990, NZV 1991, 26; LG Gießen v. 4.7.2001, MDR 2001, 1237; LG Bochum v. 24.9.1991, NJW-RR 1993, 29; LG Aachen v. 10.10.1986, ZfS 1990, 52; AG Homburg-Saar v. 28.10.2003, ZfS 2004, 212. 172 BGH v. 17.9.2002, NJW 2002, 3625 (3626). 173 BGH v. 18.6.1962, WM 1962, 933 (934). Es ist indes fraglich, ob sich das Ergebnis dieser Entscheidung mit der neueren Rechtsprechung vereinbaren lässt. 174 BGH v. 20.4.2004, NJW 2004, 3035 (3037); BGH v. 17.9.2002, NJW 2002, 3625 (3626); BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1061); BGH v. 18.10.1988, NJW-RR 1989, 696; BGH v. 2.11.1983, NJW 1984, 355 (356); OLG Stuttgart v. 18.8.1993, BB 1994, 2032 (2033); OLG Karlsruhe v. 22.12.1989, NJW-RR 1990, 861; LG Limburg v. 20.5.2003, NJOZ 2003, 1847. S. auch OLG Köln v. 29.11.1995, BB 1996, 898 (899); LG Hamburg v. 22.6.1998, WM 1999, 139 (141).

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vorgenommen hätte, mit der Folge, dass D auf seine Rechte aus seinem Verhältnis zu G beschränkt bleiben müsse.175 Fallkonstellation 16 – „Auskunftsersuchen im Drittinteresse“: G verlangt von S im Rahmen eines Schuldverhältnisses eine Auskunft, die jedoch nicht er selbst, sondern ein Dritter (D) benutzen soll, wie etwa bei einer Bank-zu-BankAuskunft im Kundeninteresse.176 G tritt also nur als Zwischenperson auf; er vermittelt zwischen Auskunftsgeber (S) und Auskunftsnehmer (D), etwa weil S die maßgebliche Auskunft mangels anderweitiger Beziehungen zu D ihm nicht direkt erteilen würde. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der erteilten Auskunft nimmt D Dispositionen vor, die sich wegen der Unrichtigkeit der erteilten Auskunft als vermögensschädlich erweisen. Die Falllage ähnelt den Fällen der Fallkonstellation 15 („Gutachtenfälle“); hier wie auch dort soll die Auskunftserteilung nicht als Entscheidungsbasis des Anfragenden (G) selbst, sondern eines Dritten (D) dienen, der sein Verhalten nach der erteilten Auskunft richtet. Der Unterschied zur Fallkonstellation 15 („Gutachtenfälle“) liegt praktisch nur darin, dass G, der die Auskunft bei S ersucht, kein unmittelbares Interesse an dem Inhalt der Auskunft an sich hat. Vor allem hängen seine Beziehungen zu D nicht von diesem Inhalt ab, und deshalb kann es in dieser Fallkonstellation grundsätzlich nicht zu einem Interessengegensatz zwischen D und G kommen. Die Rechtsprechung zu diesen Fällen lässt den Schluss ziehen, dass die Annahme des VSD sehr nahe liegt.177 Diese Betrachtung ist allerdings vornehmlich in Verbindung mit der grundsätzlichen Annahme des VSD durch die Rechtsprechung in den Gutachtenfällen (Fallkonstellation 15) zu rechtfertigen: Angesichts der

___________ 175 BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1430). Daran ändere die Tatsache nichts, dass sich D mit der maßgeblichen Prüfung einverstanden erklärt oder dass er mit dem unmittelbaren Kostenausgleich für die Gutachtenerstattung belastet wird, a.a.O. In diese Richtung auch OLG Köln v. 21.6.2002, VersR 2003, 122 (123). 176 s. z.B. BGH v. 18.6.1991, WM 1991, 1629; BGH v. 16.10.1990, NJW 1991, 352; BGH v. 25.2.1980, WM 1980, 527; BGH v. 30.3.1976, WM 1976, 498; BGH v. 25.4.1974, WM 1974, 685. 177 Für den VSD s. BGH v. 23.1.1985, JZ 1985, 951 (951 f); BGH v. 2.11.1983, NJW 1984, 355 (355 f; sog. „Käufergruppenfall“ – dabei ist in den Abreden zwischen G und S klar, dass entweder G selbst oder eine der hinter G stehenden Personen (D) das Gutachten benutzen würde). Vgl. auch BGH v. 18.6.1991, WM 1991, 1629 (1629 f): Nur beiläufig wird hier erwähnt, dass bei einer Bank-zu-Bank-Auskunft im Kundeninteresse die auskunftsgebende Bank für den Ersatz des Schadens des Kunden haftet, allerdings ohne Klarstellung der Frage, wem gegenüber und aus welcher Grundlage. Den VSD ablehnend: BGH v. 30.3.1976, WM 1976, 498 (499). Auf einen berechtigenden Vertrag zu Gunsten des D im Sinne von § 328 BGB stützt BGH v. 25.4.1974, WM 1974, 685 (686) den Schadensersatzanspruch des D gegen S (bei einer Bank-zu-BankAuskunft im Kundeninteresse).

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wesentlichen Ähnlichkeiten beider Fallgruppen wäre eine prinzipielle Ablehnung der Drittschutzwirkung in dieser Fallgruppe widersprüchlich.178 Fallkonstellation 17 – „Beratungsverhältnisse“: S schuldet dem G Beratung, die Auswirkungen (auch) auf die Vermögenslage Dritter (D) hat; bei fehlerhafter Beratung erleidet also D einen Schaden. Charakteristisch bei dieser Fallgruppe ist der Umstand, dass die Beratung an sich auch im Interesse des G erfolgt, wobei die Belange des D das Interesse des G an der Beratung mitbestimmen können. Allerdings ist die Abgrenzung zur Fallkonstellation 16 („Auskunftsersuchen im Drittinteresse“), die nach der Frage vorzunehmen ist, ob G lediglich als Interessenvertreter des D beim Auskunftsersuchen auftritt (Fallkonstellation 16) oder auch die eigenen Interessen durch die Beratung fördern will (Fallkonstellation 17),179 oft schwierig mit Sicherheit zu treffen.180 Etwas einfacher erscheint die Differenzierung zur Fallkonstellation 15 („Gutachtenfälle“): Dort muss der Auskunftsgeber S (in der Regel ein Gutachter) die tatsächliche Sachlage unparteiisch wiedergeben bzw. einschätzen, weil zwischen G und D typischerweise ein Interessengegensatz vorliegt.181 Eine genaue Abgrenzung der benachbarten Fallgruppen ist allerdings für diese Darstellung nicht von besonderer Bedeutung. Die Rechtsprechung hält aufgrund eines VSD die Gesellschafter (D) einer GmbH (G) für Schäden aus der Fehlerhaftigkeit des Gutachtens für schutzwürdig, das der Wirtschaftprüfer S im Auftrag der G erstellt, um die Gesellschafter (D) vor den steuerlich nachteiligen Folgen der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung zu bewahren.182 In den Schutzbereich des Vertrages über die ___________ 178 Allerdings kommen auch andere Konstruktionen zur Lösung der betreffenden Konstellationen in Frage, vgl. z.B. BGH v. 21.5.1996, BGHZ 133, 36 (42): direkter Vertrag zwischen S und D. Allerdings ist diese Lösung insbesondere in der früheren Rechtsprechung vorzufinden, s. z.B. BGH v. 25.2.1980, WM 1980, 527 (528); weitere Nachweise bei Soergel/Häuser/Welter, § 676, Rn. 13 ff sowie 31 ff. 179 Auf den Inhalt der Auskunft an sich kommt es nicht entscheidend an: Auch bei der Fallkonstellation 16 – „Auskunftsersuchen im Drittinteresse“ kann G die „Beratung“ nur im Interesse des D verlangen. Ebenso wenig kommt es darauf an, wie das Schuldverhältnis genannt wird, aufgrund dessen die Auskunft erteilt wird – vgl. Fn. 181. Allerdings indiziert der Begriff „Beratung“ eine gewisse Gebundenheit des S an den Interessen des G selbst. 180 Vgl. z.B. den Sachverhalt bei BGH v. 7.10.1987, NJW 1988, 556. 181 Deshalb gehört etwa der Fall von OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613, nicht zur Fallkonstellation 17 – „Beratungsverhältnisse“, sondern zu den „Gutachtenfällen“ (Fallkonstellation 15), obwohl auch in diesem Urteil (a.a.O. S. 615) von einem „Beratungsvertrag“ die Rede ist. 182 BGH v. 29.9.1982, NJW 1983, 1053 (1054); BGH v. 3.12.1992, NJW 1993, 1139; allgemeiner noch BGH v. 7.10.1987, NJW 1988, 556, jedoch ohne Bezug auf den konkreten Fall; ebenfalls ohne Bezug auf den konkreten Fall OLG Düsseldorf, v. 8.8.1985, NJW-RR 1986, 522. Bei der Beauftragung eines Steuerberaters durch eine

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anwaltliche Beratung der Gründungsgesellschafter (G) einer GmbH durch S sei ferner die später gegründete GmbH (D) einbezogen.183 Bei einem Gutachten, in dem der Gutachter (S) über die steuerlichen Auswirkungen der Übertragung der Gesellschaftsbeteiligung des Auftraggebers (G) an seinen Sohn (D) Stellung nehmen sollte, müsse dem D die Schutzwirkung des Gutachtenvertrags zwischen G und S zugute kommen.184 Bei einem Vertrag, der den steuerlichen Berater (S) verpflichtet, die Einkommenssteuererklärungen seines Auftraggebers (G) zu erstellen, sei die Ehefrau (D) des Auftraggebers „zumindest in den Schutzbereich“185 des Vertrages zwischen G und S einbezogen: Da die Eheleute (G und D) gemeinschaftlich verlangt werden, müsste sich die von S anzufertigende Steuererklärung notwendigerweise auf das Einkommen der Ehefrau (D) erstrecken.186 Die Ehefrau (D) des von S beratenen G wird in den Schutzbereich des Beratungsverhältnisses einbezogen, wenn sie nachträglich an der Stelle ihres Ehemannes in das Anlagevorhaben eintritt, das den Gegenstand des Beratungsverhältnisses zwischen G und S bildet.187 Ähnlich hafte der Steuerberater (S), der vom Grundstücksmiteigentümer G mit dem Entwurf einer Steuererklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der Grundstücksgemeinschaft beauftragt wird, für die mangelhafte Beratung seines Auftraggebers (G) nicht nur gegenüber diesem (G), sondern auch gegenüber den übrigen Grundstücksmiteigentümern (D), da der aufgrund der Steuererklärung des G ergangene Feststellungsbescheid Wirkung für und gegen alle Grundstücksmiteigentümer hat.188 ___________ OHG könne die Rede nicht von einem VSD zu Gunsten der Gesellschafter sein, denn die Gesellschafter selbst sind die Träger der im Namen der Gesellschaft begründeten Rechte und Pflichten, BGH v. 7.10.1987, NJW 1988, 556. 183 BGH v. 10.10.1985, NJW 1986, 581. 184 OLG München v. 1.6.1990, NJW-RR 1991, 1127 (1128). 185 Falls kein berechtigender Vertrag zu Gunsten der Ehefrau (D) des Auftraggebers (G) im Sinne von § 328 BGB vorliegen sollte, BGH v. 5.6.1985, WM 1985, 1274 (1275). 186 BGH v. 5.6.1985, WM 1985, 1274 (1275). 187 BGH v. 13.2.2003, NJW-RR 2003, 1035 (1036 f). Insbesondere diese nachträgliche Schutzerstreckung stellt den Schwerpunkt der richterlichen Überlegungen dar; diesbezüglich tritt nicht deutlich hervor, ob die Drittbezogenheit des Beratungsverhältnisses zwischen G und S zumindest als Möglichkeit bereits von Anfang an vorhanden war. Als entscheidendes Argument wird in diesem Zusammenhang angeführt, „dass eine solche nachträgliche Schutzerstreckung dann hätte problematisch sein können, wenn dadurch das Haftungsrisiko […] [des S] vervielfältigt worden wäre. […] Das Haftungsrisiko […] [des S] hat sich durch den Eintritt […] [der D] in das Anlagevorhaben anstelle von […] [G] nach Art und Höhe nicht verändert“. 188 OLG Celle v. 16.7.1986, NJW-RR 1986, 1315. In diesem Fall gehören die geschützten Dritten der Familie des G im weiten Sinne an: Ehefrau des G, Sohn des G, Ehefrau des Sohnes. Aus diesem Grund kann nicht mit Sicherheit entschieden werden, ob die Eigenschaft der Dritten als Miteigentümer des Grundstücks oder als Angehörige des G den entscheidenden Punkt darstellt. M.E. ist in erster Linie ihre Miteigentümerei-

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2. Schutzwirkung in Zusammenhang mit der Führung einer Gesellschaft Fallkonstellation 18 – „Geschäftsführung der geschäftsführenden Gesellschaft“: S ist (oft alleiniger) Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH G, deren ausschließliche oder vorwiegende Aufgabe die Geschäftsführung einer anderen Gesellschaft (KG bzw. Publikums-KG) ist. Verletzt S seine Pflichten gegenüber G zur sorgfältigen Geschäftsführung (vgl. § 43 I GmbHG), so stünden der KG (D) bzw. den stillen Gesellschaftern (D) der Publikums-KG, an der die GmbH als Komplementär-Gesellschafterin und Geschäftsführerin beteiligt ist, aufgrund des Dienstvertrages zwischen G und S unmittelbare Schadensersatzansprüche gegen S zu.189 Fallkonstellation 19 – „Stimmrechtsvollmacht“: Der Aktionär G einer AG beauftragt und bevollmächtigt S, bei der Hauptversammlung der AG an seiner Stelle abzustimmen. Verletzt S die Treupflichten, die seinem Auftraggeber (G) den anderen Aktionären gegenüber obliegen, so entstehen beim Aktionär D Vermögensschäden. Der BGH weigert sich, das Auftragsverhältnis zwischen G und S als SSD anzusehen und einen Schadensersatzanspruch des D gegen S anzuerkennen. Grund sei die fehlende Schutzbedürftigkeit des D, weil er bereits einen Schadensersatzanspruch gegen G für die treuwidrige Abstimmung seines Bevollmächtigten (S) bzw. gegen den Bevollmächtigten selbst (S) entsprechend dem Rechtsgedanken des § 179 I BGB habe, falls D seinen Auftraggeber (G) nicht bekannt geben will (vgl. § 135 IV S. 2 sowie IX Nr. 3 AktG).190

3. Mehrgliedriger bargeldloser Zahlungsverkehr Sehr oft bzw. regelmäßig191 wird die Zahlung im bargeldlosen Zahlungsverkehr192 nicht nur durch eine einzige Bank erledigt, wie es der Fall ist, wenn Zah___________ genschaft maßgeblich, während ihre familiäre Beziehung zu G das Ergebnis lediglich bekräftigen soll. 189 Für die KG s. BGH v. 25.2.2002, ZIP 2002, 984 (985); BGH v. 12.11.1979, BGHZ 75, 321 (323 ff); BGH v. 24.3.1980, BGHZ 76, 326 (337 f); BGH v. 17.3.1987, BGHZ 100, 190 (193). Für die Publikums-KG s. BGH v. 14.11.1994, NJW 1995, 1353 (1357). 190 BGH v. 20.3.1995, BGHZ 129, 136 (168 ff). 191 s. z.B. Hüffer, ZHR 151 (1987), 94. 192 Der Überweisungsverkehr als ein sehr wichtiger Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ist heute – nach dem Überweisungsgesetz v. 21.7.1999 – großenteils in den §§ 676a ff BGB geregelt. Aus diesem Grund verliert die Rechtsprechung zum SSD, die sich mit den nunmehr besonders geregelten Fragen befasst hat, an praktischer Bedeutung. Möglicherweise werden durch das Überweisungsgesetz auch andere, nicht ausdrücklich erfasste Fragen oder sogar auch andere Bereiche des Zahlungsverkehrs

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

lender und Zahlungsempfänger ihre Konten an derselben Bank unterhalten (vgl. die sog. Hausüberweisung oder Institutsverrechung193). Beim mehrgliedrigen bargeldlosen Zahlungsverkehr schaltet sich in den Zahlungsvorgang neben der Bank des Auftraggebers selbst auch eine weitere Bank, nämlich die Bank ein, bei welcher derjenige (Zahlender oder Zahlungsempfänger) sein Konto unterhält, auf den sich der Zahlungsauftrag bezieht. Häufig kommt es auch vor, dass die Bank des Zahlenden und die Bank des Zahlungsempfängers nicht in direkten Kontakt zueinander kommen, sondern weitere Zwischenbanken für die Durchführung des Zahlungsvorgangs einschalten müssen, wodurch eine Bankkette (sog. Girokette194) entsteht. Innerhalb dieser Kette wird der Zahlungsauftrag,195 der der ersten Bank erteilt wurde, bis an die letzte Bank weitergeleitet. Zwischen den Gliedern dieser Kette entstehen, von abweichenden Meinungen hier abgesehen,196 nur bilaterale Beziehungen:197 Jeder Beteiligte ist nur mit seinem jeweiligen Auftraggeber bzw. Auftragnehmer vertraglich verbunden; jede der Zwischenbanken ist also innerhalb dieser Kette sowohl Auftragnehmer der unmittelbar voreingeschalteten und Auftraggeber der unmittelbar nacheingeschalteten Bank. Dazu kommt, dass jede beteiligte Bank im eigenen Namen, ___________ (wie z.B. das Lastschriftverfahren, das als „rückläufige Überweisung“ beschrieben worden ist – s. BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (84); OLG Düsseldorf v. 11.2.1982, WM 1982, 575 (576), OLG Frankfurt v. 9.2.1984, DB 1984, 1294) beeinflusst. Da Gegenstand dieser Arbeit nicht die Haftung im Zahlungsverkehr, sondern das SSD im Allgemeinen ist, sind für die weitere Untersuchung Änderungen an der Rechtsordnung unerheblich, die zwar die Anwendung des SSD in einem bestimmten Bereich überflüssig machen, das Rechtsinstitut des SSD an sich jedoch unberührt lassen. Deshalb ist auch sinnvoll, die einschlägige Rechtsprechung zum SSD beim Überweisungsverkehr darzustellen: Werden nunmehr – mindestens für den Überweisungsvorgang – in der Rechtsprechung neue Grundsätze angewandt, so bedeutet dies weder, dass sie ihr abstraktes Verständnis über das SSD geändert hätte, noch vor allem, dass die Schilderung dieser Rechtsprechung der weiteren Untersuchung vornehmlich mit aufschlussreichen Beispielen nicht dienen könnte. Darüber hinaus muss hier angemerkt werden, dass die Regelung in §§ 676a ff BGB trotz ihrer zweifellos immensen praktischen Bedeutung nicht alle Haftungsprobleme lösen kann, die im mehrgliedrigen Zahlungsverkehr eintreten können, und folgerichtig, dass das SSD auch in diesem Bereich keineswegs vollkommen bedeutungslos geworden ist. Dies betrifft nicht nur die Haftung bei allen anderen, nicht ausdrücklich geregelten Zahlungsvorgängen wie beim Lastschriftverkehr, sondern auch die Überweisung selbst etwa insoweit, als es sich um die Haftung gegenüber dem Überweisungsempfänger (s. Fallkonstellation 21) handelt; vgl. ferner § 676c I S. 2 BGB. 193 Claussen, § 7, Rn. 10. 194 Hüffer, ZHR 151 (1987), 94. 195 Die Natur dieser Auftragserteilung (selbständiger Geschäftsbesorgungsvertrag oder Weisung im Rahmen eines bereits bestehenden Schuldverhältnisses, vgl. dazu Claussen, § 7, Rn. 16) ist zunächst nicht von Bedeutung. Dies gilt hier für die Rechtsnatur aller Rechtsverhältnisse im Rahmen des Zahlungsverkehrs. 196 Vgl. die Lehre vom Netzvertrag, grundlegend Möschel, AcP 186 (1986), 211 ff. Ausführlich zu dieser Konstruktion Rohe, passim. 197 Dies ist die h.M.; s. z.B. BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (88); BGH v. 20.6.1977, BGHZ 69, 186 (187); Bankrechts-Handbuch/van Gelder, § 58, Rn. 182.

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nicht hingegen im Namen ihres Kunden oder einer anderen Bank als Stellvertreterin oder Botin auftritt.198 Schließlich sind nach der h.M. die Verträge zwischen den jeweiligen Vertragspartner nicht als ermächtigende Verträge zu Gunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB anzusehen, so dass direkte Ansprüche des ersten Auftraggebers (Überweisender, Lastschriftgläubiger oder Scheckeinreicher) zur Durchführung des von seinem Kreditinstitut weitergeleiteten Auftrages oder des Überweisungsempfängers zur Gutschrift des überwiesenen Betrags auf sein Konto nicht vorliegen.199 Das SSD kommt im Rahmen des mehrgliedrigen Zahlungsverkehrs als Rechtsfigur deshalb in Betracht, weil Pflichtverletzungen200 durch die beteiligten Banken oft Schäden nicht bei ihren unmittelbaren Vertragspartnern, sondern bei einem Dritten verursachen. Die dadurch entstehenden Probleme werden wegen der Annahme der h.M. verschärft, die erstbeauftragte Bank hafte für das Verschulden der später eingeschalteten Banken nicht, weil sie nicht ihre Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 278 BGB seien.201 Die Annahme eines SSD hat zur Folge, dass dem geschädigten Dritten nunmehr ein Schadensersatzanspruch unmittelbar gegen die schädigende Bank zugesprochen wird. Als SSD kommt dasjenige Schuldverhältnis in Betracht, das zwischen der Bank besteht, die ihre Pflichten in der Girokette verletzt (S), und der Bank, der gegenüber die verletzten Pflichten bestehen (G).202 ___________ 198

OLG Düsseldorf v. 11.2.1982, WM 1982, 575 (576). BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (84 f); OLG Düsseldorf v. 31.10.1985, WM 1986, 637 (638); OLG Düsseldorf v. 11.2.1982, WM 1982, 575 (576); Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 398 mit weiteren Nachweisen. 200 Wie beispielsweise Verzögerung der Weiterleitung des eingereichten Schecks, BGH v. 23.9.1985, BGHZ 96, 9; verspätete Zurückleitung der wegen fehlender Deckung nicht eingelösten Lastschrift, BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82; verspätete Durchführung (LG Köln v. 29.4.1992, WM 1993, 895) bzw. unvollständige Weiterleitung des Überweisungsauftrages (OLG Düsseldorf v. 11.2.1982, WM 1982, 575). 201 s. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 390 mit weiteren Nachweisen. A.A. – m.E. mit sehr guten Argumenten – Köndgen, Bankhaftung, S. 146 ff. Das Problem löst heute, zumindest für den Überweisungsverkehr, ausdrücklich § 676c I S. 3 BGB: Das überweisende Kreditinstitut hat grundsätzlich das Verschulden eines zwischengeschalteten Kreditinstituts wie eigenes zu vertreten. 202 Nach dem BGH – BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (88 f); BGH v. 19.10.1978, BGHZ 72, 343 (348) – entfaltet dasjenige Rechtsverhältnis die Drittschutzwirkung, das zwischen den Banken G und S hinsichtlich des konkreten Zahlungsvorgangs auf der Grundlagen des zwischen ihnen bestehenden Girovertrages entsteht, nicht hingegen das eventuell bestehende Abkommen (im konkreten Fall das Lastschriftabkommen), welches ein bestimmtes Zahlungsverfahren abstrakt regeln soll. Aufgrund dieser Argumentation hat der BGH die Drittschutzwirkung angenommen, obwohl das Lastschriftabkommen, das die Rücksendung nicht eingelöster Lastschriften regelt, nach ausdrücklicher Bestimmung „nur Rechte und Pflichten zwischen den beteiligten Kreditinstituten“ begründen soll, BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (88 f). 199

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

Je nachdem, wer als Dritter (D) den Schaden aus der Pflichtverletzung durch S erleidet, sind dabei zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden: Bei Fallkonstellation 20 geht es um den Schaden des ersten Auftraggebers, bei Fallkonstellation 21 um den Schaden des Überweisungsempfängers. Fallkonstellation 20 – „Schaden des ersten Auftraggebers“: In dieser Fallkonstellation geht es um den Schadensersatzanspruch desjenigen (D), der den konkreten Zahlungsvorgang veranlasst,203 (des Zahlenden, so bei der Überweisung,204 oder des Empfängers des zu zahlenden Betrags, so beim Lastschrift-205 und Scheckverkehr206) gegen die Bank (S) die ihre Pflichten verletzt. Im Grunde genommen erkennt heute207 die Rechtsprechung das Schuldverhältnis zwischen S und ihrer Auftraggeberin (Bank G) als SSD und folgerichtig den unmittelbaren Schadensersatzanspruch des D gegen S an.208 Fallkonstellation 21 – „Schaden des Überweisungsempfängers“:209 Hier erleidet der Überweisungsempfänger (D) einen Vermögensschaden wegen einer ___________ 203 Bei bestimmten Zahlungsverfahren erfolgt die Zahlung an sich nicht aufgrund Auftrages dessen, der die Zahlung veranlasst (D in Fallkonstellation 20 – „Schaden des ersten Auftraggebers“). Am Beispiel des Lastschriftverfahrens bei Abbuchungsauftrag erfolgt die Zahlung aufgrund Auftrages, den der Lastschriftschuldner seiner Bank erteilt hat, s. etwa Claussen, § 7, Rn. 35; allerdings ist der Lastschriftgläubiger derjenige, der durch die Einreichung der Lastschrift an seine Bank den konkreten Zahlungsvorgang in Bewegung setzt. Ähnliches gilt für die Zahlung mit Scheck. Fälle, in denen der Lastschriftschuldner bei Abbuchungsauftrag bzw. der Scheckaussteller einen Schaden erleiden, sind in Zusammenhang mit dem SSD, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung nicht geprüft worden. 204 s. z.B. OLG München v. 4.12.1986, DNotZ 1987, 694. 205 s. z.B. BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82. 206 s. z.B. BGH v. 23.9.1985, BGHZ 96, 9. 207 Zu den Lösungen der Rechtsprechung bis zum grundlegenden Urteil des BGH vom 28.2.1977 (BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82) – insbesondere Drittschadensliquidation – s. Schürmann, S. 77 ff. 208 Lastschriftverfahren: BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (85 ff); BGH v. 19.10.1978, BGHZ 72, 343 (348 f) (im Prinzip; im konkreten Fall wird ein Schadensersatzanspruch abgelehnt, weil keine Pflichtverletzung vorliegt). Scheckinkasso: BGH v. 23.9.1985, BGHZ 96, 9 (16 ff). Überweisung: OLG Frankfurt v. 31.1.1995, BB 1995, 1208; OLG München v. 4.12.1986, DNotZ 1987, 694; OLG Frankfurt v. 9.2.1984, DB 1984, 1294; OLG Düsseldorf v. 11.2.1982, WM 1982, 575 (576); LG Hechingen v. 12.7.1985, WM 1985, 1341 (1343). Dabei scheint die Rechtsprechung keine Unterscheidung bei der Behandlung dieser Fälle danach zu machen, ob Auftraggeber der S die erstbeauftragte oder eine zwischengeschaltete Bank ist, so ausdrücklich BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (88) (Lastschrift); s. auch OLG Frankfurt v. 31.1.1995, BB 1995, 1208 (Überweisung), allerdings ohne klare dogmatische Stellungnahme. 209 Anders als in Fallkonstellation 20 – „Schaden des ersten Auftraggebers“ kann die Frage nach dem Vorliegen eines SSD auch bei einer Hausüberweisung von Bedeutung sein: G beauftragt seine Bank S, dem D einen Betrag auf seinem Konto gutzuschreiben,

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Pflichtverletzung der in die Überweisungskette zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger eingeschalteten Bank S. Dieser Schaden entsteht oft dadurch, dass die zur Tilgung einer Schuld des Überweisenden gegenüber dem Überweisungsempfänger (D) vorgenommene Überweisung nicht rechtzeitig und somit noch vor der bevorstehenden Insolvenz des Überweisenden durchgeführt wird, so dass die Schuld des Überweisenden gegenüber D nicht mehr beglichen werden kann.210 Die Rechtsprechung nimmt eine Schadensersatzpflicht der S aus ihrem Schuldverhältnis mit ihrem Auftraggeber G – d.h. mit dem Überweisenden selbst oder mit der vorgeschalteten Bank – als Schuldverhältnis mit Schutzwirkung zu Gunsten des D an.211 Maßgeblich für dieses Ergebnis scheint grundsätzlich eher die Stellung des D innerhalb der Zahlungskette (Überweisungsempfänger) als seine Beziehung zum Überweisenden zu sein.212

4. Geschäftsbesorgung213 Fallkonstellation 22 – „Anwaltliche Tätigkeit“: G beauftragt den Rechtsanwalt S mit der Besorgung einer Angelegenheit, die Auswirkungen auf die Vermögenslage eines Dritten (D) entfaltet. Diesbezüglich ist zwar in der Rechtsprechung oft die allgemeine Aussage zu finden, ein Anwaltsvertrag entfalte nur in seltenen Fällen eine Schutzwirkung zu Gunsten am Vertrag nicht beteiligter Dritter.214 Allerdings hat die Rechtsprechung in den folgenden Fällen eine ___________ das D ebenfalls bei der Bank S unterhält, vgl. OLG Oldenburg v. 14.10.1997, NJW-RR 1998, 918. 210 s. z.B. OLG Oldenburg v. 14.10.1997, NJW-RR 1998, 918; OLG Düsseldorf v. 21.5.1987, NJW-RR 1987, 1327; LG Augsburg v. 3.12.1987, WM 1988, 1085. 211 OLG Frankfurt v. 29.9.1998, WM 1999, 1208 (1210); OLG Oldenburg v. 14.10.1997, NJW-RR 1998, 918; OLG Düsseldorf v. 21.5.1987, NJW-RR 1987, 1327 (1327 f); OLG Düsseldorf v. 31.10.1985, WM 1986, 637 (638); LG Köln v. 29.4.1992, WM 1993, 895 (896 f); LG Augsburg v. 3.12.1987, WM 1988, 1085 (1086). Der BGH hat, soweit ersichtlich, noch nicht zum SSD in Bezug auf den Überweisungsempfänger Stellung genommen – vgl. BGH v. 12.5.1958, BGHZ 27, 241 (246 f): Schutz des Überweisungsempfängers durch die Rechtsfigur der Drittschadensliquidation. 212 s. aber OLG Düsseldorf v. 31.10.1985, WM 1986, 637 (638 f): Fürsorgepflicht des Überweisenden für den Überweisungsempfänger als Anhaltspunkt für die Annahme eines auf den Schutz des Überweisungsempfängers gerichteten Willens des Überweisenden (G). 213 Unter diesen Begriff sind viele Fallkonstellationen zu subsumieren, die jedoch in anderen Zusammenhängen behandelt werden – vgl. nur die Fallkonstellationen 20 und 21 (Bargeldloser Zahlungsverkehr), in denen die Geschäftsbesorgung das wesentliche Merkmal der Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilnehmern darstellt. Hier sind also nur Fälle geschildert, die nicht unter speziellere Gruppen eingeordnet sind. 214 s. bereits 1. Kapitel Fn. 16. S. dazu auch BGH v. 10.10.1985, NJW 1986, 581 (582); OLG Düsseldorf v. 5.12.1985, NJW-RR 1986, 730; OLG Hamm v. 19.9.1985,

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

Schutzwirkung des Anwaltsvertrages anerkannt: Bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts (S) durch eine GmbH (G) mit der Vorbereitung der für eine Kapitalerhöhung erforderlichen Erklärungen und Beurkundungen entfalte der Vertrag zwischen G und S Schutzwirkung zu Gunsten der an der Kapitalerhöhung teilnehmenden Altgesellschafter (D) hinsichtlich der mit einer verdeckten Sacheinlage verbundenen Gefahren.215 Bei der Beauftragung des S für die Vorbereitung eines Vertrages über die frühzeitige Pensionierung des Auftraggebers (G) sei auch die Ehefrau (D) des G geschützt, weil die erzielte Vereinbarung des G mit seinem Arbeitgeber auch die Anwartschaft der D auf die ihr zustehende Witwenrente unmittelbar betrifft.216 Der Rechtsanwalt S hafte den Kindern (D) seines Mandanten (G), wenn die unter seiner Anleitung getroffene Scheidungsvereinbarung des G mit seiner Ehefrau, welche die Letztgenannte verpflichten würde, ihren Kindern (D) bestimmte Vermögenswerte zuzuwenden, nicht durchsetzbar ist.217 Beim Anwaltsvertrag zur Erhebung einer Ehelichkeitsanfechtungsklage (nunmehr: Vaterschaftsanfechtungsklage) seien die leiblichen Kinder (D) des Auftraggebers (G) vor Schäden – z.B. in erbrechtlicher Hinsicht – geschützt, die ihnen wegen der von S verschuldeten Abweisung der Ehelichkeitsanfechtungsklage ihres Vaters entstehen.218 Beauftragt der Vermieter G den Rechtsanwalt S mit der Kündigung eines Mietvertrages, um das vermietete Haus seiner Tochter D überlassen zu können, so hafte S für den Schaden der D, der ihr wegen der verspäteten Kündigung des Mietvertrages und folgerichtig des verspäteten Einzugs in das überlassene Haus entsteht.219 Ebenfalls werden in den Schutzbereich des Vertrages, mit dem sich der Anwalt S gegenüber G mit dem Entwurf einer AG-Satzung verpflichtet, die Mitglieder (D) des Vorstands der zu gründenden AG einbezogen, die gemäß § 41 I S. 2 AktG vor Eintragung der AG persönlich haften, für Schäden, die ihnen durch die fehlerhafte Satzung entstehen.220 Demgegenüber hafte der Rechtsanwalt (S) gegenüber dem Ehemann (D) seiner Auftraggeberin (G) nicht aus VSD für Schäden, die dem D dadurch entstehen, dass S bei der Vorbereitung der notariell beurkundeten Scheidungsfolgevereinbarung zwischen G und D versäumt, eine Regelung darüber zu treffen, dass sich die Parteien dieser Vereinbarung (G und D) der sofortigen Zwangs___________ MDR 1986, 1026 (1026); LG Köln v. 14.3.1980, NJW 1981, 351 (352). Bezeichnenderweise wird das SSD jedoch von diesen Entscheidungen meistens angenommen. 215 BGH v. 2.12.1999, JZ 2000, 469 (471). 216 BGH v. 1.10.1987, NJW 1988, 200 (201). 217 BGH v. 11.1.1977, NJW 1977, 2073 (2074). 218 OLG Hamm v. 19.9.1985, MDR 1986, 1026 (1026 f). 219 LG München I v. 1.12.1982, NJW 1983, 1621 (1621 f). 220 LG Heidelberg v. 11.6.1997, ZIP 1997, 2045 (2046). Das Verhältnis zwischen G und D lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen; G war allerdings in keiner Weise mit der zu gründenden AG verbunden.

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vollstreckung hinsichtlich der in der Urkunde übernommenen Verpflichtungen unterwerfen.221 Kein VSD sei ferner der Anwaltsvertrag zwischen dem Rechtsanwalt S und G zu Gunsten der Kinder (D) des G für den Fall, dass S den älteren G nicht darüber informiert, dass G die ihm zugefallene Erbschaft zu Gunsten seiner Kinder ausschlagen könnte, wodurch das nochmalige Anfallen der Erbschaftssteuer vermieden werden könnte.222 Fallkonstellation 23 – „Testamentsfälle“: G will den D erbrechtlich begünstigen,223 wozu S aufgrund eines Schuldverhältnisses mit G mitwirken muss. S unterlässt jedoch die erforderliche Mitwirkung224 bzw. S erfüllt seine Verbindlichkeit nicht richtig (Schlechterfüllung),225 und G stirbt, bevor er die für die bezweckte Begünstigung erforderlichen Handlungen vorgenommen hat. In solchen Fällen hat die Rechtsprechung einen Schadensersatzanspruch des D gegen S wegen der ausgebliebenen Begünstigung angenommen.226

5. Eingestellte Leistungen Fallkonstellation 24 – „Eingestellte Telekommunikationsdienste“: G verhandelt mit S über die Erbringung von Dienstleistungen durch S (hier Telekommunikationsdienste). Obwohl sich S und G noch im Stadium der Vertragsverhandlungen befinden, erbringt S bereits Leistungen, die erst der noch abzuschließende Vertrag zwischen G und S regeln soll (Freischaltung von Servicenummern); diese Leistungen nimmt D aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit G in Anspruch. Da S ohne Vorwarnung die Leistung seiner Dienste verweigert (Abschaltung der nach Ansicht des S versehentlich frei geschalteten Servicenummern) muss D Schäden erleiden, da er auf die Weitererbringung der maßgeblichen Dienstleistungen durch S vertraut hat. D wird als in das Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen zwischen G und S einbezogen betrachtet, ___________ 221

OLG Düsseldorf v. 5.12.1985, NJW-RR 1986, 730 (730 f). LG Köln v. 14.3.1980, NJW 1981, 351 (351 f). 223 Etwa durch gültige Testamenterrichtung (s. z.B. BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141) oder wirksamen Ausschluss eines der gesetzlichen Erben (s. z.B. BGH v. 13.7.1994, NJW 1995, 51: Versäumung der rechtzeitigen Zustellung der Scheidungsantragsschrift durch den Rechtsanwalt). 224 So z.B. BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141. 225 So z.B. BGH v. 13.6.1995, NJW 1995, 2551. 226 Grundlegend BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141 (142), sog. „Testamentsfall“. So auch BGH v. 13.6.1995, NJW 1995, 2551 (2552); BGH v. 13.7.1994, NJW 1995, 51 (52 f); BGH v. 8.6.1989, NJW 1989, 2945. Einen ähnlichen Fall s. ferner bei BAG v. 5.3.1981, NJW 1982, 956 (Leitsatz). 222

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

und ihm werden folgerichtig Schadensersatzansprüche gegen S zugesprochen.227

B. Die abstrakte Rechtsfigur Nach der Darstellung des Anwendungsfelds des SSD macht die abstrakte Behandlung des SSD durch die Rechtsprechung den Untersuchungsgegenstand der folgenden Ausführungen aus. Hier ist nach dem allgemeinen, vom jeweils konkreten Fall unabhängigen Konzept der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen und den Rechtsfolgen der Rechtsfigur zu fragen. Insbesondere geht es im Folgenden um die dogmatische Grundlage, welche das SSD als Durchbrechung des allgemein bei Schuldverhältnissen geltenden Relativitätsprinzips legitimieren soll;228 ferner um die Voraussetzungen, nach denen das Vorliegen eines SSD beurteilt wird,229 sowie um weitere Modalitäten, welche die Rechtsfolgen eines SSD näher bestimmen sollen.230 Insbesondere die Suche nach der eigentlichen Rechtsgrundlage der Drittschutzwirkung dient nicht nur der dogmatischen Klarheit, sondern vor allem auch praktischen Zwecken: Die genaue Bedeutung der einzelnen Anwendungsvoraussetzungen des SSD lässt sich nur dann ermitteln, wenn deutlich ist, in welchem Rahmen diese Voraussetzungen verlangt werden.

I. Rechtsgrundlage 1. Zugrundelegung des rechtsgeschäftlichen Modells ohne grundsätzliche Ablehnung des gesetzlichen Modells Wie bereits ausgeführt,231 fängt die eingeständige Geschichte des VSD in der Rechtsprechung hauptsächlich mit der Entscheidung des BGH vom 15.5.1959 an.232 Die Bedeutung dieser Entscheidung besteht vor allem darin, dass sie das bis zu diesem Punkt geläufige Modell zur dogmatischen Erklärung der vertraglichen Drittschutzwirkungen eindeutig kritisiert und zu Gunsten eines unter___________ 227

OLG Hamburg v. 28.10.1999, NJW-RR 2001, 845 (846 f). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung des LG Gera v. 14. 4. 1998, NJW-RR 1998, 1466 (1467). 228 s. unten 2. Kapitel B. I. 229 s. unten 2. Kapitel B. II. 230 s. unten 2. Kapitel B. III. (Rechtsfolgen) und 2. Kapitel B. IV. (Einwendungsdurchgriff). 231 s. oben 2. Kapitel vor A. 232 Sog. „Capuzolfall“, NJW 1959, 1676.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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schiedlichen Konzepts aufgibt, während erstmals abstrakte Kriterien vorgegeben werden, nach denen das Vorliegen eines VSD zu beurteilen ist.233 Hat man bis zu dieser Zeit häufig § 328 BGB als die Grundlage angesehen, aufgrund deren Nichtvertragsparteien vertragliche Schadensersatzansprüche hätten zuerkannt werden können,234 so hält man von nun an § 328 BGB im Anwendungsbereich des heute als VSD anerkannten Rechtsinstituts für nicht einschlägig. Denn bei den Verträgen mit Schutzwirkung soll es sich, anders als bei den eigentlichen Verträgen zu Gunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB, nicht um die Pflicht des Schuldners handeln, an den Dritten die geschuldete Leistung zu erbringen, wie § 328 BGB es voraussetze. Vielmehr werde vom Schuldner „ein Verhalten gefordert, das dem Schutzbedürfnis der Personen Rechnung trägt, die durch die mangelhafte Leistung oder durch fehlende Sicherheitsmaßnahmen in Mitleidenschaft gezogen werden können“.235 In diesem Urteil wird also eine klare Grenzlinie gezogen: Geht es um die Berechtigung eines Dritten, selbst die Erbringung der geschuldeten Hauptleistung an sich durch den Schuldner zu fordern, so ist die Drittwirkung am Maßstab von §§ 328 ff BGB zu beurteilen. Handelt es sich hingegen um Pflichtverletzungen des Schuldners, die das Schutzbedürfnis des Dritten berühren – „Sorgfalts- und Schutzpflichten“ –, dann ist die Drittwirkung des Vertrages auf einer anderen Grundlage zu behandeln. Diese Unterscheidung wird auch von der Literatur236 und der späteren Rechtsprechung237 praktisch einhellig akzeptiert; diese erwähnt § 328 BGB bei der Begründung der Drittschutzwirkung nunmehr nur selten238 und m.E. eher beiläufig.239 Welche Grundlage die Drittschutzwirkungen eines Schuldverhältnisses nach der Ablehnung von § 328 BGB nunmehr legitimieren soll, lässt sich allerdings den einschlägigen Entscheidungen nicht immer mit Klarheit entnehmen. Oft wird keine eindeutige Äußerung über die dogmatische Grundlage des SSD ge___________ 233

s. auch Hirth, S. 35. s. beispielsweise BGH v. 10.5.1951, BGHZ 2, 94 (97); BGH v. 20.2.1958, BGHZ 26, 365 (371). Dies heißt allerdings nicht, dass man bis zu diesem Punkt immer nur von einer unmittelbaren Anwendung des § 328 BGB gesprochen hat, s. z.B. BGH v. 28.5.1957, BGHZ 24, 325 (327). Zu den dogmatischen Begründungen des VSD vor der Entscheidung vom 15.5.1959 (Fn. 232) s. Hirth, S. 28 ff mit vielen weiteren Nachweisen zur damaligen Rechtsprechung. 235 BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (S. 1676 f). 236 s. exemplarisch Larenz, Schuldrecht AT, § 17 II (S. 225 f); Palandt(65)/ Grüneberg, § 328, Rn. 13; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 260. 237 Vgl. z.B. BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1759). 238 s. z.B. BGH v. 13.6.1995, NJW 1995, 2551 (2552); BGH v. 14.7.1992, NJW 1992, 2962 (s. den Auszug in Fn. 106); OLG Frankfurt v. 7.7.1988, NJW-RR 1988, 337 (338); OLG Hamm v. 19.9.1985, MDR 1986, 1026 (1027). 239 Vgl. Hirth, S. 86, Fn. 5. 234

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

macht240 und manchmal wird die Frage unverkennbar offen gelassen,241 auch wenn für die eine oder die andere Lösung tendiert wird. In anderen Fällen wird nur implizit angedeutet, wonach sich das Gericht richtet, auch wenn Anhaltspunkte gegeben sind, die auch auf die gegensätzliche Richtung hinweisen,242 ___________ 240 s. u.a. BGH v. 17.9.2002, NJW 2002, 3625 (3626); BGH v. 25.2.2002, ZIP 2002, 984 (985); BGH v. 19.2.2002, MDR 2002, 637 (638); BGH v. 19.12.2000, ZIP 2001, 230; BGH v. 2.12.1999, JZ 2000, 469 (471); BGH v. 19.12.1996, NJW 1997, 1235; BGH v. 20.3.1995, BGHZ 129, 136 (168 f); BGH v. 14.11.1994, NJW 1995, 1353 (1357); BGH v. 28.4.1994, NJW 1994, 2231; BGH v. 3.12.1992, NJW 1993, 1139; BGH v. 15.2.1992, NJW 1993, 655 (656); BGH v. 13.2.1990, NJW-RR 1990, 726 (727); BGH v. 15.6.1989, NJW 1989, 2750 (2751); BGH v. 6.12.1988, BGHZ 106, 153 (160); BGH v. 17.3.1987, BGHZ 100, 190 (194); BGH v. 25.3.1986, BGHZ 97, 273 (276); BGH v. 17.12.1985, BGHZ 96, 360 (367 f); BGH v. 8.6.1989, NJW 1989, 2945; BGH v. 1.10.1987, NJW 1988, 200 (201); BGH v. 10.10.1985, NJW 1986, 581 (582); BGH v. 23.9.1985, BGHZ 96, 9 (17); BGH v. 18.6.1985, BauR 1985, 704 (705); BGH v. 5.6.1985, WM 1985, 1274 (1275); BGH v. 7.11.1984, NJW 1985, 489; BGH v. 22.11.1983, BGHZ 89, 95 (98); BGH v. 18.1.1983, BGHZ 86, 240 (249 sowie 253); BGH v. 29.9.1982, NJW 1983, 1053 (1054); BGH v. 12.5.1980, BGHZ 77, 116 (124); BGH v. 24.3.1980, BGHZ 76, 326 (337 f); BGH v. 18.3.1980, BGHZ 76, 259 (262); BGH v. 12.11.1979, BGHZ 75, 321 (323 ff); BGH v. 19.10.1978, BGHZ 72, 343 (348); BGH v. 6.6.1978, NJW 1978, 1576 (1577); BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (85 ff); BGH v. 7.7.1976, NJW 1976, 1843 (1844); BGH v. 26.3.1974, DB 1974, 1222; BGH v. 5.12.1972, NJW 1973, 321 (322); BGH v. 10.11.1970, NJW 1971, 241 (242); BGH v. 26.11.1968, BGHZ 51, 91 (96); BGH v. 30.9.1969, NJW 1970, 38 (40); BGH v. 10.1.1968, JZ 1968, 304; BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141 (142); BGH v. 7.11.1960, BGHZ 33, 247 (249). 241 Ausdrücklich so BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (56 f); BGH v. 11.1.1977, NJW 1977, 2073 (2074), BGH v. 13.2.1975, NJW 1975, 867 (869); BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269 (273 f); LG München I v. 18.2.2003, NJW 2003, 1046 (1051). Vgl. auch BGH v. 16.10.1963, NJW 1964, 33 (34 f); BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (1677). 242 Eher für die vertragliche Vereinbarung: BGH v. 17.5.1990, NJW 1991, 32 (33); BGH v. 18.10.1988, NJW-RR 1989, 696; BGH v. 10.5.1984, NJW 1985, 2411 (2411 f); BGH v. 29.3.1978, BGHZ 71, 175 (178); BGH v. 14.5.1974, NJW 1974, 1503; BGH v. 17.12.1969, WM 1970, 127 (128); BGH v. 10.11.1970, BGHZ 55, 11 (18); BGH v. 22.1.1968, BGHZ 49, 350 (353 ff); BGH v. 7.2.1968, BGHZ 49, 278 (280 f); BGH v. 18.1.1968, NJW 1968, 1323 (1324); BGH v. 3.11.1961, VersR 1962, 86 (88); BGH v. 18.6.1962, WM 1962, 933 (934); BGH v. 29.9.1959, VersR 1959, 1009 (1009 f); OLG Düsseldorf v. 17.7.1997, NJW-RR 1998, 99; OLG Köln v. 29.11.1995, BB 1996, 898 (899); OLG Karlsruhe v. 22.12.1989, NJW-RR 1990, 861; OLG Hamm v. 14.12.1976, VersR 1977, 531 (532 f); LG Bochum v. 24.9.1991, NJW-RR 1993, 29. Eher für eine objektivrechtliche Anordnung (vgl. „Gerechtigkeit“, „Billigkeit“, „Treu und Glauben“) BGH v. 20.12.1978, WM 1979, 307 (308); BGH v. 15.2.1978, BGHZ 70, 327 (329 f); BGH v. 19.9.1973, BGHZ 61, 227 (233 f); OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (615 f); OLG Düsseldorf v. 26.10.1995, NJW-RR 1996, 1380 (1382); OLG Frankfurt v. 31.1.1995, BB 1995, 1208; OLG Schleswig v. 16.3.1987, VersR 1987, 624; OLG Hamm v. 19.9.1985, MDR 1986, 1026 (1026 f); OLG Düsseldorf v. 8.8.1985, NJW-RR 1986, 522; LG Augsburg v. 3.12.1987, WM 1988, 1085 (1086); LG Frankfurt v. 18.2.1986, NJW-RR 1986, 966. Von richterlicher Rechtsfortbildung spricht BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2928).

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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während andere Entscheidungen ausdrücklich zu verstehen geben, auf welcher Grundlage sie die Drittschutzwirkung beurteilen.243 Am häufigsten wird in der Rechtsprechung mehr oder weniger eindeutig der Vertrag als Grundlage der Drittschutzwirkung angesehen.244 Es wird nämlich angenommen, dass sich dem Vertrag zwischen G und S mittels Auslegung der Inhalt entnehmen lasse, dass eine oder mehrere dritte Personen (D) im Sinne des SSD geschützt sein sollen (rechtsgeschäftliches Modell). Diese Annahme ist unter dem folgenden Gesichtspunkt verständlich: Will man einem am Vertrag nicht beteiligten Dritten Schadensersatzansprüche gegen eine Vertragspartei nach Vertragsgrundsätzen zuerkennen (so der Urzweck der Annahme eines VSD), so ist der Versuch nur folgerichtig, den Schutz des Dritten in das Vertragskonzept einzubinden. Der einfachste Weg dafür ist die Annahme, die Drittschutzwirkung entspreche dem Willen der Vertragsparteien. Lässt man die Feststellung zunächst außer Acht, dass sich der erforderliche Parteiwillen in den konkreten Drittschutzfällen kaum begründen lässt,245 so dürfte dieser Weg unabhängig von der genauen Begründung für die rechtliche Möglichkeit der Vertragsparteien, eine Drittschutzvereinbarung zu treffen, im Ergebnis kaum Schwierigkeiten bereiten bzw. kaum auf Widerspruch stoßen.246 Vielmehr har-

___________ 243

Vertragauslegung: BGH v. 13.5.2004, ZIP 2004, 1154 (1156); BGH v. 20.4.2004, NJW 2004, 3035 (3036); BGH v. 9.7.2002, NJW-RR 2002, 1528; BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1429 f); BGH v. 14.11.2000, WM 2001, 529 (532); BGH v. 2.4.1998, NJW 1998, 1948 (1949 f); BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1060 ff); BGH v. 13.6.1995, NJW 1995, 2551 (2552); BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (380); BGH v. 13.7.1994, NJW 1995, 51 (52 f); BGH v. 28.6.1994, NJW 1994, 2417 (2419); BGH v. 21.1.1993, WM 1993, 897; BGH v. 5.6.1990, NJW-RR 1990, 1172; BGH v. 11.10.1988, NJW 1989, 1029 (1030); BGH v. 16.6.1987, NJW 1987, 2510 (2511); BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1759); BGH v. 19.3.1986, JZ 1986, 1111 (1111 f); BGH v. 2.5.1985, NJW 1986, 2701; BGH v. 23.1.1985, JZ 1985, 951 (951 f); BGH v. 2.11.1983, NJW 1984, 355 (355 f); BGH v. 11.7.1978, NJW 1978, 2502 (2503); BGH v. 12.7.1977, NJW 1977, 2208 (2209); BGH v. 16.2.1971, NJW 1971, 752 (753); BGH v. 21.5.1970, VersR 1970, 831; BGH v. 9.10.1968, NJW 1969, 41; BGH v. 18.6.1968, NJW 1968, 1929 (1931); BGH v. 23.6.1965, NJW 1965, 1757 (1758). 244 s. Fn. 242 und 243. Zu diesen Entscheidungen sind auch solche mitzurechnen, die sich zwar zur betreffenden Frage nicht (klar) äußern – s. Fn. 240 –, sich aber offensichtlich nach der übrigen Rechtsprechung ausrichten. 245 s. dazu eingehend unten 3. Kapitel B. III. 3. Sicher ist zunächst, dass in der Praxis kaum Fälle vorkommen, in denen die Drittschutzwirkung ausdrücklich vereinbart wird; so auch BGH v. 29.11.1974, NJW 1975, 344 (344 f). S. auch die oben 2. Kapitel A. dargestellten Entscheidungen: Keiner liegt eine ausdrücklich vereinbarte Drittschutzwirkung zugrunde, und zwar „trotz einer nun schon Jahrzehnte währenden Judikatur“ – so nachdrücklich Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 1 a.; s. auch Köndgen, EWiR 1985, 152. 246 s. auch unten 3. Kapitel B. II.

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

moniert er mit dem auf der Privatautonomie basierenden Vertragskonzept (vgl. § 311 I BGB) problemlos.247 Dass der Parteiwille, wie das rechtsgeschäftliche Modell postuliert, den Drittschutz begründen kann, wird in der Rechtsprechung ausnahmslos anerkannt. Auch den (verhältnismäßig wenigen) Urteilen, welche die Drittschutzwirkung aufgrund einer anderen Grundlage zu beurteilen scheinen248 oder die entsprechende Frage offen lassen,249 ist keine prinzipielle Ablehnung des vertraglichen Konzepts zu entnehmen. Als offen kann höchstens die Frage betrachtet werden, ob sich das gewünschte Ergebnis (vertraglicher Drittschutz) allgemein oder nur im konkreten Fall auch auf eine andere Basis stützen lässt. In diesem Sinne scheint die Bemerkung nicht falsch, dass die Rechtsprechung den vertraglichen Vereinbarungen den Vorrang gegenüber anderen möglichen Grundlagen gibt: Nur wenn die Drittschutzwirkung aufgrund des konkreten Vertrages nicht bejaht werden kann bzw. mangels eines gültig geschlossenen Vertrages völlig ausscheidet,250 ist möglicherweise nach einer anderen Basis zu suchen.251 Den Gegensatz zum rechtsgeschäftlichen Modell bilden in Zusammenhang mit der Erklärung der Drittschutzwirkungen jene Vorschläge, die das objektive Recht als Grundlage des SSD betrachten (gesetzliche Modelle). Ist die Drittschutzwirkung eines Schuldverhältnisses als ein Gebot des objektiven Rechts zu verstehen, so soll sie auch dann bejaht werden können, wenn nicht feststeht, dass die Parteien des Schuldverhältnisses (G und S) dieses Ergebnis gewollt haben. Insofern käme dem Umstand, dass zwischen G und S kein Vertrag, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis vorliegt, keine prinzipielle Bedeutung für die Drittwirkungsproblematik zu. Diese dem objektiven Recht immanente Wirkung, Geltung unabhängig von einer rechtsgeschäftlichen Legitimation zu beanspruchen, wäre auch dann nicht zu verneinen, wenn man das objektivrechtliche Gebot zum Drittschutz als dispositiv betrachten sollte. Denn auch in diesem Fall wäre lediglich nach einer möglicherweise vorliegenden Abbedingung des Gebots durch den rechtsgeschäftlichen Willen zu fragen.

___________ 247

Dies nehmen im Grunde genommen alle Entscheidungen an, die den Drittschutz auf Vertragsauslegung stützen, s. Fn. 243 und 242. Besonders deutlich jedoch beispielsweise BGH v. 2.4.1998, NJW 1998, 1948 (1949); BGH v. 23.1.1985, JZ 1985, 951 (951 f); BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1759). 248 s. Fn. 242. 249 s. Fn. 241. 250 s. insbesondere BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51; zu dieser Entscheidung s. sogleich unten im Text. 251 Vgl. die Entscheidungen, die nur hilfsweise mit einer anderen Grundlage argumentieren, s. dazu unten bei Fn. 266.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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Die Betrachtung der Drittschutzwirkung als eine Frage des objektiven Rechts befreit zwar von der Bedingung einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung, was viele Schwierigkeiten beim rechtsgeschäftlichen Modell lösen könnte, wirft jedoch weitere Probleme auf, die vor allem mit der Klärung des Geltungsgrundes und die Legitimation eines einschlägigen Rechtssatzes verbunden sind: Da der Richter an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 III GG) und seine Entscheidungen demnach nur darauf stützen darf, hat er sich mit oft schwierigen Fragen in Bezug auf die anerkannten Rechtquellen und die Auslegung des Rechts auseinander zu setzen, um zu belegen, dass die Drittschutzwirkung von Schuldverhältnissen trotz offensichtlichen Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung aufgrund objektiven Rechts geboten wäre.252 Die Möglichkeit, das objektive Recht als Grundlage für die Drittschutzwirkung heranzuziehen, hat die Rechtsprechung mehrmals erwähnt bzw. impliziert.253 Von besonderem Interesse ist unter diesem Gesichtspunkt eine Entscheidung des BGH vom 28.1.1976.254 Der BGH hatte über das Vorliegen des Schadensersatzanspruchs eines Kindes (D) für erlittene Körperschäden aus dem Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen zu entscheiden, an dem nur die Mutter (G) des Kindes Partei war, weil nur sie beim Selbstbedienungsladen des S einkaufen wollte. Das besondere an diesem Fall ist, dass der gesetzliche Charakter des maßgeblichen Schuldverhältnisses (Vertragsverhandlungen), wie ihn der BGH in diesem Urteil auch ausdrücklich annimmt,255 die Erklärung des Drittschutzes mit dem rechtsgeschäftlichen Modell verbietet: Da es an rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen zwischen den Parteien (G und S) überhaupt fehlt, scheidet auch eine entsprechende Auslegung aus.256

___________ 252

Zur Legitimation einer Rechtsfortbildung s. unten 3. Kapitel C. II. s. die Entscheidungen in Fn. 241 sowie in Fn. 242. Vgl. auch BGH v. 1.2.2001, WM 2001, 872 (873) und BGH v. 22.2.2001, WM 2001, 876 (877): „Parallelwertung“ des SSD zum § 839 BGB. 254 Sog. „Gemüseblattfall“, BGHZ 66, 51. Zu diesem Fall s. auch oben 2. Kapitel A. II. 5., Fallkonstellation 12 – „Begleitende Tochter bei der Vertragsanbahnung“. 255 BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (56). S. nunmehr § 311 II BGB. 256 Die Drittschutzwirkung trotz Fehlens eines gültigen Vertrages zwischen G und S hat schon vorher die viel weniger beachtete Entscheidung des BGH v. 10.1.1968, JZ 1968, 304, augrund von Billigkeitsüberlegungen angenommen. S. dazu auch oben 2. Kapitel A. II. 1., Fallkonstellation 1 – „Gemietete Sachen“ bei Fn. 50. Diese Entscheidung geht allerdings über das Fehlen eines wirksamen Vertrages viel zu schnell hinweg, um ihr diesbezüglich weitere wichtige Gesichtspunkte entnehmen zu können. Erheblich bleibt deshalb lediglich das erzielte Ergebnis. Nicht wesentlich aufschlussreicher ist außerdem OLG Hamburg v. 28.10.1999, NJW-RR 2001, 845 (846): Die Rechtswirkungen des Schuldverhältnisses der Vertragsverhandlungen werden lediglich „entsprechend den zu den Rechtsfiguren ‚culpa in contrahendo‘ und ‚Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter‘ entwickelten Grundsätzen“ angenommen. 253

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

Zur Begründung der Drittschutzwirkung erwähnt der BGH zunächst kurz die in Rechtsprechung und Schrifttum vorgeschlagenen Erklärungsmodelle bezüglich des VSD: ergänzende Auslegung eines insoweit lückenhaften Vertrages (Rechtsprechung) – Gewohnheitsrecht und richterliche Rechtsfortbildung (Schrifttum).257 Dennoch will er weder diese Frage vertiefen noch eine Entscheidung darüber treffen; vielmehr konzentriert er sich auf die materiellen Grundsätze, die unabhängig von der ausgewählten Grundlage für die Beurteilung der Drittschutzwirkungen eines Vertrages gelten sollen:258 Zum einen soll der Vertrag nach „seinem Sinn und Zweck und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben eine Einbeziehung des Dritten in seinen Schutzbereich“ erfordern und zum anderen „muss die eine Vertragspartei – für den Vertraggegner erkennbar – redlicherweise damit rechnen [können], dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maße auch dem Dritten entgegengebracht wird“.259 Anschließend stellt das Gericht fest, dass der zum Zeitpunkt des Schadenseintritts noch nicht geschlossene (Kauf-)Vertrag zwischen G und S eine Schutzwirkung für D entfalten würde, falls er zustande gekommen wäre. Dennoch bereitet nicht die Drittschutzwirkung des (künftigen) Kaufvertrages Schwierigkeiten. Problematisch ist vielmehr der Umstand, dass ein solcher Vertrag noch nicht geschlossen ist; allein darin liegt die Besonderheit der behandelten Konstellation. Diesbezüglich besteht zunächst kein Zweifel darüber, dass der BGH keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung ausgelegt hat, einfach weil zur Zeit der Vertragsanbahnung noch keine solche vorlag.260 Insofern ist selbstverständlich, dass das Gericht seiner Entscheidung bewusst kein rechtsgeschäftliches, sondern ein gesetzliches Modell zugrunde gelegt hat. Für die Ausdehnung der Drittschutzwirkung auf den vorvertraglichen Bereich argumentiert das Gericht aufgrund zweier Grundüberlegungen: Zum einen soll es an einem vernünftigen Grund dazu fehlen, den D zwar nach dem Vertragsschluss als in den Vertragsschutzbereich einbezogen zu betrachten, diesen Schutz aber gleich vor dem Vertragsschluss zu versagen. Denn dann müsste die vertragliche Haftung vor allem bei Fällen, in denen, wie im vorliegenden, der Vertragsschluss im Unfallzeitpunkt unmittelbar bevorsteht, vom reinen Zufall abhängen.261 Zum anderen ___________ 257

BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (56 f). Zu den materiellen Drittschutzvoraussetzungen s. unten 2. Kapitel B. II. 259 BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (57). 260 s. etwa Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 1 a; Bayer, JuS 1996, 476 f; Plötner, S. 84; Strätz, JR 1976, 459. 261 BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (58). Die Mutter des Kindes stand gerade vor der Kasse. Ein ähnlicher Vergleich des konkreten nichtigen Vertrages mit dem hypothetisch gültig zustande gekommenen Vertrag nimmt auch BGH v. 10.1.1968, JZ 1968, 304, vor, um trotz Nichtigkeit des Mietverhältnisses die Drittschutzwirkung zu bejahen, s. oben bei Fn. 39 und 50. 258

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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soll der Vergleich zu einer hypothetischen Lage maßgeblich sein: Hätte „der Schädiger [S] sich dem Ansinnen der die Vertragsverhandlungen führenden Mutter [G], ihrem später zu Schaden gekommenen Kind [D] von vorneherein ausdrücklich den gleichen Schutz wie ihr selbst einzuräumen, redlicherweise nicht [...] widersetzen können“ (so die Lage nach dem BGH im vorliegenden Fall), so dürften keine Bedenken mehr gegen die Erstreckung der Schutzwirkung des Schuldverhältnisses auf D gelten.262 Diese Ausführungen bieten allerdings keine weiterreichende Klärung. Einerseits kehrt der BGH die Argumentationslast um: Gefragt wird nicht nach dem Grund, der die Drittschutzwirkung des Schuldverhältnisses rechtfertigen sollte, sondern nach der Begründung, aufgrund deren diese zu verneinen wäre. Andererseits konstruiert das Gericht die hypothetische Konstellation, dass eine der Parteien (G) am Anfang der Vertragsverhandlungen den Abschluss eines Vertrages über den Schutz des D vorgeschlagen hätte, um anschließend die Möglichkeit der anderen Partei zu verneinen, den gemachten Vertragsantrag abzulehnen. Diese Argumentation, die sich sicherlich mit der verfassungsrechtlich geschützten Vertragsfreiheit263 (negative Abschlussfreiheit) nur schwierig in Einklang bringen lässt bzw. diesbezüglich einer besonderen Begründung bedarf, könnte kaum allgemeinere Schlussfolgerungen tragen und zur Beurteilung künftiger Fälle beitragen. Es ist nämlich nicht einzusehen, in welchen Konstellationen die eine Partei „redlicherweise“ einen Vertragsschluss auf Vorschlag der anderen Partei ablehnen dürfte, mit dem der (körperliche) Schutz eines Dritten nach Vertragsgrundsätzen gewährleistet würde. Auf jeden Fall gibt der BGH keinen Aufschluss darüber, inwiefern er geltendes, wenn auch fortgebildetes, Recht (vgl. Art. 20 III GG) anwendet, um vom Verdacht der Willkür frei zu werden. Zwar ist die Billigkeitsentscheidung, die der BGH letzten Endes trifft, in diesem wie auch in anderen ähnlichen Fällen nachvollziehbar; das Ergebnis der Entscheidung bleibt jedoch mit der angeführten Argumentation an objektiven Maßstäben unüberprüfbar. Deshalb kann dieser Entscheidung nur der Befund entnommen werden, dass nach der Rechtsprechung auch das objektive Recht die Drittschutzwirkung gebieten kann. Auf welcher Grundlage und unter welchen Voraussetzungen dies geschieht, bleibt m.E. weiterhin unklar. Keine weitere Auskunft über die Natur und den Inhalt einer gesetzlichen Drittschutzgrundlage liefern ferner diejenigen Entscheidungen, die den eigentli-

___________ 262

BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (59). Als Hauptteil der Privatautonomie ist die Vertragsfreiheit vom Art. 2 I GG gewährleistet, s. BVerfG v. 12.11.1958, BVerfGE 8, 274 (328). S. außerdem etwa Palandt(65)/Heinrichs, Einf. v. § 145, Rn. 7; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 34, Rn. 22; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 83 ff. 263

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

chen Grund der Drittwirkung in der Gerechtigkeit sehen.264 In diesem Sinne ist auch die bloße Berufung auf eine richterliche Rechtsfortbildung zu beurteilen.265 Konkreter in dogmatischer Hinsicht sind hingegen die Entscheidungen, die den Drittschutz (am häufigsten hilfsweise bzw. alternativ) auf eine Anwendung des § 242 BGB stützen.266 Zwar ist die rechtsgestaltende Anwendung des § 242 BGB – Pflichtenbegründung – im Rahmen von Schuldverhältnissen seit jeher anerkannt,267 dennoch könnte erheblicher Zweifel darüber bestehen, inwiefern § 242 BGB Pflichten der Parteien des Schuldverhältnisses auch gegenüber dritten Personen begründen kann; auf diese Frage ist allerdings erst später einzugehen.268 Jedenfalls wird mit der Erwähnung des § 242 BGB inhaltlich nicht vieles gewonnen, solange die materiellen Gesichtspunkte unklar bleiben, die das Prinzip von Treu und Glauben in Bezug auf die Drittschutzwirkungen konkretisieren sollen. Betrachtet man nun die Rechtsprechung zum SSD in ihrer Gesamtheit, lässt sich der Schluss ziehen, dass sie sich des rechtsgeschäftlichen Modells zur Begründung der Drittschutzwirkungen bedient. Dem rechtsgeschäftlichen Modell folgt sie sogar auch dann, wenn sie aufgrund rein objektiver Sachverhaltselemente argumentiert. Das gesetzliche Modell zieht sie manchmal – insbesondere in früheren Entscheidungen – nur hilfsweise in Betracht, um das bereits nach dem rechtsgeschäftlichen Modell entschiedene Ergebnis zu bekräftigen. Die erforderliche gesetzliche Grundlage sieht sie dann hauptsächlich in § 242 BGB. Ferner benutzt sie ein gesetzliches Modell dort, wo das rechtsgeschäftliche Modell seine offenbaren Grenzen erreicht hat, insbesondere dort, wo keine auszulegenden Willenserklärungen vorliegen (gesetzliches Schuldverhältnis,269 nicht zustande gekommener Vertrag270). Auch dann richtet sich die Argumentation vornehmlich nach den Drittwirkungen des noch zu schließenden bzw. vermeint___________ 264

s. z.B. BGH v. 15.2.1978, BGHZ 70, 327 (329 f); weitere Entscheidungen in Fn.

242. 265 So LG Mönchengladbach v. 31.5.1990, NJW-RR 1991, 415 (417). Ausführlicher dazu s. unten 3. Kapitel C. insbesondere 1. 266 BGH v. 11.1.1977, NJW 1977, 2073 (2074); BGH v. 13.2.1975, NJW 1975, 867 (869); BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269 (273 f); BGH v. 29.11.1974, NJW 1975, 344; OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (615); LG München I v. 18.2.2003, NJW 2003, 1046 (1051); LG Mönchengladbach v. 31.5.1990, NJW-RR 1991, 415 (416); LG München I v. 1.12.1982, NJW 1983, 1621. Vgl. OLG Frankfurt v. 19.5.1993, VersR 1994, 942 (943). 267 s. Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 191 ff; Larenz, Schuldrecht AT, § 10 II e-g (S. 138 ff). 268 s. unten 3. Kapitel C. III. 1. und insbesondere b). 269 BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51. 270 BGH v. 10.1.1968, JZ 1968, 304.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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lich wirksam geschlossenen Vertrages. Insgesamt erscheint die Aussage gerechtfertigt, dass die Rechtsprechung das gesetzliche Modell im Grunde genommen zwar nicht akzeptiert, mag sie es auch ausnahmsweise ihren Überlegungen zugrunde legen, dennoch auch nicht ablehnt. Daraufhin deuten auch jene Entscheidungen, die mit Begriffen wie „Gerechtigkeit“ zwar keine abschließende Stellungnahme erlauben, aber spüren lassen, dass sie sich auf das gesetzliche Modell orientieren.271

2. Verwendung erläuternder und ergänzender Vertragsauslegung Sieht man die Grundlage des Drittschutzes im rechtsgeschäftlichen Willen der Vertragsparteien (rechtsgeschäftliches Modell), so ist es nur folgerichtig, die allgemeinen Regeln über die Vertragsauslegung anzuwenden. Die Drittschutzwirkung ist also dann zu bejahen, wenn die entsprechende Regelung im Vertrag ausdrücklich oder konkludent vereinbart wurde oder wenn sie sich durch ergänzende Vertragsauslegung (hypothetischer Parteiwille) begründen lässt. Da jedoch eine ausdrückliche Drittschutzvereinbarung praktisch nie vorkommt,272 kommen nur konkludente Erklärungen (erläuternde) oder der hypothetische Parteiwille (ergänzende Vertragsauslegung) in Betracht. Theoretisch ist die Unterscheidung zwischen erläuternder und ergänzender273 Vertragsauslegung einfach. Bei der erläuternden Auslegung274 soll ermittelt werden, was die Parteien als ihren Willen erklärt und worauf sie sich dadurch geeinigt haben. Dabei wird weder an dem rein objektiven, buchstäblichen Sinn der Erklärung gehaftet (§ 133 BGB) noch lediglich der reale Wille des jeweils Erklärenden erforscht (vgl. § 157 BGB). Vielmehr sind die maßgeblichen Willenserklärungen grundsätzlich normativ, d.h. unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabs, zu interpretieren: Jeder Erklärung ist nämlich der Inhalt zuzuschreiben, den ihr Empfänger nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB) verstehen muss oder, anders formuliert, der sich bei Anwendung der aus der Sicht des jeweiligen Erklärungsempfängers gebotenen bzw. zumutbaren Auslegungssorgfalt ergibt, und zwar unabhängig davon, was der Erklärende tatsächlich gemeint bzw. was der Erklärungsempfänger wirklich

___________ 271

s. Fn. 242. s. Fn. 245. 273 Zum Begriffspaar s. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 33, Rn. 7 ff. 274 Darunter ist auch die von Medicus, Allgemeiner Teil, Rn. 339, erwähnte „Ergänzung der Erklärung“ einzuordnen, die von der eigentlichen ergänzenden Auslegung (nach Medicus, Allgemeiner Teil, 340 ff: „Ergänzung des Willens“) streng zu unterscheiden ist. 272

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

verstanden hat (normativer Wille).275 Die ergänzende Vertragsauslegung276 hat demgegenüber den Zweck, den Vertragsinhalt, wie er sich aus den übereinstimmenden, durch erläuternde (weitgehend objektive) Auslegung ermittelten Willenserklärungen der Vertragsparteien ergibt, durch den hypothetischen Parteiwillen zu ergänzen.277 Dessen Inhalt ist am normativen Maßstab von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB278) zu bestimmen. Die ergänzende Vertragsauslegung dient also zur Ermittlung der Regelung, welche die Parteien getroffen hätten, wenn sie den betreffenden Punkt geregelt hätten. Daraus folgt, dass die ergänzende Vertragsauslegung nur dann mit dem Grundsatz der Privatautonomie vereinbar sein kann, wenn sie sich auf Punkte beschränkt, zu denen die Vertragsparteien selbst keine oder eine nur unvollständige Regelung getroffen haben.279 Kurz formuliert unterscheiden sich die erläuternde und die ergänzende Vertragsauslegung voneinander danach, ob die (normative) Bestimmung des Vertragsinhalts (erläuternde) oder die Ergänzung der vertraglichen Regelung über diesen Inhalt hinaus (ergänzende Auslegung) bezweckt wird. Versucht man dieses Schema auf die Rechtsprechung anzuwenden, welche das Vorliegen eines VSD mit Hilfe der Vertragsauslegung annimmt, dann stößt man allerdings auf Schwierigkeiten. Denn in der Praxis ist es trotz theoretischer Klarheit häufig schwierig oder sogar unmöglich, die Abgrenzung zwischen erläuternder und ergänzender Auslegung vorzunehmen. Da sowohl bei der erläuternden als auch bei der ergänzenden Vertragsauslegung eine normative Sichtweise maßgeblich ist, müssen sowohl die Ermittlung des Vertragsinhalts als auch seine Ergänzung weitgehend aufgrund objektiver Sachverhaltselemente er___________ 275

Dazu näher Palandt(65)/Heinrichs, § 133, Rn. 9 ff; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 28, Rn. 34 ff; Fikentscher, Schuldrecht, 125 f; Medicus, Allgemeiner Teil, Rn. 323 ff. 276 Die ergänzende Vertragsauslegung ist in Rechtsprechung und Schrifttum weitgehend anerkannt, s. z.B. Palandt(65)/Heinrichs, § 157, Rn. 2 ff mit zahlreichen Verweisen auf die Rechtsprechung; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 28, Rn. 108 ff sowie § 33, Rn. 9 ff; Medicus, Allgemeiner Teil, Rn. 340 ff; Flume, § 16 4 (S. 321 ff); Staudinger(2003)/Roth, § 157, Rn. 4 sowie 11 ff. A.A. hingegen Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 127. 277 s. etwa BGH v. 1.2.1984, BGHZ 90, 69 (76). 278 Nicht maßgeblich ist hingegen bei der ergänzenden Auslegung § 242 BGB, so zu Recht Palandt(65)/Heinrichs, § 242, Rn. 18; Larenz, Allgemeiner Teil, § 29 I (S. 539); vgl. auch BGH v. 22.4.1953, BGHZ 9, 273 (278); Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 28, Rn. 113. S. aber Henckel, AcP 159 (1960-1961), S. 121 f. Eindeutig für § 242 BGB als Grundlage der ergänzenden Auslegung MüKo(4)/Mayer-Maly/Busche, § 157, Rn. 26. Der materielle Maßstab – Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrsitte – wäre allerdings auch bei Heranziehung des § 242 BGB derselbe. 279 Mehr dazu s. unten 3. Kapitel B. III. 3) b) bb) (1). An dieser Stelle genügt der Verweis auf die Autoren in Fn. 276.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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folgen, deren Beachtung Treu und Glauben (§ 157 BGB) gebieten:280 Was nach Treu und Glauben als objektiv notwendiger Inhalt einer (unvollständigen) vertraglichen Regelung erscheint (ergänzende Auslegung), ist oft mit dem Inhalt gleichzusetzen, den der Erklärungsempfänger der Willenserklärung seines Vertragspartners nach Treu und Glauben entnehmen muss (erläuternde Auslegung). Diese Schwierigkeit ist meistens auch bei der Beurteilung der materiellen Gesichtspunkte vorhanden, auf die die Rechtsprechung zur Begründung der Drittschutzwirkungen abstellt:281 Dabei stößt man auf Argumente, die sowohl der (normativen) Ermittlung des Vertragsinhalts als auch seiner sinnvollen Ergänzung dienen können. Darüber hinaus entspricht eine strenge Unterscheidung zwischen erläuternder und ergänzender Vertragsauslegung im Rahmen der einschlägigen richterlichen Ausführungen der eigentlichen Vorgehensweise der Rechtsprechung nicht. Indem sie sich nur selten ausdrücklich über die genaue Auslegungsmethode äußert,282 nach welcher sie vorgeht, bzw. indem sie häufig Gesichtspunkte ohne eine klare Stellungnahme über ihren Begründungswert anführt,283 scheint sie den weitaus größeren Wert auf die materiellen Anhaltspunkte zu legen, welche das Ergebnis rechtfertigen sollen, als auf die Erklärung ihrer dogmatischen Überlegungen. Angesichts dessen liegt es im Sinne der Rechtsprechung auf den Versuch zu verzichten, ihre Ausführungen unter das Dach erläuternder oder ergänzender Auslegung einzuzwängen. Vielmehr muss man sich lediglich mit der Feststellung begnügen, dass die Rechtsprechung keine Argumentationsweise (erläuternde und ergänzende Auslegung) ausschließt, sondern sich beider tatsächlich bedient;284 dies ist im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Modells im Grundsatz auch völlig legitim.

___________ 280

So auch Henckel, AcP 159 (1960-1961), 117. s. dazu unten 2. Kapitel B. II. 1. und 2. 282 s. z.B. BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269 (273); BGH v. 18.6.1968, NJW 1968, 1929 (1931): Ergänzende Auslegung. 283 Dies lässt sich zuweilen in der verwendeten Terminologie erkennen, die manchmal zu Missverständnissen führen kann, s. z.B. BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1759): „stillschweigende Vereinbarung“, obwohl eher eine hypothetische Vereinbarung (im Rahmen ergänzender Auslegung) gemeint ist – s. die klare Trennung dieser Begriffe bei BGH v. 10.7.1963, BGHZ 40, 91 (99 f). Vgl. auch die Ausführungen Kümmeths, S. 81 f. 284 s. auch Köndgen, Einbeziehung, S. 5. 281

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

II. Drittschutzvoraussetzungen285 Die grundsätzliche Entscheidung der Rechtsprechung, die Drittschutzwirkung mit dem rechtsgeschäftlichen Modell zu begründen, hat die gewichtige Konsequenz, dass die materiellen Gesichtspunkte, die bei der Vertragsauslegung erheblich sind, kein geschlossenes und zwingendes System bilden, innerhalb dessen die Drittschutzwirkung nur beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen bejaht werden dürfte. Im Gegensatz zu einer solchen starren Betrachtungsweise müssen sich bei der Vertragsauslegung die erforderlichen Wertungen und das darauf bauende Beurteilungsergebnis notwendigerweise nach den Gesamtumständen des Einzelfalls ausrichten. Insofern bleibt grundsätzlich offen, ob in einem konkreten Fall ein VSD auch ohne das Vorliegen bzw. trotz des Vorliegens von Sachverhaltselementen, welche in einem anderen Fall die Bejahung bzw. Verneinung der Drittschutzwirkung untermauert haben, angenommen bzw. abgelehnt werden muss.286 Von großer Bedeutung ist diese Feststellung für das Verständnis der folgenden Ausführungen: Die Darstellung bestimmter Argumentationsmomente ist lediglich als eine Schilderung des abstrakten Schemas anzusehen, nach welchem die Rechtsprechung im Allgemeinen vorgeht. Abweichungen sind im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Modells als eines beweglichen Beurteilungssystems denknotwendig, wenn sie im Einzelfall oder in einer besonderen Fallgruppe aufgrund erläuternder oder ergänzender Vertragsauslegung gerechtfertigt erscheinen. Unter diesem Vorbehalt wird bei den folgenden Ausführungen weiterhin von „Drittschutzvoraussetzungen“ gesprochen, obwohl dieser Begriff streng genommen nicht geeignet ist, die objektiven Sachverhaltsmerkmale zu beschreiben, die im Rahmen der Vertragsauslegung Anhaltspunkte für den Drittschutz liefern können. Dieses Schema wird im Folgenden skizziert. Im Interesse der Anschaulichkeit geht die Darstellung zunächst auf die Gesichtspunkte ein, welche die Drittschutzwirkung positiv untermauern und einen möglichen Kreis geschützter Personen indizieren (begründende Gesichtspunkte287), und erst danach auf die Bedingungen, welche dazu bestimmt sind, die Drittschutzwirkung auf jene Konstellationen bzw. auf jene Personen zu beschränken,288 für welche die Annahme ___________ 285 Darunter sind freilich keine Haftungsvoraussetzungen wie etwa Pflichtverletzung oder Verschulden des S einzuordnen, da sie keine Bedingungen des Drittschutzes selbst darstellen, sondern nur im Rahmen der jeweils einschlägigen Haftungsgrundlage von Bedeutung sind – s. bereits oben 1. Kapitel. 286 Vgl. die Argumentation des BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1759); BGH v. 23.1.1985, JZ 1985, 951; BGH v. 2.11.1983, NJW 1984, 355. 287 s. unten 2. Kapitel B. II. 1. 288 In diesem Zusammenhang kann man deshalb von der Erfüllung einer Korrekturfunktion sprechen, die jedoch nicht mit dem ständigen Versuch in Rechtsprechung und Schrifttum zu verwechseln ist, die positiven Voraussetzungen an sich in der notwendigen Weite bzw. Enge zu erfassen.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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eines SSD wirklich angebracht ist (negative Voraussetzungen289). Diese funktionsmäßige Unterscheidung widerspricht zwar den abstrakten Ausführungen der Rechtsprechung, die alle Drittschutzvoraussetzungen einheitlich betrachtet und unterschiedslos nebeneinander erwähnt;290 sie ist jedoch mit ihrer tatsächlichen Vorgehensweise völlig vereinbar291 und trägt deshalb zu ihrem besseren Verständnis bei. Außerdem entspricht sie der Tatsache, dass die positiven Drittschutzvoraussetzungen den Kernpunkt der Drittschutzproblematik darstellen. Angesichts der eigentlichen funktionellen Stellung der verschiedenen Drittschutzvoraussetzungen im Vorgehensschema der Rechtsprechung ist es allerdings von geringer Bedeutung, ob man bestimmte Bedingungen positiv oder negativ formuliert. Vor dieser Schilderung muss noch auf die ständig zum Ausdruck kommende Sorge der Rechtsprechung hingewiesen werden, den Kreis der aufgrund VSD geschützten Dritten und damit auch das Schuldnerrisiko klar abgrenzbar und überschaubar zu halten;292 diesem Anliegen sollen sowohl die positiven als auch die negativen Drittschutzvoraussetzungen Rechnung tragen.

1. Begründende Gesichtspunkte Die Gesichtspunkte, welche nach der Rechtsprechung die Drittschutzwirkung eines Vertrages begründen können, werden nachfolgend auf zwei Stufen behan___________ 289

s. unten 2. Kapitel B. II. 2. Dies ist auch im Schrifttum der Fall, s. z.B. Palandt(65)/Grüneberg, § 328, Rn. 16 ff; Soergel/Hadding, Anh. § 328, Rn. 14 ff; MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 110 ff; Sonnenschein, JA 1979, 228 ff, Neuner, JZ 1999, 128 f; Hirth, S. 119 ff. 291 s. auch Schwarze, AcP 203 (2003), 351, in Bezug auf die Voraussetzung der Schutzbedürftigkeit des D (s. unten 2. Kapitel B. II. 2.). 292 BGH v. 15.12.2005, DB 2006, 385 (385 f); BGH v. 22.7.2004, WM 2004, 1825 (1827); BGH v. 20.4.2004, NJW 2004, 3035 (3037 f); BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1062); BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2929); BGH v. 13.6.1995, NJW 1995, 2551 (2552); BGH v. 13.7.1994, NJW 1995, 51 (52); BGH v. 28.4.1994, NJW 1994, 2231; BGH v. 13.2.1990, NJW-RR 1990, 726 (727); BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1759 f); BGH v. 23.1.1985, JZ 1985, 951 (952); BGH v. 7.11.1984, NJW 1985, 489; BGH v. 12.7.1977, NJW 1977, 2208 (2209); BGH v. 11.1.1977, NJW 1977, 2073 (2074); BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (57); BGH v. 26.3.1974, DB 1974, 1222; BGH v. 9.10.1968, NJW 1969, 41; BGH v. 18.1.1968, NJW 1968, 1323 (1324); BGH v. 3.11.1961, VersR 1962, 86 (88); BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (1677); BGH v. 7.11.1960, BGHZ 33, 247 (249); BGH v. 20.2.1958, BGHZ 26, 365 (371); OLG Düsseldorf v. 16.4.2002, NJW-RR 2002, 1709; OLG Düsseldorf v. 30.9.1999, NJW-RR 2000, 932 (933); OLG München v. 21.5.1990, NZV 1991, 26; OLG Frankfurt v. 7.7.1988, NJW-RR 1988, 337 (338). Vgl. BGH v. 16.6.1987, NJW 1987, 2510 (2511); OLG Braunschweig v. 7.3.1986, NJW-RR 1986, 1314; OLG Celle v. 9.3.1984, VersR 1984, 1075. 290

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

delt: Zum einen werden diejenigen Sachverhaltselemente dargestellt,293 bei deren Vorliegen die Drittwirkung des entsprechenden Vertrages im Grunde genommen ohne weiteres bejaht wird294 (klassische Anwendungsvoraussetzungen). Die einschlägigen Gesichtspunkte, die man großenteils schon früh dem VSD zugrunde gelegt hat,295 bilden also einen kaum in Frage gestellten Kern, mit dessen Hilfe die Annahme der Drittschutzwirkung jederzeit begründet werden kann.296 Allerdings wäre mit der Eigenschaft des rechtsgeschäftlichen Modells als offenes System unvereinbar, wenn man aus dieser Aussage auch den umgekehrten Schluss ziehen würde, dass beim Fehlen eines dieser Elemente auch die Verneinung des Drittschutzes geboten wäre. Zwar hat man öfters eine Ablehnung des Drittschutzes darauf gestützt.297 Dies ist jedoch nach heutiger Sicht eher als eine Aussage dafür zu verstehen, dass sich die entsprechende drittschützende Vertragsauslegung im konkreten Fall nicht ergeben könne,298 als dafür, dass das Fehlen der in Rede stehenden „Anwendungsvoraussetzung“ die Drittschutzwirkung abstrakt verbieten würde.299 Zum anderen300 werden Argumentationspunkte geschildert, auf welche die Rechtsprechung über die klassischen Voraussetzungen hinaus die Drittschutzwirkung abgestützt hat. Gerade in Bezug auf diese Voraussetzungen scheint eine mehr oder weniger deutliche Unsicherheit hinsichtlich der Grenzen des Rechtsinstituts vorhanden zu sein.301 Zu beachten ist dabei, dass die zweistufige Behandlung der maßgeblichen Voraussetzungen nicht unbedingt der zeitlichen Reihe entspricht, in der sie von der Rechtsprechung aufgestellt wurden. Natürlich geht die grundlegende Einführung der klassischen Voraussetzungen der Herausarbeitung der neueren zeitlich voran; dennoch hat die Entwicklung beider Voraussetzungssysteme (zumindest teilweise) parallel stattgefunden. In Bezug auf das Verhältnis beider Voraussetzungssysteme zueinander muss einerseits ausdrücklich betont werden, dass sie gemäß dem richterlichen Verständnis zum SSD parallel Geltung beanspruchen: Obwohl in der neueren Rechtsprechung dem klassischen Modell allgemein geringere praktische Bedeutung zukommt, verdrängt das neuere Verständnis die herkömmliche Betrach___________ 293

s. unten 2. Kapitel B. II. 1. a). s. z.B. BGH v. 2.11.1983, NJW 1984, 355 (355 f). 295 Vgl. z.B. BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (1676 f). 296 s. Lorenz, EWiR 2001, 572. Vgl. auch Canaris, JZ 1995, 442. 297 s. etwa BGH v. 17.9.2002, NJW 2002, 3625 (3626). Diese Vorgehensweise lässt sich allerdings häufiger in der älteren Rechtsprechung finden, s. z.B. BGH v. 12.7.1977, NJW 1977, 2208 (2209) oder BGH v. 26.11.1968, BGHZ 51, 91 (96). 298 Vgl. etwa die Argumentation in BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2929). 299 Dies ist in der neueren Rechtsprechung allgemein anerkannt, s. beispielsweise nur BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1759). 300 S. unten 2. Kapitel B. II. 1. b). 301 s. auch Canaris, ZHR 163 (1999), 215; Plötner, S. 86. 294

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tungsweise nicht. Seine Funktion besteht lediglich darin, der Rechtsfigur des SSD neue Anwendungsmöglichkeiten zu eröffnen.302 Andererseits kann eine klare Linie zwischen herkömmlichem und neuerem Voraussetzungssystem nicht immer gezogen werden. Denn die neueren Gesichtspunkte stellen meistens lediglich eine konsequente Erweiterung der bisherigen Vorgehensweise dar, so dass zumindest auf der Oberfläche kein wirklicher Bruch zu sehen ist: Vor allem die Argumentation auf der Grundlage des rechtsgeschäftlichen Modells spielt eine erhebliche Rolle zur meistens dogmatisch reibungslosen Eingliederung neuer Bezugspunkte in das ältere Voraussetzungssystem, da man sich immer auf die Vertragsauslegung und die Gesamtumstände des konkreten Falls beruft. Vielmehr würde die Absicht, eine klare Trennung zwischen dem herkömmlichen und dem neueren Verständnis der Drittschutzvoraussetzungen vorzunehmen, dem eigentlichen Blickwinkel der Rechtsprechung widersprechen, die den VSD als eine einheitliche Rechtsfigur betrachtet, und die gegenseitigen Einflussmöglichkeiten zwischen beiden Voraussetzungssystemen leugnen. Über die dogmatischen Konstruktionen hinaus ist allerdings öfters trotz der scheinbar bruchfreien Entwicklung eine wichtigere Änderung des bisherigen Verständnisses über das legitime Anwendungsfeld des VSD zu spüren, was auch mit der funktionellen Stellung des VSD innerhalb der Rechtsordnung eng zusammenhängt.303

a) Klassische Bezugspunkte Nach der klassischen Betrachtungsweise ist ein VSD zunächst dann anzunehmen,304 wenn der Dritte (D) bestimmungsgemäß mit der vertraglichen Hauptleistung bzw. dem Leistungsgegenstand305 in Berührung kommt (Leistungsnähe)306 und der Vertragsgläubiger (G) für das „Wohl und Wehe“ des D ___________ 302

s. unten 2. Kapitel B. II. 1. b) vor aa). Darauf ist aber erst später einzugehen, s. unten 2. Kapitel C. 304 Die folgenden Voraussetzungen gelten insbesondere in Fällen mit Personen- oder Sachschäden; obwohl ihre Bedeutung in Fällen mit reinen Vermögensschäden eher geringer ist – vgl. Papst, S. 32 –, hat sie die Rechtsprechung, mindestens formell, nicht aufgegeben, s. z.B. BGH v. 23.1.1985, JZ 1985, 951 (951 f). 305 BGH v. 15.2.1978, BGHZ 70, 327 (329). Vgl. BGH v. 7.11.1984, NJW 1985, 489. 306 BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1429); BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2928); BGH v. 28.4.1994, NJW 1994, 2231; BGH v. 7.11.1984, NJW 1985, 489; BGH v. 19.9.1973, BGHZ 61, 227 (233); BGH v. 20.12.1978, WM 1979, 307 (308); BGH v. 15.2.1978, BGHZ 70, 327 (329); BGH v. 18.6.1968, NJW 1968, 1929 (1931); BGH v. 18.1.1968, NJW 1968, 1323 (1324); BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141 (142); BGH v. 16.10.1963, NJW 1964, 33 (34); BGH v. 3.11.1961, VersR 1962, 86 (88); BGH v. 29.9.1959, VersR 1959, 1009 (1010). 303

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

mitverantwortlich ist, weil er dem D Schutz und Fürsorge schuldet (Fürsorgeverhältnis).307 Diese (positiven) Voraussetzungen erachtet man im Grunde genommen auch im Schrifttum als ausreichend für die Annahme eines VSD.308 Die Forderung, dass sich D in Leistungsnähe befinden muss, ist im Rahmen des herkömmlichen Voraussetzungssystems eher als ein Versuch zu verstehen, die Zahl der als geschützte Dritte in Betracht kommenden Personen auf einer ersten Stufe einzuschränken. Da durch den VSD Schadensersatzansprüche auf vertraglicher Basis Personen zuerkannt werden, denen die Eigenschaft des (Haupt-)Leistungsgläubigers fehlt, erscheint zunächst tatsächlich konsequent anzunehmen, dass eine gewisse Vertragsnähe die schutzwürdigen Personen charakterisieren und sie von den eigentlichen Vertragsfremden abgrenzen soll.309 Denn nicht alle, die vom Schuldner (S) einen Schaden erleiden, dürfen nach Vertragsgrundsätzen entschädigt werden, wenn man die Unterscheidung zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung aufrechterhalten will.310 In diesem Sinne wird also zunächst verlangt, dass D mit der Hauptleistung des S in Berührung kommt311 und dadurch den betreffenden Schaden erleidet.312 Darüber hinaus dürfe allerdings nicht jeder Leistungskontakt ausreichen: Der Dritte

___________ 307 BGH v. 17.9.2002, NJW 2002, 3625 (3626); BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1429); BGH v. 11.10.1988, NJW 1989, 1029 (1030); BGH v. 19.3.1986, JZ 1986, 1111; BGH v. 23.1.1985, JZ 1985, 951 (952); BGH v. 5.5. 1981, WM 1981, 765 (767); BGH v. 12.7.1977, NJW 1977, 2208 (2209); BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (86); BGH v. 26.3.1974, DB 1974, 1222; BGH v. 21.5.1970, VersR 1970, 831; BGH v. 19.9.1973, BGHZ 61, 227 (233); BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269 (273); BGH v. 30.9.1969, NJW 1970, 38 (40); BGH v. 9.10.1968, NJW 1969, 41; BGH v. 18.6.1968, NJW 1968, 1929 (1931); BGH v. 18.1.1968, NJW 1968, 1323 (1324); BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141 (142); BGH v. 16.10.1963, NJW 1964, 33 (34 f); BGH v. 3.11.1961, VersR 1962, 86 (88); BGH v. 29.9.1959, VersR 1959, 1009 (1010); BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (1677); BGH v. 7.11.1960, BGHZ 33, 247 (249). Für das gesetzliche Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen (s. nunmehr § 311 II BGB) s. BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (57) – zu dieser Entscheidung s. oben 2. Kapitel B. I. 1. 308 s. z.B. Palandt(65)/Grüneberg, § 328, Rn. 16 f; Soergel/Hadding, Anh. § 328, Rn. 14 ff; Staudinger(2004)/Jagmann, § 328, Rn. 98 ff; MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 110 ff; Sonnenschein, JA 1979, 228 f, Hirth, S. 119 ff mit weiteren Nachweisen. Davon nicht berührt wird freilich die Frage, ob sich aufgrund dieser Voraussetzungen alle möglichen Fälle eines VSD ermitteln lassen. 309 Vgl. Hirth, S. 109. 310 Vgl. BGH v. 11.1.1977, NJW 1977, 2073 (2074); BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (86). 311 Anders ausgedrückt: Die Ausführung der Hauptleistung könne sich auf D auswirken, s. z.B. OLG Koblenz v. 7.5.1999, NJW-RR 2000, 544. 312 s. z.B. BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2928 f): D war in diesem Fall von der Hauptleistung des S (Zahlung des vereinbarten Werklohns) nicht berührt; s. den Sachverhalt oben im Text bei Fn. 123.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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dürfe nicht unberechtigt,313 bloß zufällig oder nur mittelbar314 in Leistungsnähe geraten; vielmehr müsse die Leistungsnähe der konkreten Vertragsgestaltung entsprechen,315 sie solle nämlich bestimmungsgemäß bestehen.316 Weitere allgemeine Vorgaben zur Voraussetzung der Leistungsnähe, insbesondere hinsichtlich der erforderlichen Intensität des Leistungskontakts, macht allerdings die Rechtsprechung praktisch nicht. In Zusammenhang mit der erforderlichen Intensität des Leistungskontakts ist etwa für den Bereich der Mietverhältnisse offenbar die Annahme der Rechtsprechung zu erwähnen, Besucher der Mietwohnung seien im Gegensatz zu den übrigen Hausbewohnern nicht geschützt.317 In Anbetracht der zentralen Bedeutung des Fürsorgeverhältnisses für die Drittwirkung318 dürfte jedoch die Leistungsnähe als Schutzvoraussetzung im Rahmen des klassischen Verständnisses im Allgemeinen keine besonders hohe Schwelle darstellen.319 In dem Erfordernis, dass zwischen G und D ein rechtliches320 Fürsorgeverhältnis321 vorliegen muss, liegt im Rahmen der klassischen Betrachtungsweise der eigentliche Begründungsschwerpunkt.322 Es trägt außerdem die Hauptlast der durch die Voraussetzung der Leistungsnähe nur rudimentär vorgenommenen ___________ 313 BGH v. 22.1.1968, BGHZ 49, 350 (355 f). Dazu ist auch die von den Vertragsparteien bloß geduldete Leistungsnähe zu zählen, s. oben 2. Kapitel A. II. 1., Fallkonstellation 1 – „Gemietete Sachen“ sowie Fn. 118. 314 Etwa als (Allein-)Gesellschafter der G, s. BGH v. 24.1.2006, ZIP 2006, 317 (322). 315 BGH v. 19.3.1986, JZ 1986, 1111; BGH v. 7.11.1984, NJW 1985, 489. Vgl. auch OLG Hamm v. 7.6.1993, OLGZ 1994, 292 (295 f). 316 s. z.B. den Sachverhalt bei OLG Düsseldorf v. 30.9.1999, NJW-RR 2000, 932 (933 – s. auch oben bei Fn. 90): Der Geschäftsführer (D) der GmbH (G), die mit einer Mobilfunkgesellschaft (S) die Erbringung von Mobilfunkleistungen vereinbart, wird nur im Rahmen seiner geschäftsführenden Tätigkeit von der geschuldeten Leistung bestimmungsgemäß berührt, nicht jedoch in seiner privaten Tätigkeit. 317 s. dazu oben 2. Kapitel A. II. 1., Fallkonstellation 1 – „Gemietete Sachen“ insbesondere Fn. 45. 318 s. sogleich unten im Text. 319 Vgl. aber BGH v. 15.2.1978, BGHZ 70, 327 (329): Es sei zweifelhaft, ob der Untermieter „bestimmungsgemäß“ den Mietgebrauch anstelle des Mieters ausübt, wie etwa die Familienangehörigen oder Bediensteten des Mieters. 320 s. aber OLG Schleswig v. 6.6.1961, VersR 1961, 1148 (1149): Es genüge auch eine moralische Fürsorgepflicht. 321 Anders ausgedrückt: „durch einen personenrechtlichen Einschlag“ gekennzeichnetes Verhältnis, s. z.B. BGH v. 5.5.1981, WM 1981, 765 (767); BGH v. 26.11.1968, BGHZ 51, 91 (96); BGH v. 18.6.1968, NJW 1968, 1929 (1931). 322 Mehrmals wurde deshalb in der älteren Rechtsprechung betont, dass die Haftung des S gerade auf dem Innenverhältnis zwischen G und D basiert, s. BGH v. 12.7.1977, NJW 1977, 2208 (2209); BGH v. 5.12.1972, NJW 1973, 321 (322); BGH v. 26.11.1968, BGHZ 51, 91 (96); BGH v. 18.6.1968, NJW 1968, 1929 (1931).

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

Abgrenzung zwischen schutz- und nichtschutzwürdigen Personen.323 Als Fürsorgeverhältnis wird insbesondere das familien- oder arbeitsrechtliche Verhältnis betrachtet.324 Da damit eine mehr oder weniger umfassende Verantwortlichkeit des G für die Person („Wohl und Wehe“) des D verlangt wird325 – so etwa die Schutzpflichten des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer, § 618 BGB –, genügt dieser Voraussetzung keinesfalls ein Verhältnis zwischen G und D, aus dem sich einfach Schutzpflichten des G für D ergeben.326 Ob nun der richterliche Versuch, die Reichweite des SSD mit Hilfe des Innenverhältnisses zwischen G und D einzugrenzen, seine wirkliche Ursache darin hat, dass die frühere Rechtsprechung, die hauptsächlich diese Voraussetzung aufgestellt hat, sich vor allem mit Fällen befasst hat, die das einschlägige Merkmal (Fürsorgeverhältnis) aufweisen,327 muss hier nicht entschieden werden. Jedenfalls hat diese Voraussetzung im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Modells zweifellos eine große dogmatische Bedeutung: Weil das genannte Fürsorgeverhältnis zwischen G und D vorliege, sei auch die Annahme gerechtfertigt, dass eine mögliche Schädigung des D den G selbst in seinen eigenen Be-

___________ 323 Gerade auf das Fehlen eines Fürsorgeverhältnisses ist mehrmals die Ablehnung der Drittschutzwirkung abgestützt worden, s. Fn. 297. 324 BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2928); BGH v. 19.9.1973, BGHZ 61, 227 (233 f); BGH v. 18.6.1968, NJW 1968, 1929 (1931); BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141 (142); BGH v. 3.11.1961, VersR 1962, 86 (88); BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (1677); OLG Hamburg v. 30.12.1980, VersR 1981, 1133; OLG Hamm v. 14.12.1976, VersR 1977, 531 (532 f). Bei geschiedenen Ehegatten sei kein solches Verhältnis vorhanden, OLG Frankfurt v. 24.10.1985, NJW 1986, 854. Ferner wird das Schutzverhältnis zwischen Kindergartenstätte und beaufsichtigten Kindern für ausreichend gehalten, s. OLG Düsseldorf v. 17.7.1997, NJW-RR 1998, 99. Umstritten ist in der Rechtsprechung demgegenüber die Frage, ob auch ein mietrechtliches Verhältnis als Fürsorgeverhältnis eingestuft werden kann: bejahend BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1429); BGH v. 12.7.1977, NJW 1977, 2208 (2209); BGH v. 18.1.1968, NJW 1968, 1323 (1324); BGH v. 18.6.1968, NJW 1968, 1929 (1931); BGH v. 29.9.1959, VersR 1959, 1009 (1010); OLG Hamburg v. 30.12.1980, VersR 1981, 1133 (inkonsequent ablehnend aber für den konkret vorliegenden Fall); ablehnend für den Regelfall hingegen BGH v. 26.3.1974, DB 1974, 1222; BGH v. 9.10.1968, NJW 1969, 41; BGH v. 16.10.1963, NJW 1964, 33 (34 f). S. dazu auch Badde, S. 58 ff. 325 Vgl. BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (1677); BGH v. 18.6.1962, WM 1962, 933 (934); OLG Stuttgart v. 5.12.1972, VersR 1974, 272 (273): Der Gläubiger müsse auf die Sicherheit des D ebenso achten und vertrauen wie auf seine eigene. 326 s. BGH v. 17.9.2002, NJW 2002, 3625 (3626); OLG Hamburg v. 30.12.1980, VersR 1981, 1133. Vgl. auch den Streit darüber, ob das Mietverhältnis ein Fürsorgeverhältnis in diesem Sinne ist, s. Fn. 324. Ein solches Verhältnis liegt erst recht dann nicht vor, wenn die daraus entstehenden Schutzpflichten wirksam abbedungen wurden, BGH v. 30.9.1969, NJW 1970, 38 (40). Vgl. auch OLG Stuttgart v. 5.12.1972, VersR 1974, 272 (273) für Treue- und Auskunftspflichten. 327 Hirth, S. 34.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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langen berühre.328 Ein objektives, rechtlich begründetes, intensives Interesse des G für D sei somit gegeben, was nicht nur den entsprechenden (hypothetischen) Schutzwillen des G nahe lege,329 sondern auch den Schluss notwendig mache, dass S nach Treu und Glauben keinen entgegengesetzten (hypothetischen) Willen haben dürfe. Weniger verständlich ist unter diesem Blickwinkel allerdings die Bedingung, dass D, dem gegenüber G fürsorgepflichtig ist, gerade in seiner Eigenschaft als Fürsorgeberechtigter den Schaden erleiden müsse:330 Die Tatsache, dass G mit D auch durch ein anderes Verhältnis rechtlich verbunden ist, kann m.E. das Interesse des G an dem Wohlergehen des D nur verstärken, sofern freilich auch die einschlägigen Erkennbarkeitsanforderungen erfüllt werden. Beide Voraussetzungen (Leistungsnähe und Fürsorgeverhältnis) kann man nun weiterdenken und sinnvoll ergänzen, ohne sich dadurch über das herkömmliche Verständnis des SSD hinwegzusetzen. In diesem Sinne wird der Inhalt der Leistungsnähe durch den Zusatz erweitert, dass D auch dann als schutzwürdige Person in Betracht kommt, wenn er zumindest zum Teil in gleicher Weise Gefahren ausgesetzt ist wie der Vertragsgläubiger (G) selbst.331 Dadurch wird der Feststellung Rechnung getragen, dass die Schädigung des D oft nicht durch den Kontakt mit der Hauptleistung des S entsteht.332 Dies wird vor allem dann deutlich, wenn die Hauptleistung des S in der Zahlung eines bestimmten Geldbetrages an G besteht,333 der Drittschaden jedoch auf die Verletzung von Schutz-

___________ 328

BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2928); BGH v. 18.1.1968, NJW 1968, 1323 (1324); BGH v. 26.11.1968, BGHZ 51, 91 (96); BGH v. 16.10.1963, NJW 1964, 33 (34 f); BGH v. 29.9.1959, VersR 1959, 1009 (1010); BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (1677). 329 BGH v. 14.5.1974, NJW 1974, 1503; BGH v. 9.10.1968, NJW 1969, 41; BGH v. 3.11.1961, VersR 1962, 86 (88); BGH v. 29.9.1959, VersR 1959, 1009 (1010). Vgl. auch die für die weitere Entwicklung der Rechtsprechung grundlegende Stellungnahme von Larenz, Anmerkung zu BGH v. 25.4.1956, NJW 1956, 1193 (S. 1194). 330 s. Fn. 74. 331 BGH v. 20.3.1995, BGHZ 129, 136 (168); BGH v. 13.2.1975, NJW 1975, 867 (868); OLG 1994, 292 (295), LG München I v. 18.2.2003, NJW 2003, 1046 (1051). Vgl. auch BGH v. 16.10.1963, NJW 1964, 33 (35); BGH v. 29.9.1959, VersR 1959, 1009 (1010); BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (1677); OLG Düsseldorf v. 26.10.1995, NJW-RR 1996, 1380 (1382); OLG Celle v. 16.7.1986, NJW-RR 1986, 1315; LG Hamburg v. 22.6.1998, WM 1999, 139 (141). Vgl. auch BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1429). Dieses Verständnis des Leistungsnähebegriffs stammt von Gernhuber, FS Nikisch, S. 270. 332 Vgl. MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 112; Riesenhuber, S. 161 f. 333 So alle Fälle in der Fallkonstellation 3 – „Vorsichtslose Mitmieter“ (s. oben 2. Kapitel A. II. 1.) und Fallkonstellation 9 – „Haftung des Dienstberechtigten bzw. Werkbestellers“ (s. oben 2. Kapitel A. II. 3.).

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

pflichten334 zurückzuführen ist, die mit der Erbringung der eigentlichen Hauptleistung nichts zu tun haben.335 Spätestens also mit diesem Zusatz muss D, um sich in der erforderlichen Leistungsnähe zu befinden, entweder bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung des S in Berührung kommen oder von einer Schutzpflichtverletzung durch S bestimmungsgemäß in ähnlicher Weise beeinträchtigt werden (können) wie der eigentliche Vertragsgläubiger (G).336 Keine gründliche Änderung für das ältere Voraussetzungssystem bedeutet ferner die Erläuterung, dass nicht allein das Fürsorgeverhältnis zwischen G und D die Drittschutzwirkung begründen kann. Es genüge, dass G ein besonderes337 Interesse für den Schutz des D hat, das die Vertragsauslegung in die entsprechende Richtung rechtfertigen könne.338 Dies ist in Anbetracht der dogmatischen Stellung des Fürsorgeverhältnisses im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Modells folgerichtig, da das Fürsorgeverhältnis nur einen (wichtigen) Fall eines objektiv begründeten Drittschutzinteresses darstellt. Die angesprochene Erweiterung soll nun ungerechtfertigte Ergebnisse verhindern, die durch die strenge Anforderung eines Fürsorgeverhältnisses vorkommen können,339 und somit kleine Ungereimtheiten des klassischen Modells ausschließen, indem man Ver___________ 334 Es ist fraglich, ob man bei Verletzung von Schutzpflichten weiterhin von „Leistungsnähe“ im eigentlichen Sinne sprechen darf; da die angesprochene inhaltliche Erweiterung dieser Voraussetzung in der Rechtsprechung eher als eine Randergänzung verstanden wird, kann der Begriff „Leistungsnähe“ in diesem Zusammenhang weiterhin verwendet werden. 335 Vgl. BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1429). Ähnlich ist außerdem die Problematik im Rahmen des Schuldverhältnisses der Vertragsverhandlungen (s. vor allem BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51; zu dieser Entscheidung s. oben 2. Kapitel A. II. 5., Fallkonstellation 12 – „Begleitende Tochter bei der Vertragsanbahnung“), da vor Vertragsschluss keine Leistungspflichten vorhanden sind (s. nunmehr § 311 II BGB). 336 Trotzdem fehlt sogar in der jüngeren Zeit nicht an Entscheidungen, in denen die fehlende Berührung des D mit der Hauptleistung des S (Geldzahlung) als Argument für die Ablehnung der Drittschutzwirkung benutzt wird, s. BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2929). 337 BGH v. 20.4.2004, NJW 2004, 3035 (3037); OLG Hamburg v. 10.2.2005, NJOZ 2005, 4297 (4304). Vgl. dazu ferner BGH v. 12.7.1977, NJW 1977, 2208 (2209): nur oder überwiegend auf die Belange des D bezogenes Interesse des G. 338 BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1429); BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2928); BGH v. 18.1.1968, NJW 1968, 1323 (1324); OLG Düsseldorf v. 17.7.1997, NJW-RR 1998, 99; OLG Hamburg v. 14.6.1990, VersR 1991, 476. Vgl. BGH v. 25.4.1956, NJW 1956, 1193 (1194); OLG Hamm v. 15.6.1998, NJW-RR 1999, 1123; OLG Celle v. 9.3.1984, VersR 1984, 1075; OLG Düsseldorf v. 3.10.1974, NJW 1975, 596. 339 s. z.B. OLG Hamburg v. 17.8.1988, NJW-RR 1988, 1481 (1482): Einbeziehung in das Mietverhältnis des Partners (D) bei einer unehelichen Lebensgemeinschaft, sowie OLG Frankfurt v. 19.5.1993, VersR 1994, 943 (944): Einbeziehung in den Vertrag über die ärztliche Behandlung der schwangeren Vertragsgläubigerin (G) des mit ihr nicht verheirateten Vaters (D) des neugeborenen Kindes. In beiden Fällen fehlt es natürlich an Fürsorgepflichten zwischen G und D.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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hältnisse oder besondere Umstände in die Drittschutzvoraussetzungen einbezieht, welche der Interessenlage beim Fürsorgeverhältnis deutlich ähneln, und die abstrakte Rechtsfigur somit konsequenter strukturieren.340 Die praktische Bedeutung für das Anwendungsfeld des SSD bleibt allerdings eher gering: Im Regelfall wird das Fürsorgeverhältnis als der für den Drittschutz maßgebende Umstand angesehen;341 sonstige Interessenlagen, welche das Gläubigerinteresse für den Drittschutz ähnlich wie ein Fürsorgeverhältnis zwischen G und D begründen könnten, nimmt man eher zögerlich an.342

b) Neuere Betrachtungsweise Wendet man das bereits skizzierte klassische Voraussetzungssystem an, so bleibt immer noch ein Teil des Anwendungsfelds des VSD in der Rechtsprechung,343 bei dem sich die Drittschutzwirkung nicht begründen lässt. Das klassische Verständnis erweist sich also als zu eng,344 wenn man alle Fälle erfassen will, in denen die Drittwirkung angenommen wird. Eine Erweiterung der positiven Voraussetzungen im Sinne der Herabsetzung der einschlägigen Drittschutzbedingungen durch Abänderung ihrer klassischen Bedeutung oder durch Einführung zusätzlicher, für die Drittschutzbegründung ausreichender Bezugspunkte scheint also vor diesem Hintergrund notwendig.345 Diese Erweiterung hat die Rechtsprechung in mehrfacher Hinsicht tatsächlich vorgenommen.346 Dadurch kann zwar die Drittschutzwirkung in Fällen bejaht werden, in denen dies nach dem klassischen Verständnis unmöglich wäre. Die konsequente Anwendung der nunmehr geänderten abstrakten Rechtsfigur hätte indes auch zur Folge, dass aufgrund des neuen Verständnisses das SSD nunmehr in Konstellationen angenommen werden müsste, in denen diese Folge für unerwünscht gehalten wird. Diese „Gefahr“ realisiert sich jedoch im Ergebnis nicht: Sie wird von der Rechtsprechung hauptsächlich abgewehrt, indem sie ___________ 340 Vgl. Fn. 339: Die uneheliche Lebensgemeinschaft ähnelt dem entsprechenden Familienverhältnis. Vgl. auch Fn. 320. 341 So OLG Düsseldorf v. 3.10.1974, NJW 1975, 596. 342 So lehnt etwa BGH v. 5.6.1990, NJW-RR 1990, 1172 (zum Sachverhalt s. Fn. 96) die Drittschutzwirkung des Vertrages zwischen der Gemeinde (G) und S zu Gunsten eines öffentlich-rechtlich organisierten Wasserzweckverbandes (D) ab, der seine eigenen Wasserleitungen bereits verlegt hat, obwohl G Mitglied dieses Verbandes ist. 343 s. oben 2. Kapitel A. 344 Besonders deutlich kommt diese Feststellung in BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (88) zum Ausdruck, s. den entsprechenden Entscheidungsauszug unten im Text bei Fn. 390. 345 s. auch Plötner, S. 86; Damm, JZ 1991, 384. 346 s. unten 2. Kapitel B. II. 1. b).

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

zur Ablehnung des SSD wieder auf die klassischen (engeren) Anwendungsvoraussetzungen zurückgreift.347 Dazu bleibt im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Modells die Begründung des erwünschten Ergebnisses mit der Auslegung des konkreten Vertrages immer eine geläufige Auswegmöglichkeit.348 Diese Bemerkung ist für das richtige Verständnis der neueren Drittschutzvoraussetzungen von Bedeutung: Funktionell sollen sie nur Lücken schließen, die das klassische Voraussetzungssystem beim Drittschutz offen lässt. Die allgemeine Geltung der richterlichen Argumentation, die diese Lückenschließung begleitet, steht also praktisch unter dem Vorbehalt, dass die Drittschutznotwendigkeit wirklich besteht. Das Vorliegen dieser Notwendigkeit wird jedoch nicht durch die neueren Voraussetzungen ermittelt, sondern basiert eher auf einem Vorverständnis zum Anwendungsfeld des SSD. Die neueren Voraussetzungen scheinen vielmehr vor allem das bereits vorher entschiedene Ergebnis abzustützen, wenn es darum geht, den Drittschutz anzunehmen.

aa) Auflockerung des verlangten Gläubigerinteresses Die von der Rechtsprechung vorgenommene Erweiterung des herkömmlichen Voraussetzungssystems besteht zunächst im Ausbau des Gläubigerinteresses. Begreift man die klassische Voraussetzung des Fürsorgeverhältnisses lediglich als einen speziellen Fall eines schwerwiegenden Gläubigerinteresses für den Schutz des D, so ist nicht nur die Konsequenz folgerichtig, dass Umstände, die der Lage bei vorhandenem Fürsorgeverhältnis zwischen G und D ähneln, seine Rolle übernehmen können.349 Es liegt auch der Versuch nahe, ein Interesse des G in Konstellationen zu begründen, die keinen so engen Zusammenhang der tatsächlichen Belange des G mit dem Wohlergehen des D aufweisen. Dazu kommt eine objektivierte Betrachtung des Interesses des G, die sich – viel mehr als die ebenso objektivierte Ermittlung des Gläubigerinteresses beim Fürsorgeverhältnis350 – von dem im Regelfall vorhandenen realen Willen des G deutlicher ablöst.351 Diese Änderung lässt sich zunächst im Hinblick auf die Rechtsprechung belegen, welche die Haftung des Geschäftsführers (S) der Gesellschaft G gegenüber einer anderen Gesellschaft (D) bejaht, deren Geschäfte die G führt:352 Das ___________ 347

s. z.B. BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2929). Vgl. z.B. BGH v. 5.6.1990, NJW-RR 1990, 1172 (s. auch Fn. 342). 349 s. 2. Kapitel B. II. 1. a). 350 Es entspricht der normalen Interessenlage beim Fürsorgeverhältnis, dass G ein tatsächliches Interesse dafür hat, dass dem D kein Schaden durch S entsteht. 351 s. auch Ebke, JZ 1998, 993. 352 Näher zu dieser Konstellation s. oben 2. Kapitel A. III. 2., Fallkonstellation 18 – „Geschäftsführung der geschäftsführenden Gesellschaft“. 348

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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Interesse der G sei auf die ordnungsgemäße Leitung und folgerichtig auf die günstige wirtschaftliche Entwicklung der D gerichtet, da G nicht nur Geschäftsführerin, sondern auch als persönlich haftende Gesellschafterin an der D beteiligt ist; dies gebiete die vernünftige, dem Grundsatz von Treu und Glauben sowie der konkreten Interessenlage entsprechende Betrachtung. Ferner müsse G darauf vertrauen können, dass ihr Geschäftsführer (S) den Angelegenheiten der D die gleiche Sorgfalt widmet wie ihren eigenen. Dies rechtfertige es, die Verantwortlichkeit des S aufgrund des Dienstverhältnisses zur G auch auf D zu erstrecken.353 Erkennbar ist hier, dass das nach Treu und Glauben ermittelte Gläubigerinteresse für den Drittschutz dem realen Willen der G, wie er in der Person ihres Geschäftsführers und alleinigen Gesellschafters S vorliegt, eindeutig widerspricht. Zu beachten ist auch, dass sich dieser Widerspruch bereits aus der konkreten, objektiv betrachteten Interessenlage an sich, nicht hingegen aus einer außergewöhnlichen, den objektiven Belangen nicht entsprechenden Einstellung der G (hier praktisch des S) ergibt; eine ähnliche Interessenlage ist beim Fürsorgeverhältnis so gut wie ausgeschlossen. Auch in den Gutachtenfällen354 leuchtet auf den ersten Blick ein, dass ein Zusammenhang zwischen den Gläubiger- (G) und den Drittinteressen (D) – wenn ein solcher wegen des von der Rechtsprechung selbst erkannten, aber nicht als Hindernis erachteten Interessengegensatzes überhaupt angenommen werden darf355 – keineswegs die Intensität erreicht, die die Interessenverbindung bei einem Fürsorge- oder ähnlichen Verhältnis aufweist. Vielmehr dürfte der reale Wille des G dahin gerichtet sein, seine eigenen Interessen ohne Rücksicht auf eine etwaige Schädigung des D zu fördern.356 Die Rechtsprechung setzt sich darüber hinweg: „Wer [G] bei einer Person [S], die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt (z.B. öffentlich bestellter Sachverständiger, Wirtschaftprüfer, Steuerberater), ein Gutachten oder eine gutachtliche Äußerung bestellt, um davon gegenüber einem Dritten [D] Gebrauch zu machen, ist in der Regel daran interessiert, daß die Ausarbeitung die entsprechende Beweiskraft besitzt. Dies ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn der Verfasser [S] sie objektiv nach bestem Wissen und Gewissen erstellt und auch dem Dritten gegenüber [D] dafür einsteht“.357 Noch deutlicher tritt dieser Ge___________ 353

BGH v. 12.11.1979, BGHZ 75, 321 (324). Ähnliche Überlegungen bei BGH v. 14.11.1994, NJW 1995, 1353 (1357) und BGH v. 17.3.1987, BGHZ 100, 190 (193). 354 Zur typischen Fallgestaltung s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15. 355 Zur Bedeutung des Interessengegensatzes zwischen G und D für die Vertragsauslegung s. unten 3. Kapitel B. III. 3. a) bb). 356 In den Fällen von BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378, und OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613, hatte sogar G selbst den Gutachter (S) zur falschen Begutachtung verleitet. 357 BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (380). In diese Richtung auch BGH v. 17.9.2002, NJW 2002, 3625 (3626); BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1430); BGH

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

danke in der von der Rechtsprechung betonten Parallele zwischen dem VSD in den Gutachtenfällen und der Dritthaftung im Rahmen der Vertragsverhandlungen derjenigen zu Tage, „die aufgrund ihrer besonderen beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder aufgrund ihrer Fachkunde eine Garantenstellung einnehmen, [...] sofern sie durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken [...] einen Vertrauenstatbestand schaffen“.358 Dieser „Rechtsprechung liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, daß für die Vollständigkeit und Richtigkeit der in Verkehr gebrachten Angaben jeder einstehen muß, der durch von ihm in Anspruch genommenes und ihm auch entgegengebrachtes Vertrauen auf den Willensentschluß der Kapitalanleger [D] Einfluß genommen hat“.359 Der in den Gutachtenfällen typischerweise vorliegenden Gegenläufigkeit der Interessen von G und D in Bezug auf den jeweils erwünschten Gutachteninhalt komme hinsichtlich der bereits erwähnten Stellungnahme keine entgegengesetzte Bedeutung zu.360

bb) Verlagerung des Argumentationsschwerpunkts auf die Leistungsnähe Die soeben dargestellte Entwicklung hat zwar eine große Ausweitung des Anwendungsfelds des VSD zur Folge.361 Die Argumentation aufgrund des (möglicherweise konstruierten) Gläubigerinteresses befindet sich jedoch m.E. immer noch innerhalb der bisherigen Denkweise. Darüber hinaus scheint aller___________ v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1060); BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1759 f); OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (616); OLG Köln v. 29.11.1995, BB 1996, 898 (899); OLG München v. 21.5.1990, NZV 1991, 26. 358 BGH v. 26.9.2000, BGHZ 145, 187 (197 f). 359 BGH v. 26.9.2000, BGHZ 145, 187 (198). In diesem Sinne sind auch die nachfolgenden Ausführungen des Gerichts zum Vertrauen, das die Öffentlichkeit den Wirtschaftsprüfern bei der Prüfberichterstattung wegen ihrer Sachkunde und Unabhängigkeit (s. § 43 WPO) schenkt (a.a.O. S. 198). Vgl. auch die Ausführungen – offenbar im Rahmen der Dritthaftung aus dem Schuldverhältnis der Vertragsverhandlung (s. heute § 311 III S. 2 BGB) – über die Pflichten des Wirtschaftsprüfers gegenüber den ihm vertrauenden Personen unabhängig vom Inhalt seines Prüfauftrages (a.a.O. S. 200). 360 BGH v. 7.2.2002, NJW 2002, 1196 (1197); BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1430); BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1060); BGH v. 2.4.1998, NJW 1998, 1948 (1949); BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (380); BGH v. 17.5.1990, NJW 1991, 32 (33); BGH v. 18.10.1988, NJW-RR 1989, 696; BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1759 f); BGH v. 19.3.1986, JZ 1986, 1111; OLG Dresden v. 19.11.1996, NJW-RR 1997, 1001 (1002); OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (616); OLG Köln v. 29.11.1995, BB 1996, 898 (899); OLG Frankfurt v. 7.7.1988, NJW-RR 1988, 337 (338); LG Frankfurt v. 8.4.1997, WM 1997, 1932 (1935). Vgl. auch BGH v. 23.1.1985, JZ 1985, 951 (952). A.A. LG Mönchengladbach v. 31.5.1990, NJW-RR 1991, 415 (417) sowie die frühere Rechtsprechung, s. Fn. 164. 361 Vgl. die Änderung der Rechtsprechung in den „Gutachtenfällen“ s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15, insbesondere Fn. 164.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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dings die Tendenz zu reichen, die Drittschutzwirkung weniger auf das (wie auch immer) begründete Gläubigerinteresse und vielmehr auf die Leistungsnähe des D zu stützen. Denn dadurch kommt zum Ausdruck, dass der VSD nicht nur damit legitimiert werden kann, dass er dem (mittelbaren) Schutz der Belange des formellen Vertragsgläubigers G selbst dient,362 sondern dass seine Funktion auch darin erschöpfen darf, den Dritten seinethalben zu schützen.363 Die hier befürwortete Interpretation der Rechtsprechung lautet nun, dass die zentrale Rolle, die im Rahmen des klassischen Voraussetzungssystems das Fürsorgeverhältnis bzw. das besondere Gläubigerinteresse spielt, innerhalb des neueren Begründungsschemas von der Voraussetzung der Leistungsnähe eingenommen wird.364 Ist das Erfordernis der Leistungsnähe nämlich erfüllt, so ist die Drittschutzwirkung unabhängig von der Wirkung des Drittschadens bzw. Drittschutzes auf die (mit den Drittbelangen verknüpften) Gläubigerinteressen grundsätzlich zu bejahen. Ein möglicherweise vorliegendes, auf den Drittschutz gerichtetes Gläubigerinteresse soll diesen Schluss vielleicht bekräftigen können, entscheidend scheint es aber nicht. Daran knüpft auch eine Erweiterung des Leistungsnähebegriffs an: Es wird oft nicht mehr von einer Berührung mit der Hauptleistung oder von einer Aussetzung an gläubigergleichen Gefahren gesprochen, wie beim klassischen Begriff der Leistungsnähe,365 sondern es wird darauf abgestellt, ob die Schuldnerleistung dem D bestimmungsgemäß zugute kommen soll366 bzw. ob mögliche Fehlleistungen bestimmungsgemäß in erster Linie den D treffen.367 Bloße Reflexwirkungen dürften hingegen grundsätzlich keine Leistungsnähe begründen.368 Anhand der Annahme von der zentralen Rolle der Leistungsnähe kann man nun die Bejahung der Drittschutzwirkung durch die Rechtsprechung insbe___________ 362

Vgl. oben 2. Kapitel B. II. 1. a). Zu einer funktionellen Betrachtung des SSD s. unten 2. Kapitel C. 364 Vgl. Papst, S. 33 sowie 35 f; Dickes, S. 83; Saar, JuS 2000, 224. 365 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a). Dies heißt aber keinesfalls, dass der klassische Leistungsnähebegriff aufgegeben würde, vgl. z.B. BGH v. 20.3.1995, BGHZ 129, 136 (168). 366 Vgl. BGH v. 17.5.1990, NJW 1991, 32 (33); BGH v. 5.6.1985, WM 1985, 1274 (1275); BGH v. 29.9.1982, NJW 1983, 1053 (1054); BGH v. 11.1.1977, NJW 1977, 2073 (2074); OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (616); OLG Hamburg v. 14.6.1990, VersR 1991, 476 (477); OLG Celle v. 9.3.1984, VersR 1984, 1075; LG Heidelberg v. 11.6.1997, ZIP 1997, 2045 (2046); LG Bochum v. 24.9.1991, NJW-RR 1993, 29. 367 Vgl. BGH v. 2.12.1999, JZ 2000, 469 (471); BGH v. 14.11.1994, NJW 1995, 1353 (1357); BGH v. 10.10.1985, NJW 1986, 581 (582); BGH v. 12.11.1979, BGHZ 75, 321 (323); BGH v. 11.1.1977, NJW 1977, 2073 (2074); OLG Düsseldorf v. 6.5.1977, NJW 1977, 1403 (1404); LG Heidelberg v. 11.6.1997, ZIP 1997, 2045 (2046). 368 BGH v. 11.1.1977, NJW 1977, 2073 (2074). 363

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

sondere in den „Testaments-“369 und den „Gutachtenfällen“,370 bei den „Beratungsverhältnissen“371 sowie in den Fällen der „Obhut über fremde Sachen“,372 der „ärztlichen Behandlung“,373 der „Geschäftsführung der geschäftsführenden Gesellschaft“,374 der „anwaltlichen Tätigkeit375 und der „Stimmrechtsvollmacht“376 reibungslos erklären: D ist in diesen Konstellationen der von der jeweiligen Leistungserbringung unmittelbar Begünstigte bzw. der von Folgen einer Schlechterfüllung vornehmlich Betroffene, und vor allem im Hinblick auf diese besondere Stellung wird zu seinen Gunsten auch die vertragliche Schutzwirkung angenommen. Die Tendenz der Rechtsprechung, vornehmlich auf die Leistungsnähe des D abzustellen, lässt sich allerdings selten mit der gewünschten Klarheit feststellen.377 Zum einen liegt dies darin, dass die einschlägigen Ausführungen oft sehr knapp sind; die Drittschutzwirkung wird häufig als selbstverständlich betrachtet oder nur mit ganz allgemeinen Formulierungen begründet, die keinen Aufschluss darüber geben, worauf das jeweilige Ergebnis tatsächlich gestützt wird.378 Zum anderen ist die Schwierigkeit, die hier gemachte Feststellung mit konkreten richterlichen Aussagen zu untermauern, auf die Begründung der Drittschutzwirkung mit Hilfe des rechtsgeschäftlichen Modells sowie auf die Betrachtung des SSD als eine einheitliche Rechtsfigur zurückzuführen. Denn auf dieser Basis argumentiert die Rechtsprechung häufig auch mit Bezugspunkten, welche lediglich die Funktion zu erfüllen scheinen, den Bruch zum bisherigen, für gefestigt und für dogmatisch legitimiert gehaltenen Verständnis der Drittschutzwirkungen zu verhindern.379 Das Abstellen auf diese Fallmerkmale beim Versuch, das SSD dogmatisch sauber zu rechtfertigen, verschleiert häu-

___________ 369

s. oben 2. Kapitel A. III. 4., Fallkonstellation 23. s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15. 371 s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 17. 372 s. oben 2. Kapitel A. II. 2., Fallkonstellation 5. 373 s. oben 2. Kapitel A. II. 3., Fallkonstellation 8. 374 s. oben 2. Kapitel A. III. 2., Fallkonstellation 18. 375 s. oben 2. Kapitel A. III. 4., Fallkonstellation 22. 376 s. oben 2. Kapitel A. III. 2., Fallkonstellation 19. 377 s. aber BGH v. 24.1.2006, ZIP 2006, 317 (322): Als Drittschutzvoraussetzung wird lediglich die Leistungsnähe des Dritten erwähnt. 378 s. beispielsweise BGH v. 12.5.1980, BGHZ 77, 116 (124); BGH v. 22.11.1983, BGHZ 89, 95 (98); BGH v. 15.6.1989, NJW 1989, 2750 (2751). 379 So etwa bei den „Gutachtenfällen“ (s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15): Der Versuch, das entsprechende Gläubigerinteresse für den Drittschutz zu begründen [zur einschlägigen Kritik s. unten 3. Kapitel B. III. 3. a) bb)], liefert weniger materielle Argumente und dient eher dazu, den dogmatischen Anforderungen des rechtsgeschäftlichen Modells nachzukommen. 370

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fig380 die eigentlichen Kernpunkte381 und macht eine deutliche Klarstellung der Frage unmöglich, welches der jeweils angeführten Argumente die eigentlich entscheidende Rolle spielt.382 Ferner bereitet die Tatsache zusätzliche Schwierigkeiten, dass häufig Sachverhaltselemente vorhanden sind, die an sich zwar für die Drittschutzwirkung unter einer bestimmten Betrachtungsweise maßgeblich sein können,383 in der konkreten Konstellation allerdings keine entscheidende Rolle für das erzielte Ergebnis spielen müssen.384 Aus diesen Gründen kann man oft auch bei Entscheidungen, in denen die Leistungsnähe eindeutig betont wird, keine endgültige Aussage darüber treffen, dass die Leistungsnähe den wirklichen Kernpunkt der einschlägigen Überlegungen darstellt.385 Angesichts dieser Schwierigkeiten lässt sich die allgemeine Geltung der hier vertretenen Ansicht lediglich mit dem Hinweis auf die Entwicklung der Rechtsprechung und der maßgebenden Argumentation nachweisen. Durch eine solche Gesamtbetrachtung kann man zunächst eine langsame Verlegung des Argumen___________ 380

Dies kann man freilich nicht über alle Entscheidungen behaupten, die mit dem Gläubigerinteresse argumentieren, vgl. OLG München v. 1.6.1990, NJW-RR 1991, 1127 (1128); OLG Celle v. 16.7.1986, NJW-RR 1986, 1315. 381 Vgl. in den „Testamentsfällen“ (s. oben 2. Kapitel A. III. 4., Fallkonstellation 23) BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141 (142): Das Abstellen auf das Fürsorgeverhältnis zwischen G (Erblasser) und D (Begünstigter) erweist sich erst im Lichte der späteren Rechtsprechung als nicht entscheidend [s. zu dieser Entscheidung die Ausführungen des BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2928)]: In den neueren Entscheidungen zu den „Testamentsfällen“ scheinen allein die Stellung des D als Begünstigter und somit seine offensichtliche Leistungsnähe maßgebend zu sein, s. z.B. BGH v. 13.6.1995, NJW 1995, 2551 (2552). Diese Denkweise ist neben den Testamentsfällen (s. oben 2. Kapitel A. III. 4., Fallkonstellation 23) etwa bei BGH v. 13.2.2003, NJW-RR 2003, 1035 (1036 f); BGH v. 11.1.1977, NJW 1977, 2073 (2074) deutlich. 382 Diese Lage hängt offenbar auch mit der zuweilen zu Tage kommenden Unsicherheit der Rechtsprechung darüber zusammen, auf welcher Grundlage und mit welchen materiellen Argumenten sich die vertraglichen Drittwirkungen eigentlich begründen lassen – vgl. die Zweifel bei BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141 (142) daran, dass es sich bei den „Testamentsfällen“ (s. oben 2. Kapitel A. III. 4., Fallkonstellation 23) tatsächlich um die Rechtsfigur des VSD handelt. 383 So vor allem die verwandtschaftliche bzw. familiäre Beziehung zwischen G und D, die als Fürsorgeverhältnis das Gläubigerinteresse am Drittschutz begründen kann, vgl. dazu oben 2. Kapitel B. II. 1. a). 384 Vgl. z.B. BGH v. 5.6.1985, WM 1985, 1274 (1275) – s. die Konstellation bei Fn. 185: Hier kann man nicht mit abschließender Sicherheit sagen, ob auf das Verhältnis zwischen den Eheleuten (G und D – Fürsorgeverhältnis) oder auf die Leistungsnähe der D entscheidend abgestellt wird. 385 So etwa bei den Entscheidungen zu Fallkonstellation 18 – „Geschäftsführung der geschäftsführenden Gesellschaft“ (s. oben 2. Kapitel A. III. 2.): Man weist zwar auf die Leistungsnähe ausdrücklich hin, s. BGH v. 14.11.1994, NJW 1995, 1353 (1357); BGH v. 17.3.1987, BGHZ 100, 190 (193); BGH v. 24.3.1980, BGHZ 76, 326 (338); BGH v. 12.11.1979, BGHZ 75, 321 (323 ff), es wird jedoch auch mit Hilfe des Gläubigerinteresses argumentiert, s. dazu oben 2. Kapitel B. II. 1. b) aa).

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

tationsschwerpunkts vom Gläubigerinteresse auf die objektive Stellung des Dritten zur vertraglichen Leistung feststellen.386 Darauf deutet auch die Tatsache hin, dass das SSD im Laufe der Zeit auf Sachverhalte ausgedehnt wurde, bei denen das Gläubigerinteresse, sofern es freilich (mindestens formell) verlangt und nachgewiesen wird, in einer mehr oder weniger abgeschwächten Form vorliegt.387 Im Sinne einer Verlagerung des Begründungsschwerpunktes auf die Voraussetzung der Leistungsnähe ist auch die Argumentation der Rechtsprechung aufgrund von Sachverhaltselementen zu verstehen, die die Notwendigkeit der Schutzwirkung vom Gesichtspunkt des D her belegen: Je mehr der Dritte und seine Interessen in den Mittelpunkt gestellt werden, desto mehr gewinnt die objektive Stellung des Dritten zum Vertrag (traditionell betrachtet: Leistungsnähe) an Bedeutung, und entsprechend wird ein mögliches Gläubigerinteresse als Begründungspunkt beiseite gestellt.388 Diese Vorgehensweise wird zunächst in der Rechtsprechung zum VSD beim mehrgliedrigen bargeldlosen Zahlungsverkehr389 deutlich. So sei das Erfordernis eines Fürsorgeverhältnisses zwischen G und D „unnötig eng, wenn es sich [...] um Massengeschäfte eines bestimmten Typs mit einem einheitlich praktizierten Verfahren handelt, das dem Rechtsverkehr in großem Stile unter Inanspruchnahme des Vertrauens auf sach- und interessengerechte Abwicklung angeboten wird. Hier kann nach Treu und Glauben eine Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich der anfallenden Schuldverhältnisse möglich und geboten sein, wenn das Verfahren für den Dritten, der sich dessen bedient, bestimmte verfahrenstypische Risiken in sich birgt und den mit der Durchführung betrauten Verfahrensbeteiligten ohne weiteres zugemutete werden kann, diese Risiken klein zu halten“.390 Das Interesse an der bzw. das Vertrauen des D auf die sorgfältige Abwicklung des Zahlungsverkehrs wird ___________ 386 Am deutlichsten wird diese Verlegung m.E. in den „Testamentsfällen“ (s. oben 2. Kapitel A. III. 4., Fallkonstellation 23) klar, bei denen sich die Rechtsprechung in einem verhältnismäßig langen Zeitraum entwickelt hat – vgl. dazu Fn. 381. Weitere Fälle, in denen die Leistungsnähe anscheinend die maßgebende Rolle spielt, s. beispielsweise bei BGH v. 2.12.1999, JZ 2000, 469 (471); BGH v. 19.12.1996, NJW 1997, 1235; BGH v. 20.3.1995, BGHZ 129, 136 (168); BGH v. 1.10.1987, NJW 1988, 200 (201); BGH v. 10.10.1985, NJW 1986, 581 (582); BGH v. 5.6.1985, WM 1985, 1274 (1275); BGH v. 29.9.1982, NJW 1983, 1053 (1054); BGH v. 18.3.1980, BGHZ 76, 259 (262); OLG Düsseldorf v. 30.9.1999, NJW-RR 2000, 932 (933); OLG Frankfurt v. 19.5.1993, VersR 1994, 942 (943); OLG Köln v. 10.3.1976, VersR 1976, 1182. Vgl. auch BGH v. 1.2.2001, WM 2001, 872 (873). S. ferner sogleich unten im Text zur Rechtsprechung für den bargeldlosen Zahlungsverkehr. 387 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. b) aa). 388 s. auch Erman(11)/Westermann, § 328, Rn. 13. 389 s. oben 2. Kapitel A. III. 3. 390 BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (86). So auch BGH v. 23.9.1985, BGHZ 96, 9 (17); OLG Frankfurt v. 9.2.1984, DB 1984, 1294.

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auch an anderen Stellen betont,391 während ein gleichgerichtetes Gläubigerinteresse nur sekundär beachtet wird.392 Die Stellung des D als erster Auftraggeber393 oder Überweisungsempfänger394 (in der bisherigen Terminologie: Leistungsnähe) wird somit praktisch als das allein maßgebliche Sachverhaltsmerkmal betrachtet, während der Frage nach dem (Rechts-)Verhältnis zwischen G und D kaum Bedeutung zugemessen wird. Die gleiche Tendenz lässt sich in der Rechtsprechung zu den Gutachtenfällen395 feststellen: Auch dabei spielen die Interessen des D in der Form seines schutzwürdigen Vertrauens auf den Inhalt des Gutachtens eine eindeutige, keineswegs unerhebliche Rolle für die Annahme der Drittschutzwirkung. Besonders aufschlussreich ist eine Entscheidung des BGH vom 13.11.1997: Der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige (S) nehme „ein besonderes Vertrauen dessen in Anspruch, dem das von ihm gefertigte Gutachten vorgelegt werden soll […]. Das besondere Vertrauen, das dem Gutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen im Geschäftsverkehr beigemessen wird, setzt voraus, daß der Sachverständige das Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen erstellt hat und dafür Dritten gegenüber einsteht“.396 Natürlich ist diese Betrachtungsweise auch anderswo vorzufinden. Unmittelbare Folge der angesprochenen Veränderung im richterlichen Verständnis der Drittschutzbedingungen ist, dass die Umgrenzung des schutzwürdigen Personenkreises, die man beim klassischen Voraussetzungssystem aufgrund des Fürsorge- oder eines ähnlichen Verhältnisses vornimmt,397 durch das nunmehr maßgebliche Erfordernis der Leistungsnähe erfolgen muss. Im Gegensatz zur mehr oder weniger klar umrissenen Bedingung eines Fürsorgeverhältnisses im Rahmen der klassischen Betrachtungsweise besteht jedoch immer noch weitgehend Unklarheit über den genauen Regelungsgehalt der Voraussetzung der Leistungsnähe, was ihrer neuen Rolle als entscheidendes Unterschei___________ 391 s. BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (88); OLG Frankfurt v. 31.1.1995, BB 1995, 1208; OLG Frankfurt v. 9.2.1984, DB 1984, 1294 (1294 f); OLG Düsseldorf v. 11.2.1982, WM 1982, 575 (576 f). 392 Vgl. BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (87 f). S. aber OLG Düsseldorf v. 31.10.1985, WM 1986, 637 (638 f); LG Köln v. 29.4.1992, WM 1993, 895 (896): Argumentation vornehmlich mit dem Gläubigerinteresse. 393 s. die Nachweise oben 2. Kapitel A. III. 3., Fallkonstellation 20. 394 s. die Nachweise oben 2. Kapitel A. III. 3., Fallkonstellation 21. 395 s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15. Vgl. Ebke/Emberger, WuB IV A. § 328 BGB 1. 01. 396 NJW 1998, 1059 (1060). Vgl. auch BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1430); BGH v. 22.2.2001, WM 2001, 876; BGH v. 18.10.1988, NJW-RR 1989, 696 (697); OLG Bremen v. 9.12.1997, VersR 1999, 499 (500); OLG Hamm v. 27.5.1994, VersR 1994, 800; OLG Hamburg v. 14.6.1990, VersR 1991, 476 (477). 397 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a).

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

dungskriterium entgegensteht.398 Die abstrakten Inhaltszuweisungen399 helfen dagegen nicht viel, weil sie eher dahin konzipiert sind, die bereits vorentschiedene Vertragsnähe des D im konkreten Fall durch abstrakte Formulierungen wiederzugeben, als umgekehrt der Subsumtion des jeweils vorliegenden Sachverhalts unter abstrakte Regeln und der Zuweisung bestimmter Rechtsfolgen zu dienen.400 Mit voller Schärfe tritt das Problem der inhaltlichen Konkretisierung insbesondere in Konstellationen – wie etwa in allen Fällen mit Vermögensschäden Dritter bei einem Vertrag über die ärztliche Behandlung Dritter oder in den Testamentsfällen – auf, in denen sich die maßgeblichen Schlechtleistung bzw. Schutzpflichtverletzung auf D nur mittelbar auswirken, da sie unmittelbar den G betreffen.401 Zum richtigen Verständnis der Leistungsnähe, insbesondere in Zusammenhang mit dem neueren Voraussetzungssystem, kann deshalb viel besser der Verweis auf die Einzelsachverhalte beitragen, in denen die Gerichte das Vorliegen eines VSD beurteilt und bejaht haben,402 als der Versuch der Rechtsprechung, allgemeine Regeln zu formulieren.

2. Negative Voraussetzungen: Erkennbarkeit des Drittschutzes und Schutzbedürftigkeit des Dritten Ist nach den begründenden Gesichtspunkten403 die Drittschutzwirkung eines Vertrages zu bejahen, so sei nach der Rechtsprechung noch das Vorliegen zwei Bedingungen zu untersuchen: Die Erkennbarkeit des Drittschutzes und die Schutzbedürftigkeit des D.

___________ 398

Die betreffende Unklarheit besteht zwar auch innerhalb des klassischen Voraussetzungssystems, dort ist ihre praktische Bedeutung jedoch angesichts der weniger wichtigen Rolle der Leistungsnähe eher gering – s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a). 399 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a). sowie soeben im Text. 400 Dies ist angesichts der bei Geltung des rechtsgeschäftlichen Modells bestehenden Möglichkeit der Gerichte, sich auf die Auslegung des konkreten Vertrags zu berufen, kein Hindernis für die Annahme des jeweils erwünschten Ergebnisses; deswegen scheint auch die weitere Konkretisierung der Leistungsnähe kein zwingendes Anliegen für die Rechtsprechung zu sein. 401 Sowohl in den „Testamentsfällen“ als auch bei der Schutzwirkung eines Behandlungsvertrags für Nichtpatienten kommt D weder mit der Hauptleistung (anwaltliche Tätigkeit oder ärztliche Behandlung) in Kontakt noch ist er den gleichen bzw. ähnlichen Gefahren ausgesetzt wie G. Trotzdem sieht die Rechtsprechung darin in der Regel kein Hindernis für den VSD, s. dazu oben 2. Kapitel A. III. 4., Fallkonstellation 23 – „Testamentsfälle“ sowie 2. Kapitel A. II. 3., Fallkonstellation 8 – „Ärztliche Behandlung“. 402 s. oben 2. Kapitel A. 403 s. oben 2. Kapitel B. II. 1.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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Unabdingbar ist zunächst die Voraussetzung, dass die Einbeziehung404 des D in den Schutzbereich des Vertrages405 für den Vertragsschuldner (S) erkennbar ist (Erkennbarkeit).406 Trotz der positiven Formulierung ist das Erkennbarkeitserfordernis funktionsmäßig eher als negative Voraussetzung zu betrachten: Die Drittschutzwirkung soll nicht eintreten, wenn sie dem S nicht erkennbar ist; ein positiver Beleg der Erkennbarkeit des Drittschutzes ist nach der Vorgehensweise der Rechtsprechung hingegen nicht erforderlich. Unabhängig von der genauen dogmatischen Konstruktion dient die verlangte Erkennbarkeit hauptsächlich dem andauernden Versuch der Rechtsprechung, das vertragliche Risiko des S trotz der vertraglichen Schutzausdehnung auf Dritte überschaubar und deshalb kalkulierbar bzw. versicherbar zu erhalten.407 Allerdings vermisst man in der Regel eindeutige Angaben zu den genauen Anforderungen, welche für die Bejahung der Erkennbarkeit erfüllt werden müssen, insbesondere zum erforderlichen Sorgfaltsmaßstab.408 Sicher ist, dass weder ___________ 404 Die Kenntnis des S über die Betroffenheit irgendwelcher Drittinteressen reicht nicht aus, OLG Karlsruhe v. 15.4.2003, OLGR 2003, 389 (394). 405 Erkennbar müssen also die begründenden Drittschutzvoraussetzungen sein – Leistungsnähe und Fürsorgeverhältnis im Rahmen des klassischen Voraussetzungssystems [s. dazu oben 2. Kapitel B. II. 1. a)], vgl. BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (1677). 406 BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1429); BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1060 und 1062); BGH v. 19.12.1996, NJW 1997, 1235; BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2928 f); BGH v. 13.6.1995, NJW 1995, 2551 (2552); BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1760); BGH v. 1.10.1987, NJW 1988, 200 (201); BGH v. 23.1.1985, JZ 1985, 951 (952); BGH v. 7.11.1984, NJW 1985, 489 (489 f); BGH v. 10.5.1984, NJW 1985, 2411; BGH v. 2.11.1983, NJW 1984, 355 (356); BGH v. 12.11.1979, BGHZ 75, 321 (323); BGH v. 11.1.1977, NJW 1977, 2073 (2074); BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (86); BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (57); BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269 (273); BGH v. 9.10.1968, NJW 1969, 41; BGH v. 22.1.1968, BGHZ 49, 350 (354); BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141 (142); BGH v. 3.11.1961, VersR 1962, 86 (88); BGH v. 29.9.1959, VersR 1959, 1009 (1010); BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (1677). Diese Meinung teilt man ausnahmslos auch im Schrifttum, s. beispielsweise Palandt(65)/Grüneberg, § 328, Rn. 18; Soergel/Hadding, Anh. § 328, Rn. 17; Staudinger(2004)/Jagmann, § 328, Rn. 105; MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 116; Sonnenschein, JA 1979, 229, Neuner, JZ 1999, 129; Hirth, S. 127 ff mit weiteren Nachweisen. 407 s. Fn. 292. 408 So bei den meisten Entscheidungen, welche die Erkennbarkeit als Drittschutzvoraussetzung erwähnen – s. Fn. 406. S. aber BGH v. 7.11.1984, NJW 1985, 489: S müsse mit dem in der Regel Geschehenen rechnen. Es sei also bei Vermietung von Lagerräumen zur gewerblichen Lagerhaltertätigkeit stets damit zu rechnen, dass die eingelagerten Sachen oft aufgrund vereinbarter Sicherungsübereignungen oder Eigentumsvorbehalte nicht dem Lagerhalter selbst, sondern Dritten gehören – so auch BGH v. 17.12.1969, WM 1970, 127; BGH v. 22.1.1968, BGHZ 49, 350 (351). Da dies bei Vermietung von Möbellagerräumen an einem privaten Mieter nicht die Regel sei, fehle es in einem solchen Fall grundsätzlich auch an der erforderlichen Erkennbarkeit. BGH v. 9.7.2002, NJW-RR 2002, 1528 und BGH v. 10.5.1984, NJW 1985, 2411, verlangen demgegenüber praktisch positive Kenntnis des vorliegenden Drittinteresses, was dagegen BGH v.

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

Namen noch Zahl der geschützten Dritten dem S bekannt sein müssen409 sowie dass diese auch nach dem Vertragsschluss410 durch einseitige Handlungen des G oder sogar anderer Personen411 bestimmt werden können.412 Schließlich ist Folgendes beachtenswert: Die Erkennbarkeit bezieht sich nach der Rechtsprechung auf die Einbeziehung des konkret bestimmten bzw. bestimmbaren D. Manchmal lässt sich allerdings eine Abweichung von diesem Grundsatz in dem Sinne spüren, dass bei Vermögens- oder Sachschäden die Erkennbarkeit eher den Schadensumfang betrifft, unabhängig davon, bei welchen oder bei wie vielen Personen sich die erkennbare Schadensmöglichkeit realisiert.413 Allgemein dürfte die fehlende Erkennbarkeit in Anbetracht der nicht gerade hohen Anforderungen, die diese Voraussetzung verkörpert, nur selten414 als Argument gegen die Drittschutzwirkung verwendet werden, wenn alle anderen Drittschutzvoraussetzungen vorliegen.415 Eine praktisch rein negative Voraussetzung des Drittschutzes stellt außerdem die Anforderung dar, dass D nach Treu und Glauben schutzbedürftig sein müs___________ 7.11.1984, NJW 1985, 489, im Einklang mit der übrigen Rechtsprechung ausdrücklich ablehnt. 409 BGH v. 20.4.2004, NJW 2004, 3035 (3038); BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (381); BGH v. 13.7.1994, NJW 1995, 51 (53); BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1760); OLG Hamm v. 12.7.1996, BB 1996, 2295 (2297); OLG Dresden v. 19.11.1996, NJW-RR 1997, 1001 (1002); OLG Köln v. 29.11.1995, BB 1996, 898 (899); OLG Frankfurt v. 7.7.1988, NJW-RR 1988, 337 (338); OLG Hamm v. 10.3.1986, NJW-RR 1987, 725. 410 s. z.B. die meisten „Gutachtenfälle“ – 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15. 411 s. z.B. BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1062; s. die entsprechende Konstellation oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15 – „Gutachtenfälle“): Der von der Drittschutzwirkung des Gutachtenvertrags erfasste Darlehensgeber schließt einen Bürgschaftsvertrag für einen Teil des Darlehens; der Bürge sei auch vom ursprünglichen Gutachtenvertrag geschützt. 412 Vgl. BGH v. 20.3.1995, BGHZ 129, 136 (168): D müsse bestimmt oder bestimmbar sein. 413 Am deutlichsten BGH v. 20.4.2004, NJW 2004, 3035 (3038); BGH v. 13.2.2003, NJW-RR 2003, 1035 (1037) – s. dazu Fn. 187. Vgl. ferner z.B. BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1062); BGH v. 2.11.1983, NJW 1984, 355 (356). 414 LG Hamburg v. 19.5.1988, DStR 1989, 649 (650) verneint die Drittschutzwirkung, weil der Gutachter (s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15 – „Gutachtenfälle“) auf die beabsichtigte Verwendung des Gutachtens nicht hingewiesen wurde – es ist jedoch nicht klar, ob es deshalb an der Leistungsnähe oder der Erkennbarkeit fehlen soll (vgl. auch Fn. 415). 415 Dies kann so gut wie ausgeschlossen sein, wenn man die Erkennbarkeit praktisch bereits im Rahmen der bestimmungsgemäßen Leistungsnähe [s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a) und 2. Kapitel B. II. 1. b) bb)] prüft, wenn nämlich nur bzw. vornehmlich das als bestimmungsgemäß verstanden wird, was beim Vertragsschluss (zumindest) auch erkennbar ist – so offenbar die Betrachtungsweise bei OLG Hamm v. 7.6.1993, OLGZ 1994, 292 (295 f) und OLG Düsseldorf v. 30.9.1999, NJW-RR 2000, 932 (933); auch die übrige Rechtsprechung scheint einem solchen Verständnis nicht zu widersprechen.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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se, um ihm Schadensersatzansprüche aufgrund eines SSD zubilligen zu dürfen (Schutzbedürftigkeit).416 Dabei wird nie (positiv) untersucht, ob D tatsächlich schutzbedürftig sei, sondern lediglich danach gefragt, ob er „seinerseits eigene vertragliche Ansprüche desselben [oder gleichwertigen417] Inhalts, wenn auch gegen einen anderen Schuldner, hat wie diejenigen, die er auf dem Weg über die Einbeziehung in den Schutzbereich eines zwischen anderen [G und S] geschlossenen Vertrages durchsetzen will“.418 In Bezug auf diese Formel wird z.B. die Einbeziehung des Untermieters (D) in den Mietvertrag zwischen Hauptvermieter (S) und Untervermieter (G) verneint,419 weil dem D bereits Schadensersatzansprüche gegen seinen unmittelbaren Vertragspartner (G) gemäß § 536a I BGB zustehen, die für ihn sogar bei anfänglichen Mietsachemängeln günstiger sein können als die Schadensersatzansprüche aufgrund VSD. Demgegenüber sei der Einlagerer (D) hinsichtlich des Mietvertrages zwischen Lagerhalter (G) und Lagerraumvermieter (S) schutzbedürftig, weil die Garantiehaftung des Vermieters (S) gemäß § 536a I BGB i.V.m. VSD für D günstiger

___________ 416 Die Voraussetzung der Schutzbedürftigkeit des D wurde von BGH v. 15.2.1978, BGHZ 70, 327 (329 f) zum ersten Mal aufgestellt. S. ferner etwa BGH v. 20.3.1995, BGHZ 129, 136 (168 sowie 169 f); BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2928); BGH v. 28.4.1994, NJW 1994, 2231; BGH v. 16.6.1987, NJW 1987, 2510 (2511). 417 BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2929); BGH v. 15.12.1992, NJW 1993, 655 (656). 418 BGH v. 15.2.1978, BGHZ 70, 327 (330). So auch BGH v. 22.7.2004, WM 2004, 1825 (1827); BGH v. 8.6.2004, NJW 2004, 3420 (3421); BGH v. 17.9.2002, NJW 2002, 3625 (3626); BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2929); BGH v. 15.12.1992, NJW 1993, 655 (656); OLG Köln v. 21.6.2002, VersR 2003, 122 (123); OLG Düsseldorf v. 26.10.1995, NJW-RR 1996, 1380 (1382); OLG Hamm v. 26.5.1987, NJW-RR 1987, 1109 (1110). Ein abweichendes Verständnis liegt offenbar der Entscheidung des BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1430) zugrunde – s. auch oben bei Fn. 175: In dem Fall, dass die Tätigkeit des S im Verhältnis zwischen G und D dem G selbst zugerechnet wird, weil S eine Hilfsperson des G ist (vgl. § 278 BGB – im konkreten Fall sei der vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen beauftragte Sachverständige ein Hilfsorgan des Bundesaufsichtsamtes), genüge es den Anforderungen der Schutzbedürftigkeit, wenn man D auf seine Rechte aus dem Innenverhältnis zwischen G und D verweist (im konkreten Fall auf die öffentlich-rechtlichen Rechtsbehelfe und die etwaigen Schadensersatzansprüche gegen das Bundesaufsichtsamt). Das Besondere dabei ist, dass nach dem Inhalt dieser Rechte, ob nämlich ein Schadensersatzanspruch des D überhaupt besteht, nicht gefragt wird. Ebenfalls abweichend ist die Auffassung von OLG Düsseldorf v. 8.8.1985, NJW-RR 1986, 522, über die Schutzbedürftigkeit des D: Diese sei nämlich zu bejahen, wenn der Schaden des D dadurch entsteht, dass die Gesellschaft (G) an der D beteiligt ist, durch eine Pflichtverletzung des S geschädigt wird und somit ihrerseits über einen Schadensersatzanspruch gegen S verfügt. In diesem Zusammenhang ist auch OLG Hamm v. 10.3.1986, NJW-RR 1987, 725, zu erwähnen: Die Schutzbedürftigkeit fehle auch dann, wenn D auf seine Schadensersatzansprüche gegen G wirksam verzichtet hat. 419 s. Fn. 42.

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

sein könne, als seine etwaigen verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche gegen G.420 Nicht in aller Hinsicht ist jedoch klar, was genau unter der Voraussetzung der Schutzbedürftigkeit verlangt wird. Denn abgesehen davon, dass der Kreis der Personen nicht näher definiert wird, deren Eigenschaft als Schadensersatzschuldner des D seine Schutzbedürftigkeit und somit die Schutzwirkung zu seinen Gunsten ausschließen soll, gibt es immer wieder Entscheidungen,421 die das Vorliegen eines VSD annehmen, obwohl ein Schadensersatzanspruch des D bereits gegen G gegeben sein dürfte.422 Darüber hinaus fehlt eine Klarstellung darüber, ob die formelle Rechtslage oder eine wirtschaftliche, ergebnisorientierte Betrachtung der konkreten Sachlage maßgeblich sein soll. Es fragt sich nämlich, wie die Konstellation zu beurteilen ist, in der dem D zwar Schadensersatzansprüche gegen G bzw. eine andere Person zustehen, sich diese jedoch in der konkreten Lage als uneinbringlich erweisen – etwa bei Insolvenz des Schadensersatzschuldners. Obwohl man gemäß der Rechtsprechung grundsätzlich nach der rechtlichen Gleichwertigkeit der entsprechenden Ansprüche fragen muss,423 weist die tatsächliche Vorgehensweise der Gerichte in einschlägigen Fällen eher auf eine Tendenz dazu hin, die faktischen Möglichkeiten des D zu berücksichtigen, seinen Schaden ersetzen zu lassen:424 So hat etwa in den Gutachtenfällen425 ___________ 420 BGH v. 20.12.1978, WM 1979, 307 (308). Ähnlich in Bezug auf die Haftungsregelung beim Werkvertrag (§ 635 a.F. BGB) im Verhältnis zum Schadensersatzanspruch bei einem Kaufvertrag (§ 463 a.F. BGB) für das damals geltende Kauf- und Werkvertragsrecht, BGH v. 15.12.1992, NJW 1993, 655 (656). 421 s. beispielsweise die Entscheidungen zur Fallkonstellation 18 – „Geschäftsführung der geschäftsführenden Gesellschaft“ oder BGH v. 18.6.1985, BauR 1985, 704 (705; s. die Konstellation oben bei Fn. 86). 422 s. auch Sonnenschein, JA 1979, 230; Riesenhuber, S. 163; Krebs, Sonderverbindung, S. 140; Schwarze, AcP 203 (2003), 350 Fn. 11; Plötner, S. 88 f. In diesem Sinne kann man häufig einen Schadensersatzanspruch des D gegen G für die Tätigkeit des S (s. § 278 BGB) etwa in den Fällen annehmen, in denen G der Arbeitgeber des D ist und deshalb die Pflichten gemäß § 618 BGB beachten muss; mangels Schutzbedürftigkeit des D wäre dann die Drittschutzwirkung trotz Fürsorgeverhältnisses [s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a)] zu verneinen. 423 Am deutlichsten BGH v. 22.7.2004, WM 2004, 1825 (1827): „Ob ein solcher Anspruch [des D gegen G] mangels finanzieller Leistungsfähigkeit des Verpflichteten [G] möglicherweise von Anfang an nicht durchsetzbar war, ist rechtlich unerheblich; denn das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter bezweckt nicht die Absicherung des Risikos, daß die vertraglich verpflichtete Person zum Ersatz des Schadens finanziell nicht in der Lage ist“. S. ferner BGH v. 8.6.2004, NJW 2004, 3420 (3421); BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2929); LG Mönchengladbach v. 31.5.1990, NJW-RR 1991, 415 (417). 424 Allein auf das wirtschaftliche Ergebnis stellt ausdrücklich BGH v. 24.1.2006, ZIP 2006, 317 (322). Vgl. auch BGH v. 13.5.2004, ZIP 2004, 1154 (1156). 425 s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15; vgl. dazu BGH v. 10.3.2005, NJW-RR 2005, 928 (929); Ebke, JZ 1998, 993. Ähnlich meistens die Lage in Fallkonstellation 21 – „Schaden des Überweisungsempfängers“, s. oben 2. Kapitel A. III. 3.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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der für geschützt gehaltene Darlehensgeber (D) immer Ansprüche gegen den Darlehensnehmer (G), sie sind aber in concreto wirtschaftlich wertlos. Die Bedeutung dieses Befunds darf man jedoch nicht überschätzen: Zum einen kann das Erfordernis der Drittschutzbedürftigkeit im Rahmen des in der Rechtsprechung herrschenden rechtsgeschäftlichen Modells durch Vertragsauslegung umgangen werden.426 Zum anderen gilt er nicht umgekehrt: Auch wenn D unter realistischer Betrachtungsweise seinen Schaden im konkret vorliegenden Fall durch G ersetzen lassen kann, scheint die Rechtsprechung sich davon nicht gehindert zu sehen, die Drittschutzwirkung anzunehmen, wenn die formelle Rechtslage im Verhältnis zwischen S und D für D günstiger ist.427 Insgesamt ist der Schluss nicht ungerechtfertigt, dass es sich beim Erfordernis der Schutzbedürftigkeit eher um eine nicht vollständig ausgereifte und in der Tat selektiv angewendete Voraussetzung handelt,428 deren Konturen noch sehr fließend sind.429

3. Gesamtbetrachtung Aus den obigen Ausführungen430 ergibt sich, dass die Drittschutzvoraussetzungen (Leistungsnähe, Gläubigerinteresse am Drittschutz, Erkennbarkeit, Schutzbedürftigkeit) keinesfalls feste Größen darstellen, die das Vorliegen bzw. das Nichtvorliegen eines SSD mit Sicherheit belegen könnten. Dies liegt zunächst am Inhalt dieser Voraussetzungen; allein anhand der abstrakten Beschreibungen kann man konkrete Fälle nur sehr schwer abschließend beurteilen. Diese Schwierigkeit betrifft zwar vor allem das neuere Verständnis der Drittschutzbedingungen, da sich die Auflockerung der Voraussetzung des Gläubigerinteresses sowie die Verlagerung des Schwerpunkts auf die Leistungsnähe und das Drittinteresse ohne einen entsprechend gewichtigen Wandel an der Argu___________ 426

Vgl. oben 2. Kapitel B. II. vor 1. s. etwa BGH v. 8.6.2004, NJW 2004, 3420 (3421). Diese Betrachtungsweise wird auch bei Verschuldensabhängiger und Verschuldensunabhängiger Haftung des G bzw. des S entsprechend zugrunde gelegt: Die Drittschutzwirkung (Haftung des S im Rahmen VSD) erscheint sich allgemein davon unberührt, dass D seinen Schadensersatzanspruch gegen G trotz Verschuldenserfordernisses im konkreten Fall durchsetzen könnte. 428 Am deutlichsten lässt sich diese Feststellung am Beispiel von BGH v. 16.6.1987, NJW 1987, 2510 (s. oben 2. Kapitel A. II. 3., Fallkonstellation 7 – „Arbeitsverhältnis“) bestätigen. In diesem Fall kommen zwei Vertragsverhältnisse (zwischen G und S sowie zwischen G und dem Lagerhalter) als Verträge mit Schutzwirkung in Betracht, die Voraussetzung der Schutzbedürftigkeit wird jedoch beide Male unterschiedlich behandelt, s. auch Plötner, S. 91 f. 429 s. auch die Kritik Plötners, S. 90 ff. 430 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. und 2. 427

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

mentationsweise vollzogen haben.431 Sie ist aber auch im Rahmen der traditionellen Betrachtungsweise vorhanden; dies bestätigen etwa die Unentschiedenheit der Rechtsprechung darüber, ob ein Mietverhältnis zwischen G und D den Anforderungen eines Fürsorgeverhältnisses genügt,432 oder der diffuse Inhalt des Schutzbedürftigkeitserfordernisses.433 Neben solchen Unklarheiten sind die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen an sich nicht immer konsequent. Zunächst bereitet die Voraussetzung der Leistungsnähe Schwierigkeiten, da sie nicht alle einschlägigen Fälle erfassen kann.434 Dies gilt unabhängig davon, welche Definition man unter jenen auswählt, deren sich die Rechtsprechung bedient hat.435 Belegen lässt sich diese Feststellung zunächst insoweit, als die Rechtsprechung darauf abstellt, ob D bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung bzw. dem Leistungsgegenstand in Berührung gerät, in erster Stelle von möglichen Fehlleistungen betroffen wird oder ihm die Hauptleistung bestimmungsgemäß zugute kommt; denn häufig hat die Schädigung des D gar nichts mit den (Haupt-)Leistungen des S zu tun, etwa wenn D körperlich verletzt wird und die Hauptpflicht des S in einer Geldleistung an G besteht.436 Aber auch das Kriterium der gläubigerähnlichen Gefährdung des D kann in Konstellationen kaum weiterhelfen, in denen eine der Drittgefährdung ähnliche Gläubigerschädigung gar nicht in Frage kommt.437 Dies ist am deutlichsten bei Gefahr einer körperlichen Verletzung des D der Fall, wenn G eine juristische Person ist. Noch problematischer ist im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Modells die Voraussetzung der Schutzbedürftigkeit des D, wie diese in der Rechtsprechung verstanden wird.438 Während ein Verständnis dieser Bedingung im Sinne feh___________ 431 s. dazu oben 2. Kapitel B. II. 1. b); vgl. auch oben 2. Kapitel B. II. 1. vor a) zur parallelen Geltung des klassischen und des neueren Voraussetzungssystems. 432 s. Fn. 324. Vgl. dazu auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 2 c über die „Wohl und Wehe“ Formel der Rechtsprechung [s. dazu oben 2. Kapitel B. II. 1. a)]: „Eher sentimental als wirklich erhellend, eher einprägsam als wirklich präzisierend“. 433 s. oben 2. Kapitel B. II. 2. 434 Im Allgemeinen ist die Rolle der Leistungsnähe, wie auch immer dieser Begriff definiert wird, im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Modells nicht hinreichend geklärt. M.E. kann sie nur als zusätzlicher Vertragsauslegungsfaktor angesehen werden, dem allerdings, im Gegensatz etwa zum unabdingbaren Erfordernis eines besonderen Gläubigerinteresses für den Drittschutz (s. dazu eingehend unten 3. Kapitel B. I. ), keine absolut entscheidende Bedeutung zugesprochen werden darf. 435 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a) und 2. Kapitel B. II. 1. b) bb): Bestimmungsgemäße Berührung mit der vertraglichen Hauptleistung bzw. dem Leistungsgegenstand, Aussetzung an gläubigergleichen Gefahren, bestimmungsgemäßes Zugutekommen der Hauptleistung oder intensive Betroffenheit von möglichen Fehlleistungen. 436 s. auch oben 2. Kapitel B. II. 1. a). 437 s. auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 3. 438 s. oben 2. Kapitel B. II. 2.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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lender bzw. eingeschränkter eigener Möglichkeiten des (etwa minderjährigen) D zum Selbstschutz als ein mit zu berücksichtigender Vertragsauslegungsfaktor noch zulässig wäre, spricht das Vorliegen eines eigenen, gleichwertigen Anspruchs des D gegen G eher für als gegen den Drittschutz, wenn man den Vertrag zwischen G und S konsequent auslegen will:439 Wenn dem D bei einer Schädigung ein Schadensersatzanspruch nicht nur gegen G, sondern auch gegen S entsteht, dann ist es möglich, dass sich D nicht an G, sondern an S schadlos halten wird, wenn er den in Frage stehenden Schaden erleidet, was den G ferner von seiner eigenen Schadensersatzpflicht gegenüber D entlasten wird. Deswegen hat G beim Vorliegen eines Schadensersatzanspruchs des D gegen ihn selbst einen zusätzlichen Grund dafür, den Drittschutz zu vereinbaren und somit die Gefahr seiner Inanspruchnahme als Schadensersatzschuldner durch D entsprechend zu mildern. Im Grunde genommen liegt die gleiche Interessenlage auch dann vor, wenn G wegen der Schadensersatzleistung an D Regress gegenüber S nehmen kann, wie etwa im Falle einer Schadensersatzpflicht des Mieters (G) gemäß § 536a BGB gegenüber dem Untermieter (D), da schließlich der Vermieter (S) gegenüber dem Mieter (G) für die Entschädigung des D einstehen muss. Denn G muss dann möglicherweise ein umständliches Verfahren zur Durchsetzung seines Regressanspruchs gegen S durchführen, das er sich bei direkter Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs des D gegen S hätte ersparen können. Und gerade in den Fällen, in denen G ohnehin einen Regressanspruch gegen S bei Entschädigung des D hat, kann man viel einfacher annehmen, dass dem S eine vertragliche Vereinbarung zum Drittschutz auch zumutbar ist; denn letzten Endes ist S derjenige, der für den Drittschaden ohnehin aufkommen muss.440 Darüber hinaus scheint die Behandlung der Drittschutzfälle in der Rechtsprechung häufig eher vom Endergebnis bestimmt und die entsprechende Argumentation eher vom Anliegen der Gerichte getragen zu werden, die dogmatische und materielle Einheitlichkeit der angewendeten Rechtsfigur nicht zu durchbrechen. Aus diesem Grund setzt man sich einerseits oft über die herkömmlichen Voraussetzungen hinweg, wenn man die Drittschutzwirkung in konkreten Konstellationen annehmen will, obwohl die Einhaltung der bisherigen Argumentationspunkte dies verbieten würde.441 Dabei versucht man andererseits weiterhin, die Auffassung aufrechtzuerhalten, dass es sich trotzdem um die konsequente Anwendung des Rechtsinstituts handelt, indem man die neuen ___________ 439

Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 5; Schwarze, AcP 203 (2003), 350 Fn. 10 sowie 355; Köndgen, Einbeziehung, S. 7. 440 Vgl. die Argumentation von OLG Braunschweig v. 7.3.1986, NJW-RR 1986, 1314, s. dazu Fn. 75. 441 Aufschlussreich ist etwa die Entwicklung im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, s. oben 2. Kapitel B. II. 1. b) bb).

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

Gesichtspunkte mit der alten Argumentation verbindet bzw. in sie eingliedert.442 Und umgekehrt stellt man häufig auf die traditionellen Voraussetzungen ab443 bzw. beruft man sich auf ältere, aufgrund des herkömmlichen Verständnisses argumentierende Entscheidungen, um unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden.444 Diese Flexibilität bei der Begründung des gewünschten Resultates erlaubt vor allem die Zugrundelegung des rechtsgeschäftlichen Modells selbst.445

III. Rechtsfolgen Es wurde gezeigt, dass die Rechtsprechung die Grundlage der Drittschutzwirkungen in der vertraglichen Vereinbarung zwischen S und G sieht.446 Bei dieser Darstellung wurde allerdings die Frage nicht behandelt, welchen Inhalt eine etwaige Drittschutzabrede zwischen S und G genau haben muss. Dabei sind vor allem zwei Grundkonzepte relevant. In Betracht kommt zum einen eine reine Haftungsvereinbarung (Haftungsmodell): Verletzt eine Vertragspartei (S) eine Pflicht aus dem Vertrag, dann soll sie gemäß dieser Vereinbarung (nicht nur ihrem Vertragspartner G, sondern auch) einem Dritten (D) haften. In dieser Haftungsbegründung liegt bei einer solchen Konstruktion der für den VSD charakteristische Kernpunkt der Drittberechtigung, während die verletzten primären Pflichten nur im Verhältnis zwischen G und S bestehen.447 Allein die Außenhaftung des S (gegenüber D) stellt also eine Abweichung vom Relativitätsprinzip dar, während das Problem der Entstehung und des Inhalts seiner Primärpflichten gegenüber G allein mit herkömmlichen Mitteln (insbesondere Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB) unter Beachtung der Relativität der Schuldverhältnisse zu lösen ist.

___________ 442 So etwa die Aufgabe des Erfordernisses eines Fürsorgeverhältnisses [s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a)] mit der Begründung, es habe sich immer nur um ein objektives Indiz für den vertraglichen Drittschutzwillen gehandelt, s. etwa BGH v. 2.11.1983, NJW 1984, 355 (356). 443 Vgl. etwa BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2929) bezüglich der fehlenden Leistungsnähe. 444 Vgl. etwa BGH v. 11.10.1988, NJW 1989, 1029 (1030) zur Drittschutzwirkung eines Kaufvertrages. 445 s. auch oben 2. Kapitel B. II. vor 1. 446 s. oben 2. Kapitel B. I. 1. 447 Man könnte diese Konstruktion mit einem Vergleich zur Rechtslage im Anwendungsbereich von § 618 BGB verdeutlichen: Die primären Schutzpflichten gemäß § 618 I und II BGB bestehen zwar nur im Verhältnis zwischen dem Dienstberechtigten und dem zur Dienstleistung Verpflichteten, im Falle der Tötung des Letztgenannten werden aber dritte Personen auf Sekundärpflichtebene schadensersatzberechtigt (§ 618 III i.V.m. § 844 BGB).

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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Mit der Annahme einer vertraglichen Drittschutzabrede kann zum anderen die Vereinbarung zwischen G und S gemeint sein, nach welcher S mit einer primären Verhaltenspflicht unmittelbar gegenüber D belastet wird (Primärpflichtmodell). Inhalt dieser Pflicht soll die Vermeidung der Drittschädigung in dem Bereich sein, innerhalb dessen D von dem VSD geschützt werden soll. Bei dieser Betrachtungsweise liegt die Durchbrechung des Relativitätsprinzips und somit die Besonderheit eines VSD darin, dass auf dessen Grundlage Primärpflichten des Schuldners auch gegenüber Dritten begründet werden. Demgegenüber dürfte hier die Haftung des S keine speziell auf die Drittwirkung bezogenen Probleme aufwerfen, da es sich dabei um eine Primärpflichtverletzung des S unmittelbar gegenüber D handelt. Die Schadensersatzpflicht des S gegenüber D ist vielmehr anhand der allgemeinen herkömmlichen Regeln (s. nunmehr vor allem § 280 I BGB) zu behandeln. Die Gegenüberstellung von Haftungs- und Primärpflichtmodell betrifft nicht nur den Inhalt einer drittschützenden Vereinbarung zwischen G und S. Ihr kommt eine übergreifende Bedeutung zu, da sie die Frage nach den Rechtsfolgen eines SSD allgemein, d.h. unabhängig davon berührt, ob man die Grundlage des SSD in der vertraglichen Vereinbarung zwischen G und S sieht (rechtsgeschäftliches Modell) oder als Gebot des objektiven Rechts begreift (gesetzliches Modell). Es fragt sich nämlich, ob die Annahme eines SSD bloß eine Dritthaftung bei Verletzung von nur im Verhältnis zwischen G und S bestehenden Pflichten (Haftungsmodell) oder die Begründung neuer Primärpflichten des S gegenüber D mit sich bringt, deren Verletzung die Haftung des S nunmehr im Zweipersonenverhältnis zu D zur Folge hat. Allerdings ist die praktische Bedeutung dieser Frage für beide Problemkreise (Inhalt einer Drittschutzvereinbarung bzw. Bestimmung der Rechtsfolgen des SSD) geringer als ihr theoretisches Gewicht indizieren könnte. Denn das Ergebnis, das mit der Annahme eines SSD erkämpft wird, ist praktisch immer nur der unmittelbare Schadensersatzanspruch des D gegen S.448 Die geringe praktische Bedeutung, die diese Frage für die Rechtsprechung hat, spiegelt sich in ihren knappen Äußerungen darüber wider. In der Tat werden häufig Formulierungen verwendet, die zu allgemein sind, um Aufschluss über das betreffende Problem geben zu können: Wird etwa von Verantwortlichkeit des S gegenüber D bei der Erfüllung seiner (S) Pflichten449 oder von Ausdehnung der vertraglichen Pflichten des S auf D450 oder vor allem lediglich von

___________ 448 Als ganz seltene Ausnahme ist etwa das Urteil von OLG Düsseldorf v. 27.5.1988, NJW 1988, 2545, zu erwähnen – s. dazu oben bei Fn. 52. 449 BGH v. 10.10.1985, NJW 1986, 581 (582). 450 BGH v. 13.2.1990, NJW-RR 1990, 726 (727).

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

der Schutzwirkung eines Vertrages451 gesprochen, so kann man überhaupt keine Einordnung in das eine oder das andere Konzept vornehmen. Kann man nun in den einschlägigen Urteilen Hinweise zur zugrunde liegenden dogmatischen Konstruktion finden,452 dann fallen sie meistens eher zu Gunsten des Primärpflichtmodells.453 Bei der angenommenen Primärpflicht des S gegenüber D handelt es sich in der Regel um eine Schutzpflicht.454 ___________ 451 s. etwa BGH v. 25.2.2002, ZIP 2002, 984 (985); BGH v. 19.2.2002, MDR 2002, 637 (638); BGH v. 13.7.1994, NJW 1995, 51 (52 f); BGH v. 21.1.1993, WM 1993, 897; BGH v. 15.6.1989, NJW 1989, 2750 (2751); BGH v. 7.10.1987, NJW 1988, 556; BGH v. 6.12.1988, BGHZ 106, 153 (162); BGH v. 17.3.1987, BGHZ 100, 190 (193); BGH v. 25.3.1986, BGHZ 97, 273 (276). 452 Bei der Interpretation einschlägiger Urteile kann es zuweilen zweifelhaft sein, ob die angenommenen Verhaltenspflichten zum Schutz der Drittinteressen gegenüber dem Vertragpartner (G) des Schuldners oder gegenüber dem Dritten (D) bestehen sollen – vgl. BGH v. 10.11.1970, BGHZ 55, 11 (18); BGH v. 5.6.1990, NJW-RR 1990, 1172 (1173). 453 Eher für das Primärpflichtmodell etwa BGH v. 26.6.2001, 1428 (1429 f); BGH v. 14.11.2000, WM 2001, 529 (532); BGH v. 2.12.1999, JZ 2000, 469 (471); BGH v. 2.4.1998, NJW 1998, 1948 (1949); BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 (2928 f); BGH v. 13.6.1995, NJW 1995, 2551 (2552); BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (380); BGH v. 1.10.1987, NJW 1988, 200 (201); BGH v. 16.6.1987, NJW 1987, 2510 (2511); BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1760); BGH v. 18.6.1985, BauR 1985, 704 (705); BGH v. 5.6.1985, WM 1985, 1274 (1275); BGH v. 23.1.1985, JZ 1985, 951 (952); BGH v. 2.11.1983, NJW 1984, 355 (355 f); BGH v. 19.10.1978, BGHZ 72, 343 (348); BGH v. 12.7.1977, NJW 1977, 2208 (2209); BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (88); BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (56; vgl. auch S. 59 – s. den Auszug oben bei Fn. 262); BGH v. 16.2.1971, NJW 1971, 752 (753); BGH v. 10.11.1970, NJW 1971, 241 (242); BGH v. 21.5.1970, VersR 1970, 831; BGH v. 30.9.1969, NJW 1970, 38 (40); BGH v. 9.10.1968, NJW 1969, 41; BGH v. 18.6.1968, NJW 1968, 1929 (1931); BGH v. 18.1.1968, NJW 1968, 1323 (1324); BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141 (142); BGH v. 23.6.1965, NJW 1965, 1757 (1758); BGH v. 16.10.1963, NJW 1964, 33 (34); BGH v. 18.6.1962, WM 1962, 933 (934); BGH v. 3.11.1961, VersR 1962, 86 (88); BGH v. 29.9.1959, VersR 1959, 1009 (1009 f); BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 (1676 f). Eher für das Haftungsmodell hingegen BGH v. 8.6.2004, NJW 2004, 3420 (3421); BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1060 f); BGH v. 20.3.1995, BGHZ 129, 136 (168); BGH v. 14.11.1994, NJW 1995, 1353 (1357); BGH v. 28.4.1994, NJW 1994, 2231; BGH v. 11.10.1988, NJW 1989, 1029 (1030); BGH v. 2.5.1985, NJW 1986, 2701; BGH v. 10.5.1984, NJW 1985, 2411; BGH v. 12.11.1979, BGHZ 75, 321 (325); BGH v. 20.12.1978, WM 1979, 307 (308); BGH v. 11.7.1978, NJW 1978, 2502 (2503); BGH v. 15.2.1978, BGHZ 70, 327 (330); BGH v. 11.1.1977, NJW 1977, 2073 (2074); BGH v. 19.9.1973, BGHZ 61, 227 (233); BGH v. 17.12.1969, WM 1970, 127 (128); BGH v. 10.1.1968, JZ 1968, 304; BGH v. 22.1.1968, BGHZ 49, 350 (353 ff). 454 Diese Auffassung für das Primärpflichtmodell im Sinne der Erstreckung von Schutzpflichten auf Dritte war auch in der einschlägigen Literatur bereits für das Recht vor Einführung des § 311 III S. 1 BGB meistens jedoch ohne besondere Begründung verbreitet, s. beispielsweise Larenz, Schuldrecht AT, § 17 II (S. 226); MüKo(4)/Kramer, Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 28; Palandt(65)/Grüneberg, § 328, Rn. 13; Palandt(65)/Heinrichs, § 241, Rn. 7. Auch der neue § 311 III S. 1 BGB, soweit er freilich auch das SSD erfasst, geht vom Primärpflichtmodell aus. Zur Bedeutung dieser Vorschrift für das SSD im Allgemeinen s. unten 4. Kapitel B.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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Zum richtigen Verständnis der richterlichen Ansicht zu dieser Problematik sind allerdings zwei Bemerkungen von Bedeutung. Zum einen scheint das bevorzugte Primärpflichtmodell keinen starren Rahmen für einen auf den Drittschutz gerichteten Parteiwillen zu bilden. Die Ansicht der Rechtsprechung zu Gunsten der Privatautonomie als Grundlage der Drittschutzwirkungen455 in Verbindung mit der Feststellung, dass die Favorisierung des Primärpflichtmodells keine grundsätzliche Ablehnung des Haftungsmodells mit sich bringt,456 deuten dahin, dass die Vertragsparteien (G und S) im Grunde genommen frei sind, entweder eine Primär(schutz)pflicht oder die Haftung des S unmittelbar für das Verhältnis zwischen S und D zu begründen. In beiden Fällen wird das gewünschte Endergebnis – direkter Schadensersatzanspruch des D gegenüber S nach Vertragshaftungsregeln – erzielt. Zum anderen hat die dogmatische Vorliebe der Rechtsprechung für die Annahme einer selbständigen Sorgfalts- bzw. Schutzpflicht des S unmittelbar gegenüber D (Primärpflichtmodell) sie nicht davon gehindert, Ersatzansprüche des D auch für Schäden anzuerkennen, die dadurch verursacht werden, dass S die dem G geschuldete Hauptleistung überhaupt nicht bewirkt.457 Allgemeiner betrachtet, hat die Rechtsprechung ein SSD auch in Fällen angenommen, in denen eine (ausdrücklich erwähnte oder möglicherweise unterstellte) Sorgfaltsbzw. Schutzpflicht des S gegenüber D nur den Inhalt haben könnte, dass eine Schädigung des D dadurch abgewehrt werden soll, dass S seine gegenüber G geschuldete Hauptleistung überhaupt bzw. vertragsgemäß erbringt.

IV. Einwendungsdurchgriff Wird ein SSD angenommen, so fragt es sich, ob Einreden und Einwendungen, die dem S aus seinem Verhältnis zu G zustehen, einen Einfluss auf den Schadensersatzanspruch des D ausüben können. Auf diese Frage antwortet die Rechtsprechung im Allgemeinen mit dem Richtsatz, dass dem geschützten Dritten (D) grundsätzlich keine weitergehenden Rechte zustehen als der unmittelbaren Partei des Schuldverhältnisses (G).458 Diese Begrenzung des Drittschutzes ___________ 455

s. oben 2. Kapitel B. I. 1. zum rechtsgeschäftlichen Modell. Vgl. die Entscheidungen in Fn. 453. 457 So etwa im sog. „Testamentsfall“ BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141 (142) – s. die Fallkonstellation oben 2. Kapitel A. III. 4., Fallkonstellation 23 – wird eine Sorgfaltspflichtverletzung des Anwalts (S) unmittelbar gegenüber der gewünschten Erbin (D) des Erblassers für den Fall angenommen, dass S die geschuldete Mitwirkung völlig unterlässt. S. ferner BGH v. 12.5.1980, BGHZ 77, 116 (124) – s. die Konstellation oben bei Fn. 51. 458 BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1061); BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (384 f); BGH v. 28.10.1986, NJW 1987, 1013; BGH v. 13.2.1975, NJW 1975, 867 456

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

sei sowohl dem Rechtsgedanken des § 334 BGB als auch dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu entnehmen.459 Damit wird also im Grunde genommen ein umfassendes Durchschlagen von Einreden und Einwendungen des S aus seinem Verhältnis zu G auf seine Beziehungen zu D befürwortet,460 wobei keine weiteren Bedingungen gestellt werden als das Bestehen des maßgeblichen Einwands.461 In Bezug auf die verwendete Argumentation ist eine Tendenz zu Gunsten des objektiven Rechts wegen der Anführung der §§ 242 und 334 BGB unverkennbar.462 Allerdings wäre mit dem Gesamtkonzept der Rechtsprechung (rechtsgeschäftliches Modell)463 auch die Interpretation vereinbar, dass der Vertrag zwischen G und S (VSD) dahin (erläuternd oder ergänzend) ausgelegt werden müsse, dass G mit der Vereinbarung der Drittschutzwirkung dem D keine weitergehenden Rechte einräumen möchte als die ihm selbst zustehenden.464 Auf der Basis eines umfassenden Einwendungsdurchgriffs werden die wichtigsten Aspekte465 der einschlägigen Problematik gelöst, nämlich das Problem der Auswirkungen einer Haftungsfreizeichnung (Haftungsausschluss oder -begrenzung) zu Gunsten des S sowie eines Mitverschuldens des G im Sinne von § 254 I BGB. Eine in diesem Zusammenhang einschlägige Haftungsfreizeichnung zu Gunsten des S muss im Rahmen des Schuldverhältnisses zwischen G und S gelten, welches Drittschutzwirkungen für D entfaltet. Ihre Grundlage kann sie entweder im Gesetz466 oder in der vertraglichen Vereinbarung der Par___________ (869); BGH v. 7.11.1960, BGHZ 33, 247 (250); OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (616); OLG Köln v. 20.10.1987, NJW-RR 1988, 335; OLG Hamm v. 26.5.1987, NJW-RR 1987, 1109 (1110); LG Mönchengladbach v. 31.5.1990, NJW-RR 1991, 415 (417). 459 BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1061); BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (384 f). S. auch BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269 (273 f); BGH v. 7.11.1960, BGHZ 33, 247 (250); OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (616); OLG Köln v. 4.6.1986, NJW-RR 1988, 157; OLG Hamm v. 26.5.1987, NJW-RR 1987, 1109 (1110). 460 s. die Entscheidungen in Fn. 458; s. außerdem BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1760); BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269 (273 f). 461 Vgl. aber OLG Köln v. 4.6.1986, NJW-RR 1988, 157: Das Durchgreifen der Haftungsfreizeichnung von § 599 BGB auf das Verhältnis des S zu D wird mit der Kenntnis des D bekräftigt, dass G das mangelhafte Motorrad entliehen hat – s. die Konstellation in Fn. 54. 462 Dies bestätigt außerdem die angenommene Möglichkeit der Vertragsparteien (G und S) zur Abbedingung des § 334 BGB, s. dazu sogleich unten. 463 s. oben 2. Kapitel B. I. 1. 464 Vgl. BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269 (273). 465 Ein weiterer Aspekt betrifft zwischen G und S vereinbarte Verjährungsfristen: Gemäß OLG Oldenburg v. 9.9.1997, NJW-RR 1998, 1746, gilt die vereinbarte Verjährungsfrist auch gegenüber D. 466 So etwa bei OLG Köln v. 4.6.1986, NJW-RR 1988, 157: § 599 BGB.

B. Die abstrakte Rechtsfigur

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teien (G und S)467 haben. In aller Regel dürfte eine solche Vereinbarung keine Unterscheidung zwischen der Haftung des S gegenüber seinem unmittelbaren Partner (G) und gegenüber dritten Personen enthalten; es ist allerdings denkbar, dass sie lediglich die Dritthaftung des S aus dem SSD ausschließen oder begrenzen soll.468 Nach der Rechtsprechung kann S eine Haftungsfreizeichnung aus seinem Schuldverhältnis zu G dem Dritten (D) ebenso entgegenhalten wie seinem unmittelbaren Schuldverhältnispartner selbst (G).469 Genauso wie allgemein bei Einwendungen aus dem Schuldverhältnis zwischen S und G soll aufgrund einer Haftungsfreizeichnung nicht die Einbeziehung des D in das fremde Schuldverhältnis an sich, sondern lediglich die Haftung des S beeinflusst (insbesondere ausgeschlossen) werden.470 Im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Modells ist jedoch auch möglich, einen vereinbarten Haftungsausschluss als Indiz dafür zu bewerten, dass die Dritteinbeziehung von den Vertragsparteien gar nicht gewollt sei;471 dieses Ergebnis dürfte vor allem bei einer isoliert die Außenhaftung des S betreffenden Freizeichnung nahe liegen. Als eine Einwendung aus dem Verhältnis zwischen G und S behandelt die Rechtsprechung die Berufung des S auf ein Mitverschulden des G im Sinne von § 254 I BGB. Demnach müsse sich also D ein Mitverschulden des G und infolgedessen eine entsprechende Minderung seines Schadensersatzanspruchs gegen S gemäß § 254 BGB entgegenhalten lassen,472 und zwar unabhängig davon, ob ___________ 467

So etwa bei BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269. Diese Konstellation kommt in der Rechtsprechung kaum vor; vgl. aber BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 – s. dazu Fn. 202. In Bezug auf diese Entscheidung ist fraglich, ob man die die Rechte Dritter ausschließende Regelung im Lastschriftabkommen dahin auslegen soll, dass sie die Drittschutzwirkung der dem konkreten Lastschriftvorgang zugrunde liegenden Verträge abwehren soll (dafür etwa Bayer, JuS 1996, 476, Plötner, S. 85), oder hingegen eher im Sinne des BGH dahin verstehen muss, dass sie allein die im Lastschriftabkommen speziell geregelten Bestimmungen betrifft (so mit guten Argumenten Schürmann, S. 182 ff). Folgt man der ersten Interpretation, so ist die Entscheidung des BGH, der die Drittschutzwirkung von der betreffenden Bestimmung im Lastschriftabkommen unberührt lässt, im Ergebnis als eine Ablehnung der Zulässigkeit einer Haftungsfreizeichnung zu betrachten, die die Haftung des S isoliert gegenüber Dritten ausschließen sollte. 469 BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (385); BGH v. 28.10.1986, NJW 1987, 1013; BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1760); BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269 (273 f); OLG Köln v. 4.6.1986, NJW-RR 1988, 157. 470 Zur Unterscheidung zwischen der Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich eines Vertrages und der daraus resultierenden Schuldnerhaftung s. bereits oben 1. Kapitel. 471 So die Betrachtungsweise bei BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269 (273). 472 BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1061); BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (385); BGH v. 13.2.1975, NJW 1975, 867 (869); BGH v. 7.11.1960, BGHZ 33, 247 (250); OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (616); OLG Köln v. 20.10.1987, NJW-RR 1988, 335; LG Mönchengladbach v. 31.5.1990, NJW-RR 1991, 415 (417). 468

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2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

G gesetzlicher Vertreter oder Erfüllungsgehilfe des D im Sinne von § 254 II 2 i.V.m. § 278 BGB ist.473 Natürlich ist hier streng von einem Mitverschulden des geschädigten Dritten (D) selbst zu unterscheiden; im letzteren Fall ist nach den allgemeinen Regeln zu verfahren: Minderung des Schadensersatzanspruches des D aufgrund unmittelbarer Anwendung des § 254 BGB.474 Gemäß der Rechtsprechung stellt der Grundsatz, dass sich eine Haftungsfreizeichnung zu Gunsten des S oder ein Mitverschulden des G auf den Schadensersatzanspruch des D gegen S auswirken, nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) kein unverrückbares Prinzip dar. Ebenfalls könne die entsprechende Anwendung des § 334 BGB – auch stillschweigend – von den Vertragsparteien (G und S) abbedungen werden.475 Eine solche Abbedingung hat die Rechtsprechung Gutachtenverträgen476 für den Fall entnommen, dass G seinem Vertragspartner, dem Sachverständigen S, bewusst falsche Angaben über das zu begutachtende Objekt macht bzw. arglistig einschlägige Tatsachen verheimlicht, was zu einem falschen Gutachten und anschließend zur Schädigung des D führt.477

C. Funktionelle Betrachtung Angesichts der Anwendungsvoraussetzungen478 und des Anwendungsfelds479 des SSD in der Rechtsprechung ist auffällig, dass das Rechtsinstitut zur Bewältigung verschiedenartiger Konstellationen verwendet wird. Eine nähere Untersuchung könnte zwei hauptsächliche Funktionen aufzeigen, die das SSD erfüllt. Grob gesehen entsprechen sie den zwei Voraussetzungssystemen, nach denen die Gerichte bei der Frage nach dem Vorliegen eines SSD vorgehen.480 Einerseits handelt es sich um das herkömmliche Verständnis zur Rolle des SSD in der Rechtsordnung. Dieses Verständnis, welches das klassische Voraussetzungssystem481 entscheidend geprägt hat, steht in enger Verbindung mit den ___________ 473 BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1061); BGH v. 13.5.1997, DNotZ, 1997, 791 (793); BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (385); BGH v. 7.11.1960, BGHZ 33, 247 (250); OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (616). 474 BGH v. 2.12.1999, JZ 2000, 469 (471); BGH v. 28.5.1957, BGHZ 24, 325 (328); OLG Düsseldorf v. 9.12.1964, NJW 1965, 539 (541). 475 BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (385 f); BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1061); OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (616). 476 s. die typische Lage oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15 – „Gutachtenfälle“. 477 s. die Entscheidungen in Fn. 475. 478 s. oben 2. Kapitel B. II. 479 s. oben 2. Kapitel A. 480 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a) und b). 481 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a).

C. Funktionelle Betrachtung

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Sachverhalten zusammen, die das Anwendungsfeld des SSD am Beginn seiner Entwicklung gebildet haben – insbesondere Konstellationen mit Personenschäden.482 Im Rahmen dieses Verständnisses wird zwar eine Vertragsnähe des Dritten (D) sowohl in objektiver (Stichwort: Leistungsnähe) als auch in subjektiver Hinsicht (Stichwort: Drittschutzinteresse) gefordert, der Argumentationsschwerpunkt liegt jedoch in der – freilich anhand objektiver Sachverhaltsmerkmale (vgl. Fürsorgeverhältnis) zu ermittelnden – subjektiven Vertragsnähe. Als objektive Vertragsnähe wird hier hauptsächlich die räumliche Nähe zur Vertragsvorbereitung bzw. -durchführung verstanden. D muss von der Vorbereitung (vgl. Vertragsverhandlungen) oder der Durchführung des Vertrages von G und S in dem Sinne erfasst sein, dass seine – insbesondere absolut geschützten – Güter von einer Sorgfaltsverletzung des S gefährdet sind.483 Trotz der abstrakten Anforderung einer „Leistungsnähe“ ist es im Rahmen des klassischen Verständnisses im Ergebnis eigentlich irrelevant, in welchem Verhältnis die drittschädigende Sorgfaltsverletzung des S zur Hauptleistung steht.484 Im Hinblick auf diese Anforderungen wird die Funktion des SSD im Rahmen des herkömmlichen Verständnisses klar: Von ihrer subjektiven Vertragsnähe bedingter Schutz der eigenen Leute des G (insbesondere seiner Verwandten und Arbeitnehmer), die wegen ihrer objektiven Vertragsnähe in Mitleidenschaft gezogen werden können, wenn S seinen (vor-)vertraglichen Pflichten nicht nachkommt. Im Ergebnis bezweckt das SSD also den Schutz des G selbst, indem seinem Interesse bzw. seiner Verantwortlichkeit (vgl. § 618 BGB im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer) für das Wohlergehen des D Rechnung getragen wird (Drittschutz im Gläubigerinteresse).485 Die eigenen Schutzinteressen des D spielen dementsprechend nur mittelbar eine Rolle, indem die Interessen bzw. die Verantwortlichkeit des G auf sie gerichtet sind, bzw. indem ihre Verletzung die moralischen oder rechtlichen Belange des G selbst beeinträchtigt. Unter diesem Blickwinkel muss die sehr selektive Anwendung der Voraussetzung der Schutzbedürftigkeit486 in Bezug auf die hier einschlägigen Konstellationen eigentlich nicht verwundern: Da es letzten Endes um die Wahrung der ___________ 482 s. Fn. 19. Ausschließlich solche Falllagen haben die Rechtsprechung auch vor der Verselbständigung des SSD gegenüber dem berechtigenden Vertrag zu Gunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB (s. oben 2. Kapitel B. I. 1.) beschäftigt, s. Hirth S. 33. 483 Vgl. oben 2. Kapitel B. II. 1. a) zum Erfordernis der bestimmungsgemäßen Leistungsnähe. 484 Vgl. insbesondere oben 2. Kapitel A. II. 3., Fallkonstellation 9 – „Haftung des Dienstberechtigten bzw. Werkbestellers“: Die Sorgfaltsverletzung des S (Dienstberechtigten bzw. Werkbestellers) hat mit seiner Hauptleistung (Vergütungsentrichtung – s. §§ 611 I und 631 I BGB) nichts zu tun. 485 Den Begriff hat Badde, S. 130, angeführt. Vgl. Papst, S. 30 f: „abgeleitetes Drittschutzkonzept“. 486 s. oben 2. Kapitel B. II. 2.

108

2. Kap.: Das SSD in der Rechtsprechung

Interessen des G selbst geht, würde es dieser Zwecksetzung eigentlich widersprechen, den durch die Annahme eines SSD gewährten Schutz deshalb zu verneinen, weil D (etwa als Arbeitnehmer) einen Schadensersatzanspruch gegen G selbst (etwa als Arbeitgeber, s. § 618 BGB) hat.487 Ein davon abweichendes Verständnis über die funktionelle Stellung des SSD lässt sich andererseits im neueren Voraussetzungssystem488 spüren. In seinem Rahmen wird der Schwerpunkt von der subjektiven (Gläubigerinteresse am Drittschutz) auf die objektive Vertragsnähe (Leistungsnähe) des D verlegt, die nunmehr die entscheidende Rolle für die Begründung der Drittschutzwirkungen spielt. Sie ist nicht mehr hauptsächlich als räumliche Nähe bei der Vertragsvorbereitung oder Durchführung gemeint, sondern eher mit einem besonderen Verhältnis des D zur vertraglichen Leistung als das Ergebnis der Schuldnertätigkeit verbunden.489 Maßgeblich scheint hier eher die Sorgfalt zu sein, welche die vertragsgemäße Leistungserbringung durch den Schuldner in sich verkörpert, als die Sorgfalt, welche bei oder unabhängig von der Leistungserbringung an sich zu beachten ist.490 Demgegenüber spielt die subjektive Vertragsnähe keine zentrale Rolle mehr: Eine besondere Beziehung des D zu einer der Vertragsparteien bzw. ein besonderer Interessenzusammenhang zwischen G und D wird hier nicht verlangt. Diese Wandlung bestätigen im Rahmen der richterlichen Vorgehensweise die Unerheblichkeit eines möglichen Interessengegensatzes zwischen G und D für den Drittschutz sowie die Entfernung des angenommenen Gläubigerinteresses vom offensichtlichen realen Willen des G.491 In Bezug auf die Aufgaben, die der VSD erfüllt, bedeutet diese Änderung, dass der Drittschutz tatsächlich um des Dritten willen erfolgt: Durch die Annahme der Drittschutzwirkung wird hier nicht (vornehmlich) die mittelbare Befriedigung eines Gläubigerinteresses, sondern primär die Wahrung der Drittbelange selbst bezweckt (Drittschutz im Drittinteresse).492 Von diesem Standpunkt her erscheint auch ___________ 487 Vgl. Badde, S. 141. Mit dieser Überlegung wird auch die Schlussfolgerung gezogen, dass sich die Voraussetzung der Schutzbedürftigkeit des D nur schwer mit dem rechtsgeschäftlichen Begründungsmodell der Rechtsprechung vereinbaren lässt, s. oben 2. Kapitel B. II. 3. 488 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. b). 489 Vgl. oben 2. Kapitel B. II. 1. b) bb). zur inhaltlichen Erweiterung der Voraussetzung der Leistungsnähe. 490 Diese auf jeden Fall unscharfe Unterscheidung lässt sich ansatzweise etwa in den Fällen schädigender Auskunftserteilung (s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellationen 15-17) im Vergleich zu vielen Fällen der Fallkonstellation 6 – „Sorgfaltsverletzungen des zur Werkherstellung bzw. zur Dienstleistung Verpflichteten“ oder zu den Fällen der Fallkonstellation 9 – „Haftung des Dienstberechtigten bzw. Werkbestellers“ (s. oben 2. Kapitel A. II. 3.) nachvollziehen. 491 s. dazu oben 2. Kapitel B. II. 1. b) aa). 492 Der Begriff stammt von Badde, S. 141. In diesem Sinne auch Papst, S. 30 f; Plötner, S. 69 f; Erman(11)/Westermann, § 328, Rn. 13.

C. Funktionelle Betrachtung

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die Voraussetzung der Schutzbedürftigkeit sinnvoll: Wird D für nicht schutzwürdig gehalten, weil er einen ausreichenden anderweitigen Schadensersatzanspruch hat,493 so entfällt infolgedessen auch jede Notwendigkeit für die Annahme eines VSD. Sogar der Umstand, dass die Interessen des G bei fehlender Schutzbedürftigkeit des D und Ablehnung des Drittschutzes beeinträchtigt werden,494 kann angesichts der Absicht eines Drittschutzes im Drittinteresse konsequenterweise kein abweichendes Ergebnis rechtfertigen.

___________ 493

s. oben 2. Kapitel B. II. 2. Etwa weil D deshalb seinen Schadensersatzanspruch nicht bei S, sondern bei G geltend machen wird – s. dazu oben 2. Kapitel B. II. 3. 494

3. Kapitel

Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen A. Die Notwendigkeit einer dogmatischen Erklärung Unabhängig davon, mit welchen Überlegungen sich das jeweilige Ergebnis in den Drittschutzfällen1 begründen lässt, leuchtet in vielen Konstellationen unmittelbar ein, dass die Drittschutzwirkung aus guten Gründen angenommen wird.2 Es scheint z.B. logisch, dass der Vermieter (S) einer Wohnung sowohl dem Mieter (G) als auch dessen Ehefrau (D) gegenüber nach denselben (mietvertraglichen – s. §§ 536 ff BGB) Regeln haften soll, wenn G oder D wegen Mängel der Wohnung Personenschäden erleiden.3 Im Hinblick darauf, dass das erzielte Ergebnis oft befriedigend erscheint bzw. weitgehend Zustimmung in der Literatur findet, fragt es sich, ob man sich mit dieser Feststellung begnügen und anhand bereits entschiedener auch künftige Fälle beurteilen sollte oder ob man trotzdem eine dogmatische Erklärung der Drittschutzwirkungen wirklich versuchen muss. Diese Frage darf angesichts der Bedeutung einer zutreffenden dogmatischen Begründung jeder Entscheidung, die in Bezug auf Rechtsprobleme getroffen wird, m.E. eindeutig nur dahin beantwortet werden, dass eine überzeugende dogmatische Einordnung und Umgrenzung des SSD unbedingt notwendig ist.4 Dabei handelt es sich vornehmlich um die Frage nach den Rechtsfindungskriterien: Art. 20 III GG gebietet ausdrücklich, dass die Gerichte an Gesetz und Recht gebunden sind (s. auch Art. 97 I GG), so dass sich jede Entscheidung danach richten muss, die sie treffen. Damit wird aber gleichzeitig besagt, dass die gesamte Rechtsordnung das für eine Rechtsentscheidung ausschließlich maßgebliche Wertesystem bildet. Die dogmatische Begründung einer Rechtsentscheidung ist unter diesem Blickwinkel keineswegs ein juristisches Denkspiel, sondern ein unabdingbarer Begründungsvorgang, aufgrund dessen die Übereinstimmung der maßgeblichen Entscheidung mit der geltenden Rechtsordnung ___________ 1

s. oben 2. Kapitel A. ǿǿ. und ǿǿǿ. s. auch Bayer, S. 192; Palandt(65)/Grüneberg, § 328, Rn. 14; Eckebrecht, MDR 2002, 426; Staudinger(1994)/Kaduk, Vorbem. zu §§ 328 ff, Rn. 78a. Vgl. ferner die grundsätzliche Anerkennung der Rechtsfigur des SSD im Schrifttum, s. 1. Kapitel Fn. 2. 3 s. oben 2. Kapitel A. II. 1., Fallkonstellation 1 – „Gemietete Sachen“. 4 So auch Plötner, S. 23; Bell, S. 86 f. 2

A. Die Notwendigkeit einer dogmatischen Erklärung

111

nachgewiesen bzw. nachvollzogen wird. Dadurch wird überprüft,5 ob ein bestimmtes Beurteilungsergebnis den Geboten des Rechts entspricht und deshalb auch legitimiert ist. Gleichzeitig dient die Klarheit über die dogmatische Begründung einer Entscheidung der konsequenten Rechtsanwendung unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots (Art. 3 I GG):6 Durch die Eingliederung jeder Entscheidung in die gesamte Rechtsordnung werden gleiche Ergebnisse in wesentlich gleich gelagerten Fällen erzielt und somit der Verdacht der Willkür abgewendet. Dass auf diese Weise die Rechtssicherheit erheblich gefördert wird, weil immer das gleiche Wertesystem angewendet wird, versteht sich ferner von selbst. Die Bezugnahme auf abstrakte Gerechtigkeitsvorstellungen genügt diesen Anforderungen dagegen nicht. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines plausiblen dogmatischen Modells zur Erklärung der Drittschutzwirkungen. An seinem Maßstab ist nicht nur die Überprüfung bereits getroffener Urteile sondern auch die rechtssystemkonforme Behandlung künftiger Fälle vorzunehmen. Letzteres Anliegen allein aufgrund von Präzedenzfällen zu realisieren ist hingegen deshalb schwierig, weil sogar bei der gleichen Grundkonstellation oft erhebliche Unterschiede in Bezug auf die geschädigten und möglicherweise geschützten Dritten entstehen können. So hat die Rechtsprechung etwa in den Gutachtenfällen7 bis zum Urteil des BGH vom 13.11.1997 nur denjenigen Dritten für schutzwürdig gehalten, dem das Gutachten als Entscheidungsgrundlage vorgelegt wurde. Erst in diesem Urteil hat man die Schutzwirkung des Gutachtenvertrages neben diesem Dritten auf eine weitere („vierte“) Person ausgedehnt, die für den gewährten Kredit ohne Kenntnis des Gutachtens gebürgt hat.8 Folgerichtig ist in diesem Abschnitt der Versuch zu unternehmen, bereits vorgeschlagene Erklärungsmodelle auf ihre dogmatische Richtigkeit und Konsequenz hin zu überprüfen. Dabei liegt zwar der Schwerpunkt auf der Rechtsprechung, da sie das Verständnis über die Stellung des SSD in der Rechtsordnung entscheidend beeinflusst. Es werden jedoch auch einschlägige Meinungen in der Literatur berücksichtigt. Es kann allerdings nicht auf alle möglichen dogmatischen Erklärungsmodelle, die im Schrifttum überhaupt vorgeschlagen worden sind, geschweige denn auf die einzelnen Nuancen jedes Erklärungsversuchs eingegangen werden. Angesichts der kaum mehr überschaubaren Literatur würde eine solche Absicht, wenn sie überhaupt realisierbar wäre, die Grenzen dieser Arbeit bei weitem überschreiten. Vielmehr beabsichtigen die folgenden ___________ 5 Zur Kontrollfunktion der Rechtsdogmatik im Allgemeinen vgl. etwa Alexy, S. 322 ff sowie 331 f. 6 Vgl. Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 518. 7 s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15. 8 s. oben 2. Kapitel bei Fn. 168. Vgl. in diesem Zusammenhang ferner das Beispiel in 2. Kapitel Fn. 18.

112

3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

Ausführungen eher eine exemplarische Andeutung wichtiger Gesichtspunkte als die abschließende Darstellung und Kritik einschlägiger Meinungen. Angesprochen werden hier die Vertragsauslegung9 und die richterliche Rechtsfortbildung10 als mögliche Ansatzpunkte für die Begründung des SSD. Demgegenüber wird insbesondere die Ansicht außer Acht gelassen, das SSD sei gewohnheitsrechtlich gefestigt.11 Denn die Vertreter dieser Ansicht beabsichtigen nicht, das SSD in seinem ganzen Anwendungsspektrum gewohnheitsrechtlich zu begründen. Es sollen sich vielmehr nur kleine Teilbereiche des SSD, vornehmlich in Bezug auf die Drittschutzwirkung von Mietverträgen über Wohnungen, von Beförderungsverträgen und von auf eine ärztliche Betreuung gerichteten Verträgen ausreichend verfestigt haben.12 Darüber hinaus können an dieser Stelle keine Vorschläge angesprochen werden, die das Rechtsinstitut des SSD für bestimmte Fallgruppen ganz oder teilweise ablösen wollen, indem sie ähnliche oder sogar die gleichen Ergebnisse mit Hilfe einer anderen Rechtsgrundlage (etwa deliktsrechtlich) begründen sollen, da sie die Rechtsfigur des SSD an sich nicht berühren.

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung Es ist bereits gezeigt worden, dass die Rechtsprechung die Drittschutzwirkungen hauptsächlich mittels Vertragsauslegung (rechtsgeschäftliches Modell) erklärt.13 Des rechtsgeschäftlichen Modells bedient man sich außerdem häufig ___________ 9

s. unten 3. Kapitel B. s. unten 3. Kapitel C. Insbesondere zur Heranziehung von § 242 BGB als Rechtsfortbildungsbasis s. unten 3. Kapitel C. III. 1. 11 Grundlegend Gernhuber, FS Nikisch, S. 268. S. ferner Keller, S. 78 sowie 122; Blomeyer, § 42 IV 3; MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 102; Staudinger(2004)/Jagmann, § 328, Rn. 91; Staudinger(1994)/Kaduk, Vorbem. zu §§ 328 ff, Rn. 80; Fikentscher, Methoden III, S. 697; Lorenz, JZ 1966, 143; Canaris, JZ 1965, 478; Wiegand, S. 112 f; Riesenhuber, S. 155. Mit einer gewissen Zurückhaltung eher für dieses Modell auch Weimar, VersR 1960, 777 und Bayer, JuS 1996, 477 („fast Gewohnheitsrecht“); Larenz, Schuldrecht AT, § 17 II Fn. 22 („vielleicht“); Hirth, S. 100 f und Strauch, JuS 1982, 826 (Ablehnung des Gewohnheitsrechts lediglich in Bezug auf das ganze Spektrum des SSD); Westermann, FS Honsell, S. 138. Ausdrücklich dagegen Soergel/Hadding, Anh. § 328, Rn. 8; Erman(10)/Werner, § 241, Rn. 3; Kümmeth, S. 111 ff; Winterfeld, S. 54 f; Dahm, S. 35 ff; Ziegler, S. 42 f; Dickes, S. 52 f; Urban, S. 110; Assmann, JuS 1986, 887; Keitel, S. 74 ff; Puhle, S. 39 ff; Papst, S. 184; Ziegltrum, S. 143 ff. 12 Gernhuber, FS Nikisch, S. 269; seine Auffassung dürfte sich nur auf Fälle mit Personenschäden beschränken, da dies dem damaligen Stand (1958) der Rechtsprechung entsprach. So tatsächlich Staudinger(1994)/Kaduk, Vorbem. zu §§ 328 ff, Rn. 80: Fälle mit Personenschäden Dritter wegen Verletzung von Verhaltens- und Sorgfaltspflichten (ebenso Staudinger(2004)/Jagmann, § 328, Rn. 91). 13 s. oben 2. Kapitel B. I. 1. 10

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

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im Schrifttum.14 Trotz der verschiedenen Nuancen jedes Erklärungsansatzes ist die grundlegende Gemeinsamkeit des Abstellens auf die Vertragsauslegung bei weitem die prägende Eigenschaft. Diesbezüglich betreffen die folgenden Ausführungen im Grunde genommen alle entsprechenden Vorschläge;15 was jedoch die Beurteilung einzelner Argumente angeht, beziehen sie sich ausschließlich auf die Ausführungen der Rechtsprechung.

I. Grundsätzliche Orientierung der Vertragsauslegung an den Parteiinteressen Der Grundsatz der Vertragsfreiheit ist anerkanntermaßen ein wichtiger Bestandteil der Privatautonomie.16 Die Vertragsparteien können dementsprechend ihre Rechtsbeziehungen grundsätzlich frei bestimmen; deshalb kann man die Vertragsfreiheit als ein wichtiges Mittel zur Selbstverwirklichung ansehen (vgl. Art. 2 I GG). Innerhalb der allgemein geltenden Grenzen – s. insbesondere §§ 134 und 138 BGB – dürfen die Vertragsschließenden durch vertragliche Vereinbarungen die eigenen Interessen ohne Rücksicht darauf verfolgen, was nach den Interessen anderer erwünscht wäre.17 Sie sind also innerhalb dieser Grenzen prinzipiell von Rechts wegen nicht verpflichtet, allgemein- bzw. drittnützlichen Zwecken durch vertragliche Regelungen nicht zu widersprechen oder gar ihnen zu dienen. Dies ist wegen des das Schuldrecht dominierenden18 Relativitätsprinzips und des Verbots von Verträgen zulasten Dritter grundsätzlich auch nicht problematisch. Daraus ergibt sich der allgemeine Auslegungsgrundsatz, nach welchem dem Vertrag, als privatautonome Selbstbestimmungsform, im Zweifel der Inhalt zu entnehmen ist, der den eigenen Interessen der Vertragsparteien am besten entspricht. Die Vertragsparteien dürfen zwar aufgrund der grundsätzlichen Vertragsfreiheit freilich (auch) rein altruistische Zwecke verfolgen, im Grunde auch durch Vernachlässigung ihrer eigenen Interessen.19 Das Vorliegen des entsprechenden Parteiwillens dürfte jedoch eher die Ausnahme darstellen. Demzufolge ___________ 14 s. etwa Palandt(65)/Grüneberg, § 328, Rn. 14; Soergel/Hadding, Anh. § 328, Rn. 7; Staudinger(2004)/Jagmann, § 328, Rn. 94; Staudinger(1994)/Kaduk, Vorbem. zu §§ 328 ff, Rn. 80; Dahm, S. 75 ff; Sutschet, S. 96 ff; Bell, S. 93. 15 Vgl. Kümmeth, S. 98 f. 16 s. nur Larenz, Schuldrecht AT, § 4 (S. 41). Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung s. 2. Kapitel Fn. 263. 17 Vgl. Canaris, ZHR 163 (1999), 216; Keitel, S. 110. 18 Vgl. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 34, Rn. 46. 19 Streng genommen könnte man auch hierbei von Verfolgung eigener moralischer Interessen sprechen, die geradezu auf die Verwirklichung altruistischer Zwecke gerichtet sind.

114

3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

können etwaige Drittinteressen den Vertragszweck in der Regel nur mittelbar beeinflussen, indem sie in den eigentlichen Interessen der Vertragsschließenden ausreichenden Ausdruck finden; sie werden folglich nur indirekt durch die Verfolgung der eigenen Parteiinteressen wahrgenommen. Insofern hat man die vertragliche Verfolgung von Drittinteressen an sich – d.h. unabhängig von der Förderung eigener Belange – als (Haupt- oder Neben-)Vertragszweck bei der Vertragsauslegung im Zweifel abzulehnen: Sowohl bei der erläuternden als auch bei der ergänzenden Vertragsauslegung muss man, sofern nicht anders zu entnehmen ist, davon ausgehen, dass die Vertragsparteien (G und S) sich nach den eigenen Interessen ausrichten. Damit hängt ferner die Anforderung zusammen, dass man bei der Begründung einer nicht ausdrücklich festgelegten, drittschützenden vertraglichen Regelung allein Gesichtspunkte berücksichtigen darf, die auf eine Verbindung zwischen den Dritt- und den Parteiinteressen hinweisen.20 Man darf hingegen keine Argumente verwenden, welche die Drittschutznotwendigkeit nur aus dem Blickwinkel des Dritten21 oder aufgrund allgemeiner Gerechtigkeits- bzw. Zweckmäßigkeitsüberlegungen begründen sollen. Demnach erscheint die allgemeine Bemerkung gerechtfertigt, dass der Vertrag als Drittschutzgrundlage desto weniger geeignet ist, je mehr man den Blick von den durch den Vertrag zum Ausdruck kommenden Interessen der Parteien (G und S) auf die eigenen Belange des D bzw. auf allgemeine Zweckmäßigkeitsüberlegungen außerhalb der Parteiinteressen verstellt, oder, anders formuliert, je mehr man die Drittschutzwirkung im Gläubigerinteresse zu Gunsten der Drittschutzwirkung im Drittinteresse aufgibt.22 Im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Modells ist also die Tendenz, die Leistungsnähe des D als das für die Drittschutzwirkung allein entscheidende Sachverhaltsmerkmal anzusehen,23 wenig konsequent, denn die Leistungsnähe an sich besagt eigentlich nichts über das Interesse oder den Willen einer der Vertragsschließenden (G oder S) für den Schutz des D. Folglich ist das klassische Voraussetzungsmodell in seinen Grundzügen (Stichwort: Fürsorgeverhältnis bzw. Gläubigernähe des Dritten)24 angesichts der vertraglichen Drittschutzgrundlage insgesamt für dogmatisch konsequenter zu halten als das neuere, das sich eher nach den eigentlichen Drittinteressen orientiert (Stichwort: objektive Leistungsnähe).25 Die Richtigkeit ___________ 20 So auch die in Fn. 70 erwähnten Autoren. A.A. Sutschet, S. 109 – seine Berufung auf Bayer, JuS 1996, 477, ist irrelevant, da sich Bayer insoweit nicht auf das rechtsgeschäftliche Modell bezieht. Es ist allerdings m.E. unklar, was unter dem Vertragszweck, den Sutschet (s. etwa S. 109) als den maßgeblichen Auslegungsmaßstab vorschlägt, gemeint sein kann, wenn die Parteiinteressen darin nicht einbezogen sein sollen. 21 Vgl. MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 112; Hennrichs, FS Hadding, S. 888 f. 22 Zu dieser Unterscheidung s. oben 2. Kapitel C. 23 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. b) bb). 24 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a). 25 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. b) bb).

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

115

dieser Feststellung wird m.E. auch durch das ständige Anliegen der Rechtsprechung bestätigt, durch die Konstruierung eines Interesses des G für den Schutz des D die Grenzen des rechtsgeschäftlichen Modells nicht zu überschreiten.26 Der gleichen Kritik ausgesetzt ist in diesem Zusammenhang die allgemeine Ablehnung der Drittschutzwirkung bei fehlender Schutzbedürftigkeit des D.27 Sofern man also nach Anhaltspunkten sucht, die den Drittschutz im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Modells untermauern können, ist praktisch nur das Verhältnis des G28 zu D von Bedeutung,29 sofern sich darin ein Interesse des G für den Drittschutz begründen lässt. Es ist allerdings von zentraler Bedeutung hervorzuheben, dass eine Vertragsregelung im Sinne des SSD nicht allein deswegen geboten ist, weil die Bedingung ausreichender Gläubigerinteressen für die Belange des D erfüllt ist. Man muss bei der Beurteilung der Interessenlage vielmehr davon ausgehen, dass die maßgeblichen Interessen, um die es in diesem Zusammenhang überhaupt geht, objektiv betrachtet auch unabhängig von Drittberechtigungen befriedigt werden können: Dafür muss man lediglich innerhalb des Schuldverhältnisses zwischen G und S und somit bei Bewahrung des Relativitätsprinzips Pflichten des S allein gegenüber G selbst annehmen, deren Gegenstand die primäre Rücksichtnahme für die Belange des D ist. Primärer Drittschutz wird somit allein demjenigen (G) gegenüber geschuldet, dessen Interesse die betreffende Rücksichtnahmepflicht bedingt, und im Falle einer Pflichtverletzung darf er (G) auch vollständigen Schadensersatz vom Schädiger (S) verlangen. Eine unmittelbare Drittberechtigung aufgrund von Vertragsauslegung ist also nach § 157 BGB insofern abzulehnen, als die dadurch beabsichtigte Durchbrechung des Relativitätsprinzips in aller Regel über die Bewahrung der einschlägigen Interessen des G selbst hinausgeht. Freilich werden dadurch die eigenen Interessen des D un___________ 26

Besonders deutlich kommt dieser Versuch etwa in den „Gutachtenfällen“ (s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15) zu Tage – s. oben 2. Kapitel B. II. 1. b) aa). Inwiefern das maßgebliche Gläubigerinteresse in diesen Fällen tatsächlich besteht, ist später [s. unten 3. Kapitel B. III. 3. a) bb)] zu untersuchen. 27 s. oben 2. Kapitel B. II. 2. und 3. 28 s. aber Lang, WM 1988, 1006: Der Sachverständige (S) soll in den Gutachtenfällen (s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15) ein Interesse daran haben, die eigene Haftung zu vereinbaren, damit man ihn am Markt ernst nimmt und damit seine Dienste wieder in Anspruch genommen werden. Diese Ansicht, die im Grunde genommen für alle in der Öffentlichkeit auftretenden Berufsträger Geltung beanspruchen dürfte, ist m.E. eindeutig wirklichkeitsfremd; gerechtfertigt ist also die scharfe Kritik von Papst, S. 103 (insbesondere Fn. 505) und Schmitz, DB 1989, 1913. Hat S ganz ausnahmsweise ein Interesse an der eigenen Haftung gegenüber D, dann könnte er jederzeit und somit auch nachträglich, nämlich nach dem Schadenseintritt, eine Schadensersatzpflicht direkt gegenüber D übernehmen. 29 Die alleinige Maßgeblichkeit des Verhältnisses zwischen G und D hat im Rahmen des klassischen Voraussetzungssystems konsequenterweise auch die Rechtsprechung betont, s. 2. Kapitel Fn. 322.

116

3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

berücksichtigt gelassen. Gerade dies wird aber durch die hier vertretene Auffassung bezweckt: Die Vertragsauslegung muss genuine Drittinteressen außer Acht lassen.30 Damit die Berücksichtigung von Gläubigerinteressen im Rahmen der Vertragsauslegung ausnahmsweise die unmittelbare Drittberechtigung erforderlich macht, müssen besondere Umstände hinzutreten. Es muss sich eine außergewöhnliche Interessenlage feststellen lassen, aufgrund deren den Belangen des G nur dann wirklich Rechnung getragen werden kann, wenn dem D unmittelbare Schadensersatzansprüche gegen S zuerkannt werden. Diese Interessenlage dürfte etwa dann vorliegen, wenn das auf dem Relativitätsprinzip aufbauende gesetzliche Konzept und die Drittschadenskompensation mit Hilfe einer Haftungskette aufgrund von § 278 BGB (Haftung des G gegenüber D und Haftung des S gegenüber G) im konkreten Fall aus rechtlichen, moralischen oder tatsächlichen Gründen völlig unzureichende Lösungen bieten würde. So bestehen etwa bei einem familiären Verhältnis zwischen G und D häufig gewichtige moralische Hindernisse für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zwischen G und D, wenn solche Ansprüche im konkreten Fall überhaupt begründet werden können.31 Diese Überlegungen sind nicht allein in Zusammenhang mit der Vertragsauslegung, sondern in allen Fällen zugrunde zu legen, in denen bzw. soweit die Drittberechtigung im Sinne des SSD allein mit den Gläubigerinteressen am Drittschutz gerechtfertigt werden soll. Da sie lediglich eine Analyse der einschlägigen Interessenlage darstellen, ist ihre Maßgeblichkeit unabhängig von der Rechtsgrundlage gegeben, aufgrund deren – etwa der Anwendung von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB32 – die Berücksichtigung der Parteiinteressen jeweils erfolgt.

___________ 30 Außerdem ist auf der Grundlage des rechtsgeschäftlichen Modells (s. oben 2. Kapitel B. I. 1.) der Ablehnung des Drittschutzes durch die Rechtsprechung in Fallkonstellation 3 – „Vorsichtslose Mitmieter“ (s. oben 2. Kapitel A. II. 1., Fn. 59) zuzustimmen, da sich kein ausreichendes Interesse des Vermieters (G) für die unmittelbare Berechtigung des D gegenüber S feststellen lässt: Eine streng im zweipoligen Rahmen des Mietverhältnisses zwischen G und S bestehende Verpflichtung des S zur Wahrnehmung der Interessen seiner Mitmieter und gegebenenfalls zur Entschädigung des G bei Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches durch den geschädigten Mitmieter D gegen G würde völlig ausreichen. 31 Vgl. etwa das Beispiel von Badde, S. 139. 32 s. dazu unten 3. Kapitel C. III. 1. b).

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

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II. Allgemeine Zulässigkeit einer Drittschutzabrede Hinsichtlich der abstrakten Möglichkeit der Vertragsparteien (G und S), den Drittschutz zu Gunsten des D vertraglich zu vereinbaren und somit ohne weitere Bedingungen einen VSD zu begründen, besteht durchaus Einigkeit:33 Dass das der Rechtsprechung zugrunde liegende rechtsgeschäftliche Modell also an sich stimmig ist, steht außer Zweifel.34 Diese Feststellung betrifft auch die Autoren, die sich gegen die Herleitung der Drittschutzwirkung aus den vertraglichen Vereinbarungen äußern.35 Tritt also der auf den Drittschutz gerichtete rechtsgeschäftliche Parteiwille mit der erforderlichen Klarheit hervor, dann dürfte jeder Einwand gegen die Annahme eines VSD ausgeschlossen sein. Dies gilt m.E. problemlos in Bezug sowohl auf das Haftungs- als auch auf das Primärpflichtmodell.36

III. Vertragsauslegung in den Drittschutzfällen Unabdingbare Voraussetzung für die Annahme eines VSD ist freilich das Vorliegen einer drittschützenden vertraglichen Vereinbarung. Fehlt es also überhaupt an (gültigen) rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen zwischen G und S, so erreicht das rechtsgeschäftliche Modell zwangsläufig seine immanenten Grenzen, und zwar unabhängig davon, wie eng oder weit man das Instrument der Vertragsauslegung begreift.37 Diese Schwierigkeit ergibt sich etwa bei nichtigen Verträgen38 oder beim Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen, das unstreitig gesetzlicher Natur ist – s. nunmehr § 311 II BGB.39 Liegt nun ein ___________ 33

Vgl. Lang, WM 1988, 1006: Das sei an sich eine „Binsenwahrheit“. Vgl. auch oben 2. Kapitel B. I. 1. 35 So ausdrücklich etwa Larenz, Schuldrecht AT, § 17 II (229); Picker, FS Medicus, S. 402; Gernhuber, FS Nikisch, S. 264; Ebke, JZ 1998, 993. Aber auch unabhängig von einer solchen ausdrücklichen Klarstellung setzt die Argumentation gegen die Vertragsauslegung in eine bestimmte Richtung – hier für den Drittschutz – die grundsätzliche Einschlägigkeit der Vertragsauslegung für diesen Problemkreis voraus, vgl. auch Winterfeld, S. 33 ff und Kümmeth, S. 69 f. 36 s. oben 2. Kapitel B. III. 37 s. beispielsweise MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 103. Ganz der gegenteiligen Ansicht aber Sutschet, S. 79: „Auslegung der Vertragsverhandlungen“; kritisch dagegen auch Plötner, S. 84 Fn. 279. 38 Einschlägig sind nichtige Vertragsschlüsse freilich nur, soweit man annimmt, dass zwischen den Beteiligten ein (freilich gesetzliches) Schuldverhältnis entsteht, das Drittschutzwirkung entfalten kann (s. zunächst 1. Kapitel Fn. 27). 39 Dies war die h.M. auch vor Einführung des § 311 II BGB, s. insbesondere BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (56); mehr zu dieser Entscheidung und zur Begründung von Drittschutzwirkungen im Rahmen der Vertragsverhandlungen s. oben 2. Kapitel B. I. 1. 34

118

3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

Vertrag zwischen G und S tatsächlich vor,40 wie es in den meisten Drittschutzkonstellationen der Fall ist,41 so geht es nunmehr allein darum, ob die erläuternde bzw. ergänzende Vertragsauslegung im konkreten Fall eine drittschützende vertragliche Regelung ergeben kann. Diese Frage stellt den Gegenstand der folgenden Ausführungen dar.

1. Vertragsauslegung bei fehlenden Drittschutzerklärungen – Maßgeblichkeit der objektiven Interessenlage Ausdrückliche Drittschutzvereinbarungen kommen in der Praxis kaum bzw. gar nicht vor.42 Deshalb muss die Drittberechtigung auf konkludente Willenserklärungen (erläuternde Auslegung) oder auf den hypothetischen Parteiwillen (ergänzende Auslegung) gestützt werden. Gleich welcher Vorgehensweise im konkreten Fall gefolgt werden muss, ist eine weitgehend objektivierte, normative Betrachtung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (vgl. § 157 BGB) maßgeblich.43 Daraus folgt zunächst, dass einem dieser normativen Betrachtung widersprechenden realen Willen einer Vertragspartei (G oder S) keine Bedeutung für die Vertragsauslegung zukommt, wenn er nicht ausreichend zum Ausdruck kommt (vgl. § 116 BGB).44 Unter diesem Gesichtspunkt schlägt der mögliche Einwand gegen die Begründung eines VSD mittels Vertragsauslegung, dass G oder S den vertraglichen Drittschutz in Wahrheit gar nicht gewollt habe,45 fehl, wenn der jeweilige Vertragsgegner diesen Umstand gemäß § 157 BGB nicht erkennen bzw. berücksichtigen musste.46 In Bezug auf den konkreten Auslegungsgegenstand dient die ergänzende Vertragsauslegung dazu, den lückenhaften Vertragsinhalt zu vervollständigen, der sich aus den ausdrücklichen oder konkludenten Parteiwillenserklärungen ergibt. Deshalb muss sie sich auf die Vertragspunkte beschränken, für welche ___________ 40 Nicht in diesen Zusammenhang gehört die Frage nach den Bedingungen, unter denen ein Vertrag angenommen werden kann; vgl. Staudinger(2003)/Roth, § 157, Rn. 13, zur Annahme eines Vertragsschlusses aufgrund ergänzender Vertragsauslegung. 41 s. oben 2. Kapitel A. ǿǿ. und ǿǿǿ. 42 s. 2. Kapitel Fn. 245. 43 s. oben 2. Kapitel B. I. 2. 44 s. etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 28, Rn. 39 ff; Feddersen, WM 1999, 108. 45 Vgl. Ziegltrum, S. 80 f; Kiss, WM 1999, 117; Honsell, FS Medicus, S. 231; Ebke, JZ 1998, 993. 46 BGH v. 20.4.2004, NJW 2004, 3035 (3036); BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (382). Vgl. OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (617). So auch Philippsen, S. 112 f; Dahm, JZ 1992, 1169. Mit ähnlichem Ergebnis aufgrund einer unterschiedlichen Argumentation Picker, FS Medicus, S. 404 f.

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

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keine übereinstimmenden Parteiwillenserklärungen vorliegen.47 Da also mit ihrer Hilfe keine Willenserklärungen bzw. kein Parteiverhalten ausgelegt werden, sondern die vorhandene vertragliche Regelung als solche ergänzt wird,48 besteht kein Zweifel, dass man sich allein an der objektiven Sachlage (Regelungsgefüge, Interessenlage, Vertragszweck) orientieren muss, um die erforderlichen Auslegungsanhaltspunkte zu gewinnen.49 Zweck der erläuternden Auslegung ist demgegenüber das Vorliegen und anschließend den Inhalt von Willenserklärungen zu erforschen, wie sie nach § 157 BGB vom jeweiligen Vertragspartner verstanden werden müssen.50 Maßgeblich ist dabei vornehmlich das Verhalten der Vertragsparteien. Allerdings wird von der Rechtsprechung in den durchaus meisten Drittschutzfällen praktisch kein besonderes Verhalten der Parteien (G und S) ausgelegt, das neben dem Willen zum Vertragsschluss auch den maßgeblichen Drittschutzwillen51 indizieren könnte.52 Einziger Bezugspunkt der von der Rechtsprechung – und den Befürwortern des rechtsgeschäftlichen Modells im Schrifttum53 – vorgenommenen (erläuternden oder ergänzenden) Auslegung ist eigentlich nur die objektive Interessenlage der Vertragsparteien.54 Diese Feststellungen sind für die folgende Untersuchung deshalb von Bedeutung, weil sie die Vorgehensweise aufzeigen, auf die die Beurteilung des rechtsgeschäftlichen Modells erfolgen soll: Bei der Frage, ob sich die Ergebnisse der Rechtsprechung mittels Vertragsauslegung wirklich begründen lassen, kann man getrost die – an sich zwar sicherlich existierende, praktisch jedoch irrelevante – Möglichkeit außer Acht lassen, dass das konkrete Parteiverhalten Anhaltspunkte für eine Vertragsauslegung zugunsten des SSD liefert.

___________ 47

s. oben 2. Kapitel B. I. 2. sowie eingehender unten 3. Kapitel B. III. 3. b) bb) (1). s. etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 33, Rn. 10. 49 So in der Tat alle Entscheidungen, die mit der ergänzenden Vertragsauslegung argumentieren – s. etwa die Verweise in 2. Kapitel Fn. 282. 50 s. oben 2. Kapitel B. I. 2. 51 Dabei darf man allerdings den Drittschutzwillen nicht mit dem Willen verwechseln, einen Vertrag abzuschließen, der eine gewisse Drittbezogenheit – vgl. „bestimmungsgemäße Leistungsnähe“, s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a) und b) bb) – aufweisen soll (so aber etwa Wiegand, S. 112). Dieser letztgenannte Wille dürfte häufig vorhanden sein, allein kann er allerdings den weiterreichenden Willen zur Drittschutzwirkung in der Regel nicht begründen. Treten weitere Anhaltspunkte hinzu, so kann freilich auch die Vereinbarung der Vertragsdrittbezogenheit eine erhebliche Bedeutung für eine Vertragsauslegung im Sinne der Drittschutzwirkung erlangen. 52 Vgl. Eckebrecht, MDR 2002, 426; Kümmeth, S. 73 f; Schneider, S. 252 f; Steimeyer, DB 1988, 1052. 53 s. Fn. 14. 54 s. etwa die Argumentation bei BGH v. 26.11.1986, NJW 1987, 1758 (1759 f). 48

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

2. Grundsätzliche Maßgeblichkeit des Haftungsmodells Für die Begründung der Haftung des S gegenüber D kraft Parteiwillens stellen grundsätzlich das Haftungs- und das Primärpflichtmodell die möglichen dogmatischen Konstruktionen dar; die Rechtsprechung legt allerdings meistens das Primärpflichtmodell ihren Überlegungen zugrunde. Die Vertragsparteien (G und S) sind jedoch im Grunde genommen frei, entweder eine primäre (Schutz)Pflicht oder die Dritthaftung des S mit unmittelbarer Wirkung auf das Verhältnis zwischen S und D zu vereinbaren.55 Nun fragt es sich, ob man bei der Auslegung des Vertrages zwischen S und G allein das Haftungs- bzw. das Primärpflichtmodell zugrunde legen kann, oder ob man für jedes Modell eine getrennte Untersuchung vornehmen soll. Es handelt sich hier um die Frage, wonach man bei der Beurteilung der objektiven Interessenlage56 forschen muss, ob nämlich die gesuchten Bezugspunkte einen (realen oder hypothetischen) Parteiwillen für die Entstehung einer Primärpflicht des S direkt gegenüber D (Primärpflichtmodell) oder für einen direkten Schadensersatzanspruch des D gegen S (Haftungsmodell) indizieren sollen. Ziel der Vertragsauslegung ist die normative (vgl. § 157 BGB) Ermittlung dessen, was als übereinstimmender Parteiwillen erklärt worden ist (erläuternde Auslegung), bzw. dessen, was den lückenhaften Vertragsinhalt innerhalb der Grenzen der Privatautonomie sinnvoll vervollständigen könnte (ergänzende Auslegung).57 Dieser starken Einbindung der Vertragsauslegung in das Parteiautonomiekonzept wird dadurch Rechnung getragen, dass sie ergebnisorientiert erfolgt: Da die Vertragsparteien nicht unbedingt aufgrund dogmatischer Konstruktionen denken und kontrahieren, sondern vielmehr bestimmte, fassbare Zwecke durch Vertragsschlüsse verfolgen, muss auch die Vertragsauslegung in ihren beiden Formen der Zweckverfolgung der Parteien selbst dienen, indem sie sich an dem von den Parteien gewünschten Ergebnis ausrichtet; die richtige dogmatische Einordnung dürfte für die Vertragsparteien in aller Regel gleichgültig sein. Natürlich dürfte zwar meistens bereits die Nichtschädigung des D im Vordergrund der Gläubigerinteressen stehen. Erst deshalb, weil die Verfolgung dieses primären Zwecks nach dem Schadenseintritt keinen Sinn mehr macht, kommt der Schadensersatzanspruch des D als sekundäres Parteiziel in Betracht, um das Unmöglichwerden des primären Zwecks (Nichtschädigung des D) zu kompensieren. Den etwaigen Gläubigerinteressen am primären Schutz – Nichtschädigung – des D wird jedoch in aller Regel bereits durch die entsprechenden Pflichten im Verhältnis zwischen G und S vollkommen Rechnung getragen, die ___________ 55 56 57

s. oben 2. Kapitel B. III. s. oben 3. Kapitel B. III. 1. s. oben 2. Kapitel B. I. 2. sowie unten 3. Kapitel B. III. 3. b) bb) (1).

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

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nach herkömmlichen Mitteln (s. etwa §§ 157 und 242 BGB)58 im Rahmen des Relativitätsprinzips gegenüber G begründet werden. Bringt etwa G seine Kinder (D) nach entsprechender Absprache mit seinem Arbeitgeber S an den Arbeitsort mit,59 so kann man nach Treu und Glauben (§§ 157 bzw. 242 BGB) die entsprechende Pflicht des S gegenüber G annehmen, D nicht durch Sorgfaltsverletzungen zu schädigen, um dadurch das berechtigte Interesse des G an der körperlichen Unversehrtheit seiner Kinder zu berücksichtigen. Angesichts dessen muss es bei der Begründung eines VSD nunmehr allein um die Befriedigung des Interesses des G für die Entschädigung des D nach Eintritt des Schadensereignisses gehen. Darüber hinaus wird mit der Annahme eines VSD praktisch immer allein die Begründung eines unmittelbaren Schadensersatzanspruchs des D gegen S beabsichtigt.60 Diese Überlegungen machen m.E. die Orientierung der Vertragsauslegung an das Haftungsmodell erforderlich. Demnach ist bei der Beurteilung der objektiven Interessenlage vornehmlich nach Sachverhaltselementen zu suchen, welche die Haftung des S unmittelbar gegenüber D rechtfertigen können. Demgegenüber obliegt es dem Rechtsanwender, die richtige dogmatische Konstruktion (Primärpflicht- oder Haftungsmodell) auszuwählen, die den ermittelten (konkludenten oder hypothetischen) Parteiwillen tragen soll.

3. Konkrete Beurteilung der Interessenlage in den Drittschutzfällen Bei der Frage, ob sich die Haftung des S61 in den Drittschutzfällen wegen der objektiven Interessenlage62 durch Auslegung des Vertrages zwischen S und G begründen lässt, dürfen nur wirkliche Parteiinteressen beachtet werden; Drittinteressen können nur dann eine Rolle spielen, wenn sie die eigentlichen Parteiinteressen mitbestimmen.63 Ferner ist es unabdingbares Erfordernis, dass man bei der Beurteilung der objektiven Parteiinteressenlage nach Bezugspunkten suchen muss, welche positiv auf eine bestimmte Auslegungsrichtung hindeuten. Keineswegs darf mittels Vertragsauslegung eine Regelung (hier Drittschutzwirkung) gewonnen werden, die den Parteiinteressen lediglich nicht widerspricht. Vielmehr müssen die in Betracht gezogenen Parteibelange die Mindestintensität erreichen, die für die (normative) Ermittlung eines drittschützenden Parteiwil___________ 58

Vgl. Winterfeld, S. 44 f; Keitel, S. 115. s. dazu oben 2. Kapitel A. II. 3., Fallkonstellation 9 – „Haftung des Dienstberechtigten bzw. Werkbestellers“, insbesondere bei 2. Kapitel Fn. 119. 60 s. 2. Kapitel Fn. 448. 61 s. oben 3. Kapitel B. III. 2. 62 s. oben 3. Kapitel B. III. 1. 63 s. oben 3. Kapitel B. I. 59

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

lens unter Beachtung der gesamten Sachlage notwendig ist; diese Bedingung soll sicherstellen, dass die Vertragsauslegung zu keiner unangemessenen Benachteiligung des Schuldners führt. Die folgende Untersuchung erfolgt auf zwei Ebenen.64 Auf der ersten wird lediglich untersucht, ob in den Konstellationen, in denen die Drittschutzwirkung von der Rechtsprechung bejaht wird, auf den Drittschutz gerichtete Gläubigerinteressen vorliegen, die den Schluss auf die entsprechende Vertragsauslegung überhaupt zulassen könnten. Fehlt es in bestimmten Konstellationen an den maßgeblichen Interessen, so ist die Drittschutzwirkung auf der Grundlage des rechtsgeschäftlichen Modells ohne jede weitere Untersuchung abzulehnen.65 Auf der zweiten Ebene ist zu überprüfen, inwiefern in den Fällen, in denen die maßgeblichen Parteiinteressen für den Drittschutz vorhanden sind, die Vertragsauslegung tatsächlich das geeignete Rechtsinstrument zur Begründung der Drittschutzwirkung darstellt oder sie bei dieser Aufgabe einfach überfordert wird.

a) Erste Prüfebene: Das Vorliegen hinreichender Parteiinteressen für den Drittschutz aa) Allgemeine Gesichtspunkte Bei der Beurteilung der konkreten Interessenlage dürfen nur diejenigen Parteiinteressen berücksichtigt werden, die der normativen Betrachtung der Sachlage nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) entsprechen.66 Ausgeschlossen sind deshalb Interessen des G, deren Beachtung den Vorgaben der Rechtsordnung (vgl. insbesondere §§ 134 und 138 BGB) bzw. der durch Treu und Glauben gebotenen redlichen Denkweise widersprechen würde,67 und zwar unabhängig davon, ob sie objektiv erkennbar sind oder nicht.68 Interessen des G, wie etwa eine Absicht zur Schädigung des D, die unter dieser Betrachtungsweise nicht erfasst werden können, müssen außer Acht gelassen werden. Betrachtet man das Anwendungsfeld des VSD in der Rechtsprechung69 in Bezug auf das Verhältnis zwischen G und S, kann man mehrere Möglichkeiten zur Begründung eines auf die Dritthaftung des S gerichteten, objektiven Gläubigerinteresses herausarbeiten, das die Drittschutzwirkung als vereinbarten (er___________ 64 65 66 67 68 69

s. unten 3. Kapitel B. III. 3. a) und b) entsprechend. Vgl. oben 3. Kapitel B. I. Vgl. bereits oben 2. Kapitel B. I. 2. s. Fn. 46. Vgl. Canaris JZ 1995, 444; Papst, S. 106. s. oben 2. Kapitel A. ǿǿ. und ǿǿǿ.

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

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läuternde Auslegung) oder zusätzlichen Inhalt (ergänzende Auslegung) des Vertrages zwischen G und S untermauern könnte. Dabei muss bereits das für alle möglichen Begründungschemata gemeinsame Erfordernis einer Gleichläufigkeit der zu schützenden Drittbelange und der im Vertrag verkörperten Gläubigerinteressen betont werden.70 Ohne diese Interessengleichläufigkeit darf man nicht annehmen, dass die Haftung des S gegenüber D im Interesse des G liegt, und somit keine drittschützende Regelung mittels Vertragsauslegung anerkennen. Dabei stößt man zunächst auf Fälle, die ein besonderes moralisches bzw. emotionales Anliegen des G für das Wohlergehen des D aufweisen. Meistens basiert dieses Interesse auf einer familiären (etwa elterlichen oder ehelichen71) bzw. verwandtschaftlichen (etwa zwischen Tante und Nichte72) Beziehung zwischen G und D.73 Dies ist jedoch nicht erforderlich, wenn die moralische Bindung von G und D aufgrund anderer Umstände (objektiv) festgestellt werden kann, etwa bei einer unehelichen Lebensgemeinschaft.74 Allerdings muss die Verbundenheit des G zu D eine besondere Beziehung darstellen,75 um nach Treu und Glauben erheblich zu sein; ganz allgemeiner Altruismus bzw. abstrakte Menschenliebe oder sogar die allgemeine Verpflichtung, Rechte Dritter nicht zu verletzen,76 reichen dagegen nicht aus. Dazu muss der von G und S abgeschlossene Vertrag sich auf den Bereich ausdehnen, der auch den Rahmen darstellt, innerhalb dessen sich die Verbundenheit des G mit D entfaltet: Das Interesse des G für das Wohlergehen seiner minderjährigen Nichte (D) ist offensichtlich nur in dem Bereich erheblich, innerhalb dessen er in einem bestimmten Zeitraum die Beaufsichtigung der D übernommen hat und Verträge für ihre Unterhaltung – etwa Miete eines Ponys – schließt.77 Einen weiteren Bezugspunkt für die Begründung des in Rede stehenden Gläubigerinteresses kann die aufgrund eines zwischen G und D bestehenden ___________ 70

Vgl. Canaris, JZ 1995, 443; Medicus, JZ 1995, 308; Philippsen, S. 120 f („Lagertheorie“); Kiss, WM 1999, 119; Ebke/Scheel, WM 1991, 392. Von der entgegengesetzten Interessenlage (Interessengegenläufigkeit) muss man etwa bei den Gutachtenfällen (s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15) ausgehen, s. unten 3. Kapitel B. III. 3. a) bb). 71 s. beispielsweise 2. Kapitel Fn. 30, 31 und 72. 72 s. 2. Kapitel Fn. 32. 73 Vgl. oben 2. Kapitel B. II. 1. a) zum Erfordernis eines Fürsorgeverhältnisses zwischen G und D. 74 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a) , insbesondere 2. Kapitel Fn. 339. 75 Vgl. Schwarze, AcP 203 (2003), 355; Derleder, NZM 2000, 1103. 76 Derleder, NZM 2000, 1103. 77 So die Konstellation bei OLG Köln v. 27.5.1992, OLGZ 1993, 199. Zur Drittschutzwirkung von Mietverträgen s. oben 2. Kapitel A. II. 1., Fallkonstellation 1 – „Gemietete Sachen“.

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

Rechtsverhältnisses gesteigerte Verantwortung des G für die Güter des D78 darstellen. In diesem Sinne ist beispielsweise beim Arbeitsverhältnis79 G als Arbeitgeber gemäß § 618 BGB verpflichtet, für den Schutz seiner Arbeitnehmer (D) am Arbeitsplatz zu sorgen. Aufgrund dessen könnte man aus objektivierter Sicht ein für die Vertragsauslegung erhebliches Gläubigerinteresse konstruieren: Trägt G eine Verantwortung zur Wahrnehmung von Drittinteressen, so liegt die Annahme eines Interesses daran nahe, seinen Pflichten auch dann nachzukommen, wenn er mit anderen Personen (S) im Rahmen seines Verantwortungsbereichs kontrahiert.80 In den Drittschutzfällen weist die rechtliche Verpflichtung des G hinsichtlich der Interessen des D nicht immer den gleichen Umfang bzw. die gleiche Intensität auf, sondern variiert erheblich. Es kann aber keineswegs zulässig sein, jede Verantwortung des G gegenüber einem beliebigen Dritten (D) in ein Interesse desselben81 umzugestalten und in den Regelungsgehalt aller Verträge des G mit weiteren Personen (S) hinein zu interpretieren.82 Diese gewissermaßen automatische Übernahme der Verantwortung des G gegenüber D durch S würde nicht nur dem Relativitätsprinzip und dem Grundsatz der Privatautonomie grob widersprechen,83 sondern auch praktisch zur Verbindung jedes Vertragsschlusses mit unüberschaubaren Risiken führen und die Trennung zwischen Haftung nach Vertragsgrundsätzen und Deliktshaftung in der Tat aufgeben.84 Als Ausgangsbasis für ein einschlägiges Gläubigerinteresse kann folglich nur eine besondere Verantwortung des G für D dienen.85

___________ 78

Der Begriff der Verantwortung ist hier in weitem Sinne zu verstehen; er muss sich deshalb nicht mit einer möglichen Einstandspflicht des G für die Schädigung des D decken. 79 Das Vorliegen eines arbeitsrechtlichen Verhältnisses zwischen G und D ist neben der familiären Beziehung traditionell eine prominente Konstellation, auf welcher der VSD aufbauen kann – s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a) zum Fürsorgeverhältnis. 80 Vgl. Badde, S. 130 ff; bei ihm wird allerdings die Verantwortung des G i.e.S. einer Einstandspflicht des G gegenüber D und im Rahmen eines gesetzlichen Begründungsmodells (vgl. oben 2. Kapitel B. I. 1.) zunutze gemacht. 81 Vgl. Steimeyer, DB 1988, 1053. 82 Vgl. MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 112; Keitel, S. 119 ff. 83 Vgl. Papst, S. 18: Im Ergebnis würde der Vertrag zwischen G und D praktisch Drittwirkungen zulasten des S entfalten. M.E. geht allerdings Papst zu weit, wenn er die Berücksichtigung der Verantwortung des Gläubigers bei der Auslegung seiner Verträge mit Dritten pauschal ablehnt, S. 15 ff. 84 Diese Konsequenzen werden vor allem dann deutlich, wenn man die vertraglichen Schutzpflichten des G für D in seine Überlegungen mit einbezieht. 85 Deshalb scheiden etwa allgemeine Rücksichtnahmepflichten geringerer Intensität des G für D (vgl. beispielsweise das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis) ohne weiteres aus.

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

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Eine weitere Möglichkeit, ein objektives Interesse des G für den Drittschutz zu begründen, besteht m.E. für den Fall, dass G eigentlich bzw. überwiegend in – dem S freilich erkennbarer – Vertretung der Interessen des D kontrahiert, wie etwa bei der Fallkonstellation 16 – „Auskunftsersuchen im Drittinteresse“:86 Tritt die Wahrnehmung der Drittbelange bei der Vertragsschlussabsicht des G primär hervor, dann wäre es in Anbetracht dieser besonderen Sachlage vielleicht notwendig, die vertragliche Regelung zwischen G und S den tatsächlich verfolgten Drittinteressen entsprechend auszulegen bzw. zu ergänzen. Unter diesem Gesichtspunkt wäre die Unterstellung eines (objektiven) Drittschutzinteresses des G nichts anders als das sinnvolle Weiterdenken seiner ursprünglichen Entscheidung, die Drittinteressen dem S gegenüber zu vertreten. Natürlich muss auch die Verfolgung der Drittinteressen durch G eine Mindestintensität erreichen, um für die Begründung einer direkten Dritthaftung des S kraft Vertragsauslegung erheblich zu sein. Schließlich kann die Haftung des S von einem Interesse des G daran gedeckt sein, dass das Vertrauen dritter Personen an der Funktionalität eines bestimmten Verfahrens, an dem auch G beteiligt ist, nicht enttäuscht wird, damit dadurch seine effektive Weiterführung gewährleistet wird. So könnte man beispielsweise im Falle des mehrgliedrigen bargeldlosen Zahlungsverkehrs87 ein allgemeines Interesse der beteiligten Banken daran annehmen, dass jede schuldhafte Schädigung eines Dritten, der sich des Verfahrens bedient, durch direkte Schadensersatzansprüche kompensiert wird, um das diesbezügliche Vertrauen des Publikums zu erhöhen und dadurch die weitere Benutzung des bargeldlosen Zahlungssystems im Geschäftsverkehr zu fördern.88 Mit diesen Ausführungen werden nur ansatzweise Möglichkeiten zur Begründung eines Gläubigerinteresses für die Dritthaftung des S skizziert. In jedem konkreten Fall ist jedoch die Frage, ob nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) genügende Gläubigerinteressen für den Drittschutz im Sinne des SSD vorliegen, nur nach den vorliegenden Gesamtumständen zu beantworten.

___________ 86

s. oben 2. Kapitel A. III. 1. s. oben 2. Kapitel A. III. 3. 88 In diese Richtung die Argumentation des BGH, grundlegend BGH v. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (86), allerdings ohne Bezug auf Vertragsauslegung, möglicherweise wegen der Befürchtung, dass dann die Drittschutzwirkung an der konkreten Ausgestaltung des Lastschriftabkommens scheitern müsste (s. auch 2. Kapitel Fn. 202); vgl. Papst, S. 42. 87

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

bb) Konstellationen mit einem Interessengegensatz Die Bedingung, dass die Vertragsauslegung zu Gunsten der Drittschutzwirkung zumindest eine gewisse Gleichläufigkeit der Gläubiger- und der Drittinteressen voraussetzt,89 wird vor allem in den Gutachtenfällen90 nicht erfüllt. Vielmehr ist mit der Rechtsprechung91 ein Interessengegensatz zwischen dem Auftraggeber (G) des Gutachters (S) und dem Dritten (D), Käufer oder Kreditgeber, anzunehmen, dem das erstellte Gutachten als Entscheidungsgrundlage vorgelegt wird.92 Für dieses Ergebnis braucht man keine Absicht des G zugrunde zu legen, durch ein falsches Gutachten den D betrügen zu wollen, da eine solche nach Treu und Glauben ohnehin nicht berücksichtigt werden könnte;93 der maßgebliche Interessengegensatz steht demgegenüber auch bei Redlichkeit fest. Entgegen der Ansicht der heutigen Rechtsprechung94 muss allerdings die Interessengegenläufigkeit zwischen G und D die Annahme eines einschlägigen Gläubigerinteresses für den Drittschutz verhindern.95 Es liegt in der typischen Stellung des G als möglicher Verkäufer bzw. Kreditnehmer und des D als möglicher Käufer bzw. Kreditgeber, dass sie entgegengesetzte Wünsche hinsichtlich der Bedingungen des abzuschließenden Vertrages und deshalb auch entsprechend antagonistische Interessen bezüglich des Gutachteninhalts haben: G interessiert sich für eine möglichst höhere bzw. optimistischere Schätzung des zu begutachtenden Objekts, um sich dadurch einen höheren Preis oder Kreditbetrag bzw. günstigere Kauf- bzw. Kreditbedingungen gewähren zu lassen. Demgegenüber erwartet sich D, der nachmalige Geschäftspartner von G (Käufer bzw. Kreditgeber) eine möglichst an der tatsächlichen Lage orientierte oder sogar eine möglichst niedrigere bzw. pessimistischere Begutachtung, um einen entsprechend niedrigeren Preis zu zahlen bzw. seinen Kredit möglichst gut zu sichern.96 Allgemein ist auch redlichen Vertragspart___________ 89

s. oben 3. Kapitel B. III. 3. a) aa). s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15. Vgl. ferner den Sachverhalt bei BGH v. 13.5.2004, ZIP 2004, 1154. 91 s. die Entscheidungen in 2. Kapitel Fn. 164 und 360. 92 Die hier angeführten Gesichtspunkte gelten mutatis mutandis auch für den Fall, dass S ein Dienstleistungszeugnis gemäß § 630 BGB erstellt; denn auch dort ist der Arbeitnehmer (G) an einem möglichst positiven Gutachten interessiert, während sein künftiger Arbeitgeber (D) sich eine möglichst objektive Beurteilung wünscht. 93 s. oben 3. Kapitel B. III. 1. und 3. Kapitel B. III. 3. a) aa). 94 s. 2. Kapitel Fn. 360. 95 Wie hier auch die ältere Rechtsprechung, s. 2. Kapitel Fn. 164 sowie viele Stimmen seitens der Literatur, s. etwa Ebke/Scheel, WM 1991, 392; Canaris, ZHR 163 (1999), 215 f; Picker, FS Medicus, S. 403 ff; Philippsen, S. 120 f; Honsell, FS Medicus, S. 228; Schwab, JuS 2002, 876. 96 Philippsen, S. 59 (zum komplizierteren Fall des zu finanzierenden Kaufs s. Philippsen, S. 55); Hirte, S. 423; Stahl, S. 152 f; Ziegltrum S. 87; Papst, 96 f. Vgl. dazu 90

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

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nern bei den Vertragsverhandlungen eine Tendenz zu unterstellen, die eigenen Interessen durch Zugrundelegung optimistischer bzw. pessimistischer Einschätzungen wahrnehmen zu wollen, was an sich innerhalb bestimmter Grenzen auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen dürfte. Geradezu wegen dieser von beiden Verhandlungspartnern (G und D) erkannten und auch als gegeben hingenommenen Interessenlage zieht man den Sachverständigen S hinzu, um von einer zuverlässigen und unparteiischen Quelle eine möglichst wirklichkeitstreue Schätzung zu erhalten. Könnte D hingegen auf die Angaben des G vertrauen, wäre die Begutachtung durch S nicht erforderlich.97 Sofern also das Ergebnis der Vertragsverhandlungen zwischen G und D vom Gutachten des S abhängt und die von S vorzunehmende Einschätzung nicht so positiv bzw. so negativ ist, dass der beabsichtigte Vertragsschluss scheitern muss,98 ergibt sich die Konstellation, dass die Interessen jeder Vertragspartei durch eine optimistischere bzw. pessimistischere Aussage des S unmittelbar (positiv bzw. negativ) beeinflusst werden, und zwar im umgekehrten Verhältnis zu den Interessen der anderen Partei. Schätzt etwa S den Wert des Kaufobjekts etwas höher ein, so wird davon nur der Verkäufer (G) profitieren, während der Käufer (D) dadurch einbüßen muss und umgekehrt. Die Konstruierung eines Gläubigerinteresses zur Begründung der Haftung des S für eine Handlung, die dem G nur nutzen kann, indem sie zu einem für G zwar günstigen, für D jedoch schädigenden, jedenfalls aber gültigen Vertragsschluss führt, ist nur wirklichkeitsfremd99 und deshalb unhaltbar. Im Hinblick auf das Gebot von Treu und Glauben (s. § 157 BGB) begründen der Wunsch bzw. das Interesse des G dafür, möglichst günstige Vertragsbedingungen mit D zu erreichen, an sich keine Unredlichkeit, sondern werden im Rahmen einer liberalen Markt- bzw. Vertragsordnung grundsätzlich hingenommen. Unredlich und sogar sittenwidrig (§ 138 BGB) wäre nur der Versuch, diese Absicht durch Ausnutzung des besonderen Vertrauens des D durchzusetzen, das D dem S wegen seiner im Verkehr vorausgesetzten, hervorgehobenen Sachkunde und Neutralität gewährt, indem er das erstellte Gutachten als Entscheidungsgrundlage für den schließlich schädigenden Vertragsschluss mit G verwendet. Insofern ist in der Tat keine Auslegung des Vertrages zwischen G und S zulässig, die die Verpflichtung des Gutachters (S) begründen sollte, ein unrichtiges Gutachten zu erstellen, um dadurch einseitig die Interessen seines Auf___________ ferner die ausführliche Analyse Köndgens, Selbstbindung, S. 374 ff, über den Rollenkonflikt, in den der Gutachter durch die Gutachtenerstellung häufig geraten muss. 97 So auch BGH v. 10.11.1994, BGHZ 127, 378 (386); BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1061); OLG München v. 13.4.1995, WM 1997, 613 (616). 98 Traugott, S. 61 ff. Vgl. die Ausführungen Stahls, S. 155 ff; s. auch S. 151 f über ein mögliches gemeinsames Interesse der Beteiligten am Gelingen des unternommenen Projekts. 99 Ebke/Scheel, WM 1991, 392.

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

traggebers wahrzunehmen, indem er zugleich den D schädigt; denn dann wäre das Mittel zum an sich nicht unredlichen Zweck des G (günstigen Vertragsschluss) sittenwidrig. Deshalb kann man aufgrund von Treu und Glauben höchstens annehmen, dass G kein normativ relevantes Interesse daran haben darf, die Haftung des S gegenüber D auszuschließen und somit gegen die Erschaffung eines zusätzlichen Anreizes für den Sachverständigen dafür zu wirken, seinen Pflichten (objektiv richtige Gutachtenerstellung) nachzukommen. Allerdings hat man in diesem Zusammenhang ein Gläubigerinteresse für den Drittschutz positiv zu begründen;100 es kann also nicht genügen, dass G keinen Grund hat bzw. haben darf, die Dritthaftung des S nicht zu wollen.101 Ohnehin gibt sich G lediglich mit der vorhandenen gesetzlichen Haftungsordnung zufrieden, die für seine Vertragsbeziehung mit S gilt, wenn er keine Abrede für die direkte Haftung des S gegenüber D trifft. Diese Stellung kann freilich nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben betrachtet werden. Ein maßgebliches Interesse des G für den Drittschutz kann ebenso wenig mit der Begründung konstruiert werden, dass die Beweiskraft des Gutachtens mit der direkten Haftung des Gutachters (S) gegenüber dritten Gutachtenempfängern (D) verbunden sei; diesen Weg schlägt die Rechtsprechung ein.102 Es versteht sich zwar von selbst, dass die Haftung des S für die Richtigkeit seiner Begutachtung auch gegenüber möglichen Gutachtenempfängern (D) den Zweck des G, den D zum vorstehenden Vertragsschluss mit G zu bewegen, fördern würde. D hätte dann einen zusätzlichen Schuldner, um seine Ansprüche durchzusetzen, und damit auch ein niedrigeres Vertragsrisiko in Kauf zu nehmen.103 Ein solches Interesse kann jedoch für die Auslegung des Vertrages zwischen G und S keine Rolle spielen, da es mit dem vertraglichen Leistungsprogramm des S in keinem Zusammenhang steht. S wird nämlich vertraglich nur zur Erstellung eines Gutachtens verpflichtet, das aufgrund der besonderen Sachkunde des S den möglichen Empfänger (D) von der Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben überzeugen kann. Der vertragsgemäße Wert des geschuldeten Gutachtens für den Gutachtenbesteller (G) liegt ausschließlich in der im Geschäftsverkehr generell geltenden Vermutung, dass es die objektive Sachlage wirklichkeitstreu wiedergibt, die wiederum auf die allgemein anerkannte Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters zurückzuführen ist.104 Demgegenüber erfüllt eine mögliche Haftungsübernahme als hinzukommendes Leistungsversprechen einen weiteren, eigenständigen Zweck: Sie würde dem D eine zusätzliche Sicherheit ___________ 100

s. oben 3. Kapitel B. III. 3. vor a). s. oben 3. Kapitel B. I. 102 s. oben 2. Kapitel B. II. 1. b) aa) bei Fn. 357. 103 Vgl. Picker, FS Medicus, S. 403. 104 Vgl. die häufig – s. z.B. BGH v. 23.1.1985, JZ 1985, 951; BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 – vorhandene Eigenschaft des Gutachters als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. 101

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anbieten; an sich ist sie jedoch mit der Richtigkeitsvermutung und der Überzeugungskraft des Gutachtens nicht zwangsläufig verbunden.105 Insofern wäre sie eine weitere, über die Verpflichtung zur Gutachtenerstellung hinausgehende Leistung des S an G,106 die wegen ihrer Eigenständigkeit erst dann zum Leistungsprogramm des S aufgenommen werden kann, wenn eine darauf gerichtete Vereinbarung zwischen G und S vorliegt.107 Dazu kommt, dass die Haftung des S gegenüber D, sei es als eigenständige (Sicherheits-)Leistung, sei es als Verstärkungsfaktor für die im Verkehr erwartete Zuverlässigkeit des S wie die Rechtsprechung annimmt, nur dann eine fördernde Wirkung auf den konkreten Vertragsschluss zwischen G und D haben kann, wenn D von der Haftungsvereinbarung informiert ist, um seine Vorgehensweise entsprechend anpassen zu können. In den Gutachtenfällen bemüht sich die Rechtsprechung hingegen darum, einen stillschweigenden bzw. hypothetischen Dritthaftungswillen zu begründen. Dieser ist allerdings dem D zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit G zwangsläufig unbekannt; erst nachträglich kommt dem D die maßgebliche Haftungsbegründung zugute. Deshalb könnte sie das Verhalten des D entsprechend den Wünschen des G hinsichtlich des anvisierten Vertragsschlusses nicht beeinflussen.108

b) Zweite Prüfebene: Vertragsauslegung bei vorliegenden Parteiinteressen für den Drittschutz Aus den soeben vorangegangenen Ausführungen109 ergibt sich als festzuhaltendes Ergebnis, dass zumindest einige der Fälle, in denen die Rechtsprechung das Vorliegen eines VSD angenommen hat, hinreichende Gläubigerinteressen aufweisen, um die weitere Untersuchung danach zu erlauben, ob die Ver___________ 105

Vgl. Köndgen, Selbstbindung, S. 357 f, über die Selbstbindung des Auskunftgebers durch die Erteilung einer Auskunft im Vergleich zur Selbstbindung durch ein (Leistungs-)Versprechen. 106 So auch Picker, FS Medicus, S. 402 f; Plötner, S. 72. 107 Die Betrachtung der Dritthaftung als eigenständige Sicherheitsleistung des S hebt einen weiteren Gesichtpunkt hervor: die fehlende Gegenleistung des G für die Übernahme des zusätzlichen Haftungsrisikos seitens seines Vertragspartners (vgl. Schäfer, AcP 202 (2002), 828 f; Teubner, FS Schmidt, S. 315). Ein entsprechendes Argument lehnt aber BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (1060) ab. 108 Daran lässt sich m.E. unzweideutig erkennen, dass sich die Rechtsprechung zumindest in den hier interessierenden Gutachtenfällen entgegen den anerkannten Auslegungsregeln kaum an den konkreten Vertragswerken orientiert, die sie angeblich auslegt. Vielmehr lässt sie sich offenbar von allgemeinen, durch Vertragsauslegung nicht zu berücksichtigenden (s. oben 3. Kapitel B. I.) Argumenten über die rechtliche bzw. rechtspolitische Notwendigkeit der Haftung leiten. Eine solche Vorgehensweise dürfte jedoch eher zu einem gesetzlichen Drittschutzwirkungsmodell passen. 109 s. oben 3. Kapitel B. III. 3. a).

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

tragsauslegung in Richtung der Drittschutzwirkung zulässig ist. Im Gegenpol scheidet ein VSD allerdings bereits an diesem Maßstab in vielen Konstellationen aus, in denen maßgebliche Parteiinteressen überhaupt fehlen – hierunter sind insbesondere Fälle mit einem Interessengegensatz zwischen G und D einzuordnen – oder in denen die vorliegenden Gläubigerinteressen die erforderliche Mindestintensität nicht erreichen. Im Folgenden ist auf die Frage einzugehen, ob bzw. wie weit die maßgeblichen Gläubigerbelange die Drittschutzwirkung aufgrund – erläuternder110 oder ergänzender111 – Vertragsauslegung tatsächlich begründen können.

aa) Erläuternde Auslegung Mittels erläuternder Vertragsauslegung wird der Vertragsinhalt ermittelt, der sich aus den übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien ergibt, wie sie am Grundsatz von Treu und Glauben (§ 157 BGB) vom jeweiligen Erklärungsempfänger (G bzw. S) verstanden werden müssen.112 Insbesondere in Bezug auf die Drittschutzwirkung des Vertrages zwischen G und S fragt es sich vor allem, ob S im Antrag des G zum Vertragsschluss mit ihm auch seine Willenserklärung dafür sehen muss, dass S gegenüber D haften113 soll. Bejahendenfalls ist die Drittschutzwirkung als tatsächlich (konkludent) vereinbart anzusehen; die Folgen dieser Annahme unterscheiden sich in keinerlei Hinsicht von dem Fall, dass G und S den Drittschutz ausdrücklich abgemacht hätten. Es ist bereits dargestellt worden,114 dass in den Drittschutzfällen kein besonderes Verhalten der Parteien (G und S) vorliegt, das auf die Regelung der Folgen einer Pflichtverletzung seitens des S hinsichtlich der damit verbundnen Drittschädigung gerichtet wäre; der Drittschutzwille soll vielmehr allein aufgrund der objektiven Interessenlage ermittelt werden. Ferner ist diesbezüglich der Auslegungsgrundsatz aufzustellen, dass die Vertragsparteien im Zweifel nur ihre eigenen Interessen verfolgen; die Wahrnehmung von Drittbelangen in ihrem Regelungsplan soll eher eine Ausnahme darstellen.115 Schließlich ist die Bemerkung von großer Bedeutung, dass sich die Vertragsschließenden in der Regel über die Folgen der Verletzung vertraglicher Pflichten keine Gedanken machen116 und, was wichtiger ist, angesichts des Postulats einer umfassenden ___________ 110

s. unten 3. Kapitel B. III. 3. b) aa). s. unten 3. Kapitel B. III. 3. b) bb). 112 s. oben 2. Kapitel B. I. 2. 113 s. oben 3. Kapitel B. III. 2. 114 s. oben 3. Kapitel B. III. 1. 115 Vgl. oben 3. Kapitel B. I. 116 s. Sutschet, S. 98; Kümmeth, S. 74; Ziegltrum, S. 113; Urban, S. 105. Diese Feststellung betrifft freilich uneingeschränkt nur Vertragsverhältnisse, die nicht durch all111

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

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gesetzlichen Regelung117 auch keine machen müssen. Deshalb müssen die am Geschäftsverkehr Teilnehmenden nach Treu und Glauben bzw. gemäß der Verkehrssitte (s. § 157 BGB) nicht von der Vermutung ausgehen, dass jeder Antrag auf die Begründung vertraglicher Primärpflichten auch den Willen zur Vereinbarung der Haftung des Schuldners für die Verletzung dieser Pflichten beinhalte. Im Gegensatz dazu entspricht den in § 157 BGB erwähnten Maßstäben sowie dem gesetzlichen Plan der Haftungsregelung eher die Unterstellung, dass die Vertragsparteien, die sich über die Folgen von Pflichtverletzungen überhaupt nicht äußern, die einschlägige Regelung völlig dem Gesetz überlassen.118 Im Zweifel muss also der Empfänger einer Willenserklärung zum Abschluss eines Vertrages unter normativer Betrachtung nicht auch das Ansinnen des Erklärenden hineininterpretieren, die Folgen einer möglichen künftigen Pflichtverletzung durch den beabsichtigten Vertrag besonders, d.h. unter eindeutiger Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben (Stichwörter: Relativitätsprinzip bzw. Dogma vom Gläubigerinteresse119), regeln zu wollen. Aus diesen Richtsätzen ergibt sich in Bezug auf den VSD, dass allein aufgrund der objektiven Sachlage das Vorliegen konkludenter, auf die Dritthaftung des S gerichteter Willenserklärungen nur ganz ausnahmsweise zu bejahen ist. Man darf diese Folge zulässigerweise nur dann annehmen, wenn die vertragliche Dritthaftung des S unter objektivierter Sichtweise für G und S eigentlich selbstverständlich erscheint bzw. wenn das ganze vertragliche Gefüge ohne die Dritthaftung des S nach Treu und Glauben vollkommen unvorstellbar oder sinnlos wäre. Ein solcher Fall liegt höchstens dann vor, wenn die Verbindung der Gläubiger- mit den Drittinteressen so außerordentlich eng ist, dass die Drittschädigung den G wie einen eigenen Schaden trifft, und das Verhältnis zwischen G und D fassbare Rückschlüsse auf einen starken realen Willen des G zur Wahrnehmung der entsprechenden Drittinteressen zulässt.120 Gleichzeitig muss ferner die Schädigung des D wegen einer möglichen Pflichtverletzung des S besonders wahrscheinlich – etwa wegen der engen räumlichen Nähe des D zum Gefahrenbereich des S121 oder wegen der möglicherweise altersbedingt fehlenden eigenen Schutzmöglichkeiten des D – und in Anbetracht der gefährdeten ___________ gemeine Geschäftsbedingungen normiert sind. Aber auch in solchen Vertragsverhältnissen dürfte die Frage nach einer Haftung gegenüber Dritten üblicherweise nicht einmal ansatzweise angesprochen werden; in diesem Sinne gelten also die Überlegungen zum Ergebnis der erläuternden Auslegung prinzipiell auch in diesem Bereich. 117 s. nunmehr § 280 I BGB. Zur Rechtslage vor Einführung dieser Vorschrift vgl. Palandt(61)/Heinrichs, § 276, Rn. 104; Keitel, S. 99. 118 Vgl. Kümmeth, S. 74. Vgl. auch unten 3. Kapitel B. III. 3. b) bb) (2). 119 s. dazu unten 4. Kapitel A. 120 Vgl. die richterliche Voraussetzung eines Fürsorgeverhältnisses zwischen G und D, s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a). 121 Vgl. das Erfordernis einer Leistungsnähe des D – s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a).

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

Rechtsgüter des D besonders ernst sein. Dazu ist m.E. schließlich notwendig, dass aufgrund anderweitiger Schadensersatzmöglichkeiten des D nur ein für G eigentlich unhaltbares Ergebnis erzielt werden könnte, wie etwa bei einer elterlichen Beziehung zwischen G und D, bei der etwaige gegenseitige Schadensersatzansprüche in aller Regel völlig unerwünscht bzw. sogar schädigend sind.122 Letztere Bedingung wird hingegen in aller Regel bei einem Arbeitsverhältnis zwischen G und D nicht erfüllt, weil sich mit Hilfe einer Haftungskette gemäß § 278 BGB (G haftet gegenüber D und S haftet wiederum gegenüber G) in Bezug auf den Schaden des D im Regelfall ein mehr oder weniger befriedigendes Ergebnis erzielen lässt.123 Mit diesen Überlegungen wird praktisch allein der Fall eines familiären Verhältnisses zwischen G und D umschrieben,124 und zwar in Bezug auf eine verhältnismäßig hoch wahrscheinliche Schädigung des D – etwa weil D sehr jung ist und unter besonderen Gefahren steht – an seinen höchstpersönlichen Rechtsgütern, insbesondere körperliche und psychische Gesundheit. Für den maßgeblichen Schluss müssen freilich alle weiteren Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, die weitere einschlägige Anhaltspunkte neben der objektiven Interessenlage der Beteiligten125 ergeben könnten. Dabei können etwa besondere Absprachen der Parteien (G und S) über die Sicherheit des D ein schwerwiegendes Indiz dafür darstellen, dass auch die konkludente Regelung der direkten Haftung des S gegenüber D mit erfasst wird. Demgegenüber ist die Begründung der Drittschutzwirkung anhand erläuternder Vertragsauslegung in den meisten Drittschutzfällen, die die Rechtsprechung beschäftigt haben, kaum möglich.

bb) Ergänzende Vertragsauslegung Es dürfte außer Zweifel stehen, dass im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Drittschutzmodells nicht die erläuternde, sondern die ergänzende Vertragsauslegung die Hauptbegründungslast trägt: Sofern einschlägige Anhaltspunkte in den konkreten Parteierklärungen bzw. im Parteiverhalten kaum vorliegen, scheint der Versuch, einen der objektiven Interessenlage passenden hypothetischen Parteiwillen zu begründen (ergänzende Auslegung) eher Erfolg versprechend zu sein. Darauf wird im Folgenden eingegangen.126 Unerlässlich ist aller___________ 122

Vgl. Köndgen, Einbeziehung, S. 8. s. oben 3. Kapitel B. I. 124 Ob in diesem Bereich auch das verfassungsmäßige Gebot zum Ehe- und Familienschutz (Art. 6 I GG) zu einer geeigneten Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 157 BGB) zwingt, um dieses Ergebnis erzielen zu können (so etwa Keitel, S. 123 ff), kann dahin gestellt bleiben. 125 Vgl. dazu oben 3. Kapitel B. III. 1. 126 s. unten 3. Kapitel B. III. 3. b) bb) (2). 123

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

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dings vorerst eine allgemeine, möglichst kurze Stellungnahme zur legitimen Rolle der ergänzenden Vertragsauslegung.127

(1) Allgemeine Vorgehensweise – die Voraussetzung einer Vertragslücke Die Tatsache, dass die ergänzende Vertragsauslegung über den tatsächlich vereinbarten Vertragsinhalt hinausgeht, indem sie ihn vervollständigt,128 kann nicht ihre Abkoppelung vom Grundsatz der Privatautonomie zur Folge haben.129 Vielmehr ist diesem Prinzip in zweierlei Hinsicht Rechnung zu tragen: Einerseits darf die ergänzende Vertragsauslegung nicht in Widerspruch mit dem vereinbarten Vertragsinhalt geraten.130 Anderseits ist der erklärte Parteiwille positiv zu berücksichtigen, indem man die Ergänzung des Vertragsinhalts im Einklang mit den übrigen Parteivereinbarungen, im Rahmen des vorliegenden Regelungsplans und am Maßstab des von den Vertragsschließenden durch den bestimmten Vertrag verfolgten Zwecks vornehmen muss.131 Die ergänzende Vertragsauslegung erfolgt zwar aufgrund der normativen Kriterien von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (s. § 157 BGB); sie muss sich allerdings der gewollten Regelung anpassen und sich in sie einfügen. Derjenige, der die Auslegung vornimmt, darf also den Vertragsparteien nicht die eigenen Maßstäbe bzw. Gerechtigkeitsvorstellungen aufdrängen, sondern muss lediglich die von ihnen kraft ihrer Privatautonomie zugrunde gelegten Wertungen zu Ende denken.132 Maßgeblich ist bei diesem Denkvorgang die konkrete Vertragsgestaltung und die tatsächlich vorliegende Interessenlage, damit die sich daraus ergebende ergänzende Regelung so individuell wie möglich anhand der Ge-

___________ 127

s. unten 3. Kapitel B. III. 3. b) bb) (1). s. oben 2. Kapitel B. I. 2. 129 Soergel/Wolf, § 157, Rn. 125; Staudinger(2003)/Roth, § 157, Rn. 4. 130 Absolut h.M, s. Palandt(65)/Heinrichs, § 157, Rn. 8; Soergel/Wolf, § 157, Rn. 125 ff; Staudinger(2003)/Roth, § 157, Rn. 38; MüKo(4)/Mayer-Maly/Busche, § 157, Rn. 45; Larenz, Allgemeiner Teil, § 29 I (S. 539); Erman(11)/Armbrüster, § 157, Rn. 23 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung. 131 s. etwa Larenz, Allgemeiner Teil, Rn. 29 I (S. 542); Soergel/Wolf, § 157, Rn. 129; Palandt(65)/Heinrichs, § 157, Rn. 7; Erman(11)/Armbrüster, § 157, Rn. 20. 132 Aus dem Schrifttum s. z.B. Larenz, Allgemeiner Teil, § 29 I (S. 539); Soergel/Wolf, § 157, Rn. 104. Aus der Rechtsprechung s. etwa BGH v. 6.7.1989, NJW-RR 1989, 1490 (1491); BGH v. 24.6.1982, NJW 1982, 2190 (2191); BGH v. 25.6.1980, BGHZ 77, 301 (304); BGH v. 10.7.1963, BGHZ 40, 91 (104): Aufgrund ergänzender Auslegung wird eine „selbstverständliche Folge aus dem Vereinbarungszusammenhang“ zum Vertragsinhalt gemacht. A.A. MüKo(4)/Mayer-Maly/Busche, § 157, Rn. 25 f (s. aber Rn. 38). 128

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

samtumstände des Einzelfalls ermittelt wird.133 Es ist nämlich darauf abzustellen, „was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten“,134 wobei allerdings nicht um die subjektiven Vorstellungen der Parteien geht, sondern um eine „vom Gericht vorgenommene vernünftige Interessenabwägung auf objektiver Grundlage“.135 Die ergänzende Auslegung darf also lediglich eine sinnvolle Fortbildung der vorhandenen, tatsächlich getroffenen Vertragsregelungen sein, ihre Ergebnisse müssen im Rahmen des ganzen Vertragsgefüges bleiben und durch den konkreten Vertrag selbst gefordert sein.136 Nur in diesem engen Rahmen, in dem die maßgebliche Vertragsergänzung auf der Privatautonomie der Vertragsschließenden aufbaut, kann m.E. immer noch mit einer gewissen Rechtfertigung wirklich von Vertragsauslegung, nämlich von Ermittlung des Vertragsinhalts, gesprochen werden.137 Es ist einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass die ergänzende Auslegung nur in den Punkten zulässig ist, in denen eine von Anfang an bestehende oder erst nach dem Vertragsschluss eintretende Vertragslücke vorliegt.138 Ebenfalls unzweifelhaft ist ferner, dass nicht jede von den Parteien selbst bewusst oder unbewusst in ihrem Vertragswerk offen gelassene Frage eine Vertragslücke im maßgeblichen Sinne darstellt.139 Über diese Ausgangs___________ 133 s. Larenz, Allgemeiner Teil, Rn. 29 I (S. 540); Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 28, Rn. 117; Staudinger(2003)/Roth, § 157, Rn. 30 ff; MüKo(4)/Mayer-Maly/Busche, § 157, Rn. 37 f (s. aber Rn. 25 f); Lüderitz, S. 409. S. aber Flume, § 16 4 b (S. 324). 134 BGH v. 6.7.1989, NJW-RR 1989, 1490 (1491). 135 BGH v. 28.3.1979, BGHZ 74, 193 (199). 136 Soergel/Wolf, § 157, Rn. 104. Allerdings darf bei diesem Denkvorgang das heteronome Moment nicht geleugnet werden – vgl. Lüderitz, S. 395; vor allem die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens am Maßstab von Treu und Glauben (§ 157 BGB: normative Auslegung) stellt ein solches Moment dar. 137 s. Soergel/Wolf, § 157, Rn. 104; Larenz, NJW 1963, 740; Erman(11)/Armbrüster, § 157, Rn. 20. S. aber MüKo(4)/Mayer-Maly/Busche, § 157, Rn. 26; Henckel, AcP 159 (1960-1961), 121 ff. 138 s. etwa BGH v. 22.4.1953, BGHZ 9, 273 (277 ff); BGH v. 18.12.1954, BGHZ 16, 71 (76); BGH v. 30.4.1957, BGHZ 24, 165 (169); BGH v. 10.7.1963, BGHZ 40, 91 (103); BGH v. 6.7.1989, NJW-RR 1989, 1490 (1491); BGH v. 14.3.1990, DB 1990, 1558 (1559) sowie beispielsweise Palandt(65)/Heinrichs, § 157, Rn. 3; Staudinger(2003)/Roth, § 157, Rn. 15 ff; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 28, Rn. 114, Erman(11)/Armbrüster, § 157, Rn. 15 ff alle mit weiteren Nachweisen. 139 So ausdrücklich BGH v. 10.7.1963, BGHZ 40, 91 (103); BGH v. 19.3.1975, NJW 1975, 1116 (1117), Soergel/Wolf, § 157, Rn. 124; Staudinger(2003)/Roth, § 157, Rn. 15; Erman(11)/Armbrüster, § 157, Rn. 16; Kümmeth, S. 88 f; Winterfeld, S. 34 und 39; Puhle, S. 36; Urban, S. 105. S. aber Köndgen, Einbeziehung, S. 27 ff, der die ergänzende Auslegung am Maßstab des „vollständigen Vertrages“ nach der Lehre der ökonomischen Analyse des Rechts in Bezug auf alle möglichen Fragen vornimmt, die in

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

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punkte hinaus ist das legitime Anwendungsfeld der ergänzenden Vertragsauslegung im Hinblick auf das Zusammenspiel von Privatautonomie und objektivem Recht bei der Inhaltsbestimmung der Schuldverhältnisse zu ermitteln. Die Bestimmung des Inhalts eines vertraglichen Schuldverhältnisses erfolgt sowohl durch privatautonome Gestaltungshandlungen – in diesem Zusammenhang mit vertraglichen Vereinbarungen – als auch durch die Gebote des objektiven Rechts. Privatautonome Gestaltung und gesetzliche Anordnungen zusammen bilden die Gesamtordnung, welche das maßgebliche Schuldverhältnis in rechtlicher Hinsicht abschließend regelt. Diese Gesamtordnung besteht also aus zwei ihr untergeordneten Regelungssystemen, aus dem privatautonomen (vertragliche Regelung140) und dem objektivrechtlichen (die einschlägigen Rechtsnormen). In der Regel steht der Vorrang dem privatautonomen Regelungswerk in dem Sinne zu, dass sich die gesetzlichen Anordnungen auf den Inhalt des Schuldverhältnisses nur dann gestaltend auswirken, wenn die Parteien keine davon abweichende Vereinbarung getroffen haben. Das objektive Recht ist also im Regelfall dispositiv, die Vertragsparteien können nämlich mit der entsprechenden Vertragsklausel eine dem objektiven Recht entgegengesetzte Bestimmung wirksam treffen. Anders formuliert, liegt die Funktion des (dispositiven) objektiven Rechts im Verhältnis zu den vertraglichen Vereinbarungen darin, das Vertragswerk in den Punkten zu ergänzen, in denen keine vertragliche Regelung vorliegt, also in der Lückenausfüllung. Kommt man nun auf die Vereinbarungen der Parteien der Vertragsbeziehung als (primärer) Inhaltsbestimmungsfaktor, so muss man feststellen, dass sie „Lücken“ im Sinne fehlender Regelungen aufweisen können. Angesichts der im Vertrag häufig offen gelassenen Fragen ist es problematisch, ob ihre Beantwortung zwecks einer lückenfreien Gesamtregelung des Schuldverhältnisses durch das objektive Recht oder aufgrund ergänzender Auslegung erfolgen soll. Denn beide Male soll, wie bereits dargestellt, die gleiche Funktion erfüllt werden, nämlich die Ergänzung der vertraglichen Regelungen, so dass die Gesamtordnung des maßgeblichen Schuldverhältnisses lückenlos wird. Betrachtet man den Vertrag als ein Anliegen der Parteien für eine mehr oder weniger vollständige Regelung eines bestimmten Bereichs der Gesamtordnung ihrer schuldrechtlichen Beziehungen, so ergibt sich, dass dem Grundsatz der Privatautonomie nur dann Genüge getan werden kann, wenn Lücken innerhalb dieses Bereichs am Maßstab der – freilich normativ festzustellenden – Regelungsabsicht der Parteien und im Sinne ihrer übrigen Vereinbarungen ausgefüllt ___________ der Beziehung der Vertragsparteien aufkommen könnten, ohne eine Überprüfung danach, ob eine Vertragslücke vorliegt. 140 Die Aussage, dass der Vertrag eine Regelung darstellt, dürfte keinen Zweifel hervorrufen, s. etwa Larenz, Allgemeiner Teil, Rn. 29 I (S. 539); Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 33, Rn. 1; Lüderitz, S. 23 f sowie 64.

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

werden, soweit dies freilich möglich ist. Unter diesem Blickwinkel sind im Vertrag offen gelassene Fragen je nachdem zu behandeln, ob sie sich innerhalb des geschlossenen Ganzen befinden, das der Vertrag innerhalb der Gesamtordnung des Schuldverhältnisses gemäß der Absicht der Parteien darstellen sollte, oder über diesen Rahmen hinausgehen. Allein im ersten Fall handelt es sich tatsächlich um Lücken, welche der beabsichtigten inhaltlichen Geschlossenheit der getroffenen Vereinbarungen innerhalb des Regelungsplans der Parteien entgegenstehen (Vertragslücken).141 Hinsichtlich der so definierten Vertragslücken kann folgerichtig nur ihre Ausfüllung am Maßstab der übrigen Parteiregelung dem Vorrang der privatautonomen Gestaltung schuldrechtlicher Beziehungen Rechnung tragen; gerade diese Lückenausfüllung ist Aufgabe der ergänzenden Vertragsauslegung. Begreift man nämlich die ergänzende Vertragsauslegung wirklich nur als das konsequente Weiterdenken142 des vorhandenen Regelungswillens der Parteien unter Zugrundelegung der Kriterien von § 157 BGB, so kann diese Auslegungsmethode ihre Funktion nur dann erfüllen, wenn sie sich auf den Bereich beschränkt, der vom vorhandenen Regelungsplan der Vertragsschließenden umgrenzt wird. Außerhalb des vertraglichen Regelungsplans befindliche offen gelassene Fragen weisen hingegen keinen Berührungspunkt mit der Privatautonomie auf, da die Parteien in Bezug auf die fraglichen Punkte von der ihnen durch die Rechtsordnung eingeräumten Möglichkeit, ihre Beziehungen privatautonom zu gestalten, keinen Gebrauch gemacht haben und insbesondere keinen Gebrauch haben machen wollen. In diesem Fall könnte man auch nicht von „Lücken“ der vertraglichen Regelung sprechen, da ihr Anwendungsfeld die betreffenden Fragen nicht erfassen sollte. Nach dem hier befürworteten Konzept ist das Vorliegen einer Vertragslücke und somit das Anwendungsfeld der ergänzenden Auslegung grundsätzlich unabhängig davon, ob das objektive Recht zwar eine spezielle Regelung für die maßgebliche Frage bereithält oder mangels einer solchen auf die allgemeinen Grundsätze abzustellen ist, die dadurch gewonnene Antwort jedoch nicht befriedigen kann.143 Denn die möglicherweise vorliegende Unvollkommenheit der Gesamtregelung der Schuldbeziehung ist nur dann durch ergänzende Vertragsauslegung aufzuheben, wenn sie sich auf eine Vertragslücke zurückführen lässt. Es ist natürlich sehr wohl denkbar, dass die Vertragsordnung zwar lückenlos und vollkommen, das objektive Recht hingegen vervollständigungsbedürftig ist. In diesem Fall hat man folglich nicht die privatautonom (vertraglich) geschaffene Ordnung mittels Vertragsauslegung zu ergänzen bzw. zu berichtigen, ___________ 141

So auch Kümmeth, S. 89, der plastisch von einem „Regelungsvakuum“ spricht. s. Fn. 132. 143 Vgl. MüKo(4)/Mayer-Maly/Busche, § 157, Rn. 28 (s. aber Rn. 36). Deswegen darf jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die vorliegende gesetzliche Regelung für die Festlegung des Regelungsplans der Parteien nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) erheblich sein kann; s. dazu unten 3. Kapitel B. III. 3. b) bb) (2). 142

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

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sondern die gesetzliche Regelung – insbesondere durch Rechtsfortbildung – zu korrigieren. Das Vorliegen einer Vertragslücke hängt somit entscheidend allein davon ab, welchen Teil der Gesamtordnung des maßgeblichen Schuldverhältnisses die Vertragsschließenden mit ihrer Vereinbarung regeln wollten (Regelungsplan). Über diesen Bereich hinaus können offen gelassene Fragen nicht als eigentliche Vertragslücken angesehen und mittels ergänzender Auslegung beantwortet werden.144 In Bezug auf die Begründung der Drittschutzwirkung mit Hilfe der ergänzenden Vertragsauslegung fragt es sich also, ob die Vereinbarung der Dritthaftung des S innerhalb des Regelungsplans der Parteien liegt, so dass ihre Nichtvereinbarung eine Vertragslücke darstellt.

(2) Der vertragliche Regelungsplan in den Drittschutzfällen – Unzulässigkeit der ergänzenden Auslegung mangels Vertragslücke Angesichts der primären Maßgeblichkeit des Regelungsplans der Parteien für die Feststellung einer Vertragslücke drängt sich die Frage auf, wie sich dieser Regelungsplan ermitteln lässt. Betrachtet man den Vertrag als eine privatautonome Regelungshandlung145 für bestimmte Bereiche der Gesamtordnung eines Schuldverhältnisses, so ist es nur konsequent anzunehmen, dass die Ermittlung des Regelungsfeldes, das die erschaffene Vertragsordnung decken soll, und somit die der Lückenausfüllung selbst (Vertragsergänzung) vorangehende Lückenfeststellung durch Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB erfolgen soll.146 Es muss allerdings klar sein, dass hier nicht nach einer vorhandenen vertraglichen Regelung – sonst wäre das Erfordernis einer Vertragslücke widersprüchlich –, sondern lediglich nach der Regelungsabsicht gesucht wird, die sich zwar ___________ 144 Diese Bedingung stellt – freilich etwas unklar – auch die Rechtsprechung auf, indem sie auf das Vorliegen einer Lücke „innerhalb des tatsächlich gegebenen Rahmens oder innerhalb der wirklich gewollten Vereinbarungen der Parteien“ abstellt bzw. indem sie eine Erweiterung des Vertragsgegenstands oder eine Abänderung des Vertrages ebenso wie den Versuch verbietet, mittels ergänzender Auslegung etwas Neues, bisher im Grundsatz nicht Vorhandenes in den Vertrag einzuführen, s. BGH v. 22.4.1953, BGHZ 9, 273 (277 f); BGH v. 18.12.1954, BGHZ 16, 71 (76); BGH v. 10.7.1963, BGHZ 40, 91 (103); BGH v. 25.6.1980, BGHZ 77, 301 (304); BGH v. 24.6.1982, NJW 1982, 2190 (2191); BGH v. 1.2.1984, BGHZ 90, 69 (77); BGH v. 30.10.1984, BGHZ 92, 363 (370); BGH v. 6.7.1989, NJW-RR 1989, 1490 (1491). 145 Vgl. Fn. 140. 146 Vgl. Henckel, AcP 159 (1960-1961), S. 115 f, der die ergänzende Auslegung nur beim Stadium der Feststellung von Vertragslücken tatsächlich als Auslegung anerkennt (s. dazu auch Fn. 137); Lüderitz, S. 405 (und ihm ausdrücklich folgend Sonnenberger, S. 165), der allerdings das Problem der Vertragslücke wegen der Notwendigkeit einer Vertragsauslegung zur Lückenfeststellung als ein Scheinproblem ansieht (S. 410).

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

im Vertragsgefüge verkörpert, in das Vertragswerk jedoch unvollkommen umgesetzt worden ist. Für die einschlägige Untersuchung sind zunächst die übereinstimmenden, ausreichend zum Ausdruck gekommenen Parteivorstellungen über das Geltungsfeld der vertraglichen Regelung maßgeblich, auch wenn sie keine entsprechende Vereinbarung zur Folge hatten. Darüber hinaus können bei dieser Untersuchung nicht nur subjektive Elemente, sondern auch allgemeine, objektive Gesichtspunkte eine erhebliche Rolle spielen, wie etwa die Gewohnheiten des Geschäftsverkehrs (vgl. die Verkehrssitte in § 157 BGB) oder die Erwartungen der Rechtsordnung hinsichtlich eines „vernünftigen“ Vertragsinhalts. In diesem Rahmen ist die Betrachtung des Vertrages als eine Ordnung maßgeblich, die eine gewisse Selbständigkeit gegenüber ihren Schöpfern erlangt.147 Diese Ordnung kann aus objektivierter, normativer Sicht eine bestimmte Regelungstendenz aufweisen, die der subjektiven Vorstellung der Vertragsschließenden nicht unbedingt entspricht. Anhand einer solchen objektiven Betrachtung kann die vertragliche Regelung bestimmter Punkte darauf hinweisen, dass die Regelungsabsicht der Parteien sich auch auf Bereiche ausdehnen sollte, die von keiner ausdrücklichen bzw. konkludenten Vertragsklausel erfasst werden. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die interessierenden Bereiche mit den tatsächlich geregelten Punkten eng zusammenhängen bzw. von den geregelten Punkten beeinflusst werden, oder wenn ihre Einbeziehung in den vertraglichen Regelungsplan notwendig ist, um das vorhandene Vertragswerk nicht für widersinnig halten zu müssen.148 Von zentraler Bedeutung ist dabei der Zweck, der durch den gesamten Vertrag bzw. durch eine vertragliche Abrede verfolgt wird. Unter einer objektivierten Betrachtungsweise kann es nämlich erforderlich sein, in den vertraglichen Regelungsplan trotz fehlender einschlägiger Parteierklärungen auch das Feld einzubeziehen, wenn dessen Regelung für eine Realisierung des maßgeblichen Zwecks unerlässlich ist. Darüber hinaus kann man auch Nebenzwecke in die Vertragsordnung einschließen, – um dadurch die entsprechenden Regelungsbereiche der ergänzenden Auslegung zugänglich zu machen –, ohne deren Realisierung auch die Vertragshauptzwecke in Wirklichkeit scheitern müssten bzw. der Vertragsschluss für die Parteien eigentlich nutzlos oder überwiegend mit Nachteilen belastet wäre. Bedient man sich des Vertragszwecks als Maßstab für die Festlegung des vertraglichen Regelungsplans in einem Bereich, für den überhaupt keine einschlägigen Parteiabreden vorliegen, dann muss man sich allerdings darüber im Klaren sein, dass durch diese Vorgehensweise die vorhandene Vertragsordnung ___________ 147 148

s. auch Larenz, NJW 1963, 739; Schapp, Rechtsgeschäftslehre, S. 60. Vgl. BGH v. 25.6.1980, BGHZ 77, 301 (304).

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

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im Sinne einer nur objektiv ermittelten Normierungsabsicht erweitert wird. Es mag sein, dass derjenige, der die Auslegung vornimmt – im Regelfall das entscheidende Gericht –, die Parteiwertungen am Maßstab von Treu und Glauben (§ 157 BGB) zugrunde legen muss.149 Dennoch handelt es sich immer noch um eine äußere Intervention in den Vertrag. Die Frage nach der Legitimation dieses Vorgehens mit Hilfe des Gedankens der Privatautonomie drängt sich deshalb besonders stark auf. Aus diesem Grund sind dabei strenge Bedingungen bzw. hohe Begründungsanforderungen aufzustellen. Das Postulat einer prinzipiellen Zurückhaltung bei der Erweiterung des vertraglichen Regelungsplans aufgrund des Vertragszwecks entspricht somit auch der Anerkennung der Privatautonomie beider Vertragsschließenden, die sonst entgegen ihren legitimen Erwartungen neue Regelungsfelder in ihren Vertrag eingezwungen sehen müssten. Deshalb sollte man verlangen, dass der Vertragszweck angesichts des übrigen Regelungsgefüges sinnvollerweise nur durch die Erweiterung und Ergänzung der Vertragsordnung überhaupt verwirklicht werden kann. Dafür muss die konkrete Vertragsgestaltung ohne die einschlägige Korrektur unter dem (freilich normativ zu ermittelnden) Blickwinkel der Vertragsparteien größtenteils als gescheitert angesehen werden, weil sie ihre legitimen, im Vertrag bereits verankerten Erwartungen nicht erfüllen kann. Hier kann auch die möglicherweise vorhandene objektivrechtliche Regelung eine Rolle spielen. Zwar kann sie die Frage, ob eine Vertragslücke vorliegt, nicht unmittelbar beeinflussen, weil sie den vertraglich gesetzten Teil der Gesamtordnung des Schuldverhältnisses nicht berührt.150 Dennoch kann sie als Indiz dafür dienen, ob die im Vertrag tatsächlich verkörperte einschlägige Regelungsabsicht der Parteien in Anbetracht der objektiven Sachlage erweitert werden muss, um der dem Vertrag zugrunde liegenden Zweckverfolgung Rechnung zu tragen. Denn die objektivrechtliche Regelung kann dafür maßgeblich sein, ob der Vertragszweck ohne eine Erweiterung des Vertragsgegenstandes erreicht werden kann oder nicht. Für die Behandlung der Drittschutzfälle bedeutet diese Bemerkung, dass eine Ausdehnung des Vertragsgegenstandes auf die haftungsrechtliche Regelung der Drittstellung unter Berufung auf den Umstand, dass sonst eine Zweckerreichung sinnvollerweise nicht möglich wäre, nur dann zulässig sein kann, wenn die vom objektiven Recht eventuell vorgesehenen Möglichkeiten zur Entschädigung des D (insbesondere aufgrund einer Haftungskette auf der Basis von § 278 BGB151) völlig unzureichend sind, um den Vertragszweck verwirklichen zu können. ___________ 149 Auch auf der Grundlage von § 157 BGB können die subjektiven Gerechtigkeitsvorstellungen des Rechtsanwenders nie völlig ausgeschlossen werden. 150 s. oben 3. Kapitel B. III. 3. b) bb) (1). 151 s. oben 3. Kapitel B. I.

140

3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

Diese Argumentationsweise ist in den Drittschutzfällen die praktisch einzige Möglichkeit, in den vertraglichen Regelungsplan die haftungsrechtliche Drittstellung einzubeziehen, um diesbezüglich anschließend eine Vertragslücke feststellen zu können. Denn weder aus den Gesamtumständen, die den Vertragsschluss begleiten, noch aus dem objektiv vorliegenden Vertragsgefüge ergibt sich ein Vorhaben der Parteien, die Haftung des S im Hinblick auf den möglichen Schaden dritter Personen besonders zu regeln. Dies dürfte auch dem im Geschäftsverkehr Üblichen entsprechen152 (vgl. § 157 BGB: Beachtung der Verkehrssitte). Ferner sind, objektiv betrachtet, kaum vertragliche Regelungen ersichtlich, die aufgrund eines besonderen Zusammenhanges mit der Dritthaftung des S die entsprechende Ausweitung des Regelungsfelds der Vertragsordnung rechtfertigen könnten.153 Vielmehr wird meistens nicht einmal die Problematik der Haftung des S im Allgemeinen – d.h. auch nicht im Verhältnis zu G selbst – von den Vertragsabreden erfasst.154 Aber auch in den Konstellationen, in denen die Haftung des S tatsächlich zum Gegenstand der Parteivereinbarungen geworden ist – insbesondere in der Form einer Haftungsfreizeichnung155 –, kann allein deshalb nicht angenommen werden, auch seine Dritthaftung werde als vertragliche Regelungsabsicht thematisiert. Denn die Parteien haben in diesen Fällen offenbar allein die Absicht, eine vom objektiven Recht bereits vorgeschriebene Haftungsregelung zu modifizieren. Sie gehen nämlich von einer bestehenden Haftpflicht aus; mit der Begründung einer solchen Pflicht und zwar gegenüber Dritten, steht ihr Regelungsvorhaben nicht zusammen. Stellt man in den Drittschutzfällen auf den Zweck ab, der durch den Vertrag zwischen G und S konkret verfolgt wird, so gilt grundsätzlich, dass dieser Zweck primär im Leistungsaustausch im zweiseitigen Verhältnis (G und S) liegt, so dass die Belange dritter Personen prinzipiell von der vertraglichen Zweckverfolgung nicht zwangsweise erfasst werden.156 So liegt beispielsweise der Zweck des Werkbestellers157 (G) in der vertragsgemäßen Werkherstellung; für die Verwirklichung dieses Zwecks ist die Vereinbarung der Dritthaftung des ___________ 152

Es ist nicht zufällig, dass eine ausdrückliche Drittschutzvereinbarung in der Praxis kaum vorkommt (s. 2. Kapitel Fn. 245): Die Vertragsparteien pflegen in der Tat keine solchen Abmachungen zu treffen. Vgl. dabei auch die Kritik Gernhubers, FS Nikisch, S. 265: „Es wäre sehr seltsam, wenn die sämtlichen Mietverträge über Wohnungen von gestern, heute und morgen unvollständig wären. Keiner von ihnen spricht sich über Drittberechtigungen aus, auch nicht die vielen Mietformulare, die im Umlauf sind. Und das nach Jahrzehnten gleichmäßigen Judizierens!“. Ihm folgend Musielak, S. 38. 153 s. auch Papst, S. 9; Puhle, S. 37. 154 Auch in rein zweipoliger Hinsicht ist die Ausgestaltung der Haftungsordnung für Pflichtverletzungen im Prinzip eine Aufgabe des objektiven Rechts. 155 So etwa bei BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269. 156 Vgl. Kümmeth, S. 90 ff. 157 s. oben 2. Kapitel A. II. 3.: Fallkonstellation 6 – „Sorgfaltsverletzungen des zur Werkherstellung bzw. zur Dienstleistung Verpflichteten“.

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

141

Unternehmers (G) nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) freilich nicht unentbehrlich bzw. der Vertrag erscheint für beide Parteien auch ohne diese Abrede sinnvoll. Auf ähnliche Weise ist auch die Interessenlage in den meisten Drittschutzfällen zu beurteilen: Angesichts der wegen des Relativitätsprinzips apriorischen Zweiseitigkeit des Parteivorhabens muss die Annahme eines unabdingbaren Zusammenhanges der Drittbelange mit dem Vertragzweck eindeutig die sicherlich begründungsbedürftige Ausnahme bleiben. Aber auch wenn man auf der Primärpflichtebene ausnahmsweise annehmen muss, dass der Vertrag zwischen G und S über den rein zweiseitigen Leistungsaustausch hinaus Berührungspunkte mit der Drittstellung aufweist, so muss dieser Umstand keineswegs dahingehend gedeutet werden, dass auch die Modifizierung der prinzipiell nur zweipolig (relativ) geltenden vertraglichen Haftungsordnung158 zu Gunsten eines Dritten notwendigerweise zum Vertragsgegenstand befördert werden muss, um dem Vertragszweck Rechnung zu tragen. Auf diese Betrachtungsweise weist eindeutig das von der Rechtsordnung als „normales“ Parteiverhalten Erwartete hin: Die Parteien müssen sich im Regelfall keine Gedanken über die sekundären Folgen der Nicht- bzw. Schlechterfüllung ihrer vertraglichen Pflichten machen und sich um die entsprechenden Vereinbarungen bemühen, da das objektive Recht eine umfassende interessengerechte Lösung bereithalten soll.159 Gerade der im BGB verkörperte Versuch des Gesetzgebers, die Folgen vertraglicher Pflichtverletzungen möglichst vollkommen (s. insbesondere § 280 I BGB) und detailliert zu regeln, deutet auf die Vorstellung hin, dass die Normierung der Haftungsordnung eines Schuldverhältnisses vornehmlich eine Aufgabe des objektiven Rechts und nicht der Vertragsschließenden ist;160 diese können sich ruhig in zwei-, geschweige denn in mehrpoliger Hinsicht auf die Festlegung ihrer gegenseitigen Primärpflichten konzentrieren. Angesichts dieser Schwierigkeiten ist die in Frage stehende Erweiterung des klar aufgestellten Vertragsgegenstandes in den Drittschutzfällen vielleicht dann legitim, wenn die Interessenverbindung zwischen G und D so außerordentlich stark und die Gefahr für D – ihrer Wahrscheinlichkeit und der Gewichtigkeit ihrer Folgen nach – so ungewöhnlich bedeutend ist, dass ohne die Vereinbarung einer direkten Haftung des S gegenüber D auch bei reibungslos erfolgtem Leistungsaustausch zwischen G und S die Interessen des G kaum gefördert werden

___________ 158

s. oben 3. Kapitel B. II. s. auch oben 3. Kapitel B. III. 3. b) aa). 160 Diese Feststellung berührt den grundsätzlichen Vorrang der privatautonomen Regelungsordnung – s. oben 3. Kapitel B. III. 3. b) bb) (1) – freilich nicht; fraglich ist nur, ob eine solche Ordnung als vorhanden angesehen werden muss. 159

142

3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

könnten.161 Dies kann auch darauf zurückzuführen sein, dass andere gesetzliche Rechtsinstrumente zur Schadenskompensation des D ebenfalls vollkommen versagen müssen. Ohne solch enge Voraussetzungen darf man m.E. nach Treu und Glauben die Dritthaftung des S über den zweiseitigen Leistungsaustauschzweck hinaus in das vertragliche Regelungsprogramm nicht einbeziehen. Eine gewisse Lockerung dieser Voraussetzungen kann vielleicht nur in den Fällen eintreten, in denen D nach der konkreten Vertragsgestaltung nicht mehr an der Peripherie des Leistungsaustausches steht, sondern eher in dessen Zentrum gerückt ist. Diese Fallgestaltung liegt dann vor, wenn die Leistung des S, obwohl sie nur dem G geschuldet wird, überwiegend dem D nutzen soll, wie etwa in dem Fall, dass G mit S die ärztliche Behandlung des D vereinbart:162 Da das ganze Leistungsaustauschprogramm auf das Wohl des D gerichtet ist, kann man einfacher annehmen, dass die Verwirklichung des Vertragszwecks mit der Sicherung der Stellung des D untrennbar verbunden ist. Dabei müssen allerdings weiterhin gewichtige Gläubigerinteressen mit dem Drittschutz verbunden sein, welche die maßgebliche Erweiterung des Regelungsplans der Parteien (G und S) rechtfertigen können; Argumente zur objektiven Schutzbedürftigkeit des D an sich sind hingegen nicht einschlägig.163 Festzuhalten bleibt somit, dass in der Mehrheit der Drittschutzfälle die elementare Voraussetzung der ergänzenden Vertragsauslegung, nämlich das Vorliegen einer Vertragslücke, in der Regel nicht erfüllt wird, weil sich die Normierung der Dritthaftung des S nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) nicht in den Regelungsplan der Vertragsparteien (G und S) einschließen lässt.164 Ist allerdings ausnahmsweise eine einschlägige Erweiterung des Regelungsplans vorzunehmen, dann dürfte auch die Existenz einer Vertragslücke und die ergänzende

___________ 161

Vgl. oben 3. Kapitel B. III. 3. b) aa) die entsprechenden Überlegungen hinsichtlich der Annahme einer stillschweigenden (konkludenten) Drittschutzvereinbarung. Dabei muss keineswegs befremden, dass sowohl bei der erläuternden als auch bei der ergänzenden Vertragsauslegung die aufzustellenden Bedingungen für die Annahme der Drittschutzwirkung auf den gleichen materiellen Gesichtspunkten beruhen; dies ist darauf zurückzuführen, dass beide Vorgehensweisen mangels anderweitiger Anhaltspunkte die objektive Interessenlage als Ausgangspunkt zugrunde legen müssen (s. oben 3. Kapitel B. III. 1.). 162 Zu dieser Konstellation s. oben 2. Kapitel A. II. 3., Fallkonstellation 8 – „Ärztliche Behandlung“. Eine ähnliche Lage kommt auch in der Fallkonstellation 6 – „Sorgfaltsverletzungen des zur Werkherstellung bzw. zur Dienstleistung Verpflichteten“ vor, s. oben 2. Kapitel A. II. 3. 163 Vgl. bereits oben 3. Kapitel B. I. 164 Zu diesem Ergebnis gelangen auch Gernhuber, FS Nikisch, S. 265; Larenz, Schuldrecht AT, § 17 II (S. 227); Papst, S. 8 f; Kümmeth, S. 90 ff; Puhle, S. 37; Ziegltrum, S. 115 f; Winterfeld, S. 39 ff; Urban, S. 105 f; Keitel, S. 64; Steimeyer, DB 1988, 1052.

B. Die Grenzen der Vertragsauslegung

143

Vertragsauslegung im Sinne der Drittschutzwirkung (Lückenschließung) nahe liegen.165 Schließlich muss man hier nochmals betonen, dass die soeben dargestellte Argumentation immer dann gilt, wenn der rechtsgeschäftliche Wille als Grundlage der Drittschutzwirkung zugrunde gelegt wird, unabhängig davon, auf welcher rechtlichen Basis – etwa aufgrund von § 328 BGB direkt166 oder analog,167 kraft Privatautonomie in Verbindung mit dem Rechtsgedanken von § 328 BGB168 usw. – man dem Parteiwillen die maßgebliche Rechtsgestaltungskraft für das Verhältnis zwischen S und D anerkennen will.169 Denn die genaue dogmatische Konstruktion dient lediglich dazu, den – freilich ergebnisorientierten, konkludenten oder hypothetischen – Parteiwillen unter bekannte Rechtskategorien einzuordnen; ob ein solcher Wille jedoch überhaupt angenommen werden darf, ist von der dogmatischen Figur unabhängig, die diesem Willen zur Verwirklichung verhelfen soll.170

IV. Zusammenfassung – Gesamtwertung des rechtsgeschäftlichen Modells Der Versuch, die vertraglichen Drittschutzwirkungen mittels Vertragsauslegung zu begründen (rechtsgeschäftliches Modell), steht und fällt mit der überzeugenden Ermittlung des entsprechenden Vertragsinhalts, zumal eine Drittschutzabrede allgemein zulässig ist.171 Da ausdrückliche Parteierklärungen sowie auszulegendes konkretes Parteiverhalten fehlen, ist die objektive Interessenlage entscheidend,172 wobei vornehmlich der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 157 BGB) als Beurteilungsmaßstab dienen muss. Die Untersuchung dieser Lage zeigt zunächst, dass keine Drittschutzwirkung in den Fällen angenommen werden kann, in denen keine ausreichenden Gläubigerinteressen für den Schutz ___________ 165 Im Allgemeinen lassen sich die für die ergänzende Vertragsauslegung notwendigen Schritte (Festlegung oder sogar Erweiterung des vertraglichen Regelungsplans, Lückenfeststellung und Lückenschließung) nicht unbedingt klar voneinander unterscheiden, vgl. Lüderitz, S. 405 f; Dahm, JZ 1992, 1169. Vgl. auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 220, zur Feststellung und Ausfüllung von „Gesetzeslücken“. 166 So vor allem die Rechtsprechung vor BGH v. 15.5.1959, NJW 1959, 1676 – s. dazu oben 2. Kapitel B. I. 1., insbesondere Fn. 234. 167 s. etwa LG Frankfurt v. 8.4.1997, WM 1997, 1932 (1934); Philippsen, S. 100 ff. Weitere Nachweise s. bei Hirth, S. 86, Fn. 5. 168 s. oben 3. Kapitel B. II. 169 So zutreffend Kümmeth, S. 98 f. 170 s. auch oben 3. Kapitel B. III. 2. 171 s. oben 3. Kapitel B. II. 172 s. oben 3. Kapitel B. III. 2.

144

3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

des Dritten vorliegen;173 damit sind insbesondere Konstellationen mit einem Interessengegensatz zwischen G und D gemeint.174 Aber auch in den Fällen, die eine Interessenverbindung zwischen G und D aufweisen, kann die Drittschutzwirkung nicht ohne weiteres angenommen werden. Hinsichtlich der erläuternden Auslegung liegen in den meisten Drittschutzfällen keine so außerordentlich starken Gläubigerinteressen für den Drittschutz vor, die den Schluss erlauben könnten, dass S der Willenserklärung des G zum Vertragsschluss auch den Inhalt entnehmen müsste (§ 157 BGB), G wolle die Vereinbarung der Dritthaftung des S.175 Ebenso wenig kann dabei die ergänzende Auslegung weiterhelfen, da es am Erfordernis einer einschlägigen Vertragslücke im Regelfall fehlt: Nur unter strengen Bedingungen kann man annehmen, dass die Vereinbarung der Schutzwirkung sich innerhalb des Regelungsprogramms der Parteien befindet, obgleich man dieses im Hinblick auf den Vertragszweck in gewissen Grenzen erweitern kann; die Mehrheit der Fälle kann allerdings diese Bedingungen nicht erfüllen.176 Im Ergebnis kann das rechtsgeschäftliche Modell die Drittschutzwirkungen praktisch nur in den Fällen überzeugend erklären, in denen ein familiäres Verhältnis zwischen G und D vorliegt, das auf eine außerordentlich starke moralische und rechtliche Verbundenheit zwischen G und D hinweist. Dafür muss ferner die Gefährdung des D durch eine Pflichtverletzung des S sehr wahrscheinlich und erheblich sein, wie vor allem bei drohenden Personenschäden, während die übrigen rechtlichen Möglichkeiten zur Kompensation des Drittschadens, vornehmlich auf der Grundlage einer Haftungskette gemäß § 278 BGB, grundsätzlich völlig unzureichend sein müssen. Schließlich kann das rechtsgeschäftliche Modell apriorisch keine geeignete Drittschutzgrundlage darstellen, wenn es an rechtsgeschäftlichen Erklärungen überhaupt fehlt, wie etwa beim gesetzlich begründeten (s. nunmehr § 311 II BGB) Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen oder bei einem nichtigen Vertragsschluss. Über die Bedenken hinaus, die gegen die Annahme einer Drittschutzvereinbarung im Sinne des rechtsgeschäftlichen Modells in jedem konkreten Fall vorliegen, kann man ferner davon ausgehen, dass die Vertragsauslegung als Rechtsgrundlage der Drittschutzwirkungen im Allgemeinen versagen muss. Diese Schlussfolgerung basiert vor allem auf der Überlegung, dass die Vertragsauslegung ein Instrument zur Fallbeurteilung aufgrund der Individualmerkmale und der besonderen Umstände jedes einzelnen Falls ist, so dass dadurch eine sachlich zutreffende Problemlösung höchstens für die jeweils konkret vorliegende Konstellation erzielt werden kann. Bei den vertraglichen Drittschutzwirkungen ___________ 173 174 175 176

s. oben 3. Kapitel B. III. 3. a) aa). s. oben 3. Kapitel B. III. 3. a) bb). s. oben 3. Kapitel B. III. 3. b) aa). s. oben 3. Kapitel B. III. 3. b) bb) (2).

C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung

145

handelt es sich jedoch um eine allgemeine Problematik,177 die immer wieder auftritt, wenn Dritte wegen einer Pflichtverletzung,178 die im Rahmen des Vertragsverhältnisses anderer Personen (G und S) stattfindet, einen Schaden erleiden. Bereits deshalb scheint es geboten, das SSD als eine Frage der Anwendung objektiven Rechts anzusehen, das seiner Natur nach zur Bewältigung allgemeiner Probleme besser geeignet ist.179 Insgesamt ist das rechtsgeschäftliche Modell unzureichend, da es bei konsequenter und rechtssystemkonformer Anwendung nicht alle Drittschutzfälle zu erklären, sondern nur fragmentarisch als Rechtsgrundlage zu dienen vermag. Da sich allerdings das Anwendungsfeld des SSD viel weiter ausgedehnt hat, als die Grenzen der Vertragsauslegung es erlauben würden, und diese Ausdehnung im Allgemeinen gebilligt wird, so ist nach einer anderen geeigneten Rechtsgrundlage im Rahmen des objektiven Rechts zu suchen (gesetzliches Modell), die das SSD dogmatisch plausibel und seiner funktionellen Stellung in der Rechtsordnung entsprechend erklären könnte.

C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung Angesichts der Feststellung, dass das Rechtsinstitut des SSD in seinem ganzen Anwendungsspektrum mit Vertragsauslegung180 nicht begründet werden kann, und eine anderweitige gewohnheitsrechtliche oder gesetzliche Norm, welche diese Rolle übernehmen könnte, offenbar fehlt,181 stellt man häufiger auf eine entsprechende richterliche Rechtsfortbildung ab. Der rechtsfortbildende Ansatz dürfte heute wohl die h.M. im Schrifttum sein.182 ___________ 177

Darüber dürfte kein Zweifel bestehen, wie schon ein schneller Blick auf die abstrakten Kriterien verdeutlichen kann, deren sich die Rechtsprechung in den einschlägigen Entscheidungen bedient (s. oben 2. Kapitel B. II.). s. auch Hirth, S. 115; Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 124. 178 s. 1. Kapitel Fn. 27. 179 So nachdrücklich bereits Gernhuber, FS Nikisch, S. 265: „§ 157 ist überfordert, wenn das Gesetz korrigiert werden soll“. Ihm ausdrücklich folgend Winterfeld, S. 42; Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 122. S. auch Urban, S. 106; Lüderitz, S. 409; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 34 IV 2 a; Vogt, MDR 1993, 499; Lötner, S. 73. 180 s. oben 3. Kapitel B. 181 Zur Begründung dieser Aussage in Bezug auf § 311 III S. 1 BGB s. unten 4. Kapitel B. insbesondere II. und III. In Bezug auf das Gewohnheitsrecht s. oben Fn. 12. 182 s. etwa Larenz, Schuldrecht AT, § 17 II (S. 227); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 6 d sowie § 21 III 4; Erman(10)/Werner, § 241, Rn. 3; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 260; Staudinger(1994)/Kaduk, Vorbem. zu §§ 328 ff, Rn. 80; Kümmeth, S. 219 ff; Hirth, S. 107 ff; Winterfeld, S. 56 ff; Dickes, S. 40 ff; Urban, S. 110 ff; Schütz, S. 131 ff (insbesondere 141); Keitel, S. 93 ff sowie 117 ff; Bayer, JuS 1996,

146

3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

I. Die Bedeutung der Rechtsprechung in normativer Hinsicht Wenn die Rede von Rechtsfortbildung ist, so wird in aller Regel von richterlicher Rechtsfortbildung gesprochen. Deshalb fragt es sich zunächst, welche Bedeutung in normativer Hinsicht der Umstand haben könnte, dass das SSD durch eine jahrzehntelange Rechtsprechung, wenn auch mit Schwankungen bei Einzelfragen bzw. Einzelfallgruppen,183 angewendet wird. Nach Art. 20 III GG ist die Rechtsprechung an Gesetz und Recht184 gebunden (s. auch Art. 97 I GG).185 Daraus ergibt sich zwingend, dass keine Gerichtsentscheidung gerechtfertigt sein kann, wenn sie dem Gesetz oder dem Recht widerspricht.186 Über diese negative Kontrolle hinaus unterliegt eine Rechtsfortbildung, wie jede Gerichtsentscheidung schlechthin, der Überprüfung danach, ob das Gesetz bzw. das Recht (Art. 20 III GG) die Anwendung des in Frage stehenden Rechtssatzes positiv begründen können. Dafür reicht die Feststellung freilich nicht aus, dass Gesetz bzw. Recht der fraglichen Rechtsfindung nicht entgegensteht, sondern es muss zusätzlich belegt werden, dass sie sie gerade gebieten.187 Denn die Legitimation einer Rechtsfortbildung kann sich nicht auf die Autorität ihres Schöpfers, in diesem Zusammenhang vornehmlich auf jene der Rechtsprechung, berufen.188 Es reicht nämlich keineswegs lediglich der Umstand aus, dass ein höhe___________ 476; Sonnenschein, JA 1979, 226 f; Assmann, JuS 1986, 887; Berg, JuS 1977, 363; Ziegltrum, S. 152 ff; Puhle, S. 41 ff; Westermann, FS Honsell, S. 138. 183 So etwa in den Gutachtenfällen, s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15, insbesondere Fn. 164. 184 Darunter ist freilich auch das Gewohnheitsrecht zu verstehen, s. etwa Müller, Richterrecht, S. 82. 185 Darüber hinaus verleiht erst das (Parlaments-)Gesetz dem Richter und seiner Rechtsprechung demokratische Legitimation (Demokratieprinzip, Art. 20 I GG), s. Hillgruber, JZ 1996, 118. 186 Ganz herrschende Meinung: S. etwa BVerfG v. 26.6.1991, BVerfGE 84, 212 (227): „Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine damit vergleichbare Rechtsbindung“; Palandt(65)/Heinrichs, Einleitung, Rn. 22; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 3, Rn. 40; Kirchhof, S. 14 f; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 252 ff mit weiteren Nachweisen. Damit wird allerdings keine Stellung zur Frage genommen, ob das „Richterrecht“ eine gewisse Bindungswirkung im normativen Sinne entfalten kann – s. beispielsweise Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 256 ff; Bydlinski, Methodenlehre, S. 505 ff; Fikentscher, Präjudizien, S. 18 ff. Denn jedenfalls darf diese Wirkung die Grenze nicht überschreiten, die Art. 20 III GG mit dem Gebot über die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht umschreibt (s. auch Art. 97 I GG), und ein der Rechtsordnung widersprechendes Urteil anfordern, s. eine ausführliche Darstellung bei Langenbucher, S. 105 ff. Eine solch absolute Bindungswirkung wird ohnehin von keiner Seite vertreten, s. etwa Ohly, AcP 201 (2001), 34. Einen kurzen Überblick über die einschlägigen Auffassungen in der deutschen Methodenlehre s. bei Ohly, AcP 201, (2001), 20 ff; Langenbucher, S. 118 ff. 187 So auch Canaris, Feststellung, S. 37 sowie 96. 188 So auch plastisch Köndgen, Einbeziehung, S. 4 f: „Legitime richterliche Rechtsfortbildung fällt nicht buchstäblich vom (Leipziger oder Karlsruher) Himmel; und tut sie

C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung

147

res Gericht bzw. die Rechtsprechung als Ganzes die rechtliche Verbindlichkeit der ausgesprochenen Regel „will“; vielmehr muss man ihre Geltung allein mit dem geltenden Rechtssystem und dessen eigenen Wertungen untermauern.189 Da also eine durch Rechtsfortbildung erzielte Regelung ihren verbindlichen Charakter dadurch erlangt, dass sie vom Recht geboten ist, spielt es an sich eigentlich keine Rolle, ob ein Gericht oder ein anderer Rechtsanwender (etwa die vollziehende Gewalt – vgl. Art. 20 III GG), die maßgebliche Regel rechtsfortbildend zum ersten Mal ausgesprochen hat.190 Die Verbindlichkeit einer solchen Rechtsentwicklung für jeden weiteren Rechtsanwender bzw. Rechtsadressaten steht und fällt, ebenso wie bei einer durch die Rechtsprechung vollzogenen Rechtsfortbildung, mit der Überzeugungskraft der angeführten Argumente; entscheidend ist nämlich nur, ob diese belegen können, dass die rechtsfortbildend eingeführte Norm von der Rechtsordnung selbst geboten sei.

II. Legitimationsvoraussetzungen einer Rechtsfortbildung Um der Frage nachzugehen, inwiefern das SSD als eine Rechtsfortbildung erfasst werden kann, ist eine Stellungnahme hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen der rechtsfortbildenden Tätigkeit hilfreich. In diesem Abschnitt wird also untersucht, was unter dem Terminus „Rechtsfortbildung“ verstanden werden soll,191 und inwiefern die rechtsfortbildende Tätigkeit das Vorliegen einer Gesetzeslücke voraussetzt.192 Anschließend werden die Anforderungen dargelegt, um eine Rechtsfortbildung als ein Gebot des geltenden Rechts ansehen und dadurch rechtfertigen zu dürfen.193

1. Rechtsfortbildung als über den möglichen Gesetzeswortsinn hinausgehende Rechtsfindung Als über die „normale“ Gesetzesanwendung hinausgehende „Rechtsfortbildung“ wird diejenige Rechtsfindung definiert, die vom möglichen Gesetzes___________ es doch einmal, so muß sie, wenn sie von Bestand sein soll, irgendwann ihre Sachgründe nachliefern“. Etwas missverständlich wirken vor diesem Hintergrund hingegen die Ausführungen Gernhubers, Das Schuldverhältnis, § 21 II 6 b (S. 528). 189 Vgl. bereits oben 3. Kapitel A.; auf die einzuhaltende Vorgehensweise ist später einzugehen, s. unten 3. Kapitel C. II. 190 Vgl. Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 454a; Bydlinski, Rechtsfindung, S. 39 f; Schmalz, Rn. 314; Engisch, Einführung, S. 138. 191 s. unten 3. Kapitel C. II. 1. 192 s. unten 3. Kapitel C. II. 2. 193 s. unten 3. Kapitel C. II. 3.

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

wortsinn194 nicht erfasst werden kann, so dass man nicht mehr von unmittelbarer Anwendung gesetzlicher Vorschriften sprechen darf.195 Als Rechtsfortbildung ist also bereits die sog. Einzelanalogie anzusehen.196 Auf das SSD bezogen bedeutet diese Definition, dass die dogmatische Rechtfertigung des SSD notwendigerweise in einer zulässigen Rechtsfortbildung zu suchen ist, da es klar ist, dass keine Gesetzesvorschrift die schuldrechtlichen Drittschutzwirkungen umfassend197 decken kann.198 Durch diese Grenzziehung wird freilich nicht verkannt, dass auch die „einfache“ Normauslegung und -anwendung keinen bloß kognitiven bzw. logischen Prozess darstellt, wie vielleicht der Begriff der Subsumtion indizieren könnte, sondern vielmehr ein schöpferisches bzw. wertendes Moment zwangsläufig innehat.199 Was allerdings die hier befürwortete Differenzierung rechtfertigen soll, sind die verschiedenen Legitimationsansätze, die dem jeweiligen Rechtsfindungsprozess („normale“ Gesetzesanwendung bzw. Rechtsfortbildung) zugrunde liegen und die Beachtung der unabweislichen Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 III GG) belegen sollen. Obwohl sich die schöpferische Leistung des Rechtsanwenders auch bei der „einfachen“ Gesetzesanwendung nicht ver___________ 194 Die Grenzen, die der Normwortlaut setzt, müssen allerdings nicht unverändert bleiben; vielmehr kann sich die einem an sich unverändert gebliebenen Wortlaut beigemessene Bedeutung im Laufe der Zeit wandeln – s. dazu auch Gropp, S. 178 f. 195 Zu diesem Abgrenzungskriterium s. etwa Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 163 f sowie 187 f; Müller, Richterrecht, S. 69; Hassold, 2. FS Larenz, S. 218 f; Engisch, Einführung, S. 150; Neuner, Rechtsfindung, S. 90 ff. S. aber Kamanabrou, AcP 202 (2002), 679 ff; Rhinow, S. 90 sowie 158 f. Wegen dieser Abgrenzung muss streng genommen das rechtsgeschäftliche Drittschutzmodell ebenfalls auf einer Rechtsfortbildung beruhen, wenn man mit der Rechtsprechung annimmt (s. oben 2. Kapitel B. I. 1.), § 328 BGB normiere seinem möglichen Wortsinn nach keine Drittschutzvereinbarung; da jedoch die Zulässigkeit einer Drittschutzvereinbarung eigentlich außer Zweifel steht (s. oben 3. Kapitel B. II.), wurde an der entsprechenden Stelle auf eingehende einschlägige Ausführungen verzichtet. 196 s. etwa Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 202 ff; Bydlinski, Methodenlehre, S. 475 ff; Engisch, Einführung, S. 141 sowie 146 ff. 197 Spezielle Vorschriften, die man möglicherweise als Teilerscheinungen des SSD begreifen wollte (s. etwa § 1298 I S. 1 BGB), scheiden hier ebenso aus, wie Rechtssätze, die zwar einige der Drittschutzfälle befriedigend lösen könnten (s. zunächst 2. Kapitel Fn. 192 zum Überweisungsverkehr), mit dem Rechtsinstitut des SSD jedoch nichts zu tun haben. 198 Man kann insbesondere den neuerdings eingeführten § 311 III S. 1 BGB als Drittschutzwirkungsbasis betrachten. Allerdings soll diese Vorschrift eher als Anerkennung, denn als Anordnung oder Normierung von Drittschutzwirkungen dienen, so dass er von der Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung in Wahrheit kaum befreit; deshalb ist er zunächst außer Acht zu lassen. Zur Bedeutung dieser Vorschrift für die Drittschutzproblematik s. ausführlicher unten 4. Kapitel B. 199 s. etwa Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 164 sowie 188 f; Müller, Richterrecht, S. 68 f; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 507; Hassold, 2. FS Larenz, S. 216; Arnim/Brink, S. 213 f mit weiteren Nachweisen.

C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung

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kennen lässt, ist es dabei eindeutig, dass immer noch die Gesetzesanwendung das erzielte Ergebnis legitimieren soll. Man kann nämlich, sofern die ausgesprochene Rechtsfolge vom Wortlaut der einschlägigen Norm tatsächlich erfasst werden kann, berechtigterweise immer noch annehmen, dass sie vom Gesetz selbst angefordert wird. Fehlt es demgegenüber an einer Möglichkeit, die maßgebliche Rechtsfolge mit dem Gesetzestext zu begründen („Rechtsfortbildung“ nach der hier verwendeten Terminologie), so ist nunmehr die rechtliche Legitimation der vorgenommenen Rechtsfindung keineswegs so selbstverständlich. Ferner wird für die nachfolgende Untersuchung der Einheitlichkeit halber angenommen, dass sich jede Rechtsfortbildung durch die Einfügung einer neuen Regelung200 in das bereits zum Zeitpunkt der maßgeblichen Rechtsfindung geltende Recht vollzieht. Das gilt nicht nur für den Fall, dass lediglich ein Rechtssatz begründet wird, der vor der maßgeblichen Rechtsentwicklung im geltenden Recht völlig unbekannt war, sondern auch dann, wenn durch die Rechtsfortbildung die Ausdehnung schon vorhandener Regeln auf weitere (etwa durch Analogie) oder deren Einschränkung auf wenigere (etwa durch teleologische Reduktion201) Sachverhalte beabsichtigt wird. Insbesondere bei der letztgenannten Varianten muss die einzufügende neue Regel notwendigerweise das Gebot zum Inhalt haben, dass die Rechtsfolgen, die eine Norm im Rahmen des einschlägigen Wortsinns für bestimmte Sachverhalte anordnet, bei einigen unter ihnen nicht eintreten dürfen.

2. Vorliegen einer „Gesetzeslücke“ als Rechtsfortbildungsvoraussetzung? Als Voraussetzung der Rechtsfortbildung wird im Allgemeinen das Vorliegen einer Gesetzes- bzw. Rechtslücke verlangt.202 Dieses Erfordernis soll angesichts der grundsätzlichen Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 III GG) offen-

___________ 200 Wenn in Zusammenhang mit der Rechtsfortbildung von Einführung einer Regelung, einer Regel oder eines Rechtssatzes gesprochen wird, so ist dies im weitesten Sinne zu verstehen: als Gruppe von Rechtssätzen, als einzelner Rechtssatz oder als Teil eines solchen, s. auch Canaris, Feststellung, S. 39 Fn. 99. 201 Vgl. dabei etwa Bydlinski, Methodenlehre, S. 480. 202 s. etwa BVerfG v. 19.10.1983, BVerfGE 65, 182 (191 f); BVerfG v. 2.4.1974, BVerfGE 37, 67 (81); BGH v. 4.5.1988, NJW 1988, 2109 (2010); BGH v. 5.2.1981, NJW 1981, 1726 (1727); BGH v. 28.11.1975, BGHZ 65, 300 (302); Palandt(65)/Heinrichs, Einleitung, Rn. 54 ff; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 4, Rn. 77; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 191 ff; Engisch, Einführung, S. 138 ff; Zippelius, § 11 I; Bydlinski, Methodenlehre, S. 472 ff; Canaris, Feststellung, passim; Kempe, S. 105 ff. Kritisch etwa Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 461 ff; Gropp, S. 94 ff.

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

bar eine legitimierende Funktion für die Rechtsfortbildung erfüllen.203 Der darunter liegende Gedanke dürfte lauten: Nur dort, wo das Gesetz schweige, und genau deswegen dürfe bzw. müsse der Richter rechtsfortbildend tätig werden, um trotz gesetzlichen Schweigens eine Entscheidung treffen zu können;204 enthält das Gesetz bereits die einschlägige Regelung, so dürfe sich der Richter nicht darüber hinwegsetzen, indem er das Gesetz korrigiert.205 Soweit allerdings als „Lücke“ nicht die echte Gesetzeslücke gemeint ist, bei der es sich tatsächlich um eine Lücke im wörtlichen Sinne handelt, da das Gesetz eine für die Anwendung einer Norm unbedingt notwendige Regelung wirklich nicht enthält,206 so ist für das weit größere Feld der anderweitigen „Lücken“ der hier angesprochene Begriff irreführend. Denn er weist auf ein Regelungsvakuum hin, das in Wahrheit gar nicht existiert. In den Fällen, in denen eine Rechtsfortbildung vorgenommen wird, um eine „Gesetzeslücke“ zu schließen, besteht nämlich keine Lücke im Recht in dem Sinne, dass eine Regelung über die Rechtsfolgen eines Sacheverhalts überhaupt fehlen würde und eine diesbezügliche Rechtsentscheidung unmöglich wäre. Mit dem Begriff „Gesetzeslücke“ ist also keine Nicht-, sondern eigentlich nur eine Schlecht- bzw. planwidrige Regelung, eine Gesetzesunvollkommenheit verbunden. Dies kann man auch der geläufigen Definition der „Gesetzeslücke“ als den Fall entnehmen, in dem „das Gesetz eine Bestimmung vermissen lässt, die es nach dem Zweck der Regelung, nach dem ihr zugrunde liegenden ‚Plan‘ des Gesetzgebers erhalten sollte“:207 Nicht jede Regelung wird vermisst, sondern nur die passende Regelung.208 Von den echten Gesetzeslücken abgesehen soll also eine Rechtsfortbildung keine wirkliche Rechtslücke schließen, sondern nur eine Gesetzesunvollkommenheit berichtigen, indem die passende Regelung eingeführt wird. Auch speziell in Bezug auf die Problematik des SSD bestätigt sich das Fehlen einer wirklichen Gesetzeslücke, die in der Nichtregelung der Drittschutz___________ 203 So ausdrücklich Langenbucher, S. 24. S. dazu auch Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 461. 204 So etwa Kempe, S. 88. 205 Vgl. Engisch, Einführung, S. 172. 206 s. dazu, allerdings nicht immer unter der gleichen Terminologie, etwa Zitelmann, S. 27 ff; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 193 ff; Zippelius, § 11 I a und b; Canaris, Feststellung, S. 139 ff; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 464 ff; Bydlinski, Methodenlehre, S. 473 f. Die Unterscheidung kann zuweilen schwierig sein. 207 So Larenz, Allgemeiner Teil, § 4 II (S. 80). 208 So Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 195; s. auch S. 196: „Es kann nicht genug betont werden, daß eine ‚Lücke‘ des Gesetzes nicht etwa ein ‚Nichts‘ darstellt, sondern das Fehlen einer bestimmten, nach dem Regelungsplan oder dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes zu erwartenden Regel bedeutet. [...] Ein Gesetz ist ‚lückenhaft‘ oder unvollständig immer nur im Hinblick auf die von ihm erstrebte, sachlich umfassende und in diesem Sinne ‚vollständige‘ sowie sachgerechte Regelung“ – Hervorhebung im Original.

C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung

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wirkung von Schuldverhältnissen durch das objektive Recht liegen würde und als Basis für die Legitimierung einer entsprechenden Rechtsfortbildung dienen könnte. Denn eine rechtlich verbindliche Antwort in den Drittschutzfällen ist anhand des geltenden Rechts ohne weiteres möglich: Kann die entsprechende Rechtsfolge (Drittschutzwirkung) aufgrund einer Drittschutzvereinbarung nicht begründet werden, so ist das SSD – konkret der Schadensersatzanspruch des Dritten nach Vertragshaftungsrecht – abzulehnen: Die Rechtswirkungen von Schuldbeziehungen bleiben wegen des Relativitätsprinzips209 grundsätzlich auf die eigentlichen Schuldverhältnisparteien beschränkt. Trotzdem ist der Lehre von der Gesetzeslücke als Voraussetzung der Rechtsfortbildung unter einem gewissen Blickwinkel doch zuzustimmen. Denn immerhin wird aufgrund der Rechtsfortbildung eine neue Regel in die Rechtsordnung eingefügt.210 Vergleicht man nun das geltende Recht vor und nach der Vornahme des rechtsfortbildenden Schrittes, so ergibt sich eine Differenz,211 die gerade in der aufgestellten neuen Regel besteht. Man könnte diesbezüglich unter einer ex-post-Betrachtung von einer „Lücke“ im Rechtssystem sprechen, die erst durch die rechtsfortbildende Rechtsfindung ausgefüllt wurde. Diese Argumentation leugnet jedoch, dass eine Regelungslücke im Recht zu keinem Zeitpunkt, weder vor noch nach der Rechtsfortbildung wirklich bestanden hat.212 Indem man rechtsfortbildend einen neuen Rechtssatz aufstellt, wird vielmehr eine andere, bereits existierende Regel aus ihrem vorherigen Anwendungsfeld insoweit verdrängt, als der neue Rechtssatz den entsprechenden Bereich nunmehr für sich in Anspruch nimmt. Durch diesen Vorgang kann zunächst jede Regel eingeschränkt werden, wenn sie ohne den rechtsfortbildenden Schritt anwendbar wäre. Im Bereich der Drittschutzwirkungen würde die rechtsfortbildende Einführung eines Rechtsatzes, aufgrund dessen Dritten unter bestimmten Voraussetzungen und unabhängig von einer Vereinbarung der Vertragsparteien (G und S) vertragliche Schadensersatzansprüche zugesprochen werden sollten, den Relativitätsgrundsatz entsprechend verdrängen, der sonst verbietet, aus einer Schuldbeziehung Drittberechtigungen herzuleiten.

___________ 209

Zum Relativitätsprinzip s. unten 4. Kapitel A. s. oben 3. Kapitel C. II. 1. 211 Vgl. Koch/Rüßmann, S. 254. 212 Vgl. Gropp, S. 176 f. Ganz ähnlich wäre es, wenn man die Lücke dadurch entstehen lassen wollte, indem man den Rechtssatz nicht zur Anwendung bringt, der ohne die beabsichtigte Rechtsfortbildung anwendbar wäre (vgl. Kempe, S. 91 und 94 f): Auch in diesem Fall entsteht die Lücke durch den Willen des entscheidenden Rechtsanwenders selbst, das Recht fortzubilden, und ist deshalb unabhängig von der vorgenommen Rechtsfortbildung eigentlich nicht denkbar. 210

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

3. Rechtliches Gebot einer Normhinzufügung Kann jede beabsichtigte Rechtsfortbildung, jedenfalls aber eine Rechtsfortbildung zur Begründung des SSD, nicht mit einer Gesetzes- bzw. Rechtslücke gerechtfertigt werden, so konzentriert sich das Problem der Legitimation der rechtsfortbildenden Rechtsfindung auf die Frage, wann die rechtsfortbildend aufzustellende neue Regelung vom geltenden Recht selbst geboten ist (vgl. Art. 20 III GG).213 M.E. kann dies nur dann der Fall sein, wenn die fragliche Rechtsergänzung notwendig und deren Einführung möglich ist. Sowohl die Notwendigkeit als auch die Möglichkeit der Aufstellung der neuen Regelung beziehen sich freilich auf den verbindlich entscheidenden Rechtsanwender (insbesondere den Richter) und müssen deshalb am Maßstab der unabweislichen Bindung an Gesetz und Recht (s. Art. 20 III GG) festgestellt werden. Bereits deshalb scheiden also in diesem Zusammenhang diejenigen Fälle aus, in denen lediglich eine rechtspolitische Notwendigkeit für die neue Regelung besteht bzw. in denen die anvisierte Korrektur nur durch einen Akt der Rechtssetzung, nicht hingegen der Rechtsanwendung erfolgen kann. Die Rechtsfortbildung muss also jedenfalls als Ausdruck der Bindung an Gesetz und Recht konzipiert werden können, andernfalls muss sie schlicht als unzulässig abgelehnt werden. Insofern sind für den Nachweis sowohl der Rechtsergänzungsnotwendigkeit als auch der Rechtsergänzungsmöglichkeit allein rechtliche Argumente erlaubt.214 Insgesamt handelt es sich bei der Bestimmung der genauen lex-lata-Grenze einer Rechtsfortbildung215 um einen sehr komplizierten Denkvorgang, in dessen Rahmen praktisch alle methodologischen Rechtsfindungsprobleme in voller Schärfe vorkommen. Deshalb kann im Rahmen dieser Arbeit keine eingehende Untersuchung unternommen werden. Allerdings ist eine Stellungsnahme zu einigen wichtigen Punkten angebracht, die auch als Basis für den späteren Versuch dienen soll, einen eigenen Rechtsfortbildungsvorschlag zu entwickeln.216

___________ 213

s. dazu bereits oben 3. Kapitel C. I. s. dazu ausführlich Langenbucher, S. 22 ff, unter Beachtung verfassungsrechtlicher Anordnungen wie das Demokratieprinzip und der Gewaltenteilungsgrundsatz; s. auch Canaris, Feststellung, S. 37. S. aber BVerfG v. 14.2.1973, BVerfGE 34, 269 (287): „Die richterliche Entscheidung schließt [...] diese Lücke nach den Maßstäben der praktischen Vernunft und den ‚fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft‘“. Natürlich ist eine Trennung oft nicht einfach oder sogar möglich, dies stellt jedoch keine Eigentümlichkeit der rechtsfortbildenden Rechtsanwendung dar. 215 Vgl. die ähnlichnamige Untersuchung Bydlinskis, Rechtsfindung, passim. 216 Zur Vorgehensweise s. unten 4. Kapitel C. 214

C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung

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a) Rechtliche Notwendigkeit der Regelungsergänzung Das erste Problem, dem man bei der Feststellung der rechtlichen Notwendigkeit für eine Rechtsfortbildung begegnen muss, ist der Grund, warum die Rechtsordnung selbst, wie hier vertreten, die Aufstellung der maßgeblichen neuen Regelung durch den Rechtsanwender in einem Bereich verlangen soll, in dem auch bereits vorhandene Rechtssätze Geltung beanspruchen.217 Der gesuchte Rechtsgrund ist m.E. darin zu finden, dass durch den neuen Rechtssatz ein (logischer oder meistens Wertungs-)Widerspruch innerhalb der Rechtsordnung aufgehoben bzw. gemildert wird.218 Die Legitimation der vorzunehmenden Korrektur (Rechtsfortbildung) dürfte dementsprechend auf der – freilich rechtlichen – Anforderung nach Konsequenz unter den Teilelementen des gesamten Rechtssystems basieren. Zu den entscheidenden Maßstäben gehören zunächst die Wertungen der gesamten Rechtsordnung. Diese sind auch dann zu berücksichtigen, wenn der maßgebliche Widerspruch im Rahmen eines konkreten Rechtszusammenhangs besteht. Jedes der Subsysteme ist bei diesem Vorgang als Teil des Gesamtsystems und folgerichtig unter der Anforderung einer bruchlosen, systemkonformen Gliederung in das übergeordnete Ganze zu betrachten. Rechtswidersprüche sind also nicht nur am Maßstab der Wertungen des jeweils einschlägigen Rechtsbereichs, sondern auch anhand allgemeiner Rechtsgrundsätze und verfassungsrechtlicher Rechtsprinzipien festzustellen.219 Wegen der Maßgeblichkeit der gesamten Rechtsordnung erübrigt sich folglich die Unterscheidung zwischen Rechtsfortbildung praeter und extra legem bzw. zwischen gesetzesimmanenter und gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung.220 Die für die Feststellung der Rechtsfortbildungsnotwendigkeit erheblichen Wertungswidersprüche im Rechtssystem können mehrere Erscheinungsformen einnehmen.221 Am deutlichsten lässt sich ein Widerspruch als Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots (Art. 3 I GG) begreifen, wenn das Ge___________ 217

s. oben 3. Kapitel C. II. 2. s. auch Pawlowski, Einführung, Rn. 214a; Gropp, S. 24 ff. 219 Vgl. etwa Bydlinski, Methodenlehre, S. 473; Canaris, FS Bydlinski, S. 84, in Bezug allerdings auf die Lückenfeststellung. 220 s. dazu etwa Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 191 ff und 232 ff; wie hier hingegen Canaris, FS Bydlinski, S. 84. Auch eine Unterscheidung zwischen „Gesetzesund Rechtslücken“ ist unter diesem Blickwinkel unabhängig von der Ablehnung des Gesetzes- bzw. Rechtslückenbegriffs an sich überflüssig. 221 Eine Kategorisierung der verschienen Widerspruchsarten im Recht hat Engisch, Einführung, S. 160 ff vorgenommen. Darüber hinaus kann man dabei im Allgemeinen auf die Ausführungen und die entsprechenden Beispiele zu den verschiedenen Lückenarten bzw. Lückenfeststellungsmethoden nach herkömmlicher Ansicht verweisen, s. etwa Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 191 ff; Canaris, Feststellung, passim. 218

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

setz wesentlich gleiche Sachverhalte willkürlich ungleich bzw. wesentlich ungleiche Sachverhalte willkürlich gleich behandelt.222 Darüber hinaus können Rechtswidersprüche etwa dadurch entstehen, dass die einem Rechtssatz zugrunde liegende Wertung bzw. Zwecksetzung im Wortlaut der einschlägigen positivrechtlichen Regelung nur schlecht (übermäßig oder unzureichend) Ausdruck gefunden hat223 – teleologische Widersprüche,224 die etwa eine teleologische Reduktion bzw. Extension des Anwendungsfelds einer Norm erforderlich machen können.225 In jedem Fall muss man den für die Rechtfertigung einer Gesetzeskorrektur erforderlichen Wertungswiderspruch positiv begründen, um dem verfassungsrechtlichen Gebot zur Gesetzes- bzw. Rechtstreue (Art. 20 III GG) nachzukommen und die fragliche Rechtsfortbildung als ein rechtliches Gebot ansehen zu dürfen.226 Natürlich können die Anforderungen, die für die Feststellung eines Widerspruchs im Recht aufgestellt werden müssen, nicht für jede mögliche Widerspruchsvariante gleich sein. Handelt es sich etwa um eine ganz konkrete Anordnung von Rechtsfolgen für einen ganz bestimmten Sachverhalt, so dürfte sich ein darin bestehender Widerspruch, in aller Regel deutlich einfacher begründen lassen, als wenn ein Widerspruch im Recht allein aufgrund allgemeiner Rechtsprinzipien ermittelt werden soll.227 Diese Behauptung ist damit verbunden, dass allgemeine Rechtssätze, geschweige denn abstrakte gesetzliche Wertungen, der Konkretisierung bedürfen, um angewendet zu werden und dadurch konkrete Problemlösungen liefern zu können. Gerade wegen ihres begriffsgemäß allgemeinen Charakters können nun Rechtsprinzipien in viele Richtungen und mit verschiedener Stärke konkretisiert werden, so dass es meistens fraglich sein dürfte, inwiefern das jeweils erzielte Ergebnis tatsächlich vom einschlägigen Rechtsgrundsatz selbst gefordert oder eigentlich nur vom Rechtsanwender selbst gewünscht und auf den Rechtsgrundsatz lediglich projiziert wird. Bei Rechtsprinzipien ist also die Gefahr groß, über die Grenzen der Rechtsanwendung hinaus in den Bereich der eigentlichen Rechtssetzung zu geraten. Als Gegenmittel kann dabei die Berücksichtigung der einschlägigen Prinzipien im Rahmen bzw. auf der Grundlage bereits bestehender Rechtsinstitute und Regelungsgefüge sein (dogmatische Strukturierung). Diese ist auch für die Überprüfung der Möglichkeit einer rechtsfortbildenden Rechtsergänzung von Bedeutung. ___________ 222

s. beispielsweise BVerfG v. 9.8.1978, BVerfGE 49, 148 (165). Vgl. „planwidrige Unvollständigkeit“, s. etwa Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 194 ff. 224 Gropp, S. 37 ff. 225 s. etwa Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210 ff und 216 ff. 226 s. bereits oben 3. Kapitel C. I. 227 Vgl. BVerfG v. 20.3.1984, BVerfGE 66, 234 (248); Kirchhof, S. 34. 223

C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung

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b) Rechtliche Möglichkeit der Regelungsergänzung Schwieriger als die Feststellung der Notwendigkeit einer Regelungsergänzung ist m.E. der positive228 Nachweis, dass die Einführung der in Frage stehenden neuen Regel für den Rechtsanwender rechtlich möglich ist; diese Bedingung ist jedoch unabweislich, da nur eine mögliche Rechtsergänzung auch rechtlich geboten sein kann. Angesichts der Bindung des Rechtsanwenders an Gesetz und Recht ist nun die Einführung einer neuen Regelung nur dann als rechtlich möglich zu betrachten, wenn sie immer noch als Anwendung des geltenden Rechts und somit als zwingende Rechtsfindung angesehen werden kann. Dafür muss die fragliche Rechtsfindung möglichst überprüfbar229 aus den einschlägigen gesetzlichen Wertungen selbst abgeleitet werden, so dass sie nicht bloß rechtspolitische Wünsche bzw. abstrakte Gerechtigkeitsvorstellungen des Rechtsanwenders wiedergibt. Allgemein ist die Möglichkeit der maßgeblichen Regeleinführung desto einfacher zu bejahen, je bestimmter die in Frage kommende Lösung bzw. je enger der Entscheidungsspielraum des Rechtsanwenders ist. Denn bei höherer Bestimmtheit liegt die Vermutung näher, dass subjektive Faktoren für die maßgebliche Rechtsfindung eine weniger bedeutende Rolle spielen. Zu den wichtigsten Anhaltspunkten, die zur Umsetzung dieser Überlegungen beim Stadium der Widerspruchsaufhebung beitragen können, gehören die möglichst genaue dogmatische Strukturierung der anvisierten Rechtsfortbildung sowie die Untersuchung nach deren Übereinstimmung mit allgemein geltenden Rechtsprinzipien und -werten.230 Die dogmatisch zutreffende Ausformung der aufzustellenden neuen Regelung dient dem Nachweis, dass das rechtsfortbildende Subjekt sich an das geltende Recht, insbesondere an vorhandene gesetzliche Rechtsinstitute und Regelungsmodelle anlehnt. Denn das Ergebnis, nämlich die Aufhebung des festgestellten Rechtswiderspruchs, kann meistens auf mehrfache Weise erzielt werden, was wiederum das Bedürfnis der Legitimation der Wahl für den einen oder den anderen Weg hervorruft. Dies gilt vor allem bei der Konkretisierung eines allgemeinen Rechtssatzes bzw. -prinzips.231 Denn Rechtsprinzipien enthalten oft nur Werttendenzen und allgemeine Zwecke, während sie ihre nähere Durchführung und damit insbesondere die jeweils genauere Rechtsfolge offen lassen.232 ___________ 228

s. oben 3. Kapitel C. I. Vgl. Larenz, Kennzeichen, S. 13. 230 s. dazu insbesondere die eingehenden Darstellungen bei Langenbucher, S. 41 ff und Canaris, Feststellung, S. 162 ff. Vgl. auch Bydlinski, Rechtsfindung, S. 66: „Systematischer Test“; Wiegand, S. 162. 231 Vgl. Wank, S. 74. 232 Bydlinski, Methodenlehre, S. 485; Kempe, S. 89. 229

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

Ebenfalls eine Kontrollfunktion, allerdings in die umgekehrte Richtung, erfüllt außerdem die positive Übereinstimmung bzw. Überprüfung der fraglichen Rechtsfindung mit den Wertungen des geltenden Rechts: Sie verhindert, dass eine dogmatisch einwandfreie Rechtfindung den der Rechtsordnung zugrunde liegenden Prinzipien und Zwecksetzungen eigentlich widerspricht. Natürlich können die dogmatische Strukturierung und die wertungsmäßige Begründung der betreffenden Regelung nicht völlig getrennt voneinander erfolgen, weil jede dogmatische Argumentation in Wahrheit Ausdruck einer dahinter stehenden Wertung darstellt und jede wertungsmäßige Überprüfung eine gewisse Klarheit über die dogmatische Natur der betreffenden Regelung voraussetzt; erst das Zusammenspiel beider Gesichtspunkte kann die Möglichkeit einer Rechtsfortbildung belegen. Bei der Ermittlung eines Rechtswiderspruchs und somit der Notwendigkeit einer den Widerspruch aufhebenden Rechtsergänzung einerseits und beim Nachweis andererseits, dass die anvisierte Rechtsergänzung für den Rechtsanwender zulässig bzw. rechtlich möglich ist, geht es um zwei an sich unterschiedliche Vorgänge. Es ist also sehr wohl möglich, dass ein Widerspruch im Recht zwar festgestellt werden kann, eine entsprechende Korrektur jedoch mittels Rechtsfortbildung nicht möglich ist, weil die einschlägige Rechtsergänzung die verfassungsrechtlichen Grenzen der Rechtsanwendung überschreiten würde (s. Art. 20 III GG) und deshalb nur vom Gesetzgeber selbst vorgenommen werden kann. Diese Lage liegt insbesondere dann vor, wenn das geltende Recht keine konkreten Anhaltspunkte bieten kann, die mit der notwendigen Bestimmtheit bzw. Sicherheit die Einführung der erwünschten neuen Regelung untermauern könnten. Beide Gedankenvorgänge können jedoch auch weitgehend gleichlaufend sein; deshalb darf es nicht wundern, dass oft die gleichen materiellen Argumente in beiden Zusammenhängen einschlägig sind. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der festgestellte Widerspruch gerade im Fehlen einer ganz bestimmten Regel liegt, deren Einführung wegen der vorhandenen Bestimmtheit grundsätzlich auch möglich ist. Insbesondere die häufig unabweisliche dogmatische Strukturierung der herangezogenen Gesichtspunkte ist beim Rechtsfortbildungsvorgang sowohl im Stadium der Widerspruchsfeststellung als auch im Stadium der Widerspruchsaufhebung wesensgleich.

c) Das Verhältnis zum herkömmlichen Lückenschema Im Großen und Ganzen entspricht die hier befürwortete Zweiteilung des Rechtsfortbildungsvorgangs in vielerlei Hinsicht der Unterscheidung der h.M. zwischen Lückenfeststellung und Lückenausfüllung. Insbesondere die jeweils zu begründenden Ergebnisse dürften sich bei beiden Modellen kaum voneinander unterscheiden. Deswegen gelten die soeben gemachten Ausführungen grundsätzlich, auch wenn man sich für das klassische Lückenkonzept entscheiden und auf seiner Basis einen Rechtsfortbildungsvorschlag entwickeln würde.

C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung

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Das hier vorgeschlagene Konzept ist jedoch wegen der besseren theoretischen Einsicht vorzugswürdig: Das Erfordernis eines Widerspruchs innerhalb der Rechtsordnung erkennt zwar die Tatsache an, dass eine Rechtsfortbildung zwangsläufig bereits vorhandene, den fraglichen Sachverhalt erfassende Rechtssätze aus ihrem vorherigen Anwendungsfeld verdrängen muss (im Bereich des SSD geht es um die Verdrängung des Relativitätsprinzips). Es besagt aber zugleich offen, dass die Anwendung dieser Rechtssätze problematisch und damit korrekturbedürftig ist, um der Anforderung nach Konsequenz innerhalb der Rechtsordnung Rechnung zu tragen. Insofern wird der eigentliche Grund, warum der Rechtsanwender rechtsergänzend eingreifen muss, viel besser zum Ausdruck gebracht. Im Gegensatz dazu darf nicht verwundern, dass sich die Lehre von Gesetzeslücken deutlich von dem entfernt hat, was man unter dem Begriff der Rechts- bzw. Gesetzeslücke legitimerweise verstehen dürfte,233 um die Probleme zu vermeiden, die konsequent angewandt das traditionelle Verständnis mit sich bringen muss.234

III. Rechtsfortbildung zur Rechtfertigung des SSD; die Berufung auf allgemeine Prinzipien Nachdem die Grundzüge des Rechtsfortbildungsvorgangs im Allgemeinen erörtert worden sind,235 fragt es sich, welche Bedeutung der heute oft vorkommenden Auffassung zugemessen werden soll, das Rechtsinstitut des SSD sei aufgrund einer entsprechenden richterlichen Rechtsfortbildung für gefestigt zu halten.236 Da eine Rechtsfortbildung nicht allein deshalb verbindlich ist, weil sie vorwiegend innerhalb der Rechtsprechung entwickelt worden ist,237 kommen mit der angesprochenen Aussage im Grunde genommen allein zwei Feststellungen mit Sicherheit zum Ausdruck: Erstens wird damit diagnostiziert, dass eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung fehlt, welche den maßgeblichen Drittschutzwirkungen eine sichere dogmatische Grundlage bieten könnte, und zweitens anerkannt, dass trotz dieses Befundes das SSD als Teil des geltenden ___________ 233

Vgl. die Kritik Gropps S. 94 ff sowie 176 f. In diesem Sinne wird im Rahmen der h.M. zuweilen anerkannt, dass der Lückenbegriff nicht vorgegeben sei, sondern funktionell durch die Aufgabe bestimmt werde, den Bereich der Rechtsfortbildung von der einfachen Auslegung sowie von der Gesetzeskorrektur aufgrund externer (rechtspolitischer) Maßstäbe abzugrenzen, Canaris, FS Bydlinski, S. 83. S. auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 196 Fn. 21: Gesetzeslücke als normativer Begriff. 235 s. oben 3. Kapitel C. II. 236 s. Fn. 182. 237 s. oben 3. Kapitel C. I. 234

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

Rechts anzusehen ist. Demgegenüber wird mit dem abstrakten Hinweis auf eine Rechtsfortbildung nichts über das Wesentliche zum SSD gesagt. Es wird etwa geleugnet, warum seine Existenz rechtlich geboten sein soll, obwohl das Gesetz keine Norm darüber bereithält. Vor allem wird aber die Frage nicht beantwortet, unter welchen genauen Voraussetzungen ein SSD vorliegt, welche Rechtsfolgen es hervorruft, und welcher allgemeine Regelungskontext – etwa zur Regelung der Verjährung, der Folgen eines mitwirkenden Verschuldens im Sinne von § 254 BGB usw. – anwendbar sein soll. Folgerichtig kann man allein mit Hilfe der bisher erzielten Ergebnisse zum Rechtsfortbildungsvorgang zunächst jene Ansichten in der Literatur grundsätzlich gar nicht bewerten, die für die dogmatische Erklärung des SSD sich lediglich damit begnügen, praktisch ohne weitere Erklärungen abstrakt auf eine Rechtsfortbildung hinzuweisen.238 Im Rahmen dieser Arbeit kann allerdings nicht nur hinsichtlich solch unbestimmter Stellungsnahmen, sondern auch zu ausführlicher konstruierten Erklärungsmodellen keine eingehende Stellung genommen werden. Denn, wie bereits dargestellt,239 erfordert die Untersuchung nach der Notwendigkeit und Möglichkeit einer Rechtsfortbildung einen sehr umfassenden und komplizierten Denkvorgang, der viele Grund- und Randfragen des geltenden Rechts berühren muss, um vertretbare Ergebnisse hervorbringen zu können. Der Versuch, für jeden auf einer Rechtsfortbildung basierenden Erklärungsvorschlag im Einzelnen Kritik auszuüben, würde die Grenzen dieser Arbeit überschreiten. Dieser Verzicht gilt umso mehr, je weiter man sich vom SSD selbst entfernt und Vorschläge berücksichtigen möchte, die Lösungen für spezielle Probleme bieten sollen, bei denen auch das SSD Anwendung gefunden hat bzw. beanspruchen könnte. Dennoch kann hier die Tendenz angesprochen werden, die gewünschte Rechtsfortbildung mit allgemeinen Rechtsprinzipien zu rechtfertigen. Als solche kommen etwa der Grundsatz von Treu und Glauben,240 der Vertrauensschutz, der verfassungsrechtliche Ehe- und Familienschutz (s. Art. 6 I GG),241 das Sozialstaatsprinzip und die Gerechtigkeit sowohl im Einzelnen als auch kumulativ in Betracht.242 Vom Anliegen, allein aufgrund solcher Maßstäbe ei___________ 238 s. etwa Sonnenschein, JA 1979, 227 – die eher beiläufige Berufung auf § 242 BGB ist nur wenig erläuternd. 239 s. oben 3. Kapitel C. II. 3. 240 s. etwa Larenz, Schuldrecht AT, § 17 II (S. 227); Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 260; Assmann, JuS 1986, 887; Sonnenschein, JA 1979, 226 f; Urban, S. 114; Dickes, S. 45 ff; Schütz, S. 139; Puhle, S. 44 f. Vgl. auch Saar, JuS 2000, 223; Riesenhuber, S. 155; Bruggner-Wolter, S. 28. 241 Die Berufung auf Art. 6 I GG betrifft freilich nur die Fälle, in denen zwischen G und D ein familiäres Verhältnis besteht – vgl. oben 2. Kapitel B. II. 1. a); eine allgemeinere Bedeutung kommt ihr bereits ansatzmäßig nicht zu. 242 s. etwa Kümmeth, S. 226 ff (Gerechtigkeit, Sozialstaatsprinzip); Neuner, JZ 1999, 128 (Sozialstaatsprinzip); Keitel, S. 123 ff (Ehe- und Familienschutz).

C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung

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nen Widerspruch im Recht festzustellen und ihn rechtsergänzend aufzuheben, muss man allerdings deutlich den Versuch unterscheiden, bei der Überprüfung der Rechtsfortbildungsvoraussetzungen allgemeine Rechtsgrundsätze innerhalb bereits anerkannter dogmatischer Figuren243 insbesondere zur Konkretisierung abstrakter Begriffe oder ausfüllungsbedürftiger Maßstäbe nutzbar zu machen.244 Eine solche Absicht liegt etwa der Berufung auf das verfassungsrechtliche Gebot zum Ehe- und Familienschutz (Art. 6 I GG) im Rahmen der Vertragsauslegung nach Treu und Glauben (s. § 157 BGB) zugrunde.245 Bei einer solchen Vorgehensweise erfüllen die maßgeblichen Grundsätze nur eine Hilfsfunktion; die Rechtsfortbildung, wenn es sich im konkreten Fall um eine solche handelt, wird überwiegend durch andere Rechtsinstitute bzw. Regelungsgefüge getragen. Hinsichtlich einer Rechtsfortbildung auf der Basis abstrakter Prinzipien ist bereits angemerkt worden, dass die Feststellung der Rechtsfortbildungsnotwendigkeit und -möglichkeit nur schwierig gelingen kann.246 Kann man trotzdem mit zulässigen Mitteln belegen, dass ein allgemeiner Rechtsgrundsatz das SSD gebietet (Notwendigkeit und Möglichkeit), so bedeutet dies noch lange nicht, dass die fragliche Rechtsfigur in ihrem gesamten Existenzumfang für gefestigt erklärt werden könnte: Sofern allein auf sehr abstrakte Maßstäbe wie das Sozialstaatsprinzip abgestellt wird, kann höchstens ein Kernbereich des Rechtsinstituts gerechtfertigt werden. Aber auch innerhalb dieses engen Bereichs wäre mit der Anerkennung des SSD in Wahrheit nur ganz beschränkt etwas zu den Drittschutzvoraussetzungen sowie zu den maßgeblichen Abgrenzungsmaßstäben gewonnen; für die durchaus meisten Drittschutzfälle würde man eine geeignete dogmatische Einordnung und handhabbare Anwendungskriterien weiterhin vermissen. Ungeachtet dieser allgemeinen Bemerkungen sind auch angesichts ihres Inhalts die in Frage kommenden Rechtsprinzipien nicht unbedingt dazu geeignet, ohne weiteres eine Rechtsfortbildungsgrundlage zu bilden.

1. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) Beim Versuch, das SSD mit einer entsprechenden (richterlichen) Rechtsfortbildung dogmatisch zu rechtfertigen, kommt oft zum Ausdruck, dass diese ___________ 243 Vgl. auch oben 3. Kapitel C. II. 3. a) und b) zur Eingliederung einer Rechtsfortbildung in die geltende Rechtsordnung (dogmatische Strukturierung). 244 Vgl. die sog. verfassungskonforme Auslegung, s. dazu etwa Larenz/Canaris, Methodenlehre, 159 ff mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des BVerfG. 245 s. etwa Keitel, S. 123 ff. 246 s. oben 3. Kapitel C. II. 3.

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

Rechtsfortbildung auf § 242 BGB beruhe.247 Allerdings stellt § 242 BGB keineswegs die Basis freier Rechtsfortbildung in dem Sinne dar, dass er dem Richter die allgemeine Befugnis einräumen würde, das bestehende Recht seinem Rechtsgefühl entsprechend bzw. nach Treu und Glauben fortzubilden.248 Denn die Rechtsprechung ist zwingend an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 III GG), und deshalb muss jede richterliche – möglicherweise rechtsfortbildende – Entscheidungsfindung durch das Gesetz bzw. das Recht gerechtfertigt werden.249 Insofern darf § 242 BGB nicht der Kontrolle und Korrektur des Gesetzesrechts dienen.250 Es trifft zwar zu, dass es sich bei Treu und Glauben um ein Prinzip handelt, das die gesamte Privatrechtsordnung durchzieht und prägt.251 Allerdings hat § 242 BGB an sich keinen übergesetzlichen Charakter inne, der eine richterliche Befugnis rechtfertigen könnte, Korrekturen am geltenden Recht – in Zusammenhang mit dem SSD Durchbrechungen des Relativitätsprinzips – schlechthin vorzunehmen. Vielmehr ist der Richter bei der Anwendung von § 242 BGB nicht minder an Gesetz und Recht gebunden: Auch eine Rechtsfortbildung (Gesetzeskorrektur), die sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben beruft, hat unbedingt den allgemeinen Anforderungen zu genügen, die ohnehin bei jeder Rechtsfortbildung beachtet werden müssen, um ihre Legitimation innerhalb und aufgrund der Rechtsordnung zu gewährleisten. Liegen die maßgeblichen Voraussetzungen hingegen nicht vor – etwa weil es sich um eine in aller Regel unzulässige Rechtsfortbildung contra legem handelt –, so kann § 242 BGB nicht weiterhelfen. Hinsichtlich der Frage, ob der Maßstab von Treu und Glauben als solcher geeignet ist, um die Drittschutzwirkung von Schuldverhältnissen zu begründen, geht es um die Anwendung von Treu und Glauben zum einem direkt im Verhältnis zwischen S und D und zum anderen im Rahmen der Schuldbeziehung von G und S.252 Die folgenden Ausführungen sind an sich sowohl in Bezug auf ___________ 247

s. Fn. 240. Wie hier auch Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 165 sowie 199; Soergel/Teichmann, § 242, Rn. 9; Gernhuber, JuS 1983, 767 – „scheinpositivistischer Missbrauch des § 242 BGB zur Legitimation der (heute unbestreitbar notwendigen) richterlichen Rechtsfortbildung“. Vgl. auch Larenz, Schuldrecht AT, § 10 I (S. 130). S. aber MüKo(4)/Roth, § 242, Rn. 21 ff. 249 s. oben 3. Kapitel C. I. 250 s. aber Medicus, Schuldrecht AT, Rn. 134; Larenz, Schuldrecht AT, § 10 I (S. 130) beide allerdings unter der Voraussetzung eines „Rechtsnotstandes“. Vgl. auch Jauernig(11)/Mansel, § 242, Rn. 10 mit weiteren Nachweisen. 251 s. etwa BGH v. 23.9.1982, BGHZ 85, 39 (48); BGH v. 23.1.1981, NJW 1981, 1439 (1439 f); BGH v. 27.4.1977, BGHZ 68, 299 (304); Gernhuber, JuS 1983, 764 ff. 252 s. unten 3. Kapitel C. III. 1. a) und b) entsprechend. 248

C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung

161

eine unmittelbare Anwendung von § 242 BGB als auch in Bezug auf eine Rechtsfortbildung auf der Basis von Treu und Glauben relevant.

a) Treu und Glauben im Verhältnis zwischen Schädiger (S) und Drittem (D) Die Schutzwirkung als das Ergebnis der unmittelbaren Anwendung der Generalklausel des § 242 BGB auf das Verhältnis von S und D zu erklären, ist nicht ohne weiteres möglich.253 Denn unabdingbare Mindestvoraussetzung für die Anwendung von § 242 BGB ist das Vorliegen einer rechtlichen Sonderverbindung zwischen den Personen (hier D und S), auf deren Beziehung der Maßstab von Treu und Glauben angewendet werden soll:254 Will man mit Hilfe des Rechtsgedankens von § 242 BGB besondere (gesteigerte) Pflichten einer Person (S) gegenüber einer anderen (D) begründen, die über die allgemeinen (insbesondere deliktsrechtlichen) Verhaltensregeln hinausgehen, die jeder Mensch in einer Gesellschaft jedem anderen gegenüber beachten muss – Sonderpflichten in diesem Sinne sind ohne Zweifel die Pflichten, die dem S mit Hilfe des SSD gegenüber D auferlegt werden sollen255 –, so muss man folgerichtig nach Rechtsgründen suchen, welche eine zwischenmenschliche Beziehung, aus den „normalen“ Verhältnissen innerhalb einer Gesellschaft hervorheben und die Aufstellung besonderer Verhaltensnormen (Sonderpflichten) in deren Rahmen erfordern, weil es sich um rechtliche Sonderverbindungen handeln soll.256 Kann man eine solche Sonderverbindung entweder aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung oder mittels einer legitimen Rechtsfortbildung begründen, so ist nunmehr der Weg grundsätzlich frei, den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) rechtsgestaltend auf das maßgebliche Verhältnis an___________ 253 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 6 b; Winterfeld, S. 44 f; Kümmeth, S. 105 ff; Papst, S. 185; Hadding, FS Werner, S. 194. 254 Soergel/Teichmann, § 242, Rn. 30 f; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 160; Larenz, Schuldrecht AT, § 10 I (S. 127 f); Palandt(65)/Heinrichs, § 242, Rn. 6; Jauernig(11)/Mansel, § 242, Rn. 10; Papst, S. 185. S. ferner etwa BGH v. 11.6.1996, NJW 1996, 2724; BGH v. 7.12.1988, JR 1990, 17; BGH v. 21.4.1988, NJW 1989, 389 (390); Lorenz, JuS 1995, 573 f; Staudinger(2005)/Looschelders/Olzen, § 242, Rn. 124 ff. Ablehnend hingegen Staudinger(1995)/Schmidt, § 242, Rn. 161 ff. Skeptisch MüKo(4)/Roth, § 242, Rn. 72 (s. aber Rn. 73 f); Medicus, Schuldrecht AT, Rn. 130; Erman(11)/Hohloch, § 242, Rn. 15. Ausdrücklich offen lässt die Frage BGH v. 22.10.1987, BGHZ 102, 95 (102). 255 s. auch Bayer, JuS 1996, 477; Berg, JuS 1977, 363; Riesenhuber, S. 159. 256 In diesem Sinne auch Soergel/Teichmann, § 242, Rn. 30; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 160; Larenz, Schuldrecht AT, § 10 I (S. 127 f); Anders, S. 171. Vgl. auch RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 125, über die nunmehr in § 241 II BGB vorgesehenen Rücksichtnahmepflichten.

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

zuwenden. Will man demgegenüber das Gebot von Treu und Glauben als Prüfstein für die Frage verwenden, wann eine Sonderverbindung angenommen werden sollte,257 so müsste man dieses Prinzip zwangsläufig als den allgemeinen Maßstab für die Beurteilung aller menschlichen Beziehungen und schließlich als allgemeines Verhaltensgebot betrachten.258 Dadurch würde man die für das heutige Rechtssystem grundlegende Unterscheidung zwischen „normalen“ zwischenmenschlichen Verhältnissen bzw. Verhaltensgeboten einerseits und Sonderbeziehungen (insbesondere Schuldverhältnissen) bzw. gesteigerten Pflichten andererseits praktisch vollkommen aufheben und die Grenzen zwischen allgemeiner bzw. deliktischer Jedermannshaftung einerseits und Sonderverbindungshaftung andererseits völlig verwischen.259 Insofern kann der Maßstab von Treu und Glauben nur bei der Frage nutzbar gemacht werden, wie (d.h. mit welchen Pflichten) eine Sonderverbindung ausgestaltet, nicht hingegen, wann eine Sonderverbindung angenommen werden soll. Für die Anwendung des § 242 BGB auf das Verhältnis zwischen D und S ist also der Nachweis erforderlich, dass die Beziehung zwischen S und D als eine rechtliche Sonderverbindung angesehen werden muss,260 die zu den Sonderverbindungen gehört, auf welche § 242 BGB Anwendung findet; dafür kann jedoch § 242 BGB selbst keine Rolle spielen.261 Erst nachdem dieser Nachweis gelingt,262 darf man darüber argumentieren, ob der Grundsatz von Treu und Glauben die Entstehung besonderer Pflichten im Verhältnis von S und D erfordert und welche diese Pflichten sein sollen.

b) Treu und Glauben im Schuldverhältnis, das Schutzwirkungen entfalten soll Will man die Anwendung von Treu und Glauben an die Sonderverbindung ankoppeln, die zwischen S und G besteht, nämlich an das Schuldverhältnis, dessen Schutzwirkung in Frage steht, so trifft es zwar zu, dass § 242 BGB auf die___________ 257

So aber Schütz, S. 133 ff. Wie hier auch Papst, S. 185. 259 Vgl. Gernhuber, JuS 1983, 764. Vgl. ferner die Ausführungen von Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, § 75 I 1 und 3 zum System der deliktischen Haftung auf der Grundlage von „drei kleinen Generalklauseln“ als bewusste freiheitsbewahrende Entscheidung des Gesetzgebers. 260 So auch Hirth, S. 101; MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 102; Papst, S. 185. Vgl. ferner die Argumentation von Dickes, S. 46; Schmalzbauer, S. 75 und 77; Urban, S. 114; Keitel, S. 95 sowie 102 ff. 261 So auch Hirth, S. 101. 262 Ein solcher Versuch wird in dieser Arbeit bei der Begründung eines eigenen Drittschutzkonzepts unternommen, s. unten 6. Kapitel. 258

C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung

163

ses Verhältnis ohne weiteres anwendbar ist. Dennoch kann die Konkretisierung von Treu und Glauben nur auf die Wahrnehmung der Belange und der schutzwürdigen Interessen der Parteien der Sonderverbindung gerichtet sein, an die die Anwendung von § 242 BGB anknüpft (hier G und S). Drittinteressen können hingegen nur in dem Umfang beachtet werden, in dem sie die eigentlichen Parteiinteressen mitbestimmen.263 Die entgegengesetzte Vorgehensweise, nämlich die unmittelbare Beachtung genuiner Drittinteressen bei der Anwendung des § 242 BGB innerhalb von Sonderverbindungen, würde gerade den materiellen Gründen widersprechen, die eine Sonderverbindung als Voraussetzung der Anwendbarkeit von Treu und Glauben im Verhältnis zweier Personen erfordern, und hätte praktisch die abgelehnte Ernennung von § 242 BGB zum allgemeinen Maßstab der Verhaltenspflichten innerhalb der Gesellschaft zur Folge:264 Jeder, der sich in einer Sonderverbindung befindet, müsste sein Verhalten nach Treu und Glauben nicht allein nach den eigentlichen Anforderungen dieser Sonderbeziehung, nämlich nach den Interessen seines Sonderverbindungspartners, sondern auch danach ausrichten, was dritten Personen nutzen könnte oder zumindest nicht schaden würde. Es ist also folgerichtig, dass die Interessen der Allgemeinheit oder bestimmter dritter Personen grundsätzlich nur durch andere Regelungen – etwa durch §§ 134 und 138 BGB, § 3 UWG sowie das Deliktsrecht – und aufgrund anderer Maßstäbe – vor allem anhand der guten Sitten – verfolgt werden. Daraus folgt, dass durch die Anwendung von § 242 BGB auf die Beziehung zwischen G und S höchstens eine Drittschutzwirkung im Gläubigerinteresse265 begründet werden kann. Insofern sind auch hier die materiellen Gesichtspunkte grundsätzlich relevant, die die Auslegung des Vertrages zwischen G und S betreffen.266 In diesem Sinne scheiden zunächst alle Fälle aus, die keine ausreichenden Gläubigerinteressen für den Drittschutz aufweisen.267 Darüber hinaus darf man nicht jedes mögliche, wie auch immer konstruierte Gläubigerinteresse mit der Bejahung von Drittansprüchen kompensieren.268 Um eine gerechte Ausgleichung der gegenseitigen Parteiinteressen (von G und S) aufgrund von Treu und Glauben möglichst sicherzustellen, muss man vielmehr verlangen, dass das einschlägige Gläubigerinteresse bei objektivierter Betrachtungsweise von besonderer Intensität ist, um die Dritthaftung des S bei der entsprechenden Inte___________ 263

s. die entsprechenden Ausführungen zur Vertragsauslegung oben 3. Kapitel B. I. s. 3. Kapitel C. III. 1. a). 265 Vgl. oben 2. Kapitel C. 266 s. oben 3. Kapitel B. 267 Eine genaue Abgrenzung ist nicht erforderlich; in Bezug auf die Begründung eines einschlägigen Gläubigerinteresses genügt an dieser Stelle der Verweis auf die entsprechenden Überlegungen im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Models [s. oben 3. Kapitel B. insbesondere I. und III. 3. a)]. 268 Vgl. auch oben 3. Kapitel B. III. 3. a) aa). 264

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

ressenabwägung untermauern zu können. Wie intensiv nun das fragliche Gläubigerinteresse in jedem konkreten Fall ist, hängt insbesondere mit der Art und der Gewichtigkeit der Schäden, die D erleiden kann, mit der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, sowie mit dem Verhältnis zwischen G und D zusammen, aufgrund dessen die Drittschädigung auch für G selbst belastend wirkt.269 Darüber hinaus muss das entscheidende Gläubigerinteresse offenkundig sein, damit dem S zumindest die Möglichkeit eingeräumt bleibt, sein Risiko aus dem Schuldverhältnis mit G zu kalkulieren; demgegenüber dürfen geheim gebliebene persönliche Einstellungen des G in Bezug auf D nach Treu und Glauben keinen Einfluss auf die Fallbeurteilung ausüben.270 Im Allgemeinen ist, ähnlich wie bei der ergänzenden Vertragsauslegung, bei der Begründung von Drittschutzwirkungen anhand von Treu und Glauben Zurückhaltung geboten, da dadurch die Durchbrechung des allgemein geltenden Relativitätsprinzips und der mit ihm verfolgten Rechtsgedanken (insbesondere Haftungsbegrenzung) beabsichtigt wird. Man muss also gemäß dem gesetzlichen Plan grundsätzlich davon ausgehen, dass den maßgeblichen Gläubigerinteressen am Drittschutz bereits dadurch ausreichend Rechnung getragen wird, dass aufgrund von § 242 BGB unter Bewahrung des Relativitätsprinzips die Verpflichtung des S allein gegenüber G anerkannt wird, die Belange des D wahrzunehmen. Unmittelbare Drittberechtigungen braucht man hingegen zur Befriedigung von Gläubigerinteressen in aller Regel nicht; Drittschutzwirkungen auf der Grundlage von § 242 BGB müssen also die Ausnahme bleiben.271 Den aufgestellten Anforderungen dürfte die Anerkennung eines SSD praktisch allein bei familiären Beziehungen genügen, die unter objektivierter Betrachtung eine intensive Interessenverbindung zwischen G und D aufweisen und eine Schadenskompensation aufgrund einer Haftungskette gemäß § 278 BGB nur schwer vertragen können.272 Im Ergebnis kann durch die Berufung Treu und Glauben das ganze Spektrum des SSD bei weitem nicht erklärt werden.

2. Die Gerechtigkeit Ebenfalls ohne Ergebnis muss der Versuch bleiben, am Maßstab der Gerechtigkeit das SSD rechtsfortbildend zu begründen. Denn von wenigen eindeutigen Drittschutzfällen abgesehen kann man aufgrund eines abstrakten Gerechtigkeitsgefühls kaum eine eindeutige Antwort darüber geben, ob im konkreten Fall ein SSD angenommen und mit welchen genauen Rechtsfolgen diese Annahme ___________ 269 270 271 272

Vgl. dazu auch oben 3. Kapitel B. III. 3. b) aa). Vgl. oben 3. Kapitel B. III. 1. Vgl. oben 3. Kapitel B. I. Vgl. oben 3. Kapitel B. III. 3. b) aa). und bb) (2).

C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung

165

verbunden werden muss; dabei kann insbesondere die Frage nach der Abgrenzung des geschützten Personenkreises unüberwindbare Schwierigkeiten bereiten.273 Darüber hinaus kann allein das Gerechtigkeitsgefühl meistens lediglich eine Antwort über das Endergebnis geben. Geht es demgegenüber um rechtstechnische bzw. detailregelnde Fragen – in Bezug auf die Problematik des SSD etwa um die Frage, ob die Schadensabwicklung im Zwei- (D gegenüber S) oder Dreipersonenverhältnis (G gegenüber S und D gegenüber G) stattfinden soll –, hilft die abstrakte Gerechtigkeitsidee meistens nicht weiter. Eine umfassende Erklärung des SSD, die auch in Grenzfällen zu einer richtigen Antwort verhelfen könnte, kann man also nicht gewinnen. Nicht zuletzt muss man gegen die Betrachtung der Gerechtigkeit als Basis einer Rechtsfortbildung anführen, dass es sich dabei nicht um einen absoluten, überrechtlichen Maßstab handelt. Ohne auf schwierige rechtsphilosophische Fragen einzugehen und von besonders krassen Verstößen gegen die Gerechtigkeitsidee abgesehen, kann man von Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit nur im Rahmen eines vorgegebenen Wertesystems im Sinne der Übereinstimmung einer Entscheidung mit dessen Wertungen sprechen. Will man sich also gegen eine konkrete Wertung eines bestimmten Systems wenden – hinsichtlich des SSD also gegen die strenge Einhaltung des Relativitätsprinzips –, so muss man sich auf ein anderes Wertesystem oder auf andere Wertungen des gleichen Systems berufen, zu denen die fragliche Wertung widersprüchlich erscheint. Da jedoch in der heutigen Rechtsordnung alleiniger Maßstab, an dem die Richtigkeit einer rechtlichen Entscheidung geprüft werden kann, die geltende Rechtsordnung selbst ist (s. Art. 20 III GG),274 genügt für die Korrektur einer gesetzlichen Regelung – hier des Relativitätsprinzips – nicht eine allgemeine Berufung auf die Gerechtigkeitsidee, wenn dadurch kein Bezug auf das maßgebende Rechtssystem selbst genommen wird. Anders formuliert darf für das heutige rechtswissenschaftliche Verständnis grundsätzlich nichts anderes für gerecht bzw. ungerecht gehalten werden als das vom Recht selbst Ge- bzw. Verbotene.

3. Das Gleichheitsgebot Auch der Versuch, das SSD allein mit dem Gleichheitsgebot (s. Art. 3 I GG) zu rechtfertigen, verspricht keinen Erfolg. Denn die (korrigierende) Anwendung des Gleichheitsgebots kann nicht abstrakt erfolgen, sondern erfordert eine konkrete Regelung als Anknüpfungspunkt. Erst auf dieser Grundlage kann die Entscheidung darüber getroffen werden, ob ein weiterer, von der betreffenden Re___________ 273

Vgl. auch oben 3. Kapitel A. s. bereits oben 3. Kapitel A. Von den außerordentlich seltenen Fällen erlaubten contra-legem-Judizierens freilich abgesehen. 274

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

gelung nicht bzw. mit erfasster Sachverhalt wesentlich gleich bzw. ungleich ist wie die ausdrücklich geregelten, um die entsprechende korrigierende Rechtsfortbildung vorzunehmen.275 Ohne diesen materiellen Anknüpfungspunkt kann man mit dem Gleichbehandlungsgebot allein nichts anfangen, weil dieses nur die formelle Rechtsbasis bildet, aufgrund deren die Übertragung von Regelungen auf nicht erfasste, dennoch wesentlich gleiche Sachverhalte erfolgen kann. In Zusammenhang mit dem SSD kann man ohne große Mühe annehmen, dass der fragliche materielle Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Gleichheitsgebots zur Begründung einer Schadensersatzpflicht des S gegenüber D die gesetzliche Regelung der Haftung innerhalb bereits bestehender Schuldverhältnisse ist. Die entscheidende Frage lautet somit, ob die haftungsrechtliche Ungleichbehandlung von Personen innerhalb und außerhalb von Schuldverhältnissen immer gerechtfertigt oder hingegen in den Drittschutzfällen bzw. einigen unter ihnen willkürlich ist, so dass konkrete Ausnahmen im Sinne des SSD angenommen werden müssen. Glaubt man nun, die zweite Variante als die zutreffende betrachten zu dürfen, so muss man folgerichtig für bestimmte Konstellationen ein anderes Sachverhaltselement anführen und rechtlich rechtfertigen, welches die traditionelle haftungsrechtliche Funktion des Schuldverhältnisses in den Fällen ersetzen soll, in denen ein einschlägiges Schuldverhältnis im herkömmlichen Sinne fehlt, wie dies in Bezug auf D und S der Fall ist. Bei der Behandlung dieser Problematik muss man allerdings u.a. die Tatsache berücksichtigen, dass das Schuldverhältnis aufgrund einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung ein Zentralelement des geltenden Zivilrechts darstellt, dessen Vorliegen in vielerlei Hinsicht die jeweilige Rechtslage entscheidend beeinflusst. Die Dichotomie zwischen der Haftung innerhalb und außerhalb von Schuldverhältnissen stellt sogar das zentrale Fundament des deutschen Haftungsrechts dar. Will man also behaupten, das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot (Art. 3. I GG) werde durch die eigentlich willkürliche Wahl des Gesetzesgebers verletzt, auf das Vorliegen eines Schuldverhältnisses entscheidend abzustellen, um die Anwendung von Vertragshaftungsregeln anzuordnen, so trägt man dabei die schwere Last, sich mit wohl überlegten Grundstrukturen der Rechtsordnung auseinander setzen zu müssen, um diese Behauptung nachzuweisen. Die Möglichkeit, durch diese Auseinandersetzung die haftungsrechtliche Ersetzbarkeit des Schuldverhältnisses durch andere Bedingungen begründen, um die Haftung des S gegenüber D trotz fehlender Schuldbeziehung zwischen ihnen nach Vertragshaftungsrecht beurteilen zu dürfen, kann freilich nicht von vornherein ausgeschlossen werden; es gibt ja mehrere ausdrückliche Regelungen in diese Richtung (s. etwa § 618 III i.V.m. § 844 BGB). Es liegt jedoch ohne weiteres auf der Hand, dass es sich dabei um eine ziemlich komplexe Beweisführung handeln muss. ___________ 275

Vgl. Bydlinski, Methodenlehre, S. 485.

C. Richterliche Rechtsfortbildung: Inhaltsbedürftige Rahmensetzung

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Hierher gehört auch die Klarstellung, dass die formelle Eigenschaft als Schuldverhältnispartei, an die die ganze schuldrechtliche Regelung größtenteils anknüpft, keineswegs bloß „formal“, sondern mit gewichtigen materiellen Wertungen verbunden ist, die in den jeweiligen Entstehungsvoraussetzungen von Schuldverhältnissen verkörpert sind. Zur formellen Schuldverhältnispartei wird man freilich nicht zufällig, sondern etwa deshalb, weil man den entsprechenden Vertrag geschlossen hat (s. § 311 I BGB), oder weil man eine unerlaubte, schädigende Handlung vorgenommen hat bzw. durch eine solche Handlung geschädigt wird (s. §§ 823 ff BGB). Demnach kann man ohne weiteres davon ausgehen, dass Rechtssätze, die in ihrem Tatbestand entscheidend an die formelle Schuldverhältnisparteieigenschaft anknüpfen, gleichsam auch auf den materiellen Rechtsgründen aufbauen, die diese Eigenschaft begründet haben. Diese Verbindung muss ein überzeugender Rechtsfortbildungsversuch sicherlich beachten.

4. Der Vertrauensschutz In einer ähnlichen Richtung ist auch eine etwaige allgemeine Rechtsanforderung zum Vertrauensschutz276 als mögliche Grundlage einer Rechtsfortbildung zu beurteilen. Stichhaltiger Ausgangspunkt dürfte dabei die eher unzweifelhafte Feststellung sein, dass das Vertrauen nicht in jeder Konstellation und in jeder möglichen Richtung rechtlich geschützt werden kann, so dass eine Unterscheidung zwischen schützwürdigem und schutzunwürdigem Vertrauen unverzichtbar ist. In Bezug auf die Problematik des SSD bildet allerdings das Vertrauen des D bzw. des G am Schutz des D in den fraglichen Fällen oft eine bloß reale Voraussetzung der Drittschädigung in dem Sinne, dass ohne dieses Vertrauen als Glied der entsprechenden Kausalkette kein Schaden hätte eintreten können – s. beispielsweise die Sachlage in den „Gutachtenfällen“.277 Da also Drittschädigung und Vertrauen in irgendeiner Form meistens zusammenhängen und freilich nicht jede (vertrauensvermittelte) Drittschädigung für ersatzwürdig erklärt werden darf, kann die Frage, in welchen Konstellationen der Drittschaden im ___________ 276 Dabei ist allerdings bereits der Vertrauensbegriff an sich nicht eindeutig: Es kann um das Vertrauen auf den Schutz bzw. die Nichtschädigung oder auf die Schadloshaltung des D, um das Vertrauen des D selbst oder des G in Bezug auf D, um ein positives Vertrauen oder um eine innere Einstellung im Sinne eines fehlenden Misstrauens, um real vorhandenes Vertrauen oder nur um die haftungsrechtlich geschützte Möglichkeit zu vertrauen (Vertrauendürfen) usw. gehen. Darüber hinaus fragt es sich, wie das für ein SSD erhebliche Vertrauen von Vertrauenstatbeständen zu unterscheiden ist, die zwar rechtlich geschützt, aber nur in anderen Rechtsbereichen – etwa Deliktsrecht – erheblich sind. 277 s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15. S. auch Schlechtriem, AcP 203 (2003), 858; Pohlmann, S. 60 mit weiteren Nachweisen.

168

3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

Sinne eines SSD ersetzt werden muss, allein wegen des Vorliegens eines Vertrauenstatbestandes nicht ohne weiteres beantwortet werden: Als praktisch ubiquitäre Tatsache kann der Vertrauenstatbestand an sich nicht als Differenzierungskriterium dienen, sofern nicht klargestellt wird, wann es sich um schutzwürdiges Vertrauen handelt. Beabsichtigt man also, eine Rechtsfortbildung im Bereich des SSD zwecks Vertrauensschutzes vorzunehmen, so muss man ein weiteres rechtliches Unterscheidungskriterium finden, um diejenigen Fälle aus dem Geltungsbereich des SSD herauszufiltern, in denen das – ohnehin vorliegende – Vertrauen haftungsrechtlich nicht schutzwürdig ist. Dabei kommt man wiederum an der soeben erwähnten Problematik nicht vorbei, unter welchen Umständen das Vorliegen eines Schuldverhältnisses als Differenzierungsmaßstab – hier nämlich als Grundlage eines berechtigten und deshalb schutzwürdigen gegenseitigen Vertrauens der Parteien – durch andere Sachverhaltsmerkmale ersetzt werden kann.278 Mit anderen Worten erfüllt das Schuldverhältnis als Rechtsfigur auch die Funktion, dass bei dessen Vorliegen jede der beteiligten Parteien berechtigterweise darauf vertrauen kann, nicht geschädigt bzw. im Falle einer Schädigung durch die andere Partei nach Vertragsgrundsätzen entschädigt zu werden. Fehlt es demgegenüber an einer Schuldbeziehung, wie dies etwa in den Drittschutzfällen für das Verhältnis zwischen D und S der Fall ist, so drängt sich die Frage auf, ob und warum zwei Personen gegenseitig auf ihre Nichtschädigung bzw. auf ihre Entschädigung nach vertraglichen Regeln trotzdem vertrauen dürfen sollen; dass sie einander möglicherweise tatsächlich Vertrauen geschenkt haben, besagt nichts über dessen haftungsrechtliche Schutzwürdigkeit. Im Übrigen gelten diese Überlegungen nicht speziell für das Vertrauen, sondern in Bezug auf jedes Tatbestandsmerkmal, das als Rechtsfortbildungsgrundlage zur Rechtfertigung des SSD nutzbar gemacht werden soll, obwohl es viel zu häufig vorliegt, um allein als Unterscheidungsmaßstab für die Anwendung Vertragshaftungsrechts dienen zu können.

5. Das Sozialstaatsprinzip Schließlich scheidet auch das Sozialstaatsprinzip wegen seines Inhalts als eine taugliche Rechtsfortbildungsbasis aus, auch wenn man annehmen würde, dass ihm als Gebot zum Schutz des wirtschaftlich oder sozial schwächeren Teils auch unter Privatpersonen eine Bedeutung zukämme. Dabei kann zwar nicht geleugnet werden, dass sich der mittels eines SSD zu schützende Dritte (D) oft in einer schwächeren Position befindet: Sehr häufig handelt es sich um Arbeit___________ 278

s. oben 3. Kapitel C. III. 3. In ähnlichem Sinne wie hier Wiegand, S. 190; Pohlmann, S. 56 f (vgl. auch S. 88); Brors, ZGS 2005, 144 f; Teubner, FS Schmidt, S. 316.

D. Schlussfolgerung zu bisherigen Erklärungsmodellen

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nehmer bzw. Kinder oder, allgemeiner betrachtet, um Personen, die selbst nicht in der wirtschaftlichen Lage sind bzw. nicht über die erforderliche soziale Selbständigkeit verfügen, um sich selbst hinreichend zu schützen. Dennoch ist eine schwächere Stellung des Dritten nie ausreichende Voraussetzung der Drittschutzwirkung gewesen, zumindest so wie sie von der Rechtsprechung verstanden wird:279 Würde man auf die Schwäche des D allein oder in Verbindung mit einer stärkeren Position des S abstellen, so müsste man in unzähligen weiteren Fällen als bisher das Vorliegen eines SSD bejahen, was freilich zu einer unaufhaltbaren Haftungserweiterung führen würde. Wie auch der Gedanke des Vertrauensschutzes ist eine schwächere Position des Dritten ein ungeeignetes Kriterium zur Abgrenzung des geschützten Personenkreises bzw. der interessierenden Konstellationen, weil sie viel zu oft vorliegt, um diese Rolle spielen zu können. Davon abgesehen würde ein solches Anliegen dem geltenden Haftungsrecht völlig widersprechen, da es grundsätzlich nicht auf die wirtschaftliche oder anderweitige Schwäche bzw. Stärke des Geschädigten bzw. des Schädigers abstellt (eine der wenigen Ausnahmen stellt hingegen etwa § 829 BGB dar). Darüber hinaus kann man den Schutz des Schwächeren nicht einmal als notwendige Voraussetzung des Drittschutzes betrachten. Dies bestätigt ein schneller Blick auf die bereits entschiedenen Drittschutzfälle, da sehr oft Schadensersatzansprüche zu Gunsten Personen anerkannt werden, die eine starke wirtschaftliche Position innehaben: Tatsächlich werden aufgrund eines SSD etwa Banken für geschützt gehalten, obwohl sie wirtschaftlich und sozial gesehen keineswegs schutzwürdig erscheinen.280 Die überzeugende Rechtfertigung des gegenteiligen Ergebnisses kann auch nicht durch den Hinweis auf die von der Rechtsprechung aufgestellte Drittschutzvoraussetzung der Schutzbedürftigkeit des D281 gelingen. Denn dadurch wird nicht so sehr die tatsächliche, sondern eher die formel-rechtliche Stellung des Dritten als Inhabers eines anderweitigen Schadensersatzanspruchs berücksichtigt. Außerdem handelt es sich allein um eine negative Voraussetzung, in dem Sinne, dass bei der Feststellung der Schutzbedürftigkeit des D die Drittschutzwirkung verneint wird, während hier allein die rechtsfortbildende Begründung des SSD interessiert.

D. Schlussfolgerung zu bisherigen Erklärungsmodellen In diesem Kapitel wurde der Frage nachgegangen, inwieweit bisherige Begründungsmodelle das SSD dogmatisch hinreichend erklären können. Dabei ist ___________ 279 280

Zum Anwendungsfeld des SSD s. oben 2. Kapitel A. s. beispielsweise oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15 – „Gutachtenfäl-

le“. 281

Zu dieser Voraussetzung in der Rechtsprechung s. oben 2. Kapitel B. II. 2.

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3. Kap.: Kritische Überlegungen zu bisherigen Erklärungsmodellen

freilich nicht jeder einzelne Begründungsvorschlag untersucht, sondern nur diejenige Ansätze berücksichtigt worden, die in Rechtsprechung und Literatur eine beachtliche Rolle spielen und wegen ihres fundamentalen Charakters in der einen oder der anderen Form im Rahmen unterschiedlicher Erklärungsversuche auch in der Zukunft von Bedeutung sein könnten. Mit dieser Absicht ist zunächst nachgewiesen worden, dass das rechtsgeschäftliche Modell nur bei wenigen Drittschutzfällen das SSD begründen kann, weil der für die Anwendung dieses Modells unabweisliche Parteiwillen weder aufgrund erläuternder noch aufgrund ergänzender Auslegung zulässigerweise ermittelt werden kann.282 In Bezug auf die Frage, ob sich das SSD als eine gelungene Rechtsfortbildung dogmatisch erklären lässt, wurde ferner festgestellt, dass der Tatsache, dass die Rechtsprechung das SSD entwickelt hat und sich dieses ständig bedient, keine eigenständige Bedeutung für die dogmatische Rechtfertigung des SSD zukommt. Demgegenüber steht und fällt die Verbindlichkeit der fraglichen Rechtsfortbildung mit dem Nachweis, dass diese durch das geltende Recht selbst geboten ist.283 Darüber hinaus wurde der abstrakte Denkvorgang kurz geschildert, aufgrund dessen eine Rechtsfortbildung im Allgemeinen dogmatisch gerechtfertigt werden soll.284 Was jedoch den Inhalt einer Rechtsfortbildung über das SSD angeht, wurden konkrete Überlegungen nur in Bezug auf die Rechtfertigung des SSD mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie mit anderen allgemeinen Gesichtspunkten wie etwa der Gerechtigkeit, dem Gleichheitsgebot (Art. 3 I GG), dem Vertrauensschutz und dem Sozialstaatsprinzip dargestellt.285 Eine eingehende Stellungnahme zu einzelnen Begründungsversuchen müsste sich hingegen ausführlich mit grundlegenden Rechtsfragen befassen, was im Rahmen dieser Arbeit nicht versucht werden könnte. Insgesamt ist zu bisherigen Begründungsmodellen die Schlussfolgerung zu ziehen, dass sie zuweilen vermögen, wichtige einschlägige Gesichtspunkte aufzuzeigen bzw. das SSD für einen Bruchteil der Drittschutzfälle dogmatisch zutreffend zu erklären; insoweit kann man sich jeder Zeit auf diese Modelle berufen, um das SSD in Einzelfällen anzuwenden. Dies gilt beispielsweise bezüglich des rechtsgeschäftlichen Modells: Da die Möglichkeit einer gültigen Drittschutzvereinbarung eigentlich nicht ernsthaft bezweifelt werden könnte,286 ist es immer denkbar, dass eine solche Vereinbarung in bestimmten Konstellationen mittels Auslegung tatsächlich ermittelt werden kann. In aller Regel ist jedoch die Begründung dieses Ergebnisses in methodisch zulässiger Weise nicht mög___________ 282 283 284 285 286

s. oben 3. Kapitel B. s. oben 3. Kapitel C. I. s. oben 3. Kapitel C. II. s. oben 3. Kapitel C. III. s. oben 3. Kapitel B. II.

D. Schlussfolgerung zu bisherigen Erklärungsmodellen

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lich. Bemerkenswert ist dabei, dass die Drittschutzfälle, die auf der Grundlage der verschiedenen Modelle zutreffend erklärt werden können, mehr oder weniger die gleichen sind,287 so dass hinsichtlich dieser Fallkonstellationen eine mehrfache Begründung möglich ist. Hinsichtlich der nicht erfassten Fälle bleibt jedoch weiterhin eine erhebliche Begründungslücke.

___________ 287

s. etwa 3. Kapitel B. III. 3. b) aa) bzw. bb) (2) (Vertragsauslegung), bei Fn. 12 (Gewohnheitsrecht) und 3. Kapitel C. III. 1. b) (Treu und Glauben aufgrund von § 242 BGB).

4. Kapitel

Prämissen der weiteren Untersuchung In diesem Kapitel wird der Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen die weitere Untersuchung für die Herausarbeitung eines überzeugenden Erklärungsmodells zum SSD vorgenommen werden soll. Mit dieser Absicht werden zunächst Überlegungen zum Relativitätsgrundsatz aufgestellt, da das SSD eine Durchbrechung dieses Grundsatzes darzustellen scheint.1 Des Weiteren wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung dem neuerdings eingeführten § 311 III S. 1 BGB in Zusammenhang mit dem SSD zukommt.2 Schließlich wird die Vorgehensweise geschildert, auf deren Basis ein Erklärungsmodell über die Drittschutzwirkungen entwickelt wird.3

A. Das SSD und der Relativitätsgrundsatz Es ist nicht umstritten, dass das Schuldverhältnis grundsätzlich nur die Parteien berechtigt und verpflichtet.4 Das sog. Relativitätsprinzip findet einen eindeutigen Ausdruck in § 241 I S. 1 BGB und durchzieht die ganze Regelung der rechtsgeschäftlich sowie der nichtrechtsgeschäftlich begründeten Schuldverhältnisse. Mit der Rechtsfigur des Schuldverhältnisses werden vor allem Pflichten5 zwischen den beteiligten Parteien rechtsgeschäftlich oder gesetzlich begründet und normiert, die über die allgemeinen Pflichten hinausgehen, die jedes Gesellschaftsmitglied jedem anderen gegenüber ohne weiteres beachten muss (so etwa die deliktsrechtlichen Pflichten); in diesem Sinne sind sie als besondere Pflichten anzusehen (Sonderpflichten). Dies gilt sowohl für Leistungs- (§ 241 I BGB) als auch für Rücksichtnahmepflichten (§ 241 II BGB), sowie für sekundäre Pflichten, die erst nach Verletzung einer primären Pflicht entstehen. Unter diesem Blickwinkel ist das Schuldverhältnis als Rechtsträger eines besonderen ___________ 1

s. unten 4. Kapitel A. s. unten 4. Kapitel B. 3 s. unten 4. Kapitel C. 4 s. beispielsweise Palandt(65)/Heinrichs, Einl. v. § 241, Rn. 5; MüKo(4)/Kramer, Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 14. 5 Ob in diesem Zusammenhang von Pflichten oder Rechten gesprochen wird, ist eigentlich unerheblich, s. auch unten 5. Kapitel A. 2

A. Das SSD und der Relativitätsgrundsatz

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Pflichtengefüges unzweideutig eine über die einfachen Rechtsbeziehungen hinausgehende rechtliche Sonderverbindung.6 Mit dem Vorbehalt einer anderweitigen Sonderverbindung bedeutet nicht nur das Vorliegen eines Schuldverhältnisses das Bestehen einer besonderen Pflichtenlage zwischen den Beteiligten, sondern auch sein Nichtvorliegen das Nichtbestehen einer solchen Rechtslage. Im letzteren Fall kann man folgerichtig lediglich die Einhaltung des Verhaltens fordern, das das Recht als das erforderliche Minimum für das zwischenmenschliche Zusammenleben in einer Gesellschaft bestimmt. Wegen seiner Verbindung mit Sonderpflichtenlagen kann also ein Schuldverhältnis zwangsläufig nur zwischen einer begrenzten Anzahl bestimmter oder zumindest bestimmbarer Personen vorliegen:7 Man könnte zulässigerweise nicht mehr von Sonderpflichten reden, wenn diese nicht nur dem jeweiligen Gläubiger, sondern jedem Anderen gegenüber zu beachten wären. Wären Sonderpflichten nicht im Rahmen einer in personeller Hinsicht begrenzten Personenbeziehung zu beachten, so wären sie von den Allgemeinpflichten nicht mehr zu unterscheiden. Von der Frage abgesehen, inwiefern die Relativität der Schuldverhältnisse bereits übergesetzliche, insbesondere verfassungsrechtliche Wertungen verkörpert und somit nicht unter der uneingeschränkten Dispositionsfreiheit des Gesetzgebers steht, ist die gesetzliche Wahl für den Relativitätsgrundsatz mit erheblichen materiellrechtlichen Entscheidungen für das Recht der Schuldverhältnisse verbunden. Die Sonderpflichten stellen gegenüber den außerhalb von Schuldverhältnissen bzw. anderen Sonderverbindungen geltenden Jedermannspflichten gesteigerte Verhaltensanforderungen dar. Aus diesem Grund hat das Eingehen eines Schuldverhältnisses und die entsprechende Sonderpflichtenbegründung, zumindest für die jeweilige Schuldnerseite, zwangsläufig eine Einschränkung der Handlungsfreiheit in Bezug auf das nunmehr geschuldete Verhalten zur Folge. Die Einschränkung der Rechtswirkungen des Schuldverhältnisses auf die Schuldverhältnisparteien ist also nicht lediglich eine begrifflich bedingte Folge der Anerkennung von Sonderpflichten als dessen Inhalt. Sie ist auch mit der entsprechenden Rechtswertung verbunden: Das Relativitätsprinzip, da es den Kreis der Personen einschränkt, die von einem Schuldverhältnis Rechte gegen eine der Schuldverhältnisparteien herleiten können, erfüllt zugleich eine pflichtbegrenzende bzw. freiheitsbewahrende Funktion,8 die sowohl für rechtsgeschäftlich als auch für nichtrechtsgeschäftlich begründete Schuldverhältnisse sowie gleichermaßen für primäre und für sekundäre Pflichten gilt. Darüber hinaus ist mit der Pflichtbegrenzungsfunktion des Relativitäts___________ 6 Vgl. oben 3. Kapitel C. III. 1. a) die entsprechenden Ausführungen zum Erfordernis einer Sonderverbindung für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB). 7 Wie hier auch Bydlinski, System, S. 172. 8 Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 8 I 1. S. auch Picker, AcP 183 (1983), 476 ff.

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4. Kap.: Prämissen der weiteren Untersuchung

prinzips die Kalkulierbarkeit der Schuldverhältnisfolgen und somit auch die Versicherbarkeit bzw. die Vermeidbarkeit von Schuldnerrisiken verbunden, die die Vornahme schuldverhältnisbegründender bzw. -verletzender Handlungen mit sich bringt. Das Relativitätsprinzip dichtet das Schuldverhältnis gegen Drittrechte bzw. Dritteinflüsse ab und schützt Dritte vor (benachteiligenden) Rechtsfolgen, an deren Herbeiführung sie selbst nicht beteiligt sind. Damit kommt gleichzeitig die gesetzliche Wertung zum Ausdruck, dass das Schuldverhältnis im Rahmen des gesetzlich Erlaubten (s. etwa §§ 134, 138 BGB) primär den Interessen der Parteien dienen soll. Auf dieser Basis kann man die den Schuldverhältnisparteien grundsätzlich eingeräumte rechtliche Möglichkeit erklären, ihr rechtsgeschäftlich oder gesetzlich begründetes Schuldverhältnis mittels privatautonomer Bestimmungen (Vertrag – s. § 311 I BGB) auch entgegen einschlägigen gesetzlichen Anordnungen (dispositives Recht) auszugestalten oder sogar aufzuheben. Sofern allein die Interessen der Parteien der Schuldbeziehung im Spiel sind, können sie darüber prinzipiell auch frei disponieren.9 Mit der Entscheidung für die Relativität der Obligationen wird also der Charakter des Schuldverhältnisses als eine innere Angelegenheit der Parteien rechtlich verfestigt, das gerade wegen dieser Eigenschaft auf die Parteiwünsche und -interessen hin anpassungsfähig ist. Unter diesem Gesichtspunkt kann man dem Relativitätsprinzip auch die Funktion zuschreiben, das Recht der Schuldverhältnisparteien auf privatautonome Selbstbestimmung aufrechtzuerhalten. Denn das Schuldverhältnis kann nur insoweit frei disponierbar sein, als dadurch allein die eigene Rechtsphäre der Parteien selbst betroffen wird. Von der Anerkennung, dass das Schuldverhältnis primär den Parteieninteressen dienen soll, wird ferner die Rechtsanforderung abgeleitet, dass die Entstehung und die Inhaltsbestimmung von Schuldverhältnissen grundsätzlich nur solche Faktoren rechtlich beeinflussen können, die mit den eigentlichen Parteiinteressen verbunden sind. Drittbelange und öffentliche Interessen können also nur mittelbar im Rahmen eines Schuldverhältnisses gefördert werden, indem sie die Parteiinteressen mitbestimmen, etwa weil ein rechtliches, moralisches oder sonstiges Nahverhältnis Dritter zu einer der Schuldverhältnisparteien vorliegt.10 Dieses Postulat gilt nicht nur für die (erläuternde und ergänzende) Vertragsauslegung (s. §§ 133 und 157 BGB)11 oder die pflichtbegründende bzw. pflichtgestaltende Anwendung von Treu und Glauben (s. § 242 BGB),12 sondern auch insgesamt für die mit der Inhaltsbestimmung von Schuldverhältnissen verbundene Rechtsanwendung. Bei der entsprechenden Gesetzesauslegung muss der ___________ 9

s. auch Bydlinski, System, S. 184 f. Vgl. dazu oben 3. Kapitel B. III. 3. a) aa). 11 s. oben 3. Kapitel B. I. 12 s. oben 3. Kapitel C. III. 1. b). 10

A. Das SSD und der Relativitätsgrundsatz

175

Rechtsanwender also im Zweifel davon ausgehen, dass innerhalb der allgemeinen Grenzen nur die Parteiinteressen maßgeblich sind. Müssen nun die Interessen weiterer Personen beachtet werden, so entspricht es im Grunde dem Relativitätsprinzip als Regelungstechnik, neue Schuldverhältnisse mit dem entsprechenden Inhalt gesetzlich oder rechtsgeschäftlich zu begründen. Auch öffentliche Interessen sind, soweit sie freilich nicht von den Parteiinteressen selbst erfasst werden, grundsätzlich nur durch die gesetzliche Umschreibung des Rahmens wahrzunehmen, innerhalb dessen die privatautonome inhaltliche Ausgestaltung von Schuldverhältnissen erlaubt ist, etwa durch das Verbot bestimmter Vertragsinhalte (s. insbesondere §§ 134 und 138 BGB). Als eine Teilerscheinung des soeben dargestellten Rechtssatzes sollte man auch das Dogma vom Gläubigerinteresse13 im Vertragshaftungsrecht einstufen, nach dem die Schadensersatzpflicht des Schuldners allein den Schaden des Gläubigers der verletzen Primärpflicht selbst ausgleichen soll; Drittschäden müssen demgegenüber nicht ersetzt werden. Dabei handelt es sich zwar nicht um die Frage nach der Person desjenigen, der berechtigt sein soll, Schadensersatz zu verlangen – diese Frage wird aufgrund des Relativitätsprinzips eindeutig allein zu Gunsten des geschädigten Gläubigers beantwortet –, sondern um den Inhalt des Schadensersatzanspruches, nämlich darum, ob dieser auch den Ersatz von Drittschäden zum Gegenstand hat.14 Echte Ausnahmen vom Dogma des Gläubigerinteresses führen also nicht gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Anordnungen ein, aufgrund deren dritte Personen, die selbst niemals Gläubiger der verletzten Pflicht gewesen sind, als schadensersatzberechtigt anerkannt werden (s. etwa § 618 III i.V.m. § 844 BGB), sondern solche Anordnungen, mit denen dem Schadensersatzgläubiger die Möglichkeit eingeräumt wird, den Ersatz des Schadens zu fordern, den nicht er selbst, sondern ein als Schadensersatzgläubiger ausscheidender Dritter erlitten hat (s. etwa § 701 BGB).15 Allerdings sind beide Probleme miteinander in dem Sinne verbunden, dass die Wertungen, die den Relativitätsgrundsatz bedingen, auch dem Dogma vom Gläubigerinteresse zugrunde liegen: Die bereits für das Relativitätsprinzip angesprochenen Wertungen zu Gunsten der Überschaubarkeit, Kalkulierbarkeit, Versicherbarkeit und Vermeidbarkeit der mit einem Schuldverhältnis verbundenen Risiken sowie ___________ 13

Zum Dogma vom Gläubigerinteresse, wenn auch nicht unbedingt unter dem gleichen Stichwort, s. etwa Medicus, Schuldrecht AT, Rn. 609; Palandt(65)/Heinrichs, Vorb. v. § 249, Rn. 111; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 8 I; Soergel/Mertens, vor § 249, Rn. 20; Staudinger(2004)/Schiemann, Vorbem. zu §§ 249 ff, Rn. 49; Larenz, Schuldrecht AT, § 27 IV b (S. 460 ff); Traugott, S. 3 ff. 14 s. Traugott, S. 13; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 461. Die Fragen nach dem Gläubiger und dem Inhalt des Schadensersatzanspruchs werden allerdings nicht immer (zumindest nicht immer mit der erforderlichen Klarheit) auseinander gehalten – s. etwa Soergel/Mertens, vor § 249, Rn. 20; Staudinger(2004)/Schiemann, Vorbem. zu §§ 249 ff, Rn. 49; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 8 I 2 und 3. 15 s. etwa Palandt(65)/Sprau, § 701, Rn. 1; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 463.

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4. Kap.: Prämissen der weiteren Untersuchung

den Rechtsgedanken einer vernünftigen Pflicht- und Haftungsbegrenzung16 gelten uneingeschränkt für das Dogma vom Gläubigerinteresse.17 Will man nun die soeben gemachten Ausführungen für das Verständnis der Rolle nutzbar machen, die das SSD im zivilrechtlichen System der schuldrechtlichen Pflichten spielen soll, so ist diese Rechtsfigur zunächst eindeutig als eine Durchbrechung des Relativitätsprinzips anzusehen, welche die rechtliche Isolation des Schuldverhältnisses in personeller Hinsicht auflockert. Mit dessen Hilfe werden unter Anknüpfung an ein bereits bestehendes Schuldverhältnis (zwischen G und S) besondere Pflichten zu Gunsten dritter Personen (D) begründet, die in der Regel nur zwischen eigentlichen Schuldverhältnisparteien bestehen. Dies gilt sowohl für das Primärpflicht- als auch für das Haftungsmodell.18 Denn in beiden Konstruktionen entstehen gegenüber D besondere (Primär- oder Schadensersatz-)Pflichten, die über die Verpflichtungen hinausgehen, die unabhängig von Sonderbeziehungen gelten, wie etwa die deliktsrechtlichen Pflichten.19 Während allerdings das SSD eine Durchbrechung der Relativität des Schuldverhältnisses zwischen G und S in Bezug auf die Drittberechtigung bewirkt, wird die Relativität der neuen, wegen der Drittwirkung der fremden Schuldbeziehung entstandenen Obligation zwischen S und D aufrechterhalten, weil dadurch keine weiteren Personen berechtigt werden sollen. In diesem Sinne ist der von S aufgrund des SSD geschuldete Schadensersatz gemäß dem Dogma vom Gläubigerinteresse allein anhand des Schadens des D zu ermitteln. Das SSD als eine Durchbrechung des Relativitätsprinzips zu erfassen setzt allerdings die Annahme voraus, dass in jedem relativen Verhältnis notwendigerweise nur zwei Parteien beteiligt sind. Eine solche Gleichsetzung der relativen mit den zweipoligen Beziehungen ist jedoch nicht richtig: Zwischen der rein zweipoligen schuldrechtlichen Bindung und der jedermann gegenüber geschützten Herrschaft aufgrund dinglicher Rechte ist ein großer Raum vorhanden, innerhalb dessen verschiedene Varianten der Rechtsbindung von Rechtssubjekten möglich sind. Will man nun die relative Wirkung der Schuldverhältnisse der absoluten Wirkung der dinglichen Rechte gegenüberstellen,20 so stellt sich die Frage, ob man auch in diesem Zwischenraum von relativen Rechtsbeziehungen sprechen könnte, obgleich man sich dabei in vielen Fällen von der reinen Zweipoligkeit entfernt. Anders formuliert fragt es sich, ob man das Relativitätsprinzip dahin relativieren kann, dass nicht nur zweipolige Rechtsbeziehungen, sondern auch Rechtsbände erfasst werden, innerhalb deren sich begünstigende ___________ 16 s. auch Staudinger(2004)/Schiemann, Vorbem. zu §§ 249 ff, Rn. 49; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 8 I 1. 17 Vgl. Staudinger(1983)/Medicus, § 249, Rn. 181. 18 s. dazu oben 2. Kapitel B. III. 19 Zu dieser Unterscheidung s. auch oben 3. Kapitel C. III. 1. a). 20 s. etwa Palandt(65)/Heinrichs, Einl. v. § 241, Rn. 5.

A. Das SSD und der Relativitätsgrundsatz

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(Stichwort: Drittschutz) bzw. belastende (Stichwort: Dritthaftung) Rechtswirkungen auf einen weiteren, indes immer noch begrenzten und überschaubaren Personenkreis entfalten. In diesem Sinne würde die Zweipoligkeit einen Unterbzw. Spezialfall der Relativität darstellen, weil jede bloß zweipolige Rechtsbeziehung immer relativen Charakter aufweisen, jedoch eine relative Rechtsbeziehung nicht unbedingt ein zweipoliges Rechtsverhältnis ausmachen würde; letzteres wäre in Bezug auf das SSD der Fall. Dieser Blickwinkelwechsel ist m.E. tatsächlich angebracht, weil die Wertungen, die in der strengen Form der Relativität, nämlich in der Zweipoligkeit der Schuldbeziehungen, verkörpert sind, in freilich abgeschwächter Intensität auch bei Beziehungen relevant sind, von deren Rechtswirkungen nicht lediglich zwei, sondern mehrere, keineswegs jedoch unzählige Rechtssubjekte betroffen werden. Die Pflichtbegrenzungsfunktion wird etwa nicht nur bei rein zweipoligen, sondern entsprechend auch bei mehrpoligen Beziehungen erfüllt, da sich die daraus entstehenden Pflichten weiterhin auf einen begrenzten Personenkreis beziehen. Legt man nun dieses Verständnis der Relativität zugrunde, so stellt die Annahme eines SSD in Wahrheit keine Durchbrechung des Relativitätsprinzips dar, sondern nur eine Abweichung von der Regel, dass Schuldverhältnisse grundsätzlich rein zweipolige Rechtsbeziehungen sind. Durch diese Klarstellung wird deutlich, dass die Rechtsfigur des SSD als zwar nicht zweipolige, dennoch relative Rechtsbeziehung den Wertungen nicht widersprechen muss, die die gesetzgeberische Wahl für die prinzipielle Relativität und in gesteigerter Intensität für die prinzipielle Zweipoligkeit der Schuldverhältnisse bedingt haben. Natürlich können diese Wertungen keineswegs so streng verfolgt werden, wie bei rein zweipoligen Beziehungen, trotzdem werden sie auch im Rahmen der ausgedehnten personellen Reichweite eines SSD wie in jeder anderen, nicht zweipoligen, sondern bloß relativen Beziehung weiterhin beachtet. Eine Nichtbeachtung dieser Wertungen, wäre nur dann zu befürchten, wenn man mit Hilfe des SSD die personellen Grenzen von Schuldverhältnissen so weit erstrecken würde, dass man kaum mehr von relativen Beziehungen sprechen könnte, weil der erfasste Personenkreis unüberschaubar wäre.21 Diese Anforderung ist beim nachfolgenden Versuch zu beachten, die Rechtsfigur des SSD sachgerecht zu konturieren.

___________ 21

Gegen eine solche Entwicklung wird auch in der Rechtsprechung immer wieder gewarnt, s. 2. Kapitel Fn. 292. Auch die konkrete Anwendung des SSD durch die Gerichte überschreitet diese Grenze m.E. nicht.

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4. Kap.: Prämissen der weiteren Untersuchung

B. Die bestätigende Funktion von § 311 III S. 1 BGB „Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen“, so der Wortlaut von § 311 III S. 1 BGB. Hinsichtlich der Begründung des SSD fragt es sich, ob man in diesem Rechtssatz die seit langem gesuchte dogmatische Grundlage der Drittschutzwirkungen finden kann. In Bezug auf diese allgemeine Problematik kann man zwei speziellere Fragenkreise aufwerfen: Erstens, erfasst § 311 III S. 1 BGB überhaupt Drittberechtigungen im Sinne des SSD und, falls ja, erfasst er darüber hinaus alle Konstellationen, in denen man bis jetzt das Vorliegen eines SSD angenommen hat? Und zweitens, ordnet er selbst Drittschutzwirkungen und, falls ja, unter welchen genauen Voraussetzungen? Wird nun eine gewisse Klarheit über diese Fragestellungen erzielt, so ist ferner die Stellungnahme darüber notwendig, ob die Berufung auf § 311 III S. 1 BGB zur Lösung der Drittschutzfälle ausreichend ist und, falls dies nicht der Fall ist, inwiefern die Berufung auf § 311 III S. 1 BGB trotzdem rechtlich erheblich ist.

I. Die Offenheit von § 311 III S. 1 BGB in Bezug auf Drittschutzwirkungen Hinsichtlich der Frage, ob § 311 III S. 1 BGB Drittschutzwirkungen erfassen kann, deutet der einschlägige Normkontext – § 311 III S. 2 BGB regelt unzweifelhaft einen besonderen Dritthaftungsfall22 – darauf hin, § 311 III S. 1 BGB normiere allein die vertragsähnliche Haftung von Personen, die sich selbst am maßgeblichen Schuldverhältnis unmittelbar nicht beteiligen sollen.23 Wird ein solches Verständnis von § 311 III S. 1 BGB als richtig unterstellt, so muss man folgerichtig die Drittschutzfälle aus dem Regelungsfeld der Norm völlig herausnehmen. Denn bei der Diskussion über das SSD geht es lediglich um eine Drittberechtigungsproblematik, nämlich um die Frage, ob und inwiefern Dritte,

___________ 22

s. aber Kittner, Rn. 804. Für eine solche Auslegung von § 311 III S. 1 BGB tatsächlich Jauernig(11)/Stadler, § 311, Rn. 49; Palandt(65)/Heinrichs, § 311, Rn. 13 sowie 60; Staudinger(2004)/Jagmann, § 328, Rn. 92; Hk-BGB/Schulze, § 311, Rn. 19; Zimmer, NJW 2002, 7; Westermann, FS Honsell, S. 149 und 150; Das neue Schuldrecht/Medicus, Kap. 3, Rn. 170; Bamberger-Roth/Grüneberg, § 311, Rn. 114; Balzer, ZfIR 2005, 102; Karampatzos, S. 255 f. Einen ähnlichen Eindruck erwecken außerdem die Materialien zur Entstehung von § 311 III BGB, s. RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 163, da die Möglichkeit einer Drittberechtigung aufgrund der maßgeblichen Vorschrift überhaupt nicht erwähnt wird; vgl. auch a.a.O. S. 94: „In § 311 Abs. 2 und 3 [...] werden die typischen Fallgruppen eines [...] vorvertraglichen Schuldverhältnisses bestimmt“. 23

B. Die bestätigende Funktion von § 311 III S. 1 BGB

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sei es als Schadensersatz- oder als Primärpflichtgläubiger,24 Rechte aus einem Schuldverhältnis herleiten können, an dem sie selbst nicht beteiligt sind.25 Gegen eine solche Schlussfolgerung über die Regelungsabsicht von § 311 III S. 1 BGB spricht aber vor allem der weit gefasste Normwortlaut, der sowohl Dritthaftungen als auch Drittberechtigungen erfassen kann. Dieser Interpretation widerspricht die Regelung der Dritthaftung in § 311 III S. 2 BGB nicht, da sie nur einen Tatbestand unter mehreren möglichen exemplarisch hervorheben soll.26 Ebenso wenig kann als Gegenargument eine restriktive Auslegung der betreffenden Vorschrift angesichts des Relativitäts- bzw. Zweipoligkeitsprinzips dienen. Zwar wäre eine Interpretation des § 311 III S. 1 BGB im Sinne der Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen der Zweipoligkeit der Obligationen und berechtigenden oder verpflichtenden Durchbrechungen sehr zweifelhaft bzw. gar nicht zulässig. Allerdings muss die Einbeziehung berechtigender Drittwirkungen in das Anwendungsfeld des § 311 III S. 1 BGB an sich keine solche Umkehrung zur Folge haben. Auch diese Drittwirkungen können bzw. – wegen des Relativitäts- bzw. Zweipoligkeitsprinzips – müssen Ausnahmen bleiben, wie auch die von § 311 III BGB unzweifelhaft mit erfassten Drittverpflichtungen. Dies ist jedoch die einzige Schlussfolgerung, die man aus der Auslegung von § 311 III S. 1 BGB unter Berücksichtigung des Relativitätsgrundsatzes mit gewisser Sicherheit ziehen kann, zumal er nur grundsätzlich, nicht hingegen absolut gelten soll. Vom eindeutig offenen Wortlaut des § 311 III S. 1 BGB ausgehend kann man also prima facie annehmen, dass diese Norm auch Drittberechtigungen erfasst.27 Von der Problematik, ob sich unter § 311 III S. 1 BGB neben Drittverpflichtungen auch Drittberechtigungen überhaupt subsumieren lassen, ist die Frage zu trennen, ob zu den von § 311 III S. 1 BGB erfassten Drittberechtigungen auch Drittschutzwirkungen gehören. Eine einschlägige Antwort hängt mit den Rechtsfolgen zusammen, die mit der Annahme eines SSD verbunden sind. Kann man als unmittelbare Rechtsfolge des SSD (zumindest auch) die Begründung ___________ 24

s. oben 2. Kapitel B. III. zur Unterscheidung zwischen Haftungs- und Primärpflichtmodell. 25 s. bereits oben 1. Kapitel. 26 Neben dem Normwortlaut („insbesondere“) s. nur RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 163. 27 So auch Canaris, JZ 2001, 520; SchAnwPra/Lieb, § 3, Rn. 42; MüKo(4)/Emmerich, § 311, Rn. 199 und 201; Erman(11)/Kindl, § 311, Rn. 16; Eckebrecht, MDR 2002, 427; Faust in Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Rn. 3/12; MüKo(4)/Kramer, Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 84; MüKo(4)/Emmerich, § 311, Rn. 196; AnwKom-BGB/Krebs, § 311, Rn. 47; Checkbuch/Ott, S. 507; Schwab, JuS 2002, 873; Teichmann, BB 2001, 1492; Reischl, JuS 2003, 43; Lorenz/Riehm, Rn. 376; Ehmann/Sutschet, S. 70; KompaktKom-BGB/Hirse, § 311, Rn. 26; FraHandbuch/Blenske, S. 171; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 202.

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4. Kap.: Prämissen der weiteren Untersuchung

von Rücksichtnahmepflichten des S gegenüber D im Sinne von § 241 II BGB ansehen, worauf § 311 III S. 1 BGB verweist, so ist nur folgerichtig, auch Drittschutzwirkungen in den Geltungsbereich des § 311 III S. 1 BGB einzuschließen. Diesbezüglich kann der Verweis auf die Rechtsfolgen des SSD, wie es in der Rechtsprechung angewendet wird, als erster Orientierungspunkt dienen:28 Es ist von der Unterstellung auszugehen, dass man das SSD zumindest in einigen Drittschutzfällen tatsächlich unter § 311 III S. 1 BGB subsumieren kann, weil die Annahme eines SSD die Entstehung primärer Rücksichtnahmepflichten des S gegenüber D zur Folge hat.29 Eine weitere Frage ist nun, ob das Rechtsinstitut des SSD für seinen gesamten Umfang unter § 311 III S. 1 BGB fällt. Eine bejahende Antwort wäre dann geboten, wenn die Folge der Annahme eines SSD tatsächlich immer und lediglich in der Entstehung eines Schuldverhältnisses zwischen S und D mit Rücksichtnahmepflichten im Sinne von § 241 II BGB bestehen würde; in diesem Falle wären Drittschutzwirkungen außerhalb von § 311 III S. 1 BGB nicht mehr denkbar. Dagegen könnte allerdings eingewandt werden, dass in einigen der Drittschutzfälle das Primärpflichtmodell (Annahme drittgerichteter Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 II BGB) eigentlich nur schwer passt.30 Dies scheint z.B. dann der Fall zu sein, wenn der Schaden des D allein dadurch verursacht wird, dass S die dem G geschuldete Leistung überhaupt nicht erbringt.31 Man sollte also zunächst davon ausgehen, dass § 311 III S. 1 BGB einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt für die Gesamtheit der Drittschutzfälle nicht bieten kann. Kann man nun nicht alle Drittschutzsachverhalte unter § 311 III S. 1 BGB subsumieren, so muss man folgerichtig entweder annehmen, dass Drittschutz___________ 28

s. oben 2. Kapitel B. III. zum Haftungs- und Primärpflichtmodell. So auch – allerdings ohne jede Einschränkung – etwa Schwab, JuS 2002, 873; Eckebrecht, MDR 2002, 427 f; Erman(11)/Hohloch, § 242, Rn. 68; Canaris, JZ 2001, 520; Kittner, Rn. 804; SchAnwPra/Lieb, § 3, Rn. 45; Faust in Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Rn. 3/12; Huber in Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Rn. 1/3; Schuldrecht 2002/Schultz, S. 20 sowie 46; Tröger, Jura 2003, 828; Westermann/Bydlinski/Weber, Rn. 16/4. 30 Vgl. Deipenbrock, BB 2003, 1852; Brors, ZGS 2005, 148; Schwab, JuS 2002, 874 f sowie 876 (Schwab verneint die Möglichkeit eines SSD, sofern es sich nicht um die Ausdehnung von Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 II BGB auf Dritte handelt, wie der Wortlaut des § 311 III S. 1 BGB bestimmt – so etwa für die Gutachtenfälle, s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15); Kilian, NZV 2004, 494. S. aber Canaris, JZ 2001, 520: Nach ihm seien in der Bestimmung von § 311 III S. 1 BGB „alle ‚Drittfälle‘“ zusammengefasst; ihm folgend auch Lorenz/Riehm, Rn. 376, Fn. 426; kritisch dazu Westermann, FS Honsell, S. 144. Vgl. auch in diese Richtung Faust in Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Rn. 3/12, der unter § 311 III S. 1 BGB sogar den echten und unechten Vertrag zu Gunsten Dritter subsumieren will. 31 s. auch oben 2. Kapitel B. III. insbesondere Fn. 457. Ausführlicher zur Umgrenzung der Rücksichtnahmepflichten s. unten 5. Kapitel D. IV. 2. 29

B. Die bestätigende Funktion von § 311 III S. 1 BGB

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wirkungen auch außerhalb dieser Vorschrift möglich sind, oder dem § 311 III S. 1 BGB die normative Absicht zuschreiben, alle Drittschutzwirkungen auszuschließen, die sich mit dem Schema der Regelung – Schuldverhältnisentstehung mit Pflichten gemäß § 241 II BGB – nicht vereinbaren lassen.32 M.E. lässt sich eigentlich nur die erste Variante mit dem allgemeinen Vorhaben des Gesetzgebers bei der Schuldrechtsmodernisierung vereinbaren, durch die Einführung von Regelungen im Bereich der richterlich entwickelten Rechtsinstitute lediglich ihre Kodifizierung im BGB vorzunehmen und den derzeit von der Rechtsprechung praktizierten Rechtszustand wiederzugeben, ohne eine Weiterentwicklung dieser Rechtsinstitute in Praxis und Wissenschaft zu verbieten.33 Dementsprechend ist die Verbindung des § 311 III S. 1 BGB mit § 241 II BGB allein darauf zurückzuführen, dass die Ausdehnung von Rücksichtnahmepflichten auf Dritte allgemein als die „normale“ Rechtfolge eines SSD angesehen wird.34

II. Zum Normierungsgehalt von § 311 III S. 1 BGB Angesichts der Feststellung, dass § 311 III S. 1 BGB von seinem Wortsinn her zumindest einige der Drittschutzfalle erfassen kann, ist die Bestimmung des normativen Gehalts dieser Vorschrift von großer Bedeutung. Dabei ist zunächst auffällig, dass § 311 III S. 1 BGB auf der Tatbestandsseite keine Bestimmung enthält.35 Er erwähnt lediglich die Möglichkeit des Eintritts einer bestimmten Rechtsfolge – Obligationsentstehung zwischen einem Dritten und einer Schuldverhältnispartei mit Rücksichtnahmepflichten im Sinne von § 241 II BGB – ohne jede Bestimmung darüber zu treffen, wann sie eintreten soll. Will man diese Rechtsfolge trotzdem überhaupt eintreten lassen, so ist eine entsprechende Ergänzung unabweislich.36 Gerade zur Erfüllung dieser Aufgabe dient in Bezug auf Dritthaftungen auch § 311 III S. 2 BGB. Im Übrigen ist § 311 III S. 1 BGB auf die rechtsfortbildende Tätigkeit des Rechtsanwenders angewiesen, da keine andere Gesetzesvorschrift innerhalb der Grenzen ihres möglichen Wortsinns37 auf ähnliche Weise wie § 311 III S. 2 BGB eingreift. ___________ 32 So tatsächlich Schwab, JuS 2002, 874 f sowie 876. Zur Regelungsabsicht von § 311 III S. 1 BGB s. unten 4. Kapitel B. II. 33 s. Canaris, JZ 2001, 519. S. auch RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 163, in Bezug auf die Regelung der Dritthaftung in § 311 III BGB, sowie S. 162, zu den Gründen der Regelung der culpa in contrahendo im BGB. Vgl. auch Haferkamp, S. 179. 34 s. oben 2. Kapitel B. III. 35 s. etwa Schuldrecht 2002/Schultz, S. 46; Schwab, JuS 2002, 873; Teichmann, BB 2001, 1492; Erman(11)/Westermann, § 241, Rn. 2; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 203; Karampatzos, S. 255 f. Vgl. aber FraHandbuch/Blenske, S. 171. 36 Vgl. AnwKom-BGB/Krebs, § 311, Rn. 47. 37 Zum Abgrenzungsmaßstab des Gesetzeswortsinns s. oben 3. Kapitel C. II. 1.

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4. Kap.: Prämissen der weiteren Untersuchung

Damit kommt zugleich zum Ausdruck, dass § 311 III S. 1 BGB selbst im Gegensatz etwa zu § 311 III S. 2 BGB keine bestimmten Drittwirkungen und demgemäß auch keine Drittschutzwirkungen anordnet. Normativ betrachtet legt er demgegenüber nur fest, dass Drittwirkungen, soweit sie sich hierunter zuordnen lassen, nicht allein deshalb rechtlich unzulässig sind, weil sie Durchbrechungen des Relativitäts- bzw. Zweipoligkeitsgrundsatzes38 darstellen. Drittwirkungen werden also durch § 311 III S. 1 BGB eher gebilligt als angeordnet.39 Deshalb kann man dieser Norm zwar ein Argument dafür entnehmen, dass Drittwirkungen von Schuldverhältnissen im geltenden Recht nicht schlechthin ausgeschlossen bzw. dass solche zuweilen sogar notwendig sind. Dieses Argument ist jedoch nur auf einer sehr abstrakten Ebene erheblich und kann deshalb nicht für bestimmte Drittwirkungen in konkreten Fällen sprechen. Das fassbare Gebot für Obligationsdrittwirkungen im Sinne von § 311 III S. 1 BGB ist außerhalb dieser Norm zu suchen, sei es in konkreten gesetzlichen Anordnungen oder in rechtsfortbildend entwickelten Rechtssätzen. Allein in solchen Geboten sind folgerichtig auch die entsprechenden Wertungen und Zwecksetzungen für oder gegen Drittwirkungen zu finden. Demgegenüber ist § 311 III S. 1 BGB in Bezug auf konkrete Konstellationen bzw. bestimmte Drittwirkungen nicht als Rechtsgrundlage des SSD, sondern eher als eine wertneutrale Norm zu betrachten. Dementsprechend darf § 311 III S. 1 BGB streng genommen nicht deshalb als unvollständige Norm bezeichnet werden, weil er keine Voraussetzungen bestimmt, unter denen die darin erwähnten Drittwirkungen eintreten sollen.40 Unter der Voraussetzung, dass das geltende Recht Drittwirkungen überhaupt kennt – s. insbesondere § 311 III S. 2. BGB –, so dass § 311 III S. 1 BGB nicht völlig gegenstandlos bleiben muss, wird vielmehr die normative Absicht dieser Vorschrift auch ohne Bestimmung konkreter Drittwirkungsvoraussetzungen erfüllt. Da sie selbst nicht die Anordnung von Drittwirkungen bezweckt, erschöpft sich ihr Wertgehalt darin, die apriorische Unzulässigkeit der erwähnten Drittwirkungen abstrakt abzulehnen und dadurch die Strenge des Zweipoligkeitsprinzips entsprechend aufzulockern. Infolgedessen kann die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung, aufgrund deren Drittwirkungen im Sinne von § 311 III S. 1 BGB für konkrete Konstellationen eingeführt werden sollen, nicht lediglich im Hinblick auf § 311 III S. 1 ___________ 38

s. oben 4. Kapitel A. Bereits die Formulierung der Vorschrift („kann“) deutet darauf hin, dass Drittwirkungen angenommen werden können, nicht hingegen, dass sie entstehen müssen. Vgl. AnwKom-BGB/Krebs, § 311, Rn. 47; Westermann/Bydlinski/Weber, Rn. 16/6. 40 Deshalb darf man im Fall von § 311 III S. 1 BGB wegen der fehlenden Drittwirkungsvoraussetzungen nicht von einer echten Gesetzeslücke sprechen – zu diesem Begriff s. 3. Kapitel Fn. 206. 39

B. Die bestätigende Funktion von § 311 III S. 1 BGB

183

BGB in Verbindung mit dem Umstand belegt werden, dass die Voraussetzungen für die fraglichen Drittwirkungen keiner gesetzlichen Anordnung innerhalb des jeweiligen Gesetzeswortsinns entnommen werden können. Denn bloß in diesem „Mangel“ kann angesichts des normativen Gehalts von § 311 III S. 1 BGB kein Rechtswiderspruch41 festgestellt werden: Da diese Norm selbst grundsätzlich keine Sollaussage für die Begründung von Drittwirkungen vornimmt, wird ihr nicht widersprochen, wenn man in konkreten Konstellationen keine verpflichtenden oder berechtigenden Drittwirkungen annimmt, sondern weiterhin die Regel der Zweipoligkeit der Schuldverhältnisse befolgt. Eine Rechtsfortbildung für die Begründung von Dritt(schutz-)wirkungen hätte demzufolge nicht den Zweck, die für die Anwendung des (vermeintlich) unvollständigen § 311 III S. 1 BGB notwendige Ergänzung herbeizuführen, sondern die Aufgabe, einen Widerspruch aufzuheben, der durch die strenge Anwendung des Zweipoligkeitsgrundsatzes in bestimmten Konstellationen entstehen würde. In diesem Zusammenhang kann aber § 311 III S. 1 BGB keine Rolle spielen, weil der Widerspruch nur außerhalb der darin enthaltenen Wertungen festgestellt und aufgehoben werden müsste.

III. Die begrenzte Bedeutung von § 311 III S. 1 BGB für die Drittschutzproblematik Versucht man nun zu bestimmen, ob und welche konkrete Bedeutung der Regelung von § 311 III S. 1 BGB im Bereich des SSD zukommt, so muss man feststellen, dass trotz der grundsätzlichen Einordnung zumindest eines Teils der Drittschutzwirkungen unter diese Norm die dadurch zu gewinnenden Ergebnisse nicht besonders beeindruckend vorkommen. Was nämlich § 311 III S. 1 BGB mit Sicherheit besagen kann, ist, dass das SSD, soweit es von dieser Norm erfasst wird, nicht allein deshalb unzulässig ist, weil mit dessen Hilfe Durchbrechungen des Zweipoligkeitsprinzips eingeführt werden.42 Diese Folgerung ist zwar dogmatisch nicht unerheblich, sie dürfte jedoch in praktischer Hinsicht nur Weniges an der rechtlichen Behandlung des SSD ändern, da trotz vieler einschlägiger Unklarheiten seine rechtliche Existenz an sich in Rechtsprechung und Literatur heute ohnehin kaum bezweifelt wird.43 Darüber hinaus kann § 311 III S. 1 BGB keine weiteren Fragen beantworten. Insbesondere in Bezug auf die zentrale Frage nach den Kriterien, anhand derer das Vorliegen eines drittschützenden Schuldverhältnisses überhaupt beurteilt werden soll, enthält § 311 III ___________ 41

Zu dieser Rechtsfortbildungsvoraussetzung s. oben 3. Kapitel C. II. 3. a). s. oben 4. Kapitel B. II. 43 s. bereits oben 1. Kapitel bei Fn. 2. Darüber, ob nun § 311 III S. 1 BGB auch die wenigen Stimmen verstummen lassen wird, die gegen das SSD plädieren, kann man nur spekulieren. 42

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4. Kap.: Prämissen der weiteren Untersuchung

S. 1 BGB keine einschlägige Bestimmung.44 Ohne eine klare Stellungnahme darüber, kann man jedoch das gravierende Problem der Konturierung des geschützten Personenkreises45 auch nicht lösen. Aber nicht nur direkt erweist sich § 311 III S. 1 BGB als ungeeignet dafür, die Probleme zu lösen, denen man bei der Anwendung des SSD bereits vor Einführung dieser Norm begegnen musste. Wie bereits dargestellt,46 kann diese Norm auch nicht indirekt, nämlich als Ausgangspunkt für eine Rechtsfortbildung zwecks Begründung weiterer Drittwirkungstatbestände neben § 311 III S. 2 BGB dienen. Obwohl also ein konkreter Rechtsfortbildungsversuch zur Anerkennung von Drittschutzwirkungen im Sinne von § 311 III S. 1 BGB in das Regelungsfeld dieser Norm fallen dürfte – die rechtliche Zulässigkeit des neuen Drittschutzwirkungstatbestands wäre demzufolge nicht allein wegen des Relativitätsprinzips zu verneinen –, kann man ihr im Rahmen des eigentlichen Rechtsfortbildungsvorgangs kaum ein Argument für die fragliche Rechtsfortbildung entnehmen. Dementsprechend ist eher die umgekehrte Betrachtungsweise geboten: Nicht § 311 III S. 1 BGB kann den Ausgangspunkt für ein umfassendes Erklärungsmodell der Drittschutzwirkungen bilden, sondern erst die zutreffende Erklärung der Drittschutzwirkungen außerhalb des Rahmens von § 311 III S. 1 BGB kann die genaue Reichweite der Vorschrift in Zusammenhang mit dem SSD bestimmen. In Anbetracht dessen muss die Untersuchung über die Begründung, die Voraussetzungen und die Folgen des SSD unabhängig von § 311 III S. 1 BGB erfolgen, da er selbst ohnehin keine konkreten Drittschutzwirkungen anordnet oder verbietet. Gelingt ein überzeugender Erklärungsansatz, der mit gewisser Eindeutigkeit belegt, welche Drittschutzwirkungen das geltende Recht überhaupt stützen kann, so kann man sich auf der Basis der erzielten Ergebnisse nunmehr erneut die Frage nach dem Regelungsgehalt von § 311 III S. 1 BGB stellen.

C. Der Gang der Untersuchung I. Die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass keine gesetzliche47 bzw. gewohnheitsrechtliche48 Norm eine umfassende Erklärung der Drittschutzwirkungen ___________ 44 So auch SchAnwPra/Lieb, § 3, Rn. 45; Faust in Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Rn. 3/14. 45 s. 1. Kapitel Fn. 25. 46 s. oben 4. Kapitel B. II. 47 s. oben 4. Kapitel B. zu § 311 III S. 1 BGB.

C. Der Gang der Untersuchung

185

liefern kann, während das Abstellen auf den rechtsgeschäftlichen Parteiwillen ebenfalls nur sehr beschränkt hilfreich ist.49 In einer solchen Lage kommt allein eine entsprechende Rechtsfortbildung in Betracht und zwar eine solche, die für die Anordnung von Drittschutzwirkungen nicht auf einen drittschützenden Willen von G und S abstellt. Mit einer Rechtsfortbildung sollen in diesem Zusammenhang Regeln eingeführt werden, welche die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen des SSD bestimmen sollen. Für die Zulässigkeit dieser Rechtsergänzung bedarf es des Beweises einer Gesetzeslücke freilich nicht. Die rechtsfortbildend einzuführenden neuen Regeln sollen vielmehr denjenigen Rechtssatz aus seinem vorherigen Anwendungsfeld entsprechend verdrängen, der anordnet, dass sich das Schuldverhältnis unter Ausschluss jeder Drittberechtigung oder -verpflichtung rechtlich nur auf die eigentlichen Schuldverhältnisparteien auswirkt (Relativitätsbzw. Zweipoligkeitsgrundsatz).50 Ein Regelungsvakuum liegt folglich sowohl mit als auch ohne Regeln über die Obligationsdrittschutzwirkungen zu keinem Zeitpunkt vor.51 Um das SSD zu begründen, muss man also belegen, dass eine Rechtsfortbildung im Sinne des SSD trotz Geltung des Relativitäts- bzw. Zweipoligkeitsgrundsatzes von der Rechtsordnung selbst geboten ist. Man muss nämlich nachweisen, dass die Anwendung des Relativitätsprinzips in bestimmten Konstellationen einen rechtlichen Widerspruch darstellt (Rechtsfortbildungsnotwendigkeit), der zulässigerweise mit der Annahme von Drittschutzwirkungen aufgehoben werden kann (Rechtsfortbildungsmöglichkeit).52

II. Die Hypothese einer parteigleichen Drittstellung als Rechtsfortbildungsbasis Ziel der Annahme eines SSD ist, dem S zu Gunsten des D Primär- oder Schadensersatzpflichten aufzuerlegen, die normalerweise nur im Verhältnis zwischen eigentlichen Schuldverhältnisparteien selbst bestehen können.53 Dem D soll also insoweit eine parteigleiche oder genauer formuliert eine gläubigergleiche Berechtigung zuerkannt werden. Nun fragt es sich, warum die parteigleiche Drittberechtigung einen Widerspruch innerhalb der Rechtsordnung auf___________ 48

s. oben 3. Kapitel bei Fn. 12. s. oben 3. Kapitel B. 50 s. auch oben 4. Kapitel A. 51 s. dazu oben 3. Kapitel C. II. 2.; dabei ist auch die Feststellung von Bedeutung, dass die Nichtfestlegung der Dritt(schutz-)wirkungsvoraussetzungen in § 311 III BGB keine echte Gesetzeslücke darstellt – s. oben 4. Kapitel B. II. bei Fn. 40. 52 s. oben 3. Kapitel C. II. 3. 53 s. auch oben 4. Kapitel A. 49

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4. Kap.: Prämissen der weiteren Untersuchung

heben soll.54 Als Antwort auf diese Frage kann die Hypothese aufgestellt werden, dass die gläubigergleiche Berechtigung das Korrelat einer materiell im Wesentlichen gläubigergleichen oder zumindest gläubigerähnlichen Drittstellung darstellt. Trifft die Hypothese einer gläubigergleichen Drittstellung zu, so liegt der entscheidende Rechtswiderspruch darin, dass D wegen des Relativitäts- bzw. Zweipoligkeitsprinzips als Nichtpartei aus dem Anwendungsfeld von Rechtssätzen ausgeschlossen wird, welche die Rechte der eigentlichen Obligationsparteien bestimmen, obwohl in seiner Person wesentliche materielle Merkmale einer Schuldverhältnispartei vorhanden sind.55 Anders formuliert: Im Hinblick auf das Gleichheitsgebot (s. Art. 3 I GG) wird an den Tatbestand der materiell in wesentlichen Punkten parteigleichen Drittstellung die Rechtsfolge der parteigleichen Drittberechtigung angeknüpft, um dadurch eine inkonsequente (widersprüchliche) rechtliche Behandlung des betroffenen Dritten zu vermeiden.56 Unabhängig davon, unter welchen Gesichtspunkten die Stellung des D einer eigentlichen Gläubigerstellung ähnelt, bleibt D im Gegensatz zu einer eigentlichen Schuldverhältnispartei immer ein am Schuldverhältnis unbeteiligter Dritter. Darin liegt die größte Schwierigkeit des Anliegens, anhand der aufgestellten Hypothese das SSD zu begründen: Man muss in überzeugender Weise belegen, dass das vom Gesetz ausgewählte distinktive Merkmal für die Anordnung bestimmter Rechtsfolgen – das Vorliegen nämlich einer Schuldbeziehung als Voraussetzung für die Anwendung von Vertrags- und insbesondere von Vertragshaftungsregeln – angesichts der konkreten materiellen Gemeinsamkeiten des Dritten mit einem formellen Gläubiger nicht entscheidend sein dürfe.57 Es bedarf also des Nachweises, dass andere, im Gesetz nicht erwähnte Merkmale ebenso gewichtig seien und somit den gesetzlichen Differenzierungspunkt ersetzen könnten. Nur dann darf die auf die fehlende Parteieigenschaft des D gestützte Weigerung, Vertragsrecht auf das Verhältnis zwischen D und S anzuwenden, nicht als eine materiell begründete gesetzgeberische Entscheidung, sondern als ein wirklicher Rechtswiderspruch angesehen werden. Einen zentralen Aspekt dieser Problematik betrifft die Frage nach dem Maßstab, an dem die Wesentlichkeit der Merkmale beurteilt werden soll, die als Alternativen zum Vorliegen einer Schuldbeziehung für die Anwendung von Ver___________ 54 Zu dieser Rechtsfortbildungsvoraussetzung im Allgemeinen s. oben 3. Kapitel C. II. 3. a). 55 Vgl. auch Schwarze, AcP 203 (2003), 357. 56 Der gleiche Gedanke könnte nicht nur zur Begründung von Drittberechtigungen, sondern auch in Bezug auf die Anerkennung von Dritthaftungstatbeständen von großer Bedeutung sein, in Zusammenhang mit dem SSD geht es allerdings nur um die erste Variante. 57 s. oben 3. Kapitel C. III. 3.

C. Der Gang der Untersuchung

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trags(haftungs)recht eingesetzt werden sollen. Dieser Maßstab ist nichts anderes als der jeweilige Rechtsgedanke (Wert- bzw. Zwecksetzungen), der den Rechtssätzen zugrunde liegt, die innerhalb bestehender Obligationen Pflichten und Rechte der eigentlichen Parteien bestimmen.58 Ergibt sich nun unter Beachtung des Gebots nach Konsequenz im Recht, dass eine Notwendigkeit für die Verwirklichung der Wertungen und Zwecksetzungen, denen die maßgeblichen Rechtssätze dienen, gleichermaßen in Konstellationen besteht, in denen keine einschlägige Obligation zwischen den betroffenen Personen vorhanden ist, so ist die wesentliche Gleichheit der verglichenen Sachverhalte trotz fehlender Schuldbeziehung zu bejahen. Demgegenüber ist ein Sachverhaltsmerkmal für den Vergleich der Stellung von Parteien und Dritten zunächst unwesentlich und deshalb für die Begründung einer Drittberechtigung unerheblich, wenn es vom Rechtsgedanken des maßgebenden Rechtssatzes nicht erfasst wird. Die entscheidende Frage lautet in diesem Zusammenhang, ob die konsequente Verwirklichung von Wertungen bzw. Zwecksetzungen des Obligationsrechts in bestimmter Hinsicht bzw. in bestimmten Konstellationen die Ausdehnung des jeweils in Betracht kommenden Rechtssatzes auf Dritte erfordert. Über die Feststellung des maßgeblichen Rechtswiderspruchs hinaus ist eine Rechtsfortbildung nur dann zulässig, wenn die anvisierte Regelungsergänzung rechtlich möglich ist.59 Die Erfüllung dieser Voraussetzung in Bezug auf das SSD scheint jedoch im Gegensatz zum Erfordernis eines Widerspruchs in der Rechtsordnung keine besonderen Schwierigkeiten zu bereiten:60 Die rechtliche Gleichbehandlung von D und eigentlichen Schuldverhältnisparteien ist grundsätzlich die einzige sinnvollerweise in Betracht kommende Maßnahme zur Aufhebung des Rechtswiderspruchs, den ihre Ungleichbehandlung verursacht. Wegen ihrer Bestimmtheit scheinen also die für die Angleichung der Rechtsstellung des D an jene eines formellen Gläubigers erforderlichen Schritte verhältnismäßig unproblematisch zu sein: Dem D muss eine lediglich gläubigergleiche Berechtigung zugesprochen werden. Dazu kommt, dass die Stellung als Schuldverhältnispartei im Allgemeinen, d.h. bereits im Rahmen des einfachen, zweipoligen Schuldverhältnisses, nicht zuletzt wegen eindeutiger gesetzlicher Anordnungen weitgehend geklärt ist, so dass einem in vielerlei Hinsicht lediglich die Aufgabe auferlegt wird, die entsprechenden Regelungen auf D zu übertragen. Erkennt man etwa Schutzpflichten zu Gunsten des D nach dem Vorbild der Schutzpflichten gegenüber G an, so braucht man sich angesichts der Rege___________ 58

Darauf wird deshalb im Folgenden (unten 5. Kapitel) ausführlich eingegangen. s. oben 3. Kapitel C. II. 3. b). 60 Natürlich können in bestimmten Rechtszusammenhängen besondere Schwierigkeiten in Bezug auf die Anerkennung von Drittschutzwirkungen auftauchen, wie etwa das Problem des Einflusses von § 323 HGB – s. dazu ansatzweise die Nachweise in 2. Kapitel Fn. 158. Allerdings sind solche Besonderheiten im Rahmen dieser Arbeit nicht zu behandeln. 59

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4. Kap.: Prämissen der weiteren Untersuchung

lung von § 280 I BGB kaum darüber Gedanken zu machen, welche Rechtsfolgen eine entsprechende Pflichtverletzung haben soll.61 Natürlich können dabei auch Probleme auftreten, die speziell in Zusammenhang mit der Gleichstellung des Dritten stehen.62 Ähnlich wie bei der hier aufgestellten Hypothese einer parteigleichen Drittstellung hat Gernhuber63 bereits 1958 postuliert, man habe nicht nach Linien zu suchen, die den geschädigten Dritten mit dem Gläubiger oder mit dem Schuldner verbinden, sondern nach Fäden, die ihn mit dem Schuldverhältnis verknüpfen.64 Sein eigener Vorschlag dazu lautete damals: „Eine beschränkte Teilnahme an fremden Schuldverhältnissen muss dort stattfinden, wo die mit einer Leistung verbundenen Gefahren nach der Anlage des Schuldverhältnisses einen Dritten ebenso stark wie den Gläubiger treffen, und dort, wo die mit einer ungenügenden Sicherung der Gläubigersphäre verbundenen Gefahren einen Dritten schuldnergleich treffen [...]. Solange die Sozialwirkung des Schuldverhältnisses [...] diese Intensität nicht erreicht, läßt sich eine unterschiedliche Behandlung von Gläubiger oder Schuldner und einem Dritten rechtfertigen, drüber hinaus nicht mehr“.65 Bei seinen Ausführungen beschränkt zwar Gernhuber die Schutzwirkung eines Schuldverhältnisses auf das Stadium der Leistungserbringung,66 der Grundgedanke geht jedoch ohnehin in die richtige Richtung. Dennoch ist ein erheblicher Unterschied zwischen dem hier zugrunde gelegten Konzept und der Formel von Gernhuber festzustellen: Während die soeben aufgestellte Hypothese den Anlass bzw. den Ausgangspunkt der weiteren Untersuchung für die Begründung einer einschlägigen Rechtsfortbildung darstellen soll, bietet die Lösung Gernhubers bereits die Regel, anhand deren das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von Drittschutzwirkungen unmittelbar beurteilt werden soll. Ebenso wie die Hypothese, dass der parteigleichen Drittberechtigung eine ___________ 61

In diesem Sinne weisen viele Probleme, die die genaue Bestimmung der Rechtsstellung des D betreffen, in Wahrheit keine spezielle Verbindung mit der Drittschutzwirkungsproblematik auf, sondern kommen auch innerhalb des einfachen, zweipoligen Schuldverhältnisses gleichermaßen vor; gerade daran soll deshalb ein Ansatz zur Problemlösung auch in drittbezogener Hinsicht anknüpfen. Die Frage etwa, ob D, zu dessen Gunsten Schutzpflichten angenommen werden, einen Anspruch auf Schutzpflichterfüllung oder lediglich auf Schadensersatzleistung im Falle einer Pflichtverletzung haben soll, taucht nicht nur beim SSD, sondern auch zwischen den eigentlichen Schuldverhältnisparteien mit unverminderter Intensität auf. 62 Als Beispiel kann man etwa die Frage anführen, ob ein Mitverschulden des G gemäß § 254 BGB ebenfalls gegenüber D anspruchsmindernd wirkt, wie dessen eigenes Mitverschulden – zur Stellungnahme der Rechtsprechung s. oben 2. Kapitel B. IV. 63 FS Nikisch, S. 270. Ihm folgend etwa Schwarze, AcP 203 (2003), 357 ff. 64 Vgl. dabei oben 2. Kapitel C. zu den zwei Richtungen des Drittschutzes in der Rechtsprechung: Drittschutz im Gläubiger- und Drittschutz im Drittinteresse. 65 Gernhuber, FS Nikisch, S. 270 f. 66 Gernhuber, FS Nikisch, S. 270 und 271.

C. Der Gang der Untersuchung

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in materieller Hinsicht parteigleiche Drittstellung zugrunde liegen muss, ist jedoch das Kriterium der gläubiger- bzw. schuldnergleichen Gefährdung zu abstrakt, um unvermittelt konkrete Ergebnisse liefern zu können: Beide Ansatzpunkte können unmittelbar nur über den formellen Grund Aufschluss geben, der die Drittschutzwirkungen rechtfertigen könnte, keineswegs hingegen über die materiellen Gesichtspunkte und somit über die Sachverhaltsmerkmale, die in jedem konkreten Fall maßgeblich sein sollen. Darüber hinaus muss in Bezug auf die aufgestellte Hypothese einer gläubigerähnlichen Drittstellung klargestellt werden, dass für die Annahme, dass in bestimmter Hinsicht die rechtliche gläubigergleiche Behandlung des D erforderlich ist, im Gegensatz zum Ansatz Gernhubers kein konkretes Schuldverhältnis maßgeblich ist. Ein Vergleich zwischen dem konkreten Dritten (D) und dem konkreten Gläubiger (G) ist auf der Grundlage des hiesigen Konzepts nicht vorzunehmen. Ein solcher Versuch müsste ohnehin erfolglos bleiben. Wohnt beispielsweise der Vermieter (G) nicht im gleichen Haus wie sein Mieter (S), so wird seine körperliche Unversehrtheit durch Handlungen des Mieters (S), die gegen die Hausordnung verstoßen, ohne Zweifel nicht so stark gefährdet, wie die des Nachbarn (D), der im selben Haus gerade neben dem rücksichtslosen Mieter (S) wohnt; allein deshalb auf den vertraglichen Drittschutz zu Gunsten des Nachbarn (D) zu schließen, überzeugt natürlich nicht.67 Vielmehr ist die konkrete Drittstellung mit der abstrakten Gläubigerstellung zu vergleichen: Als Bezugspunkt für die Ermittlung einer im Wesentlichen gläubigergleichen Drittstellung dient nicht die konkrete, sondern die abstrakte Schuldbeziehung. Die entscheidende Frage lautet somit, ob D in der jeweils konkret vorliegenden Konstellation materielle Eigenschaften aufweist, die in den entscheidenden Punkten jenen ähneln, die ein formeller Gläubiger allgemein aufweist. In Bezug etwa auf die Ausdehnung von Schutzpflichten des S auf D fragt es sich, ob die materielle Stellung des D die erforderlichen Merkmale enthält, die generell die Stellung als Schutzpflichtgläubiger begründen. Gerade deshalb ist die Untersuchung des Rechtsgedankens von besonderer Bedeutung, der jeweils hinter den Regelungen über die Entstehung von Rechten und Pflichten innerhalb von Schuldbeziehungen steht. Denn dadurch sollen die Punkte herausgearbeitet werden, die über die Besonderheiten des Einzelfalls hinaus die abstrakten tragenden Momente der einschlägigen Rechtssätzen bilden.

___________ 67

Mit diesen Überlegungen ist auch die Argumentation Riesenhubers, S. 175 (Mietverhältnis) sowie 178 (Arbeitsverhältnis), anhand der Formel Gernhubers verfehlt. Dass der Nachbar nicht geschützt sein soll, räumt selbst Riesenhuber, S. 183, ein.

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4. Kap.: Prämissen der weiteren Untersuchung

III. Notwendigkeit zur Erforschung des einfachen Schuldverhältnisses Die folgenden Ausführungen in dieser Arbeit gelten dem Versuch, auf die soeben aufgestellte Hypothese der Kongruenz zwischen parteigleicher Drittberechtigung und materiell parteigleicher Drittstellung einzugehen. Deshalb ist es vorerst notwendig, das Pflichtengefüge innerhalb rein bipolarer Obligationen zu untersuchen, um die maßgeblichen Rechtsgedanken herauszuarbeiten, die Pflichtenentstehung und -umfang jeweils bestimmen. Erst auf der Grundlage einer solchen Analyse kann anschließend die Hypothese der parteigleichen Drittstellung erforscht und für die Begründung drittgerichteter Pflichten nutzbar gemacht werden.68 Die Erforschung des Pflichteninhalts des einfachen, zweipoligen Schuldverhältnisses soll also den ersten Schritt zum Verständnis des SSD bilden. Dieses Bearbeitungsschema verrät außerdem eine bestimmte Einstellung hinsichtlich des Rechtsinstituts des SSD und seiner Begründung, die den weiteren Untersuchungsgang mitbestimmt. Es wird nämlich unterstellt, dass die Drittschutzfrage eigentlich keine völlig eigentümliche Problematik darstellt, sondern die Probleme, die mit Hilfe des SSD bewältigt werden sollen, bereits im einfachen Schuldverhältnis ihre Spiegelung finden, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität bzw. unter verschiedenen Aspekten. Unter diesem Blickwinkel erscheint also das SSD nur als ein Sonderfall der einfachen, streng zweipoligen Schuldbeziehung, der folglich mit traditionellen Begriffen bzw. Rechtsgedanken erklärt werden könnte. Diese Vorahnung spiegelt sich in der Wahl der geeigneten Untersuchungsvorgehensweise wider: Die Untersuchung der einfachen Obligation soll deshalb zur Aufklärung der Drittschutzwirkungen dienen können, weil wahrscheinlich in beiden Fällen grundsätzlich gleichartige Probleme zu bewältigen sind. Geradezu wegen dieser mutmaßlichen Gleichartigkeit wird die Aussicht für glaubhaft gehalten, durch die Herausarbeitung der bereits für zweipolige Schuldbeziehungen geltenden Rechtsgedanken auch den für die in Betracht kommende Rechtsfortbildung erforderlichen Rechtswiderspruch aufzeigen zu können, der in bestimmten Konstellationen durch die Ungleichbehandlung von eigentlichen Schuldverhältnisparteien und Dritten hervorgerufen wird. In Bezug auf dieses Untersuchungsvorhaben drängt sich allerdings die Frage auf, warum eine eingehende gesonderte Untersuchung des einfachen Schuldverhältnisses erfolgen sollte. Da das Pflichtengefüge in rein bipolaren Obligationen seit jeher rechtswissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand gewesen ist, dürfte man davon ausgehen, dass sich diesbezüglich eine im Grunde genommen verfestigte h.M. gebildet haben soll, deren Ergebnisse prinzipiell als plausibel an___________ 68

s. oben 4. Kapitel C. II. Vgl. das Aufbauschema von Krebs, Sonderverbindung.

C. Der Gang der Untersuchung

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gesehen und deshalb den nachfolgenden Überlegungen zugrunde gelegt werden könnten. Die Vorstellung von einer h.M, die mehr oder weniger klare und zutreffende Ergebnisse liefern könnte, muss sich allerdings in Wahrheit nicht unbedingt bestätigen.69 Man könnte dabei nur auf die immer noch nicht abschließend entschiedene Frage nach dem Rechtsgrund verweisen, der der Anerkennung besonderer – im Vergleich zu den allgemeinen deliktischen – Schutzpflichten innerhalb bestehender Schuldbeziehungen zugrunde liegt.70 Will man trotzdem die Prämisse einer festen und aufschlussreichen h.M. für zutreffend halten, so heißt es noch lange nicht, dass die auf das einfache Schuldverhältnis bezogenen Annahmen der h.M. ohne weiteres auf die Erforschung des SSD übertragen werden könnten. Dies verbietet oft die Orientierung der einschlägigen Analysen an praktischen Ergebnissen, deretwegen zuweilen Differenzierungen geleugnet werden, die innerhalb der streng bipolaren Schuldbeziehung zwar unerheblich wären, die Suche nach Drittwirkungsanhaltspunkten jedoch entscheidend beeinflussen könnten. Dieses, für die Bewältigung praktischer Probleme in bipolaren Schuldverhältnissen unzweifelhaft legitime Vorgehen ist für die Begründung von Drittwirkungen kaum aufschlussreich.71 Deswegen bedarf es hier einer Untersuchung, die deutlicher auf die Anforderungen der Drittschutzproblematik gerichtet sein soll.

IV. Grundsätzliche Anerkennung der Drittschutzwirkungen als Ausgangspunkt Es wäre zwar in den durchaus meisten Fällen verhältnismäßig einfach, auf der Grundlage des der ganzen Schuldrechtsordnung zugrunde liegenden Relativitäts- bzw. Zweipoligkeitsgrundsatzes immer wieder Argumente gegen die Annahme von Drittschutzwirkungen anzuführen. Eine Vorgehensweise, die ständig zur Rückbesinnung auf das ursprüngliche gesetzliche Konzept mahnen würde, wäre jedoch kaum produktiv.

___________ 69

s. dazu etwa Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III 1: Gerade im Bereich des Obligationsinhalts sei „eine Vielzahl von sachlichen und terminologischen Differenzen [geblieben], die verdeutlichen, daß die Lehre von den Pflichten im Schuldverhältnis noch immer zu den eher vernachlässigten Teilbereichen der Schuldrechtdogmatik gehört“. 70 s. unten 5. Kapitel bei Fn. 137. Im Allgemeinen zu dieser Problematik s. zunächst etwa die eingehende Untersuchung von Krebs, Sonderverbindung. Auch § 241 II BGB erwähnt zwar nunmehr die Rücksichtnahmepflichten innerhalb von Schuldverhältnissen, er löst jedoch nicht ohne weiteres auch das Problem nach ihrem genauen Entstehungsgrund – s. nur RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 126. 71 Vgl. Kuhlmann, S. 52.

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4. Kap.: Prämissen der weiteren Untersuchung

Die Rechtsfigur des SSD oder zumindest die dadurch erzielten praktischen Ergebnisse müssen nunmehr zumindest in einem Kernbereich als verfestigt angesehen werden. Denn nicht nur die ständige Rechtsprechung und die insoweit praktisch einheitliche Literatur,72 sondern auch die teilweise Erfolg versprechende Vertragsauslegung im Sinne von Drittschutzwirkungen73 oder die Anwendung des § 242 BGB,74 sowie vor allem die neuerdings eingeführte Vorschrift des § 311 III S. 1 BGB75 bestätigen, dass die Existenz der betreffenden Rechtsfigur an sich nicht bezweifelt werden darf. Insofern kann eine entsprechende Untersuchung im Grunde genommen allein die Grenzen zum Gegenstand haben, die den Durchbrechungen des Relativitäts- bzw. Zweipoligkeitsprinzips im Sinne des SSD gesetzt werden müssen. Dazu können rein negative Ansatzpunkte kaum etwas beitragen. Vielmehr ist u.a. ein Gebot der Konsequenz, nach dem wirklichen Rechtsgrund zu suchen, der das SSD bereits in seinem allgemein anerkannten Kernbereich rechtfertigt, und ihn auf Tatbestände zu erstrecken, auf die die maßgeblichen Wertungen ebenfalls Anwendung beanspruchen. Gerade an diesem Maßstab ist auch jeder einschlägige Rechtsfortbildungsversuch zu beurteilen: Es kommt nicht vornehmlich darauf an, ob man die Notwendigkeit von Drittschutzwirkungen überhaupt belegen kann. Diese darf im Ergebnis als vorgegeben betrachtet werden, wovon grundsätzlich auch im Folgenden ausgegangen wird. Vielmehr kommt es darauf an, ob eine dogmatisch konsequente und praktisch sinnvolle Konturierung des allein in seinem Kernbereichen bereits verfestigten Rechtsinstituts gelingt.

___________ 72 73 74 75

s. bereits oben 1. Kapitel. s. oben 3. Kapitel B. III. 3. b) aa) sowie bb) (2). s. oben 3. Kapitel C. III. 1. b). s. oben 4. Kapitel B. II. und III.

5. Kapitel

Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen A. Terminologische Vorbemerkungen Für die Untersuchung des Schuldverhältnisinhalts sind einige Vorbemerkungen zur Begriffsverwendung in den folgenden Ausführungen notwendig. Dies betrifft zunächst den Zentralbegriff „Pflicht“: Obwohl, wie üblich in der einschlägigen Literatur – vgl. nur Begriffe wie Leistungspflichten, Schutzpflichten usw. – immer wieder nur von Pflichten gesprochen wird, darf freilich nicht vergessen werden, dass im Rahmen von Schuldverhältnissen nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte vorhanden sind. Pflichten und Rechte werden aber in diesem Zusammenhang nicht als verschiedene Größen betrachtet, sondern vielmehr als „dasselbe rechtliche Band, von zwei Seiten gesehen“,1 das Schuldner und Gläubiger verbindet. Schuldnerpflicht und Gläubigerrecht innerhalb eines Schuldverhältnisses können von einem überparteilichen Gesichtspunkt her einheitlich gesehen werden, wenn es sich um die Bestimmung des Schuldverhältnisinhalts handelt. Dies lässt sich auch in gesetzlichen Bestimmungen selbst bestätigen, da man oft einen abwechselnden Sprachgebrauch feststellen kann. So sieht etwa § 241 I S. 1 BGB das Schuldverhältnis aus der Sichtweise des Gläubigers (Forderungsberechtigung), während § 242 BGB den Blickwinkel auf die Verpflichtung des Schuldners umstellt.2 Als unabdingbare Eigenschaft des Pflichtenbegriffs muss hier der rechtsverbindliche Charakter betrachtet werden: Als Pflicht ist nur eine Anforderung gemeint, der der jeweils Verpflichtete von Rechts wegen nachkommen muss. Hat dieser demgegenüber die rechtliche Möglichkeit, sich anders zu verhalten, so kann die eventuell bestehende Anforderung streng genommen nicht mehr als eine Pflicht angesehen werden, und zwar unabhängig davon, ob das abweichende Verhalten rechtlich belastende Konsequenzen für den Betroffenen hat. So begründet etwa § 254 I BGB nach zutreffender Ansicht keine Pflicht des Schadensersatzberechtigten auf sorgfältiges, bei der Schadensentstehung nicht mitwirkendes Verhalten, obgleich ein mitwirkendes Verschulden sich gemäß dieser ___________ 1

s. Larenz, Schuldrecht AT, § 2 II (S. 15). Diese Aussage darf allerdings nicht dahin verstanden werden, dass die konkrete Gesetzesformulierung – Schuldnerpflicht oder Gläubigerrecht – keine normative Bedeutung haben kann. Es ist bloß gemeint, dass die unterschiedliche Formulierung im Gesetz keine normative Bedeutung haben muss. 2

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

Vorschrift anspruchsmindernd und somit nachteilig für den Geschädigten auswirkt.3 Aber auch umgekehrt sollte man einer Verhaltensanforderung den Pflichtcharakter allein danach anerkennen, ob sie Rechtsverbindlichkeit aufweist, aber unabhängig davon, ob der Verpflichtete zur Pflichterfüllung nicht gezwungen werden kann oder im konkreten Fall keine nachteiligen Rechtfolgen dafür hinnehmen muss, dass er seiner Pflicht nicht nachkommt. Des Weiteren muss man das mit dem Terminus „Schuldverhältnis“ bzw. mit anderen synonymen Begriffen – wie etwa Obligation – Gemeinte klären. Einerseits handelt es sich um die Unterscheidung zwischen Schuldverhältnis im engeren und weiteren Sinne:4 Zwar verwendet das Gesetz den Begriff mit beiden Bedeutungen,5 im Rahmen dieser Arbeit ist jedoch mit dem maßgeblichen Ausdruck, wie sonst üblich im heutigen rechtswissenschaftlichen Sprachgebrauch,6 nur das Schuldverhältnis i.w.S. gemeint, eine Rechtsbeziehung nämlich, die sich nicht auf eine einzige Forderung (Schuldverhältnis i.e.S.) beschränken muss.7 Vom Schuldverhältnis i.w.S. wird auch dann gesprochen, wenn die betreffende Rechtsbeziehung in Wahrheit nur aus einer einzigen Forderung besteht, sofern mit diesem Ausdruck nicht diese Einzelforderung, sondern das Rechtsverhältnis als Ganzes beschrieben werden soll, das auch weitere Elemente enthalten kann. ___________ 3 Man pflegt in diesem Zusammenhang von Obliegenheiten zu sprechen – s. etwa in Bezug auf § 254 BGB BGH v. 31.3.1960, BGHZ 33, 136 (142 f); Jauernig(11)/Mansel, § 241, Rn. 13; Erman(11)/Westermann, Einl. § 241, Rn. 24; Larenz, Schuldrecht AT, § 31 I c (S. 543); Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 6 VI 2; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 32 und 56. Dabei erscheint die Annahme richtiger, dass die Obliegenheiten keinen Pflichtcharakter aufweisen, s. Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 6 VI 3; Larenz, Schuldrecht AT, § 31 I Fn. 2 sowie § 25 I (S. 389) und III (S. 401); Jauernig(11)/Mansel, § 241, Rn. 13. Vgl. auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III 1; BGH v. 13.6.1957, BGHZ 24, 378 (382). A.A. jedoch Erman(10)/Werner, Einl. § 241, Rn. 32. 4 Zu dieser Unterscheidung s. etwa BGH v. 11.11.1953, BGHZ 10, 391 (395); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 I 1 a; Medicus, Schuldrecht AT, Rn. 8; Erman(11)/Westermann, Einl. § 241, Rn. 5; Staudinger(2005)/Olzen, § 241, Rn. 36 ff; Jauernig(11)/Mansel, § 241, Rn. 1 f. 5 So bezieht sich etwa § 362 I BGB auf das Schuldverhältnis i.e.S. (Forderungsrecht), während beispielsweise § 273 I BGB auf das Schuldverhältnis i.w.S. abstellt, s. etwa Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 I 1 a. 6 s. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 I 1 b und c. 7 Es ist allerdings irreführend, das Schuldverhältnis i.w.S. als „die Gesamtheit der Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner“ zu definieren, so etwa BGH v. 11.11.1953, BGHZ 10, 391 (395); Palandt(65)/Heinrichs, Einl. v. § 241, Rn. 3; Erman(11)/Westermann, Einl. § 241, Rn. 5. Es dürfte allgemein anerkannt sein, dass alle Rechtsbeziehungen zwischen zwei Personen nicht unbedingt von einem einzigen Schuldverhältnis erfasst werden können: Den Wohnungsvermieter etwa, der am Kiosk seines Mieters eine Zeitung kauft, verbinden (zumindest) zwei voneinander getrennte Schuldverhältnisse zu seinem Mieter, nämlich das Mietverhältnis und der Kauf. Insoweit richtiger Jauernig(11)/Mansel, § 241, Rn. 1, der das Schuldverhältnis i.w.S. als „die Gesamtheit der sich aus der Sonderverbindung [...] ergebenden konkreten Rechtsfolgen“ bezeichnet; s. auch KompaktKom-BGB/Willingmann/Hirse, § 241, Rn. 1.

B. Allgemein anerkannte Ausgangspunkte

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Andererseits sollen sich die folgenden Ausführungen im Grunde genommen auf alle Schuldverhältnisse – sowohl auf rechtsgeschäftlich begründete, als auch auf gesetzlich angeordnete – beziehen. Darüber hinaus muss eingeräumt werden, dass die terminologische Erfassung des Schuldverhältnisses als Einheit oder in seinen einzelnen Elementen immer wieder auf Schwierigkeiten stoßen muss, wie dies einfach an den zahlreichen Begriffen deutlich wird, die in der einschlägigen Literatur, mehr oder weniger erfolgreich, häufig zur Beschreibung grundsätzlich gleicher Inhalte verwendet werden. Die besonderen Schwierigkeiten hierbei sollte man m.E. vor allem auf den höchsten Abstraktheitsgrad zurückführen, den das Schuldverhältnis als Rechtsfigur erreicht hat: Dies führt angesichts der Grenzen sprachlicher Ausdruckmöglichkeiten dazu, dass häufig kaum ein Begriff das Spannungsverhältnis zwischen Erfassungsvermögen und Aussagekraft vollkommen zufrieden stellend lösen kann.8

B. Allgemein anerkannte Ausgangspunkte Der Analyse über den Inhalt der Schuldverhältnisse ist eine Schilderung einschlägiger Grundannahmen zugrunde zu legen, die heute mehr oder weniger die herrschende Auffassung darstellen. Ziel dieser Ausführungen ist die Festlegung einer Ausgangsbasis, auf der die nachfolgende Untersuchung aufbauen kann.

I. Das Schuldverhältnis als Organismus Mit der Bezeichnung des Schuldverhältnisses als „Organismus“9 soll bildhaft einerseits eine Vorstellung über die Natur der Rechtsfigur als eine komplexe Einheit verschiedener rechtsgeschäftlich bzw. gesetzlich bedingter Elemente ___________ 8 Als anschauliches Beispiel könnte man hier etwa den Ausdruck „weitere Verhaltenspflichten“ – so Larenz, Schuldrecht AT, § 2 I (S. 15) – nennen: Da dieser Terminus so verschiedenartige Pflichtinhalte umfassen muss, muss er auf stichhaltige Deutungen verzichten und sich mit einer nur negativen und freilich weniger aussagekräftigen Beschreibung begnügen, vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 IV 2 a; Motzer, JZ 1983, 885. 9 Die Bezeichnung des Schuldverhältnisses als Organismus ist nicht die einzige, die im Laufe der Zeit dem Ziel gedient hat, die wahre Natur des Schuldverhältnisses möglichst nah wiederzugeben; s. beispielsweise Larenz, Schuldrecht AT, § 2 V (S. 27 f): „sinnhaftes Gefüge“ und „in der Zeit verlaufender Prozess“. Einen Überblick über solche Bezeichnungen und die dahinter stehenden normativen Deutungen s. bei Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 I 2, und Staudinger(2005)/Olzen, § 241, Rn. 39. Den nachfolgenden Überlegungen wird allerdings nur der Begriff Organismus – nicht zuletzt wegen seiner eindeutigen Einprägsamkeit – zugrunde gelegt.

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

(etliche Leistungs- und weitere Verhaltenpflichten, Gestaltungsrechte und sonstige „Rechtslagen“ wie etwa die Zuständigkeit zum Empfang einer Kündigung)10 dargestellt werden. Das Schuldverhältnis bildet also, ähnlich wie ein Organismus, keine monolithische Konstruktion, sondern besteht aus mehreren Einzelelementen, die seine harmonische Einheit nicht zerstören, sondern sich in ein einheitliches Ganzes, in ein sinnhaftes Gefüge11 sinnvoll zusammengesetzt haben und aufeinander beziehen. Maßgebend für diese Einheit ist der Zweck (der „finale Sinn“12), dem das jeweils konkrete Schuldverhältnis dienen soll. Unabhängig davon, worauf genau sich dieser Zweck richtet, stellt er den Verbindungsstoff innerhalb des Schuldverhältnisses dar, der diese Rechtsfigur über eine bloße Summe verschiedener Elemente hinaus zum sinnhaften Gefüge zusammenbringt und trotz möglicher Wandlungen der Einzelelemente in einem solchen zusammenhält.13 Anderseits bringt der Vergleich der Obligation mit einem Organismus die Feststellung zum Ausdruck, dass das Schuldverhältnis der Wandlung bzw. der Entwicklung unterliegt, dass es in dieser Hinsicht also ein in der Zeit verlaufender Prozess ist.14 Die Wandlungen, die das Schuldverhältnis – zum Teil von eingreifenden Normen, zum Teil von gestaltenden Akten der Parteien bedingt – im Laufe der Zeit erfährt, sind gewissermaßen dem Wesen dieser Rechtsfigur immanent: Schuldverhältnisse entstehen ja und erlöschen. Trotzdem muss das Schuldverhältnis allein deswegen seine Identität nicht einbüßen;15 es weist vielmehr ein Höchstmaß an Flexibilität auf.16 Dabei können die angesprochenen Wandlungen nicht nur seine Einzelelemente oder sogar die daran beteiligten Personen,17 sondern auch selbst seine konkrete Zielgerichtetheit betreffen; hierzu gehört etwa der Wandel des Schuldverhältnisses zum Rückabwicklungsverhältnis nach einem Rücktritt.

___________ 10

s. Larenz, Schuldrecht AT, § 2 V (S. 26); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III 1; MüKo(4)/Kramer, Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 13; Jauernig(11)/Mansel, § 241, Rn. 1. 11 s. Fn. 9. 12 So Larenz, Schuldrecht AT, § 2 V (S. 28). 13 So insbesondere Larenz, Schuldrecht AT, § 2 V (S. 27 f); vgl. aber Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 I 3 b; Staudinger(1995)/Schmidt, Einl. zu §§ 241 ff, Rn. 205 und 207. 14 s. Fn. 9. 15 s. Wolf, AcP 153 (1954), 114; MüKo(4)/Kramer, Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 13; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 I 3 a sowie § 2 II. 16 Gernhuber, Bürgerliches Recht, S. 135; Golla, S. 103. 17 s. etwa Larenz, Schuldrecht AT, § 2 V (S. 27); MüKo(4)/Kramer, Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 13.

B. Allgemein anerkannte Ausgangspunkte

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II. Der Pflichteninhalt des Schuldverhältnisses Ist man sich in Rechtsprechung und Schrifttum absolut darüber einig, dass neben Haupt- auch Nebenpflichten den Inhalt des Schuldverhältnisses ausmachen,18 so findet man demgegenüber verschiedene Vorschläge vor, wie sich diese Pflichten systematisieren lassen. In der Literatur vermisst man jedoch grundsätzlich eine Pflichteneinordnung, die sich nicht so sehr auf den jeweiligen Pflichtinhalt, sondern eher auf die Funktion orientiert, die die verschiedenen Pflichtarten als Teil des Schuldverhältnisses19 erfüllen sollen, und somit eine einheitliche strukturelle Betrachtung der Schuldbeziehung in Bezug auf die einzelnen Pflichtarten als ihre Grundelemente erlaubt. Ein entsprechender Einordnungsversuch wird allerdings hier noch nicht unternommen;20 was im Rahmen dieser Ausführungen vorerst bezweckt wird, ist eine grobe, zugleich aber möglichst umfassende Bestimmung der Pflichten, die unabhängig von einer zutreffenden Systematisierung anerkanntermaßen im Schuldverhältnis auftreten können. Die vorgenommene Bildung von Pflichtengruppen verfolgt also vornehmlich deskriptive Zwecke, indem sie ansatzweise die verschiedenen Zweckrichtungen aufzeigen soll, die die schuldrechtlichen Pflichten überhaupt nehmen können. Von zentraler Bedeutung ist hierbei insbesondere die Aufklärung des Verhältnisses der Neben- zu den Hauptpflichten. Die nachfolgende Analyse wird anschaulicher, wenn man sich bereits an dieser Stelle die Nebenpflichten in immer weiteren Kreisen um die Hauptpflichten herum gelagert vorstellt.21

1. Hauptpflichten Es steht völlig außer Zweifel, dass in einem Schuldverhältnis bestimmte Pflichten eine Zentralstellung einnehmen. Die Erfüllung solcher Pflichten steht nicht nur für die vertragsschließenden Parteien, sondern auch für das Gesetz im Vordergrund, wenn es die Entstehung eines Schuldverhältnisses anordnet. Schließen etwa die Parteien einen Kaufvertrag ab, dann stellen sie entscheidend auf die Übergabe und Übereignung der verkauften Sache durch den Verkäufer an den Käufer sowie auf die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises durch den Käufer an den Verkäufer ab (vgl. § 433 BGB), ebenso wie etwa § 823 BGB, ___________ 18 Zu diesen Pflichtengruppen s. unten 5. Kapitel B. II. 1. und 2.; eine entsprechende terminologische Einigkeit sucht man im Schrifttum hingegen vergeblich – vgl. auch 4. Kapitel Fn. 69. 19 Schuldverhältnis als Organismus, s. dazu oben 5. Kapitel B. I. 20 s. dazu unten 5. Kapitel D. I. 21 MüKo(4)/Roth, § 242, Rn. 145; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 5 II 3.

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

der eine Schadensersatzpflicht des Schädigers gegenüber dem Geschädigten begründet, auf die Erfüllung gerade dieser Pflicht gerichtet ist. Angenommen nun, dass die Vertragsparteien mit dem Vertragsschluss bzw. das Gesetz mit der Anordnung eines Schuldverhältnisses immer einen bestimmten Zweck verfolgen, so kann man an dessen Maßstab diejenigen Pflichten herausarbeiten, die nach den Vorstellungen der Parteien bzw. des Gesetzgebers unmittelbar zur Verwirklichung dieses Zwecks dienen.22 Die anvisierte Erfüllung dieser Pflichten kann demgemäß als der Grundstein des Schuldverhältnisses angesehen werden. Wegen ihrer Zentralstellung unter den verschiedenen Pflichtarten kann man in diesem Zusammenhang zunächst von Hauptpflichten23 sprechen.

2. Nebenpflichten Obwohl die Hauptpflichten so gravierend für das Schuldverhältnis sind, schöpfen sie seinen Inhalt bei weitem nicht aus. Bereits im BGB kann man die ausdrückliche Regelung bzw. den Ansatz für die Regelung von Pflichten finden, die sich sicherlich nicht unter die Hauptpflichten subsumieren lassen. Unter den ausdrücklichen Regelungen ist etwa § 666 BGB zu erwähnen, der bestimmt, dass der Beauftragte bei einem Auftragsverhältnis auch zur Auskunftserteilung und Rechenschaftsablegung über die Geschäftsbesorgung an den Auftraggeber verpflichtet ist. Dabei ist es klar, dass die Schuldverhältnisparteien (Auftraggeber und Beauftragter) mit dem Vertragsschluss freilich nicht auf die Auskunftserteilung bzw. die Rechenschaftsablegung, sondern vielmehr auf die Geschäftsbesorgung an sich gezielt haben. Dieser gegenüber spielen die Pflichten gemäß § 666 BGB eine eher begleitende Rolle. Des Weiteren beschränkt sich das BGB bekanntlich nicht auf die ausdrückliche Normierung konkreter Pflichten, sondern erlaubt eine flexiblere Ausgestaltung des Schuldverhältnisses durch die Anwendung von Generalklauseln insbesondere am Maßstab von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte gemäß §§ 157 und 242 BGB. Die in diesem Zusammenhang relevanten Pflichten könnte man zunächst als Nebenpflichten bezeichnen.24 Was nun die Nebenpflichten insgesamt charakte___________ 22

Man formuliert diesen Gedanken lediglich anders, wenn man von vertragstypischen Pflichten spricht, die den konkreten Vertragstyp kennzeichnen (so Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 206): Kennzeichnend sind die angesprochenen Pflichten nämlich deshalb, weil sie von zentraler Bedeutung für das konkrete Schuldverhältnis sind. 23 So auch Erman(11)/Hohloch, § 242, Rn. 64; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 206. Bei solchen Pflichten spricht man öfters von Hauptleistungspflichten, s. etwa Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 6 III; Palandt(65)/Heinrichs, § 241, Rn. 5; Larenz, Schuldrecht AT, § 2 I (S. 8). 24 So auch etwa Erman(11)/Hohloch, § 242, Rn. 65; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 31.

B. Allgemein anerkannte Ausgangspunkte

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risiert und sie von den Hauptpflichten unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie in Anbetracht des Schuldverhältniszwecks einer Zentralstellung entbehren, wie diese den Hauptpflichten immanent ist. Damit ist demgegenüber keineswegs gemeint, dass sie zur Verwirklichung des Schuldverhältniszwecks gar nicht beitragen; im Gegenteil werden sie oft geradezu durch diesen Zweck bedingt.25

a) Unselbständige Nebenpflichten Sehr eng mit den Hauptpflichten verbunden sind Nebenpflichten, die lediglich der Erreichung des Hauptpflichtenzwecks (Hauptleistungszweck) vorbereiten, herbeiführen oder sichern sollen.26 Hierher gehören die Pflicht des Schuldners, die notwendigen Erfüllungsvoraussetzungen zu schaffen und mögliche Erfüllungshindernisse zu beseitigen, sowie seine Pflicht, auch nach der eigentlichen Leistungserfüllung alles zu unterlassen, was den (Haupt-)Leistungszweck nachträglich beeinträchtigen oder gefährden könnte.27 Gegen solche Nebenpflichten verstößt beispielsweise der Verkäufer, der das verkaufte Pferd bis zur Übergabe nicht ordnungsgemäß füttert oder bewegt oder es sogar anderweitig veräußert.28 Charakteristisch für die hier angesprochenen Pflichten und somit entscheidend für ihre Einordnung unter eine gemeinsame Gruppe ist die Tatsache, dass sie der Finalität der Hauptpflichten völlig untergeordnet sind.29 Im Vergleich zu den Hauptpflichten verfolgen sie nämlich keinen eigenen Zweck, sondern dienen nur der möglichst vollkommenen Verwirklichung bzw. nur der Vervollständigung des Hauptleistungszwecks. Dies kann ihre Charakterisierung in diesem Zusammenhang als unselbständige Nebenpflichten30 rechtfertigen.31 Dabei fällt es auf, dass die betreffenden Nebenpflichten oft lediglich Kehrseiten von Hauptpflichten darstellen oder eine Handlung zum Gegenstand haben, die bereits im Rahmen der Erfüllung der Hauptpflichten, etwa als Vorbe___________ 25 26

s. unten 5. Kapitel B. II. 2. a) und b). s. etwa Palandt(65)/Heinrichs, § 242, Rn. 27 ff; Soergel/Teichmann, § 242, Rn.

162. 27

s. etwa Palandt(65)/Heinrichs, § 242, Rn. 27 und 29 und 32; Soergel/Teichmann, § 242, Rn. 167; Erman(11)/Hohloch, § 242, Rn. 76. 28 Stürner, JZ 1976, 390; Palandt(65)/Heinrichs, § 242, Rn. 28. 29 Vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III 4 a. 30 So auch Erman(10)/Werner, § 242, Rn. 54; Palandt(65)/Heinrichs, § 242, Rn. 25. 31 Eine gute Analyse der Pflichten, „die der ordnungsgemäßen Erbringung der Hauptleistung dienen und darüber hinaus keinen eigenen Zweck verfolgen“ (nach der eigenen Terminologie „leistungsbezogene Verhaltenspflichten“), insbesondere in Bezug auf die entsprechenden Gläubigerrechte, s. bei Neumann, passim. Vgl. dort auch zum Verhältnis zwischen den Verhaltenspflichten und dem als Hauptleistung geschuldeten Erfolg.

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

reitungshandlung, geschuldet ist: Die Pflicht des Verkäufers etwa, die verkaufte Sache an keinen Dritten zu veräußern, kann sehr wohl als eine negative Voraussetzung für die Erfüllung seiner Hauptpflicht betrachtet werden, die Sache an den Käufer zu übergeben und zu übereignen (§ 433 I BGB).32 Verletzt der Verkäufer seine Pflicht, von anderweitigen Veräußerungen der Kaufsache abzusehen, so verletzt er folgerichtig nicht nur die unselbständige Nebenpflicht, sondern zugleich auch seine Hauptpflicht aus dem Kaufvertrag. Angesichts dessen ist zweifelhaft, ob man in solchen Fällen wirklich die Annahme von eigenständig existierenden Pflichten braucht. Dagegen spricht vor allem die Erwägung, dass es primär dem Schuldner obliegen soll, wie er sich in Leistungsbereitschaft versetzt bzw. mit welchen genauen Handlungen er die geschuldete Leistung erbringt, zumal freilich allein er das Leistungsstörungsrisiko trägt.33 Diese Frage muss allerdings nicht entschieden werden; für diesen Zusammenhang genügt lediglich die Feststellung, dass die fraglichen Anforderungen eindeutig Handlungen erfassen, die, sei es als eigenständige Nebenpflichten oder im Rahmen der Hauptpflichten, in rechtlich verbindlicher Weise geschuldet werden.34

b) Selbständige Nebenpflichten Sind die unselbständigen Nebenpflichten vollkommen der Zweckgerichtetheit der Hauptpflichten untergeordnet, so werden zum Inhalt des Schuldverhältnisses auch Nebenpflichten genommen, die weitere Zwecke verkörpern und somit nicht mehr als unselbständig betrachtet werden dürfen; deshalb scheint ihre Bezeichnung als selbständige Nebenpflichten zunächst angebracht zu sein. Trotzdem darf man die Selbständigkeit dieser Nebenpflichten nicht auch als Unverbundenheit zu den sonstigen Pflichten der Schuldbeziehung begreifen: Ihre Entstehung bringt eine Zweckerweiterung innerhalb des Schuldverhältnisses mit sich. Diese Zweckerweiterung kann zunächst einzelne Hauptpflichten betreffen. Die fraglichen Nebenpflichten ergänzen nämlich die Zweckgerichtetheit einzelner Hauptpflichten mit weiteren Zwecken, die in den Hauptpflichten an sich zwar nicht enthalten sind, mit ihrer Finalität jedoch in einer sinnvollen Einheit zusammenhängen: Die jeweils geschuldete Hauptleistung kann zwar unabhängig von der Beachtung der selbständigen Nebenpflichten erbracht werden, für den Gläubiger erlangt sie jedoch erst in Zusammenhang mit jenen ihre vollständige Bedeutung. Angesichts dessen kann man als selbständige Nebenpflicht et___________ 32

MüKo(4)/Kramer, § 241, Rn. 12. So tatsächlich Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 IV 2; MüKo(4)/Roth, § 241, Rn. 44. S. auch MüKo(4)/Kramer, § 241, Rn. 12; Schur, S. 202 ff sowie 338 f. 34 s. auch oben 5. Kapitel A. 33

B. Allgemein anerkannte Ausgangspunkte

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wa die Verpflichtung des Inhabers eines Geschenkladens erwähnen, die erkennbar als Geschenk gekaufte Ware entsprechend zu verpacken. Während nun die Übergabe und Übereignung der Kaufsache die vom Verkäufer geschuldete Hauptleistung erfüllen (s. § 433 I BGB) und somit den darin unmittelbar enthaltenen Zweck völlig verwirklichen würden – sein Vertragspartner erlangt dadurch Besitz und Eigentum an der Sache –, braucht der Käufer eine geeignete Verpackung, um die gekaufte Sache anschließend wie geplant schenken zu können. Die anvisierte Schenkung stellt also hier einen weiteren, mit der Hauptleistungserbringung verbundenen Zweck dar, der die Entstehung von weiteren Verkäuferpflichten bestimmt. Ähnliches gilt etwa für die Verpflichtung des Fachverkäufers, dem Käufer die Bedienungsanleitung für die gekaufte Maschine auszuhändigen.35 Es ist darüber hinaus möglich, dass sich die angesprochene Zweckerweiterung durch selbständige Nebenpflichten nicht auf einzelne Hauptpflichten, sondern auf das ganze Schuldverhältnis bezieht: Es geht dabei um Nebenpflichten, die zweckmäßig nicht so sehr mit der Erfüllung einzelner Hauptpflichten zusammenhängen, sondern eher auf die reibungslose Abwicklung des gesamten Schuldverhältnisses abzielen. Mit der Entstehung solcher Pflichten wird also die Finalität der ganzen Obligation von der Hauptleistungserfüllung hinaus auf die Beachtung weiterer Zwecke ausgedehnt. Als einschlägiges Beispiel könnte man etwa die Pflicht des Käufers anführen, die gekaufte Sache abzunehmen (s. § 433 II BGB): Die Abnahme der Kaufsache steht zwar mit der entsprechenden Hauptleistung (Kaufpreiszahlung) nicht in Zusammenhang, sie soll allerdings den Verkäufer vom Besitz der Sache befreien und somit den allgemeinen Vertragszweck um eine weitere Nebenzwecksetzung ergänzen und schließlich die vollständige Kaufabwicklung fördern. Natürlich steht die Erweiterung des gesamten Obligationszwecks mit dem primär durch die Hauptpflichten verfolgten Ziel nicht nur in Zusammenhang, sondern auch in einem Rangverhältnis: Die hier angesprochenen Nebenpflichten dürfen ihrem Wesen nach keine Haupt-, sondern nur Nebenzwecke verkörpern. Noch entfernter vom konkreten Schuldverhältnis- bzw. Hauptpflichtenzweck als die bisher erörterten Nebenpflichten scheinen schließlich die Schutz- bzw. Rücksichtnahmepflichten nach der Terminologie des neueren § 241 II BGB36 zu liegen.37 Als Beispiel gesetzlich ausdrücklich geregelter Schutzpflichten könnte ___________ 35 Zu dieser Pflicht s. etwa BGH v. 5.4.1967, BGHZ 47, 312 (315); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 IV 2 b; Soergel/Teichmann, § 242, Rn. 166. 36 Ob die Rücksichtnahmepflichten in § 241 II BGB deckungsgleich mit den Schutzpflichten sind, wie der RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 125 ff, impliziert, kann zunächst dahin gestellt bleiben. 37 s. auch Emmerich, Grundlagen, S. 307 (diese Entfernung veranlasst Emmerich zur Betrachtung der Schutzpflichten als reine deliktische Pflichten, a.a.O. S. 331); MüKo(4)/Roth, § 241, Rn. 90.

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

man insbesondere die Pflichten gemäß § 618 BGB erwähnen.38 Bei den Schutzpflichten handelt es sich um Nebenpflichten, deren Zielgerichtetheit allein darin besteht, dass Rechte, Rechtsgüter und Interessen39 des Schuldverhältnispartners (vgl. § 241 II BGB) nicht verletzt werden, und zwar unabhängig davon, welchen genauen Zweck die Vertragsparteien oder das Gesetz mit der maßgeblichen Schuldbeziehung verfolgen – insoweit sind die Schutzpflichten selbständige Nebenpflichten.40 Damit ist natürlich weder gemeint, dass das von den Schutzpflichten geforderte Schuldnerverhalten von den Gesamtumständen unabhängig wäre, die innerhalb der Schuldbeziehung herrschen, noch wird impliziert, dass die Schutzpflichten die Verwirklichung des Zwecks, der dem Schuldverhältnis zugrunde liegt, nicht fördern würden; im Gegenteil ist gerade in dieser Zweckförderung der Rechtsgrund ihrer Legitimation zu erblicken.41 Was hingegen gemeint ist, ist, dass die eigene Zweckrichtung der Schutzpflichten unabhängig von der Zweckrichtung der ganzen Schuldbeziehung allein und immer im Schutz der maßgeblichen Rechtsgüter und Interessen liegt. Gerade mit dieser Unabhängigkeit der Schutzpflichten vom Schuldverhältnis- bzw. Hauptleistungszweck hängt außerdem die heute allgemein anerkannte Annahme zusammen, dass es für das Entstehen von Schutzpflichten in einer Vertragsbeziehung nicht darauf ankommt, ob diese sich als nichtig erweist oder wirksam angefochten wird.42 Ebenso wenig kommt es für die Existenz der Schutzpflicht darauf an, ob die Hauptpflichten bereits erfüllt worden sind.43

___________ 38 s. beispielsweise Palandt(65)/Heinrichs, § 242, Rn. 35; Larenz, Schuldrecht AT, § 2 I (S. 12). 39 Damit werden nicht nur absolute Rechte, sondern auch das Vermögen der Schuldverhältnisparteien geschützt, s. nur RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 126. Entgegen dieser Meinung – für das Recht vor Einführung des § 241 II BGB – Schur, S. 260 ff. Schur argumentiert mit geschützten Rechtsgütern; da er jedoch darunter auch Sorgfaltspflichten zum Schutz der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit und der Beteiligung des Schutzpflichtgläubigers am Schuldverhältnis einordnet, kommt er praktisch zu gleichen Ergebnissen wie die h.M., s. S. 267 ff sowie 331 ff. 40 Die Ähnlichkeit der Schutzpflichten mit den deliktischen Verhaltensgeboten ist freilich unverkennbar. Diese Ähnlichkeit darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf die schuldrechtlichen Schutzpflichten grundsätzlich das Vertragsrecht anwendbar ist. 41 s. dazu unten 5. Kapitel D. III. 3. b) sowie c) aa). 42 Stürner, JZ 1976, 386; Schwab, JuS 2002, 777 f; Medicus, Probleme, S. 16; MüKo(4)/Kramer, Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 82; Koziol, JBl 1994, 211 und 217; Soergel/Teichmann, § 242, Rn. 181; Larenz, Schuldrecht AT, § 9 I b (S. 119); Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 5 II 2; Anders, S. 172 f; Rieble, S. 140; Emmerich, Grundlagen, S. 308. Es besteht allerdings keine ähnliche Einigkeit darüber, wie man zu diesem Ergebnis kommen soll; s. zu dieser Problematik unten 5. Kapitel D. III. 3. b) ee). 43 s. beispielsweise MüKo(4)/Roth, § 241, Rn. 103 mit weiteren Nachweisen.

B. Allgemein anerkannte Ausgangspunkte

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Inhaltlich gesehen44 sind die Schutzpflichten zwar auf den Schutz der Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners gerichtet, so dass insoweit der Begriff Schutzpflichten zutreffend ist. Diese Feststellung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die betreffenden Pflichten für den Schutzpflichtschuldner im Grunde genommen vornehmlich das Gebot der Nichtschädigung und weniger die Anforderung auf aktiven Schutz der erfassten Positionen seines Schuldverhältnispartners vor fremden Gefahren verkörpern. Die Schutzpflichten sind in aller Regel nur insoweit als Pflichten auf aktiv schützende Handlungen zu begreifen, als es sich um die Abwehr von Gefahren handelt, die aus der eigenen Sphäre des Schutzpflichtschuldners stammen.45 Darüber hinaus wird hinsichtlich des Inhalts der Schutzpflichten oft die Aussage gemacht, dass sie lediglich dem Erhaltungs- bzw. Integritäts-, nicht hingegen dem Erfüllungsinteresse des geschützten Schuldverhältnispartners und somit zur Erhaltung des status quo, nicht hingegen zur Förderung des status ad quem dienen.46 Inwiefern dies richtig ist, hängt davon ab, wie weit bzw. wie eng man diese Begriffe definiert; dass der Schutz von Rechten, Rechtsgütern und Interessen des Vertragspartners zuweilen auch mit dessen Interesse am Erhalt der geschuldeten Leistung zusammenhängen kann, dürfte jedenfalls unzweifelhaft sein.47

3. Ergänzende Bemerkungen Zur Vervollständigung der Überlegungen zu den Haupt- und Nebenpflichten sind zwei zusätzliche Bemerkungen notwendig. Zum einen bezieht sich diese Systematisierung allein auf Pflichten, die im Rahmen des programmgemäßen Ablaufs einer Schuldbeziehung entstehen können. Demgegenüber wurden diejenigen Pflichten ausgelassen, die erst wegen einer pathologischen oder zumin___________ 44 Die Bestimmung des Schutzpflichteninhalts bereitet größere Schwierigkeiten und bietet oft Anlass zu Missverständnissen: Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 209, nimmt etwa an, der Schuldner, der dem Gläubiger die geschuldete Hauptleistung nachts anbietet, begehe eine Schutzpflichtverletzung. Zweifelhaft ist diese Annahme, weil die (auch in zeitlicher Hinsicht) ordnungsgemäße Leistungserbringung wohl in den Kernbereich der entsprechenden Leistungspflicht gehört. 45 Vgl. Soergel/Teichmann, § 242, Rn. 178 sowie 182 f. S. auch unten 5. Kapitel D. III. 3. c) vor aa). 46 So etwa Soergel/Teichmann, § 242, Rn. 178; MüKo(4)/Kramer, Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 80; Jauernig(11)/Mansel, § 241, Rn. 10; Medicus, Probleme, S. 15; RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 125; KompaktKom-BGB/Willingmann/Hirse, § 241, Rn. 9; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 11. 47 s. dazu etwa RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 125; MüKo(4)/Roth, § 241, Rn. 91; Thiele, JZ 1967, 650 f; Bamberger-Roth/Grüneberg, § 241, Rn. 89; Palandt(65)/Heinrichs, § 242, Rn. 35 (deutlich dabei das Beispiel aus der 61. Auflage, § 242, Rn. 35: „Die Pflicht der Kraftfahrzeugwerkstatt zur Diebstahlsicherung schützt neben dem Kraftfahrzeug auch die Reparaturleistung“).

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

dest nicht programmgemäßen48 Entwicklung in der Schuldbeziehung entstehen;49 in Bezug auf solche Pflichten spricht man oft von sekundären im Gegensatz zu primären Pflichten.50 Zu den sekundären Pflichten ist insbesondere die Verpflichtung zur Schadensersatzleistung wegen Verletzung einer primären Pflicht zu erwähnen (s. § 280 I BGB).51 Zum anderen muss die vorangehende Darstellung des Pflichteninhalts eines Schuldverhältnisses nicht pauschal allen Schuldbeziehungen entsprechen. Es gibt ohne Zweifel viele Schuldverhältnisse, die die beschriebene Struktur vollständig aufweisen, ebenso wie andere, bei denen nicht alle Pflichtarten vorkommen. Das gilt zunächst in Bezug auf die Nebenpflichten: In vielen Schuldbeziehungen ist ihre praktische Bedeutung, wenn man von ihrer Existenz überhaupt sprechen kann, im Gegensatz zu jener der Hauptleistungspflichten sehr gering. Dazu genügt etwa der Hinweis auf die kleineren Bargeschäfte des alltäglichen Lebens, wie etwa Kauf einer Zeitung am Kiosk. Aber auch umgekehrt sind Hauptpflichten als Hauptleistungspflichten im herkömmlichen Sinne mit der Existenz einer Schuldbeziehung nicht untrennbar verbunden. Ein Schuldverhältnis kann sehr wohl allein mit (selbständigen) Nebenpflichten, insbesondere Schutzpflichten bestehen; es handelt sich um die sog. „Schuldverhältnisse ohne (primäre) Leistungspflicht“.52 Unter solchen Schuldverhältnissen ist etwa das Schuldverhältnis der Vertragsverlandlungen nach § 311 II BGB zu erwähnen, das allein mit Pflichten gemäß § 241 II BGB entsteht. Hierzu zählt ebenfalls das Schuldverhältnis, das zwischen S und D bei Annahme eines SSD entsteht, wenn bzw. soweit man zur Erklärung der Drittschutzwirkungen das Primärpflichtmodell zugrunde legen und somit die Rechtsfigur des SSD unter § 311 III S. 1 BGB subsumieren will.53 In diesen Zusammenhang gehören auch Schuldverhältnisse, in denen Hauptpflichten zwar existiert haben, diese jedoch nicht mehr vorhanden sind, etwa weil sie vollständig erfüllt worden sind (s. ___________ 48 Was man darunter genau verstehen muss, muss an dieser Stelle nicht weiter konkretisiert werden. Eine Pflichtverletzung etwa ist immer eine pathologische Erscheinung, aber nicht die einzige: Als weiteres Beispiel wäre für den Regelfall etwa der Rücktritt zu nennen (s. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III 5 a; Jauernig(11)/Mansel, § 241, Rn. 11; MüKo(4)/Kramer, § 241, Rn. 15). 49 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III 5 a; MüKo(4)/Kramer, § 241, Rn. 14. Vgl. Jauernig(11)/Mansel, § 241, Rn. 11; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 205. 50 s. etwa Larenz, Schuldrecht AT, § 2 I (S. 8 f); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 III 5; Palandt(65)/Heinrichs, § 241, Rn. 5. 51 s. die Nachweise in Fn. 50. 52 s. etwa Larenz, Schuldrecht AT, § 2 I (S. 14); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 I 4 b; Jauernig(11)/Stadler, § 311, Rn. 34; Koziol, JBl 1994, 211; Erman(11)/Westermann, Einl. § 241, Rn. 8. 53 Zu dieser Problematik s. oben 4. Kapitel B. I. und II. Zur Unterscheidung zwischen Primärpflicht- und Haftungsmodell im Allgemeinen s. oben 2. Kapitel B. III.

C. Notwendigkeit einer erneuten Analyse

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§ 362 BGB), so dass nunmehr allein Nebenpflichten (etwa Schutz- oder Leistungstreuepflichten) den Obligationsinhalt ausmachen.

C. Notwendigkeit einer erneuten Analyse I. Die Zentralrolle von Treu und Glauben – Konkretisierungsbedürfnis Die Entstehung von Nebenpflichten wird nicht nur in ausdrücklichen gesetzlichen Anordnungen, sondern vornehmlich durch die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§§ 157 und 242 BGB) bestimmt. Man muss sogar feststellen, dass Treu und Glauben praktisch den absolut herrschenden Maßstab für die Begründung weiterer als die gesetzlich geregelten Nebenpflichten darstellt.54 Dieses Vorgehen erscheint mehr oder weniger unvermeidbar, wenn man sich vergewissert, dass es praktisch unmöglich ist, die Nebenpflichten für jedes überhaupt denkbare Schuldverhältnis und jede mögliche Konstellationsvariante von vornherein zu bestimmen. Im Bereich der in aller Regel stark situationsgebundenen Nebenpflichten bietet der Grundsatz von Treu und Glauben tatsächlich ein Höchstmaß an Flexibilität: Durch dessen Anwendung hat der Rechtsanwender die Möglichkeit, die gesetzlichen Anordnungen bzw. die vertraglichen Parteivereinbarungen zu ergänzen und somit weitere Nebenpflichten als die ausdrücklich normierten genau zu bestimmen, um das innerhalb eines Schuldverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt erforderliche Parteiverhalten nach der konkreten Gesamtsachlage umfassend zu regeln. Allerdings ist der Preis für dieses Höchstmaß an Flexibilität sicherlich hoch: Das Postulat der Beachtung von Treu und Glauben ist an sich viel zu vage,55 um ihm immer fassbare Verhaltensanforderungen unmittelbar entnehmen zu können.56 In Bezug auf die Nebenpflichten konkretisiert sich diese Problematik in der Frage, welche Kriterien aufgestellt werden können, anhand deren sich Nebenpflichten mit möglichst bestimmtem Inhalt aus der generellen Anforderung auf redliches Par___________ 54

Dazu genügt ein Blick in die Kommentare zum § 242 BGB in Bezug auf die Begründung von Pflichten und Rechten; s. beispielsweise Palandt(65)/Heinrichs, § 242, Rn. 23 ff; Erman(11)/Hohloch, § 242, Rn. 64 ff; Jauernig(11)/Mansel, § 242, Rn. 16 ff. 55 Konkreter ist jedenfalls der Hinweis auf die Verkehrssitte (s. §§ 157 und 242 BGB); bereits die Gesetzesformulierung („mit Rücksicht“) deutet allerdings auf die Folgerung hin, dass die Verkehrssitte im Gegensatz zu Treu und Glauben erst sekundär als Maßstab verwendet werden darf, s. etwa Erman(11)/Hohloch, § 242, Rn. 12 f. 56 Damit soll der Konkretisierungsbedarf gezeigt werden. Dadurch wird zugleich auch die Aussage abgelehnt, „Treu und Glauben“ stelle eine „Leerformel“ dar; was gar nichts besagt, kann nicht konkretisiert, sondern höchstens durch andere Maßstäbe ersetz werden; ebenfalls ablehnend etwa Larenz, Schuldrecht AT, § 10 I (S. 126).

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

teiverhalten innerhalb des Schuldverhältnisses (s. §§ 157 und 242 BGB) mit einer möglichst intersubjektiven Überzeugungskraft ergeben könnten. Der bedeutendste Anhaltspunkt für die Herausarbeitung von Kriterien zur inhaltlichen Konkretisierung des Prinzips von Treu und Glauben ist m.E. der Zweck,57 der von den Parteien oder dem Gesetz mit der jeweiligen Schuldverhältnisbegründung verfolgt wird.58 Der Schuldverhältniszweck legt die Richtung fest, nach der sich der Rechtsanwender bei der Bestimmung des erforderlichen Parteiverhaltens gemäß dem Grundsatz von Treu und Glauben ausrichten muss, in dem Sinne, dass das angeforderte Verhalten zur Zweckverwirklichung beitragen muss. Die Anforderung an Redlichkeit (Treu und Glauben) wird somit um eine neue Größe ergänzt, nämlich um den Anspruch auf Effizienz, gemessen an den durch die konkrete Pflichtentstehung eröffneten Möglichkeiten zur günstigsten Zweckerreichung.59 Durch die Anführung eines weiteren Kriteriums wird die in Betracht kommende Fülle von an sich redlichen Verhaltensvarianten erheblich eingeengt.

II. Treu und Glauben bei den Schutzpflichten – Konkurrenz mit dem Deliktsrecht In Anbetracht der wesentlichen Rolle des Schuldverhältniszwecks für die Konkretisierung von Treu und Glauben dürfte deutlich sein, dass die Bestimmung konkreter Nebenpflichten an diesem Maßstab desto mühsamer von ihrer Richtigkeit überzeugen kann, je lockerer die Finalität der neuen Nebenpflichten mit der Zielgerichtetheit einzelner Hauptpflichten oder des ganzen Schuldverhältnisses verbunden ist. Dementsprechend kann die Bestimmung des Pflichteninhalts aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben im Allgemeinen bei unselbständigen Nebenpflichten am einfachsten und bei Schutzpflichten am schwierigsten erfolgen. Insbesondere bei der Bestimmung der Letztgenannten kann man einfach in Verlegenheit geraten, wenn entschieden werden muss, wie intensiv die Rechtsgüter und Interessen des Schuldverhältnispartners geschützt werden sollen. Vor allem die Notwendigkeit, bestimmte – freilich legitime – Belange der Parteien vom Schutzbereich der gegenseitigen Schutzpflichten auszuschließen und somit die entsprechende Schädigung des anderen Teils gemäß ___________ 57

s. auch oben 5. Kapitel B. II. 2. a) und b). Mit Hilfe des Vertragszwecks hat man auch den vertraglichen Regelungsplan und somit den Rahmen festzulegen, innerhalb dessen die Anwendung von Treu und Glauben bei der ergänzenden Vertragsauslegung vertragsgestaltend zur Lückenausfüllung überhaupt in Betracht kommt, s. oben 3. Kapitel B. III. 3. b) bb) (2). 59 Innerhalb dieses Konzepts können auch ökonomische Gesichtspunkte eine erhebliche Rolle spielen. 58

C. Notwendigkeit einer erneuten Analyse

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dem Schuldverhältnisinhalt als erlaubt anzusehen,60 erscheint allein mit der Berufung auf Treu und Glauben nur schwer begründbar. Warum man redlicherweise nur bestimmte Positionen seines Schuldverhältnispartners beachten muss und welche diese Positionen genau sind, scheint ungeklärt, sofern es sich ohnehin um Positionen handelt, die keine besondere Verbindung mit dem konkreten Schuldverhältniszweck aufweisen. Infolgedessen kann man auf der Grundlage von Treu und Glauben in Grenzfällen kaum hinreichend abgesicherte Ergebnisse erzielen. Ohne weitere Anhaltspunkte kann man dem jeweils erzielte Ergebnis nur gefühlsmäßig und praktisch eher willkürlich zustimmen oder widersprechen. Dieses Problem kommt etwa dann vor, wenn man mit Hilfe des Redlichkeitsgedankens diejenigen Pflichten aussortieren muss, die auch bei Unwirksamkeit der Vertragsbeziehung gültig bleiben und das gegenseitige Parteiverhalten weiterhin regeln sollen.61 Diese Schwierigkeit lässt sich am besten an konkreten Beispielen bestätigen: Der Vermieter hat im Rahmen seiner Hauptpflicht nach § 535 I BGB den ungefährdeten Gebrauch der Mietsache zu gewährleisten, was eine Vielzahl von Einzelpflichten umfassen kann; ein Steuerberater muss seinen Mandanten über die Folgen nicht ordnungsgemäßer Buchführung und über die Gefahren bestimmter Vertragsgestaltungen aufklären; wird ein Überweisungsauftrag mangels Deckung nicht ausgeführt, so hat das Kreditinstitut dies dem Kontoinhaber unverzüglich anzuzeigen.62 All diese Pflichten bestehen zwar zweifellos im Rahmen eines gültigen Vertrags, da sie sich problemlos in die Schuldbeziehung einzugliedern scheinen und mit dem Gebot von Treu und Glauben vereinbaren lassen. Diese Sicherheit tritt jedoch zurück, wenn man versucht, sich ein Urteil darüber zu bilden, inwiefern der Grundsatz von Treu und Glauben, sofern er freilich anwendbar ist,63 die Beachtung der genannten Pflichten auch bei Vertragsnichtigkeit gebietet. Allein am Maßstab der Anforderung zum redlichen Verhalten könnte man sowohl das Vorliegen als auch das Nichtvorliegen der fraglichen Pflichten vertreten: Es erscheint einerseits gerecht, zu Gunsten des Mieters, des Steuerberatermandanten oder des Bankkunden seinem Vertragspartner die entsprechenden Pflichten aufzuerlegen, zumal dieser den Schaden verhältnismäßig einfach abwehren könnte. Andererseits muss man bei Nichtigkeit die konkrete Rechtslage berücksichtigen: Warum sollte man nach Treu und ___________ 60 Die Frage, ob die betreffenden schädigenden Handlungen im Allgemeinen, d.h. auch deliktisch, erlaubt sind, wird freilich davon nicht berührt. 61 s. oben bei Fn. 42. 62 Nach Soergel/Teichmann, § 242, Rn. 186 und 188, handelt es sich dabei um Schutzpflichten; s. a.a.O. neben den hier erwähnten auch weitere ähnliche Beispiele aus der Rechtsprechung. 63 Es bedarf dafür vorerst natürlich des Nachweises, dass auch bei Vertragsnichtigkeit eine Sonderverbindung entsteht, die Mindestvoraussetzung für die Maßgeblichkeit von Treu und Glauben ist, s. oben 3. Kapitel C. III. 1. a).

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

Glauben seinen Vertragspartner schützen, wenn er wegen der Nichtigkeit etwa keine Vergütung verlangen kann? In Bezug auf die genaue Bestimmung von Schutzpflichtentstehung und -inhalt kommt als weitere Schwierigkeit die Notwendigkeit einer zutreffenden Abgrenzung zum Deliktsrecht hinzu. Diese Schwierigkeit hängt gerade mit der lockeren Verbindung der Schutzpflichten im Schuldverhältnis mit dem Schuldverhältniszweck zusammen: Da Aufgabe des Deliktsrechts die Aufstellung von Pflichten ist, die den Schutz von Rechten, Rechtsgütern und Interessen im Rahmen zwischenmenschlicher Beziehungen generell, d.h. unabhängig von besonderen Verhältnissen (Sonderverbindungen),64 bezwecken, muss die Wahrnehmung dieser Aufgabe zwangsläufig mit der Funktion der Schutzpflichten innerhalb von Schuldbeziehungen konkurrieren, da die Schutzpflichten ebenfalls unabhängig vom konkreten Schuldverhältnistyp bzw. von den konkreten Hauptpflichten Positionen des Schutzpflichtgläubigers vor schädlichen Einwirkungen des anderen Teils schützen sollen.65 Die parallele Anwendbarkeit des Deliktsrechts ist hier deswegen von Bedeutung, weil ihm im Vergleich zum Vertragshaftungsrecht weitgehend unterschiedliche Rechtswertungen zugrunde liegen, wie etwa in Bezug auf die Beweislast,66 den Ersatz primärer Vermögensschäden67 und die Haftung für fremde Handlungen.68 Dazu kommt, dass das Deliktsrecht großenteils auf den Schutz der gleichen Rechtsgüter gerichtet ist wie die vertraglichen Schutzpflichten, während es gesetzgeberische Entscheidungen auch insoweit verkörpert, als es sich um die Frage handelt, wann der Schädiger für einen schuldhaft verursachten Schaden nicht haften soll. Dabei handelt es sich insbesondere um die Ziehung der Grenzen, innerhalb deren die allgemeine Handlungsfreiheit vor Schadensersatzpflichten bewahrt bleiben soll.69 Demnach kann man grundsätz___________ 64 s. etwa Palandt(65)/Sprau, Einf. v. § 823, Rn. 2. Vgl. außerdem die entsprechenden Ausführungen oben 3. Kapitel C. III. 1. a). 65 s. oben 5. Kapitel B. II. 2. b). 66 Während im Deliktsrecht der Geschädigte das Verschulden des Schädigers beweisen muss (s. etwa Erman(11)/Schiemann, vor § 823, Rn. 32), tritt im Vertragsrecht gemäß § 280 I BGB eine diesbezügliche Beweislastumkehrung zu Gunsten des Geschädigten ein. 67 Im Vertragsrecht sind grundsätzlich alle materiellen Schäden ersetzbar, im Deliktsrecht sind reine Vermögensschäden jedoch nur unter zusätzlichen Voraussetzungen zu ersetzen (etwa im Rahmen von §§ 823 II oder 826 BGB). 68 Vgl. §§ 278 (Erfüllungsgehilfenhaftung) und 831 BGB (Verrichtungsgehilfenhaftung). 69 s. insbesondere Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, § 75 I. Als Beispiel kann dabei etwa § 826 angeführt werden: Er besagt nicht nur, wann man wegen einer Vermögensschädigung haftbar gemacht werden soll, sondern legt auch den Rahmen fest, innerhalb dessen – freilich vorbehaltlich anderer Rechtssätze wie etwa § 823 II BGB – man (haftungs-)frei unabhängig davon handeln darf, ob sein Handeln das Vermögen eines ande-

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lich davon ausgehen, dass potentiell jede Schutzpflicht innerhalb einer Schuldbeziehung, sei es in Bezug auf deliktsrechtlich umfassend geschützte Positionen (etwa Eigentum) oder auf nur ausnahmsweise deliktisch bedeutende Interessen (insbesondere reine Vermögenswerte), ein Verhaltensgebot in einem Bereich verkörpert, der ebenfalls für das Deliktsrecht erheblich ist. Obwohl deswegen die dogmatisch legitime Existenz vertraglicher Schutzpflichten nicht pauschal in Frage gestellt werden kann (s. zunächst nur § 241 II BGB der nunmehr ohne Zweifel klarstellt, dass Schutzpflichten überhaupt Inhalt einer Schuldbeziehung sein können), hat der Rechtsanwender die im Deliktsrecht enthaltenen Wertungen mit jenen, die die vertraglichen Schutzpflichten verkörpern, aufeinander abzustimmen. Es stellt sich nämlich die Frage, unter welchen Bedingungen die Konkretisierung von Treu und Glauben zur Begründung von Schutzpflichten innerhalb einer Schuldbeziehung sich mit den deliktsrechtlichen Wertungen vereinbaren lässt und somit nicht willkürlich, sondern vielmehr rechtlich geboten erscheint. Dafür braucht man Kriterien, die der Grundsatz von Treu und Glauben allein nicht liefert. Eine Lösung des Problems ist allein aufgrund von § 241 II BGB nicht möglich.70 Möglicherweise liegt es an der gesetzgeberischen Absicht, durch die Einführung von § 241 II BGB keine Änderung an der herkömmlichen Schutzpflichtenlehre herbeizuführen.71 Jedenfalls eignet sich aber diese Vorschrift nicht als Legitimationsgrundlage für die Annahme konkreter Schutzpflichten, da sie lediglich die abstrakte Möglichkeit bestätigt (vgl. insbesondere den Wortlaut: „kann“), dem Inhalt von Schuldbeziehungen auch Rücksichtnahmepflichten zuzurechnen. Dementsprechend führt § 241 II BGB nichts Näheres über die materiellen Gesichtspunkte an,72 anhand deren die Entstehung und die inhaltliche Ausgestaltung der erwähnten Pflichten konkret beurteilt werden sollten.73 Inso___________ ren schädigt. Insofern stellt § 826 BGB den Maßstab dar, anhand dessen sowohl das Vorliegen als auch das Nichtvorliegen eines haftungsrechtlichen Handlungsverbots beurteilt werden müssen. 70 s. auch unten 5. Kapitel D. III. 2. 71 In der Absicht, die herkömmliche Lehre möglichst intakt zu lassen, hat der Gesetzgeber von § 241 II BGB viele alte Probleme bewusst weiterhin offen gelassen, s. statt aller RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 125 f. 72 Dabei reicht der in § 241 II BGB verwendete Ausdruck „nach seinem Inhalt“ freilich nicht als Konkretisierung aus. Er ist vielmehr in einem so weiten Sinne zu verstehen, dass er eigentlich nichts Konkretes ergeben kann – vgl. SchAnwPra/Krebs, § 3, Rn. 7. 73 s. MüKo(4)/Roth, § 241, Rn. 34; SchAnwPra/Krebs, § 3, Rn. 1 und 6; Reischl, JuS 2003, 45; Erman(11)/Westermann, § 241, Rn. 2; Praxis der Schuldrechtsreform/Dedek, § 241, Rn. 3; Ehmann/Sutschet, S. 21; KompaktKomBGB/Willingmann/ Hirse, § 241, Rn. 9; FraHandbuch/Blenske, S. 115 und 143; Palandt(65)/Heinrichs, § 241, Rn. 7: § 241 II BGB sei eine Blankettnorm (zustimmend Rieble, S. 145). Vgl. auch die entsprechenden Ausführungen zu § 311 III S. 1 BGB oben 4. Kapitel B. II. In-

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

fern bedarf zumindest ein Teil der nach herkömmlicher Ansicht anerkannten Schutzpflichten trotz der Schuldrechtsmodernisierung auch künftig der Legitimierung.74

III. Die entscheidende Systematisierung Obwohl das Prinzip von Treu und Glauben allein nicht ausreicht, um alle Probleme zu lösen, die mit Entstehung und Inhalt von Nebenpflichten – insbesondere Schutzpflichten – innerhalb von Schuldbeziehungen verbunden sind, darf sein allgemeiner Wert für diesen Zusammenhang wegen seiner Flexibilität kaum in Frage gestellt werden. Die Berufung auf Treu und Glauben ist insoweit unverzichtbar bzw. unersetzbar, als es sich über allgemeinere Rahmen- bzw. Zwecksetzungen hinaus um die Bestimmung des genauen konkreten Pflichtengefüges handelt: Wie bereits erwähnt,75 macht die starke Situationsgebundenheit der Nebenpflichten einen flexiblen, generalklauselartigen Maßstab notwendig. Dennoch müssen weitere Gesichtspunkte hinzukommen, um die Anwendung des betreffenden Prinzips als Beurteilungsmaßstab innerhalb breiterer Zusammenhänge zu rechtfertigen bzw. um die allgemeine Zweckrichtung dieser Anwendung aufzuzeigen. Der Absicht, diese weiteren Gesichtspunkte zu ermitteln, sollen nun die folgenden Überlegungen nachgehen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei eine Systematisierung der verschiedenen Pflichten, die der Ermittlung des Rechtsgrundes dienen soll, der ihnen jeweils zugrunde liegt und somit Pflichtentstehung, -inhalt und -konturen bedingt.76 Dabei kann man davon ausgehen, dass der Existenzgrund und der Inhalt von schuldrechtlichen Pflichten mit ihrer Rolle innerhalb der Schuldbeziehung zusammenhängen. Insofern dürfte es sich um eine funktionelle Betrachtung des Inhalts von Schuldverhältnissen handeln. Darauf sollen anschließend weitere dogmatische Schlussfolgerungen zur Aufklärung der Drittschutzproblematik ___________ soweit erscheint bereits sehr zweifelhaft, ob man § 241 II BGB für die Rechtsgrundlage der Schutzpflichten halten darf – s. unten 5. Kapitel D. III. 2. 74 So auch SchAnwPra/Krebs, § 3, Rn. 6. Auf die Legitimierungsfrage ist ausführlich unten 5. Kapitel D. III. 3. einzugehen. 75 s. oben 5. Kapitel C. I. 76 Die bereits vorgenommene Pflichtenkategorisierung (s. oben 5. Kapitel B. II.) kann dem folgenden Aufbau dieser Arbeit nicht dienen: Da mit ihrer Hilfe der Schuldverhältnisinhalt möglichst anschaulich dargestellt werden sollte, wurde die Frage außer Acht gelassen, ob die in derselben bzw. in verschiedenen Kategorien untergebrachten Pflichten grundsätzlich auch rechtlich gleich bzw. ungleich behandelt werden müssen. In diesem Sinne ist etwa nicht eindeutig, dass unter den selbständigen Nebenpflichten auch für die Schutzpflichten dieselben Rechtssätze gelten sollen wie für alle anderen Pflichten in dieser Kategorie [s. oben 5. Kapitel B. II. 2. b)].

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aufbauen.77 Im Zentrum der Untersuchung stehen vornehmlich die Schutzpflichten, da sie am häufigsten zur Erklärung der Drittschutzwirkungen herangezogen werden.78 An dieser Stelle ist die allgemeinere Anmerkung wichtig, dass nicht jede Analyse des Schuldverhältnisinhalts allen Problemkreisen mit dem gleichen Erfolg zugrunde gelegt werden kann. Es gilt vielmehr, dass jede Systematisierung besondere Eigenschaften aufweist, die sie in Bezug auf bestimmte Fragen nutzbar, in Bezug jedoch auf andere Fragen eher schwerfällig machen können. Will man nun aus einer bestimmten Systematisierung zutreffende Konsequenzen ziehen, so muss man sicherstellen, dass sie für das konkret vorliegende Problem geeignet ist. Dies schließt freilich die Überprüfung einer Systematisierung daran nicht aus, ob sie sich reibungslos in die bestehende Rechtsordnung einfügen und mit deren Wertungen vereinbaren lässt; eine solche Überprüfung ist sogar stets notwendig, wenn man sich um Antworten auf Rechtsfragen bemüht. Hier wird lediglich angefordert, die Geeignetheit der zu verwendenden Systematisierung für den jeweils maßgeblichen Fragenkreis zu überprüfen und sie gegebenenfalls darauf abzustimmen. Es wäre mitunter nicht falsch anzunehmen, dass erst das zu lösende Problem die zutreffende Systematisierung bedingt; die für die konkrete Rechtsfrage geeignete Systematisierung erscheint also eher als Teil des erzielten Untersuchungsergebnisses denn als Ausgangspunkt der Problemanalyse. Umgekehrt gibt es die richtige Systematisierung nicht, auf der jede Problemanalyse aufbauen muss. Demnach ist der Wert einer Systematisierung relativ: Er wird danach ermittelt, wie geeignet eine Systematisierung dafür ist, zur Lösung des konkret vorliegenden Problems beizutragen, während ihre Bedeutung für andere Zusammenhänge zunächst irrelevant ist. Gleiches gilt für die jeweils verwendete Terminologie, sofern sie freilich eine Systematisierung voraussetzt bzw. impliziert. Insofern müssen bereits vorhandene Systematisierungsversuche nicht auch zur Lösung der Drittschutzproblematik beitragen können. Hinsichtlich der Systematisierung des Schuldverhältnisinhalts im Rahmen der nachfolgenden Analyse79 bedeuten diese Überlegungen, dass die Richtigkeit der beabsichtigten Systematisierung zwar sicherlich danach geprüft werden muss, ob sie innerhalb umfangreicher Rechtszusammenhänge konsequent ist und inwiefern ihre Grundlagen allgemein zutreffen. Ihr Wert muss jedoch vornehmlich daran gemessen werden, inwiefern sie konkret der Bewältigung der Drittschutzwirkungsproblematik dienen kann. Dass sie sich auch für die Lösung weiterer Rechtsfragen als effizient erweisen, geschweige denn, dass sie auch ___________ 77 Zur Vorgehensweise von der zweipoligen Schuldbeziehung zum SSD s. oben 4. Kapitel C. II. und III. 78 s. oben 2. Kapitel B. III. insbesondere bei Fn. 454. 79 s. unten 5. Kapitel D.

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

Anschaulichkeitsziele verwirklichen könnte, ist zwar wünschenswert, aber nicht notwendig, um sie aufrechtzuerhalten.

D. Erneute Analyse des primären Inhalts zweipoliger Schuldverhältnisse Eine erneute Analyse des primären Inhalts zweipoliger Schuldverhältnisse soll der Behandlung der Drittschutzproblematik zugrunde gelegt werden.80 Grundlegend ist die Unterscheidung zwischen Zentral- und Rahmenpflichten.81

I. Unterscheidung zwischen Zentral- und Rahmenpflichten 1. Kriterien und Inhalt der Unterscheidung Bei der Suche nach derjenigen Pflichtensystematisierung, die über die Rechtsgründe, die Pflichtentstehung und -inhalt innerhalb von Schuldverhältnissen bedingen, aufschlussreich sein und somit in Zusammenhang mit dem SSD nützliche Ergebnisse liefern kann, kann man auf die Überlegungen zurückgreifen, die bereits bei der Darstellung des Schuldverhältnisinhalts eine umfassende Beschreibung der verschiedenen Pflichten ermöglicht haben.82 Jene Systematisierung basiert auf einer Strukturierung der schuldrechtlichen Pflichten nach ihrem Verhältnis zu den mit dem Schuldverhältnis primär verfolgten Zwecken. Dort wird zwischen Haupt- und Nebenpflichten unterschieden. Insbesondere die Letztgenannten werden stufenweise gemäß ihrer besonderen Zweckgerichtetheit eingeordnet: von unmittelbar mit den Hauptpflichten verbundenen Verpflichtungen bis hin zu vollkommen selbständigen Nebenpflichten in der Form von Schutz- bzw. Rücksichtnahmepflichten. Eine ebenfalls auf die Zweckgerichtetheit der schuldrechtlichen Pflichten bezogene, jedoch verschiedene Absichten verfolgende und somit auf verschiedenen materiellen Schwerpunkten basierende Betrachtungsweise kann sich auch für die erforderliche funktionelle Untersuchung der Struktur des Schuldverhältnisses als nützlich erweisen: Aufgrund des Verhältnisses der jeweiligen Pflicht zum besonderen, durch das konkrete Schuldverhältnis verfolgten Zweck werden zwei Pflichtenkategorien herausgearbeitet: Zentral- und Rahmenpflichten. Zentralpflichten sind diejenigen Pflichten, die mit dem besonderen Schuldverhält___________ 80 Dabei geht es darum, der Hypothese der gläubigergleichen Drittstellung als Basis von Drittschutzwirkungen nachzugehen, s. oben 4. Kapitel C. II. und III. 81 s. unten 5. Kapitel D. I. 82 s. oben 5. Kapitel B. II.

D. Erneute Analyse

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niszweck unmittelbar verbunden sind bzw. insgesamt den besonderen Schuldverhältniszweck ausmachen.83 Demgegenüber sind als Rahmenpflichten diejenigen Verpflichtungen zu verstehen, die mit der besonderen Zielgerichtetheit des konkreten Schuldverhältnisses nur indirekt verbunden sind, indem sie direkt nur allgemeinen Zwecken dienen. Die Rahmenpflichten bilden also den allgemeinen, vom konkreten Obligationszweck unabhängigen Rahmen, innerhalb dessen die Zentralpflichten ihre besondere Finalität entfalten können. Insofern verleiht nur das Gefüge der Zentralpflichten den besonderen Charakter eines Schuldverhältnisses, während die Rahmenpflichten insgesamt den konstanten Hintergrund bilden, auf dem die konkrete, mit jeder einzelnen Schuldbeziehung besonders verbundene Zweckverfolgung ermöglicht werden soll. Auf diese erste funktionelle Betrachtung ist auch die ausgewählte Bezeichnung beider Pflichtenkategorien zurückzuführen. Am Beispiel etwa eines Kaufvertrages ist die besondere Zweckrichtung dieser Schuldbeziehung nicht nur in den Pflichten verkörpert, die den anvisierten Leistungsaustausch – Übergabe und Übereignung der mangelfreien Kaufsache einerseits und Zahlung des vereinbarten Kaufpreises andererseits (s. § 433 BGB) – unmittelbar verwirklichen sollen (Hauptpflichten84), sondern auch in denjenigen Nebenpflichten, die diese engere Zweckverwirklichung erweitern bzw. vervollständigen.85 In diesem Sinne dient etwa die Abnahmepflicht des Käufers (s. § 433 II BGB) der entsprechenden Entlastung des Verkäufers und somit der reibungslosen Abwicklung des Leistungsaustausches. Im Verhältnis zur Kaufpreiszahlung ist sie zwar nur eine Nebenpflicht, sie liegt trotzdem im besonderen Leistungsprogramm des Kaufvertrages, wie dieses von den Vertragsparteien und dem Gesetzgeber festgelegt wird. Demgegenüber kann das jeden Vertragspartner betreffende Gebot, bei der Vertragsabwicklung auf das Eigentum des Vertragspartners zu achten, nicht in die besondere Zielrichtung des konkreten Kaufvertrags aufgenommen werden. Dieses Gebot ist vielmehr unabhängig vom Vertragszweck relevant und immer auf eine eigene Zweckverfolgung gerichtet. Die Differenzierung zwischen Zentral- und Rahmenpflichten ist natürlich nicht auf rechtsgeschäftlich begründete Schuldbeziehungen beschränkt, sondern kann gleichermaßen in Bezug auf gesetzliche Schuldverhältnisse vorgenommen werden.86 Maßgebendes Kriterium ist auch hier das Verhältnis der fraglichen Pflichten zum besonderen Zweck, den der Gesetzgeber mit der Begründung des ___________ 83

Vgl. Krebs, Sonderverbindung, S. 5; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 5 II 2. s. zu diesen Pflichten oben 5. Kapitel B. II. 1. 85 Zu den verschiedenen Verhältnissen, in denen die Zielgerichtetheit der Nebenpflichten zu jener der Hauptpflichten stehen kann, s. oben 5. Kapitel B. II. 2. 86 Zur besonderen Problematik des Schuldverhältnisses der Vertragsverhandlungen (s. § 311 II BGB) und ähnlicher Schuldbeziehungen s. unten 5. Kapitel D. II. 84

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

betreffenden Schuldverhältnisses verfolgt. So gehört etwa zu den Zentralpflichten eines deliktischen Schuldverhältnisses nicht nur die eigentliche Schadensersatzpflicht, sondern auch die Pflicht des Schuldners, einen Termin mit dem Gläubiger zu einer passenden Zeit zu vereinbaren, um die Schadensersatzleistung – etwa die eigenhändige Reparatur der beschädigten Sache – vorzunehmen. Denn diese Verpflichtung fügt sich in die besondere Zielrichtung des Schuldverhältnisses – Entschädigung des Gläubigers für die unerlaubte Handlung – ein und kann folglich nur in Zusammenhang mit ihr bestehen. Im Gegensatz dazu gehört die Verpflichtung des Schuldners, bei der Reparatur der geschädigten Sache dem Schadensersatzgläubiger keinen weiteren Schaden zuzufügen, wegen ihrer allgemeinen Zweckgerichtetheit zu seinen Rahmenpflichten. Allgemein betrachtet sind insbesondere die Schutz- bzw. Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 II BGB der gesetzgeberischen Absicht entsprechend87 zu den Rahmenpflichten zuzurechnen, da bzw. sofern sie mit der besonderen Zielrichtung der konkreten Schuldbeziehung nicht verbunden sind, sondern immer nur dem abstrakten Schutz- bzw. Rücksichtnahmegebot dienen, das gleichermaßen für alle Schuldverhältnisse gilt.88 Inhaltlich entspricht darüber hinaus das hier dargestellte Systematisierungsschema der sich nach der Einführung von § 241 II BGB stark verbreitenden Meinung, die auf der Grundlage der Gegenüberstellung von §§ 241 I und II BGB zwischen leistungsbezogenen und nicht leistungsbezogenen Pflichten unterscheidet.89 Bei der Unterscheidung zwischen Zentral- und Rahmenpflichten geht es darum, ob eine Pflicht sich in den besonderen Schuldverhältniszweck einfügen lässt oder nur zum allgemeinen Rahmen gehört, der die Verfolgung jeglichen besonderen Zwecks erfasst. Dabei sind zwei Feststellungen von Bedeutung. Einerseits bilden auch die Rahmenpflichten einen Sonderrahmen. Sie stellen nämlich im Vergleich zu den allgemeinen, vor allem deliktischen, Verhaltensgeboten Sonderpflichten dar, nämlich Pflichten, die nur in Sonderbeziehungen – insbesondere in Schuldverhältnissen – gelten.90 Die oft vorhandene inhaltliche Ähnlichkeit der Rahmenpflichten innerhalb von Schuldbeziehungen mit den generell bindenden (deliktsrechtlichen) Bestimmungen außerhalb von Schuldverhältnissen darf also nicht über den Charakter der Rahmenpflichten als Sonder___________ 87

Vgl. RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 125. Allerdings sind Schutz- bzw. Rücksichtnahmepflichten nicht nur als Rahmenpflichten vorstellbar – s. dazu sogleich unten im Text. Inwiefern man auch weitere Pflichten in die Rahmenpflichten einnehmen kann, hängt vor allem damit zusammen, wie weit man die Begriffe „Schutzgewährung“ bzw. „Rücksichtnahme“ versteht. 89 s. Mattheus, JuS 2002, 211; Schwab, JuS 2002, 773; Teichmann, BB 2001, 1486 („leistungsbezogene“ und „sonstige Pflichten“); Schuldrecht 2002/Schultz, S. 44 ff; Das neue Schuldrecht/Medicus, Kap. 3, Rn. 129 (leistungsferne Pflichtverletzungen); FraHandbuch/Blenske, S. 108 f. 90 Zu dieser Unterscheidung s. oben 3. Kapitel C. III. 1. a) sowie 4. Kapitel A. 88

D. Erneute Analyse

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pflichten hinwegtäuschen. Demgemäß bilden die Rahmenpflichten ein Pflichtengefüge, das den Schuldverhältnisparteien im Vergleich zwar zum besonderen Zweck des konkreten Schuldverhältnisses allgemeine, gegenüber den unabhängig von Sonderverbindungen umfassend bindenden Regeln jedoch besondere Verhaltensgebote auferlegt. Dieses Pflichtengefüge nimmt also eine gewisse Zwischenstellung zwischen der allgemeinen (vor allem deliktischen) Verhaltensordnung und den Zentralpflichten in der Obligation ein.91 Andererseits ist der besondere Charakter des Schuldverhältniszwecks, dem die Zentralpflichten gewidmet sind, keineswegs im Sinne einer statistischen Seltenheit zu begreifen. Dagegen spricht bereits der Hinweis auf die unzähligen Kaufverträge, die ständig geschlossen werden; in den Zentralpflichten jedes einzelnen dieser Verträge ist meistens keine Besonderheit zu erblicken. Demgegenüber ist der besondere Charakter des den Zentralpflichten zugrunde liegenden Zwecks mit der Tatsache verbunden, dass er den besonderen Grund darstellt, aus dem die Vertragsschließenden bzw. das Gesetz das konkrete Schuldverhältnis entstehen lassen: Der insgesamt in den Zentralpflichten eines Schuldverhältnisses verkörperte Zweck und kein anderer ist für das konkrete Schuldverhältnis maßgeblich; er stellt also seinen eigenen, wenn auch üblichen, Zweck und somit seinen besonderen Entstehungsgrund dar. Bei einem Kaufvertrag etwa bildet die anvisierte Erfüllung der konkreten Hauptpflichten sowie aller Nebenpflichten, die mit ihnen in einer zweckbedingten Einheit stehen (Zentralpflichten), insgesamt das besondere Motiv für den konkreten Vertragsschluss, ähnlich wie die Schadenskompensation die mit der Anordnung konkreter deliktischer Schuldverhältnisse besonders verfolgte Zielrichtung ausmacht. Die Eigenschaft, den Entstehungsgrund von Schuldverhältnissen auszumachen, fehlt hingegen bereits begrifflich den Rahmenpflichten.92 Damit wird zugleich klar, dass die Bezeichnung bestimmter Verhaltensgebote als Zentral- oder Rahmenpflichten nur in Bezug auf konkrete Schuldverhältnisse erfolgen kann. Es kommt nämlich auf die Stellung an, welche die fraglichen Pflichten innerhalb einer bestimmten Obligation einnehmen. Die Bezeichnung bestimmter Pflichten als Zentral- oder Rahmenpflichten ist demzufolge keine Frage der unterschiedlichen Rechtsnatur der betreffenden Verhaltensgebote, sondern lediglich eine Aussage über ihre funktionelle Stellung in der je___________ 91 Diese funktionelle Zwischenstellung darf freilich nicht dahin verstanden werden, dass die Haftung für Rahmen- bzw. Schutzpflichtverletzungen eine „dritte Spur“ gegenüber der Vertrags- und der Deliktshaftung darstellen würde (so aber etwa Canaris, 2. FS Larenz, S. 84 ff und ZHR 163 (1999), 220 f; Gerhardt, JZ 1970, 599; MüKo(4)/Kramer, Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 81; SchAnwPra/Krebs, § 3, Rn. 27; Koziol, JBl 1994, 215; Anders, S. 172). Denn die Haftung für Rahmenpflichten ist ebenso wie die Haftung für Zentralpflichten dogmatisch als Haftung für die Verletzung von schuldrechtlichen Pflichten einzuordnen. 92 s. aber Fn. 86.

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weils vorliegenden Schuldbeziehung.93 Zentral nach dem hier vertretenen Konzept – dadurch ist auch ihre Benennung zu rechtfertigen – sind also diejenigen Pflichten, deren Erfüllung nach der Anlage des betreffenden Schuldverhältnisses insgesamt die Treibkraft für dessen Entstehung und Abwicklung gibt. Angesichts dieser konkreten und funktionellen Betrachtungsweise wäre es grundsätzlich ein Missverständnis, die Schutz- bzw. Rücksichtnahmepflichten im Rahmen dieses Schemas immer und zwangsläufig als Rahmenpflichten einzuordnen. Wie bereits angemerkt, erfüllen diese Pflichten meistens tatsächlich nur eine Rahmenfunktion, dies ist jedoch insofern nicht zwingend, als Schutzgewährung bzw. Rücksichtnahme zum zentralen Schuldverhältnisinhalt gehören oder sogar die besondere Zielrichtung des Schuldverhältnisses bedingen können, etwa wenn sie gerade den Entstehungsgrund des konkreten Schuldverhältnisses ausmachen; letzteres ist etwa bei einem Leibwächter- oder Verwahrungsvertrag (§§ 688 ff BGB) der Fall.94

2. Die materielle Rechtfertigung der Unterscheidung In Bezug auf die materielle Rechtfertigung der Unterscheidung zwischen Zentral- und Rahmenpflichten fragt es sich, inwiefern diese Differenzierung auf rechtlich erheblichen Gesichtspunkten basiert und somit nicht willkürlich, sondern sachgerecht ist, um die weitere Untersuchung stützen zu können. Dazu genügt darzulegen, dass die hier vorgenommene Systematisierung mit dem immanenten Rechtsgrund zusammenhängt, welcher der Entstehung und der Inhaltsbestimmung der jeweiligen Pflichten zugrunde liegt:95 Je nachdem, in welche der beiden Pflichtenkategorien sich eine bestimmte Pflicht einordnen lässt, ist die Richtung der Argumentation unterschiedlich, die für die Legitimierung ihrer Entstehung bzw. ihres konkreten Inhalts erforderlich ist. Der Entstehung und Inhaltsbestimmung von Zentralpflichten verleiht die konkrete Verbindung mit dem besonderen Schuldverhältniszweck die erforderliche materielle Rechtfertigung. Dies gilt natürlich auch für die zentralen Nebenpflichten, d.h. die Nebenpflichten, die mit den Hauptpflichten zweckbedingt zusammenhängen.96 Da sie zusammen mit den Hauptpflichten eine finale Einheit bilden, liegt nahe anzunehmen, dass die zentralen Nebenpflichten ebenfalls vom Partei- bzw. gesetzgeberischen Willen getragen werden, der die Entste___________ 93 Vgl. auch Thiele, JZ 1967, 650; Lackum, S. 155 für die Unterscheidung zwischen Leistungs- und Schutzpflichten. 94 Zu Überschneidungen von Zentral- und Rahmenpflichten s. unten 5. Kapitel D. IV. 95 Geradezu diese Frage ist für die anvisierte Rechtsfortbildung zur Rechtfertigung des SSD von grundlegender Bedeutung – s. oben 4. Kapitel C. II. und III. 96 s. oben 5. Kapitel C. I.

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hung der Hauptpflichten bestimmt, oder zumindest, dass die entsprechende Ergänzung dieses Willens durch den Rechtsanwender (mittels ergänzender Vertragsauslegung, Gesetzesauslegung, Anwendung von § 242 BGB oder Rechtsfortbildung) im Anschluss an den besonderen Schuldverhältniszweck geboten ist. Denn im Grunde handelt es sich hierbei um nichts anderes als um eine vernünftige, zweckmäßige Ausdehnung der vertraglich oder gesetzlich festgelegten Hauptpflichten. Insofern legt der finale Zusammenhang der fraglichen Pflichten mit dem besonderen Schuldverhältniszweck auch umgekehrt die äußere Grenze fest, innerhalb deren die derartige Begründung von Zentralpflichten im Rahmen der Anwendung allgemeiner Maßstäbe wie vor allem anhand von Treu und Glauben gerechtfertigt werden kann. Bei den Rahmenpflichten erweist sich hingegen eine solche Vorgehensweise bereits begriffsgemäß natürlich als unergiebig. Da ihnen eine von den Zentralpflichten unabhängige Zielrichtung eigentümlich ist, muss man einen anderen Rechtfertigungsweg suchen. Mit dieser Argumentation muss die Berufung auf (erläuternde oder ergänzende) Vertragsauslegung97 zur Begründung von Rahmenpflichten in aller Regel bereits an dieser Hürde scheitern. Abgesehen davon, dass eine Vertragsauslegung bei gesetzlichen Schuldverhältnissen zur Begründung von Rahmenpflichten überhaupt nicht in Frage kommt,98 muss man auch bei Vertragsbeziehungen davon ausgehen, dass sich die Vertragsparteien in aller Regel lediglich mit der Begründung von Zentralpflichten beschäftigen, da allein diese den Grund ihres Kontrahierens darstellen und den besonderen Zweck ihres Vertrages ausmachen. Insofern ist die Begründung von Rahmenpflichten grundsätzlich aus dem vertraglichen Regelungsplan auszunehmen, was ferner das Vorliegen einer Vertragslücke und somit die Möglichkeit ergänzender Vertragsauslegung ausschließt.99 Aus dem gleichen Grund darf man ebenso wenig mittels erläuternder Auslegung aufgrund einer objektivierten Betrachtung nach Treu und Glauben (s. § 157 BGB100) annehmen, dass die Vertragspartner in den gegenseitigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen den (konkludenten, aber wirklich vorhandenen) Willen zur Begründung von Rahmenpflichten ansehen müssten; dieser ginge nämlich über die Verwirklichung des durch den konkreten Vertrag verfolgten Zwecks hinaus.101

___________ 97 So tatsächlich etwa Kuhlmann, S. 100 ff; Reischl, JuS 2003, 45; SchwabWitt/Mattheus, S. 120. 98 Auch gesetzliche Schuldverhältnisse enthalten Rahmenpflichten, s. oben 5. Kapitel D. I. 1. sowie unten 5. Kapitel D. III. 3. b) aa). 99 s. oben 3. Kapitel B. III. 3. b) bb) (1). 100 Normativer Wille, s. oben 2. Kapitel B. I. 2. 101 s. auch Picker, AcP 183 (1983), 402 f (Fn. 105).

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II. Zentralpflichten; Schuldverhältnisse ohne Zentralpflichten Wie soeben geschildert, ist die Rechtfertigung von Zentralpflichten wegen ihrer Verbindung mit dem besonderen Schuldverhältniszweck im Rahmen der Vertragsauslegung oder der Anwendung von Generalklauseln (s. insbesondere § 242 BGB) allgemein unproblematisch. Damit soll freilich nicht gesagt werden, dass die Begründung von Zentralpflichten in konkreten Fällen überhaupt keine Probleme bereitet; im Gegenteil tauchen oft schwierige Abgrenzungsfragen auch hier auf.102 Da hier jedoch die konkrete Begründung einzelner Pflichten nicht interessiert, bedürfen solche Fragen prinzipiell auch nicht der gesonderten Behandlung.103 Was hier zu diesem Fragenkreis dennoch betont werden muss, ist die Feststellung, dass sich die Zentralpflichten keineswegs darauf beschränken müssen, die bestehende Vermögenslage des Gläubigers zu vermehren. Dabei sind nicht nur Schuldverhältnisse wie etwa das Verwahrungsverhältnis (s. §§ 688 BGB) gemeint, bei denen die Schuldnerpflichten ausschließlich auf die Erhaltung der Gläubigerrechtsgüter gerichtet sind. Auch bei Obligationen, bei denen der besondere Schuldverhältniszweck in der Vermehrung fremden Vermögens besteht, können Zentralpflichten dem Erhaltungsinteresse des Gläubigers dienen. Als einschlägiges Beispiel könnte man zunächst etwa das Mietverhältnis (s. §§ 535 ff) anführen, bei dem die besondere Zielrichtung der Vermieterpflichten grundsätzlich in der Gewährung des Mietsachegebrauchs (s. § 535 I S. 1 BGB) und somit in der entsprechenden Vermehrung des Mietervermögens liegt. Dennoch wird etwa bei einem Mietvertrag über eine Wohnung die Gefahrloshaltung der Wohnung durch den Vermieter und somit der Schutz der körperlichen Unversehrtheit des Mieters vor wohnungsspezifischen Gefahren unzweideutig von der Verpflichtung gemäß § 535 I S. 2 BGB erfasst.104 Insofern macht nicht die Überlassung der Wohnung überhaupt, sondern die Überlassung der Wohnung in einem ungefährlichen Zustand den besonderen Mietvertragszweck aus. Die entsprechenden, sich daraus ergebenden Pflichten des Vermieters zur Gefahrvorbeugung gehören folglich insgesamt zu dessen Zentralpflichten. Gleiches gilt nicht nur bei ausdrücklichen gesetzlichen Anordnungen, sondern auch bei Verpflichtungen, die aufgrund generalklauselartiger Rechtsanwendung – vgl. insbesondere §§ 157 und 242 BGB – entstehen, sofern die gebotene Erhaltung der Vermögenslage des Gläubigers zum besonderen Schuldverhältniszweck gehört bzw. wenn ein solcher Zentralpflichtinhalt eine nach den einschlägigen Gesetzes- bzw. Vertragsmaßstäben sinnvolle Ergänzung bzw. Konkretisierung des ___________ 102 Diese Probleme werden desto größer, je weiter sich die fraglichen Pflichten von der Zweckrichtung der einzelnen Hauptpflichten entfernen, s. auch oben 5. Kapitel C. II. 103 s. ansatzweise dazu oben 5. Kapitel B. II. 2. 104 s. auch etwa BGH v. 26.2.1957, NJW 1957, 826.

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besonderen Schuldverhältniszwecks darstellt: Bei einem Vermögensberatungsvertrag ist der Berater etwa nicht lediglich zur irgendwelcher, sondern vielmehr zur richtigen Beratung verpflichtet. Eine solche Schuldnerleistung soll den Gläubiger nicht nur in seinem Vermögen bereichern, sondern ihn auch vor Dispositionen schützen, die seine bestehende Vermögenslage vermindern können.105 Ein weiterer Aspekt der Stellung der Zentralpflichten in der Schuldbeziehung betrifft ihr Verhältnis zu den Hauptpflichten. In der vorangegangenen Darstellung106 wurde angenommen, dass die Hauptpflichten notwendigerweise einen – besonders schwerwiegenden Anteil – der Zentralpflichten darstellen: Das ganze Gefüge von Zentralpflichten baut sogar auf den Hauptpflichten auf, indem Nebenpflichten begründet werden, welche die durch die Hauptpflichten bedingte Zielrichtung des Schuldverhältnisses ergänzen und erweitern.107 Dementsprechend sind alle Hauptpflichten immer Zentralpflichten, die Zentralpflichten erschöpfen sich hingegen nicht in den Hauptpflichten, da zu den Zentralpflichten außerdem Nebenpflichten gehören, die mit den Hauptpflichten zweckbedingt zusammenhängen. Diese Regelaufstellung ist jedoch bei Schuldverhältnissen problematisch, die mit der Begründung oder zumindest mit dem Versuch zur Begründung anderer Schuldverhältnisse in der Weise verbunden sind, dass ihre Entstehung notwendigerweise nur durch den Bezug auf diese anderen Schuldverhältnisse sinnvoll erscheint. Hierbei geht es vor allem108 um das Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen (s. § 311 II BGB): Zwar wird seine Existenz anerkanntermaßen nicht (nachträglich) in Frage gestellt, wenn später kein gültiger oder überhaupt kein Vertragsschluss stattfindet.109 Die Feststellung einer derartigen rechtlichen Eigenständigkeit der vorvertraglichen gegenüber den vertraglichen Pflichten darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass irgendwelche Verbindung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses zu einem künftigen, zumindest abstrakt möglichen Vertragsschluss vorhanden sein muss, damit dieses Schuldverhältnis überhaupt entstehen kann. Diese Anforderung wird nunmehr durch § 311 II Nr. ___________ 105

s. auch Stoll, FS Hippel, S. 525 f. Neben Zentralpflichten können in solchen Fällen auch Rahmenpflichten relevant sein; allgemein zur Überschneidung von Zentralund Rahmenpflichten s. unten 5. Kapitel D. IV. 106 s. oben 5. Kapitel D. I. 1. 107 s. oben 5. Kapitel B. II. 2. 108 Ähnlich ist ferner die Problematik etwa beim Schuldverhältnis, das trotz nichtigen bzw. angefochtenen Vertrags zwischen den Vertragsschließenden allein mit Schutzbzw. Rücksichtnahmepflichten entsteht (s. zunächst oben 5. Kapitel B. II. 2. b) bei Fn. 42); auch hier ist der Bezug zum im Ergebnis gescheiterten Vertrag für die Schuldverhältnisentstehung unabdingbar. 109 s. etwa BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (54); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 8 I 1 c; Larenz, Schuldrecht AT, § 9 I 1 (S. 109).

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1 und 2 BGB eindeutig bestätigt, indem von „Vertragsverhandlungen“ und „Anbahnung eines Vertrages“ gesprochen wird.110 Angesichts dessen wäre es nicht sachgerecht, die Pflichten im Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen isoliert zu betrachten. Vielmehr kann ihr wahrer Charakter nur in Verbindung mit den Pflichten des Vertragsverhältnisses ermittelt werden, das durch die maßgeblichen Vertragsverhandlungen angebahnt wird.111 Aufgrund einer solchen Betrachtungsweise ergibt sich nun, dass die bei den Vertragsverhandlungen entstehenden Pflichten im Vergleich zu den Pflichten, die nach wirksamem Vertragsschluss entstehen werden, lediglich eine ähnliche Rahmenfunktion erfüllen, wie die Rahmenpflichten, die später innerhalb des Vertragsverhältnisses selbst gelten werden, falls es zu einem gültigen Vertragsschluss tatsächlich kommt. Das Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen ist nämlich ein lediglich vorbereitendes Stadium des möglicherweise künftig entstehenden Vertragsverhältnisses und erschöpft seinen Zweck insoweit dadurch, dieses Vertragsverhältnis möglichst reibungslos einzuleiten.112 Gerade darin ist auch der Grund dafür zu sehen, dass § 311 II BGB den Inhalt des einschlägigen Schuldverhältnisses auf die Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Verhandlungspartners beschränkt (s. § 311 II i.V.m. § 241 II BGB), die gewöhnlich den Inhalt der Rahmenpflichten ausmacht.113 Insoweit ist die Zielrichtung des Schuldverhältnisses der Vertragverhandlung im Vergleich zu den Zentralpflichten im anvisierten Vertragsverhältnis nur allgemeiner Natur; sie ist immer die gleiche unabhängig davon, welchen besonderen Zweck das bevorstehende Vertragsverhältnis genau verfolgen wird, falls es zustande kommen sollte. Diese Überlegungen belegen, dass alle Pflichten im Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen sowie in ähnlichen Schuldverhältnissen Rahmenpflichten sind. Ihren Bezugspunkt stellen die Zentralpflichten, nämlich die Hauptund die mit ihnen zusammenhängenden Nebenpflichten, des künftigen, bis zu diesem Zeitpunkt allerdings nur wahrscheinlichen Vertragsverhältnisses dar. Die ganze Schuldbeziehung der Vertragsverhandlungen steht also im Verhältnis zu den letztgenannten Pflichten in der gleichen funktionellen Rangordnung wie sonst die Rahmenpflichten, die innerhalb eines gültigen Vertragsverhältnisses ___________ 110 Auch § 311 II Nr. 3 BGB verlangt irgendeinen geschäftlichen Kontakt, s. dazu auch MüKo(4)/Emmerich, § 311, Rn. 68; Hk-BGB/Schulze, § 311, Rn. 17; Jauernig(11)/Stadler, § 311, Rn. 45; Krebber, VersR 2004, 155 f. Bloß „soziale“ Kontakte reichen für die Anwendung von § 311 II BGB hingegen nicht aus, s. etwa Emmerich, Leistungsstörungen, § 6, Rn. 13. 111 Vgl. Soergel/Wiedemann, Vor § 275, Rn. 121: „Die Rücksichtspflichten [im Rahmen der Vertragsverhandlungen] sind Vorwirkungen des in Aussicht genommenen Vertrages“. In diesem Sinne auch Schur, S. 227 ff. 112 Vgl. Hk-BGB/Schulze, § 311, Rn. 12. 113 s. oben 5. Kapitel D. I. 1.

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neben seinen Zentralpflichten bestehen, und ist folglich vollkommen als Rahmenschuldverhältnis zu bezeichnen. Von der Tatsache abgesehen, dass nach der h.M. die vorvertraglichen Pflichten ein eigenständiges Schuldverhältnis ausmachen,114 unterscheiden sie sich von den Rahmenpflichten innerhalb des bereits bestehenden Vertragsverhältnisses nur in zeitlicher Hinsicht: Sie gelten nicht gleichzeitig mit den interessierenden Zentralpflichten, sondern bereits vor und möglicherweise ohne, wenn es schließlich zu keinem gültigen Vertragsschluss kommt, deren Entstehung. Funktionsgemäß stellen beide Pflichtengruppen (Pflichten bei den Vertragsverhandlungen und Rahmenpflichten nach gültigem Vertragsschluss) gleichermaßen bloß den Hintergrund dar, auf dem die Zentralpflichten im Vertragsverhältnis ihre besondere Zielrichtung entfalten können; sie sind beide gleichermaßen Rahmenpflichtengruppen.115

III. Rahmenpflichten Das Korrelat der Zentralpflichten im Schuldverhältnis stellen die Rahmenpflichten dar. Ihre Existenz wird heute aufgrund einer jahrzehntenlangen Rechtsentwicklung in Rechtsprechung und Literatur praktisch einhellig angenommen oder sogar als selbstverständlich betrachtet.116 Das Ergebnis dieser Entwicklungsgeschichte von der vereinzelten Anordnung von Schutzpflichten in der ursprünglichen Fassung des BGB (s. vor allem § 618 BGB) bis hin zur grundsätzlichen Anerkennung der Rahmenpflichten als Bestandteil jeder Schuldbeziehung wird nunmehr in § 241 II BGB auch gesetzlich bestätigt.117 Über die Anerkennung der formellen Existenz der Rahmenpflichten hinaus be___________ 114 Diese Annahme ist jedoch nicht denknotwendig; andere Konstruktionen können die funktionelle Stellung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses im Verhältnis zu den anvisierten, vertraglich begründeten Pflichten besser erklären – s. ansatzweise Fn. 115. 115 Die funktionelle Gleichstellung der vorvertraglichen Pflichten zu den Rahmenpflichten nach Vertragsschluss betont vor allem die Lehre vom einheitlichen gesetzlichen Schutzverhältnis (grundlegend Canaris, JZ 1965, 478 ff). Entsprechend dieser Erkenntnis sind m.E. die Rahmenpflichten im Stadium der Vertragsverhandlungen sowie die Zentral- und Rahmenpflichten nach Vertragsschluss insgesamt in eine einzige, einheitliche und übergreifende Schuldbeziehung einzuordnen. 116 Die einschlägige Diskussion wird freilich vornehmlich in Bezug auf die Schutzpflichten geführt. Dies ist allerdings eher auf die prägende Stellung der Schutzpflichten innerhalb der Rahmenpflichten (s. auch unten 5. Kapitel D. III. 1.) bzw. eher auf ein weiteres Verständnis des Inhalts der Schutzpflichten zurückzuführen als auf eine bewusste materielle Einschränkung der verwendeten Argumente auf diese Pflichtengruppe. 117 Allerdings unter anderer Terminologie (Rücksichtnahmepflichten). Zur gesetzgeberischen Absicht s. RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 125 f. Diese Feststellung wird unter dem Stichwort „Schutzpflichten“ auch von der Literatur zum neuen Schuldrecht ohne Zweifel angenommen, s. etwa Palandt(65)/Heinrichs, § 241, Rn. 6 ff; SchAnwPra/ Krebs, § 3, Rn. 2 ff; Hk-BGB/Schulze, § 241, Rn. 1; Das neue Schuldrecht/Medicus, Kap. 3, Rn. 129 f; Faust in Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Rn. 3/8.

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steht auch eine grundsätzliche Einigkeit über die praktischen Ergebnisse, die dadurch erzielt werden sollen.118 Dennoch bleiben viele einschlägige Fragen weiterhin offen; im Mittelpunkt steht dabei vor allem der Rechtsgrund,119 der die Rahmenpflichtentstehung trotz fehlenden Zusammenhanges mit dem jeweiligen besonderen Schuldverhältniszweck legitimieren und als Basis für die Lösung einschlägiger Rechtsfragen dienen soll.

1. Zum Inhalt der Rahmenpflichten Die grundlegende Unterscheidung zwischen Zentral- und Rahmenpflichten stellt nicht auf den jeweiligen Pflichteninhalt an sich, sondern vielmehr allein auf die funktionelle Pflichtenstellung innerhalb der Schuldbeziehung ab.120 Im Prinzip ist also jede Leistungserbringung sowohl als Zentral- als auch als Rahmenpflichtinhalt möglich. Diesem Ausgangspunkt widerspricht die Feststellung nicht, dass sich die Rahmenpflichten in aller Regel bestimmte Inhalte aufweisen, die mit ihrer strukturellen Stellung im Schuldverhältnis zusammenhängen. Versucht man nun den in diesem Sinne üblichen Rahmenpflichtinhalt umfassend zu beschreiben, so ist insbesondere die Formulierung des § 241 II BGB heranzuziehen, welche die Verpflichtung jeder Schuldverhältnispartei zum Ausdruck bringt, Rücksicht121 auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils zu nehmen. Darunter sind insbesondere die Pflichten zur Vermeidung oder sogar zur aktiven Abwehr von Beeinträchtigungen an den bestehenden Rechten, Rechtsgütern und Vermögensinteressen des Schuldverhältnispartners (Schutzpflichten) hervorzuheben. Durch diese Pflichtengruppe sollen Verschlechterungen an der bereits unabhängig vom konkreten Schuldverhältnis bestehenden Vermögenslage des Schutzpflichtgläubigers (etwa Verletzung seiner Gesundheit oder Verminderung seines bereits vorhandenen Vermögens), sei es im Sinne von positiven Schäden oder in der Form entgangenen Gewinns (vgl. § 252 BGB)122 vermieden werden. Darüber hinaus sind unter die Rücksicht___________ 118

s. Picker, AcP 183 (1983), 438 ff; Medicus, Gutachten, S. 489; Krebs, Sonderverbindung, S. 31. 119 s. unten bei Fn. 137. 120 s. oben 5. Kapitel D. I. 1. 121 Die Rücksichtnahme an sich stellt freilich nur die allgemeine Zielrichtung der einzelnen Rahmenpflichten, nicht den genauen Pflichtinhalt dar. 122 Im Beispiel einer Körperverletzung des Vertragspartners müssen nicht nur die Genesungskosten, sondern auch der Gewinn kompensiert werden, der erzielt wäre, wenn die Körperverletzung nicht stattgefunden hätte. Die entsprechende (primäre) Schutzpflicht dient also nicht nur zur Abwehr positiver Schäden, sondern schützt den Schutzpflichtgläubiger zumindest mittelbar auch vor Gewinnverlusten. Bereits diese Überlegung zwingt dazu, die Aussage, die Schutzpflichten seien auf Erhaltung des status quo gerichtet – s. oben bei Fn. 46 –, cum grano salis zu nehmen.

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nahmepflichten Verhaltensanforderungen einzuordnen, die zur Abwehr einer nachteiligen oder zur Förderung einer vorteilhaften Position des anderen Teils dienen sollen, die mit dem Zustandekommen sowie der gerechten Ausgestaltung und Durchführung eines konkreten Schuldverhältnisses verbunden ist. Hierzu gehören etwa Informationspflichten, die rechtsgeschäftliche Entscheidungen der anderen Seite stützen oder die Ausübung ihrer Rechte aus dem Schuldverhältnis erleichtern sollen. Gemäß diesem Schema bilden die Schutzpflichten zwar einen gewichtigen, keineswegs jedoch den einzigen Teil der Rücksichtnahmepflichten nach § 241 II BGB: Sofern man die Schutzpflichten irgendwie mit der Schadensabwehr hinsichtlich der unabhängig von der konkreten – sei es nur anvisierten – Schuldbeziehung bestehenden Interessenlage einschließlich der darin enthaltenen Vermögensaussichten verbinden will, so muss man sie zumindest von den Pflichten grundsätzlich unterscheiden, die auf die Verbesserung der Gläubigerposition innerhalb der maßgeblichen Schuldbeziehung abzielen.123 Natürlich kann eine einzige Pflicht gleichzeitig beide Zielrichtungen verfolgen und insoweit beiden Pflichtenkategorien angehören. Mit diesen Überlegungen wird das Verhältnis zwischen Rahmen-, Rücksichtnahme- und Schutzpflichten bestimmt. Die Rahmenpflichten bestehen vor allem bzw. in aller Regel nur aus Rücksichtnahmepflichten, die ihrerseits großenteils auf die Gefahrabwehr zu Gunsten bereits bestehender Positionen des Gläubigers gerichtet sind und somit als Schutzpflichten verstanden werden sollen. Allerdings verpflichten nicht nur die Rahmenpflichten zur Rücksichtnahme bzw. zur Schutzgewährung; auch Zentralpflichten können darauf angelegt sein.124 Trotzdem wird in diesem Zusammenhang von Schutz- und Rücksichtnahmepflichten hauptsächlich in ihrer Eigenschaft als Rahmenpflichten gesprochen; ebenfalls werden die Begriffe „Rahmen-“ und „Rücksichtnahmepflichten“ grundsätzlich als Synonyme verwendet.

___________ 123 Ausführlicher zu dieser Unterscheidung s. unten 5. Kapitel D. IV. 2. a). Den vollkommen entgegengesetzten Standpunkt vertreten hingegen Kuhlmann, S. 102 ff und ihm folgend Pohlmann, S. 26 und 27: Die Verhaltensgebote, die das Interesse des Gläubigers auf Zentralpflichterfüllung (Leistungsinteresse im herkömmlichen Sinne) decken, seien alle zu den Schutzpflichten zuzuzählen, so dass jeder, auch an die Verletzung von Zentralpflichten anknüpfenden Schadensersatzpflicht eine Schutzpflichtverletzung zugrunde liegen müsse (so eindeutig Kuhlmann, S. 109). 124 So etwa die Zentralpflichten aus einem Verwahrungsvertrag (§ 688 BGB) – s. oben 5. Kapitel D. II.

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2. Begründung von Rahmenpflichten: Aufstellung der maßgeblichen Grundfrage Die diskutierte Einordnung der Rahmenpflichten in das Schuldverhältnis bedeutet zunächst, dass sie den Status von Sonderpflichten erhalten. Diese Sonderstellung ist in zweierlei Hinsicht zu verstehen: Die Rahmenpflichten sind einerseits besondere Pflichten in dem Sinne, dass sie anders als die jedermann verpflichtenden – insbesondere deliktsrechtlichen – Verhaltensgebote nur innerhalb bestimmter Rechtsverhältnisse (Schuldbeziehungen) das erforderliche Parteiverhalten regeln sollen.125 Andererseits verkörpern sie ein weitgehend erhöhtes Schutzniveau für den Rahmenpflichtgläubiger, indem sie ihm größere Vorteile gewähren als die unabhängig von Sonderbeziehungen geltenden Rechtssätze. Dies gilt zunächst für die Primärpflichtebene: Die Rahmenpflichten verpflichten häufig zu Handlungen, die darüber hinausgehen, was vom Verpflichteten nach den außerhalb der Sonderverbindung allgemein geltenden Regeln verlangt werden könnte, wie bereits der umfassende Schutz vor primären Vermögensschäden bestätigt, der grundsätzlich nur innerhalb von Schuldbeziehungen möglich ist. Darüber hinaus gewährleistet die Einordnung der Rahmenpflichten in das Schuldverhältnis eine für den Rahmenpflichtgläubiger günstigere Rechtslage auf Sekundärpflichtebene, weil im Falle einer Pflichtverletzung die Entstehung von Schadensersatzpflichten nach den großenteils schärferen – vgl. etwa §§ 278 und 831 BGB – Vertragshaftungsregeln beurteilt wird.126 Insofern muss man bei den Rahmenpflichten generell von einem Pflichtengefüge mit insgesamt gesteigerten Verhaltensanforderungen (Sonderverhaltensordnung) ausgehen. Diese Annahme ist wichtig, weil sich auf deren Basis ein überzeugendes Modell für die Einordnung der Rahmenpflichten in die Sonderbeziehung entwickeln lässt.127 Die Zentralfrage, die im Folgenden behandelt werden soll, betrifft nun die materiellen Rechtsgründe, welche die Einordnung der Rahmenpflichten als eine Sonderverhaltensordnung gegenüber allgemeinen (vornehmlich deliktischen) Pflichten in die Schuldbeziehung rechtfertigen. Diese Untersuchung soll ferner die generelle Zielrichtung aufzeigen, die für die Begründung von Rahmenpflichten maßgebend und somit für die sachgerechte Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben unabweisbar ist.128 Zu klären gilt zunächst, dass bei diesem Anliegen § 241 II BGB kaum hilfreich ist,129 da sich § 241 II BGB kaum eine fassbare Aussage über die Entste___________ 125 126 127 128 129

s. auch oben 3. Kapitel C. III. 1. a) sowie 4. Kapitel A. s. auch oben 5. Kapitel C. II. s. unten 5. Kapitel D. III. 3. b) und c). s. oben 5. Kapitel C. II. s. dazu bereits oben 5. Kapitel C. II.

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hungsvoraussetzungen und den genauen Inhalt der Rahmenpflichten entnehmen lässt.130 Darüber hinaus liegt es sogar nahe anzunehmen, dass § 241 II BGB nicht einmal die Rechtsgrundlage für die Annahme von Rahmenpflichten darstellt.131 Seine Funktion besteht vielmehr nur darin, die seitens der Rechtsprechung und der Literatur anerkannte Einfügung von Rahmenpflichten in das Schuldverhältnis zu bestätigen und somit mögliche Zweifel daran ausschließen. Bereits die Formulierung der Vorschrift („kann“) deutet darauf hin, dass die Festlegung von Voraussetzungen für die Annahme konkreter Rahmenpflichten gar nicht zum gesetzgeberischen Plan gehört. Insofern darf man in § 241 II BGB keinen unvollständigen Rechtssatz ansehen, der mittels Rechtsfortbildung um die Entstehungsvoraussetzungen der Rücksichtnahmepflichten vervollständigt werden sollte. Gleich wie beim ähnlich formulierten § 311 III S. 1 BGB muss man auch bei § 241 II BGB den Schluss ziehen, dass das Gesetz in dieser Vorschrift die Möglichkeit zur Begründung von Rahmenpflichten anerkennt, ohne ihre Entstehung zugleich anzuordnen.132 Dafür muss man hingegen auf andere Begründungsmöglichkeiten abstellen; zu den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zählt etwa § 311 II BGB, der tatsächlich als die Rechtsgrundlage vorvertraglicher Rahmenpflichten angesehen werden kann. Es ist demnach nur folgerichtig, den Normierungsgehalt von § 241 II BGB hinsichtlich der Regelung der Rahmenpflichten auf die – dogmatisch freilich nicht unerhebliche – Klarstellung zu beschränken, dass die Annahme von Rücksichtnahmepflichten als Teil von Schuldbeziehungen von Rechts wegen nicht zu beanstanden ist bzw. dass Rahmenpflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme in nennenswertem Umfang innerhalb von Schuldbeziehungen bestehen.133 Dieser Befund ist jedoch angesichts der verfestigten Existenz der betreffenden Pflichten in Rechtsprechung und Literatur von geringer praktischer Bedeutung. Auch nach Einführung von § 241 II BGB bedarf also zur Ermittlung der Rechtsgründe, die die Annahme von Rücksichtnahmepflichten stützen, weiterhin der Bezugnahme auf bereits vor § 241 II BGB existierende Erklärungsmodelle.134 Diese Vorgehensweise liegt sogar im Sinne der vorgenommenen Ge___________ 130

s. Fn. 73. Schapp, JZ 2001, 584; Reischl, JuS 2003, 45 (nicht zuzustimmen ist bei ihm jedoch der Heranziehung der Vertragsauslegung in diesem Bereich, s. oben 5. Kapitel D. I. 2.); Jauernig(10)/Vollkommer, § 241, Rn. 10; Lorenz/Riehm, Rn. 356; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 21; Erman(11)/Hohloch, § 242, Rn. 88. A.A. offenbar Jauernig(11)/Mansel, § 241, Rn. 10; Hk-BGB/Schulze, § 241, Rn. 1; FraHandbuch/Blenske, S. 109 und 142. 132 Vgl. oben 4. Kapitel B. II. Vgl. ferner SchAnwPra/Krebs, § 3, Rn. 5; Reischl, JuS 2003, 45. 133 s. auch SchAnwPra/Krebs, § 3, Rn. 5. 134 Diese beschäftigen sich praktisch ausschließlich mit der Begründung von Schutzpflichten (zur Bedeutung dieses Umstandes s. zunächst Fn. 116); die Letztgenannten scheinen tatsächlich die größten Begründungsschwierigkeiten zu bereiten, offenbar weil 131

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setzesänderung: Nach der ausdrücklich erklärten gesetzgeberischen Absicht soll die eingeführte Vorschrift keine inhaltlichen Änderungen an der herkömmlichen Schutzpflichtenlehre herbeiführen;135 diese soll vielmehr in das BGB lediglich deshalb aufgenommen werden, um den zu jener Zeit von der Rechtsprechung praktizierten Rechtszustand wiederzugeben.136 Trotzdem können hier die in Literatur und Rechtsprechung zum Ausdruck kommenden Auffassungen nicht angesprochen werden. Die Darstellung und kritische Betrachtung jedes Erklärungsmodells würden angesichts der Breite der jahrzehntenlangen einschlägigen Diskussion den Rahmen dieser Arbeit vollkommen sprengen. Die nachfolgende Untersuchung beschränkt sich also darauf, diejenigen Gesichtspunkte herauszuarbeiten und zu betonen, die für die Begründung eines überzeugenden Rahmenpflichtkonzepts erforderlich sind, das seinerseits den weiteren Überlegungen über die Rechtfertigung des SSD dienen könnte. Hinsichtlich der bereits in der Literatur eingeschlagenen Lösungswege genügt hier die Feststellung, dass sie ein bemerkenswert ausgedehntes Spektrum abdecken: Sie reichen von der absoluten Ablehnung der Schutzpflichten als Schuldverhältnispflichten und dem entsprechenden Versuch, alle praktischen Probleme aufgrund – möglicherweise rechtsfortbildend eingeführter (auffälliges Stichwort: Berufshaftung) – deliktsrechtlicher Rechtssätze zu lösen, über die Bezugnahme auf vertrauensorientierte Bezugspunkte, auf die Grundanforderung des „neminem laedere“ oder auf den (qualifizierten) sozialen Kontakt bis hin zur Heranziehung rein rechtsgeschäftlicher Instrumente oder zur Berufung auf Gewohnheitsrecht.137 Trotz dieser Vielfalt an Begründungsversuchen und trotz der erheblichen Unterschiede der innerhalb des ganzen Lösungsspektrums miteinander konkurrierenden Meinungen kann man mit gewisser Sicherheit einige Ausgangspunkte als zutreffend betrachten und der nachfolgenden Untersuchung zugrunde legen. All diese Gesichtspunkte werden ganz überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertreten und sind auch mit § 241 II BGB vereinbar. Dabei handelt es sich zunächst um die Unterstellung, dass die Existenz der Rahmenpflichten als Sonderpflichten einen festen Bestandteil des geltenden Rechts darstellt.138 Ab___________ sie eine auffällige Konkurrenz mit dem Deliktsrecht aufweisen (s. oben 5. Kapitel C. II.). 135 s. RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 125. 136 s. Canaris, JZ 2001, 519. 137 Einen guten Überblick über die verschiedenen Stellungnahmen s. bei Krebs, Sonderverbindung, S. 33 ff sowie analytischer S. 150 ff mit vielen Nachweisen. Selbst sieht Krebs, Sonderverbindung, S. 252 f, die gesuchte Rechtsgrundlage im Gewohnheitsrecht. 138 Lediglich die auf deliktsrechtliche Lösungen angelegten Erklärungsmodelle widersprechen der hier angenommenen Einordnung der Rahmenpflichten in das Schuldverhältnis. Aber auch sie bestätigen die rechtspolitische Notwendigkeit des eingeschla-

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gesehen davon nimmt man an, dass die Einordnung von Rahmenpflichten in das Schuldverhältnis objektivrechtlich geboten ist.139 Schließlich muss man in diesem Zusammenhang ohne jeden Zweifel davon ausgehen, dass sich konkrete Rahmenpflichten in der Regel140 aus einem – wie auch immer begründeten – generalklauselartigen Rechtssatz ergeben:141 Sie entstehen erst durch die Konkretisierung abstrakter Maßstäbe – insbesondere von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB – unter wertender Berücksichtigung aller erheblichen Umstände des konkreten Falls.142 Diese drei Gesichtspunkte (objektivrechtliche Begründung von Rahmenpflichten als Sonderpflichten aufgrund eines generalklauselartigen Rechtssatzes) werden im Folgenden für gegeben gehalten. Bei der weiteren Untersuchung wird also nicht die Frage gestellt, ob Rahmenpflichten eine Sonderverhaltensordnung innerhalb von Schuldbeziehungen bilden, sondern lediglich die Frage, warum dies der Fall ist. Insofern kann nun die vorher aufgestellte Grundfrage etwas präziser formuliert werden: Es fragt sich nach den materiellen Rechtsgründen, welche die objektivrechtliche Anordnung von Rahmenpflichten als Sonderpflichten rechtfertigen.

3. Stellungnahme zur Begründung von Rahmenpflichten a) Die zutreffende Betrachtungsweise Die Behandlung der Problematik über die materielle Rechtfertigung einer Sonderverhaltensordnung, die mit dem besonderen Schuldverhältniszweck nicht unmittelbar verbunden ist143 (Rahmenpflichten), kann nicht auf der Basis der Vorstellung erfolgen, dass die faktischen Umstände innerhalb von Schuldverhältnissen in einer bestimmten Hinsicht unterschiedlich wären gegenüber denjenigen, die außerhalb von Sonderbeziehungen unter der Herrschaft der jedermann betreffenden Verhaltensgebote stehen. Denn abgesehen davon, ob solche ___________ genen Wegs, indem sie bloß eine dogmatisch zutreffende Grundlage bieten wollen, um möglichst die gleichen praktischen Ergebnisse zu erzielen, wie die h.M. – vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere Picker, AcP 183 (1983), 438 ff. 139 Dies ist auch die Grundvorstellung der durchaus meisten Erklärungsmodelle; hierher gehören im Grunde genommen auch deliktsrechtlich konzipierte Lösungsansätze, da sie rechtsgeschäftliche Begründungen ebenfalls ablehnen. 140 s. aber etwa § 618 BGB. 141 Dies betrifft freilich nicht die Entstehung der Sonderverhaltensordnung der Rahmenpflichten als Ganzes, sondern nur ihre konkrete Ausgestaltung mit einzelnen Verhaltensgeboten. 142 s. auch oben 5. Kapitel C. I. 143 s. oben 5. Kapitel D. I.

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Umstände überhaupt als tragende Rechtfertigungsgründe dienen können, was ohnehin sehr zweifelhaft erscheint, gibt es unter den möglicherweise erheblichen Gegebenheiten keine, die ausschließlich innerhalb oder außerhalb von Schuldbeziehungen vorzufinden wäre, so dass ihr Bestehen bzw. Nichtbestehen den entscheidenden Unterscheidungsmaßstab darstellen und somit die materielle Erklärung der Rahmenpflichten liefern könnte. Dies belegt vor allem die durchaus berechtigte Kritik gegen Ansätze zur Lösung der Schutzpflichtenproblematik, die das entscheidende Differenzierungsmerkmal der Schutzpflichten gegenüber dem Deliktsrecht in einem (in irgendeiner Hinsicht) besonderen Vertrauenstatbestand, in einem gesteigerten sozialen Kontakt oder in den erhöhten Einwirkungsmöglichkeiten zwischen den Schuldverhältnisparteien und der größeren Wahrscheinlichkeit gegenseitiger Schädigungen glauben finden zu können. Denn Konstellationen, in denen besonderes Vertrauen vom Geschädigten gewährt und vom Schädiger in Anspruch genommen wird, ein gesteigerter sozialer Kontakt zwischen Schädiger und Geschädigtem vorliegt oder erhöhte Einwirkungs- bzw. Schädigungsmöglichkeiten eröffnet sind, sind keine ausschließlich in Schuldverhältnissen vorkommenden Umstände und können folglich nicht als Rechtfertigungsmerkmale dienen.144 Diese Feststellung wird durch den Vergleich der Konstellationen, in denen vertragliche Schutzpflichten entstehen, mit Fallgestaltungen bei der Teilnahme am Straßenverkehr deutlich: Die Letztgenannten weisen zwar die als Differenzierungsmerkmale in Frage kommenden faktischen Gegebenheiten ebenfalls auf, haftungsrechtlich sind sie jedoch unzweifelhaft durch das Deliktsrecht geregelt. Der Fußgänger etwa, der beim grünen Lichtzeichen die Straße überquert, tut dies in geradezu blindem Vertrauen darauf, dass der entgegenkommende Autofahrer rechtzeitig anhalten wird. Zugleich befinden sich der die Straße überquerende Fußgänger und der gerade vor ihm haltende, nunmehr auf das grüne Lichtzeichen wartende Autofahrer in einer besonderen räumlichen Nähe, die auch erhöhte Einwirkungs- und somit größere Schädigungsmöglichkeiten verursacht. Sogar ein kommunikatives Handeln zwischen den Verkehrsteilnehmern, das zweifellos einen gesteigerten sozialen Kontakt begründet, wie etwa das Winken eines hilfsbereiten Verkehrsteilnehmers an den ihm folgenden und in einer unübersichtlichen Lage befindlichen Autofahrer, kann vorhanden sein, ___________ 144 s. vor allem die tiefgründige Kritik von Picker, AcP 183 (1983), S. 410 ff. So auch etwa Soergel/Wiedemann, Vor § 275, Rn. 121 f. Das eigene Lösungskonzept Pickers auf der Grundlage des Prinzips von „neminem laedere“ (a.a.O. S. 460 ff und JZ 1987, 1047 ff) kann jedoch kaum eine überzeugendere Erklärung bieten. Denn die sich daraus ergebende Notwendigkeit zur Begründung der Nichthaftung lässt sich mit der heutigen zivilrechtlichen Haftungsordnung nicht vereinbaren. Gegen die Berufung auf den Vertrauensgedanken insbesondere im Stadium der Vertragsanbahnung s. ferner etwa Pohlmann, S. 54 ff; MüKo(4)/Emmerich, § 311, Rn. 61; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 8 I 6 a und b; etwa Emmerich, Leistungsstörungen, § 6, Rn. 9.

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ohne jedoch an der ausschließlichen Anwendung deliktsrechtlicher Regeln etwas ändern zu können.145 Zu beachten ist auch, dass die mit der Vertrauensgewährung, dem gesteigerten sozialen Kontakt oder den erhöhten Einwirkungsmöglichkeiten häufig unzweifelhaft verbundene Intensivierung der bestehenden Schadensrisiken haftungsrechtlich bereits im Rahmen des jedermann verpflichtenden Deliktsrechts durch die gleichlaufende Intensivierung der entsprechenden Haftungsrisiken kompensiert wird: Die faktische Erhöhung der Schädigungswahrscheinlichkeit bzw. die faktische Erweiterung des möglichen Schadensausmaßes wegen des intensiveren Rechtsgüterkontakts wird durch die entsprechende faktische Erhöhung der Haftungswahrscheinlichkeit bzw. durch die faktische Erweiterung des zu erwartenden Haftungsausmaßes ausgeglichen.146 Aber auch umgekehrt sollte man darauf hinweisen, dass die faktischen Umstände, die für die Rechtfertigung der schuldrechtlichen Schutzpflichten offenbar in Frage kommen, oft auch innerhalb von Schuldverhältnissen kaum jenes kritische Ausmaß erreichen, das ihnen als Differenzierungsmerkmale gegenüber rein deliktischen Tatbeständen eine gewisse Überzeugungskraft verleihen könnte. So lässt sich allein unter Bezugnahme auf solche faktischen Gegebenheiten kaum einsehen, warum etwa bei einem alltäglichen Barkauf in einem Selbstbedienungsladen vorvertragliche Rahmenpflichten zum körperlichen Schutz des Käufers entstehen:147 Die psychische Einstellung der Schuldverhältnisparteien (Gewährung und Inanspruchnahme von Vertrauen) und die objektive gegenseitige Rechtsgüterberührung (Einwirkungsmöglichkeiten bzw. Intensität des sozialen Kontakts) sind kaum anders als etwa in dem Fall, dass ein Fußgänger durch eine vom Grundstückseigentümer dem öffentlichen Verkehr freigegebene Passage geht,148 und jedenfalls von geringerer Intensität als in Fallgestaltungen bei der Teilnahme am Straßenverkehr; trotzdem entstehen in beiden letztgenannten Konstellationen lediglich deliktische (Verkehrs-)Pflichten. Der hier vorzunehmende Erklärungsversuch darf sich also nicht auf die Suche nach tatsächlichen Unterschieden in den haftungsbegründenden Tatbeständen innerhalb und außerhalb von Schuldverhältnissen konzentrieren.149 Der einzige Grund, der die Geltung der Sonderverhaltensordnung der Rahmenpflichten (einschließlich der Schutzpflichten) allein innerhalb von Schuldverhältnissen im ___________ 145 Ähnliche Beispiele hat bereits Larenz, MDR 1954, 517, in die gleiche Argumentationsrichtung verwendet. S. auch etwa Picker, AcP 183 (1983), S. 413 f sowie 421 f; Pohlmann, S. 72 ff. 146 s. Picker, AcP 183 (1983), 417. 147 s. etwa den Sachverhalt bei BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51. 148 Zu den einschlägigen Verkehrs(sicherungs-)pflichten in solchen Fällen, s. etwa Palandt(65)/Sprau, § 823, Rn. 219 ff. 149 Vgl. Picker, AcP 183 (1983), 430.

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Gegensatz zu den von allgemeinen, jedermann verpflichtenden Rechtssätzen geregelten Fallgestaltungen rechtfertigen könnte, ist allein die Existenz bzw. die Möglichkeit der Existenz einer Schuldbeziehung selbst.150 Demgemäß ist lediglich die rechtliche Bewertung der oft gleichen faktischen Umstände danach, ob sie innerhalb oder außerhalb einer Schuldbeziehung vorliegen, jeweils anders. Die für diesen Zusammenhang aufstellte Grundfrage151 muss aufgrund dieser Einsicht etwas umformuliert werden: Zu fragen ist nämlich nach den maßgebenden objektivrechtlichen Wertungen, die das Vorliegen einer Schuldbeziehung als das entscheidende Rechtfertigungsmerkmal für die Ungleichbehandlung der gleichen Umstände hervorheben, die auch außerhalb von Schuldverhältnissen vorkommen (können). Die Rechtfertigung der Rahmenpflichten stellt also grundsätzlich keinen deskriptiven, sondern einen normativen Argumentationsvorgang dar. In diesem Schema können faktische Gegebenheiten wie die Gewährung von Vertrauen nur Anhaltspunkte für die richtige Konkretisierung abstrakter Maßstäbe – vor allem Treu und Glauben gemäß § 242 BGB – in bestimmten Fallgestaltungen anbieten.

b) Zur materiellen Rechtfertigung von Rahmenpflichten aa) Zweckförderungsfunktion als allgemeiner Orientierungspunkt Jedes rechtsgeschäftlich oder gesetzlich begründetes Schuldverhältnis verfolgt einen besonderen Zweck, der auch den Grund für die Entstehung dieses Schuldverhältnisses darstellt und durch die Erfüllung der Zentralpflichten unmittelbar verwirklicht wird.152 Diesem Zweck verleiht bereits seine Einordnung unter die Rechtsfigur eines (gültig entstandenen) Schuldverhältnisses einen rechtsverbindlichen Charakter in dem Sinne, dass seine Verfolgung in der Form der Erfüllung von Zentralpflichten nicht im Belieben jeder Schuldverhältnispartei liegt. Objektiv betrachtet liegt die maßgebliche Zweckverwirklichung folglich, sofern zumindest eine der Schuldverhältnisparteien weiterhin ein Interesse daran hat, auch im Interesse der Rechtsordnung, die auch die geeignete Regelungsumgebung aufstellen muss, um die maßgebliche Zweckerreichung – erforderlichenfalls sogar zwangsweise – zu ermöglichen. In diesem Sinne stehen ___________ 150

Vgl. Krebber, VersR 2004, 153 ff. Vgl. ferenr sogar Canaris, 2. FS Larenz, S. 107 f (ihm folgend Junker, Vertretung, S. 39 f), der zwar mit dem Konzept der Vertrauenshaftung argumentiert, die Haftung für Schutzpflichtverletzungen jedoch nur im Rahmen der Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr zulassen will. 151 s. oben 5. Kapitel D. III. 2. 152 s. oben 5. Kapitel D. I. 1. Zur besonderen Stellung des Schuldverhältnisses der Vertragsverhandlungen (§ 311 II BGB) und ähnlicher Schuldbeziehungen (Rahmenschuldverhältnisse) s. oben 5. Kapitel D. II.

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dem Gläubiger etwa verschiedene Rechtsinstrumente zur Verfügung, um seinen Anspruch auf primäre Erfüllung durchzusetzen. Die Rahmenpflichten erfüllen nun sowohl als primäre Verhaltensgebote als auch als Wertungsmaßstäbe zur sekundären Haftungsbegründung eine Zweckförderungsfunktion, indem sie den für die Festlegung und Verwirklichung des besonderen, in den Zentralpflichten verkörperten Schuldverhältniszwecks günstigen Hintergrund darstellen.153 Die Sonderverhaltensordnung der Rahmenpflichten ist also der Inbegriff für all jene Bedingungen, die für eine möglichst effiziente Zusammenarbeit154 der Schuldverhältnisparteien zur Erreichung des besonderen Schuldverhältniszwecks erforderlich sind. Die Rahmenpflichten gehören zwar bereits begrifflich nicht zum besonderen Leistungsprogramm der Schuldbeziehung; ihre Beachtung ist insoweit im Gegensatz zu den Zentralpflichten für die maßgebliche Zweckverwirklichung nicht unentbehrlich. Sie erleichtern jedoch die Abwicklung des Schuldverhältnisses, indem sie eine möglichst günstige Basis bilden, auf der die Festlegung und Verwirklichung des eigentlichen Leistungsprogramms und somit des besonderen Schuldverhältniszwecks möglichst wirkungsvoll und reibungslos erfolgen kann. Geradezu in dieser Verbindung der Rahmenpflichten mit der Festlegung bzw. Erreichung des jeweiligen besonderen Obligationszwecks ist der entscheidende Rechtsgedanke zu finden, der die maßgebliche Ungleichbehandlung der faktischen Gegebenheiten innerhalb und außerhalb von Schuldverhältnissen rechtfertigt,155 die Entstehung von Rahmenpflichten als ebenbürtige schuldrechtliche Pflichten neben den entsprechenden Zentralpflichten bedingt und dadurch die Anwendung Vertragshaftungsrechts für ihre Verletzung mit sich bringt. Diese Begründung deckt freilich nicht nur Vertragsbeziehungen; vielmehr liefert sie unmittelbar auch eine funktionelle Erklärung für die Existenz von Rücksichtnahmepflichten in allen gesetzlichen Schuldverhältnissen. Denn die gesetzlichen Schuldverhältnisse verfolgen gleichermaßen wie Vertragsbeziehungen einen insgesamt in den einschlägigen Zentralpflichten verkörperten, für die Parteien rechtsverbindlich festgelegten besonderen Zweck,156 der den Grund für die Obligationsentstehung darstellt; natürlich kann sich dieser Zweck auch in der Widerherstellung eines früheren Zustands erschöpfen. Der einzige hier erhebliche Unterschied gegenüber vertraglichen Schuldverhältnissen liegt darin, ___________ 153 Die hier befürwortete funktionelle Rechtfertigung der Rahmenpflichten spiegelt sich bereits in der Unterscheidung von Zentral- und Rahmenpflichten wider – s. oben 5. Kapitel D. I. 1. 154 Sowohl hier als auch in den nachzufolgenden Ausführungen wird der Begriff Zusammenarbeit nicht unbedingt im Sinne gleichzeitigen Zusammenwirkens verwendet, sondern eher als beiderseitige Zwecksverfolgung verstanden. 155 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. a). 156 s. aber Fn. 152.

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dass die besondere Obligationszielrichtung allein gesetzlich festgelegt wird.157 Dementsprechend enthalten etwa deliktische Schuldverhältnisse (s. §§ 823 ff BGB) sowie Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung (s. §§ 812 ff BGB) nicht nur Zentral-, sondern auch Rahmenpflichten.158 Es lässt sich tatsächlich etwa nicht einsehen, warum allein in einem Werkvertrag zur Reparatur einer Sache und nicht auch in einem deliktisch entstandenen Schuldverhältnis, das den Schädiger ebenfalls zur Reparatur der von ihm selbst beschädigten Sache verpflichtet (s. § 823 I i.V.m. § 249 I BGB), Rahmenpflichten (vor allem Schutzpflichten) gelten sollen;159 immerhin kann der Entstehungsgrund von Rahmenpflichten in keinem der beiden Fälle im rechtsgeschäftlichen Parteiwillen gesehen werden.160 Nun ist die genaue Weise fraglich, auf die die Entstehung von Rahmenpflichten in der Schuldbeziehung zur effizienteren Zweckfestlegung und -verwirklichung beitragen kann. Eine pauschale Antwort kann sich auf zwei Gesichtspunkte beziehen. Zum einen bewirkt die Entstehung von Rahmenpflichten eine Kosten- bzw. Aufwandsverringerung161 bei der Zusammenarbeit zur Festlegung und Verfolgung besonderer Schuldverhältniszwecke: Sie erlegt den Schuldverhältnisparteien eine erhöhte Verantwortung hinsichtlich der Interessen der Gegenseite auf, die für die jeweils begünstigte Seite insoweit die Last eigener Interessenwahrnehmung abnimmt bzw. erleichtert. Da nun Rücksichtnahmepflichten grundsätzlich beiden Seiten auferlegt werden, ist es eine Frage der geeigneten Konkretisierung des abstrakten Rücksichtnahmegebots, ob die Ausgestaltung der Rahmenpflichten den besonderen Schuldverhältniszweck insgesamt fördert oder vielmehr hindert, je nachdem, ob der gesamte positive Effekt für den Begünstigten größer ist als der negative für den Verpflichteten.162 Dazu braucht man ein nach den Wertungen der Rechtsordnung interessengerechtes Urteil darüber, ob die Wahrnehmung der Interessen der Gegenseite für den Begünstigten erforderlich und für den Verpflichteten zumutbar ist. Zu einem solchen – freilich wertenden – Erforderlichkeits- und Zumutbarkeitsurteil kann eine Vielfalt verschiedenster Gründe, wie etwa rein ökonomische Effizienzüber-

___________ 157

Vgl. auch oben 5. Kapitel D. I. 1. s. auch Erman(11)/Hohloch, § 242, Rn. 87. Lorenz/Riehm, Rn. 356; Krebs, Sonderverbindung, S. 218 f; Thiele, JZ 1967, 652; FraHandbuch/Blenske, S. 113 und 116. 159 s. auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 IV 4 c. 160 s. oben 5. Kapitel D. I. 1. 161 Vgl. Lehmann, S. 308: „In dem Bemühen um Transaktionskostenminimierung findet daher die Haftung für vorvertragliches Verschulden ihre eigentliche ökonomische Rechtfertigung“ (Hervorhebung im Original). In einer ähnlichen Richtung bereits Erman, AcP 139 (1934), 321. 162 So zu Recht Krebs, Sonderverbindung, S. 221. 158

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legungen,163 vornehmlich moralische Motive, gesetzgeberische Entscheidungen, verfassungsrechtliche Wertungen usw. führen. Die Frage nach der geeigneten Ausgestaltung der Rahmenpflichtenordnung betrifft allerdings die abstrakten Rechtfertigungsgründe nicht und kann folglich hier mit dem allgemeinen Hinweis auf die sachgerechte Konkretisierung abstrakter Maßstäbe, vor allem von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, dahin gestellt bleiben.164 Zum anderen trägt die Anerkennung von Rahmenpflichten im Allgemeinen zur Zweckerreichung dadurch bei, dass sie ein vertrauensförderndes Klima zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses entstehen lässt, das ihnen eine auf die Festlegung und Erreichung des besonderen Obligationszwecks konzentrierte, möglichst sorglose Zusammenarbeit erlaubt. Jede Partei kann sich wegen des Gebots zur gegenseitigen Rücksichtnahme darauf verlassen, dass sie keine unnötige und ungerechte Belastung ihrer Rechte, Rechtsgüter und Interessen (s. § 241 II BGB) erfahren muss bzw. dass ihr Schuldverhältnispartner Handlungen zur Förderung ihrer Stellung in der Schuldbeziehung vornehmen wird, sowie dass sie im Falle einer Pflichtverletzung durch die Gegenseite unter günstigeren Bedingungen Kompensation erhalten wird. Die Begünstigung eines solchen „vertrauensvollen Miteinanders“165 erhöht nun mittelbar auch die Kooperationsbereitschaft der Schuldverhältnispartner in Bezug auf ihre Zentralpflichten. In dieser Hinsicht kann man einen zutreffenden Kern der vertrauensorientierten Modelle hervorheben: Die Existenz der Rahmenpflichten wird auch dadurch gerechtfertigt, dass sie das gegenseitige Vertrauen der Schuldverhältnisparteien erhöht und somit die eigentliche Zweckverwirklichung tendenziell erleichtert.166 Die hier angesprochene psychologische Wirkung der Rahmenpflichten auf das gegenseitige Parteiverhältnis ist neben der objektiven Kosten- bzw. Aufwandsverringerung von selbständiger Bedeutung und deshalb getrennt von jenem Gesichtspunkt zu erwähnen: Da einerseits höchstpersönliche Rechtsgüter einen wichtigen Schutzgegenstand der Rahmenpflichten ausmachen, und andererseits menschliche Entscheidungen häufig nicht (allein) aus rein ökonomischen Kalkulationen, sondern (auch) aus psychisch-moralischen Gründen getroffen werden, darf die für die Verfolgung des besonderen Schuldverhältniszwecks positive Wirkung psychologisch günstiger Bedingungen der Zusammenarbeit nicht vernachlässigt werden. ___________ 163 Hilfreich können sich hierbei die Ergebnisse der ökonomischen Analyse des Rechts erweisen. 164 s. oben 5. Kapitel D. III. 2. 165 Krebs, Sonderverbindung, S. 195. 166 Die Rahmenpflichten werden also nicht deshalb angenommen, weil Vertrauen in irgendeiner Form gewährt und in Anspruch genommen wird, sondern vielmehr mit der Absicht, eine gegenseitige Gewährung bzw. Inanspruchnahme von Vertrauen hervorzurufen, vgl. Thiele, JZ 1967, 652; Krebs, Sonderverbindung, S. 188 f.

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Die Hervorhebung dieser beiden Gesichtspunkte stellt den Versuch dar, eine möglichst umfassende, dafür aber zwangsläufig weniger aussagekräftige Funktionsbeschreibung und Rechtfertigung der Gesamtordnung der Rahmenpflichten zu liefern. Insofern erschöpft sich die Frage, auf welche genaue Weise bestimmte Kategorien von Rahmenpflichten oder sogar einzelne Rücksichtnahmepflichten in einer konkreten Phase der Entstehung, Ausgestaltung und Abwicklung des Schuldverhältnisses die maßgebliche Zweckförderungsfunktion erfüllen, keineswegs in der bereits erfolgten Festlegung der zwei Grundorientierungspunkte. Es ist möglich, ja sogar erforderlich, die erarbeiteten, sehr abstrakten Anhaltspunkte hinsichtlich engerer Pflichtenkreise (etwa in Bezug auf vorvertragliche Auskunftspflichten über den – künftigen – Vertragsgegenstand) weiter zu konkretisieren. Als ein solcher Konkretisierungsversuch sind insbesondere die nachzufolgenden Ausführungen über besondere Rechtfertigungsgesichtspunkte im engeren Bereich der Schutzpflichten zu verstehen.167

bb) Maßgeblichkeit abstrakter Rechtfertigungsgründe Für das richtige Verständnis der Rechtsgründe, die der Anerkennung von Rahmenpflichten zugrunde liegen, ist des Weiteren die Erklärung erforderlich, dass es nicht darauf ankommt, ob jede einzelne Rücksichtnahmepflicht in jedem konkreten Fall wirklich zur maßgeblichen Zweckförderung beiträgt; es handelt sich vielmehr um einen allgemein-abstrakten Rechtfertigungsvorgang. Die entscheidende Frage lautet also, ob die Anerkennung der betreffenden Pflicht bzw. Pflichtengruppe auf der Grundlage abstrakter Rechtswertungen die Bildung eines günstigen Hintergrunds für die Verfolgung des besonderen Schuldverhältniszwecks objektiv fördern kann. Demgegenüber ist unerheblich, ob sich die abstrakte Möglichkeit zur Zweckförderung zu einem tatsächlichen Beitrag zur Zweckerreichung im konkreten Fall entwickelt. Diese Aussage leuchtet etwa für Fälle unmittelbar ein, in denen es sich um die sorgfaltswidrige Verletzung des Schuldverhältnispartners handelt, gerade nachdem dieser seine Zentralpflichten vollkommen erfüllt hat. Die Schlussfolgerung, dass genau von diesem Zeitpunkt an keine Schutzpflicht bestünde, allein weil eine solche wegen der bereits vollzogenen Zentralpflichterfüllung für die Erreichung des konkreten Schuldverhältniszwecks nicht mehr beitragen könnte, kann nicht ernsthaft diskutiert werden: Die Wahrscheinlichkeit einer von Rahmenpflichten nicht erfassten Schädigung des Schuldverhältnispartners gleich nach erfolgter Pflichterfüllung könnte entgegen der Zwecksetzung effizienter und vertrauensvoller Bedingungen der Zusammenarbeit bereits im Sta___________ 167

s. unten 5. Kapitel D. III. 3. c) aa).

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dium der Leistungsbewirkung zu aufwändigen Schutzmaßnahmen führen und entsprechendes Misstrauen hervorrufen.168 Auch umgekehrt reicht allein die Erkenntnis, dass ein konkretes Parteiverhalten die Erreichung des besonderen Schuldverhältniszwecks tatsächlich fördern kann, nicht aus, um die Begründung einer entsprechenden Rahmenpflicht zu rechtfertigen, wenn sich die erforderliche Rechtfertigung nicht (auch) aus abstrakten Überlegungen ergeben kann. Mit dieser Argumentation muss man etwa annehmen, dass dem Mieter, der seinen Vermieter an seinem Geburtstag aus reinen Gefälligkeitsgründen zu Hause besucht, keine besonderen – jedenfalls keine über die Pflichten jeglichen anderen Gastes hinausgehenden – Rücksichtnahmepflichten auf das Eigentum des Vermieters auferlegt werden dürfen. Dafür reicht natürlich nicht aus, dass eine schuldhafte Schädigung des Vermieters durch den Mieter wegen des möglicherweise damit verbundenen Ärgers die weitere Abwicklung des Mietverhältnisses erschweren könnte. Das Erfordernis einer allein generell-abstrakten Begründung der Rahmenpflichten ist im Allgemeinen mit ihrer Funktion innerhalb der Schuldbeziehung zu begründen: Die Absicht zur Schaffung vertrauensfördernder Bedingungen der Zusammenarbeit und zur Verringerung des erforderlichen Mitwirkungsaufwands kann nur dann effizient verwirklicht werden, wenn möglichst große Sicherheit zwischen den Schuldverhältnisparteien über die Pflichten besteht, die ihnen auferlegt werden. Ohne eine abstrakte Vorsehbarkeit der Rahmenpflichten würde notwendigerweise zweifelhaft bleiben, ob die konkrete Schuldbeziehung durch die Entstehung von Rahmenpflichten zur Abwehr bestimmter Gefahren tatsächlich gefördert wird, und somit, ob man im Hinblick auf die Rahmenpflichten der anderen Seite auf die entsprechenden Maßnahmen zum eigenen Schutz vor drohenden Gefahren tatsächlich verzichten könnte. Eine derart ungeklärte Lage würde nicht nur dem Zweck der gegenseitigen Vertrauenserhöhung geradezu entgegenwirken, sondern auch dazu führen, dass Maßnahmen unnötig getroffen oder trotz ihrer Erforderlichkeit unterlassen würden; dies widerspricht aber dem Zweck einer aufwands- bzw. kostengünstigen schuldverhältnisbezogenen Zusammenarbeit.

cc) Bezug zu einem besonderen Schuldverhältniszweck Die Begründung einer Sonderverhaltensordnung im Schuldverhältnis muss sich ferner mit allgemeinen Rechtswertungen harmonisieren lassen. Es ist also nur folgerichtig, dass nur diejenigen Rahmenpflichten entstehen können, die sich in die bestehende Rechtsordnung reibungslos einfügen lassen. Insofern dür___________ 168 s. auch unten 5. Kapitel D. III. 3. b) ee) zu den vorvertraglichen Rahmenpflichten und den Rahmenpflichten nach unwirksamem Vertragsschluss.

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fen mögliche rechtspolitische Fehlentscheidungen des Gesetzgebers nicht mit Hilfe von Rahmenpflichten korrigiert werden, es sei denn, sie können auf eine methodisch unangreifbare Weise begründet werden.169 Diese Feststellung ist insbesondere hinsichtlich der deliktsrechtlichen Haftungsregelung von Bedeutung: Sie verkörpert bestimmte gesetzliche Wertentscheidungen, die auch bei der Behandlung der Rahmenpflichtenproblematik respektiert werden müssen.170 Um einen Widerspruch zu deliktischen Rechtswertungen zu vermeiden, muss folglich für eine überzeugende Begründung von Rahmenpflichten immer darauf geachtet werden, dass ein Bezug zu einem Schuldverhältnis besteht.171 Denn die Existenz einer Sonderverhaltensordnung setzt die Existenz einer Sonderverbindung voraus, welche das Abweichen von allgemeinen (deliktsrechtlichen) Regeln rechtlich tragen könnte. Insofern kann auf einen wie auch immer gearteten, jedenfalls aber ausreichenden Bezug zu einer Obligation – solange freilich eine andere Sonderverbindung nicht vorliegt –, nicht verzichtet werden. An einem solchen Bezug zum Schuldverhältnis fehlt es offensichtlich etwa in der bereits erwähnten Konstellation, dass der Mieter seinen Vermieter an seinem Geburtstag zu Hause besucht, weil der Besuch offenbar nicht in Zusammenhang mit der Entstehung, Ausgestaltung oder Abwicklung eines Schuldverhältnisses abgestattet wird. Die Bedingung, dass sich die Rahmenpflichten auf eine Schuldbeziehung beziehen müssen, ist allerdings etwas irreführend. Da ein Schuldverhältnis auch Rahmenpflichten beinhaltet, wäre es eine Art von Tautologie zu verlangen, dass die geforderte Bezugnahme der Rahmenpflichten auf eine Schuldbeziehung auch jenen Teil des Schuldverhältnisinhalts erfassen sollte, der aus Rahmenpflichten besteht. Man muss also nach einem gegenüber den Rahmenpflichten selbständigen Anknüpfungspunkt suchen, auf den sich diese beziehen und durch diesen Bezug ihre Rechtfertigung herleiten können. Als solcher Bezugspunkt kann nur der besondere Schuldverhältniszweck dienen, wie dieser in den Zentralpflichten des Schuldverhältnisses verkörpert wird. Die hier aufgestellte Anforderung lautet also, dass die Rahmenpflichten einen Bezug zu einem besonderen Schuldverhältniszweck bzw. zu den entsprechenden Zentralpflichten aufweisen müssen. Keinen Unterschied macht dabei die Frage, ob der maßgebliche Zweck bzw. die maßgeblichen Zentralpflichten innerhalb oder (bei Rahmenschuldverhältnissen) außerhalb des Schuldverhältnisses vorliegen, das die fraglichen Rahmenpflichten enthält. Denn beide Male dient die Förderung desselben Schuldverhältniszwecks als Anknüpfungspunkt für die Rechtfertigung der ___________ 169

s. etwa oben 3. Kapitel C. II. 3. zu den allgemeinen Rechtsfortbildungsvoraussetzungen. 170 s. auch oben 5. Kapitel C. II. 171 s. auch oben 5. Kapitel D. III. 3. a). Vgl. ferner § 311 II Nr. 3 BGB – s. dazu Fn. 110.

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Rahmenpflichten.172 Insoweit betrifft diese Korrektur gleichermaßen alle Schuldverhältnisse, einschließlich etwa der vorvertraglichen (s. § 311 II BGB), die selbst keine Zentralpflichten beinhalten. Diese Betrachtungsweise ist auch die einzige, die sich mit der hier vertretenen funktionellen Erklärung der Rahmenpflichten vereinbaren lässt: Da die Letztgenannten mit der Festlegung und Verfolgung besonderer Schuldverhältniszwecke verbunden sind,173 ist ihre Existenz nur insoweit zu rechtfertigen, als der Bezug zum besonderen Schuldverhältniszweck bzw. zu den ihn verkörpernden Zentralpflichten wirklich aufrechterhalten bleibt.174 Kann man hingegen einen solchen Bezug nicht nachweisen, so bleiben die Rahmenpflichten unbegründet.

dd) Institutionelle Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung Die Einordnung solcher Gesichtspunkte175 in ein konsequentes Gesamtkonzept erfordert die Hervorhebung der institutionellen Verbindung der Rahmenpflichten mit der Festlegung und Verfolgung besonderer Schuldverhältniszwecke. Die wahre Funktion der Rahmenpflichten in der Rechtsordnung wird erst dann deutlich, wenn man sie lediglich als abstrakte Bedingungen auffasst, die tendenziell, d.h. über eine beschränkte, wenn auch große, Anzahl von einzelnen Fällen hinaus, ein möglichst risikoarmes, aufwandsgünstiges und vertrauensförderndes Zusammenarbeitsfeld erzeugen und erst dadurch der maßgeblichen Zweckverfolgung dienen sollen. Der Bedeutung des Schuldverhältnisses als allgemeines Rechtsinstrument für die Normierung von Zentralpflichten wird also von der Rechtsordnung nicht nur durch Rechtssätze Rechnung getragen, die sich unmittelbar auf Entstehung, Inhalt und Abwicklung von Zentralpflichten beziehen. Auch die objektivrechtliche Regelung einer umfassenden Sonderverhaltensordnung von Rahmenpflichten und die Schaffung dadurch wirkungsvoller Rahmenbedingungen für die Entstehung und Erfüllung von Zentralpflichten dient einem entsprechenden Zweck: Sie soll die allgemeine Effizienz176 des Rechts der Schuldverhältnisse erhöhen und dadurch die gesamte Schuldverhältnisordnung, d.h. die Regelung, die die Rechtsbeziehung der Schuldverhält___________ 172

Zur Problematik der Rahmenschuldverhältnisse s. oben 5. Kapitel D. II. s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) aa). 174 Dieser Bezug kann auch abstrakt-institutioneller Natur sein, s. unten 5. Kapitel D. III. 3. b) dd) und ee). 175 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) bb) und cc). 176 Der ökonomische Nutzen einer Effizienzsteigerung ist freilich nicht zu leugnen, es wäre jedoch im Grunde genommen eine eingeschränkte Sichtweise, in diesem Begriff allein wirtschaftliche Elemente zu erblicken; dass die Zwecke der Rechtsordnung nicht allein finanzieller Natur sein dürfen, wird bereits durch Art. 1 I GG eindrucksvoll belegt. 173

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nisparteien zueinander normiert, insgesamt optimieren, um die Festlegung und Verfolgung besonderer Schuldverhältniszwecke zu erleichtern.177 Der in dieser Hinsicht besondere Charakter der Rahmenpflichten kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass sie als günstige Rahmenbedingungen nicht nur die planmäßige Abwicklung eines bereits gültig entstandenen Schuldverhältnisses erfassen, obgleich ihre Zweckförderungsfunktion dabei freilich am deutlichsten hervortritt. Auch Konstellationen, in denen ein besonderer förderungsbedürftiger Schuldverhältniszweck nicht (möglicherweise noch nicht bzw. nicht mehr) vorhanden ist und gegebenenfalls auch nicht existieren wird, sowie Geschehensabläufe, die mit einer in irgendwelcher Hinsicht pathologischen Entwicklung des schuldverhältnisbezogenen Parteihandelns verbunden sind, können das Geltungsfeld von Rahmenpflichten darstellen.178 Die Rechtsgründe, die diese Annahme stützen, werden mit der Zwecksetzung einer institutionellen Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung deutlich: Ein möglichst reibungsloser Rechtsverkehr erfordert das aufwandsgünstige und vertrauensvolle Zusammenwirken der (möglichen) Schuldverhältnisparteien neben der eigentlichen Zentralpflichterfüllung (Verwirklichung des besonderen Schuldverhältniszwecks) auch bei Vorgängen, die sich auf die Vorbereitung, Festlegung, Ausgestaltung oder Beendigung der Schuldbeziehung, die vollständige Behandlung der mit ihr zusammenhängenden Angelegenheiten sowie auf die Beseitigung bzw. Folgenbegrenzung pathologischer Erscheinungen (etwa Vertragsnichtigkeit) beziehen. Darüber hinaus gehört zu einer günstigen Schuldverhältnisordnung auch die Sicherheit beim Eingehen von Zusammenarbeitskonstellationen im Hinblick auf besondere Schuldverhältniszwecke, dass die belastenden Folgen einer möglicherweise eintretenden unerwünschten bzw. unerwarteten Entwicklung am niedrigsten gehalten werden. Die Geltung einer Sonderverhaltensordnung von Rahmenpflichten trotz Eintritts irgendwie pathologischer Entwicklungen im Rahmen bzw. aus Anlass einer Schuldbeziehung bewirkt, dass die daraus resultierenden unerwünschten Folgen bzw. Risiken vermindert werden. Sie führt somit eine Effizienzerhöhung und dadurch eine Steigerung des Vertrauens der Parteien in der gesamten Schuldverhältnisordnung herbei, weil potentiell jede schuldverhältnisbezogene Zusammenarbeit ei___________ 177 Zu einer institutionellen Rechtfertigung insbesondere der Sorgfaltspflichten bei den Vertragsverhandlungen vgl. auch Schur, S. 232 ff sowie 256 ff; Schmitz, S. 52 ff sowie 109 ff; Larenz, Schuldrecht AT, § 9 I a (S. 106); Weber, AcP 192 (1992), 416 f sowie 434. 178 Der erforderliche Bezug der Rahmenpflichten zu einem in Wahrheit (noch) nicht existierenden bzw. gar nicht relevanten Schuldverhältniszweck, s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) cc), ist in diesen Fällen darin zu sehen, dass die Beteiligten trotzdem mit dem konkreten Eindruck von der Existenz bzw. von der zumindest abstrakten Existenzmöglichkeit eines solchen tatsächlich zusammenarbeiten – s. auch die entsprechenden Ausführungen unten 5. Kapitel D. III. 3. b) ff).

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ne Fehlentwicklung erfahren kann. Diese Wahrscheinlichkeit lässt sich von vornherein nie vollkommen ausschließen, sondern stellt immer als bloß realisierbare Gefahr ein Hindernis für die Zusammenarbeit der Beteiligten dar, auch wenn die fragliche Fehlentwicklung schließlich nicht eintritt. Angesichts dessen dürfte die entsprechende Risikoabsicherung mit der Anerkennung von Rahmenpflichten tendenziell die Bereitschaft zum effektiven Zusammenwirken im Rahmen von (möglichen) Schuldverhältnissen allgemein erhöhen. Insgesamt ist die institutionelle Verbindung der Rahmenpflichten mit der Festlegung und Verfolgung besonderer Schuldverhältniszwecke auf zwei Ebenen zu beobachten: Zum einen betrifft sie das Verhältnis zwischen der Entstehung von Rahmenpflichten und der dadurch beabsichtigten Herbeiführung der geeigneten Bedingungen für eine vertrauensvolle und aufwandsgünstige Zusammenarbeit. Zum anderen bestimmt sie das Verhältnis zwischen dem Zusammenwirken der (möglichen) Schuldverhältnisparteien und der Festlegung bzw. Verwirklichung besonderer Schuldverhältniszwecke: Der Nachweis in jedem konkreten Fall dafür, dass die fraglichen Rahmenpflichten unter einer strengen Kausalbetrachtung günstige Bedingungen der Zusammenarbeit herbeiführen und dadurch anschließend zur Festlegung bzw. Verfolgung eines besonderen Schuldverhältniszwecks tatsächlich führen, ist weder notwendig noch ausreichend für deren Entstehung. Es genügt vielmehr, dass die Rahmenpflichten, makroskopisch betrachtet, die Zusammenarbeit in Schuldverhältnissen begünstigen, auch wenn diese im konkreten Fall nicht zu einer wirksamen Zweckfestlegung und -verfolgung dient.

ee) Erklärung der Rahmenpflichten bei der Vertragsanbahnung und bei nichtigem Vertragsschluss Betrachtet man die institutionelle Optimierung der abstrakten Schuldverhältnisordnung als Aufgabe der Rahmenpflichten, so vermag man zunächst die nunmehr ausdrücklich vorgesehenen vorvertraglichen Rücksichtnahmepflichten (s. § 311 II BGB) zu erklären. Im Vertragsanbahnungsstadium besteht zwar noch kein besonderer Schuldverhältniszweck, der mit der Entstehung von Rahmenpflicht gefördert werden könnte, ein solcher kann allerdings durch einen wirksamen Vertragsschluss entstehen. Bereits diese Möglichkeit reicht aus, um das Bedürfnis nach effizienter Zusammenarbeit im Vorbereitungsstadium zu rechtfertigen. Die institutionelle Betrachtungsweise ist allerdings vor allem zur Erklärung der Existenz von Rahmenpflichten in jenen Konstellationen notwendig, in denen ein konkreter Schuldverhältniszweck, zu dessen Verwirklichung die maßgebliche Sonderverhaltensordnung beitragen könnte, nicht einmal möglich ist. Damit gemeint sind zunächst die vorvertraglichen Rücksichtnahmepflichten, wenn es nicht zu einem Vertragsschluss kommen wird oder gar nicht kommen

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kann. Die Pflicht der Verhandlungspartner etwa, ihre feste Absicht zum Abbruch der noch weitergeführten Vertragsverhandlungen der anderen Verhandlungspartei unverzüglich mitzuteilen, soll keinen besonderen, wenn auch künftigen Vertragszweck fördern, einfach weil ein solcher wegen der bereits getroffenen Abbruchsentscheidung nie vorhanden sein wird. Ähnliches gilt für die Rücksichtnahmepflichten nach vollständiger Erfüllung und somit nach dem Erlöschen (s. § 362 I BGB) aller Zentralpflichten, da in diesem Fall der besondere durch das konkrete Schuldverhältnis verfolgte Zweck vollkommen erreicht worden ist. In solchen Fällen erfüllen die Rahmenpflichten keine konkrete, sondern eine abstrakte Zweckförderungsaufgabe; sie tragen lediglich zur Minderung des Risikos möglicher Fehlentwicklungen bei, was die gesamte Regelung der Schuldverhältnisse allgemein effizienter macht. Mit dem institutionellen Charakter der Rahmenpflichten lässt sich darüber hinaus die Entstehung gegenseitiger Rücksichtnahmepflichten im Falle eines nichtigen oder nur vermeintlichen Vertragsschlusses materiell rechtfertigen.179 Unabhängig davon, ob es auch bei einem nichtigen Vertragsschluss weiterhin möglich ist, die maßgeblichen Rahmenpflichten in eine bereits bestehende Sonderverbindung einzugliedern,180 genügt es auf das bloße Faktum des nichtigen bzw. vermeintlichen Vertragsschlusses abzustellen, um die Existenz einer Sonderverhaltensordnung mit Rücksichtnahmepflichten zu begründen. Denn die Gefahr eines nicht wirksam zustande gekommenen Vertrags stellt generell, d.h. bei jedem Kontrahieren, einen Faktor dar, der Ungewissheiten verursacht, die Vertragsschließenden mit der Notwendigkeit zur Ergreifung von aufwandsintensiven Abwehrmaßnahmen belastet und ihre schuldverhältnisbezogene Zusammenarbeit hindert. Sehr wichtig ist dabei die Feststellung, dass die belastende Wirkung einer unsicheren Rechtslage unabhängig davon vorhanden ist, ob der Vertrag schließlich gültig oder unwirksam geschlossen wird.181 Allerdings wird diese belastende Lage vom Gesetzgeber, der die Nichtigkeit bzw. das Nichtzustandekommen des Vertrages anordnet, prinzipiell in Kauf genommen. Insofern entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Gebot zur ___________ 179 Ähnliche Probleme kommen auch bei anfechtbaren – s. § 142 I BGB – oder schwebend unwirksamen Verträgen – s. etwa § 312d I S. 1 BGB – vor; vgl. auch Weber, AcP 192 (1992), 417. 180 In Frage kommen vor allem eine ständige Geschäftsverbindung (so BGH v. 30.9.1999, NJW 2000, 69), das mit der Vertragsanbahnung bereits begründete Schuldverhältnis (s. § 311 II BGB), wenn man seine Geltung auch nach dem nichtigen bzw. anfechtbaren Vertragsschluss befürworten will (so BGH v. 14.10.1953, BB 1953, 956 (957); Larenz, Schuldrecht AT, § 9 I b (S. 119); Jauernig(11)/Stadler, § 311, Rn. 46; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 IV 4 a), oder sogar das wegen des nichtigen Vertragsschlusses möglicherweise entstandene Rückabwicklungsverhältnis vor allem aufgrund von §§ 812 ff BGB für bereits bewirkte Leistungen. 181 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) dd).

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Durchsetzung der in der gesetzlichen Nichtigkeitsanordnung verkörperten Rechtswertungen einerseits und dem Rechtsbedürfnis nach einer institutionellen Förderung der gesamten Schuldverhältnisordnung durch die Kosten- bzw. Aufwandsverringerung sowie durch die Erhöhung der Vertrauensbereitschaft im Rahmen schuldverhältnisbezogener Zusammenarbeitkonstellationen andererseits. Zur Lösung dieser Inkongruenz hat man Rahmenpflichten nur insoweit anzuerkennen, als sie den in der gesetzlichen Nichtigkeitsanordnung verkörperten Wertungen nicht widersprechen.182 Die Ermittlung der genauen Rechtsfolgen, die das jeweilige Unwirksamkeitsgebot erfassen soll, ist natürlich durch Auslegung der konkret einschlägigen Norm183 zu erreichen. Dadurch soll bestimmt werden, ob und gegebenenfalls welche der Rahmenpflichten, die bei gültigem Vertragsschluss entstanden wären, gemäß dem Rechtsgedanken des die Nichtigkeit anordnenden Rechtssatzes nunmehr ausscheiden. Ganz allgemein betrachtet soll die Nichtigkeit eines Vertragsschlusses im Prinzip nur, dafür aber prinzipiell alle184 Zentralpflichten erfassen:185 Da allein diese mit dem besonderen Kontrahierungszweck unmittelbar verbunden sind, dürfte ihre Unwirksamkeit der von der Rechtsordnung mit der Anordnung der Vertragsnichtigkeit verfolgten Absicht meistens genügen. Demgegenüber sind die Rahmenpflichten von der genauen Zielrichtung des konkret beabsichtigten Schuldverhältnisses unabhängig, so dass die Schlussfolgerung nahe liegt, dass ihre Existenz nicht ebenfalls missbilligt wird. Vielmehr ist die Verwirklichung der den Rahmenpflichten zugrunde liegenden Wertungen – institutionelle Effizienzerhöhung der Zusammenarbeit innerhalb von Obligationen – in aller Regel auch hier geboten.186 Dadurch kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass im konkreten Fall die in der Nichtigkeitsanordnung verkörperten gesetzlichen Wertungen die An-

___________ 182 Vgl. bereits Canaris, JZ 1965, 481 f. S. auch Lackum, S. 170; Gerhardt, JuS 1970, 600; Kuhlmann, S. 93 ff (alle in Bezug auf Schutzpflichten). Ein anschauliches Beispiel dieser Vorgehensweise s. bei Brors, ZIP 2001, 320. Allgemeine Überlegungen zu einem entsprechenden, eher relativen Nichtigkeitsbegriff s. bei Pawlowski, Willenserklärungen, S. 31 ff. 183 s. die Nachweise in Fn. 185. 184 Dieser Schluss ist darauf zurückzuführen, dass die zentralen Haupt- und die zentralen Nebenpflichten (insgesamt Zentralpflichten) eine zweckmäßige Einheit bilden (s. oben 5. Kapitel D. I. 1.). Insofern beeinflusst das Schicksal der (zentralen) Hauptpflichten im Grunde genommen alle anderen Zentralpflichten. 185 Zum ähnlichen Schluss in Bezug auf die Schutzpflichten kommen nach Überprüfung einzelner Nichtigkeitsgründe auch Canaris, JZ 1965, 481 f; Lackum, S. 169 ff; Kuhlmann, S. 95 f. Diese Vorgehensweise ist sicherlich zutreffend; insoweit kann an diesem Punkt ansatzweise auf die Ausführungen dieser Autoren verwiesen werden. 186 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) dd).

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erkennung sämtlicher oder einzelner Rahmenpflichten ausschließen.187 Darüber hinaus sind sehr wohl Fälle denkbar, in denen bereits das Bedürfnis nach Erfüllung der Funktion der Rahmenpflichten nicht vorhanden ist. Diese Folgerung ist dann zu ziehen, wenn die konkrete Nichtigkeitsanordnung eine so hohes Unwerturteil der Rechtsordnung verkörpert, dass die Anerkennung von Rahmenpflichten nicht einmal institutionell gerechtfertigt werden kann. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn beide Parteien durch den ungültigen Vertrag einen so krass von der Rechtsordnung missbilligten Zweck verfolgen – etwa den Mord einer dritten Person –, dass ihnen jeder Schutz versagt werden muss; dieser Schluss wird von § 817 S. 2 BGB bekräftigt.188 Bei der maßgeblichen Beurteilung sind allerdings alle einschlägigen Umstände zu berücksichtigen, wie etwa die eigenen Motive jeder Partei.189 Aufgrund ganz ähnlicher Überlegungen hat man schließlich im Hinblick auf den institutionellen Charakter der Rahmenpflichten anzunehmen, dass Rahmenpflichten nicht nur bei nichtigen oder lediglich scheinbar zustande gekommenen Verträgen, sondern gleichermaßen und unter den gleichen Bedingungen auch bei gesetzlichen Schuldverhältnissen entstehen, die nur vermeintlich, d.h. nur nach den falschen Vorstellungen der Parteien, entstanden sind.

ff) Ergänzende Bemerkungen Die institutionelle Verbindung der Rahmenpflichten mit der Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung darf nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass diese Pflichten innerhalb konkreter Schuldbeziehungen gelten und insofern konkrete Bedürfnisse bzw. Interessen befriedigen sollen. Ihr genauer Inhalt bestimmt sich also nach den jeweils konkret vorliegenden Umständen. Zu ihnen gehört auch das Stadium, in dem sich die Festlegung bzw. Verfolgung des besonderen Schuldverhältniszwecks zum maßgeblichen Zeitpunkt befindet. Dieses zeigt vor allem die besondere Zielrichtung auf, die den konkreten Rahmenpflichten jeweils zugrunde liegt. Demnach dienen etwa die Rahmenpflichten bei der Vertragsanbahnung der redlichen Durchführung der Vertragsver___________ 187

So etwa bei Vertragsnichtigkeit wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit (s. §§ 104 ff BGB): Der Rechtszweck umfassenden Schutzes von nicht voll geschäftfähigen Personen spricht grundsätzlich auch gegen ihre Belastung mit Rahmenpflichten, so zutreffend Canaris, JZ 1965, 482. Ihm folgend Junker, Vertretung, S. 43 f und Kuhlmann, S. 95 f. S. auch Erman(11)/Kindl, § 311, Rn 24. A.A. Westermann/Bydlinski/Weber, Rn. 11/36 (Beurteilung gemäß §§ 828 f BGB). Zu dieser Problematik insbesondere in Bezug auf die Schutzpflichten s. auch unten 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (3). 188 s. aber Canaris, JZ 1965, 482. 189 So Canaris, JZ 1965, 481, der bei einer einseitigen Sittenverstoß die Schutzpflichten zu Gunsten des sittenwidrig Handelnden ablehnt.

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handlungen, während sie nach gültigem Vertragsschluss vornehmlich die reibungslose Erfüllung der nunmehr bestehenden Zentralpflichten ermöglichen sollen. Dadurch wird auch deutlich, dass Rahmenpflichten im Hinblick auf ihren institutionellen Charakter zwar keinen konkreten Beitrag zur Festlegung und Förderung des besonderen Schuldverhältniszwecks haben müssen. Dies bedeutet jedoch sicherlich nicht, dass sie es nicht können; im Gegenteil ist ein konkreter Zweckförderungsbeitrag sogar üblich, wie vor allem bei den Rahmenpflichten, die einen günstigen Hintergrund für die Erbringung der geschuldeten Hauptleistung darstellen. Mit der Feststellung, dass die Rücksichtnahmepflichten trotz ihrer abstraktinstitutionellen Rechtfertigung immer konkrete Verhaltensgebote darstellen, die in ebenso konkreten Konstellationen Geltung beanspruchen und sich gegenüber anderen konkret konkurrierenden (insbesondere deliktsrechtlichen) Regeln durchsetzen müssen,190 ist ferner die Bedingung zu begründen, dass die allgemein für die Rechtfertigung der Rahmenpflichten unentbehrliche Verbindung mit einem besonderen Schuldverhältniszweck ebenfalls konkret sein muss. Im Hinblick darauf bereitet jedoch die Aussage, dass die Rechtfertigung der Rahmenpflichten häufig erst durch ihre institutionelle Verbindung mit der Festlegung und Verwirklichung besonderer Schuldverhältniszwecke möglich ist, zusätzliche Probleme, weil oft ein besonderer Schuldverhältniszweck gar nicht vorhanden ist. Es fragt sich nämlich, inwiefern die Anforderung, dass sich die Rahmenpflichten immer und zwar konkret auf einen besonderen Schuldverhältniszweck beziehen müssen, damit sie sich als Sonderpflichten überhaupt rechtfertigen lassen,191 auch in Fällen erfüllbar ist, in denen kein solcher Zweck vorliegt. Wie bereits dargestellt, tragen die Rahmenpflichten immer nur mittelbar zur Erreichung des besonderen Schuldverhältniszwecks bei, indem sie günstige Bedingungen der Zusammenarbeit bilden.192 Zwischen den Rahmenpflichten und der Erreichung des besonderen Schuldverhältniszwecks fügt sich als Bindeglied die nach der Anlage des konkreten Schuldverhältnisses erforderliche bzw. die tatsächlich geleistete Zusammenarbeit der Parteien ein. Eben diese soll durch die Annahme von Rahmenpflichten – wenn auch aufgrund einer abstrakten Betrachtungsweise – begünstigt werden und gerade mit deren Hilfe soll der Bezug der Rahmenpflichten auf den besonderen Schuldverhältniszweck begründet werden: Unmittelbar beziehen sich die Rahmenpflichten nur auf die Zusammenarbeit der Parteien und dementsprechend mittelbar auch auf den besonderen Schuldverhältniszweck, da bzw. soweit eine Verbindung der geförderten Zusammenarbeit mit diesem Zweck vorhanden ist. Angesichts dessen ist die Be___________ 190 191 192

s. dazu oben 5. Kapitel C. II. s. oben 5. Kapitel D. III. 3. a) sowie 5. Kapitel D. III. 3. b) cc). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) aa).

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dingung der konkreten Bezugnahme auf den besonderen Schuldverhältniszweck dahin zu verstehen, dass die Rahmenpflichten nur insofern entstehen können, als überhaupt im Hinblick auf die maßgebliche Zweckfestlegung bzw. -erreichung zusammengearbeitet wird bzw. werden soll, und nur in – freilich weit verstandenem – Zusammenhang mit dieser Zusammenarbeit. Diese Erkenntnis lässt sich auch in Fällen nutzbar machen, in denen ein besonderer Schuldverhältniszweck nicht feststeht, etwa weil sich die Parteien immer noch im Stadium der Vertragsverhandlungen befinden: Denn auch in solchen Fällen kann man Zusammenarbeitskonstellationen feststellen, die im Hinblick auf die Festlegung oder Verfolgung eines besonderen Schuldverhältniszwecks – sei es nur als abstrakte Möglichkeit, als vergeblich angestrebtes Ergebnis oder als Vergangenheitsgeschehnis – entstehen. An das Faktum eines solchen, auf einen besonderen Schuldverhältniszweck bezogenen Zusammenwirkens der Beteiligten knüpfen ganz konkret die Rahmenpflichten an, und durch dieses Faktum vermittelt beziehen sie sich auch auf einen besonderen Schuldverhältniszweck. Demgemäß wird auch die Anforderung einer konkreten Verbindung der Rahmenpflichten mit einem besonderen Schuldverhältniszweck problemlos erfüllt: Es genügt, wenn die Entstehung der Rahmenpflichten konkret an die Zusammenarbeit der Beteiligten anknüpft und sich diese Zusammenarbeit wiederum konkret auf einen besonderen Schuldverhältniszweck bezieht. Die Rahmenpflichten müssen nämlich im Hinblick auf konkrete Zusammenarbeitskonstellationen entstehen, die ihrerseits ebenfalls konkret mit der (möglicherweise vergeblichen bzw. nur abstrakt möglichen) Festlegung bzw. Abwicklung eines besonderen Schuldverhältniszwecks verbunden sein müssen. Insbesondere während der Vertragsverhandlungen, nach einem unwirksamen Vertragsschluss sowie bei bereits vollständig erfüllten Zentralpflichten wird die Zusammenarbeit der Parteien (Vertragsanbahnung, unwirksamer Vertragsschluss, Zentralpflichterfüllung), sofern sie als bewusste Handlung des Zusammenkommens angesehen werden kann, immer von bestimmten oder vageren, jedenfalls aber konkret vorliegenden Vorstellungen über die Zielrichtung ihres Zusammenwirkens begleitet. Diese erfassen in den genannten Konstellationen in aller Regel zumindest die Möglichkeit der Festlegung bzw. Verfolgung eines besonderen Schuldverhältniszwecks, der gegenwärtig bzw. zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt relevant (gewesen) ist bzw. sein wird. Wird hingegen von den Vorstellungen der zusammenwirkenden Parteien ein besonderer Schuldverhältniszweck nicht einmal als abstrakte Möglichkeit gedeckt – so etwa bei Gefälligkeitsverhältnissen –, so entstehen folglich keine schuldverhältnisbezogenen Rahmenpflichten, weil die maßgebliche Verbindung zwischen der geleisteten Zusammenarbeit und einem besonderen Schuldverhältniszweck nicht als gegeben betrachtet werden kann. Natürlich darf man das Erfordernis einer konkreten Verbindung der Rücksichtnahmepflichten mit bestimmten Zusammenarbeitskonstellationen sowie einer konkreten Verbindung dieser Konstellationen mit einem besonderen

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Schuldverhältniszweck nicht dahin verstehen, dass die Rahmenpflichten einen konkreten Beitrag zur Schaffung vertrauensfördernder und aufwandsgünstiger Bedingungen der Zusammenarbeit aufweisen müssten oder dass derartige Zusammenarbeitsdingungen für die Festlegung und Erreichung besonderer Schuldverhältniszwecke konkret beitragen sollten. Eine solche Betrachtungsweise wäre mit der institutionellen Funktionserfüllung der Rahmenpflichten nicht zu vereinbaren.193

c) Konkretisierung in Bezug auf die Schutzpflichten Mit den vorangegangenen Ausführungen194 wurde der Frage nachgegangen, welcher materielle Rechtsgrund die Anerkennung von Rahmenpflichten im Allgemeinen erklären kann. Dabei wurde der Schluss gezogen, dass die Rücksichtnahmepflichten zur Schaffung der für eine effiziente Zusammenarbeit im Rahmen von Schuldbeziehungen erforderlichen Rahmenbedingungen und somit zur institutionellen Bildung einer insgesamt günstigen Schuldverhältnisordnung beitragen sollen. Diese abstrakte Betrachtungsweise hat zwar den Vorteil, alle denkbaren Rahmenpflichten in jeder mit der Entstehung und Abwicklung einer Schuldbeziehung verbundenen Entwicklungsphase bzw. Verlaufsvariante erfassen zu können. Sie bringt jedoch notwendigerweise den Nachteil einer wirklich geringen Aussage- und Abgrenzungskraft mit sich. Diesbezüglich ist aber bereits angenommen worden, dass die derartige funktionelle Erklärung der Rahmenpflichten keine abschließende ist, sondern bei einzelnen Pflichten(-gruppen) weiter konkretisiert werden kann. Dadurch wird zugleich die genauere materielle Rechtfertigung der jeweils fraglichen Einzelpflichten(-gruppen) ermittelt.195 Mit der nachfolgenden Untersuchung wird nun die weitere Konkretisierung dieses Rechtfertigungsansatzes in Bezug auf die Schutzpflichten beabsichtigt. Der Grund für die besondere Behandlung der Schutzpflichten in dieser Arbeit liegt darin, dass unter den Rücksichtnahmepflichten grundsätzlich nur die Schutzpflichten für die Begründung des SSD in Betracht kommen. Gemäß der hier zugrunde gelegten Definition sind als Schutzpflichten diejenigen Rahmenpflichten zu verstehen, die auf den Schutz der unabhängig von der konkreten Schuldbeziehung bestehenden Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils gerichtet sind. Ihnen sind diejenigen Rücksichtnahmepflichten gegenüberzustellen, die mit der Verbesserung der Position des Vertragspartners innerhalb

___________ 193 194 195

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) dd). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) aa).

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bzw. hinsichtlich der Schuldbeziehung selbst verbunden sind.196 Während also die letztgenannten Pflichten prinzipiell mit einer formellen Parteistellung verknüpft und somit für Drittwirkungen eher ungeeignet sind, können die Schutzpflichten grundsätzlich auch Personen betreffen, die zwar formell am Schuldverhältnis unbeteiligt sind, von schuldverhältnisbezogenen Parteihandlungen jedoch Schäden erleiden können.197 Unter dem Begriff der Schutzpflichten sind zwei Arten von Pflichten je nach Schutzrichtung zu unterscheiden. Dabei handelt es sich einerseits um Pflichten, die vor Gefahren schützen sollen, die aus der Sphäre des Schutzpflichtschuldners stammen bzw. aufgrund verschiedener Wertungen ihm zuzurechnen sind. Als genauer Pflichtinhalt kann hier also das Gebot angesehen werden, den Schuldverhältnispartner nicht zu schädigen (Nichtschädigungspflichten). Unter der Gesamtheit der Schutzpflichten dürften die Pflichten dieser Kategorie die durchaus größere Mehrheit ausmachen. Andererseits sollte man unter den Schutzpflichten eine weitere Gruppe von Verhaltensgeboten anerkennen, die zwar ebenfalls den Schutz des Schutzpflichtgläubigers vor Gefahren zum Inhalt haben, jedoch nur solche Gefahren betreffen, die außerhalb der Zurechnungssphäre des Schutzpflichtschuldners entstehen (Fremdgefahrabwehrpflichten). Als Beispiel könnte dabei die Pflicht des Automechanikers dienen, auf auffällige Fehler der Autoreifen hinzuweisen, die er wechseln muss, um den Autobesitzer vor weiteren Schäden zu schützen, obwohl es sich hier um die Abwehr von Gefahren handelt, die aus der Sphäre des Verkäufers der Reifen, und nicht des Automechanikers selbst stammen. Natürlich setzt diese Unterscheidung keine rein logische Beurteilung der faktischen Lage voraus: Entscheidend ist vielmehr, ob man dem Schutzpflichtschuldner bei einer Gesamtbetrachtung der Lage in wertender Beurteilung die Schädigung an sich oder die Nichtabwehr einer Schädigung vorwerfen soll. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn es sich um Gefahren handelt, welche die dem Schutzpflichtschuldner anvertrauten Rechtsgüter bzw. Interessen betreffen und deren Abwehr durch den Schutzpflichtschuldner ohne weiteres erwartet werden darf. So verletzt der Werkstattinhaber, dem Fahrräder zur Reparatur überlassen werden, eigentlich eine Nichtschädigungspflicht, wenn er die Fahrräder nicht ausreichend vor Dieben sichert: Aufgrund einer wertenden Betrachtung ist die Nichtsicherung der Fahrräder die eigentliche Schädigungshandlung, da die Diebstahlsgefahr eine Selbstverständlichkeit für jeden Fahrradbesitzer darstellt. Bereits aus dieser Unterscheidung ergibt es sich, dass die gesuchten Gründe für die Rechtfertigung von Schutzpflichten nicht die gleichen für beide Pflich___________ 196

Zum Verhältnis zwischen Rahmen-, Rücksichtnahme- und Schutzpflichten s. oben 5. Kapitel D. I. 197 Allerdings sind ausnahmsweise auch andere Rahmenpflichten relevant; eine solche Konstellation wird oben in 2. Kapitel bei Fn. 52 geschildert.

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tenkategorien sein können, da ihnen unterschiedliche Schutzrichtungen zugrunde liegen.198 Auch den besonderen Schwierigkeiten jeder Schutzpflichtenkategorie ist jeweils an verschiedenen Stellen zu begegnen. Allerdings erweckt ein Blick auf die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle zum SSD199 den Eindruck, dass die Nichtschädigungspflichten eine überaus wichtigere Rolle spielen als die Fremdgefahrabwehrpflichten, deren praktische Bedeutung für die Schuldbeziehung auch in rein zweipoliger Hinsicht ohnehin geringer ist. Von dieser Feststellung ausgehend beziehen sich die folgenden Ausführungen nicht auf die Gesamtheit der Schutzpflichten, sondern speziell auf die Nichtschädigungspflichten; vornehmlich im Sinne dieser Pflichten wird dementsprechend auch der Schutzpflichtenbegriff verwendet.

aa) Materielle Rechtfertigung der Schutzpflichten Die Besonderheit der Schutzpflichten gegenüber den übrigen Rahmenpflichten liegt darin, dass sie Rechtsgüter und Interessen vor Schäden bewahren sollen, die nicht unbedingt mit einer Verbesserung der Position des Schutzpflichtgläubigers hinsichtlich des konkreten Schuldverhältnisses verbunden sind. Der Beitrag der Schutzpflichten zur Zweckförderung tritt somit nicht so deutlich zu Tage wie bei Rahmenpflichten, die eine eindeutigere Verknüpfung mit der Festlegung und Verwirklichung des besonderen Schuldverhältniszwecks aufweisen.200 Im Stadium der Vertragsverhandlungen sind etwa Informationspflichten über den künftigen Vertragsgegenstand wegen ihrer engen Verbindung mit den bevorstehenden Zentralpflichten offenbar anders bzw. einfacher zu rechtfertigen als die Anforderung an jeden der Verhandlungspartner, die körperliche Integrität des anderen nicht zu schädigen.201 Die dabei besonders dringende Problematik lautet also, ob die Tatsache, dass bloß aus Anlass bzw. bei der Vorbereitung oder der vollständigen Abwicklung von Zentralpflichten Rechtsgüter und Interessen des Schuldverhältnispartners geschädigt werden können, ausreicht um die entsprechenden Schutzpflichten anzunehmen. Es fragt sich nämlich, ob und in welcher Weise die Entstehung von Schutzpflichten die erforderliche objektive Verbindung mit der Förderung eines besonderen Schuldverhältniszwecks aufweist, um sich im Rahmen der institutionellen Optimierung der Schuldverhältnisordnung auffassen und dadurch rechtfertigen zu lassen. Der richtige Lösungsansatz ist m.E. darin zu finden, dass die Festlegung und Verwirklichung des besonderen Schuldverhältniszwecks an sich sowie die ___________ 198 199 200 201

Vgl. Krebs, Sonderverbindung, S. 505 ff. s. oben 2. Kapitel A. II. und III. s. oben 5. Kapitel D. III. 1. Vgl. auch oben 5. Kapitel C. II. Vgl. Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 29 II 4.

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Wahrnehmung und vollständige Abwicklung der damit zusammenhängenden Angelegenheiten in aller Regel mit den Einwirkungs- und Schädigungsmöglichkeiten jedes Schuldverhältnispartners auf die Rechtsgüter und Interessen der anderen Seite verbunden sind.202 Der potentielle Käufer, der sich in die Wohnung des Verkäufers zur Verhandlungsführung begibt, setzt sich selbst beispielsweise der Gefahr einer aus der Sphäre seines Verhandlungspartners stammenden Körperverletzung aus, da er etwa auf dem frisch polierten Boden ausrutschen kann, wenn er nicht entsprechend informiert wird. Die maßgeblichen Einwirkungs- bzw. Schädigungsmöglichkeiten sind deshalb so wichtig, weil sie notwendige Bedingungen der wirkungsvollen Zusammenarbeit zwischen den (möglichen) Schuldverhältnisparteien darstellen. Auch wenn die Gefahren, denen sich die Beteiligten dabei aussetzen, häufig sehr gering sind, lassen sie sich ohne Lähmung jeder effizienten Zweckverfolgung kaum vollkommen beseitigen. Im Beispiel der Verhandlungen für einen Kaufvertrag kann erst der Verzicht auf jeden persönlichen Kontakt zwischen (potenziellem) Käufer und Verkäufer die Gefahren gegenseitiger Schädigung ausschließen; dadurch müsste man jedoch beträchtliche Vorteile der persönlichen Kommunikation preisgeben und somit eine erhebliche Beeinträchtigung des bevorstehenden Kaufabschlusses in Kauf nehmen. Die Anerkennung von Schutzpflichten bewirkt nun eine Verminderung der betreffenden Risiken bzw. der Konsequenzen ihrer Verwirklichung, indem ein erhöhter Verantwortungsmaßstab gegenüber dem jeweils anderen Teil sowohl auf Primär- als auch auf Sekundärpflichtebene (Sonderverhaltensordnung203) aufgestellt wird. Dadurch soll ferner die beiderseitige Bereitschaft zur Zusammenarbeit für die Festlegung und Verfolgung besonderer Schuldverhältniszwecke gefördert und somit die gesamte Schuldverhältnisordnung optimiert werden. Die Rechtsordnung veranlasst nämlich die (möglichen) Schuldverhältnisparteien, die deliktsrechtliche abwehrbereite Isolation aufzugeben und ihre Rechts(güter-)kreise204 zwecks effizienter Zusammenarbeit im Rahmen von Schuldverhältnissen möglichst ohne Schädigungsängste und aufwandsintensive Abwehrmaßnahmen ___________ 202

Die Einwirkungsmöglichkeiten werden in Zusammenhang mit der Schutzpflichtenproblematik häufig verwendet, s. bereits Stoll, AcP 136 (1932), S. 288 f, der sich seinerseits auf frühere einschlägige Meinungsäußerungen bezieht (a.a.O. Fn. 63). Dabei ist allerdings nicht immer klar (so etwa Thiele, JZ 1967, 650 sowie 652 f), ob dadurch erhöhte (s. beispielsweise MüKo(4)/Roth, § 241, Rn. 108; Koziol, JBl 1994, 213), oder lediglich mit der Zusammenarbeit zur Festlegung und Verfolgung eines besonderen Schuldverhältniszwecks verbundene Einwirkungsmöglichkeiten (so etwa Stoll, a.a.O.) gemeint werden. Nach dem hier zugrunde gelegten Konzept sind für die Schutzpflichtentstehung eindeutig nur Einwirkungsmöglichkeiten der zweiten Art maßgeblich – s. sogleich unten im Text. 203 s. oben 5. Kapitel D. II. 204 Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 29 I 1, sprechen von Offenlegung der „Besitzsphären“ der Beteiligten.

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gegenseitig zu öffnen. Im Gegensatz also zum Deliktsrecht, das von einem bloßen „Nebeneinander“ aller Menschen ausgeht, soll die Regelung der Schutzpflichten das für die effiziente Zwecksetzung und -verfolgung im Rahmen von Schuldverhältnissen erforderliche „Miteinander“ der Parteien begünstigen, indem sie gegenseitige, schuldverhältnisbezogene Rechtskreisöffnungen fördert.205 Übertragen auf das Beispiel der Kaufverhandlungen bedeutet dieses Rechtfertigungsschema, dass die Anerkennung von Schutzpflichten mögliche Hemmungen der Verhandlungspartner vor einer Teilnahme an persönlichen Verhandlungen aufheben soll. Besonders wichtig ist hier die Klarstellung, dass die erwähnten, durch die Schutzpflichten auszugleichenden Einwirkungs- bzw. Schädigungsmöglichkeiten innerhalb von Schuldbeziehungen keine Besonderheit bezüglich ihrer Art oder ihres Ausmaßes gegenüber rein deliktsrechtlich behandelten Fallgestaltungen aufweisen. Im Gegenteil sind häufig auch dort die Einwirkungsmöglichkeiten besonders hoch und zuweilen sogar gesteigert im Vergleich zu schuldverhältnisbezogenen Konstellationen.206 Auch die tatsächliche Rechtskreisöffnung ist in Konstellationen außerhalb von Sonderbeziehungen oft gegeben, trotzdem wird an der Anwendung allein deliktsrechtlicher Schutznormen allgemein kein Zweifel erhoben.207 Das für die Rechtfertigung der Schutzpflichten entscheidende Moment liegt also allein in der Tatsache, dass die Einwirkungsmöglichkeiten im Rahmen der Vorbereitung und vollständigen Abwicklung von (möglichen) Schuldbeziehungen, d.h. im Rahmen der Festlegung und Verfolgung besonderer Obligationszwecke, eröffnet werden. In diesem Sinne ist es verfehlt, zur Rechtfertigung der Schutzpflichten von „erhöhten“ Einwirkungsmöglichkeiten zu sprechen, da nicht nur die irgendwie gesteigerten, sondern alle Einwirkungsmöglichkeiten, die einen besonderen Bezug zum Schuldverhältnis aufweisen, durch die Sonderverhaltensordnung der Schutzpflichten ausgeglichen werden.208 Gerade aufgrund solcher Überlegungen kann – trotz auffälliger Ähnlichkeit zu rein deliktsrechtlich behandelten Konstellationen – die Anwendung von Vertragshaftungsregeln etwa zu Gunsten der wegen Verschuldens des Warenhausbesitzers geschädigten Warenhauskunden209 bereits beim Betreten des Warenhauses erklärt werden. In solchen Fällen öffnet nämlich nicht nur der Wa___________ 205 In diese Richtung s. insbesondere Frost, 49 ff; Krebs, Sonderverbindung, S. 210 ff (s. auch S. 170 ff) sowie zusammenfassend SchAnwPra/Krebs, § 3, Rn. 18 f und 30; Schur, S. 223 ff; Koziol, JBl 1994, 213; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 29 I. Vgl. ferner Hk-BGB/Schulze, § 241, Rn. 4; MüKo(4)/Roth, § 241, Rn. 108; Reischl, FS Musielak, S. 420 f. 206 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. a). 207 So etwa beim Laufen durch eine dem öffentlichen Verkehr zugänglich gemachte Passage – s. auch oben bei Fn. 148. 208 Vgl. MüKo(4)/Emmerich, § 311, Rn. 71. 209 s. etwa BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (53 ff).

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renhausinhaber dem Kunden seinen Rechtskreis, sondern auch der Letztgenannte setzt seine – sogar höchstpersönlichen – Rechtsgüter den Einwirkungsmöglichkeiten des Geschäftsinhabers aus, indem er lediglich den Laden betritt und sich darin aufhält; beide tun es jedoch – und dies ist der entscheidende Punkt – im Hinblick auf einen möglichen Vertragsschluss und somit auf einen etwaigen, zumindest abstrakt möglichen210 besonderen Schuldverhältniszweck. Die hier vertretene Erklärung der Schutzpflichten wird nunmehr durch § 311 II Nr. 2 BGB bestätigt, indem dort als entscheidender Gesichtspunkt die Gewährung von Einwirkungsmöglichkeiten und zwar im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung hervorgehoben wird. Denn auch die zweite in der betreffenden Vorschrift erwähnte Alternative – Anvertrauung eigener Rechte, Rechtsgüter und Interessen – ist im Grunde eine andere Form eines eigentlich einheitlichen Phänomens. Sie ist nämlich als eine Rechtskreisöffnung zu verstehen, die vor allem besonders intensiv ist.211 Allerdings sollte man das Geltungsfeld von § 311 II Nr. 2 BGB wegen der Bezugnahme auf gewährte Einwirkungsmöglichkeiten eher auf den engeren Bereich der Schutzpflichten einschränken.212 Diese einschränkende Auslegung erlaubt jedoch die Entnahme eines verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedankens aus § 311 II Nr. 2 BGB: Die Entstehung von Schutzpflichten basiert nicht nur im Stadium der Vertragsanbahnung, sondern in allen Schuldbeziehungen in jeder Abwicklungsphase – einschließlich der eigentlichen Vertragsverhandlungen nach § 311 II Nr. 1 BGB – auf der Gewährung von Einwirkungsmöglichkeiten.213 Die Rechtfertigung der Schutzpflichten mit dem Zentralpunkt der eröffneten Einwirkungsmöglichkeiten (Rechtskreisöffnung) darf allerdings nicht dahin verstanden werden, dass keine weiteren Gesichtspunkte als zusätzliche Argumente, wenn auch mit beschränktem Geltungsanspruch, dienen könnten. Dazu zählen etwa die verminderten Möglichkeiten des möglichen Schutzpflichtgläubigers zum Selbstschutz (vgl. § 311 II Nr. 2 BGB: „anvertraut“) oder eine absolute Machtposition des möglichen Schädigers,214 sowie der Umstand, dass ein Schaden an der unabhängig von der Schuldbeziehung bestehenden Rechtsgüter- und Interessenlage der Schuldverhältnisparteien den Sinn der ganzen Zusammenar___________ 210

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) dd). s. auch MüKo(4)/Emmerich, § 311, Rn. 75; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 540; Frost, S. 72 ff; Krebs, Sonderverbindung, S. 185 f; KompaktKom-BGB/Hirse, § 311, Rn. 16. 212 Vgl. Rieble, S. 141; Koziol, JBl 1994, 219. Zur inhaltlichen Abgrenzung der Schutzpflichten von den übrigen Rahmenpflichten s. oben 5. Kapitel D. III. 1. 213 In diesem Sinne ebenfalls Rieble, S. 143. Vgl. auch MüKo(4)/Emmerich, § 311, Rn. 68 sowie 75 ff; KompaktKom-BGB/Hirse, § 311, Rn. 13; SchAnwPra/Lieb, § 3, Rn. 37. 214 Krebs, Sonderverbindung, S. 206, sowie 212 f. 211

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beit zuweilen vollkommen widerlegen könnte.215 Allerdings dürfen solche Gesichtspunkte nur insoweit maßgeblich sein, als sie mit der Zusammenarbeit bei der Festlegung und Verfolgung besonderer Schuldverhältniszwecke verbunden sind. Demgegenüber sind sie ohne den konkreten Bezug zu einem etwaigen, zumindest abstrakt möglichen Schuldverhältniszweck in diesem Zusammenhang irrelevant.216 Mit der Überzeugungskraft des hier vertretenen Rechtfertigungsansatzes hängt schließlich die Antwort auf die Frage nach der „wahren“ Natur der Schutzpflichten als sonderverbindungsspezifische oder rein deliktische Gebote zusammen. Wie bereits geschildert, tritt diese Problematik bei den Schutzpflichten wegen ihrer funktionellen Nähe zum Deliktsrecht (Stichwort: Rechtsgüterschutz217) besonders deutlich hervor.218 Kann man nun auf überzeugende Weise darlegen, dass die Schutzpflichten eine berechtigte Stellung in der Regelung der Schuldbeziehungen innehaben, so belegt man zugleich, dass ihre dogmatische Verankerung im Recht der Schuldverhältnisse keine durch die berüchtigten „Schutzschwächen“ des deutschen Deliktsrechts (s. etwa § 831 gegenüber § 278 BGB) bedingte Notlösung darstellt.219

bb) Entstehungsvoraussetzungen von Schutzpflichten Das Problem der Entstehungsvoraussetzungen der Schutzpflichten soll in diesem Zusammenhang auf der Grundlage der bisher erzielten Ergebnisse angesprochen werden. Ausgangspunkt ist dabei die Rechtfertigung der Schutzpflichten mit der Förderung der gegenseitigen, im Rahmen schuldverhältnis- oder, richtiger, zentralpflichtbezogener Zusammenarbeitskonstellationen vorgenommenen Rechtskreisöffnungen der Beteiligten.220 Daraus sind mehrere, den Grundgedanken konkretisierende Elemente bzw. Bedingungen herzuleiten, aufgrund derer die Frage nach der Entstehung von Schutzpflichten in jedem konkreten Fall einfacher beantwortet werden soll. Zu beachten ist dabei, dass in ___________ 215

Krebs, Sonderverbindung, S. 172. s. oben 5. Kapitel D. III. 3. a) und b). 217 s. etwa Thiele, JZ 1967, 650. 218 s. oben 5. Kapitel C. II. 219 s. etwa Huber, Gutachten S. 736 ff; Horn, JuS 1995, 380, sowie ferner die entsprechenden Nachweise bei Canaris, 2. FS Larenz, S. 85, Fn. 188. Zu dieser Problematik s. auch die gedankenreiche Analyse Canaris’, a.a.O. S. 85 ff. Eine andere Frage ist dabei freilich, ob die maßgeblichen deliktsrechtlichen „Schutzschwächen“ in faktischer Hinsicht zur Entwicklung einer umfassenden obligationsbezogenen Schutzpflichtenlehre im deutschen Recht beigetragen haben – s. etwa Plötner, S. 19 f. Für die dogmatische Problembehandlung spielt dieser Umstand kaum eine Rolle. 220 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) aa). 216

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

diesem Zusammenhang zwar meistens von Entstehungsvoraussetzungen gesprochen wird, dadurch jedoch unmittelbar auch die Frage nach dem Inhalt bzw. dem Umfang der Schutzpflichten berührt wird. Denn eigentlich können beide Fragenkreise nicht voneinander getrennt behandelt werden: Schutzpflichten müssen mit einem konkreten Inhalt entstehen, der sich wiederum insoweit ausdehnt, als dies von den Voraussetzungen geboten ist, die die Schutzpflichtentstehung bedingen.

(1) Vorliegende Einwirkungsmöglichkeiten Unverzichtbar ist zunächst die Anforderung, dass nur für diejenigen Rechte, Rechtsgüter und Interessen Schutzpflichten der Schuldverhältnispartner entstehen können, die jeweils den Einwirkungsmöglichkeiten des anderen Teils konkret ausgesetzt werden, und nur in dem Umfang (zeitliche Ausdehnung und Intensität), der für den Ausgleich der maßgeblichen Einwirkungen erforderlich ist.221 Dadurch wird die äußerste Grenze gezogen, über welche hinaus keine Rechte, Rechtsgüter und Interessen mittels Schutzpflichten geschützt werden können. In Bezug auf diese Bedingung kann es durchaus vorkommen, dass die gegenseitigen Rechtskreisöffnungen der Schuldverhältnispartner jeweils verschiedene Positionen betreffen und unterschiedliche Gefahren mit sich bringen, was sich freilich auf die inhaltliche Ausgestaltung der entsprechenden Schutzpflichten unmittelbar auswirkt. So setzt etwa bei einem Mietverhältnis über eine Wohnung der Mieter auch seine körperliche Unversehrtheit den aus der Vermietersphäre stammenden Gefahren aus, während der Vermieter im Regelfall nur eine Schädigung seiner Wohnung fürchten muss. Insofern sind auch die gegenseitigen Schutzpflichten auf entsprechend unterschiedliche Rechtsgüter gerichtet.

(2) Einwirkungsmöglichkeiten aufgrund des Willens der Beteiligten bzw. des Inhalts des Schuldverhältnisses Natürlich reicht das bloße Faktum der Einwirkungsmöglichkeiten des einen Teils auf die Positionen des anderen nicht aus, da (zuweilen sogar erhöhte) Einwirkungsmöglichkeiten auch im außerhalb von Obligationen liegenden Lebensbereich vorzufinden sind.222 Der entscheidende Gesichtspunkt, aufgrund dessen die bestehenden Einwirkungsmöglichkeiten mit der Entstehung von Schutzpflichten verbunden werden, ist angesichts der materiellen Erklärung der ___________ 221 s. auch Krebs, Sonderverbindung, S. 505; MüKo(4)/Roth, § 241, Rn. 103; FraHandbuch/Blenske, S. 124 sowie 141 f. 222 s. oben 5. Kapitel D. III. 1.

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Schutzpflichten darin zu finden, dass die maßgeblichen Einwirkungsmöglichkeiten geradezu im Rahmen einer schuldverhältnisbezogenen Zusammenarbeit der (möglichen) Schuldverhältnisparteien eröffnet werden. Folgerichtig ist für die Entstehung von Schutzpflichten zumindest ein Zusammenarbeitswille seitens der Beteiligten erforderlich, der durch die Schaffung vertrauensfördernder bzw. aufwandsgünstiger Rahmenbedingungen unterstützt werden soll. Dieses allgemein für die Rahmenpflichten geltende Erfordernis223 ist hier im Hinblick auf die besondere Funktion der Schutzpflichten dahin zu verstehen, dass der Wille der Beteiligten konkret die im Rahmen der schuldverhältnisbezogenen Zusammenarbeit eröffneten Einwirkungsmöglichkeiten betreffen muss. Es ist folglich für die Entstehung von Schutzpflichten zum einem erforderlich, dass die maßgeblichen Einwirkungsmöglichkeiten des Schutzpflichtschuldners mit dem entsprechenden Willen des Schutzpflichtgläubigers eröffnet werden224 (Rechtskreisöffnung), und zum anderen dass die dem Schutzpflichtschuldner gegenüber vorgenommene Rechtskreisöffnung (willentliche Gewährung von Einwirkungsmöglichkeiten) von dessen Willen gedeckt wird.225 Eine Zusammenarbeit der Schuldverhältnisparteien und mit ihr jeder Bezug zu einem schuldverhältnisbezogenen Zusammenarbeitsfeld kommt hingegen dann nicht in Frage, wenn die faktisch bestehenden Einwirkungsmöglichkeiten vom Zusammenarbeitswillen zumindest einer Partei nicht gedeckt werden (sie werden nicht als solche gewollt bzw. nicht als solche akzeptiert). Die Tatsache, dass die andere Partei eine Rechtskreisöffnung einseitig vornimmt bzw. zu veranlassen versucht, reicht also für die Schutzpflichtentstehung nicht aus. Demgegenüber ist für das Vorliegen der erforderlichen Zusammenarbeitskonstellation unerheblich, welche Partei die Initiative zur Zusammenarbeit und somit zur Schaffung der maßgeblichen Einwirkungsmöglichkeiten ergreift, nämlich ob erst der Schutzpflichtgläubiger seinen Rechtskreis gegenüber dem dazu willigen Schutzpflichtschuldner öffnet oder der Schutzpflichtschuldner Einwirkungsmöglichkeiten auf die Positionen des Schutzpflichtgläubigers veranlasst bzw. schafft, die der Letztgenannte einfach akzeptiert. Die Voraussetzung einer willentlichen Rechtskreisöffnung liegt insbesondere dann nicht vor, wenn der mögliche Schutzpflichtgläubiger von den Einwirkungsmöglichkeiten seines Schuldverhältnispartners auf seine Rechtsgüter und Interessen nichts weiß und auch nicht wissen muss: Die Unwissenheit des ___________ 223

Vgl. insbesondere oben 5. Kapitel D. III. 3. b) ff). Vgl. Frost, S. 57 sowie 153; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 29 I 1. Noch deutlicher wird die Anforderung dieses Willensmoments, wenn man die Formulierung von § 311 II Nr. 2 BGB zugrunde legt: „[...] dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut“. Dazu, dass § 311 II BGB einen allgemeinen Rechtsgedanken verkörpert, s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) aa). 225 Vgl. Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 29 I 1. 224

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

Schutzpflichtgläubigers über den Kontakt des Schutzpflichtschuldners mit seinen Rechtsgütern macht die Absicht zur Zusammenarbeitsförderung vollkommen irrelevant. Als einschlägiges Beispiel könnte hier etwa der Fall dienen, dass der Vermieter seinen Mieter zur Besprechung einer Mieterhöhung unerwartet besucht, die Wohnungstür offen findet und sich in die Wohnung begibt, obwohl sich dort niemand aufhält. Da der Mieter in diesem Fall von dem Besuch durch den Vermieter nichts weiß, liegt seinerseits keine (freilich willentliche) Rechtskreisöffnung vor, so dass die Verantwortung des Vermieters gegenüber dem Eigentum seines Mieters nicht über jene etwa eines Diebes hinaus gehen kann, der ebenso unerwartet und freilich uneingeladen die günstige Lage ausnutzt, um einen Diebstahl zu begehen. Die Rechtslage ist in dieser Konstellation natürlich von dem Zeitpunkt an unterschiedlich zu beurteilen, an dem der Mieter in die Wohnung zurückkehrt und in den Besuch des Vermieters nunmehr – wenn auch konkludent – einwilligt. Auch auf der Seite des Schutzpflichtschuldners ist eine Veranlassung bzw. Annahme der Rechtskreisöffnung seines Schuldverhältnispartners insbesondere dann zu verneinen, wenn er in objektivierter Hinsicht von der Gewährung der Einwirkungsmöglichkeiten nichts weiß und auch nichts wissen muss. Im soeben angeführten Beispiel des unerwarteten Vermieterbesuchs ist auch die Entstehung von Schutzpflichten zu Gunsten des Vermieters abzulehnen: Die Abwesenheit des Mieters ist objektiv betrachtet dahin zu deuten, dass er die Rechtskreisöffnung seines Vertragspartners nicht annimmt, so dass eine Zusammenarbeit, zu deren Förderung die Schutzpflichten des Mieters entstehen könnten, (noch) nicht möglich ist. Man muss dabei allerdings einräumen, dass zumindest im einfachen, rein zweipoligen Schuldverhältnis in den durchaus meisten Fällen ein Wille zur Rechtskreisöffnung und der entsprechende Annahmewille problemlos angenommen werden können. Neben den Fällen, in denen die Zusammenarbeit der Schuldverhältnisparteien von ihrem Willen gedeckt wird (insofern kann man von freiwilliger Zusammenarbeit sprechen), kann man sich Konstellationen vorstellen, in denen ein solcher Wille zwar nicht unbedingt vorliegt, die mit Hilfe von Schutzpflichten zu fördernde Rechtskreisöffnung jedoch von der konkreten Schuldbeziehung vorgesehen wird bzw. sich aus ihr notwendigerweise ergibt (obligatorische Zusammenarbeit). M.E. muss man auch solche Rechtskreisöffnungen als ausreichend für die Schutzpflichtentstehung betrachten, da solche Zusammenarbeitskonstellationen am ehesten mit der Schuldbeziehung verbunden sind. Freilich hat diese Annahme in den durchaus meisten Fällen kaum praktische Bedeutung, da auch ein entsprechender Parteiwille vorhanden sein dürfte. Erst dann, wenn ein solcher fehlt bzw. nicht relevant ist (etwa bei Minderjährigen226) oder nicht ___________ 226

s. dazu unten 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (3).

D. Erneute Analyse

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nachgewiesen werden kann, kann der Inhalt der maßgeblichen Schuldbeziehung erheblich werden.

(3) Bezugnahme auf einen besonderen Schuldverhältniszweck Letzte Voraussetzung für die Entstehung von Schutzpflichten ist die konkrete Verbindung der Rechtskreisöffnung des Schutzpflichtgläubigers sowie deren Annahme seitens des Schutzpflichtschuldners mit der vollständigen Abwicklung der Angelegenheiten, die mit der Festlegung und Verfolgung eines besonderen (bestehenden, abstrakt möglichen, bereits erreichten, oder lediglich vermeintlichen bzw. versuchten227) Schuldverhältniszwecks zusammenhängen. Diese Bedingung kommt auch in der Formulierung von § 311 II Nr. 2 BGB („im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung“) deutlich zum Ausdruck. Sie stellt eine insbesondere auf die Schutzpflichten bezogene Konkretisierung des allgemeinen Erfordernisses dar, dass die Rahmenpflichten einen konkreten, durch die Zusammenarbeit der Beteiligten vermittelten Bezug zu einem besonderen Schuldverhältniszweck aufweisen müssen, um ihre Stellung als Sonderpflichten rechtfertigen zu können: Durch diese Bezugnahme wird ein bestimmter menschlicher Kontakt zu einem qualifizierten Verhältnis gemacht (schuldverhältnisbezogene Zusammenarbeit) und somit zu einer rechtlich begünstigten Sonderbeziehung hervorgehoben.228 In Bezug auf die Qualität der geforderten Verbindung reicht es sicherlich nicht aus, den besonderen Schuldverhältniszweck in irgendwelcher Hinsicht als bloß kausal für den Kontakt zwischen Schutzpflichtgläubiger und -schuldner ansehen zu können.229 Vielmehr muss es sich um eine Zweckverbindung handeln: Die Parteien müssen geradezu mit dem Ziel der Behandlung von Angelegenheiten zusammenkommen, die mit der Festlegung bzw. Abwicklung eines besonderen Schuldverhältniszwecks zusammenhängen. Erst dann, wenn diese Zweckgerichtetheit hergestellt wird, kann die funktionelle Rechtfertigung der Schutzpflichten mit Hilfe eines besonderen Schuldverhältniszwecks (Zweckförderungsfunktion) Geltung beanspruchen.230 Diese Bedingung wird etwa in dem Fall problemlos erfüllt, dass der Vermieter seinen Vertragspartner in die Mietwohnung zur Besprechung einer Mieterhöhung besucht. Darüber hinaus darf man keine zusätzlichen Tatbestandsmerkmale verlangen. Auch wenn die maßgebliche Zusammenarbeit nur entfernt mit einem Schuldverhältniszweck verbunden ist, ist dieser Umstand nicht als Hindernis für die ___________ 227 228 229 230

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) dd) und ee). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) cc) und ff). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) aa). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) aa) sowie 5. Kapitel D. III. 3. c) aa).

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

Annahme von Schutzpflichten zu bewerten. Es stimmt vielmehr mit der funktionellen Rechtfertigung der Schutzpflichten als institutionelles Optimierungsmittel für die gesamte Schuldverhältnisordnung überein, jeden Versuch eines Zusammenwirkens zu unterstützen, sofern dieser überhaupt im Hinblick auf einen besonderen Schuldverhältniszweck vorgenommen wird. Auf diesem Ausgangspunkt beruht auch die gesetzliche Anerkennung von Rahmenpflichten im Stadium der Vertragsanbahnung (s. § 311 II BGB). In diesem Sinne wird etwa der mögliche Warenhauskunde bereits beim Einparken in die Warenhausgarage mit Schutzpflichten des Warenhausbesitzers geschützt, obgleich das Ziel eines Kaufvertragsschlusses immer noch weit entfernt ist. Denn die Notwendigkeit eines vertrauensvollen und aufwandsgünstigen Miteinanders zur Förderung eines besonderen Schuldverhältniszwecks (hier Abschluss und Erfüllung eines Kaufvertrages) ist auch hier vorhanden. Hinsichtlich der Frage nach den Maßstäben, aufgrund deren der Bezug der Rechtskreisöffnung zu einem besonderen Schuldverhältniszweck ermittelt werden soll, sind wiederum die erwähnten zwei Gesichtspunkte maßgeblich: der Inhalt des konkreten Schuldverhältnisses bzw. der übereinstimmende Parteiwillen;231 bloß faktische Gegebenheiten reichen hingegen nicht aus. Wird also eine bestimmte Rechtskreisöffnung von der konkreten Schuldbeziehung vorgesehen oder von den beteiligten Parteien übereinstimmend im Hinblick auf einen besonderen Schuldverhältniszweck vorgenommen bzw. akzeptiert, so muss man die entscheidende Bedingung für erfüllt halten. Muss etwa der Lieferant eines Warenhauses gemäß seinem Vertrag mit dem Warenhausinhaber zu einem bestimmten Zeitpunkt im Warenhaushof Waren liefern (obligatorische Zusammenarbeit) bzw. besucht ein möglicher Kunde das Warenhaus (freiwillige Zusammenarbeit), so ist die Bezugnahme der jeweiligen Rechtskreisöffnung auf einen bereits bestehenden (Vertragsverhältnis) oder nur möglicherweise noch festzulegenden (vorvertragliches Schuldverhältnis – § 311 II BGB) besonderen Schuldverhältniszweck zu bejahen. Eine klarstellende Bemerkung ist insbesondere bei Konstellationen freiwilligen Zusammenwirkens im Hinblick auf den Umstand notwendig, dass der entscheidende Kontakt häufig deshalb stattfindet, weil zwischen dem Schutzpflichtgläubiger bzw. -schuldner und einem Dritten bereits eine rechtliche oder anderweitige Beziehung besteht, die zur maßgeblichen Kontaktaufnahme veranlasst. Es kann dann fraglich sein, ob der erforderliche Wille zur Rechtskreisöffnung (seitens des Schutzpflichtgläubigers) bzw. zu deren Annahme (seitens des Schutzpflichtschuldners) sowie die Bezugnahme dieses Willens auf einen besonderen Schuldverhältniszweck verneint werden müssten, weil die schuldverhältnisbezogene Zusammenarbeit keine allein mit der fraglichen Schuldbeziehung verbundene Entscheidung des Schutzpflichtgläubigers bzw. -schuldners ___________ 231

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb) (2).

D. Erneute Analyse

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darstellt. Eine solche Lage kommt etwa dann vor, wenn sich der Schutzpflichtgläubiger in einem Geschäftsbesorgungsvertrag mit einem Dritten verpflichtet hat, einen bestimmten weiteren Vertrag mit dem in Frage kommenden Schutzpflichtschuldner zu schließen. Hier eröffnet der Beauftragte seinem (zweiten) Vertragspartner Einwirkungsmöglichkeiten auf seinen Rechtskreis nur deshalb, weil ihn dazu der erste Geschäftsbesorgungsvertrag verpflichtet; insofern erscheint sein Wille zur Rechtskreisöffnung gegenüber seinem (zweiten) Vertragspartner, die sich auch auf den zweiten Vertrag bezieht, nicht zweifellos. Allerdings würde die Verneinung der entsprechenden Willensmomente in solchen Fällen der Funktion der Schutzpflichten widersprechen: Die Absicht zur Förderung der Entstehung bzw. der vollständigen Abwicklung einer Schuldbeziehung durch die Erhöhung der Zusammenarbeitsbereitschaft der am Schuldverhältnis Beteiligten ist natürlich unabhängig davon relevant, ob diese auch andere Beweggründe haben, um sich auf eine schuldverhältnisbezogene Zusammenarbeitskonstellation einzulassen. Dieses Ergebnis entspricht insgesamt der funktionellen Stellung der Schutzpflichten als nur eins unter mehreren Rechtsinstrumenten zur Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung. Sofern also die Zusammenwirkung der Beteiligten nicht als Zufallskontakt erscheint, sondern von ihrer entsprechenden positiven Entscheidung getragen wird, dürfte die Frage, welche genauen Motive die maßgebliche Zusammenarbeit stützen, prinzipiell unerheblich sein. Relevant können die weiteren Absichten der Beteiligten nur bei der Interpretation der Lage sein, wenn zweifelhaft ist, ob eine bewusste schuldverhältnisbezogene Rechtskreisöffnung tatsächlich vorliegt bzw. ob eine solche vom Schutzpflichtschuldner ebenfalls im Hinblick auf einen besonderen Schuldverhältniszweck angenommen wird. Jedenfalls ist die praktische Bedeutung dieser Möglichkeit zumindest im Rahmen rein zweipoliger Beziehungen eher gering.232

cc) Das willentliche Moment Die vorangegangenen Überlegungen233 könnte man in einer rechtssatzmäßigen Formulierung zusammenfassen: Schutzpflichten sind dann anzunehmen, wenn eine nach dem Inhalt des konkreten Schuldverhältnisses vorgesehene Gewährung von Einwirkungsmöglichkeiten vorliegt (obligatorische Zusammenarbeit), bzw. wenn der Schutzpflichtgläubiger im Hinblick auf die Abwicklung der mit einem besonderen Schuldverhältniszweck verbundenen Angelegenheiten seinen Rechtskreis gegenüber dem Schutzpflichtschuldner willentlich öffnet ___________ 232 Mit erhöhter Schärfe tritt diese Problematik erst bei dreipoligen Beziehungen auf, s. dazu unten 6. Kapitel B. II. 2. b) sowie ferner 6. Kapitel B. II. 2. c) bis e). 233 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb).

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

und dieser die derartige Rechtskreisöffnung als solche annimmt (freiwillige Zusammenarbeit). Insoweit treten vor allem zwei Momente hervor: die konkrete Ausgestaltung des maßgeblichen Schuldverhältnisses und der übereinstimmende Parteiwillen. Beide Alternativen stellen zwar zwei prinzipiell gleichwertige Begründungswege dar und dienen somit gleichermaßen der Bestimmung des Umfangs, in dem Schutzpflichten in jedem konkreten Fall angenommen werden müssen. Allerdings gilt in diesem Zusammenhang der zweiten Alternative, nämlich dem übereinstimmenden Parteiwillen, ein besonderes Interesse. Demgegenüber bereitet die vom maßgeblichen Schuldverhältnis konkret vorgesehene Rechtskreisöffnung Schwierigkeiten im Grunde nur hinsichtlich der für die Ermittlung der Rechtslage erforderlichen Auslegung des Gesetzes oder des Vertrages, in dem das betreffende Schuldverhältnis seine Grundlage findet; solche Schwierigkeiten weisen allerdings keinen spezifischen Bezug zu diesem Zusammenhang auf. Davon abgesehen lässt sich in den meisten Fällen, in denen eine Rechtskreisöffnung gemäß den Bestimmungen des konkreten Schuldverhältnisses vorliegen könnte, die Entstehung von Schutzpflichten problemlos auch mit Hilfe der zweiten Alternative, d.h. mit dem Parteiwillen, begründen.

(1) Rechtsnatur, Inhalt und Ermittlung des Parteiwillens Das hier für beide Schuldverhältnisseiten geforderte willentliche Moment bezieht sich ausschließlich auf die maßgebliche Rechtskreisöffnung und deren Annahme. Davon streng zu trennen wäre demgemäß ein auf die Schutzpflichtentstehung an sich gerichteter Wille. Denn die Schutzpflichtentstehung ist allein die objektivrechtlich234 angeordnete Rechtsfolge einer beiderseitig willentlichen Gewährung bzw. Erlangung von Einwirkungsmöglichkeiten; von einem Parteiwillen wird sie hingegen in aller Regel nicht erfasst.235 Darüber hinaus ist die Rechtskreisöffnung des Schutzpflichtgläubigers und ihre Annahme durch seinen Schuldverhältnispartner, wie generell die Zusammenarbeit im Schuldverhältnis, als ein tatsächlicher Vorgang (Realakt) anzusehen.236 Dies erfordert die institu___________ 234

s. oben 5. Kapitel D. III. 2. s. oben 5. Kapitel D. I. 2. 236 Vgl. KompaktKom-BGB/Hirse, § 311, Rn. 17; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 29 I 1. S. aber Frost, S. 152 f. Insbesondere für die Bezeichnung der Aufnahme von Vertragsverhandlungen als Realakt s. auch Canaris, NJW 1964, 1988; Larenz, Schuldrecht AT, § 9 I a 1 (S. 109); Küppersbusch, S. 42, sowie allein in Bezug auf den geschäftlichen Kontakt vor Beginn der Vertragsverhandlungen Sticht, S. 52. Da der Gewährung von Einwirkungsmöglichkeiten kein Zweck zur Kundgabe von Willensäußerungen oder Mitteilungen zugrunde liegt, kann sie auch nicht als geschäftsähnliche Handlung angesehen werden (mit dem fehlenden Kundgabezweck ist allerdings das Vorliegen kommunikativer Elemente nicht zu verwechseln, die für die Aufnahme einer 235

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tionelle Aufgabe der Schutzpflichten: Die Absicht zur Schaffung umfassend günstiger Bedingungen der Zusammenarbeit und damit zur Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung gebietet, dass allein der faktische Vorgang der (freilich schuldverhältnisbezogenen) Zusammenarbeit ausreicht, damit das abstrakte Bedürfnis nach Schutzpflichten relevant wird. Folglich ist der Wille, der sich auf diese Zusammenarbeit bezieht, kein rechtsgeschäftlicher, da er nicht direkt auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen gerichtet ist,237 sondern vielmehr ein natürlicher Wille. Dieser verleiht dem sonst unerheblichen238 Faktum der Einwirkungsmöglichkeiten auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils das für die Entstehung von Schutzpflichten erforderliche Charakteristikum einer vom Schutzpflichtgläubiger beabsichtigten und vom Schutzpflichtschuldner angenommenen, im Hinblick auf einen besonderen Schuldverhältniszweck erfolgten Rechtskreisöffnung. Bezüglich ihres Inhalts muss der Zusammenarbeitswille nicht auf bestimmte Personen oder auf bestimmte Schuldbeziehungen gerichtet sein, sondern kann sich sehr abstrakt auf alle möglichen Schuldverhältnisse und auf alle mit ihnen zusammenhängenden Angelegenheiten sowie auf alle Personen beziehen, die als Schuldverhältnispartner überhaupt in Frage kommen. Solange ein realer Zusammenarbeitswille vorliegt, ist kein Grund ersichtlich, seinen zu Tage kommenden Inhalt auf nur einige der davon erfassten Zusammenarbeitskonstellationen künstlich einzuschränken. Der Warenhausbesitzer etwa setzt seine Rechtsgüter den Einwirkungsmöglichkeiten nicht nur aller möglichen Kunden, sondern auch aller Warenlieferanten aus, die mit ihm bereits Geschäfte machen oder mit ihm die Möglichkeit einer künftigen geschäftlichen Zusammenarbeit besprechen wollen. Dementsprechend wird die Rechtskreisöffnung seitens nicht nur seiner möglichen Kunden, sondern auch seitens all derjenigen Lieferanten von seinem Willen erfasst, die sein Warenhaus betreten und dadurch sich selbst den Einwirkungsmöglichkeiten des Warenhausbesitzers aussetzen. Natürlich kann in konkreten Konstellationen die Einschränkung des Willensinhalts auf konkrete Schuldverhältnisse, Personen oder Angelegenheiten angebracht sein. Erwartet etwa der Mieter seinen Vermieter zur Besprechung einer Mieterhöhung und lässt die Tür für den Vermieter offen, um kurz im Kiosk etwas zu kaufen, so bezieht sich die Annahme von gewährten Einwirkungsmöglichkeiten allein auf den Vermieter, nicht hingegen auf den Straßenhändler, der bei offener Tür die ___________ schuldverhältnisbezogenen Zusammenarbeit durch die Beteiligten vorliegen müssen). Zur Unterscheidung zwischen Realakten und geschäftsähnlichen Handlungen im Allgemeinen s. etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 22, Rn. 14 ff; Medicus, Allgemeiner Teil, Rn. 196; Enneccerus/Nipperdey, § 137 IV 2 sowie § 207; Jauernig(11)/Jauernig, Vor § 104, Rn. 23 f. 237 Zum Begriff der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung s. etwa BGH v. 17.10.2000, BGHZ 145, 343 (346); Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 22, Rn. 3. 238 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. a) sowie 5. Kapitel D. III. 3. c) aa).

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Mietwohnung ebenfalls betritt. Wie weit sich der reale Wille der Beteiligten ausdehnt, ist natürlich anhand der konkreten Umstände des konkreten Falls und kann nicht aufgrund absolut geltender Regeln ermittelt werden. Etwas schwieriger ist die Frage nach den Maßstäben, die für die Ermittlung des Willens der Beteiligten und seines genauen Inhalts anwendbar sind. Dazu sollte zunächst angemerkt werden, dass wegen der Natur der schuldverhältnisbezogenen Zusammenarbeit (Rechtskreisöffnung und deren Annahme) als Realakt nicht nur eine unmittelbare, sondern auch eine analoge Anwendung der Regeln über die rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen grundsätzlich nicht zulässig ist.239 Diese Aussage soll allerdings nicht dahin verstanden werden, dass einige der Wertungen, die der Rechtsgeschäftslehre zugrunde liegen, in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden dürfen, wenn dies sachgerecht erscheint.240 Unter den hier anwendbaren Wertungen ist vor allem die Zugrundelegung einer grundsätzlich objektivierten Betrachtungsweise hervorzuheben, wie diese bereits für die Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen anerkannt wird (s. vor allem § 157 BGB). Es kommt also nicht vornehmlich darauf an, was die Schuldverhältnisparteien wirklich gewollt haben, sondern vielmehr darauf, was der jeweilige Schuldverhältnispartner unter Zugrundelegung objektiver Maßstäbe – insbesondere Treu und Glauben – gemäß den vorliegenden Umständen als Willen des anderen Teils annehmen müsste.241 Abgesehen von der Argumentation, die bereits im Rahmen der Auslegung von Rechtsgeschäften bzw. von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen allgemein angeführt wird,242 ist diese Schlussfolgerung vornehmlich mit der funktio___________ 239 s. etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 22, Rn. 22; Erman(11)/Palm, Einl. § 104, Rn. 7; Enneccerus/Nipperdey, § 207 III. Deshalb kommt etwa die Anfechtung des Zusammenarbeitswillens nicht in Betracht: Das Faktum der Zusammenarbeit mit den entsprechenden Einwirkungsmöglichkeiten, woran die Schutzpflichtentstehung anknüpft, kann durch eine Anfechtung nicht nachträglich beseitigt werden. Zur Behandlung des Willensmoments bei Realakten im Allgemeinen s. etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 22, Rn. 21; Enneccerus/Nipperdey, § 137 IV 2 b sowie § 207 III; Palandt(65)/Heinrichs, Überbl. v. § 104, Rn. 10; Erman(11)/Palm, Einl. § 104, Rn. 7 ff. 240 Vgl. Palandt(65)/Heinrichs, Überbl. v. § 104, Rn. 10. 241 s. auch Frost, S. 97 f. Unter dieser Betrachtungsweise verliert das Argument Riebles, S. 143, gegen die Zugrundelegung willentlicher Momente in Bezug auf die Eröffnung von Einwirkungsmöglichkeiten an Bedeutung: „Wollte man wirklich ein […] ‚Gewähren‘ [von Einwirkungsmöglichkeiten] durch den cic-Gläubiger fordern, so würde der Schutz vom eigenen Erkenntnishorizont abhängen; der Dümmere würde nicht geschützt, weil er gar nicht merkt, auf welche gefährdenden Einwirkungsmöglichkeiten er sich mit dem Verhandlungskontakt eingelassen hat“. 242 Diesbezüglich muss darauf hingewiesen werden, dass die hier angesprochene Rechtskreisöffnung und deren Annahme als Zusammenarbeitselemente im Gegensatz zu vielen anderen als Realakte anerkannten Handlungen – etwa Besitzerwerb (§ 854 I BGB) und -aufgabe (§ 856 I BGB), Verbindung und Vermischung (§§ 946-948 BGB), Verarbeitung (§ 950 BGB) usw. (s. dazu etwa Palandt(65)/Heinrichs, Überbl. v. § 104, Rn. 9) – ein weitgehend kommunikatives bzw. kooperatives Parteihandeln darstellen;

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nellen Erklärung der Schutzpflichten zu begründen: Vertrauensfördernde und aufwandsgünstige Bedingungen der Zusammenarbeit kann man nur dann erzielen, wenn man dem objektiv (vgl. insbesondere § 157 BGB) begründeten Eindruck einer der Schuldverhältnisparteien über das Vorliegen eines Zusammenarbeitswillens ihres Schuldverhältnispartners durch die Anerkennung der entsprechenden Schutzpflichten Rechnung trägt. Denn die Schutzpflichten sollen – wie mehrmals erwähnt – jede Schuldverhältnispartei dazu veranlassen, auf aufwändige Maßnahmen zum Selbstschutz zu verzichten bzw. hemmende Schädigungsängste zu überwinden und sich möglichst ohne derartige Ablenkungen auf die konkrete Zielerreichung ihrer Mitwirkung (Festlegung bzw. Verfolgung eines besonderen Schuldverhältniszwecks) zu konzentrieren.243 Im Hinblick ferner auf die Zwecksetzung einer institutionellen Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung244 können die mit der Entstehung von Schutzpflichten verbundenen Wertungen nur dann realisiert werden, wenn sich die Beteiligten darauf verlassen können, dass ihr unter Anwendung der erforderlichen Sorgfalt gewonnenes Verständnis über die Absichten der jeweils anderen Seite vor Überraschungen geschützt wird. Demgegenüber würde das Abstellen auf den wirklich vorhandenen, objektiv jedoch nicht erkennbaren Willen eine Unsicherheit über den wahren Charakter der Mitwirkung jeder Seite und somit über die bestehende Rechtslage zur Folge haben. Diese könnte ferner zu einem Misstrauen der Schuldverhältnispartner einander gegenüber bzw. zu einer Verstärkung der zu treffenden Selbstschutzmaßnahmen führen.245 Insofern reicht es aus, dass der entscheidende Parteiwille (Existenz und Inhalt) aus dem objektivierten Horizont des jeweiligen Willensempfängers246 heraus begründet werden kann. Für die Anerkennung der Eigenschaft einer Person (A) als Schutzpflichtgläubiger einer anderen Person (B), muss man also zwei Fragen bejahen können: Zum einen, ob aus der objektivierten Sichtweise des B eine Rechtskreisöffnung im Hinblick auf einen besonderen Schuldverhältniszweck seitens des A vorliegt, und zum anderen, ob aus der objektivierten Sichtweise des A im Verhalten des B die Annahme der Rechtskreisöffnung des A angesehen werden kann. Dieses Schema muss entsprechend auch dann zugrunde gelegt werden, wenn anschließend die Eigenschaft des B als Schutzpflichtgläubiger des A in Frage steht. ___________ eben deshalb erscheint der Vergleich zu Verträgen bzw. empfangsbedürftigen Willenserklärungen häufig nahe zu liegen. 243 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) aa). 244 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) dd). 245 Vgl. auch oben 5. Kapitel D. III. 3. b) bb). 246 Da es sich dabei nicht um Willenserklärungen oder Willensmitteilungen i.e.S. handelt, darf man nur eingeschränkt vom Empfängerhorizont sprechen; auf diesen Begriffsgebrauch muss allerdings angesichts der besonderen Natur der maßgeblichen Zusammenarbeit – s. auch Fn. 242 – nicht vollkommen verzichtet werden.

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Wegen der Zugrundelegung objektiver Kriterien kommt beispielsweise für die Schutzpflichten desjenigen, der ein Selbstbedienungswarenhaus betritt, zu Gunsten des Warenhausinhabers nicht darauf an, ob der Besucher wirklich eine Kaufabsicht hat oder das Warenhaus lediglich als Treffpunkt mit einer dritten Person benutzen will,247 und somit, ob er die Rechtskreisöffnung des Warenhausinhabers in Bezug auf einen möglichen Kaufvertrag annimmt oder nicht. Denn der Warenhausinhaber, der im Hinblick auf mögliche Kaufverträge Einwirkungsmöglichkeiten auf die eigenen Rechtsgüter gewährt (Rechtskreisöffnung), darf grundsätzlich davon ausgehen, dass seine Rechtskreisöffnung von all denjenigen angenommen wird, die das Warenhaus betreten. Immerhin treten all diese Personen objektiv betrachtet als mögliche Kunden auf, die sich zumindest eine Vorstellung vom Angebot des Warenhauses verschaffen wollen, was die erforderliche Verbindung des Kontakts zu einem etwaigen, zumindest abstrakt möglichen Schuldverhältniszweck (Vertragsanbahnung – s. § 311 II Nr. 2 BGB) herstellt. Dies entspricht vollkommen auch den üblichen Verkaufstechniken, die gerade darauf basieren, dass die Kauflust des Warenhausbesuchers durch die Angebotsvielfalt und den engen Kontakt zu den dargestellten Waren auch dann erweckt werden kann, wenn nicht von vornherein eine Kaufabsicht vorhanden ist. Demgemäß darf man zwischen bloßem Kaufhausbesucher und möglichem Kaufhauskunden keine feste Grenze ziehen, da praktisch jeder Warenhausbesuch zu einem Kaufabschluss veranlassen könnte.248 Zu gleichen Ergebnissen kommt man auch hinsichtlich der Frage, ob der Warenhausinhaber schutzpflichtig gegenüber den Warenhausbesuchern wird: Der Warenhausinhaber muss in der Regel eine auf einen möglichen Kauf bezogene Rechtskreisöffnung seitens der Personen erblicken, die den Laden betreten, ebenso wie diese Personen im Verhalten des Warenhausbesitzers ohne weiteres die Annahme ihrer Rechtskreisöffnung sehen müssen. Die Beurteilung der Lage nach objektiven Kriterien bringt eine Reduzierung des für die Ermittlung der maßgeblichen Willenstatbestände erforderlichen Aufwands mit sich: Da darauf abgestellt wird, was die Beteiligten als Wille der jeweils anderen Seite wahrnehmen müssen, wird zum einen die Wahrscheinlichkeit geringer, dass die Entstehung von Schutzpflichten auf der Basis unterschiedlicher Tatsachen nach der jeweils entscheidenden Sichtweise beurteilt werden soll. In vielen Fällen kann man also problemlos davon ausgehen, dass ___________ 247 Zu ähnlichen Ergebnissen auch Frost, S. 125 ff; MüKo(4)/Emmerich, § 311, Rn. 70. Vgl. auch Larenz, MDR 1954, 518: Schutzpflichten des Warenhauinhabers zu Gunsten des „möglichen Kunden“. A.A. BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (55); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 8 II 1; Medicus, Gutachten, S. 490; MüKo(4)/Löwisch, Vorbem. zu §§ 275-283, Rn. 65; MüKo(4)/Roth, § 241, Rn. 107 f; Erman(11)/Kindl, § 311, Rn 28; Lorenz/Riehm, Rn. 370; FraHandbuch/Blenske, S. 163; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 186; Brors, ZGS 2005, 145. 248 In diesem Sinne mit eingehender Argumentation Frost, S. 125 ff.

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die Parteien die gleichen Tatsachen wahrgenommen haben. Wichtiger ist jedoch zum anderen die Anwendung gleicher Auslegungsmaßstäbe, um anhand bestimmter Tatsachen Schlussfolgerungen über den Willen der Beteiligten bzw. dessen Inhalt zu ziehen. Da die Interpretation der Lage allein anhand objektiver Maßstäbe erfolgt, kann man grundsätzlich ausschließen, dass für den Schutzpflichtschuldner andere Beurteilungskriterien im Vergleich zum Schutzpflichtgläubiger angewendet werden. Deshalb scheidet auch die Möglichkeit aus, bei Zugrundelegung der gleichen faktischen Gegebenheiten zu verschiedenen Ergebnissen für beide Beteiligten zu kommen. Verschiedene Urteile über einen gegebenen Sachverhalt sind also nur insoweit möglich, als den (möglichen) Schuldverhältnispartnern verschiedene Tatsachen bekannt bzw. erkennbar sind. Angesichts dessen muss man zwar für die Begründung von Schutzpflichten zu Gunsten einer Person weiterhin sowohl ihren eigenen Willen zur Rechtskreisöffnung als auch den Annahmewillen des anderen Teils feststellen. Praktisch liegt allerdings der bedeutende Begründungsschritt allein in der Feststellung des ersten Willensmoments unter der objektivierten Sichtweise des in Frage kommenden Willensempfängers (des Schutzpflichtschuldners). Kann man diese Hürde überwinden, so dürfte das Vorliegen eines Annahmewillens seitens des Schutzpflichtschuldners aus der Sichtweise seines Partners her beurteilt kaum Schwierigkeiten bereiten. Kommen trotzdem einschlägige Unterschiede tatsächlich vor, so muss die Frage, ob und in welchem Umfang in einem solchen Fall Schutzpflichten entstehen, danach beantwortet werden, ob und inwieweit sich beide Willenstatbestände miteinander decken. Schutzpflichten entstehen nämlich nur in dem Umfang, in dem eine auf ein Zentralpflichtverhältnis bezogene Rechtskreisöffnung von demjenigen als solche angenommen wird, dem gegenüber die betreffenden Einwirkungsmöglichkeiten eröffnet werden. Schutzpflichten außerhalb dieses Überschneidungsbereichs anzunehmen, würde eine Missachtung der Voraussetzungen bedeuten, die für die Schutzpflichtentstehung vorliegen müssen. Umgekehrt würde die Nichtannahme von Schutzpflichten innerhalb des Rahmens, in dem die einschlägigen Willensbedingungen beiderseits erfüllt werden, die Missbeachtung des Rechtssatzes darstellen, der die Schutzpflichtentstehung anordnet. Darüber hinaus dürfte die Begründung des Willens des Schutzpflichtgläubigers zur Rechtskreisöffnung wegen der Anwendung objektiver Maßstäbe zugleich den Beleg für das Vorliegen seines Annahmewillens als Schutzpflichtschuldner liefern. Deswegen sind Konstellationen, in denen nur einer der Beteiligten mit Schutzpflichten gegenüber dem anderen belastet wird, grundsätzlich ausgeschlossen. Anders formuliert dürfte es sehr selten vorkommen, dass – objektiv betrachtet – einer der Beteiligten im Verhalten einer anderen Person nur die Annahme seiner eigenen Zusammenarbeitsbereitschaft hinsichtlich eines besonderen Schuldverhältniszwecks erblicken muss und nicht zugleich die entsprechende Zusammenarbeitsbereitschaft der Gegenseite. So genügt es etwa für

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

die Entstehung gegenseitiger Schutzpflichten in den Warenhausfällen, in denen gegenseitige Einwirkungsmöglichkeiten in faktischer Hinsicht unzweideutig vorhanden sind, praktisch darzulegen, dass eine (willentliche) Rechtskreisöffnung des Warenhausinhabers vorliegt. Denn dadurch wird zugleich sein Wille nachgewiesen, die Gewährung von Einwirkungsmöglichkeiten durch die Warenhausbesucher im Hinblick auf mögliche Kaufabschlüsse anzunehmen; dies gilt freilich auch umgekehrt für die Warenhausbesucher. Die hier für die maßgebliche Willensermittlung postulierte objektive Betrachtungsweise darf allerdings nur dann entscheidend sein, wenn die Beteiligten die Lage nicht richtig erkannt haben. Hat einer der Beteiligten im konkreten Fall aus irgendwelchem Grund den wirklichen subjektiven Willen seines Partners erkannt, obwohl dieser unter Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht erkennbar wäre, so müssen die objektiven Maßstäbe hinter die konkret zutreffende individuelle Erkenntnis zurücktreten.249 Diese Folgerung ist damit zu begründen, dass die mit Schutzpflichten zu begünstigende Zusammenarbeit als Faktum der realen Welt vom tatsächlichen Willen der Beteiligten abhängt, so dass vorrangig dieser maßgeblich sein soll. Demnach liefert die normative Willensermittlung lediglich einen für den Geschäftsverkehr sachgemäßen und für die Beteiligten selbst interessengerechten Ersatz für die fehlende richtige Kenntnis der Lage. Gemäß dem Vorrang des wirklichen Willens wird mit der Zugrundelegung objektiver Kriterien im Grunde genommen vornehmlich das Maß an erforderlichen Anstrengungen bestimmt, die für die Ermittlung der entscheidenden Willensmomente von den Beteiligten erwartet werden dürfen. Erst sekundär wird eine normative Deutung der konkreten Lage festgelegt. Hinsichtlich des damit zum Ausdruck kommenden Problems des entscheidenden Sorgfaltsmaßstabs verbietet die funktionelle Erklärung der Schutzpflichten eindeutig, die einschlägigen Anforderungen besonders hoch aufzustellen: Die unnötige Belastung der Parteien mit der Aufgabe einer gründlicheren Erforschung des wirklichen Willens des anderen Teils würde dem Ziel vertrauensfördernder und aufwandsgünstiger Bedingungen der Zusammenarbeit direkt zuwiderlaufen. Das dadurch erzeugte Misstrauen gegenüber der offenbar bestehenden Lage würde nämlich den Vorteil, der mit der Anerkennung der Schutzpflichten für die Beteiligten erzielt wird, zumindest teilweise vernichten. Demgegenüber erfordert das mit den Schutzpflichten verfolgte Ziel, dass sich die Parteien die eigenen Rechte, Rechtsgüter und Interessen möglichst ohne Bedenken den Einwirkungsmöglichkeiten des anderen Teils im Hinblick auf die Festlegung und Verwirklichung ___________ 249 Dieses Verständnis entspricht vollkommen der h.M. zur Auslegung von Rechtsgeschäften bzw. von einzelnen Willenserklärungen, s. etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 28, Rn. 29 f, wie dies vor allem die einhellige Behandlung der „falsa demonstratio“ bestätigt. Vgl. auch § 116 S. 2 BGB.

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eines besonderen Schuldverhältniszwecks aussetzen können. Angesichts dieser Zwecksetzung erscheint es angebracht, die Anforderungen an den Schuldverhältnisparteien grundsätzlich darauf zu beschränken, eine vernünftige Beurteilung der offensichtlich vorliegenden Umstände vorzunehmen. Weitere Nachforschungsgebote könnten hingegen die erforderliche Zusammenarbeitsbereitschaft erheblich mindern und sind somit grundsätzlich abzulehnen. Mit diesen Prämissen könnte man im Grunde genommen die Regel aufstellen, dass ein dem ersten Anschein widersprechender wirklicher Wille erst dann rechtlich beachtlich ist, wenn er vom anderen Teil grob fahrlässig nicht erkannt wurde.

(2) Erfordernis ausreichender subjektiver Zurechnungsgründe Eine Ausnahme von der Anwendung objektiver Kriterien zur Willensermittlung ist ferner insoweit anzuerkennen, als seitens eines der Beteiligten in objektiver Hinsicht zwar der erforderliche Willenstatbestand vorliegt, in der Person des Betroffenen jedoch keine ausreichenden subjektiven Zurechnungsgründe vorhanden sind, die seine Belastung mit Schutzpflichten rechtfertigen könnten. In solchen Fällen besteht zwar das institutionelle Bedürfnis zur Schutzpflichtentstehung weiterhin: Die Zusammenarbeitsbereitschaft von Personen, die sich wegen des objektiven Anscheins eines Zusammenarbeitswillens seitens des anderen Teils auf eine (vermeintliche) Zusammenarbeitskonstellation einlassen, soll im Hinblick auf institutionelle Gesichtspunkte auch hier möglichst ohne Ungewissheiten über die Rechtslage und ohne gegenseitiges Misstrauen gefördert werden. Eine solche Schlussfolgerung stieße gleichwohl auf Bedenken hinsichtlich der Zumutbarkeit: Wenn die nur scheinbar erfolgte Annahme einer Rechtskreisöffnung von keinem einschlägigen Ausgangspunkt her betrachtet auf den (vermeintlich) Annehmenden zurückgeführt werden kann, so kann dessen Belastung mit besonderen, über allgemeine (deliktsrechtliche) Nichtschädigungsgebote hinausgehenden Schutzpflichten nicht gerechtfertigt werden. Insoweit entspricht diese Annahme der Rechtslage bei rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen, die gar nicht vom scheinbar Erklärenden stammen.250 ___________ 250 Zumindest für den Fall, dass der vermeintlich Erklärende überhaupt keine bewusste oder unbewusste Erklärungshandlung vorgenommen hat und ihn bei der Erzeugung des objektiven Erklärungstatbestandes kein Verschulden trifft, etwa weil ein Dritter in vollkommen eigener Verantwortung und aus eigener Initiative die fragliche Willenserklärung vorgetäuscht hat, kann dem nur scheinbar Erklärenden keine Willenserklärung zugerechnet werden – s. etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 24, Rn. 36. Dieses eigentlich selbstverständliche Ergebnis wird insbesondere bei der Diskussion über die Gültigkeit von Willenserklärungen deutlich, die zwar tatsächlich von der angeblich erklärenden Person stammen, ihren vorgesehenen Empfänger jedoch ohne oder sogar gegen den Willen des Erklärenden selbst erreichen: Die fragliche Willenserklärung wird nicht ohne weiteres als gültig angesehen, obwohl in objektiver Hinsicht alle erforderli-

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

Aus der Begründung dieser Überlegungen ergibt sich, dass die Suche nach sachgemäßen Zurechnungsgründen nicht den Willen zur Rechtskreisöffnung, sondern nur die Annahme der Rechtskreisöffnung eines Anderen betrifft. Denn der Willen desjenigen, der Einwirkungsmöglichkeiten gewährt, ist nur dazu erforderlich, ihm die Eigenschaft des Schutzpflichtgläubigers zuzuschreiben.251 Auch wenn diesem die nur scheinbar vorliegende Rechtskreisöffnung in keiner Weise zugerechnet werden kann, sprechen keine Zumutbarkeitsargumente gegen seinen Schutz.252 Zur Verdeutlichung der Zumutbarkeitsproblematik könnte man dabei als Beispiel etwa den Fall anführen, dass in einen wegen Renovierungsarbeiten vorläufig geschlossenen Laden in der Nacht eingebrochen und die Ladentür offen gelassen wird. Wenn nun am frühen Morgen ein Warenlieferant, der von den Renovierungsarbeiten nichts wusste, den Laden betritt, um den Ladenbesitzer aufzusuchen, so darf er wegen der offenen Tür – freilich unter dem Vorbehalt der Anwendung der in Verkehr erforderlichen Sorgfalt – zunächst verstehen, dass seine Rechtskreisöffnung vom Ladenbesitzer in Bezug auf ein mögliches Geschäft angenommen wird. Man darf allerdings in diesem Fall keine Schutzpflichten des Ladenbesitzers – etwa eine Pflicht, gefährlich herumliegende Werkzeuge aufzuräumen – anerkennen, weil ihm die scheinbar vorliegende Annahme der Rechtskreisöffnung des Lieferanten nicht zugerechnet und somit nicht zugemutet werden kann. Anders zu beurteilen wäre etwa die Fallabwandlung, dass der vom Ladenbesitzer mit den Renovierungsarbeiten beauftragte Werkstattinhaber die Tür am vorigen Abend offen gelassen hat; der dadurch dem Warenlieferant erweckte Eindruck wäre grundsätzlich aufgrund des Rechtsgedankens von § 278 BGB dem Ladenbesitzer zuzurechnen, was auch seine Belastung mit Schutzpflichten zumutbar macht.253 Freilich könnte man darüber streiten, welche Sachverhalte ausreichende Anknüpfungspunkte liefern können (etwa Verschulden), um einen allein an objektiven Maßstäben vorliegenden Willenstatbestand dem vermeintlichen Willens___________ chen Willenstatbestände erfüllt sind, s. dazu Fn. 254. In diesem Zusammenhang kann auch auf die Diskussion über das fehlende Erklärungsbewusstsein und dessen Einfluss auf die Wirksamkeit der nach objektiven Maßstäben ermittelten Willenserklärung hingewiesen werden: Das Bestehen einer (möglicherweise anfechtbaren) Willenserklärung wird nur in den Fällen in Betracht gezogen, in denen ein Verhalten des Erklärenden selbst vorliegt, das als Willenserklärung angesehen werden soll, s. dazu etwa Palandt(65)/Heinrichs, Einf. v. § 116, Rn. 17; Jauernig(11)/Jauernig, Vor § 116, Rn. 5; Erman(11)/Palm, Vor § 116, Rn. 3 alle mit weiteren Nachweisen. 251 Vgl. Junker, Vertretung, S. 28. 252 Dieser Rechtsgedanke spielt in vielen Zusammenhängen eine entscheidende Rolle, wenn einem Unbeteiligten lediglich vorteilhafte Rechtsfolgen zugesprochen werden sollen. Am deutlichsten in diese Richtung § 328 BGB; s. ferner etwa § 107 BGB. 253 Vgl. dabei die Ausführungen zur Einmischung dritter Personen bei der Schaffung der maßgeblichen Willenstatbestände unten 5. Kapitel D. III. 3. c) dd).

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subjekt zurechnen zu können.254 Eine Behandlung dieser Frage ist jedoch für die weitere Untersuchung nicht erforderlich; hier genügt es zu betonen, dass ausreichende subjektive Zurechnungsgründe überhaupt für die Anerkennung der willentlichen Annahme einer entgegengebrachten Rechtskreisöffnung und somit für die Entstehung von Schutzpflichten unentbehrlich sind.

(3) Insbesondere: Entstehung von Schutzpflichten im Verhältnis zu nicht voll geschäftsfähigen Personen Mit solchen Überlegungen kann man auch die Frage der Schutzpflichtentstehung bei geschäftlichen Kontakten mit geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Personen behandeln. Da es sich beim Willen zur eigenen Rechtskreisöffnung bzw. zur Annahme der Rechtskreisöffnung der Gegenseite um einen natürlichen Willen handelt, sollte man zunächst davon ausgehen, dass auch nicht voll geschäftsfähige Personen die erforderliche psychische Einstellung aufweisen können, sofern sie zur entsprechenden Geistestätigkeit fähig sind.255 Der Wille der betroffenen Personen ist somit grundsätzlich gleich zu behandeln wie der Wille von voll Geschäftsfähigen. Diese allgemeine Regel bedarf allerdings hier der näheren Klarstellung bzw. Einschränkung insoweit, als es sich um das Vorliegen ausreichender subjektiver Zurechnungsgründe handelt. Einfach ist zunächst eine Stellungnahme insoweit, als die Rechtskreisöffnung und somit die Rechtsstellung der nicht (voll) geschäftsfähigen Personen als ___________ 254

Vgl. dabei die Diskussion für den rechtsgeschäftlichen Bereich darüber, unter welchen Bedingungen eine Willenserklärung, die ohne oder gegen den Willen des Erklärenden dem Empfänger zugeht (s. auch Fn. 250), gültig ist. Großenteils wird als Zurechnungsgrund das Verschulden des Erklärenden oder eines seiner Gehilfen (vgl. § 278 BGB) angesehen, s. etwa Palandt(65)/Heinrichs, § 130, Rn. 4; MüKo(4)/Einsele, § 130, Rn. 14; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 26, Rn. 7. Abweichend etwa einerseits Erman(11)/Palm, § 130, Rn. 4, der trotz Verschuldens keine gültige Willenserklärung annehmen will, sowie andererseits Jauernig(11)/Jauernig, § 130, Rn. 1, der auch verschuldensunabhängig das Vorliegen einer gültigen Willenserklärung befürwortet; auch im Rahmen der letztgenannten Auffassung kann als Zurechnungsgrund zumindest die Tatsache angesehen werden, dass der Erklärende eine auf den Empfänger überhaupt gerichtete Willenserklärung abgegeben hat. Bei fehlendem Erklärungsbewusstsein wird meistens als Zurechnungstatbestand ebenfalls die Tatsache angesehen, dass der Erklärende „bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, daß seine Erklärung oder sein Verhalten vom Empfänger nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefaßt werden durfte“, so BGH v. 2.11.1989, BGHZ 109, 171; BGH v. 7.6.1984, BGHZ 91, 324 (330). S. auch BGH v. 7.11.2001, NJW 2002, 363 (365); BGH v. 21.3.1991, NJW 1991, 2084 (2085 f). 255 Vgl. Palandt(65)/Heinrichs, Überbl. v. § 104, Rn. 10; Jauernig(11)/Jauernig, Vor § 104, Rn. 24; Enneccerus/Nipperdey, § 207 III 1; Gernhuber, Bürgerliches Recht, S. 9.

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Schutzpflichtgläubiger begründet werden soll: Kann aus der objektivierten Sichtweise ihres Geschäftspartners der erforderliche Zusammenarbeitswille im Hinblick auf einen besonderen Schuldverhältniszweck festgestellt werden, so ist die Eigenschaft der betroffenen Personen als Schutzpflichtgläubiger unabhängig davon zu bejahen, ob die maßgebliche Willensbildung ihnen in subjektiver Hinsicht tatsächlich zugerechnet werden kann. Unerheblich ist dabei, ob die fehlende bzw. eingeschränkte Geschäftsfähigkeit erkannt wird oder nicht;256 entscheidend ist nur, ob nach dem objektiven Anschein der natürliche Zusammenarbeitswille vorhanden ist. Zu abweichenden Ergebnissen muss man dagegen in Bezug auf die Annahme der gegenüber nicht voll geschäftsfähigen Personen vorgenommenen Rechtskreisöffnungen kommen, da die Anerkennung des entsprechenden Annahmewillens die Belastung der Betroffenen mit Schutzpflichten zur Folge hätte. Obgleich die umfassende Anerkennung von Schutzpflichten in solchen Fällen das vertrauensvolle und aufwandsgünstige Zusammenwirken bei der Festlegung und Abwicklung besonderer Schuldverhältniszwecke institutionell unzweideutig fördern würde, wäre sie im Hinblick auf den umfassenden Schutz257 der nicht (voll) geschäftsfähigen Personen im gesamten Bereich rechtsgeschäftlichen Handelns grundsätzlich als wertungswidrig anzusehen.258 Zwar erfassen §§ 104 ff BGB vornehmlich rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, während die hier entscheidenden Willensmomente einen natürlichen Zusammenarbeitswillen betreffen, der grundsätzlich auch bei nicht voll geschäftsfähigen Personen vorhanden sein kann.259 Allerdings ist die für die Heranziehung des Rechtsgedankens von §§ 104 ff BGB erforderliche Ähnlichkeit mit rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen darin zu sehen, dass auch der für die Entstehung der Schutzpflichten maßgebliche (natürliche) Wille, freiwillig eine Zusammenarbeitskonstellation einzugehen, großenteils einen Akt der ___________ 256

Vgl. aber sogleich unten im Text. Es wird anerkannt, dass der Schutz der betroffenen Personen durch §§ 104 ff BGB im Allgemeinen den Vorrang vor dem Vertrauensschutz des Geschäftsverkehrs genießt, s. etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 25, Rn. 10 ff; Palandt(65)/Heinrichs, Einf. v. § 104, Rn. 3; Erman(11)/Palm, Vor § 104, Rn. 6; Jauernig(11)/Jauernig, Vor § 104, Rn. 25. 258 s. die Nachweise in Fn. 187. Im Ergebnis ähnlich wie hier ferner, vor allem in Bezug auf das vorvertragliche Schuldverhältnis, Erman(11)/Palm, Vor § 104, Rn. 8; Larenz, Schuldrecht AT, § 9 I 5 (S. 116); Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 177. A.A. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 8 II 3; Frost, GS Gschnitzer, S. 176 (allein für die beschränkt Geschäftsfähigen); in diese Richtung vgl. auch Krebs, Sonderverbindung, S. 496 ff. 259 Deshalb wird bei Realakten nicht nur die unmittelbare, sondern auch die analoge Anwendbarkeit der Rechtssätze für Rechtsgeschäfte grundsätzlich abgelehnt, s. Fn. 239; man erkennt allerdings ebenfalls an, dass diesbezüglich keine starre Regel aufgestellt werden darf, s. Fn. 240. 257

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Selbstbindung darstellt. Da die Schutzpflichten die Konsequenz schuldverhältnisbezogenen oder sogar rechtsgeschäftlichen Zusammenwirkens bilden, lassen sie sich nahezu als Folgen der beiderseitigen Entscheidung zu den entsprechenden Handlungen erfassen. Insofern betrifft die Regelung der Geschäftsfähigkeit die Entstehung von Schutzpflichten zwar nicht unmittelbar; sie ist jedoch mit ihnen immerhin erkennbar verbunden, da ihr insgesamt die Absicht zugrunde liegt, die Möglichkeit zur Selbstbindung bei bestimmten Personengruppen einzuschränken, um sie selbst vor unreifen Entscheidungen zu schützen.260 Der Schutz der nicht voll geschäftsfähigen Personen muss demnach nicht nur die unmittelbar mit der rechtsgeschäftlichen Tätigkeit beabsichtigten Rechtsfolgen erfassen, sondern vielmehr allen nachteiligen Konsequenzen gelten, die mit dieser Tätigkeit überhaupt zusammenhängen,261 einschließlich der Belastung mit Schutzpflichten. Folglich muss man aufgrund der in §§ 104 ff BGB verkörperten Wertungen die Entstehung von Schutzpflichten zulasten beschränkt geschäftsfähiger Personen nur dann anerkennen, wenn sie mit der Einwilligung262 ihres Vertreters (vgl. §§ 108, 111-113 BGB) geschäftlich tätig werden.263 Eine ähnliche Schlussfolgerung für die geschäftsunfähigen Personen ist gemäß dem Rechtsgedanken von § 105 BGB nicht gerechtfertigt; solchen Personen werden im Hinblick auf ihren eigenen Willen keine Schutzpflichten auferlegt.264 Diese Ausführungen zur Belastung von Geschäftsunfähigen bzw. beschränkt Geschäftsfähigen mit Schutzpflichten betreffen nur Fälle, in denen die maßgebliche Rechtskreisöffnung freiwillig erfolgt und angenommen wird. Demgegenüber braucht man das willentliche Moment nicht, wenn den betroffenen Perso___________ 260

Zu diesem allgemeinen Rechtsgedanken s. beispielsweise Erman(11)/Palm, Vor § 104, Rn. 1. 261 s. auch Larenz, Schuldrecht AT, § 9 I a 5 (S. 116). Differenzierend hingegen Küppersbusch, S. 51 ff. 262 Die besonderen Schwierigkeiten bei einer nachträglichen Genehmigung des gesetzlichen Vertreters (vgl. dazu Küppersbusch, S. 45 ff) können hier nicht behandelt werden. 263 s. etwa Canaris, NJW 1964, 1988; Larenz, Schuldrecht AT, § 9 I 5 (S. 116); Lackum, S. 171; MüKo(4)/Löwisch, Vorbem. zu §§ 275-283, Rn. 69; Erman(11)/Kindl, § 311, Rn 24. Es muss klargestellt werden, dass es sich hier um Fälle handelt, in denen die nicht voll geschäftsfähige Person die maßgebliche Zusammenarbeitskonstellation mit dem eigenen Willen eingeht. Der Fall, dass die willentliche Rechtskreisöffnung seitens des Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen bzw. die willentliche Annahme entgegengebrachter Rechtskreisöffnungen erst durch die Einmischung des gesetzlichen Vertreters begründet wird, gehört nicht in diesem Zusammenhang [s. dazu unten 5. Kapitel D. III. 3. c) dd)]. Entsprechend ist die hier maßgebliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters für die Teilnahme des Vertretenen am Rechtsverkehr von seinem Willen zu trennen, für Rechnung des Vertretenen dessen Rechtskreis zu öffnen bzw. die Rechtskreisöffnung anderer für den Vertretenen anzunehmen. 264 Dies entspricht der Rechtslage bei rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen (vgl. §§ 105 und 107 BGB). Wie hier für die Schutzpflichtentstehung bei den Vertragsverhandlungen auch Canaris, NJW 1964, 1988; Larenz, Schuldrecht AT, § 9 I 5 (S. 116).

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nen Einwirkungsmöglichkeiten gemäß den Bestimmungen eines gültig entstandenen Schuldverhältnisses gewährt werden (obligatorische Zusammenarbeit).265 Da der Zweck der Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit darin besteht, die nicht voll geschäftsfähigen Personen vor der Begründung nachteiliger Rechtsfolgen durch ihre selbständige, rechtsgeschäftsähnliche Tätigkeit zu schützen, muss man konsequenterweise annehmen, dass auch geschäftsunfähigen und beschränkt geschäftsfähigen Personen Schutzpflichten auferlegt werden müssen, wenn ihre Tätigkeit in Bezug auf einen besonderen Schuldverhältniszweck keinen Selbstbindungsakt darstellt, sondern vielmehr obligatorisch ist. In diesem Sinne werden auch solche Personen zu Schutzpflichtschuldnern, wenn sie etwa zur Erfüllung einer (vor allem durch den gesetzlichen Vertreter) wirksam zustande gekommenen vertraglichen Verpflichtung oder zur Durchführung eines deliktisch entstandenen Schuldverhältnisses tätig werden.266 Der Schutz der betroffenen Personen verwirklicht sich in solchen Fällen allein auf der Ebene der Fahrlässigkeitsprüfung nach § 276 I S. 2 i.V.m. §§ 827-828 BGB. Allerdings kann die Grenze zwischen freiwilliger und durch die Anlage eines Schuldverhältnisses gebotener Rechtskreisöffnung oft nicht klar gezogen werden. Sind die Voraussetzungen für die Entstehung von Schutzpflichten im Rahmen des (rechts-)geschäftlichen Kontakts mit einer nicht voll geschäftsfähigen Person erfüllt, vor allem weil es allein um Schutzpflichten zu ihren Gunsten geht, so fragt es sich ferner, welche Bedeutung der Tatsache zukommt, dass der mit diesem Kontakt beabsichtigte Erfolg (etwa Vertragsschluss) wegen der Geschäftsunfähigkeit oft gar nicht möglich ist. Die Behandlung dieser Frage ist unproblematisch, solange die Beschränkung bzw. der Ausschluss der Geschäftsfähigkeit und somit die möglicherweise verminderten Mitwirkungsmöglichkeiten weder offenbar sind noch von der anderen Seite tatsächlich erkannt wurden: Eine nicht erkannte bzw. nicht ohne weiteres erkennbare Beschränkung der Geschäftsfähigkeit muss wegen der den Schutzpflichten zugrunde liegenden institutionellen Funktionserfüllung267 unbeachtlich bleiben. Wird jedoch die Einschränkung der Geschäftsfähigkeit erkannt bzw. ist sie nach objektiven Kriterien erkennbar, so ist die Entstehung von Schutzpflichten nur unter der zusätzlichen Bedingung möglich, dass die Zusammenarbeit mit der nicht voll geschäftsfähigen Person aus der objektivierten Sichtweise ihres (möglichen) Schuldverhältnispartners zur Festlegung eines besonderen Schuldverhältniszwecks oder zur Abwicklung der mit ihm verbundenen Angelegenhei-

___________ 265

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb) (2). s. aber Reuter, AcP 192 (1992), 145 f: Adressat der Schutzpflichten sei der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen. 267 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) dd). 266

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ten nicht als vollkommen ungeeignet erscheint.268 Der Grund dafür liegt in der in solchen Fällen angebrachten Interpretation der objektiven Lage hinsichtlich des Willens der voll geschäftsfähigen Person, mit einem beschränkt oder gar nicht Geschäftsfähigen im Hinblick auf eine Schuldbeziehung zusammenzuarbeiten. Die Feststellung nämlich, dass der voll Geschäftsfähige erkennt bzw. erkennen muss, dass die ihm gegenüber auftretende Person nicht voll geschäftsfähig ist, sowie dass die Zusammenarbeit mit ihr das anvisierte Ergebnis unmöglich herbeiführen kann, stellt grundsätzlich ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass der schuldverhältnisbezogene Zusammenarbeitswille des nicht voll Geschäftsfähigen von der anderen Seite als solcher gar nicht angenommen wird. Dabei handelt es sich lediglich um eine Auslegungsregel. Als Beispiel für die Anwendung dieser Regel kann etwa der Fall dienen, dass ein dreijähriges Kind mit wahrer Kaufabsicht einen Laden betritt; auch wenn es vom Ladenbesitzer herzlich empfangen wird, kann man dessen Verhalten kaum als Annahme der seitens des Dreijährigen vorgenommen Rechtskreisöffnung im Hinblick auf einen Kaufabschluss interpretieren. Liegen jedoch besondere Umstände vor, die eindeutig belegen, dass die voll geschäftsfähige Person wider Erwarten die ihm gegenüber vorgenommene, an sich für die Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung offenbar ungeeignete Rechtskreisöffnung im Hinblick auf eine etwaige Schuldbeziehung mit dem beschränkt oder voll Geschäftsfähigen tatsächlich annimmt, dann sind die entsprechenden Schutzpflichten problemlos anzuerkennen.269 Am soeben erwähnten Beispiel ist dieses Ergebnis etwa dann angebracht, wenn der Ladenbesitzer ernsthaft Kaufverhandlungen mit dem Dreijährigen führt, weil er irrtümlich glaubt, dass ein Kaufvertrag mit ihm geschlossen werden kann. Zu beachten ist freilich, dass die schuldverhältnisbezogene Mitwirkung von nicht voll geschäftsfähigen Personen nicht immer ungeeignet ist, die Schuldverhältnisabwicklung voranzutreiben und somit als Grundlage für die entsprechende Schutzpflichtentstehung zu dienen. Mit dieser Argumentation sollte man angesichts der Vorschrift von § 110 BGB in der Regel auch Minderjährige als durch Schutzpflichten geschützte Verhandlungspartner betrachten, wenn diese ein Warenhaus besuchen, sofern ein Kauf mit eigenen Mitteln nicht ausgeschlossen ist;270 eine ähnliche Bedeutung ist außerdem etwa § 105a BGB zuzu___________ 268 s. aber Larenz, Schuldrecht AT, § 9 I a 5 (S. 116); Canaris, NJW 1964, 1988 f; Küppersbusch, S. 48 ff; Lackum, S. 172 f; MüKo(4)/Löwisch, Vorbem. zu §§ 275-283, Rn. 69: Es genüge, wenn nur der eine Teil geschäftsfähig ist, damit Schutzpflichten zu Gunsten des nicht voll Geschäftsfähigen entstehen können. 269 s. auch oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (1) zum Vorrang des übereinstimmenden, real vorhandenen subjektiven Willens der Schuldverhältnispartner gegenüber bloß objektiven Elementen. 270 Vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 8 II 3. Insofern ist dem Ergebnis von BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51 (s. oben 2. Kapitel A. II. 5., Fallkonstellation 12 –

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sprechen. Natürlich müssen bei der Interpretation der Lage auch die entsprechenden Vorstellungen des Geschäftsverkehrs berücksichtig werden. Insofern kann eine offenbar minderjährige Person, die das Büro eines Immobilienmaklers besucht, kaum als dessen Verhandlungspartner angesehen werden, da eine Erfolg versprechende Mitwirkung hinsichtlich eines Vertragsschlusses offensichtlich von Anfang an ausscheidet.

dd) Der Einfluss Dritter auf die maßgebliche Willensbildung (1) Verdeckte und offenkundige Dritteinmischung In Verbindung mit der Entstehung von Schutzpflichten stellt sich die Frage, welchen rechtlichen Einfluss die Tatsache ausübt, dass die jeweils maßgeblichen Willenstatbestände nicht durch die eigentlichen Parteien des Schutzpflichtverhältnisses selbst, sondern erst durch das Handeln dritter Personen erfüllt werden. Das Problem der Beteiligung Dritter ist bereits angesprochen worden, als es um die Frage nach den Umständen ging, unter denen ein objektiver Willensanschein einem Schuldverhältnispartner zugerechnet werden soll, obwohl dieser in Wirklichkeit den entsprechenden realen Willen nicht hat.271 In jenem Zusammenhang ging es allerdings immer noch um Sachverhalte, in denen der vermeintlich vorhandene Wille trotz Dritteinmischung weiterhin als unvermittelter Wille der Schuldverhältnispartei selbst erscheint, so dass der Dritteinfluss für den objektivierten Empfängerhorizont verdeckt bleibt. Demgemäß wurde die Dritteinmischung als nur einer der möglichen Faktoren angesehen, die einen objektiven Willensanschein ohne einen realen Willen des Betroffenen erzeugen können.272 Bei der hier zu untersuchenden Problematik handelt es sich ___________ „Begleitende Tochter bei der Vertragsanbahnung“) zwar zuzustimmen, nicht jedoch der Vorgehensweise: Die Frage, ob ein Minderjähriger im Stadium der Vertragsverhandlungen mit Schutzpflichten geschützt werden soll, darf nicht mit dem Hinweis auf seine beschränkte Geschäftsfähigkeit absolut verneint werden, sondern hängt davon ab, ob sich sein Zusammenwirken durch die entsprechende Rechtskreisöffnung unter der objektivierten Sichtweise des Schutzpflichtschuldners auf einen besonderen Schuldverhältniszweck beziehen kann. Diese Voraussetzung scheint in diesem Fall erfüllt zu sein, da die minderjährige (14-jährige) Tochter der Ladenbesucherin offensichtlich, d.h. für den Ladenbesitzer ohne weiteres erkennbar, auch einen Kauf mit eigenen Mitteln (s. § 110 BGB) vornehmen könnte (vgl. Strätz, JR 1976, 459); des SSD bedarf es also insoweit nicht. 271 So wird etwa in dem Fall, dass ein Einbrecher die Ladentür offen lässt [s. das Beispiel oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (2)], der Anschein verursacht, dass der Ladenbesitzer selbst die Tür aufgemacht hätte und somit selbst den entscheidenden Willen aufweisen würde. 272 Dazu zählen ferner natürliche Phänomene oder Vorgänge, die nicht als menschliche Handlungen im Rechtssinne angesehen werden können (s. dazu etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 24, Rn. 3 f).

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hingegen darum, ob Handlungen, die offenkundig nicht von einer Schuldverhältnispartei stammen, die maßgeblichen Willenstatbestände mit Wirkung für die betroffene Partei selbst erfüllen können. Allerdings teilen beide Fragenkreise einen gemeinsamen Kern: Sowohl bei der verdeckten als auch bei der offensichtlichen Dritteinmischung betrifft die entscheidende Frage großenteils die Bedingungen, unter denen trotz Dritteinmischung die erforderlichen Willenstatbestände angenommen werden müssen. Darüber hinaus ist es in der Praxis für den jeweiligen Willensempfänger oft schwierig oder sogar unmöglich, beide Alternativen voneinander zu trennen. So kann man etwa in einem verhältnismäßig kleinen Laden, in dem der Ladenbesitzer normalerweise durchgehend anwesend ist, kaum erwarten, dass die möglichen Besucher immer erkennen können, ob der Ladenbesitzer selbst oder sein einziger Angestellter durch das Öffnen der Ladentür den für die Schutzpflichten entscheidenden Zusammenarbeitswillen zum Ausdruck gebracht hat. Der Anschaulichkeit halber wird vorübergehend für diesen Zusammenhang als „A“ diejenige Person bezeichnet, die zum Schutzpflichtgläubiger bzw. -schuldner gegenüber ihrem Partner (hier „B“) werden soll, obwohl der dafür erforderliche Wille nicht durch A selbst, sondern durch das Handeln eines Dritten (hier „C“) gebildet wird.

(2) Zurechnung im Innen- und Außenverhältnis Die Erörterung der Voraussetzungen, unter denen die Behandlung des durch die Dritteinmischung erzeugten Anscheins als eigentlicher Parteiwille gerechtfertigt ist, muss bei verdeckter und offener Dritteinmischung verschiedene Faktoren berücksichtigen. Bei verdeckter Dritteinmischung weist der dadurch herbeigeführte Willensanschein nach außen keine Besonderheit im Vergleich zu Konstellationen auf, in denen ein realer Wille der betroffenen Schuldverhältnispartei (A) tatsächlich vorhanden ist. Insofern genügt es für die Entstehung von Schutzpflichten, nach hinreichenden subjektiven Gründen in der Person des A für die fragliche Anscheinszurechnung zu suchen.273 Demgegenüber ist die Lage eine andere, wenn erkennbar nicht A selbst, sondern ein Dritter (C) an seiner Stelle die maßgebliche Rechtskreisöffnung vornimmt bzw. die von B gegenüber A gewährten Einwirkungsmöglichkeiten annimmt. In diesem Fall muss man nach geeigneten Gründen suchen, welche sowohl im Verhältnis zwischen A und C (Innenverhältnis) als auch im Verhältnis zwischen B und dem an der Stelle des A auftretenden C (Außenverhältnis) die Behandlung des Drittwillens als wirklichen Parteiwillen bedingen und somit seine Wirkung für und gegen A rechtfertigen. Bei der offenen Dritteinmischung werden also Zurechnungsgrün___________ 273

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (2).

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de in zweierlei Hinsicht verlangt: Zum einen geht es um subjektive Zurechnungsgründe, die gegenüber A rechtfertigen sollen, dass er durch die Dritteinmischung zur Partei eines Schutzpflichtverhältnisses mit B werden soll (Zurechnung im Innenverhältnis). Zum anderen sind Zurechnungsgründe erforderlich, die gegenüber B rechtfertigen sollen, dass B trotz Dritteinmischung zur Partei eines Schutzpflichtverhältnisses nicht mit dem handelnden C selbst, sondern mit A wird (Zurechnung im Außenverhältnis). Klar wird die Lage durch den Vergleich mit der entsprechenden Problematik bei der Abgabe rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen: Bei verdeckter Dritteinmischung ist die Lage mit der Konstellation ähnlich, in der nicht der anscheinend Erklärende selbst, sondern ein Dritter die maßgebliche Willenserklärung vorgenommen hat (Kontrahieren unter fremdem Namen). Darf der Erklärungsempfänger berechtigterweise annehmen, dass die fragliche Willenserklärung vom scheinbar Erklärenden stammt, so geht es nur darum, ob die Dritthandlung dem Erklärenden zugerechnet werden darf,274 etwa weil dieser dem Dritten vorher eine entsprechende Vollmacht erteilt hat.275 Demgegenüber entspricht die Problematik bei einer offenen Dritteinmischung der Lage bei einer (unmittelbaren) Stellvertretung gemäß §§ 164 ff BGB: Für die Bindung des Vertretenen durch den Vertreter genügt es, isoliert betrachtet, weder, dass der Vertreter im Verhältnis zum Vertretenen über die entsprechende Vertretungsmacht verfügt, etwa weil eine gültige Bevollmächtigung durch den Vertretenen vorliegt, noch dass der Auftritt des Vertreters nach außen, d.h. gegenüber dem Erklärungsempfänger, im Namen des Vertretenen erfolgt. Vielmehr müssen beide Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein (s. § 164 BGB: „innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht [und] im Namen des Vertretenen“). Natürlich ist das Vorliegen von Gründen, die im Verhältnis zwischen B und C (Außenverhältnis) die Behandlung des Auftretens des C als eigenes Handeln des A rechtfertigen, vollkommen unabweislich, um den Grundsatz der Selbstzurechnung (vgl. § 164 II BGB) entsprechend einschränken und nicht den Handelnden selbst (C) sondern einen Anderen (A) als rechtlich betroffenen ansehen zu dürfen. Im Gegensatz dazu basiert die Notwendigkeit für Zurechnungsgründe in der Person des A, die diesem gegenüber seine Stellung als Partei eines Schutzpflichtverhältnisses mit B hinreichend rechtfertigen sollen (Zurechnung im Innenverhältnis), sowohl bei der offenen als auch bei der verdeckten Dritteinmischung allein auf Zumutbarkeitsüberlegungen: Obwohl der Zwecksetzung eines uneingeschränkten Verkehrsschutzes vornehmlich mit dem ausschließlichen Abstellen auf die objektiv erkennbare Lage gedient wäre, dürfen die ___________ 274

Vgl. Fn. 250 und 254. Zum Kontrahieren unter fremdem Namen s. etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 46, Rn. 54 ff; Palandt(65)/Heinrichs, § 164, Rn. 10 ff; Erman(11)/Palm, § 164, Rn. 8; MüKo(4)/Schramm, § 164, Rn. 37 ff. 275

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schutzwürdigen Interessen des A nicht außer Acht gelassen werden. Dementsprechend bedarf es der maßgeblichen Zurechnungsgründe nur insoweit, als die objektiv erkennbare Lage Rechtsfolgen zulasten des Betroffenen (A) auslösen könnte, nämlich insoweit, als die durch die Dritteinmischung gestaltete Lage auf die Annahme einer entgegengebrachten Rechtskreisöffnung seitens des A hinweist und somit seine Eigenschaft als Schutzpflichtschuldner begründen soll. Angesichts der Rechtfertigung anhand von Zumutbarkeitsgesichtspunkten ist meistens auch ein Bezug der betreffenden Zurechnungsgründe zu der Person des A selbst und seinen subjektiven Kenntnis- bzw. Handlungsmöglichkeiten notwendig. Zu diesen Gründen zählt vor allem die Tatsache, dass A den seiner wirklichen Einstellung nicht entsprechenden Willensanschein selbst verursacht hat; auch das Gesetz kann bestimmte Zurechnungstatbestände schaffen.276 Handelt es sich hingegen um den Willen zur eigenen Rechtskreisöffnung des A, so muss man auch bei offener Dritteinmischung auf das Vorliegen ausreichender Zurechnungsgründe im Innenverhältnis zwischen A und C grundsätzlich verzichten, weil A dadurch eine lediglich vorteilhafte Rechtsstellung (als Schutzpflichtgläubiger) erlangt und eines entsprechenden Schutzes insofern nicht bedarf.277

(3) Handeln des Dritten für fremde Rechnung mit dem Willen des Betroffenen Für die Ermittlung der maßgeblichen Zurechnungsgründe im Innen- (zwischen A und C) und Außenverhältnis (zwischen C und B) kann man nicht unmittelbar mit der entsprechenden Regelung der Stellvertretung bei rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen (s. §§ 164 ff BGB) argumentieren. Gemäß der Rechtsnatur der Zusammenarbeit im Hinblick auf einen besonderen Schuldverhältniszweck als Realakt sollte man davon ausgehen, dass nicht nur die direkte, sondern grundsätzlich auch die analoge Anwendung der Regeln für Rechtsgeschäfte einschließlich der Vorschriften über Stellvertretung (§§ 164 ff BGB)278 ausgeschlossen sind; dies entspricht der h.M. generell zur rechtlichen Behandlung von Realakten.279 Diese Aussage darf allerdings nicht dahin verstanden werden, dass Rechtsgedanken aus der gesetzlichen Stellvertretungsregelung in diesem Zusammenhang nicht nützlich sein könnten, wenn sich dies mit den ein___________ 276

s. unten 5. Kapitel D. III. 3. c) dd) (4). s. dazu die Problembehandlung bei verdeckter Dritteinmischung oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (2). 278 s. etwa BGH v. 9.2.1955, BGHZ 16, 259 (263 f); Enneccerus/Nipperdey, § 207 III 2. 279 s. die Nachweise in Fn. 239. 277

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schlägigen Besonderheiten der Problematik vereinbaren lässt.280 Man könnte tatsächlich einen Grundgedanken mit dem allgemeinen Inhalt herleiten, dass das Fremdhandeln unmittelbar Rechtsfolgen in der Rechtsphäre unbeteiligter Personen hervorrufen kann, wenn es für die betroffene Person (vgl. § 164 I BGB: „im Namen des Vertretenen“) und mit deren Willen (vgl. § 164 I BGB: „innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht“) erfolgt.281 Es liegt also nahe, beim Vorliegen ähnlicher Umstände die entsprechenden Rechtsfolgen der Dritteinmischung (Schutzpflichtentstehung) nicht in der Sphäre des C, sondern unmittelbar zu Gunsten bzw. zulasten des A eintreten zu lassen.282 Angesichts dessen kann man einen Lösungsansatz herausarbeiten, indem man hier auf die Überlegungen zurückgreift, die bereits in Bezug auf die Schutzpflichtentstehung unabhängig von einer Drittbeteiligung geschildert worden sind: Schutzpflichten zu Gunsten einer Person entstehen vornehmlich, wenn diese ihren Rechtskreis im Hinblick auf die Festlegung bzw. vollständige Abwicklung eines besonderen Schuldverhältniszwecks gegenüber dem Schutzpflichtschuldner willentlich öffnet und dieser die ihm gegenüber vorgenommene Rechtskreisöffnung als solche annimmt.283 Überträgt man nun diese Ausgangspunkte auf Konstellationen mit einer Dritteinmischung, so muss man folgerichtig die Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des A dann anerkennen, wenn C im Hinblick auf ein Zentralpflichtverhältnis zwischen A und B dem B Einwirkungsmöglichkeiten auf die Positionen des A für Rechnung des A eröffnet und dies dem Willen des A entspricht. Ebenfalls muss man den A als Schutzpflichtschuldner betrachten, wenn C die gegenüber A im Hinblick auf ein Zentralpflichtverhältnis zwischen A und B vorgenommene Rechtskreisöffnung des B für Rechnung des A annimmt und diese Annahme vom Willen des A abgedeckt wird. Demnach bereitet zwar die Einschaltung des C zusätzliche Schwierigkeiten, weil sie die Lage komplexer macht, sie weist jedoch kaum prinzipielle Besonderheiten auf, da auch hier die gleichen materiellen Bezugspunkte entscheidend sind. Der maßgebliche Zusammenarbeitswille – Wille zur Rechtskreisöffnung ___________ 280

s. Fn. 240. Dass dieser Rechtsgedanke auch bei Realakten relevant ist, zeigt etwa § 855 BGB über den Besitzerwerb durch einen Besitzdiener für den Besitzherrn, vgl. dazu MüKo(4)/Schramm, § 164, Rn. 7. Ähnlich verhält es sich beim Fund gemäß § 965 I BGB, s. dazu BGH v. 27.11.1952, BGHZ 8, 130 (132). Zur Rechtsnatur des Besitzerwerbs sowie des Fundes als Realakte s. etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 22, Rn. 21; Palandt(65)/Heinrichs, Überbl. v. § 104, Rn. 9; Erman(11)/Palm, Einl. § 104, Rn. 7. Bei den folgenden Ausführungen wird nicht darauf eingegangen, welche anderen Rechtsgedanken aus dem Bereich der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung in diesem Zusammenhang Anwendung beanspruchen können. In Betracht kommt etwa die Rechtsgedanken von §§ 177 I und 179 BGB, s. sogleich unten im Text und Fn. 291. 282 Vgl. Larenz, Schuldrecht AT, § 9 I a 4 (s. 114). 283 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb). 281

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bzw. Wille zur Annahme einer solchen – liegt trotz Drittbeteiligung weiterhin in der Person desjenigen (A) vor, dessen Rechte, Rechtsgüter und Interessen den Gefahren des anderen Teils ausgesetzt werden (A als Schutzpflichtgläubiger), bzw. dem Einwirkungsmöglichkeiten auf die Vermögenslage eines anderen (B) gewährt werden (A als Schutzpflichtschuldner). Tritt C für A in der Weise auf, dass sein Handeln dem realen Willen des A entspricht, so erfüllt den für die Schutzpflichtentstehung für und gegen A entscheidenden Willenstatbestand in solchen Konstellationen nicht der unmittelbar gegenüber B auftretende C, sondern weiterhin A selbst, während C eine lediglich vermittelnde Rolle spielt. Die Fremdzurechnung des Handelns des C ist in einem solchen Fall sowohl im Innen- (zwischen A und C) als auch im Außenverhältnis (zwischen C und B) vollkommen gerechtfertigt. Dies entspricht grundsätzlich auch den Wertungen, die im Bereich der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung aufgrund erteilter Vollmacht gelten. Angesichts dieser Rechtfertigung kann man auch in Zusammenhang mit der Drittbeteiligung weitere Überlegungen nutzbar machen, die bereits im Rahmen der unmittelbaren Zusammenarbeit zwischen Schutzpflichtgläubiger und -schuldner gelten. Hervorzuheben ist dabei insbesondere die grundsätzliche Maßgeblichkeit objektiver Interpretationsmaßstäbe: Vorausgesetzt, dass hinreichende subjektive Zurechnungsgründe in der Person des A vorliegen, so ist das Vorliegen eines das Verhalten des C deckenden Willens des A allgemein anhand der objektivierten Sichtweise des Willensempfängers, nämlich des B zu beurteilen,284 wobei es natürlich vor allem auf den Auftritt des C gegenüber B ankommt. Bei der Ermittlung der für die Interpretation der Lage entscheidenden Anhaltspunkte hat der jeweilige Willensempfänger keine hohen Anforderungen zu erfüllen; er darf grundsätzlich bloß keine grobe Fahrlässigkeit aufweisen.285 Ein besonderes Problem, das sich in den Fällen mit einer Drittbeteiligung ergibt, betrifft in diesem Zusammenhang die Frage, wessen Erkenntnismöglichkeiten (A oder C) für die objektivierte Ermittlung des Willens des B zur Rechtskreisöffnung bzw. zur Annahme der Rechtskreisöffnung des A maßgeblich sind. Diese Problematik kann insbesondere dann von praktischer Bedeutung sein, wenn A gar nicht in der Lage ist, das Verhalten des B zu kennen. M.E. muss man hier, im Anschluss an den Rechtsgedanken von § 166 I BGB im rechtsgeschäftlichen Bereich,286 zunächst auf die Kenntnismöglichkeiten des C abstellen. Diese Annahme basiert vor allem auf der Überlegung, dass das kom___________ 284

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (1); dies gilt freilich nur, sofern der jeweils maßgebliche wirkliche Wille nicht erkannt worden ist. 285 Vgl. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (2). 286 Dass sich die Anwendung von § 166 BGB nicht allein auf den rechtsgeschäftlichen Bereich beschränkt, nimmt man allgemein an, s. etwa BGH v. 24.1.1992, BGHZ 117, 104 (106) mit weiteren Nachweisen.

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

munikative Element der für die Schutzpflichtentstehung maßgeblichen Zusammenarbeit von A und B nicht direkt zwischen diesen Personen selbst besteht, sondern erst durch die Vermittlung des C entsteht, der folglich als unmittelbarer Willensträger bzw. -empfänger angesehen werden soll. Dieser vermittelnden Stellung des C muss man folgerichtig in beiden Richtungen Rechnung tragen: Die Person des C muss nicht nur insofern maßgeblich sein, als C das Angebot zur Zusammenarbeit (Rechtskreisöffnung bzw. Veranlassung zu einer solchen) des A übermittelt bzw. konkretisiert, sondern auch insoweit, als die Annahme dieses Angebots seitens des B mittelbar zwar auf A, direkt jedoch auf C gerichtet ist. Eine Fallgestaltung, in der das Verhalten des C zur Entstehung von Schutzpflichten zwischen A und B führt, ist gemäß den angeführten Gesichtspunkten zunächst dann anzunehmen, wenn A die konkreten Handlungen, mit denen C die Rechtskreisöffnung des A vorgenommen bzw. für Rechnung des A die Rechtskreisöffnung des B angenommen hat, aufgrund einer bewussten, ausdrücklich bzw. konkludent zum Ausdruck kommenden Entscheidung unmittelbar veranlasst, erlaubt oder genehmigt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Besitzer (A) eines verhältnismäßig kleinen Ladens jeden Morgen die Ladentür durch seinen Angestellten (C) öffnen lässt. Der in dieser Handlung offenbarte Wille zur Rechtskreisöffnung bzw. zur Annahme der seitens der Ladenkunden (B) vorgenommenen Rechtskreisöffnungen kann trotz Einmischung des Angestellten unmittelbar auf den Ladenbesitzer selbst zurückgeführt werden. Darüber hinaus sind im Grunde mit den gleichen Maßstäben auch die Fragen zu beantworten, die auftauchen, wenn die maßgebliche Dritthandlung nicht unmittelbar von A veranlasst bzw. genehmigt wird, sondern das Ergebnis einer mehr oder weniger selbständigen Entscheidung des C darstellt. Neben dem Vorliegen hinreichender subjektiver Zurechnungsgründe ist auch hier Voraussetzung für die Fremdwirkung des Handelns des C, dass die Dritteinmischung nach der objektivierten Sichtweise des B nicht nur für Rechnung des A selbst erfolgt, sondern auch seinen wirklichen Willen konkretisiert. Dies ist tatsächlich der Fall, wenn sich C offensichtlich innerhalb des Rahmens bewegt, in dem er für Rechnung des A entscheiden darf, vor allem weil A dem C diese Befugnis eingeräumt hat. Eine solche Lage liegt etwa dann vor, wenn C erkennbar im Rahmen einer Organisation operiert, die generell dazu bestimmt ist, die geschäftlichen Interessen des A in seinem Namen wahrzunehmen, und die Handlungen des C sich nicht offenbar außerhalb des ihm abstrakt zugewiesenen Entscheidungs- bzw. Handlungskreises befinden bzw. nicht offenbar gegen die konkreten Weisungen des A vorgenommen werden. Sofern nun C nach außen erkennbar den wirklichen Willen des A an seiner Stelle und mit seiner Erlaubnis vermittelt, besteht kein Grund dafür, die dadurch begründete Zusammenarbeitskonstellation und die entsprechenden Rechtsfolgen (Entstehung von Schutzpflichten) nicht auf die repräsentierte Partei (A) zurückzuführen, allein weil A dem C im konkreten Fall einen breiteren Entscheidungsspiel-

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raum eingeräumt hat. In diesem Sinne dürfte es für die Schutzpflichtentstehung kaum einen Unterschied machen, ob es sich um einen kleinen Laden handelt, in dem der Ladenbesitzer (A) seinem einzigen Angestellten (C) direkt detaillierte Anweisungen erteilt, oder um das Warenhaus einer großen Supermarktkette, bei der die tatsächliche Entscheidungsmacht zum Eingehen von Zusammenarbeitskonstellationen vielen Personen mit unterschiedlichen Entscheidungsspielräumen stufenweise delegiert wird: Denn trotz Dritteinmischung sind beide Male die erforderlichen Willensmomente, sei es direkt oder durch die mehrstufige Vermittlung Dritter, erkennbar bei der jeweils betroffenen Schuldverhältnispartei (A) selbst vorhanden. Natürlich sind Zweifel hinsichtlich der genauen Bedeutung des Auftretens des C anhand der Gesamtumstände des konkreten Falls zu beurteilen. Auch in Bezug auf die subjektive Zurechnung des Fremdhandelns im Innenverhältnis (zwischen A und C) sind gemäß der Rechtsnatur der maßgeblichen Zusammenarbeit als Realakt nicht so strenge Erfordernisse aufzustellen wie bei der Annahme entsprechender, unmittelbar auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichteter rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen.287 Allgemein dürfte es vollkommen ausreichen, dass das Faktum der durch C vermittelten Zusammenarbeit von A und B zumindest mittelbar auf den Willen der betroffenen, als Schutzpflichtschuldner in Frage kommenden Person (A) zurückgeführt werden kann. Dies dürfte vor allem dann der Fall sein, wenn A dem an seiner Stelle handelnden C die tatsächliche Möglichkeit überhaupt eingeräumt hat, die die Sphäre des A betreffenden Handlungen vorzunehmen.288 Die Aufstellung strenger Anforderungen könnte hingegen dem sehr weiten Spektrum möglicher schuldverhältnisbezogener Zusammenarbeitskonstellationen nicht gerecht werden. Natürlich bedarf es der subjektiven Zurechnungsgründe nicht, wenn A durch das Handeln des C zum Schutzpflichtgläubiger werden soll, da dem A die bloße Schutzpflichtberechtigung ohnehin zumutbar ist.

(4) Gesetzliche Vertreter und Organe juristischer Personen Auf ähnliche Weise soll man darüber hinaus die Fälle behandeln, in denen die Zurechnungswirkung der Einmischung des C für die Schutzpflichtentste___________ 287 Man könnte hier auf die Rechtsprechung zur Zurechnung des Wissens des Besitzdieners zum Besitzherrn hinweisen, die ebenfalls keine sehr hohen Erfordernisse aufstellt, s. etwa BGH v. 9.2.1955, BGHZ 16, 259 (264 f); BGH v. 9.2.1960, BGHZ 32, 53 (56 ff). 288 Vgl. die Lehre vom fahrlässigen Verursachen einer Anscheinsvollmacht durch den Vertretenen im Bereich der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung – s. dazu etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 48, Rn. 25 ff sowie Rn. 36 ff mit weiteren Nachweisen zur Literatur und Rechtsprechung.

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hung zu Gunsten bzw. zulasten des A nicht vom realen Willen des A abgedeckt ist, sondern gesetzlich geboten ist. Dies ist insbesondere bei gesetzlichen Vertretern von nicht voll geschäftsfähigen Personen oder bei Organen juristischer Personen der Fall: Die Bildung des fremden Willens durch C ist dem betroffenen A dann zuzurechnen, wenn C gesetzlicher Vertreter oder Organ des A ist (Innenverhältnis) und gegenüber B (Außenverhältnis) offenbar für Rechnung des A im Rahmen seiner Vertretungsmacht auftritt. Dieser Schluss leuchtet insbesondere bei den Organen juristischer Personen unmittelbar ein, da juristische Personen ohne ihre Organe überhaupt keinen rechtsgeschäftlichen oder realen Willen haben können.289 Er muss jedoch auch für sonstige Fälle gesetzlich begründeter Vertretungsmacht gezogen werden, wenn sich aus der einschlägigen Gesetzauslegung ergibt, dass der gesetzliche Vertreter auch Realhandlungen (hier das Eingehen auf schuldverhältnisbezogene Zusammenarbeitskonstellationen) mit Wirkung für den Vertretenen vornehmen darf. Eine solche Befugnis ist etwa hinsichtlich der umfangreichen elterlichen Sorge (s. §§ 1626 ff BGB) für die Eltern von Minderjährigen grundsätzlich zu bejahen. Wird beispielsweise ein Minderjähriger (A) durch seine Eltern (C) zum Arzt (B) gebracht, damit sie in seinem Namen einen Behandlungsvertrag mit dem Arzt schließen, so ist bereits im Vertragsanbahnungsstadium für die Schutzpflichten des Minderjährigen gegenüber dem Arzt sowie für die Schutzpflichten des Arztes gegenüber dem Minderjährigen grundsätzlich allein der elterliche Wille maßgeblich. Die entsprechende Gesetzesauslegung soll auch den genauen Rahmen ermitteln, innerhalb dessen der (reale) Wille des gesetzlichen Vertreters (C) möglicherweise sogar gegen den (realen) Willen des Vertretenen entscheidend sein soll. Angesichts der Tatsache, dass die Entstehung von Schutzpflichten eng mit der Teilnahme am Geschäftsverkehr verbunden ist,290 dürfte die Annahme nahe liegen, dass auch bei gegensätzlichem Willen des Vertretenen in aller Regel der Wille des gesetzlichen Vertreters maßgebend sein muss, zumindest soweit dies für den Schutz des Vertretenen erforderlich ist, nämlich soweit die Entstehung von Schutzpflichten zulasten des Vertretenen in Frage steht. Im Beispiel des Besuchs beim Arzt spielt es für die Schutzpflichten des Kindes selbst keine Rolle, ob der Minderjährige einen im Vergleich zum Elternwillen gegensätzlichen natürlichen Willen hat bzw. haben kann. Fehlt nun dem C in Wahrheit die gesetzlich gestützte Macht, im Rahmen schuldverhältnisbezogener Zusammenarbeitskonstellationen für A zu handeln, so ist die Lage nach den allgemein entwickelten Regeln zu behandeln. Im Außenverhältnis (gegenüber B) genügt der objektivierte Anschein einer solchen Macht, damit der Auftritt des C für Rechnung des A diesem auch zugerechnet ___________ 289 Vgl. die Problematik über den Besitzerwerb durch juristische Personen, s. dazu etwa MüKo(4)/Joost, § 854, Rn. 17 ff. 290 Vgl. auch oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (3).

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werden kann. Demgegenüber muss zum Schutz der betroffenen Person (A) vor der Bindung durch Fremdhandlungen die gesetzliche Macht des C tatsächlich vorliegen (Innenverhältnis); dies gilt allerdings nur insoweit, als A dadurch eine nachteilige Position erlangen soll, nämlich als er Schutzpflichtschuldner werden soll. Kombiniert man beide Gesichtspunkte, so ist die Bildung des Zusammenarbeitswillens etwa für Rechnung einer geschäftsunfähigen Person (A), die sich selbst keinen eigenen Willen bilden kann, durch einen Dritten (C) nur hinsichtlich einer Rechtskreisöffnung (Begründung der Schutzpflichtberechtigung) ohne weiteres als Wille des Geschäftsunfähigen selbst zu bewerten, wenn dem Anschein nach C der gesetzliche Vertreter des A ist oder sein Handeln vom Willen des gesetzlichen Vertreters gedeckt wird. Davon hat B bereits wegen der Tatsache, dass C für Rechnung des A auftritt, in der Regel auch auszugehen. Für die Annahme einer entgegengebrachten Rechtskreisöffnung (Belastung mit Schutzpflichten) reicht hingegen allein der objektive Anschein nicht aus. Im Beispiel etwa, dass eine zur eigenen Willensbildung unfähige Person (A) durch einen Verwandten (C) zum Arzt (B) zur Behandlung hingebracht wird, treffen den Arzt ohne weiteres Schutzpflichten. Die zu behandelnde Person wird jedoch nur dann zum Schutzpflichtschuldner, wenn der Besuch beim Arzt vom Willen ihres gesetzlichen Vertreters tatsächlich gedeckt wird, d.h. wenn der Verwandte (C) den Geschäftsunfähigen mit dem Willen seines gesetzlichen Vertreters zum Arzt bringt.

(5) Fehlende Zurechnung im Innen- oder im Außenverhältnis Es dürfte klar sein, dass die Bedingungen, die für die Zurechnung von Dritthandlungen zur eigentlichen Schuldverhältnispartei im Innen- (zwischen A und C) und Außenverhältnis (zwischen C und B) maßgebend sind, kumulativ erfüllt werden müssen. Fehlt es also an ausreichenden Zurechnungsgründen sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis, so entsteht eine Schutzpflichtbeziehung zur betroffenen Schuldverhältnispartei (A) in keiner Weise: Kann der Auftritt des C weder nach dem objektiven Anschein noch aufgrund subjektiver Zurechnungsgesichtspunkte dem A zugerechnet werden, so entsteht die für die Schutzpflichtentstehung erforderliche Zusammenarbeitskonstellation zwischen A und B nicht. Sind nun die maßgeblichen Voraussetzungen allein im Innen- oder im Außenverhältnis nicht erfüllt, so muss man differenzieren: Lässt sich allein im Innenverhältnis keine Zurechnung begründen, so dürfen der durch die Dritthandlung nur scheinbar repräsentierten Schuldverhältnispartei (A) keine Schutzpflichten auferlegt werden. Demgegenüber darf aus diesem Grund die Anerkennung von Schutzpflichten zu Gunsten des A nicht verneint werden, da diese Rechtsfolge für A nur vorteilhaft ist. Liegen ferner hinreichende Fremdwirkungsgründe im Außenverhältnis nicht vor, so wird die von der Dritteinmischung betroffene Schuldverhältnispartei (A) weder zum Schuldner noch zum Gläubiger von Schutzpflichten und zwar unabhängig davon, ob A die konkrete

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

Absicht hatte, seinen Zusammenarbeitswillen im Hinblick auf einen besonderen Schuldverhältniszweck durch C konkretisieren zu lassen. Hinsichtlich der weiteren Frage, ob bei fehlender Zurechnung im Innen- oder Außenverhältnis direkt zwischen C und B Schutzpflichten entstehen können, gilt, dass ein Schutzpflichtverhältnis zwischen C und B gar nicht in Frage kommt, wenn C offenbar für einen Anderen handelt und somit der Stellung einer möglichen Schuldverhältnispartei von vornherein entbehrt.291 Muss man ferner nach der offensichtlichen Lage annehmen, dass C für sich selbst handelt, so kommt es für die Schutzpflichten für und gegen C darauf an, ob in seiner Person die Voraussetzungen erfüllt sind, die allgemein für die Entstehung eines Schutzpflichtverhältnisses erforderlich sind.292 Kann man nämlich nach objektiven Maßstäben das Verhalten des C als eine eigene Rechtskreisöffnung sowie als Annahme der diesem gegenüber von B vorgenommenen Rechtskreisöffnung auffassen, so ist C folglich als Schutzpflichtgläubiger und -schuldner entsprechend zu betrachten; ist dies nicht der Fall, so entstehen überhaupt keine Schutzpflichten im Verhältnis zwischen B und C. In Zusammenhang mit den Rechtsfolgen einer Dritteinmischung für die Entstehung eines Schutzpflichtverhältnisses darf man schließlich nicht leugnen, dass oft auch ein Schutzbedürfnis des C selbst trotz offensichtlichen Auftritts für fremde Rechnung vorhanden sein kann. Ebenso wenig darf man ferner ausschließen, dass dort, wo nicht A, sondern C selbst zur Partei des Schutzpflichtverhältnisses mit B wird, etwa weil sein Auftreten für Rechnung des A nicht erkennbar ist, ein Schutzbedürfnis des A bestehen kann, dessen Rechtsgüter und Interessen durch die Handlungen des C den Schädigungsgefahren des B ausgesetzt werden. Bei dieser Fragenkreise handelt es sich allerdings um die Problematik der Rechtswirkungen von Schuldverhältnissen zu Gunsten dritter Personen (Drittschutzwirkungen), die über die Grenzen des einfachen, zweipoligen Schuldverhältnisses hinausgehen. Darauf ist noch einzugehen.293

___________ 291 Hier kann dahin gestellt bleiben, ob man den Rechtsgedanken von § 179 BGB anwenden und Schutzpflichten des C gegenüber B anerkennen sollte, um die Tatsache auszugleichen, dass B mangels ausreichender Zurechnungsgründe in der Person des A (Innerverhältnis) allein zum Schutzpflichtschuldner des A wird. 292 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb) sowie cc). 293 s. unten 6. Kapitel B. Auch Dritthaftungsfragen tauchen in solchen Fällen auf, sie können aber in dieser Arbeit nicht behandelt werden.

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IV. Überschneidungsfragen in Bezug auf Zentral- und Rahmenpflichten 1. Zusammentreffen von Zentral- und Rahmenpflichten Die Unterscheidung zwischen Zentral- und Rahmenpflichten stellt keine absolute Trennung dar.294 Die einschlägigen Verhaltensgebote überschneiden sich vielmehr häufig in irgendeiner Weise, weil die beiden Pflichtenkategorien zugrunde liegenden Zwecksetzungen – Verfolgung eines besonderen Schuldverhältniszwecks bei den Zentralpflichten bzw. Schaffung aufwandsgünstiger und vertrauensfördernder Bedingungen der Zusammenarbeit bei den Rahmenpflichten295 – zumindest teilweise gleichgerichtet sind: Die Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Seite stellt keinen ausschließlichen Inhalt der Rahmenpflichten dar, da auch der besondere Schuldverhältniszweck bei Außerachtlassung der gebotenen Rücksicht (vollständig oder partiell) vereitelt werden kann.296 Insbesondere bei den Schutzpflichten297 kommen Überschneidungen mit den Zentralpflichten allgemein dann vor, wenn dem in den Schutzpflichten verkörperten Gebot zur Nichtbeeinträchtigung von Rechten, Rechtsgütern und Interessen des anderen Teils zumindest teilweise dadurch nachgekommen werden kann, dass der Schuldner seine Zentralpflichten gemäß den Bestimmungen des konkreten Schuldverhältnisses erfüllt. Dabei weist der Überschneidungsbereich von Zentral- und Rahmenpflichten einen beträchtlichen Umfang auf, da beiden Pflichtengefügen ein breites Anwendungsgebiet gehört; das Zusammentreffen von Zentral- und Rahmenpflichten ist also ein eigentlich ganz gewöhnliches Rechtsphänomen. Sicherlich kann man über die genauen Grenzen streiten, die der Ausdehnung von Zentralpflichten aufgrund von Treu und Glauben (s. §§ 157 und 242 BGB) gesetzt werden müssen, damit sie weiterhin als von dem besonderen Schuldverhältniszweck und dessen gerechtfertigten Ergänzungen bzw. Erweiterungen gedeckt angesehen werden können.298 Jedenfalls ist der Bereich, in dem Rücksichtnahme bzw. Schutzgewährung den Inhalt von Zentralpflichten ausmachen, ___________ 294 Vgl. RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 125; MüKo(4)/Roth, § 241, Rn. 37; Thiele, JZ 1967, 650. Als einschlägiges Beispiel werden dabei vor allem die Aufklärungspflichten erwähnt, s. etwa RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 125. Verschiedene Beispielskonstellationen mit einer einschlägigen Problematik s. ferner etwa bei Frost, S. 161 ff; der von Frost jeweils vorgenommenen Abgrenzung zwischen „Leistungs-“ und „Schutzpflichten“ ist allerdings nicht unbedingt zuzustimmen. 295 s. oben 5. Kapitel D. I. 1. und 5. Kapitel D. III. 3. b) aa). 296 s. oben 5. Kapitel D. II. 297 Zum Verhältnis der Begriffe „Rahmen-“ und „Schutzpflichten“ s. oben 5. Kapitel D. III. 1. 298 s. auch oben 5. Kapitel D. I. 2. und 5. Kapitel D. II. Vgl. ferner oben 5. Kapitel B. II. 2.

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einerseits breiter, als der häufige Hinweis auf Schutzpflichtverletzungen in Rechtsprechung und Literatur zu implizieren scheint,299 andererseits jedoch auch enger aufzufassen, als dies für den vollständigen Verzicht auf Rahmenpflichten notwendig wäre. Von den Fällen abgesehen, in denen (noch) überhaupt kein besonderer Schuldverhältniszweck und somit keine Zentralpflichten existieren,300 sei hier in Bezug auf die letzte Aussage nur ansatzweise angemerkt, dass Schädigungen an den mit dem konkreten Schuldverhältnis nicht besonders zusammenhängenden Rechtsgütern des Vertragspartners lediglich aus Anlass der Hauptpflichterfüllung grundsätzlich nicht vom besonderen Schuldverhältniszweck gedeckt sind. Die Pflicht etwa des Vermieters, den sein Mieter zwecks Besprechung einer mietvertraglichen Angelegenheit besucht, seine eigene Wohnung in gefahrlosem Zustand zu erhalten, um den Mieter nicht zu verletzen, wird nicht vom Mietverhältniszweck gedeckt; dazu kann der Vermieter allein aufgrund einer Schutzpflicht verpflichtet sein. Betrachtet man nun die Formen näher, in denen die maßgebliche Überschneidung von Zentral- und Rahmenpflichten vorkommt, so kann zunächst die Herbeiführung des gleichen Ergebnisses den Gegenstand sowohl einer Zentralals auch einer Rahmenpflicht bilden, weil sowohl im Rahmen des besonderen Schuldverhältniszwecks als auch innerhalb der allgemeinen, in den Rahmenpflichten verkörperten Zweckrichtung demselben Rechtsbedürfnis Rechnung getragen werden muss. Beispielsweise verpflichtet ein Verwahrungsvertrag den Verwahrer, die ihm übergebene Sache aufzubewahren (s. § 688 BGB). Diese Verpflichtung, die sicherlich zu den Zentralpflichten des Verwahrungsvertrages gehört, beinhaltet außer der Forderung zum Schutz der überlassenen Sache vor fremden Gefahren zweifellos auch das Gebot, sie nicht – z.B. durch Verbrauch – zu beschädigen.301 Die Nichtschädigung der hinterlegten Sache wird aber wegen der dem Verwahrer eröffneten Einwirkungsmöglichkeiten302 ebenfalls von einer entsprechenden Schutzpflicht geboten. ___________ 299 Vgl. das Beispiel von Medicus, Bürgerliches Recht (aus der 19. Auflage, 2002), Rn. 209: Die transportgerechte Verpackung der verkauften Glasflaschen gehört entgegen der Auffassung von Medicus sicherlich zu den Zentralpflichten des Verkäufers und zwar auch unabhängig von der neuerdings eingeführten ausdrücklichen Bestimmung in § 433 I S. 2 BGB, dass der Verkäufer die Kaufsache frei von Sachmängeln zu verschaffen hat, vgl. Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 6 III 2. Denn die Verkäuferpflicht zur sicheren Verpackung der Kaufsache gehört offenbar zum besonderen Zweck, der mit dem konkreten Kaufvertrag verfolgt wird (s. oben 5. Kapitel D. I. 1.): Eingliederung der natürlich unversehrt zu erhaltenden Kaufsache in die Vermögenssphäre des Käufers. Eine andere Frage ist jedoch, ob man neben einer solchen Zentralpflicht auch eine darauf gerichtete Schutzpflicht anerkennen soll – s. dazu unten 5. Kapitel D. IV. 2. a). 300 So etwa bei nichtigem Vertragsschluss oder im Rahmen der Vertragsverhandlungen. 301 Vgl. auch Stoll, FS Hippel, S. 525: „Leistungspflicht mit Schutzzweck“. 302 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) aa).

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Darüber hinaus kann ein und dasselbe Verhalten sowohl vom besonderen Schuldverhältniszweck als auch vom allgemeinen Rahmenpflichtenzweck allerdings zur Befriedigung unterschiedlicher Bedürfnisse geboten sein. Ein Beispiel hierfür bildet die Pflicht des Verkäufers, dem Käufer Auskunft über die richtige Bedienung einer Motorsäge zu erteilen: Zweck dieser Aufklärung kann sowohl das Funktionieren der Säge und somit die Erreichung des konkreten Vertragszwecks (Aufklärung als Zentralpflicht) als auch die Verhinderung von Verletzungen des Benutzers sein (Aufklärung als Schutzpflicht).303 Ferner sollte man eine für diesen Zusammenhang maßgebliche Überschneidung darin erblicken, dass eine Zentral- und eine Rahmenpflicht vom Schuldner zwar weder vollständig noch teilweise genau das gleiche Ergebnis bzw. Verhalten verlangen, die Beachtung der einen jedoch auch den Zweck der anderen vollkommen deckt. Die Erfüllung etwa der vertraglich vereinbarten Zentralpflicht des Verwahrers, das ihm übergebene Auto in einem geschlossenen Parkhaus aufzubewahren, verlangt zwar nicht einmal partiell das gleiche Verhalten wie die entsprechende Schutzpflicht des Verwahrers, das Auto auf der Straße abzustellen und es abzuschließen.304 Trotzdem deckt die Erfüllung der konkreten Zentralpflicht in diesem Fall auch den Zweck der Schutzpflicht vollkommen ab; die maßgebliche Schutzpflicht erweist keine über die Zielrichtung der Zentralpflichten des Verwahrers hinausgehende Bedeutung. Natürlich können alle angesprochenen Formen der Überschneidung von Zentral- und Rahmenpflichten auch nur teilweise vorkommen, wenn sich die jeweils gebotenen Ergebnisse, Verhaltensweisen bzw. die jeweils zugrunde liegenden Pflichtzwecke nur partiell decken. Im Überschneidungsbereich von Zentral- und Rahmenpflichten sind m.E. dem Schuldner nicht zwei eigenständige Pflichten, sondern jeweils eine einzige Pflicht aufzuerlegen, die zugleich die Anforderungen zur Rücksichtnahme (Rahmenpflichten) und zur Verfolgung des besonderen Schuldverhältniszwecks (Zentralpflichten) erfüllt. Eine Schuldnerpflicht sollte folglich nicht entweder als Zentral- oder als Rahmenpflicht bezeichnet werden, wenn das gebotene Schuldnerverhalten sowohl vom besonderen Schuldverhältniszweck als auch vom allgemeinen Rahmenpflichtzweck erfasst wird. Vielmehr sollte man in einem solchen Fall die Zugehörigkeit dieser Verpflichtung zu beiden Pflichtengefügen anerkennen. Denn die Unterscheidung zwischen Zentral- und Rahmenpflichten stellt bereits im Ansatz das Ergebnis einer funktionellen Betrachtungsweise dar: Die Zentral- und die Rahmenpflichten unterscheiden sich voneinander primär in der besonderen Aufgabe, die sie in einer Schuldbeziehung ___________ 303

s. RegE, BT-Drucks 14/6040, S. 125. Ob man der Schutzpflicht des Verwahrers nach Treu und Glauben einen weiterreichenden Inhalt zuschreiben will, hängt selbstverständlich von den Gesamtumständen des konkreten Falls ab, hier kommt es allerdings nicht entscheidend darauf an. 304

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jeweils wahrnehmen.305 Dabei ist es sehr wohl möglich, dass ein bestimmtes Verhalten zugleich beiden Zielrichtungen dient, so dass die Bezeichnung der entsprechenden Verpflichtung als Zentral- oder Nebenpflicht dieser Erkenntnis gerade widersprechen würde. Wird jedoch im Folgenden von Zentral- und Rahmenpflichten gesprochen, obgleich im Überschneidungsbereich in Wahrheit nur eine Verpflichtung besteht, so ist dieser vereinfachte Sprachgebrauch lediglich dahin zu deuten, dass eine vom Schuldner geschuldete Leistung zugleich vom Zentral- und vom Rahmenpflichtentstehungsschema geboten ist bzw. dass der maßgeblichen Verpflichtung zumindest teilweise die Eigenschaften (vor allem die zugrunde liegende Zweckrichtung) sowohl der Zentral- als auch der Rahmenpflichten immanent sind. Die rechtlichen Konsequenzen, die aus der Zugehörigkeit einer Schuldnerverpflichtung sowohl zur Zentral- als auch zur Rahmenpflichtengruppe gezogen werden sollten, können das gebotene Schuldnerverhalten, die Verpflichtungsmodalitäten oder schließlich die Haftung für eine Pflichtverletzung betreffen. Dabei muss zunächst die Ermittlung des primär geschuldeten Verhaltens, wie bereits angedeutet, prinzipiell allen Anforderungen genügen, die für die Erfüllung beider Pflichtengefüge erforderlich sind: Sowohl die Zentral- als auch die Rahmenpflichten müssen vom Schuldner vollständig beachtet werden, sofern sie überhaupt als schuldrechtliche Pflichten anerkannt werden. Erst wenn die Zentral- und die Rahmenpflichten ausnahmsweise zu einem widersprüchlichen Verhalten zu verpflichten scheinen, entsteht ein entsprechendes Koordinierungsbedürfnis. Diese kombinierende Anwendung beider Regelungsgefüge (Zentral- und Rahmenpflichten) auf die schließlich maßgebliche Schuldnerverpflichtung erlaubt auch Pflichtengestaltungen, die über die isoliert betrachteten Zentral- und Rahmenpflichten hinausgehen: Da die Zentralpflichten allein auf die Verfolgung des besonderen Schuldverhältniszwecks und die Rahmenpflichten allein auf die Schaffung günstiger Hintergrundsbedingungen gerichtet sind, ergibt sich erst aus einer Kombination beider Richtungen das Gebot zur konkreten Zweckverfolgung unter Ergreifung von Rücksichts- bzw. Schutzmaßnahmen zu Gunsten des anderen Teils oder, anders formuliert, das Gebot zur Ergreifung derjenigen Rücksichts- bzw. Schutzmaßnahmen für die Gegenseite, die sich mit der Verfolgung des besonderen Schuldverhältniszwecks vereinbaren lassen. Etwas komplizierter ist demgegenüber die Bestimmung der einschlägigen Verpflichtungsmodalitäten, wie etwa der Verjährung des Gläubigeranspruchs, welcher der jeweiligen Schuldnerverpflichtung korrespondiert, oder der anwendbaren Haftungsmaßstäbe für eine Pflichtverletzung. Zwar bestehen oft einheitliche Regelungen für alle schuldrechtlichen Pflichten (s. etwa § 276 I BGB und § 195 BGB). Allerdings können oft erhebliche Unterschiede in der Regelung von Zentral- und Rahmenpflichten bestehen, die der Abstimmung be___________ 305

s. oben 5. Kapitel D. I. 1.

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dürfen, um das genaue Regelungsgefüge für die maßgebliche Schuldnerverpflichtung festlegen zu können. So bestimmt etwa § 521 BGB, dass der Schenker nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haftet, während man für Rahmenpflichtverletzungen gemäß der Vorschrift von § 276 I BGB prinzipiell auch leichte Fahrlässigkeit zu vertreten hat.306 Angenommen, dass § 521 BGB zunächst nur für Zentralpflichten gelten soll, wird die Frage unabweislich, ob sein Anwendungsfeld auch auf Schuldnerpflichten ausgedehnt werden soll, die sowohl als Zentral- als auch als Rahmenpflichten angesehen werden können.307 Die Behandlung dieser nicht unbedingt einfachen Problematik hat für jeden konkreten Rechtszusammenhang aufgrund der jeweils geeigneten Vertragsbzw. Gesetzesauslegung zu erfolgen.308

2. Zur Abgrenzung von Zentral- und Schutzpflichten In den meisten Fällen, in denen es zu Überschneidungen von Zentral- und Rahmenpflichten kommen kann, ist eine genaue Grenzziehung aus praktischen Gründen nicht notwendig.309 Hinsichtlich des primär geschuldeten Verhaltens sind in aller Regel die Anforderungen beider Begründungsschemata zu erfüllen. Ebenso wenig bereitet allgemein die konkrete Ausgestaltung des Regelungsgefüges besondere Schwierigkeiten, das die maßgebliche Verpflichtung hinsichtlich der einschlägigen Modalitäten (insbesondere Haftungsvoraussetzungen) normieren soll, da die Regelung von Zentral- und Rahmenpflichten häufig einheitlich ist.310 Bei gleichzeitiger Existenz von Zentral- und Rahmenpflichten kommt es also praktisch nur darauf an, ob man das fragliche Schuldnerverhalten unter die Zentral- oder die Rahmenpflichten überhaupt einordnen kann, nicht hingegen darauf, welches der beiden Pflichtbegründungsschemata im konkreten Fall einschlägig ist. ___________ 306

Vgl. etwa Erman(11)/Westermann, § 241, Rn. 12. s. dazu etwa BGH v. 20.11.1984, BGHZ 93, 23 (27 f): Die Haftungsmilderung von § 521 BGB gelte auch für Schutzpflichten, die im Zusammenhang mit dem Vertragsgegenstand stehen. Eine andere Frage ist natürlich, auf welche Zentralpflichten der Geltungsanspruch von § 521 BGB ausgedehnt werden soll, sowie, ob diese Vorschrift auch Rahmenpflichten erfasst, die sich nicht mit Zentralpflichten überschneiden (diesbezüglich ablehnend BGH a.a.O. S. 27). 308 So erscheint etwa sehr zweifelhaft, dass die Garantiehaftung gemäß § 536a I BGB für anfängliche Mängel der Mietsache auf eine entsprechende Schutzpflichtverletzung anwendbar wäre. 309 Dies gilt allerdings nur im Rahmen des einfachen, zweipoligen Schuldverhältnisses, da sowohl die Zentral- als auch die Rahmenpflichten gegenüber der gleichen Person gelten. Sollen jedoch Rahmenpflichten zu Gunsten dritter Personen entstehen (s. unten 6. Kapitel B.), die keine Zentralpflichtgläubiger sind, ist eine sorgfältige gegenseitige Abgrenzung von Zentral- und Rahmenpflichten unabweislich. 310 s. oben 5. Kapitel D. IV. 1. 307

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

Die praktische Bedeutung einer möglichst genauen Abgrenzung der Zentralvon den Rahmenpflichten ist folglich insbesondere in Fällen zu erblicken, in denen keine einschlägigen Zentralpflichten vorhanden sind, welche die fragliche Schuldnerverpflichtung erklären könnten, etwa weil die entsprechende Parteivereinbarung nicht wirksam getroffen worden ist. Kann das in Frage stehende Schuldnerverhalten nicht mit einer Zentralpflicht erklärt werden, so kommt dafür allein eine Rahmenpflicht in Betracht, da diese in der Regel auch bei nicht wirksam zustande gekommenen Vertragsverhältnissen bzw. bei nur vermeintlich bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnissen vorhanden sind.311 Ausschließlich das Bestehen bzw. Nichtbestehen einer Rahmenpflicht sowie ihr genauer Inhalt bestimmen in einem solchen Fall nicht nur das primäre Verhalten, zu dem der Schuldner verpflichtet ist, sondern auch die Fälle einer Pflichtverletzung sowie den Umfang einer eventuellen Schadensersatzpflicht.312 Angesichts dessen könnte man sich in diesem Zusammenhang der Unterstellung eines – für die Parteien unerkannt gebliebenen – unwirksamen Vertragsschlusses bedienen: Wenn sich die fragliche Schuldnerverpflichtung trotz Nichtigkeit überzeugend begründen lässt, so darf sie als auf einer Rahmenpflicht beruhend angesehen werden. Diese Betrachtungsweise dient allerdings lediglich als Hilfsmittel, um die Zentralpflichten vorübergehend gedanklich auszuschalten und anschließend den Umfang der Rahmenpflichten genauer betrachten zu können;313 den Rückgriff auf materielle Gesichtspunkte kann er hingegen nicht ersetzen. Für die weitere Untersuchung interessiert allerdings nicht die Abgrenzung der Zentral- von den Rahmenpflichten im Allgemeinen, sondern nur eine Abgrenzung zwischen den Zentral- und den Schutzpflichten, und zwar im Sinne von Nichtschädigungspflichten.314 Denn, wie bereits an anderer Stelle angedeutet,315 vor allem diese Pflichten scheinen für die Erklärung des SSD von Bedeutung zu sein. ___________ 311

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) ee). s. dazu etwa Palandt(65)/Heinrichs, Vorb. v. § 249, Rn. 62 ff; MüKo(4)/Oetker, § 249, Rn. 115 ff mit weiteren Nachweisen zur Normschutzzwecklehre im Rahmen der Schadensberechnung bei Schadensersatzpflichten. 313 Ähnliches könnte man dadurch erzielen, indem man die Rechtsnatur der Rahmenpflichten als schuldrechtliche Pflichten verneint und sie lediglich als vom konkreten Schuldverhältnis vollkommen unabhängige deliktische Verhaltensgebote begreift. Dadurch wird auch verständlich, warum die hier gesuchte Abgrenzung für diejenigen Autoren einfacher ist, welche eine solche Auffassung tatsächlich vertreten – vgl. Stoll, FS Hippel, S. 523 ff. 314 Zur Unterscheidung zwischen Rahmen- und Schutzpflichten s. oben 5. Kapitel D. III. 1.; zur Teilung der Schutzpflichten in Nichtschädigungs- und Fremdgefahrabwehrpflichten s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) vor aa). 315 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) vor aa). 312

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Die gesuchte Abgrenzung kann m.E. nur durch eine vorsichtige Bestimmung des primär geschuldeten Verhaltens zur genauen Abgrenzung weiterhelfen. Diese kann auf einer Inhaltsbestimmung entweder der Zentral- oder der Schutzpflichten aufbauen. Allerdings ist hier sinnvoller, den Schwerpunkt auf die Schutzpflichten und ihre Grenzen zu legen, da nur den Schutzpflichten eine allgemeine Zielrichtung316 zugrunde liegt, die über konkrete Fallgestaltungen hinausgehende Überlegungen ermöglicht. Darüber hinaus sind Schlussfolgerungen insbesondere zum Inhalt von Schutzpflichten für die Lösung der Drittschutzproblematik insoweit notwendig, als sie zur Bestimmung der Reichweite des durch die Anerkennung drittgerichteter Schutzpflichten317 in Frage kommenden Schutzes beitragen können. Im Folgenden wird also untersucht, inwiefern die von den Schutzpflichten erfassten Gläubigerpositionen318 und die in den Schutzpflichten verkörperten Verhaltensanforderungen319 als Abgrenzungskriterien dienen könnten.

a) Abgrenzung anhand der geschützten Gläubigerpositionen – die Erwartung auf Erfüllung von Zentralpflichten als Schutzgegenstand Die Funktion der Schutzpflichten liegt in der Kompensation von schuldverhältnisbezogenen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils, die zur Herbeiführung eines aufwandsgünstigen und vertrauensfördernden Umfelds für die Zusammenarbeit beitragen soll.320 Allerdings bedarf diese Umschreibung der geeigneten Konkretisierung bzw. Einschränkung in Bezug auf die geschützten Gläubigerpositionen. Bereits im Rahmen der Überlegungen über den Inhalt von Rahmenpflichten wurden die Schutzpflichten als diejenigen Rahmenpflichten definiert, die Verschlechterungen an der bereits unabhängig vom konkreten Schuldverhältnis bestehenden Vermögenslage des Schutzpflichtgläubigers, sei es im Sinne von positiven Schäden oder in der Form entgangenen Gewinns (vgl. § 252 BGB), abwehren sollen. Ihnen wurden jene Rahmenpflichten gegenübergestellt, die zur Abwehr nachteiliger oder zur Förderung vorteilhafter, mit dem Zustandekommen sowie der gerechten Ausgestaltung und Durchführung eines konkreten Schuldverhältnisses verbundenen Positionen der anderen Seite dienen.321 Auf ___________ 316

s. oben 5. Kapitel D. I. 1. sowie 5. Kapitel D. III. 3. b) aa) und 5. Kapitel D. III. 3. c) aa). 317 s. eingehend unten 6. Kapitel B. 318 s. unten 5. Kapitel D. IV. 2. a). 319 s. unten 5. Kapitel D. IV. 2. b). 320 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) aa). 321 s. oben 5. Kapitel D. III. 1.

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diese Überlegung ist hier nochmals zurückzugreifen. Dabei handelt sich nicht um eine lediglich terminologische Klarstellung, sondern um eine materielle Aussage über den zulässigen Rahmenpflichtinhalt: Ein allgemeines Gebot zur Nichtbeeinträchtigung des Schuldverhältnispartners (Schutzpflichten) wird mit den Rahmenpflichten nur insoweit verkörpert, als es um Rechte, Rechtsgüter und Interessen geht, die bereits unabhängig vom konkreten Schuldverhältnis vorhanden sind (etwa Leben, Gesundheit, früher erworbene Vermögenswerte usw.). Anders formuliert, umschreibt das Anwendungsfeld der Schutzpflichten, in der bisher verwendeten Definition, den Bereich, in dem der umfassende Rechtsgüter- und Interessenschutz durch Rahmenpflichten möglich ist. Außerhalb dieses Bereichs können zwar Rahmenpflichten existieren, die zur Rücksichtnahme auf allein mit dem konkreten Schuldverhältnis verbundene Positionen des Schuldverhältnispartners verpflichten, solche Verpflichtungen ergeben sich jedoch nicht aus einem umfassenden Nichtschädigungsgebot, sondern stellen das Ergebnis eines besonderen Begründungsvorgangs dar.322 Daraus ergibt sich konkreter der Richtsatz, dass der Schutz der Zentralpflichtgläubigerstellung an sich nicht umfassend zum Gegenstand von Rahmenpflichten werden darf. Eine Zentralpflichtverletzung ist für das Rahmenpflichtengefüge des Zentralpflichtschuldners grundsätzlich nur dann erheblich, wenn dadurch zugleich eine Beeinträchtigung der auch unabhängig vom konkreten Schuldverhältnis vorhandenen Positionen des Zentralpflichtgläubigers erfolgt, die insofern auch als eine Schutzpflichtverletzung eingestuft werden muss. Dieser Richtsatz ist zunächst damit zu begründen, dass die Rechtsordnung häufig allein den Beteiligten die Wahl darüber überlässt, inwiefern sie sich verpflichten wollen. Das objektive Recht respektiert diesen Selbstbindungswillen (vgl. § 311 I BGB), indem es ihm die erforderliche rechtliche Verbindlichkeit zuschreibt, und unterstützt ihn, indem es das primär geschuldete Schuldnerverhalten mit der Entstehung von Nebenpflichten konkretisiert bzw. vervollständigt (s. insbesondere § 242 BGB) und dem Bedürfnis nach Abwehr bzw. Ausgleich möglicher Pflichtverletzungen mit der Androhung geeigneter Sanktionen (s. vor allem § 280 I BGB) nachkommt. Über diese Anerkennung bzw. Unterstützung oder sogar über die Einschränkung selbstbindenden Handelns (s. vor allem §§ 134 und 138 BGB) hinaus ist dem geltenden Recht grundsätzlich keine weitergehende Absicht zu entnehmen, in das Parteivorhaben einzugreifen. Unabhängig davon etwa, wie detailliert das Kaufrecht vom Gesetzgeber geregelt ist, bleibt nach dem heutigen Rechtssystem die Entscheidung darüber, ob ein Kaufvertrag geschlossen wird oder nicht, grundsätzlich allein den Parteien vorbehalten. ___________ 322

Vgl. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) vor aa) zur Unterscheidung zwischen Nichtschädigungs- und Fremdgefahrabwehrpflichten unter den Schutzpflichten.

D. Erneute Analyse

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Diese Feststellung muss nun konsequenterweise nicht nur bei den Vertragsverhandlungen oder bei einem nichtigen Vertrag, sondern auch im Rahmen eines wirksamen Vertragsverhältnisses gelten, wenn es – obgleich mit geringerer praktischer Bedeutung – darum geht, Regeln für die zutreffende Abgrenzung der Rahmenpflichten aufzustellen. Demnach darf man grundsätzlich keine Rahmenpflichten annehmen, die allein darauf gerichtet sind, das Interesse des Gläubigers an der Erfüllung von Verbindlichkeiten umfassend zu schützen, welche ihre Rechtsgrundlage ausschließlich im rechtsgeschäftlichen Willen der Vertragsschließenden finden: Dem ausschließlichen Charakter der pflichtbegründenden Funktion dieses Willens darf im Prinzip weder bei nicht (wirksam) geschlossenem Vertrag noch bei bestehendem Vertragsverhältnis mit der Anerkennung gesetzlich begründeter Rahmenpflichten widersprochen werden, die diese Funktion praktisch übernehmen würden. Wird etwa ein Anlageberatungsvertrag wirksam geschlossen, so muss die geschuldete Auskunftserteilung zunächst allein als Gegenstand einer (vertraglich begründeten) Zentralpflicht betrachtet werden; der Konsequenz halber darf das Interesse des Anlageinteressenten an Erteilung der erwünschten Auskunft nicht ohne weiteres von einer entsprechenden Schutzpflicht erfasst werden. Allerdings hat die Aussage, dass die Rahmenpflichten umfassend nur die bereits unabhängig vom konkreten Schuldverhältnis bestehenden Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils erfassen sollen (Schutzpflichten), eine über die vertraglich begründeten Pflichten hinausgehende Bedeutung. Sie gilt für alle, gesetzlich oder rechtsgeschäftlich festgelegten, Zentralpflichten im Rahmen aller, gesetzlich und rechtsgeschäftlich begründeten, Schuldverhältnisse. Diese Schlussfolgerung wird im Hinblick auf die funktionelle Stellung der Zentral- und der Rahmenpflichten im Schuldverhältnis gezogen. Der jeweilige besondere Schuldverhältniszweck wird bereits begrifflich allein durch die Zentralpflichten verkörpert.323 Wenn der Gesetzgeber oder die Parteien einen besonderen Zweck verbindlich festlegen und verfolgen wollen, dann ist dies allein mit der Entstehung von Zentralpflichten möglich, ebenso wie umgekehrt keine Zentralpflichten entstehen können, wenn eine solche Zwecksetzung und -verfolgung nicht beabsichtigt oder sogar abgelehnt werden. Die Zielrichtung, die den Rahmenpflichten zugrunde liegt, ist demgegenüber nur allgemeiner Natur und erschöpft sich darin, das mit der Festlegung und Verfolgung eines besonderen Schuldverhältniszwecks verbundene Zusammenwirken der Parteien zu unterstützen.324 Gerade auf dieser zweckbedingten Eigenständigkeit beider Pflichtenkategorien baut ihre grundsätzliche rechtliche Eigenständigkeit im Schuldverhältnis auf, die etwa dazu führt, gesetzliche Nichtigkeitsanordnungen zunächst nur auf die Zentral-, nicht hingegen auch auf die Rahmenpflichten zu ___________ 323 324

s. oben 5. Kapitel D. I. 1. s. oben 5. Kapitel D. I. 1. sowie 5. Kapitel D. III. 3. b).

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

erstrecken.325 Die funktionelle Eigenständigkeit von Zentral- und Rahmenpflichten stellt mit anderen Worten denjenigen Faktor dar, der die in vielerlei Hinsicht ungleiche rechtliche Behandlung der Zentral- und der Rahmenpflichten rechtfertigt. Diese ist wiederum folglich nur insoweit möglich, als die finale Unabhängigkeit der betreffenden Pflichtengruppen voneinander aufrechterhalten bleibt. Wollte man nun generell als Gegenstand der Rahmenpflichten auch Positionen betrachten, die dem Rahmenpflichtgläubiger allein in Verbindung mit dem konkreten Schuldverhältnis zustehen, so müsste man in dieser Annahme eine Aufhebung der zweckmäßigen Eigenständigkeit von Zentral- und Rahmenpflichten insoweit erblicken, als die fraglichen Rahmenpflichten nunmehr in Anlehnung an den besonderen Schuldverhältniszweck gerechtfertigt werden.326 Ist dies wirklich der Fall, so muss man die betreffenden Pflichten nicht mehr als Rahmen-, sondern als Zentralpflichten betrachten und aus dieser Erkenntnis die entsprechenden Konsequenzen über ihre rechtliche Behandlung ziehen; man müsste etwa annehmen, dass sie im Gegensatz zu den wirklichen Rahmenpflichten von einer gesetzlichen Nichtigkeitsanordnung erfasst werden müssen, wie dies allgemein bei Zentralpflichten der Fall ist. Mit diesen Überlegungen wird also nicht vertreten, dass bestimmte Verhaltensweisen vom Schuldner objektivrechtlich nicht verlangt werden könnten; ebenso wenig handelt es sich allein um einen rein begrifflichen Klarstellungsversuch. Eine bestimmte Schuldnerverpflichtung kann nach dem hier zugrunde gelegten Konzept prinzipiell uneingeschränkt auch vom objektiven Recht geboten sein, wenn entweder mit ihr ein besonderer Schuldverhältniszweck rechtsverbindlich zum ersten Mal festgelegt wird (zentrale Hauptpflicht bei gesetzlich begründetem Schuldverhältnis) bzw. wenn sie als Konkretisierung bzw. Vervollständigung eines bereits bestehenden besonderen Schuldverhältniszwecks sinnvollerweise (s. etwa §§ 242 sowie 157 BGB) notwendig erscheint (zentrale Nebenpflicht327) oder wenn sie zur Herbeiführung vertrauensfördernder und aufwandsgünstiger Bedingungen der Zusammenarbeit (Rahmenpflicht) und insbesondere zur Kompensation schuldverhältnisbezogener Einwirkungsmöglichkeiten erforderlich ist (Schutzpflicht).328 Je nach dem konkreten Rechtfertigungsgrund innerhalb der Schuldverhältnisordnung ist aber eine Verpflichtung als Zentral- oder Rahmenpflicht einzustufen und, was wichtiger ist, rechtlich

___________ 325 326 327 328

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) ee). Vgl. oben 5. Kapitel D. I. 2. s. oben 5. Kapitel B. II. 2. s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) aa) und 5. Kapitel D. III. 3. c) aa).

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entweder als Zentral- oder als Rahmenpflicht zu behandeln.329 Ist eine bestimmte Verpflichtung allein in Zusammenhang mit dem besonderen Schuldverhältniszweck zu rechtfertigen, so teilt sie grundsätzlich lediglich die Eigenschaften der Zentralpflichten und ist – unabhängig von der konkreten Benennung – entsprechend zu behandeln. Auf diese Pflicht trotz ihrer zentralpflichtspezifischen Eigenschaften Rechtssätze anzuwenden, die auf Rahmenpflichten zugeschnitten sind,330 ist gerade deswegen prinzipiell ausgeschlossen. Angesichts dessen kann man im Allgemeinen das Zentralpflichtengefüge grundsätzlich als das Gebiet betrachten, auf dem alle Probleme, die mit der Verfolgung des besonderen Schuldverhältniszwecks zusammenhängen, gelöst werden sollen. Dazu gehört grundsätzlich auch der Schutz der Zentralpflichtgläubigerstellung vor möglichen Beeinträchtigungen durch die Begründung von primären Nebenpflichten, sekundären Verpflichtungen und Gläubigerbefugnissen. Demgegenüber sind die das umfassende Nichtschädigungsgebot konkretisierenden Schutzpflichten generell nur insofern als Rahmenpflichten möglich, als die Erfüllung ihrer Funktion angesichts der erfassten Rechte, Rechtsgüter und Interessen auch unabhängig von der Existenz oder Erreichung des besonderen Schuldverhältniszwecks – und demnach auch bei Vertragsnichtigkeit – möglich ist. Bei diesem Ausgangspunkt kann eine Überschneidung von Zentral- und Schutzpflichten im Allgemeinen nur insoweit bestehen, als es sich um die Abwehr von Beeinträchtigungen handelt, welche die unabhängig vom konkreten Schuldverhältnis vorhandenen Gläubigerpositionen betreffen. Die über diese Grenze hinausgehende Wahrnehmung von Gläubigerinteressen wird grundsätzlich nicht von Schutz-, sondern nur von Zentralpflichten erfasst. Es gilt allerdings diesbezüglich zu klären, dass die Schutzpflichten nicht nur die Abwehr unmittelbarer Vermögensnachteile etwa durch den Bestandschutz vorhandener Rechtsgüter, sondern auch die Vermeidung entgangenen Gewinns in ihren Schutzbereich aufnehmen, sofern freilich die erfassten Gewinnperspektiven auch unabhängig vom konkreten Schuldverhältnis als dem bestehenden Vermögen des Schutzpflichtgläubigers innewohnend betrachtet werden dürfen. Demgemäß sind als entgangener Gewinn, der nach einer Schutzpflichtverletzung ersatzfähig ist, diejenigen Vermögenszuwachsaussichten zu betrachten, die sich ohne die Pflichtverletzung und unabhängig von der Erfüllung der Zentralpflichten – freilich unter Zugrundelegung der Maßstäbe von § 252 S. 2 BGB – zu wirklich bestehenden Vermögenspositionen hätten entwickeln können. Natürlich setzt die Ermittlung des von Schutzpflichten umfassend gedeckten Ver___________ 329

Sofern ein bestimmtes Verhaltensgebot die Eigenschaften beider Pflichtenkategorien aufweist, gilt freilich, das anwendbare Regelungsgefüge im Hinblick auf beide Pflichtbegründungsschemata zu ermitteln – s. oben 5. Kapitel D. IV. 1. 330 s. etwa oben 5. Kapitel D. III. 3. b) ee): Die Vertragsnichtigkeit berührt die Rahmenpflichten grundsätzlich nicht.

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mögens des Schutzpflichtgläubigers eine wertende Betrachtungsweise voraus,331 um Ergebnisse zu erzielen, die sich mit der gesamten Rechtsordnung vereinbaren lassen.332 Überträgt man diese Überlegungen auf das Beispiel eines Anlageberatungsvertrags, so erfassen die Schutzpflichten des Beraters nicht nur das zum maßgeblichen Zeitpunkt vorhandene Vermögen des Auskunftssuchenden, sondern auch die Zinsen, die dieser erhalten hätte, wenn er sein Kapital wie bisher auf seinem Sparkonto eingelegt hätte. Denn die Aussichten auf Zinsertrag können bis zu einer bestimmten Höhe als bereits bestehende, vom konkreten Vertragsverhältnis unabhängige Vermögenswerte angesehen werden, so dass ihre Nichtverwirklichung einer reinen Vermögensverminderung gleichgesetzt werden muss. Demgegenüber wird von den Schutzpflichten des Anlageberaters nicht auch der Ertrag erfasst, den der Anlageinteressent über den zu erwartenden Zinsgewinn hinaus bei richtiger Informationserteilung und günstiger Vermögensinvestition hätte erzielen können.333 Denn die falsche Auskunft ist in dieser Hinsicht nur insoweit schädigend, als der mit ihr verbundene, über bereits bestehende Vermögenswerte hinausgehende Vorteil nicht erzielt werden kann. Dieser Vorteil hängt jedoch untrennbar mit dem rechtlichen Bestand des betreffenden Vertragsverhältnisses, nämlich mit den vertraglichen Zentralpflichten zusammen. Er kann demgemäß nur so lange dem vorhandenen Vermögen des Auskunftsnehmers zugerechnet bzw. sein Ausbleiben kann nur so lange als Schaden betrachtet werden, als der Auskunftsgeber zur vorteilhaften Auskunft tatsächlich verpflichtet ist. Eine solche Verpflichtung ist jedoch nach den soeben dargestellten Argumenten nur bei wirksamen Verträgen und nur als Zentralpflicht denkbar. In diesem Sinne darf die Nichtbereicherung des Auskunftsnehmers als eine aus der Sphäre des Auskunftsgebers stammende Gefahr334 nur bei wirksamem Vertrag angesehen werden, sofern nämlich diese Bereicherung Gegenstand einer entsprechenden Zentralpflicht ist. Die hier vertretene Problembehandlung wird im angeführten Beispiel auch dadurch bestätigt, dass der Auskunftsnehmer den entstandenen Schaden – das Ausbleiben des erhofften Vorteils – nicht nur dadurch erleiden kann, dass der Auskunftsgeber eine falsche, sondern auch dadurch, dass dieser überhaupt keine Auskunft erteilt. Im Hinblick auf die Nichttätigkeit des Anlageberaters ist ___________ 331 Eine solche Betrachtungsweise ist für das ganze Schadensersatzrecht trotz der an sich (scheinbar) einfachen Regel von § 249 I BGB in besonderem Maße entscheidend – vgl. etwa Palandt(65)/Heinrichs, Vorb. v. § 249, Rn. 13. Vgl. dabei insbesondere die Schutzzwecklehre im Rahmen der Schadensberechnung – s. die Nachweise in Fn. 312. 332 Vgl. auch sogleich unten im Text. 333 Etwa für den Fall, dass der Anlageberater einen besonders hohen Ertrag garantiert, s. etwa Palandt(65)/Heinrichs, Vorb. v. § 249, Rn. 18 mit weiteren Nachweisen. 334 Vgl. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) vor aa).

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aber eine Pflichtverletzung natürlich nur insoweit zu bejahen, als eine Pflicht zur Auskunftserteilung überhaupt besteht, was freilich nur bei einem wirksamen Auskunftsvertrag in der Form einer entsprechenden Zentralpflicht möglich ist.335 Praktische Konsequenzen hat diese Differenzierung allerdings vor allem dann, wenn – etwa bei nichtigem Vertragsschluss – keine Zentralpflichten bestehen: Dann ist eine genaue Inhaltsbestimmung notwendig, um den etwaigen Schadensersatzanspruch des Schutzpflichtgläubigers (hier des Auskunftsnehmers) sachgemäß zu berechnen. Der Grundsatz, dass zu den Positionen, die in einer Schuldbeziehung mit der Anerkennung von Schutzpflichten umfassend vor Beeinträchtigungen geschützt werden sollen, das Interesse des (tatsächlichen, künftigen oder bloß vermeintlichen) Zentralpflichtgläubigers an der Erfüllung der Zentralpflichten seines Partners an sich nicht gerechnet werden darf, gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Eine Ausnahme ist insoweit anzunehmen, als sich die Erwartung des Schutzpflichtgläubigers auf Festlegung (vor Vertragsschluss) bzw. auf Erfüllung (nach Vertragsschluss) der Zentralpflichten der anderen Seite so sehr verdichtet hat, dass sie unter einer wertenden Beurteilung bereits zu seinem vorhandenen, umfassend geschützten Vermögen zu gehören scheint, was folglich die Anerkennung der entsprechenden Schutzpflichten bedingt. Zu beachten ist hierbei, dass allein das Vorliegen wirksamer Zentralpflichten nicht ausreicht, um die fragliche Erwartung zum Gegenstand einer Schutzpflicht anzusehen. Vielmehr lässt sich die Annahme einer solchen Verpflichtung mit den vorangegangenen Ausführungen nur dann vereinbaren, wenn besondere Umstände vorliegen, die die Erwartung des Zentralpflichtgläubigers seinem unabhängig von der konkreten Schuldbeziehung bestehenden Vermögen gleichstellen und sie somit auch außerhalb des Zentralpflichtengefüges schutzwürdig machen.336 Im Normalfall sind hingegen die von der Rechtsordnung dem Zentrapflichtgläubiger zur Verfügung gestellten Möglichkeiten zur Durchsetzung bzw. zur Kompensation seiner Ansprüche gegen den Zentralpflichtschuldner vollkommen als genügend zu betrachten. Mit dieser Argumentation darf man natürlich, um dem geschilderten besonderen Charakter der Schutzpflichten in der Schuldbeziehung Rechnung zu tragen, ausschließlich die berechtigte Erwartung auf Zentralpflichtfestlegung bzw. ___________ 335 Mit ähnlichen Überlegungen ist der Schutzpflichtcharakter aller Verkäuferverpflichtungen zu verneinen, die darauf abzielen, die Kaufsache unversehrt zu erhalten und sie in diesem Zustand dem Käufer zu übergeben, vgl. nunmehr § 433 I S. 2 BGB (anders jedoch Medicus, Bürgerliches Recht (in der 19. Auflage, 2002), Rn. 208 – s. Fn. 299). Eine abweichende Beurteilung ist hingegen geboten, wenn der mangelhafte Zustand der Kaufsache auch andere, bereits bestehende Rechtsgüter des Käufers gefährdet, wie etwa im Falle einer defekten Motorsäge hinsichtlich der körperlichen Unversehrtheit des Benutzers. 336 Vgl. Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 29 II 2 a; Lorenz/Riehm, Rn. 380.

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-erfüllung, oder, genauer formuliert, die im Hinblick auf diese Erwartung getroffen Dispositionen, nicht hingegen die Zentralpflichterfüllung an sich als Schutzpflichtgegenstand betrachten.337 In diesem Sinne darf man dem Zentralpflichtschuldner grundsätzlich nur die Schutzpflicht auferlegen, seinen Schuldverhältnispartner rechtzeitig davon zu informieren, dass er seine Zentralpflichten nicht erfüllen wird, wenn eine konkrete schutzwürdige Erwartung auf die maßgebliche Zentralpflichterfüllung vorliegt und die entsprechende Verpflichtung für den Schutzpflichtschuldner auch zumutbar ist. Eine ähnliche Schutzpflicht auf Informationserteilung ist in diesem Zusammenhang auch dann anzuerkennen, wenn der geschlossene Vertrag nichtig ist und die nicht ohne weiteres erkennbare Nichtigkeit allein dem Schutzpflichtschuldner bekannt ist. Auch hier geht es um die Erwartung des Schutzpflichtgläubigers auf Erfüllung der (vermeintlichen) Zentralpflichten seines Schuldverhältnispartners. Dem Gegenstand der soeben angesprochenen Schutzpflichten entsprechend ist auch der zu leistende Schadensersatz bei Zuwiderhandlung zu berechen. Der Schutzpflichtschuldner haftet, weil er den Schutzpflichtgläubiger schuldhaft von seiner Absicht, die Vertragsverhandlung ohne Vertragsschluss abzubrechen bzw. seine bereits entstandenen Zentralpflichten nicht (wie vorgesehen) zu erfüllen, nicht rechtzeitig informiert, nicht hingegen, weil er den angebahnten Vertrag nicht schließt bzw. weil er nicht leistet. Der Schutzpflichtgläubiger muss demnach mit der Schadensersatzleistung so gestellt werden (s. § 249 I BGB), als ob er zum Zeitpunkt der maßgeblichen Schutzpflichtverletzung die wahre Absicht des Schutzpflichtgläubigers gekannt und die geeigneten Maßnahmen – etwa Abschluss eines Deckungsvertrags – getroffen hätte (s. auch § 252 S. 2. BGB).338 Will man nun die vorangegangenen Überlegungen auf die Konstellation anwenden, dass der Erblasser seine Tochter durch die entsprechende Testamentserrichtung erbrechtlich begünstigen will und deshalb einen Rechtsanwalt beauftragt, der ihm dabei helfen soll, so kann man ohne weiteres davon ausgehen, dass der Rechtsanwalt eine Zentralpflichtverletzung begeht, wenn er die geschuldete Mitwirkung unterlässt.339 In dieser Unterlassung liegt allerdings grundsätzlich keine Schutzpflichtverletzung,340 da sie allein die Gläubigerstellung innerhalb des konkreten Schuldverhältnisses, nämlich die Stellung des Erb___________ 337

Vorbildlich in diese Richtung § 663 BGB, der anerkanntermaßen keinen Kontrahierungszwang begründet, s. etwa Palandt(65)/Sprau, § 663, Rn. 1; Erman(11)/Ehmann, § 663, Rn. 3. 338 Vgl. zur Diskussion der Schadensberechnung etwa BGH v. 24.6.1998, NJW 1998, 2900 mit weiteren Nachweisen sowie die zustimmende Urteilsbesprechung von Lorenz, NJW 1999, 1001 f. 339 So etwa der Sachverhalt bei BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141. S. auch oben 2. Kapitel A. III. 4., Fallkonstellation 23 – „Testamentsfälle“. 340 So auch BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141 (142).

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lassers als Zentralpflichtgläubiger betrifft; die sonstigen Interessen des Gläubigers werden hingegen nicht berührt.341 Es ist jedoch sehr wohl möglich, dass das Verhalten des Rechtsanwalts besonders gefestigte – d.h. nicht bloß auf dem Vorliegen des entsprechenden Vertrages basierende – Erwartungen seines Mandanten auf die Erfüllung seiner Zentralpflichten hervorgerufen hat, die deshalb auch von einer entsprechenden Schutzpflicht erfasst werden. Besteht diese Pflicht tatsächlich, so muss der Rechtsanwalt seinen Auftraggeber darüber informieren, dass er seine Mitwirkung unterlassen wird. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn ein nur scheinbar gültiger Vertrag vorliegt und die wahre Rechtslage für den Erblasser nicht ohne weiteres erkennbar ist. Dabei wäre die angebrachte Beurteilung im Grunde genommen nicht anders, wenn der Rechtsanwalt keine Nicht-, sondern eine Schlechterfüllung begehen würde. Im letzten Fall könnte freilich die maßgebliche schutzwürdige Erwartung des Erblassers nur darauf gerichtet sein, dass der Rechtsanwalt seinen Auftrag ordnungsgemäß erledigt. Entsprechend wäre der Schutzpflicht des Rechtsanwalts der Inhalt zuzuschreiben, den Erblasser rechtzeitig von der erfolgten Schlechterfüllung zu informieren und möglicherweise die Rückgängigmachung ihrer Folgen zu veranlassen bzw. – etwa durch den Hinweis auf die Möglichkeit eines Testamentswiderrufs nach § 2255 BGB – zu unterstützen. Bei einer Schlechterfüllung liegt es sogar nahe, die für die Bejahung der Schutzwürdigkeit des Erblassers erforderlichen besonderen Umstände darin zu erblicken, dass der Rechtsanwalt scheinbar ordnungsgemäß erfüllt hat und die Erbeinsetzung als gesichert erscheint. Denn die Schlechterfüllung bei einer Testamentserrichtung ist für einen Laien zuweilen erst zu spät, wenn überhaupt, erkennbar – so etwa bei schlichtem Eintreten eines Formfehlers, der zur Testamentsnichtigkeit führt –, und eben deshalb kann man von ihm nicht erwarten, dass er die notwendigen Gegenmaßnahmen ohne weiteres ergreifen wird.

b) Weitere Abgrenzungsgesichtspunkte Die Annahme einer bloßen Informationspflicht für die schutzwürdigen Erwartungen des Schutzpflichtgläubigers auf die Festlegung und Erfüllung von Zentralpflichten342 ist außerdem als Ausdruck des grundlegenden Gedankens ___________ 341 Dies gilt aus dem gleichen Grund auch für die Tochter des Erblassers (wie hier auch Papst, S. 176 f; anders jedoch Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 213). Dadurch wird auch deutlich, dass das dem § 311 III S. 1 BGB zugrunde liegende Primärpflichtmodel (s. oben 4. Kapitel B. II.) in diesem wie auch in ähnlichen Fällen nicht passt, um die von der Rechtsprechung angenommene Drittschutzwirkung (s. oben 2. Kapitel A. III. 4., Fallkonstellation 23 – „Testamentsfälle“) zu erklären. Allgemein zum Primärpflicht- und Haftungsmodell als Konstruktionen zur Erklärung des SSD s. zunächst oben 2. Kapitel B. III. 342 s. oben 5. Kapitel D. IV. 2. a).

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anzusehen, dass die Rahmenpflichten unter den unterschiedlichen Verhaltensweisen, die zum beabsichtigten Ergebnis führen können, vom Schuldner lediglich die am wenigsten belastende erfordern. Die schuldrechtlichen Pflichten (Zentral- und Rahmenpflichten) entstehen oft nicht aufgrund ganz bestimmter vertraglicher oder gesetzlicher Anordnungen, sondern durch eine einzelfallbezogene Konkretisierung abstrakter, generalklauselartiger Maßstäbe wie vor allem der Grundsatz von Treu und Glauben (s. §§ 157 und 242 BGB).343 Ihnen liegt zwar ein mehr oder weniger bestimmter Zweck zugrunde, dessen Verfolgung kann jedoch auf unterschiedlichen, rechtlich gleichwertigen Wegen erfolgen. Der Schuldner kann grundsätzlich frei einen unter ihnen auswählen, rechtlich verpflichtet ist er jedoch nur zu derjenigen Verhaltensweise, die ihm am leichtesten fällt. Trifft er trotzdem umständlichere Maßnahmen, so kommt er dadurch auch seiner minder belastenden Verpflichtung nach, da bzw. sofern dadurch der ihr zugrunde liegende Zweck vollständig erfüllt wird. Der Schutzpflichtschuldner etwa, den die erwähnte Informationspflicht hinsichtlich der Erwartung des Schutzpflichtgläubigers auf Zentralpflichterfüllung trifft, kann sehr wohl den maßgeblichen Zentralpflichten nachkommen und von einer rechtzeitigen Information völlig absehen. Dieser Ausgangspunkt stellt zwar offensichtlich kein unmittelbar anwendbares Kriterium zur Differenzierung zwischen Zentral- und Schutzpflichten dar, wie etwa – trotz wertender Betrachtung – das Abstellen auf die geschützten Gläubigerpositionen.344 Direkt dient er lediglich dazu, das geschuldete Verhalten innerhalb sowohl des Zentral- als auch des Schutzpflichtengefüges genau zu bestimmen. Dadurch trägt er jedoch mittelbar auch zur gesuchten Abgrenzung bei, indem er hilft, die jeder der beiden Pflichtenkategorien (Zentral- und Schutzpflichten) zugrunde liegende Zweckrichtung in jeweils verschiedenen Einzelverpflichtungen zu konkretisieren. Denn der besondere Schuldverhältniszweck und der allgemeine Schutzpflichtenzweck (Herbeiführung aufwandsgünstiger und vertrauensfördernder Bedingungen der Zusammenarbeit durch die Begünstigung schuldverhältnisbezogener Rechtskreisöffnungen345) können zwar oft mit dem gleichen Schuldverhalten erfüllt werden.346 Dies bedeutet jedoch nicht, dass jede der maßgeblichen Zweckrichtungen isoliert betrachtet nicht durch ein weniger belastendes Verhalten verfolgt werden könnte: Da eine Schuldnerverpflichtung im Überschneidungsbereich von Zentral- und Schutzpflichten zumindest teilweise sowohl zum Zentral- als auch zum Schutzpflichtengefüge gehört und somit die Anforderungen beider Pflichtenkategorien erfüllen muss, ist die sich aus der kombinierenden Anwendung beider Begründungs___________ 343 344 345 346

s. auch oben 5. Kapitel C. I. s. oben 5. Kapitel D. IV. 2. a). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) aa) und 5. Kapitel D. III. 3. c) aa). s. oben 5. Kapitel D. IV. 1.

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schemata ergebende Verpflichtung mindestens genauso belastend wie das am meisten belastende Verhaltensgebot (Zentral- oder Rahmenpflicht), das ihre Entstehung mit bedingt und ihren Inhalt mitbestimmt. Stellt man auf den hier angesprochenen Gesichtspunkt ab, so ergibt sich, dass das Schuldnerverhalten, das isoliert betrachtet mit den kleinsten Anstrengungen den Zentralpflichtenzweck erfüllen kann, nicht unbedingt auch dem Schutzpflichtenzweck dient und umgekehrt. Denn die Zentralpflichten sind auf Erhaltung der bereits unabhängig von der konkreten Schuldbeziehung bestehenden Vermögenslage des Gläubigers nur insoweit – dann aber in dem ganzen Umfang – gerichtet, als es für die Verwirklichung des besonderen Schuldverhältniszwecks notwendig ist. Demgegenüber liegt die Aufgabe der Schutzpflichten zwar im umfassenden Schutz der bereits bestehenden Positionen des Schutzpflichtgläubigers einschließlich der innewohnenden Zuwachsaussichten;347 dafür ist jedoch für die Bestimmung der Schutzpflichten der besondere Schuldverhältniszweck irrelevant: Sie sind lediglich darauf gerichtet, die gegenseitigen schuldverhältnisbezogenen Einwirkungsmöglichkeiten ohne Rücksicht auf die konkrete Obligationszielrichtung zu kompensieren. Natürlich bleibt diese Lage für den Normalfall, in dem Zentral- und Schutzpflichten gleichzeitig vorliegen, einfach verborgen, da nur jener Schuldverhältnisinhalt maßgeblich ist, der zumindest in Bezug auf das primär geschuldete Schuldnerverhalten sowohl die Zentral- als auch die Schutzpflichtanforderungen genügen muss.348 Im Beispiel etwa eines wirksamen Auskunftsvertrages wird die Erteilung der richtigen Auskunft geschuldet; die Schlechterfüllung dieser Zentralpflicht durch die Erteilung einer falschen Auskunft kann eine Verminderung bereits vorhandener Vermögenspositionen des Auskunftsnehmers zur Folge haben, so dass eine Überschneidung mit einer entsprechenden Schutzpflicht in Frage kommt. Während allerdings die maßgebliche Zentralpflicht, bedingt durch den besonderen Vertragszweck, auf die Erteilung der richtigen Auskunft gerichtet ist, hat die entsprechende Schutzpflicht lediglich ein Verhalten des Schuldners zum Inhalt, das dem Gläubiger keinen Schaden zufügt: Der Auskunftsgeber ist somit als Schutzpflichtschuldner zunächst nur dazu verpflichtet, dem Auskunftsnehmer keine schädigende Auskunft zu erteilen, indem er sich etwa jeder Auskunftserteilung enthält, bzw. den Auskunftsnehmer von der Unrichtigkeit der bereits erteilten Auskunft frühzeitig zu informieren, um seinem Schaden dadurch vorzubeugen.349 Wird nun eine falsche Auskunft erteilt und erleidet der Auskunftsnehmer dadurch tatsächlich einen Vermögensschaden, so liegt sowohl eine ___________ 347

s. oben 5. Kapitel D. IV. 2. a). s. oben 5. Kapitel D. IV. 1. 349 Es versteht sich, dass der Auskunftsgeber seinen Schutzpflichten auch dann nachkommt, wenn er die richtige Auskunft erteilt, da dadurch der zugrunde liegende Schutzzweck vollkommen erfüllt wird. 348

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Zentral- als auch eine Schutzpflichtverletzung vor. Die Bejahung der Pflichtwidrigkeit knüpft allerdings an jeweils unterschiedliche Sachverhalte an: Es wird gehaftet einerseits, weil keine richtige Auskunft erteilt wird (Zentralpflicht), und andererseits, weil auf die Erteilung einer falschen Auskunft nicht verzichtet bzw. weil nachträglich von der Unrichtigkeit der bereits erteilten Auskunft nicht frühzeitig berichtet wurde (Schutzpflicht). Auf die Erteilung einer richtigen Auskunft war eine Schutzpflicht des Auskunftsgebers hingegen zu keinem Zeitpunkt gerichtet. Diese Differenzierung kann im Bereich zweipoliger Beziehungen etwa bei einem nichtigen Auskunftsvertrag konkrete praktische Bedeutung erlangen:350 Mangels Zentralpflichten hätte der Auskunftsgeber nur den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass er eine vermögensschädigende, nicht hingegen dadurch, dass er keine richtige Auskunft erteilt hat.351 Darüber hinaus setzt die sachgerechte Bestimmung des Verhaltens, zu dem der Schutzpflichtschuldner verpflichtet ist, eine Ermittlung der genauen Gefahren voraus, die mittels Schutzpflichten abgewehrt werden sollen. Damit geht es vor allem um die Aussonderung derjenigen Schädigungen am bereits bestehenden Vermögen des Schutzpflichtgläubigers, die dem Schutzpflichtschuldner zugerechnet werden können, denn nur in Bezug auf solche Gefahren liegt ein umfassendes Nichtschädigungsgebot vor. Erst anschließend kann dasjenige Schuldnerverhalten festgelegt werden, das die maßgebliche Gefahr im gewünschten Maß beseitigt und sich zugleich für den Schuldner am wenigsten belastend auswirkt. In diesem Zusammenhang ist vor allem die bereits in Bezug auf die Ermittlung der für die Schutzpflichten relevanten Vermögenspositionen entwickelte These heranzuziehen, dass die Rechtsordnung häufig das Bestehen des entsprechenden Zentralpflichtverhältnisses verlangt, um die Erwartung des Gläubigers von Zentralpflichten auf deren Erfüllung rechtlich anzuerkennen und mit der Bereitstellung der geeigneten Rechtsinstrumentarien zur Verwirklichung zu verhelfen.352 Wenn nun die Rechtsordnung zum Schutz bereits unabhängig von der konkreten Schuldbeziehung bestehender Positionen des Schuldverhältnispartners grundsätzlich einen Vertrag verlangt, um eine bestimmte Schuldnerpflicht zur Handlung (vor allem im Sinne positiven Tuns) anzuerkennen,353 so braucht man zusätzliche Zurechnungsgründe, um die Nichtvornahme dieser Handlung auch als Schutzpflichtverletzung zu bezeichnen und die einschlägigen ___________ 350 Bei der Annahme drittgerichteter Schutzpflichten im Sinne des SSD sind hingegen diese Überlegungen auch bei gültigem Vertrag unabweislich. 351 s. auch oben 5. Kapitel D. IV. 2. a) allerdings unter der Perspektive der geschützten Gläubigerpositionen. 352 s. oben 5. Kapitel D. IV. 2. a). 353 In diesem Sinne ist beispielsweise gemäß § 688 BGB ein Vertrag erforderlich, um die Pflicht des Verwahrers zur Aufbewahrung einer Sache zu begründen.

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Rechtskonsequenzen – etwa für den Fall eines unwirksamen Vertragsschlusses – daraus zu ziehen. Zu diesen Zurechnungsgründen könnte man etwa ein vorheriges schadenseinleitendes Verhalten des Schutzpflichtschuldners, das tatsächliche Unternehmen erfüllungsbezogener Handlungen oder das zurechenbare Erwecken der Erwartung beim Schutzpflichtgläubiger zählen, dass die entsprechenden Zentralpflichten in der Tat festgelegt bzw. erfüllt werden.354 Dazu sind darüber hinaus weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die etwa mit der Schwere der drohenden Schädigung oder mit der Zumutbarkeit der Schadensabwehr für den Schutzpflichtschuldner zusammenhängen. Angesichts solcher Überlegungen sollte man davon ausgehen, dass die ärztliche Behandlung eines Patienten nur dann rechtlich geboten ist, wenn zwischen dem Arzt und dem Patienten die entsprechenden Zentralpflichten bestehen, vor allem weil ein gültiger Behandlungsvertrag geschlossen wurde. Obwohl die Nichtbehandlung des Patienten seine gesundheitliche Verschlechterung zur Folge haben kann und die körperliche Unversehrtheit an sich sicherlich zu den Rechtsgütern gehört, die den Gegenstand von Schutzpflichten ausmachen können, ist die Nichttätigkeit des Arztes unter einer wertenden Betrachtung folgerichtig nicht ohne zusätzliche Anhaltspunkte als eine Schutzpflichtverletzung gegenüber dem Patienten einzustufen. Zu den besonderen Umständen, unter denen eine solche durch die Nichtbehandlung bedingte Gesundheitsverschlechterung dem Arzt zuzurechnen und somit (auch) als eine Schutzpflichtverletzung seinerseits zu behandeln ist, gehört vor allem die Tatsache, dass der Arzt, etwa unter dem vermeintlichen Eindruck eines gültigen Vertrages, mit der Behandlung bereits angefangen hat. Auch in einem solchen Fall ist allerdings der Arzt gemäß dem Grundsatz der möglichst geringen Belastung des Schutzpflichtschuldners nicht dazu verpflichtet, den Patienten vollständig zu behandeln; grundsätzlich hat er lediglich mit der Patientenbehandlung nur insofern weiterzumachen, als sie für eine drohende Gesundheitsverletzung bis zur Übernahme des Patienten durch einen anderen Arzt erforderlich ist. Natürlich ist erst anhand der Umstände des konkreten Falls möglich, abschließende Schlussfolgerungen über den genauen Schutzpflichtenumfang zu ziehen. Die Abgrenzung der Zentral- von den Schutzpflichten in einem Schuldverhältnis kann ferner auf den Sorgfaltsanforderungen aufbauen, die der Schuldner jeweils zu beachten hat: Die vorsichtige Ermittlung des Inhalts der konkreten Pflichten kann ergeben, dass die fraglichen Zentral- und Schutzpflichten zwar unmittelbar auf das gleiche Ergebnis gerichtet sind, die dem Schuldner jeweils auferlegten Verhaltensanforderungen jedoch unterschiedlich sind. Die maßgebliche Differenz ist dann darauf zurückzuführen, dass die konkrete – insbesondere vertragliche – Ausgestaltung von Zentralpflichten darüber hinausgeht, was man für die Beachtung einer Schutzpflicht verlangen könnte. So trifft etwa bei ___________ 354

Vgl. oben 5. Kapitel D. IV. 2. a).

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einem Verwahrungsvertrag (s. § 688 BGB) über ein Auto den Verwahrer sowohl die Zentral- als auch die Schutzpflicht, das Auto vor Diebstahl zu sichern. Während nun die Zentralpflicht speziell darauf gerichtet sein kann (s. § 157 BGB), das Auto in einem geschlossenen Raum aufzubewahren, ist die entsprechende Schutzpflicht grundsätzlich auf die Ergreifung derjenigen Maßnahmen zu beschränken, die gemäß der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (vgl. § 276 II BGB) für jeden Autobesitzer geboten sind, insbesondere in diesem Zusammenhang das Auto abgeschlossen auf der Straße zu lassen. Die praktische Bedeutung dieser Differenzierung lässt sich freilich bei gültigem Verwahrungsvertrag nicht feststellen, da die Schutzpflicht von der entsprechenden Zentralpflicht völlig aufgenommen wird;355 liegt jedoch ein nichtiger Vertragsschluss vor und wird das Auto gestohlen, so kommt allein eine Schutzpflichtverletzung in Betracht.

V. Zusammenfassung wichtiger Erkenntnisse zum primären Pflichteninhalt von Schuldverhältnissen Grundlegend ist auf Primärpflichtebene die Unterscheidung zwischen Zentral- und Rahmenpflichten.356 Diese Unterscheidung bezieht sich auf die Zweckgerichtetheit bzw. die funktionelle Stellung der schuldrechtlichen Pflichten innerhalb der konkreten Schuldbeziehung: Zentralpflichten sind diejenigen Pflichten, die mit dem besonderen Schuldverhältniszweck unmittelbar verbunden sind bzw. insgesamt den besonderen Schuldverhältniszweck ausmachen. Demgegenüber sind als Rahmenpflichten diejenigen Verpflichtungen zu verstehen, die mit der besonderen Zielgerichtetheit des konkreten Schuldverhältnisses nur indirekt verbunden sind: Sie bilden nur den allgemeinen, vom konkreten Schuldverhältniszweck unabhängigen Rahmen, innerhalb dessen die Zentralpflichten ihre besondere Finalität entfalten können. Diese Systematisierung hängt vor allem mit dem immanenten Rechtsgrund zusammen, welcher der Pflichtentstehung zugrunde liegt und den Pflichteninhalt bedingt: Nur die Zentralpflichten weisen eine konkrete Verbindung mit dem besonderen Schuldverhältniszweck auf.357 Allerdings enthalten nicht alle Schuldverhältnisse sowohl Zentral- als auch Rahmenpflichten. Denn die Entstehung einiger Schuldverhältnisse wird notwendigerweise nur durch den Bezug zu anderen Schuldverhältnissen sinnvoll. Hierbei geht es vor allem um das Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen (s. § 311 II BGB): Die darin enthaltenen Pflichten erfüllen eine ähnliche Funk___________ 355 356 357

s. oben 5. Kapitel D. IV. 1. s. oben 5. Kapitel D. I. 1. s. oben 5. Kapitel D. I. 2.

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tion, wie die Rahmenpflichten, die später innerhalb der Vertragsbeziehung selbst gelten werden; sie sind also alle Rahmenpflichten. Die betreffenden Schuldverhältnisse sind gemäß ihrer Funktion als Rahmenschuldverhältnisse zu bezeichnen.358 Die Aussage über die Natur einer bestimmten Pflicht als Rahmenpflicht setzt eine Beurteilung über ihre funktionelle Stellung im maßgeblichen Schuldverhältnis voraus, so dass prinzipiell jeder Pflichtinhalt für diese Bezeichnung in Frage kommt. Dies verbietet jedoch nicht, den üblichen Inhalt der Rahmenpflichten im Gebot zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils zu sehen. Unter den Rahmenpflichten stellen die Schutzpflichten eine besondere Pflichtengruppe dar: Sie dienen zur Vermeidung oder sogar zur aktiven Abwehr von Beeinträchtigungen an den bestehenden Rechten, Rechtsgütern und Vermögensinteressen des Schuldverhältnispartners.359 Alle Rahmenpflichten bilden eine über die Anwendung allgemeiner – insbesondere deliktsrechtlicher – Regeln hinausgehende Sonderverhaltensordnung, die auf primärer bzw. sekundärer Ebene die Schuldverhältnispartner zu einer höheren Verantwortung für die Belange der jeweils anderen Seite verpflichtet. Eben deshalb bedürfen sie der materiellen Rechtfertigung, die anschließend zur Konkretisierung des abstrakten Rücksichtnahmegebots in bestimmten Pflichten verhelfen soll. Dabei ist § 241 II BGB kaum hilfreich, weil er kaum Anhaltspunkte zur Bestimmung der Entstehungsvoraussetzungen und des Inhalts der Rahmenpflichten bietet; demgegenüber stellt § 241 II BGB nicht einmal die gesetzliche Grundlage für die betreffenden Pflichten dar, obgleich er ihrer seit langem anerkannten Existenz nunmehr auch eine gesetzliche Verankerung verleiht. Insofern ist weiterhin die Berufung auf Erklärungsmodelle unabweislich, die bereits vor Einführung dieser Vorschrift bestanden haben. Obwohl solche Modelle in dieser Arbeit nicht diskutiert werden können, kann man ihnen einige Gesichtspunkte entnehmen, von denen man bei der weiteren Untersuchung mit gewisser Sicherheit ausgehen kann: Die Rahmenpflichten werden demgemäß als Sonderpflichten aufgrund eines generalklauselartigen Rechtssatzes objektivrechtlich angeordnet. Die entscheidende Frage lautet somit, nicht ob, sondern warum Rahmenpflichten rechtlich geboten sind.360 Die Rechtfertigung der Rahmenpflichten kann nicht auf der Annahme aufbauen, im Schuldverhältnis seien die faktischen Gegebenheiten in irgendeiner Hinsicht anders als im Lebensbereich außerhalb von Sonderbeziehungen, wo die Anwendung lediglich allgemeiner Verhaltensgebote in Frage kommt: Weder ___________ 358 359 360

s. oben 5. Kapitel D. II. s. oben 5. Kapitel D. III. 1. s. oben 5. Kapitel D. III. 2.

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erhöhte Einwirkungs- bzw. Schädigungsmöglichkeiten noch gesteigerter sozialer Kontakt oder eine besondere Vertrauensgewährung sind allein innerhalb von Schuldbeziehungen vorhanden. Vielmehr sind solche Konstellationen auch im unbestrittenen Herrschaftsbereich des Deliktsrechts wie etwa im Straßenverkehr häufig vorzufinden. Insofern ist der für die Rahmenpflichtentstehung entscheidende Unterschied allein in der Tatsache zu erblicken, dass eine Schuldbeziehung zwischen den Beteiligten (Rahmenpflichtgläubiger und -schuldner) besteht oder zumindest in Frage kommt. Die gleichen faktischen Umstände werden also innerhalb und außerhalb von Schuldverhältnissen lediglich unterschiedlich bewertet. Besondere Fallgestaltungen können allerdings im Rahmen der Begründung konkreter Rahmenpflichten berücksichtigt werden.361 Jedes vertragliche oder gesetzliche Schuldverhältnis, mit Ausnahme von Rahmenschuldverhältnissen,362 verfolgt einen besonderen Zweck, der in den einschlägigen Zentralpflichten verkörpert wird und den Grund für die Schuldverhältnisentstehung darstellt.363 Die Rahmenpflichten gehören bereits begrifflich nicht dazu, weil ihnen eine allgemeine Zweckrichtung zugrunde liegt. Trotzdem ist ihre Rechtfertigung darin zu erblicken, dass sie zur Festlegung und Verfolgung dieses Zwecks beitragen, indem sie günstige Bedingungen für die Zusammenarbeit der Parteien des (möglichen) Zentralpflichtverhältnisses schaffen. Diese Zweckförderungsfunktion wird in zweierlei Hinsicht erfüllt: Die Rahmenpflichten ermöglichen zum einen eine kosten- bzw. aufwandsgünstige Zusammenarbeit, indem sie den Schuldverhältnisparteien eine erhöhte Verantwortung hinsichtlich der Interessen der Gegenseite auferlegen, und führen zum anderen vertrauensfördernde Bedingungen herbei, indem sie sicherstellen, dass keine ungerechte Belastung der betroffenen Interessen eintritt. Dadurch werden die Zusammenarbeitsbereitschaft der Schuldverhältnisparteien sowie ihre Konzentration auf den maßgeblichen Schuldverhältniszweck erhöht. Mit dieser Schilderung wird eine pauschale Erklärung der Rahmenpflichtenexistenz beabsichtigt; es ist möglich, ja sogar notwendig, diese allgemeinen Orientierungspunkte in Bezug auf engere Pflichtenkategorien wie die Schutzpflichten weiter zu konkretisieren.364 Bei der angesprochenen Zweckförderungsfunktion handelt es sich meistens um eine institutionelle Verbindung der Rahmenpflichten mit der Festlegung und Verfolgung eines besonderen Schuldverhältniszwecks; die Rahmenpflichten dienen unmittelbar nur zur abstrakten Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung. Insofern entstehen sie auch dann, wenn ein besonderer Schuldverhältniszweck nicht (mehr) existiert bzw. nicht existieren kann oder wegen einer ___________ 361 362 363 364

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. a). s. oben 5. Kapitel D. II. s. oben 5. Kapitel D. I. s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) aa).

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Fehlentwicklung sogar unmöglich geworden ist. Dadurch sind die Rahmenpflichten etwa nach Erfüllung aller Zentralpflichten bzw. nach einem nichtigen Vertragsschluss zu erklären. Darüber hinaus können nur abstrakte Rechtswertungen die Rahmenpflichtentstehung bestimmen; allein die Feststellung, dass eine bestimmte Verhaltensweise im konkreten Fall die Zusammenarbeitbereitschaft der Beteiligten erhöht oder nicht, kann die entsprechenden Rahmenpflichten weder bedingen noch ausschließen. Insoweit werden die einzelnen Glieder der Kette von der Rahmenpflichtenentstehung über die Effizienzsteigerung der Zusammenarbeit im Schuldverhältnis bis hin zur Festlegung bzw. Erreichung verbindlicher Schuldverhältniszwecke allein aufgrund abstraktinstitutioneller Überlegungen miteinander verbunden. Im Hinblick auf den institutionellen Charakter der Rahmenpflichten sollte man auch die Grenzen der maßgeblichen Sonderverhaltensordnung ziehen, wenn etwa die Frage zu beantworten gilt, wie sich bestimmte Nichtigkeitsgründe auf die Entstehung von Rahmenpflichten auswirken.365 Trotz des grundsätzlich institutionellen Rechtfertigungsschemas dürfen Rahmenpflichten in ihrer Eigenschaft als Sonderpflichten nur dann entstehen, wenn sie einen konkreten Bezug zur Festlegung bzw. Verfolgung eines besonderen Schuldverhältniszwecks aufweisen. Die Schwierigkeiten, denen man zur Begründung eines solchen Bezugs begegnen muss, wenn ein besonderer Schuldverhältniszweck nicht (mehr) existiert, sind mit Hilfe der Feststellung zu überwinden, dass die Beteiligten in den fraglichen Fällen im Hinblick auf die Festlegung bzw. Verfolgung eines (vielleicht gar nicht möglichen) besonderen Schuldverhältniszwecks eine konkrete Zusammenarbeitskonstellation tatsächlich eingegangen haben; geradezu auf diese und somit mittelbar auf den entsprechenden Schuldverhältniszweck beziehen sich die Rahmenpflichten.366 Die allgemeine Erklärung der Rahmenpflichten als Faktoren zur Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung durch die Verringerung des insgesamt notwendigen Zusammenarbeitsaufwands und die Schaffung eines vertrauensfördernden Klimas der Zusammenarbeit wird ferner in Bezug auf die Schutzpflichten konkretisiert, da gerade diese Pflichtenkategorie eine besondere praktische Bedeutung für die Anwendung des SSD hat. Allerdings sollte man die entsprechenden Ausführungen eher auf diejenigen Schutzpflichten beschränken, die den Schuldverhältnispartner vor Schädigungen schützen sollen, die unter einer normativ-wertenden Betrachtungsweise aus der eigenen Sphäre des Schutzpflichtschuldners stammen.367

___________ 365 366 367

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) bb) bis ee). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) ff). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) vor aa).

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

Die besondere materielle Rechtfertigung der Schutzpflichten ist darin zu sehen, dass sie die gegenseitigen Einwirkungsmöglichkeiten auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen Teils kompensieren, die notwendigerweise mit der effizienten Zusammenarbeit zur Festlegung und Verfolgung besonderer Schuldverhältniszwecke verbunden sind. Die Schuldverhältnisparteien sollen sich möglichst nicht um den eigenen Schutz vor Gefahren aus der Sphäre des jeweiligen Partners kümmern bzw. sollen sich darauf verlassen dürfen, dass ihr Partner die geeigneten Maßnahmen zur Gefahrabwehr treffen wird. Die Anerkennung der Schutzpflichten soll also die für den Erfolg des geschäftlichen Zusammenwirkens erforderlichen Rechtskreisöffnungen und somit das aufwandsgünstige bzw. vertrauensvolle Miteinander der Beteiligten begünstigen bzw. fördern. Dieses Erklärungsmodell wird auch von § 311 II Nr. 2 BGB bestätigt, da er die Schutzpflichtentstehung eindeutig mit der Gewährung von Einwirkungsmöglichkeiten – sei es in der besonderen Form der Anvertrauung eigener Belange – im Hinblick auf einen besonderen Schuldverhältniszweck verbindet. Dem in dieser Vorschrift verkörperten Rechtsgedanken ist unter diesem Blickwinkel eine allgemeine Bedeutung für die Schutzpflichtentstehung in allen möglichen Stadien der Schuldverhältnisbegründung und -abwicklung zuzusprechen.368 Den Gedanken der schutzwürdigen Rechtskreisöffnungen zur Förderung der schuldverhältnisbezogenen Zusammenarbeit der Parteien kann man hinsichtlich der Frage nach den Entstehungsvoraussetzungen der Schutzpflichten nutzbar machen. Zu den Letztgenannten gehören neben dem Faktum der bestehenden Einwirkungsmöglichkeiten auch der Wille zur Rechtskreisöffnung seitens des Schutzpflichtgläubigers, die Annahme der entgegengebrachten Rechtskreisöffnung seitens des Schutzpflichtschuldners und die Bezugnahme dieser willentlichen Momente auf einen besonderen Schuldverhältniszweck. Des willentlichen Moments bedarf es jedoch nicht, wenn die maßgebliche Rechtskreisöffnung vom konkreten Schuldverhältnis vorgesehen wird.369 Von den beiden Alternativen (Parteiwille und Inhalt des konkreten Schuldverhältnisses) gilt vor allem der ersten das besondere Interesse, nicht zuletzt deshalb, weil viele der Fälle, in denen die zweite Alternative in Betracht kommt, eine Begründung der Schutzpflichten auch mit der ersten erlauben. Klarzustellen ist in Bezug auf das willentliche Moment zunächst, dass es sich allein auf die zu leistende Zusammenarbeit und somit auf die gegenseitige Rechtskreisöffnung der Parteien, nicht hingegen auf die Entstehung der Schutzpflichten an sich bezieht. Es handelt sich also nicht um einen rechtsgeschäftlichen, sondern vielmehr um einen natürlichen Willen, der dem reinen Faktum der Einwirkungsmöglichkeiten den besonderen Charakter einer von der Gegen___________ 368 369

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) aa). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb).

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seite angenommenen Rechtskreisöffnung verleiht, die ihrerseits für eine effiziente Zusammenarbeit im Schuldverhältnis notwendig ist. Wie allgemein bei den Realakten können auch hier die Regeln über rechtsgeschäftliche Willenserklärungen weder direkt und grundsätzlich noch analog angewendet werden. Dies schließt jedoch nicht aus, einschlägige Rechtsgedanken aus der Rechtsgeschäftslehre auch in diesem Bereich nutzbar zu machen. In diesem Sinne ist unter Berücksichtigung der institutionellen Zweckförderungsfunktion der Schutzpflichten anzunehmen, dass nicht der wirklich vorhandene Wille an sich, sondern der sich auf der Grundlage allein objektivierter Maßstäbe ergebende reale Wille maßgeblich sein muss, es sei denn, dass der wirkliche Wille im konkreten Fall richtig erkannt worden ist. Angesichts der funktionellen Stellung der Schutzpflichten ist es vollkommen angemessen, keine besonders hohen Sorgfaltsanforderungen für die Ermittlung des wirklichen Willens aufzustellen.370 Vom Grundsatz, dass bei fehlender Erkenntnis der wahren Sachlage für die Schutzpflichtentstehung allein der objektive Anschein maßgeblich sein soll, sollte man allerdings aufgrund von Zumutbarkeitsüberlegungen eine Ausnahme für den Fall anerkennen, dass dieser Anschein der betroffenen Partei subjektiv nicht zugerechnet werden kann, etwa weil er ohne ihre Mitwirkung bzw. Duldung hervorgerufen wurde. Diese Ausnahme hat allerdings nur insoweit Sinn, als die Belastung des Betroffenen mit Schutzpflichten in Frage steht; für die Begründung der Stellung als Schutzpflichtgläubiger braucht man hingegen keine subjektiven Zurechnungsgründe.371 Insbesondere in Bezug auf den geschäftlichen Kontakt mit Geschäftsunfähigen bzw. mit beschränkt Geschäftsfähigen sind auch die Rechtsgedanken der Geschäftsfähigkeitsregelung zu berücksichtigen. Diese verbieten oft die Annahme von Schutzpflichten zulasten der betroffenen Personen auf der Grundlage ihres eigenen Willens. Eine Ausnahme ist bei Minderjährigen geboten, wenn sie geschäftliche Zusammenarbeitskonstellationen mit Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter eingehen (vgl. §§ 108, 111-113 BGB). Die Eigenschaft der nicht (voll) Geschäftsfähigen als Schutzpflichtgläubiger wird demgegenüber von den Wertungen der §§ 104 ff BGB grundsätzlich nicht berührt.372 Die Problematik der willentlichen Rechtskreisöffnung bzw. deren Annahme wird komplizierter, wenn der jeweils maßgebliche Wille durch Einmischung Dritter zu Tage tritt. Für die Zurechnung der Dritthandlung zur betroffenen Partei sollte man grundsätzlich die Erfüllung zweier Voraussetzungen verlangen. Zum einen muss das Verhalten des Dritten am Maßstab des objektivierten Empfängerhorizonts (Außenverhältnis) als Konkretisierung des wirklichen Parteiwil___________ 370 371 372

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (1). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (2). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (3).

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5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

lens angesehen werden können, weil der Dritte offenbar für Rechnung und mit dem Einverständnis der betroffenen Partei handelt. Der Umfang des dem Dritten eingeräumten Handlungsspielraums spielt dabei keine Rolle, sofern er freilich nicht offensichtlich überschritten wird. Auch eine entsprechende gesetzliche Macht kann die Wirkung von Dritthandlungen für die repräsentierte Partei stützen. Zum anderen müssen unabhängig vom objektiven Anschein genügende Zurechnungsgründe im Verhältnis zwischen dem Dritten und der repräsentierten Partei (Innenverhältnis) vorhanden sein, es sei denn, dass die Dritthandlung für diese Partei nur ihre Eigenschaft als Schutzpflichtgläubiger begründen soll. Hinreichende Zurechnungsgründe können im Willen bzw. im Verhalten der betroffenen Partei selbst oder in einer gesetzlichen Anordnung – vor allem in der Bestimmung eines gesetzlichen Vertreters – liegen. Diese Bedingungen entsprechen im Prinzip der Lage bei unvermittelter Rechtskreisöffnung bzw. Annahme einer entgegengebrachten Rechtskreisöffnung und lassen sich mit Grundgedanken der Regelung der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung vereinbaren.373 Die Verknüpfung der Zentralpflichten mit dem besonderen Schuldverhältniszweck und der Rahmenpflichten mit der allgemeinen Absicht zur Herbeiführung aufwandsgünstiger und vertrauensfördernder Bedingungen der Zusammenarbeit führt zuweilen zu Überschneidungen zwischen Zentral- und Rahmenpflichten. Diese Lage ist generell darauf zurückzuführen, dass die Verfolgung des besonderen Schuldverhältniszwecks häufig ebenfalls die Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils erforderlich macht.374 In diesem keineswegs unerheblichen Überschneidungsbereich wird das Schuldnerverhalten bzw. seine konkrete Zweckrichtung sowohl von den Zentral- als auch von den Rahmenpflichten erfasst, man sollte jedoch jeweils nur eine eigenständige Verpflichtung annehmen. Das primär geschuldete Schuldnerverhalten und das anzuwendende Regelungsgefüge sind aufgrund eines wertenden Vorgangs durch eine Kombination beider Gebiete zu bestimmen. Insbesondere das primär geschuldete Schuldnerverhalten muss im Grunde den Anforderungen beider Pflichtenkategorien genügen.375 Wegen der gleichzeitigen Existenz von Zentral- und Rahmenpflichten in einer Schuldbeziehung ist ihre Abgrenzung voneinander häufig ohne praktische Bedeutung. Eine solche ist etwa dann ersichtlich, wenn ein nichtiger Vertragsschluss vorliegt, da dabei die Zentralpflichten ausscheiden; die maßgebliche Abgrenzung ist dann auch für den Umfang einer eventuellen Schadensersatz-

___________ 373 374 375

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd). s. oben 5. Kapitel D. II. s. oben 5. Kapitel D. IV. 1.

D. Erneute Analyse

309

pflicht wichtig. Unter allen Rahmenpflichten interessiert hier vor allem die sachgemäße Umgrenzung der Schutzpflichten.376 In Bezug auf den Schutzpflichtgegenstand wird hier vertreten, dass nur diejenigen Gläubigerpositionen umfassend geschützt werden, die auch unabhängig von der konkreten Schuldbeziehung Bestand haben. Insofern können nur bereits bestehende Vermögenswerte den Gegenstand der Schutzpflichten ausmachen; dazu gehören auch Vermögenszuwachsaussichten, die den bestehenden Vermögenspositionen aufgrund einer wertenden Betrachtungsweise als innewohnend angesehen werden können. Darüber hinausgehende Verpflichtungen sind grundsätzlich nur als Zentralpflichten möglich. Diese Einschränkung des Schutzpflichtenumfangs basiert in ihrer Allgemeinheit auf der Annahme, dass die Verpflichtungen, die den jeweils besonderen Schuldverhältniszweck verkörpern (Zentralpflichten), häufig rechtlich anders behandelt werden müssen als jene, die als Rahmenbedingungen allein allgemeine Zwecke verfolgen (Rahmenpflichten). Sofern man die Unterschiede an der rechtlichen Behandlung aufrechterhalten will, so muss man bei funktionellen Vermischungen beider Pflichtenkategorien zurückhaltend sein. Eine Ausnahme ist dahingehend anzuerkennen, dass auch die Erwartung des Schutzpflichtgläubigers auf Zentralpflichtfestlegung und -erfüllung zum Schutzgegenstand werden kann, wenn besondere Umstände eine außerordentliche Verdichtung dieser Erwartung bedingen und sie somit zu einem quasi bestehenden Vermögenswert herausheben.377 Sind nun auch die Zentralpflichten auf die Erhaltung der bereits unabhängig von der konkreten Schuldbeziehung bestehenden Vermögenslage gerichtet, so kann eine Abgrenzung zu den Schutzpflichten möglicherweise mit Hilfe des Grundsatzes erfolgen, dass der Zentral- bzw. Schutzpflichtschuldner mit dem Minimum an Anforderungen belastet werden darf, welche die Erreichung der den Zentral- bzw. den Schutzpflichten zugrunde liegenden Zwecksetzung sicherstellen können. Die einschlägigen Unterschiede spiegeln sich bei der inhaltlichen Ausgestaltung der einzelnen Zentral- bzw. Schutzpflichten wider. Darüber hinaus kann die Heraussonderung derjenigen Gefahren zur gesuchten Abgrenzung beitragen, die der Sphäre des Schutzpflichtschuldners zugerechnet werden müssen. Dabei fragt es sich, ob die Rechtsordnung nur aufgrund eines gültigen Zentralpflichtverhältnisses zu den einschlägigen Handlungen verpflichtet; bejahendenfalls können solche Handlungen grundsätzlich nicht auf der Basis von Schutzpflichten gefordert werden, obwohl deren Nichtvornahme zur Schädigung der Gegenseite führt. Schließlich kann man hier auf die genauen Sorgfaltsanforderungen abstellen, die der Schuldner bei gleichgerichteten Zent-

___________ 376 377

s. oben 5. Kapitel D. IV. 2. vor a). s. oben 5. Kapitel D. IV. 2 a).

310

5. Kap.: Pflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen

ral- und Schutzpflichten jeweils beachten muss, weil die Zentralpflichten oft eine besondere inhaltliche Ausgestaltung erfahren haben.378

___________ 378

s. oben 5. Kapitel D. IV. 2 b).

6. Kapitel

Pflichtenbegründung gegenüber Dritten A. Grundschema einer Rechtsfortbildung Die umfassende rechtliche Begründung der Drittschutzwirkungen kann allein aufgrund einer entsprechenden Fortbildung des objektiven Rechts erfolgen. 1 Diese soll auf einer in wesentlichen Punkten gläubigerähnlichen Stellung des in Frage kommenden Dritten aufbauen: Kann man die gläubigergleiche Drittstellung überzeugend darlegen, so belegt man dadurch auch das Vorliegen eines Widerspruchs in der rechtlichen Ungleichbehandlung des Dritten und der eigentlichen Schuldverhältnisparteien. Dieser Widerspruch muss ferner auf der Grundlage des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes (s. Art. 3 I GG) mittels einer Rechtsfortbildung, d.h. durch die Einführung eines neuen, bisher nicht existierenden Rechtssatzes, aufgehoben werden. Die Feststellung des maßgeblichen Rechtswiderspruchs zeigt aber zugleich die Richtung, in der die Widerspruchsaufhebung erfolgen soll, und somit den Inhalt des neuen Rechtssatzes: Die Rechtsstellung des D muss derjenigen einer eigentlichen Schuldverhältnispartei angeglichen werden.2 Diese Angleichung soll grundsätzlich in zweierlei Hinsicht erfolgen:3 Zu Gunsten des D können zum einen primäre Rahmen- und insbesondere Schutzpflichten des S4 entstehen, deren Verletzung einen entsprechenden Schadenser___________ 1

s. oben 4. Kapitel C. I. s. oben 4. Kapitel C. II.; zu den allgemeinen Rechtsfortbildungsvoraussetzungen s. oben 3. Kapitel C. II. 3. 3 Auch im Schrifttum zum SSD zeichnet sich die Tendenz ab, die Drittschutzwirkung zweispurig zu erklären, nämlich auf der Basis einer – eigentlich nicht unbedingt klaren – Unterscheidung zwischen „Leistungs-“ und Schutzpflichten; eindeutig in diese Richtung etwa Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 (s. insbesondere § 21 I 2); Hirth, S. 40 ff; Philippsen, S. 76 ff; Martiny, JZ 1996, 22 ff; Karampatzos, S. 164 ff. Vgl. ferner etwa Medicus, Schuldrecht AT, Rn. 777 und 778. 4 Es ist allgemein anerkannt (s. bereits 1. Kapitel Fn. 4) und wird durch die Ermittlung der maßgeblichen Rechtsgründe belegt [s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) und c)], dass Rahmen- und Schutzpflichten grundsätzlich beide Schuldverhältnispartner gegenseitig treffen, unabhängig davon, wer der Zentralpflichtschuldner ist. Ähnliches muss grundsätzlich auch hinsichtlich drittgerichteter Rahmen- bzw. Schutzpflichten angenommen werden: Als Rahmen- bzw. Schutzpflichtschuldner kommen ebenfalls beide Schuldverhältnisparteien, gleichzeitig oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten, in Betracht; entscheidend ist nur, in wessen Person die maßgeblichen Voraussetzungen konkret vorlie2

312

6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

satzanspruch des D gegen S nach § 280 I BGB begründen soll (Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell).5 Sofern primäre Rahmen- bzw. Schutzpflichten unmittelbar zu Gunsten des D angenommen werden, so ist es grundsätzlich irrelevant, ob die pflichtverletzende Handlung des S gegenüber D auch eine Pflichtverletzung gegenüber G darstellt,6 was allerdings nicht nur vollkommen möglich ist, sondern auch durchaus dem Regelfall entsprechen dürfte. Zum anderen kann man in der Person des D einen direkten Schadensersatzanspruch gegen S für Primärpflichtverletzungen anerkennen, die nicht im Verhältnis zwischen D und S, sondern allein im Schuldverhältnis zwischen G und S stattfinden (Haftungsmodell).7 Natürlich können die entsprechenden Pflichten (Rücksichtnahmebzw. Schadensersatzpflichten) auch mittels vertraglicher Vereinbarung zwischen G und S zu Gunsten des D bedungen werden; hier interessiert jedoch nur die Frage, ob dieses Ergebnis objektivrechtlich geboten ist. In Bezug auf die terminologische Frage, ob bei beiden Modellen die Bezeichnung „Schuldverhältnis mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter“ zutrifft, sei hier nur auf den weiten möglichen Wortsinn des Begriffs hingewiesen: Drittschutz kann auf vielerlei Weise gewährt werden, also sowohl mit Rahmen- bzw. Schutz- als auch mit Schadensersatzpflichten. Wie jedoch bereits der Titel dieser Arbeit andeutet, soll hier nach einer überzeugenden Begründung des SSD nur insoweit gesucht werden, als es sich um die Erstreckung von primären Pflichten auf Dritte handelt (Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell); zur Erfüllung dieser Aufgabe sowie zur Behandlung der dabei auftretenden Probleme sollen die folgenden Ausführungen dienen. Eine darüber hinausgehende Erforschung der Bedingungen, unter denen gegenüber D ausschließlich Haftungspflichten des S entstehen sollen (Haftungsmodell), würde hingegen den Rahmen dieser Arbeit sprengen und wird deshalb nicht unternommen, obwohl sie m.E. nicht weniger aussichtsreich ist. Deswegen beschränkt sich auch die Analyse des einfachen, zweipoligen Schuldverhältnisses8 auf seinen primären Pflichteninhalt und lässt somit Fragen außer Acht, die mit der Entstehung von sekundären Schadensersatzpflichten zusammenhängen.

___________ gen. Die Rollen des Rahmen- bzw. Schutzpflichtschuldners (S) und dessen Schuldverhältnispartners (G) werden also nicht statisch, sondern dynamisch je nach den zu jedem bestimmten Zeitpunkt konkret vorliegenden Umständen verteilt. 5 s. dazu unten 6. Kapitel B. 6 s. aber etwa Schwarze, AcP 203 (2003), 360. 7 Zur Unterscheidung zwischen Haftungs- und Primärpflichtmodell s. bereits oben 2. Kapitel B. III. 8 s. oben 5. Kapitel D.

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

313

B. Ausdehnung von Rahmen- und insbesondere von Schutzpflichten auf Dritte (Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell) Die Untersuchung des Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodells soll die Frage klären, ob aus bzw. in Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis zwischen G und S Rahmen- bzw. Schutzpflichten des S zu Gunsten des D entstehen können. Dabei handelt es sich allein um die Problematik der Primärpflichtentstehung. Wird diese befriedigend gelöst, so kann man ferner im Grunde genommen ohne weiteres die Rechtssätze anwenden, die für Pflichten innerhalb bereits bestehender Schuldbeziehungen gelten (s. vor allem § 280 I BGB).9 Gemäß der Hypothese einer im Wesentlichen gläubigergleichen Drittstellung als Anknüpfungspunkt für die gläubigergleiche Drittberechtigung10 müssen die Rechtsgründe, die die Entstehung von Rahmen- bzw. Schutzpflichten des S gegenüber D begründen, die gleichen sein wie jene, die auch im Zweipersonenverhältnis die Eigenschaft einer Schuldverhältnispartei als Rahmen- bzw. Schutzpflichtgläubiger untermauern. Von diesem Standpunkt her kann man auch hinsichtlich der Rahmen- bzw. Schutzpflichtberechtigung Dritter von der grundsätzlichen Geltung aller Annahmen ausgehen, die für die Rahmen- bzw. Schutzpflichtentstehung ohne jede Drittbeteiligung einschlägig sind. Insofern genügt in diesem Zusammenhang, die bestehenden Parallelen in Grundzügen aufzuzeichnen und für Einzelheiten bzw. für besondere Probleme wie z.B. die Schutzpflichtentstehung gegenüber nicht (voll) geschäftsfähigen Personen auf die entsprechenden Ausführungen für die Rahmen- bzw. Schutzpflichten innerhalb einfacher Schuldbeziehungen hinzuweisen.11 Demnach werden hier zwar der Anschaulichkeit halber zuweilen auch Probleme angesprochen, die bereits im einfachen, zweipoligen Schuldverhältnis vorkommen und an den entsprechenden Stellen behandelt wurden, diese Wiederholung soll jedoch möglichst kurz gehalten werden. Der Schwerpunkt wird insofern vor allem auf jene Gesichtspunkte gelegt, die speziell im Hinblick auf die Drittstellung ein besonderes Interesse aufweisen. Die folgende Untersuchung betrifft zunächst insgesamt die Ausdehnung von Rahmenpflichten auf Dritte (Rahmenpflichtmodell). Allerdings werden diesbezüglich nur grundlegende, lediglich richtungweisende Überlegungen dargestellt. Im Mittelpunkt stehen hingegen die drittgerichteten Schutzpflichten (Schutzpflichtmodell). Da nun die Schutzpflichten eine besondere Kategorie von Rahmenpflichten ausmachen,12 gelten die allgemein zum Rahmenpflichtmodell dargestellten Überlegungen grundsätzlich unverändert auch für das Schutzpflicht___________ 9 10 11 12

s. auch unten 6. Kapitel B. III. s. oben 4. Kapitel C. II. s. insgesamt oben 5. Kapitel D. III. s. oben 5. Kapitel D. III. 1.

314

6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

modell. Die besonderen Ausführungen zu drittgerichteten Schutzpflichten stellen also lediglich eine Konkretisierung jener Annahmen dar, die deshalb nicht nochmals wiederholt werden müssen. Im Grunde wäre freilich der angesprochene Konkretisierungsvorgang nicht nur für die Schutzpflichten, sondern für alle weiteren Rahmenpflichtenkategorien sinnvoll,13 was sogar praktisch interessant sein könnte.14 Dennoch ist wegen der für die Drittschutzfälle weitaus größeren praktischen Relevanz der Schutzpflichten die Begrenzung der nachfolgenden Überlegungen auf das Schutzpflichtmodell angebracht.15

I. Überlegungen zur Begründung drittgerichteter Rahmenpflichten (Rahmenpflichtmodell) Entsprechend den Befunden aus der Untersuchung zur Rahmenpflichtentstehung im einfachen, zweipoligen Schuldverhältnis muss die Anerkennung von Rahmenpflichten zu Gunsten des D ebenfalls der institutionellen Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung dienen, indem sie insgesamt aufwandsgünstige und vertrauensfördernde Bedingungen der Zusammenarbeit schafft. Dadurch sollen die Rahmenpflichten die Zusammenarbeitsbereitschaft der Beteiligten erhöhen und so zugleich die Entstehung und Erfüllung von Zentralpflichten sowie die Abwicklung der damit zusammenhängenden Angelegenheiten fördern.16 Die für den Drittschutz im Sinne des Rahmenpflichtmodells entscheidende Frage lautet somit, ob und unter welchen Bedingungen die Anerkennung von Rahmenpflichten zu Gunsten des D in bestimmten Konstellationen zur institutionellen Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung auf wesentlich ähnliche Weise beiträgt wie die Rahmenpflichtberechtigung der eigentlichen Schuldverhältnisparteien selbst. Ist ein solcher Beitrag tatsächlich festzustellen, so kann man im Fehlen eines Rechtssatzes für die gläubigergleiche Rahmenpflichtberechtigung des D einen Rechtswiderspruch sehen, der mit der rechtsfortbildenden Anerkennung der entsprechenden Rahmenpflichten aufgehoben werden soll.17 Wie im Zweipersonenverhältnis ist die Einschlägigkeit der den Rahmenpflichten zugrunde liegenden Zwecksetzung auch in dreipoliger Hinsicht allge___________ 13 14

Vgl. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) aa). s. etwa die Konstellation oben 2. Kapitel bei Fn. 52 – s. dazu auch 5. Kapitel Fn.

197. 15 Dies entspricht auch der Vorgehensweise innerhalb des einfachen, zweipoligen Schuldverhältnisses, s. insbesondere oben 5. Kapitel D. III. 3. c) vor aa). 16 s. eingehend oben 5. Kapitel D. III. 3. b). 17 s. oben 4. Kapitel C. II.

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

315

mein dann festzustellen, wenn D in einer Zusammenarbeitskonstellation beteiligt ist, die sich konkret auf die Begründung und Verfolgung eines besonderen Schuldverhältniszwecks bezieht. Ein solcher Zweck ist in den Zentralpflichten im Verhältnis zwischen G und S verkörpert. Entscheidend für den Drittschutz ist also, dass D an der Erledigung der Angelegenheiten, die mit dem Zentralpflichtverhältnis zwischen G und S zusammenhängen, mitwirkt (freiwillige Mitwirkung) bzw. gemäß den Bestimmungen der konkreten Schuldbeziehung (zwischen G und S) mitwirken soll (obligatorische Mitwirkung). Die Anerkennung von Rahmenpflichten soll gerade diese Mitwirkung des D begünstigen, dadurch seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit erhöhen und somit die Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung zwischen G und S insgesamt fördern. Geradezu darin, dass D hinsichtlich eines besonderen Schuldverhältniszwecks mitwirkt, ist auch die für die maßgebliche Rechtsfortbildung erforderliche Ähnlichkeit der Drittstellung mit der Position einer eigentlichen Schuldverhältnispartei zu finden. Demgegenüber braucht man keine, nicht einmal abstrakte Ähnlichkeit der Tätigkeit des D mit der Tätigkeit eigentlicher Schuldverhältnisparteien. Diese Annahme ist erforderlich, weil die mitwirkende Beteiligung Dritter geradezu wegen der fehlenden Eigenschaft als formelle Obligationsparteien häufig Formen annehmen muss, die bei eigentlichen Parteien nicht in Frage kommen. So handelt etwa der unmittelbare Stellvertreter zwar im fremden Namen (s. § 164 I BGB) und wirkt somit bei der Entstehung der Vertragsbeziehung zwischen dem Vertretenen und seinem Vertragspartner unmittelbar mit. Trotzdem geht es hier um eine Tätigkeit (Vertragsschluss im fremden Namen), die man von eigentlichen Schuldverhältnisparteien nie erwarten könnte.18 Die hier gezogene Parallele zu den Rahmenpflichten im zweipoligen Schuldverhältnis ist auch hinsichtlich der funktionellen Stellung der drittgerichteten Rahmenpflichten gegenüber der Schuldbeziehung zwischen G und S aufschlussreich. Die Rahmenpflichten zu Gunsten des D stellen, genauso wie die gegenseitigen Rahmenpflichten zwischen den eigentlichen Schuldverhältnisparteien (G und S), insgesamt lediglich günstige (aufwandsgünstige und vertrauensfördernde) Rahmenbedingungen dar, die die Begründung und Verfolgung des besonderen Schuldverhältniszwecks zwischen G und S fördern sollen; demgegenüber gehören sie selbst nicht zu diesem Zweck.19 Dadurch kommt auch zum Ausdruck, dass die Anerkennung von Rahmenpflichten zu Gunsten des D aufgrund des Rahmenpflichtmodells ebenfalls mit einem Zentralpflichtverhältnis zusammenhängt, dessen Entstehung und Ab___________ 18

Zur Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des Vertreters s. unten 6. Kapitel B.

II. 1. 19

Insofern ist ihre Bezeichnung als „Rahmen- bzw. Schutzpflichten“ vollkommen gerechtfertigt. Zur Unterscheidung zwischen Zentral- und Rahmenpflichten im zweipoligen Schuldverhältnis s. oben 5. Kapitel D. I. 1.

316

6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

wicklung sie begünstigen sollen. Der entscheidende Unterschied zu den Rahmenpflichten im zweipoligen Schuldverhältnis liegt darin, dass dieses Zentralpflichtverhältnis beim SSD nicht zu D selbst, sondern zwischen fremden Personen (G und S) besteht. Gerade wegen dieses Zusammenhangs der drittgerichteten Rahmenpflichten mit der Schuldbeziehung von G und S kann man beim Rahmenpflichtmodell tatsächlich von einer Durchbrechung des Zweipoligkeitsprinzips bzw. von einer Erweiterung der Relativitätsgrenzen und somit von der Drittschutzwirkung eines Schuldverhältnisses sprechen:20 Die Rahmenpflichten des S gegenüber D entstehen nur deswegen, weil zwischen G und S ein verbindlicher, in den entsprechenden Zentralpflichten verkörperter besonderer Schuldverhältniszweck vorhanden ist, an dessen Verfolgung die Mitwirkung des D anknüpft.21 Insofern wird auch der notwendige normative Bezug der Rahmenpflichtentstehung zu einem gegenwärtigen oder künftigen Schuldverhältnis (hier zwischen G und S) hergestellt.22 Weist hingegen der Kontakt zwischen D und S keine erkennbare Verbindung mit der Entstehung und Abwicklung des Zentralpflichtverhältnisses zwischen G und S auf, etwa weil D den S nicht im Hinblick auf die fremde Schuldbeziehung, sondern mit der Absicht kontaktiert, eine eigene Vertragsbeziehung mit ihm einzugehen, so entstehen zwar möglicherweise Rahmen- und insbesondere Schutzpflichten des S gegenüber D und umgekehrt nach den allgemeinen Regeln,23 diese entbehren jedoch des normativen Bezugs zur Schuldbeziehung zwischen G und S, so dass man hierbei nicht mehr von einem SSD sprechen kann. Natürlich liegt nicht nur im zweipoligen Schuldverhältnis, sondern auch im Verhältnis zu Dritten (D) der Anerkennung von Rahmenpflichten eine institutionelle Funktionserfüllung zugrunde: Für die Rahmenpflichtentstehung zu Gunsten des D ist es allgemein unerheblich, ob die fremde Zentralpflichtbeziehung, an deren Entstehung bzw. vollständige Abwicklung die zu fördernde Mitwirkung des D überhaupt anknüpft, schließlich nicht zustande kommt bzw. nicht zustande kommen kann oder in Wahrheit gar nicht existiert (hat).24 Deswegen können Rahmenpflichten zu Gunsten des D etwa auch im Stadium der Vertragsverhandlungen oder nach einem nichtigen Vertragsschluss zwischen G und S entstehen.25 Eine solche Lage wäre nur dann problematisch, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht nicht auf die zumindest abstrakte Möglichkeit,

___________ 20 21 22 23 24 25

s. oben 4. Kapitel A. s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) cc). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. a), b) aa) und ff). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) und c). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) dd). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) ee).

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

317

sondern auf die tatsächliche Existenz einer Zentralpflichtbeziehung zwischen G und S abstellen würde.26 Allerdings ist auch in dreipoliger Hinsicht das Vorliegen einer konkreten Zusammenarbeitskonstellation, innerhalb deren D im Hinblick auf die Entstehung und Abwicklung des Schuldverhältnisses zwischen G und S mitwirkt, Voraussetzung und zugleich Grenze seiner Rahmenpflichtberechtigung. Nicht erforderlich ist hingegen der Nachweis eines konkreten Beitrags der fraglichen Rahmenpflichten zur Förderung bzw. zur Effizienzsteigerung der schuldverhältnisbezogenen Zusammenarbeit oder zur Entstehung und Abwicklung von Zentralpflichten zwischen G und S.27 Die Mitwirkung des D kann vielmehr die Behandlung aller Angelegenheiten betreffen, die mit der eventuellen, zumindest abstrakt möglichen Zentralpflichtentstehung und -erfüllung überhaupt zusammenhängen. Auch auf die Intensität der Drittbeteiligung kommt es im Hinblick auf den institutionellen Charakter der Rahmenpflichten nicht an. Geschützt wird vielmehr jede Mitwirkung des D, sofern sie zumindest abstrakt geeignet ist, die Schuldverhältnisentstehung bzw. vollständige Schuldverhältnisabwicklung zwischen G und S überhaupt voranzutreiben. Außer Acht muss hingegen nur eine Beteiligung des D bleiben, die erkennbar vollkommen ungeeignet ist, die Entstehung bzw. Abwicklung des fremden Schuldverhältnisses zu fördern, weil sie dadurch in aller Regel den Bezug zur fremden Schuldbeziehung völlig verliert.28 Hinsichtlich der Rolle der schuldverhältnisbezogenen Mitwirkung des D für das SSD beim Rahmenpflichtmodell muss hier betont werden, dass die Absicht ihrer institutionellen Förderung nicht nur den Rechtsgrund darstellt, aus dem Dritte zu Rahmen- bzw. Schutzpflichtgläubigern werden. Vielmehr ist mit Hilfe dieses Begriffs neben der Klärung der Frage, ob bzw. wann Rahmenpflichten entstehen, auch die Bestimmung bzw. Umgrenzung der geschützten Personenkreises vorzunehmen, und somit das zentrale Problem der Rechtsfigur des SSD29 zu lösen. Denn die personellen Grenzen der Rahmenpflichten stehen bei Dritten nicht bereits durch die Verbindung zwischen Rahmenpflichtgläubiger und -schuldner auf der Grundlage eines (etwaigen, zumindest abstrakt möglichen) besonderen Schuldverhältniszwecks fest, wie bei rein zweipoligen Beziehungen, sondern müssen jedes Mal neu gezogen werden. Insofern ist es nicht ___________ 26

s. auch unten 6. Kapitel B. II. 1. s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) ff). 28 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) cc). Dabei ist die Frage nach den Maßstäben von großer Bedeutung, anhand deren die maßgebliche Geeignetheit ermittelt werden soll. Grundsätzlich kommt es auf die objektivierte Sichtweise der Beteiligten an, s. unten 6. Kapitel B. II. 2. a) und 6. Kapitel B. II. 2. d) aa) in Bezug auf drittgerichtete Schutzpflichten. Zu dieser Problematik in Zusammenhang mit Schutzpflichten im Zweipersonenverhältnis s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (1). 29 s. die Nachweise in 1. Kapitel Fn. 25. 27

318

6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

übertrieben, die schuldverhältnisbezogene Mitwirkung Dritter als den Grundpfeiler der Drittschutzwirkungen beim Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell zu bezeichnen.

II. Begründung drittgerichteter Schutzpflichten (Schutzpflichtmodell) 1. Allgemeine Ausgangspunkte Für die Konkretisierung der vorangegangenen, allgemein auf die Ausdehnung von Rahmenpflichten bezogenen Ausführungen in Bezug auf die praktisch eher relevante Gruppe der Schutzpflichten (Schutzpflichtmodell) sind die Ergebnisse maßgeblich, die für das einfache, zweipolige Schuldverhältnis herausgearbeitet wurden.30 Die institutionelle Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung durch die Herstellung günstiger (aufwandsgünstiger und vertrauensfördernder) Rahmenbedingungen erfolgt bei den Schutzpflichten dadurch, dass sie den mit der schuldverhältnisbezogenen Zusammenarbeit verbundenen Einwirkungs- bzw. Schädigungsmöglichkeiten auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Seite entgegenwirken und somit die Mitwirkungsbereitschaft der geschützten Personen erhöhen.31 Dies gilt unmittelbar auch für drittgerichtete Schutzpflichten: Durch seine Mitwirkung am Vorgang zur Schuldverhältnisbegründung bzw. -abwicklung eröffnet D, wie auch eigentliche Schuldverhältnisparteien (hier G und S) selbst, notwendigerweise Einwirkungsmöglichkeiten auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen. Die Förderung der schuldverhältnisbezogenen Mitwirkung des D durch die Anerkennung der entsprechenden Schutzpflichten zu seinen Gunsten und somit durch die Milderung der mit seiner Beteiligung verbundenen Gefahren bzw. der Folgen ihrer Verwirklichung dient institutionell zugleich der Entstehung, Erfüllung und Abwicklung von Zentralpflichten im Verhältnis zwischen G und S. Sie ist demnach aus den gleichen Rechtsgründen erforderlich wie die Förderung der Mitwirkung der Schuldverhältnisparteien selbst. Gemäß den Untersuchungsergebnissen zum Zweipersonenverhältnis braucht man für die Entstehung drittgerichteter Schutzpflichten zunächst Einwirkungsmöglichkeiten des S auf die betroffenen Positionen des D. Allerdings genügt ___________ 30

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) aa). Eingehend zu den verschiedenen Funktionen der Schutzpflichten in dreipoligen Beziehungen s. Krebs, Sonderverbindung, S. 284 ff (insbesondere S. 297 ff). Krebs legt zwar einen erweiterten Schutzpflichtenbegriff zugrunde, der hier abgelehnt wird [s. dazu oben 5. Kapitel D. III. 1. sowie 5. Kapitel D. IV. 2. a) und b)]; trotzdem sind seine Ausführungen auch in diesem Zusammenhang als konkretisierende Gesichtspunkte aufschlussreich. 31

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

319

das bloße Faktum solcher Möglichkeiten nicht; erforderlich sind vielmehr die Rechtskreisöffnung (willentliche Eröffnung von Einwirkungsmöglichkeiten) seitens des D und deren Annahme durch S, wobei es beide Male auf den natürlichen Willen der Beteiligten ankommt. Die maßgebliche Rechtskreisöffnung als willentliche Handlung des D und deren Annahme durch S müssen außerdem eine konkrete Verbindung mit dem Schuldverhältnis von G und S aufweisen: Sie müssen sich beide auf die Entstehung bzw. vollständige Abwicklung des Schuldverhältnisses zwischen G und S beziehen;32 einen wirklichen Beitrag des mitwirkenden D für die Entstehung bzw. Abwicklung der fremden Schuldbeziehung braucht man angesichts der institutionellen Rechtfertigung der Schutzpflichten nicht.33 Das Vorliegen dieser Voraussetzungen (willentliche Rechtskreisöffnung und deren Annahme, Bezugnahme beider Momente auf das Schuldverhältnis zwischen G und S) ist grundsätzlich allein aufgrund objektiver Kriterien zu ermitteln: Entscheidend ist allein die objektivierte Sichtweise desjenigen, der als Willensempfänger in Frage kommt (S in Bezug auf die Rechtskreisöffnung des D bzw. D in Bezug auf die Annahme seiner Rechtskreisöffnung durch S), es sei denn, dass ein übereinstimmender realer Wille von S und D existiert. Die Zugrundelegung objektiver Maßstäbe gilt jedoch hinsichtlich des Willens des S zur Annahme der Rechtskreisöffnung des D nur insoweit, als dem S der objektive Willenstatbestand subjektiv zugerechnet und somit die Eigenschaft als Schutzpflichtschuldner zugemutet werden kann. Demgegenüber genügt es, wenn sich ein Wille des D zur Rechtskreisöffnung anhand der objektiven Lage unabhängig von der subjektiven Zurechenbarkeit feststellen lässt. Denn hierbei geht es allein um die Begründung der Schutzpflichtberechtigung des (möglicherweise nur vermeintlichen) Willensträgers.34 Diese Anforderungen gelten im Grunde genommen auch dann, wenn der erforderliche Wille der eigentlichen Beteiligten (D bzw. S) erst durch die Einmischung anderer, freilich dazu offenbar befugter Personen konkretisiert bzw. vermittelt wird.35 Als konkretes Beispiel eines SSD im Sinne des Schutzpflichtmodells könnte man bereits an dieser Stelle die Konstellation erwähnen, dass D als Vertreter des G einen Vertrag mit S schließt: D wirkt durch die Vertretung des G am Vertragsschluss und insofern an der Entstehung von Zentralpflichten zwischen G und S mit und eröffnet dabei dem S notwendigerweise Einwirkungsmöglichkeiten auf seinen Rechtskreis (etwa auf seinen Körper). Deshalb muss man zu ___________ 32

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb) (3). s. oben 6. Kapitel B. I. für alle drittgerichteten Rahmenpflichten. 34 Zur Problembehandlung im einfachen Schuldverhältnis s. ausführlich oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc). 35 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd). 33

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Gunsten des D Schutzpflichten des S anerkennen,36 um der entsprechenden Gefahrenverwirklichung entgegenzuwirken bzw. ihre belastenden Folgen zu mildern, dadurch die Mitwirkung des D zu ermutigen und zugleich die beabsichtigte Entstehung der Vertragsbeziehung zwischen G und S zu fördern. Dabei ist die Lage kaum anders, als wenn sich G selbst am Vertragsschluss beteiligen würde: Dem S wird in beiden Varianten die Pflicht auferlegt, die Positionen (etwa körperliche Unversehrtheit) der Person (G oder D) nicht zu schädigen, die mit ihm im Hinblick auf die Entstehung einer Vertragsbeziehung in Kontakt kommt, damit diese Vertragsbeziehung möglichst aufwandsgünstig und von unnötigen Sorgen befreit zustande kommen kann. In diesem Beispiel kommen auch die materiellen Grundlagen der Gleichbehandlung von G und D hinsichtlich der Schutzpflichten der anderen Seite (S) deutlich zum Ausdruck: Sofern sich die eigentlichen (künftigen) Vertragsparteien (G und S) für einen Vertragsschluss durch einen Vertreter entscheiden bzw. darauf einlassen, wirkt eine Schädigung oder, richtiger formuliert, die Möglichkeit einer Schädigung des am Vertragsschluss beteiligten Vertreters (D) in gleicher Weise hindernd für die reibungslose Entstehung der Vertragsbeziehung zwischen G und S wie in dem Fall, dass G selbst den Vertrag mit S schließen wollte. Dementsprechend soll auch die Kompensation der von D eröffneten Einwirkungsmöglichkeiten mit Schutzpflichten in gleicher Weise die Entstehung der Vertragsbeziehung fördern wie die entsprechende Begünstigung des G selbst, falls dieser den Vertrag persönlich schließen würde. Wie auch beim einfachen Schuldverhältnis werden mit den soeben aufgestellten Regeln nicht nur die Grundvoraussetzungen für die Entstehung, sondern zugleich Umfang und Grenzen der Schutzpflichten des S zu Gunsten des D festgelegt: Diese entstehen nur, dann jedoch immer im ganzen Umfang, in dem die einschlägigen Bedingungen erfüllt werden. Auch drittgerichtete Schutzpflichten sind also nur insoweit zulässig, dafür jedoch insoweit lückenlos geboten, als sie Schädigungen verhindern sollen, die mit der von S als solche angenommenen schuldverhältnisbezogenen Rechtskreisöffnung des D zusammenhängen.37 ___________ 36 Mit dem gleichen Ergebnis – allerdings auf der Grundlage gesteigerten sozialen Kontakts – auch Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 29 II 3: Geschützt seien Bote, Stellvertreter, Berater oder sonstige Begleiter. 37 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb). Insofern ist es durchaus konsequent, die Drittschutzwirkung in Bezug auf bestimmte Schäden zu bejahen und in Bezug auf andere zu verneinen, je nachdem, ob und wie weit eine schuldverhältnisbezogene Rechtskreisöffnung des D vorliegt, die als solche auch von S angenommen wird. Deswegen ist z.B. in der Fallkonstellation 14 – „Vermögensschäden wegen kundenschädigender Äußerungen“ (s. oben 2. Kapitel A. II. 5.) entgegen der Ansicht von BGH v. 24.1.2006, ZIP 2006, 317 (320 und 322 f) die Frage nicht unerheblich, ob D1 und D2 dadurch geschädigt werden, dass S die ihr anvertrauten und allgemein nicht bekannten wirtschaftlichen Verhältnisse von D1 und D2 preisgibt (Verletzung des Bankgeheimnisses), oder dass S

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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Dabei muss man allerdings mit den gleichen Argumenten wie in zweipoliger Hinsicht die Einschränkung vornehmen, dass nicht undifferenziert alle Positionen des D von den Schutzpflichten des S erfasst werden können, sondern nur solche, die bereits unabhängig von der Schuldbeziehung zwischen G und S Bestand haben.38 In diesem Sinne dürfen dem Rechtsanwalt (S), der vom Erblasser (G) mit der Errichtung eines Testaments beauftragt wird,39 grundsätzlich keine Schutzpflichten zu Gunsten des Begünstigten (D) im Hinblick auf die Erlangung der Erbenstellung auferlegt werden, weil die Verwirklichung dieser Aussicht untrennbar mit der Erfüllung der Zentralpflichten im Verhältnis zwischen G und S zusammenhängt. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände kann auch die Erwartung des D auf Zentralpflichterfüllung im Rahmen der fremden Schuldbeziehung den Gegenstand einer Schutzpflicht des S ausmachen. Ein solches Ergebnis ist jedoch in dreipoliger Hinsicht noch seltener zu rechtfertigen als im Verhältnis zwischen Zentralpflichtgläubiger und -schuldner selbst. Denn Dritte können über kein Recht auf Erfüllung der Zentralpflichten verfügen, das die rechtliche Relevanz bzw. Schutzbedürftigkeit ihrer diesbezüglichen Erwartungen entscheidend belegen und ein wichtiges Argument für die Zumutbarkeit der entsprechenden Schuldnerbelastung liefern könnte. Demgegenüber braucht man für die Drittschutzwirkung des Schuldverhältnisses zwischen G und S nach dem Schutzpflichtmodell einen (realen, geschweige denn rechtsgeschäftlichen) Willen des G überhaupt nicht.40 Dabei ist vor allem das Argument entscheidend, dass die Drittschutzwirkung beim Schutzpflichtmodell allein eine Angelegenheit zwischen S und D ist: G soll von der in Frage kommenden Schutzpflichtentstehung weder berechtigt, verpflichtet oder auf eine andere rechtlich relevante Weise berührt werden. Der entgegengesetzte Ausgangspunkt würde ferner der Feststellung widersprechen, dass die Mitwirkung des D häufig unabhängig von einem etwaigen Willen des G geeignet sein kann, die Schuldverhältnisentstehung und -abwicklung zwischen G und ___________ die Kreditwürdigkeit von D1 und D2 durch – natürlich wahre – Tatsachenbehauptungen oder durch Werturteile bzw. Meinungsäußerungen gefährdet, die keine Verletzung des Bankgeheimnisses darstellen. Denn insoweit liegt keine Rechtskreisöffnung von D1 und D2 gegenüber S vor, die S zu einer besonderen Rücksichtnahme auf ihre Interessen verpflichten würde. Eine entsprechende Loyalitätspflicht der S wird nur im Darlehensvertrag mit G begründet und soll tatsächlich nur den Interessen des G selbst, des unmittelbaren Vertragspartners der S dienen (s. auch Canaris, ZIP 2004, 1785 f). 38 Allgemein zu dieser Einschränkung des Schutzpflichtengegenstandes s. oben 5. Kapitel D. IV. 2. a). 39 Vgl. die Lage bei der Fallkonstellation 23 – „Testamentsfälle“ (s. oben 2. Kapitel A. III. 4.). 40 Dieser dürfte zwar in den durchaus meisten Fällen tatsächlich vorliegen. In dem Beispielsfall etwa, in dem D gegenüber S als Vertreter des G auftritt, erfolgt dies mit dem zustimmenden Willen des G oder zumindest mit dem Anschein eines solchen Willens. Dies ist jedoch nicht denknotwendig (Stichwort: Vertreter ohne Vertretungsmacht).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

S voranzutreiben. Dies gilt etwa in dem Fall, dass D eine Geldschuld des G gegenüber S tilgen will (s. § 362 I BGB), indem D selbst an S leistet; die Einwilligung des G ist für das beabsichtigte Ergebnis grundsätzlich nicht erforderlich (s. § 267 I S. 2 BGB). In diesem Zusammenhang sollte man auch auf die in zahlreichen Rechtszusammenhängen bestehende Möglichkeit des G hinweisen, sich das Verhalten des D für und gegen sich durch eine nachträgliche Genehmigung zurechnen zu lassen:41 Denn dadurch kann einer ursprünglich für die wirkliche Schuldverhältnisentstehung und -abwicklung irrelevanten Beteiligung des D erst nachträglich der Charakter einer erheblichen und somit schutzwürdigen Mitwirkung zugeschrieben werden. Dies gilt etwa für den Fall, dass D im Namen des G trotz erkennbar fehlender Vertretungsmacht einen Vertrag mit S schließen will (vgl. § 177 I BGB). Dennoch kommt es schließlich nicht entscheidend darauf an, ob die Teilnahme des D am Geschehen die Entwicklung der Schuldbeziehung zwischen G und S wirklich fördern kann. Angesichts des Erfordernisses nach Rechtssicherheit über die Rahmen- bzw. Schutzpflichtentstehung als Faktor für ihre erfolgreiche Aufgabenerfüllung (Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung) ist allein maßgeblich, ob die von S angenommene Rechtskreisöffnung des D im Hinblick auf die Schuldbeziehung von G und S tatsächlich erfolgt. Die Frage, ob und inwiefern die Zusammenarbeit von S und D wirklich in der Lage ist, die Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung zwischen G und S voranzutreiben, kann demnach lediglich als ein Indiz für die Bezugnahme der maßgeblichen Rechtskreisöffnung auf die fremde Schuldbeziehung gedeutet werden.42 Insofern kann auch der objektive Anschein über das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines (realen) Willens des G für die Drittbeteiligung von Bedeutung sein, da er die weitgehend objektivierte Ermittlung der erforderlichen Willenstatbestände bei D und S beeinflussen kann. Allerdings darf die Beurteilung der Lage hinsichtlich der fraglichen Willenstatbestände erst bei Berücksichtigung aller einschlägigen Umstände des konkret vorliegenden Falls erfolgen. Wenn sich etwa ohne Zweifel ergibt, dass D und S – etwa aufgrund einer falschen Rechtsvorstellung – gerade im Hinblick auf die Schuldbeziehung von G und S tatsächlich zusammenarbeiten, so steht der interessierenden Drittschutzwirkung nichts mehr entgegen.43 Schließt man den Willen des G von den entscheidenden Drittschutzbedingungen aus, so wird es sogar möglich, die Rechtsfigur des SSD beim Schutzpflichtmodell auch in Bezug auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die zum Zeitpunkt der Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des D weder mit Zentral- noch mit Rahmenpflichten oder mit einem sonstigen Inhalt entstanden sind. Diese ___________ 41 42 43

s. beispielsweise § 362 II i.V.m. § 185 II BGB. s. auch unten 6. Kapitel B. II. 2. d) aa). Vgl. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (3).

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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Einsicht erlaubt am deutlichsten der bereits erwähnte Beispielsfall des Vertreters ohne Vertretungsmacht: Solange die von D im Namen des G geführten Vertragsverhandlungen mit S von einem etwaigen Willen des G nicht abgedeckt werden, können sie natürlich weder ein Zentralpflichtverhältnis noch eine Schuldbeziehung zwischen G und S nach § 311 II BGB begründen. Man sollte sogar noch weitergehen und anerkennen, dass Schutzpflichten zu Gunsten des D im Hinblick auf eine Schuldbeziehung (zwischen G und S) entstehen können, die niemals existiert hat und auch niemals zustande kommt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der von D trotz fehlender Vertretungsmacht „vertretene“ G seine Genehmigung für den geschlossenen Vertrag gemäß § 177 I BGB schließlich verweigert. Dabei handelt es sich zwar sicherlich um eine seltene, keineswegs jedoch irreguläre Konstellation. Ihre Besonderheit liegt nicht darin, dass (drittgerichtete) Schutzpflichten ohne gültige Zentralpflichten entstehen; diese Lage ist vielmehr etwa im rein zweipoligen Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen nach § 311 II BGB notwendigerweise vorgegeben, da in diesem Stadium noch kein Vertrag geschlossen ist, der Zentralpflichten begründen könnte. Die möglicherweise störend wirkende Eigentümlichkeit liegt hingegen darin, dass Schutzpflichten gegenüber D bereits in einer Phase entstehen, in der überhaupt keine Pflichten – nicht einmal Rahmenpflichten – zwischen G und S bestehen, so dass man bis zu diesem Zeitpunkt aus keinem Gesichtspunkt her von einer Schuldbeziehung sprechen könnte, die Schutzwirkungen entfalten könnte. Bei einer Genehmigungsverweigerung seitens des ohne Vertretungsmacht vertretenen G steht sogar fest, dass diese Schuldbeziehung auch nie entstehen wird.44 Diese Betrachtungsweise ist jedoch insoweit irreführend, als sie irrtümlich die Existenz besonderer Rechtsprobleme in den betreffenden Konstellationen indiziert. Im Gegenteil hängt die Entstehung von Rahmenpflichten sowohl in zweipoliger als auch in mehrpoliger Hinsicht nicht von der Existenz einer Schuldbeziehung überhaupt ab. Es wäre geradezu tautologisch anzunehmen, die Rahmenpflichten sollten dann entstehen, wenn es zwischen den Parteien (eine Schuldbeziehung nur mit) Rahmenpflichten gibt.45 Die Schutzpflichten – sei es in zwei- oder in dreipoliger Hinsicht – drehen sich vielmehr immer um die zumindest abstrakte Möglichkeit der Entstehung bzw. des Vorliegens eines Zentralpflichtverhältnisses. Dieses Zentralpflichtverhältnis kann zwischen Rahmenpflichtschuldner und -gläubiger selbst (einfaches Schuldverhältnis) bzw. zwischen dem Rahmenpflichtschuldner (S) und einer anderen Person (G) bei drittgerichteten Rahmenpflichten bestehen. Die Rahmenpflichten zu Gunsten des Zentralpflichtgläubigers bzw. -schuldners (zwischen G und S selbst) sowie die ___________ 44 In diesem Zusammenhang interessiert die Rechtsbeziehung freilich nicht, die möglicherweise zwischen D und S aufgrund § 179 BGB entsteht. 45 s. auch oben 5. Kapitel D. III. 3. b) cc).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Rahmenpflichten zu Gunsten eines Dritten (D) hängen zwar beide von derselben, zumindest abstrakt möglichen Zentralpflichtbeziehung (zwischen G und S), keineswegs hingegen von einander ab. Die konkrete Ausgestaltung der Rechtslage, d.h. die Frage, ob nur zwischen G und S, sowohl zwischen G und S als auch zwischen S und D oder schließlich nur zwischen S und D Rahmen- bzw. Schutzpflichten entstehen, wird folglich nicht von einer normativen Notwendigkeit bedingt, sondern ist lediglich „zufällig“: Es hängt mit den Umständen des konkret vorliegenden Falls zusammen, welche der in Frage kommenden Varianten jeweils relevant ist.46 Dementsprechend ist hier nochmals zu betonen, dass der immer wieder undifferenziert als erforderlich postulierte Bezugnahme der Rahmenpflichten zwischen G und S bzw. zwischen S und D auf die Schuldbeziehung zwischen G und S eigentlich allein das Zentralpflichtverhältnis zwischen den letztgenannten Personen betrifft.47 Angesichts dessen ist die Besonderheit, dass drittgerichtete Rahmen- bzw. Schutzpflichten im Hinblick auf ein Zentralpflichtverhältnis (zwischen G und S) entstehen können, das niemals existiert, keineswegs problematischer als die Existenz von Rahmenpflichten, die bei den Vertragsverhandlungen unmittelbar zwischen denjenigen bestehen, die als künftige Vertragsparteien in Betracht kommen (s. § 311 II BGB). Denn auch diese Rahmenpflichten beziehen sich auf ein Zentralpflichtverhältnis, das noch nie existiert hat und möglicherweise nie existieren wird, wenn am Ende kein (gültiger) Vertrag geschlossen wird. Der einzige Unterschied der Drittschutzwirkungen beim Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell liegt allein darin, dass die fraglichen Rahmenpflichten nicht zwischen den gleichen Parteien bestehen sollen wie die etwaigen Zentralpflichten. Deshalb ist die Entstehung von Rahmen- bzw. Schutzpflichten auch in dieser (statistisch) besonderen Konstellation mit den gleichen Überlegungen zu begründen wie im einfachen, zweipoligen Schuldverhältnis, nämlich im Hinblick auf die zugrunde liegende institutionelle Zweckförderungsfunktion.48 Die Anforderung, dass D und S einen auf das (eventuelle) Zentralpflichtverhältnis zwischen G und S bezogenen Zusammenarbeitswillen (Wille des D zur Rechtskreisöffnung gegenüber S und Wille des S zu deren Annahme) aufweisen müssen, ist dann nicht einschlägig, wenn die Mitwirkung des D bereits von der konkreten Schuldbeziehung von G und S vorgesehen wird (obligatorische Zusammenarbeit). Allerdings ist die praktische Relevanz dieser Annahme sehr gering. Denn in den durchaus meisten Fällen, in denen die Mitwirkung des D gemäß der Schuldbeziehung zwischen G und S erfolgt, dürften auch der entsprechende Wille des D zur Mitwirkung bzw. zur Rechtskreisöffnung sowie ein darauf gerichteter Annahmewille seitens des S oder zumindest der jeweils entspre___________ 46 47 48

Allerdings ist die letzte Variante statistisch sehr unwahrscheinlich. s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) cc). s. 6. Kapitel B. I.

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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chende objektive Willensanschein vorliegen. Erhebliches praktisches Interesse erlangt dieser Anhaltspunkt etwa in dem Fall, dass S nicht (voll) geschäftsfähig ist.49 Darüber hinaus können die Bestimmungen der Schuldbeziehung zwischen G und S ein wichtiges objektives Indiz für den konkreten Bezug der Zusammenarbeit von D und S liefern und somit im Zweifelsfall eine Basis für die Behandlung der Drittbeteiligung als eine Mitwirkung an der fremden Zentralpflichtentstehung bzw. -abwicklung darstellen. Mit Hilfe der soeben dargestellten Ausgangspunkte könnte man die Grundelemente der Regelung rechtssatzmäßig formulieren, deren Einführung das bestehende Recht im Sinne des SSD beim Schutzpflichtmodell fortbilden soll:50 Schutzpflichten der als Partei eines eventuellen, zumindest abstrakt möglichen Schuldverhältnisses in Frage kommenden Person (S) zu Gunsten eines Dritten (D) entstehen, wenn D gegenüber S seinen Rechtskreis in Zusammenhang mit seiner auf das fremde Schuldverhältnis (zwischen G und S) überhaupt bezogenen, von den Bestimmungen der maßgeblichen Schuldbeziehung bzw. vom natürlichen Willen beider Beteiligten (D und S) gedeckten Mitwirkung öffnet. Die Mitwirkung des D kann insbesondere im Rahmen bzw. aus Anlass der Schuldverhältnisvorbereitung, -entstehung, -abänderung, -durchführung oder der vollständigen Abwicklung der damit verbundenen Angelegenheiten erfolgen. Mit dieser Formulierung kommt zum Ausdruck, dass man grundsätzlich die gleichen Rechtssätze unabhängig davon anwendet, ob die als Schutzpflichtgläubiger in Frage kommende Person auch Partei des (eventuellen) Zentralpflichtverhältnisses ist, an das die Schutzpflichtentstehung anknüpft, oder sich außerhalb der personellen Grenzen dieses Verhältnisses befindet (Dritter). Es ist folglich in gewissem Maße irreführend, hinsichtlich der Rechtsstellung Dritter von Drittschutzvoraussetzungen und nicht allgemein etwa von Schutzvoraussetzungen zu sprechen, die möglicherweise auch, keineswegs jedoch allein auf dritte Personen anwendbar sind. Die einschlägige Regel, die sowohl in Zwei- als auch in Dreipersonenverhältnissen anwendbar ist, lautet im Grunde, dass zu Gunsten desjenigen, der im Hinblick auf die Entstehung bzw. vollständige Abwicklung einer (zumindest abstrakt möglichen) Zentralpflichtbeziehung seinen Rechtskreis öffnet, Schutzpflichten derjenigen Partei dieser Zentralpflichtbeziehung entstehen, welcher gegenüber und mit deren Einvernehmen die maßgebliche Rechtskreisöffnung vorgenommen wird. Bei dieser Regel wäre die Rechtsfolge (Schutzpflichtgläubiger- und -schuldnereigenschaft) unabhängig davon zu beurteilen, ob davon die eigentlichen Parteien der fraglichen Zentralpflichtbeziehung oder Dritte betroffen werden. ___________ 49 Dieser Umstand kann hingegen die Schutzpflichtberechtigung einer nicht (voll) geschäftsfähigen Person (hier des D) nicht ausschließen, s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (3). 50 s. oben 4. Kapitel C. I.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Dementsprechend gilt hier klarzustellen, dass die Rede von Drittschutzvoraussetzungen im Rahmen dieser Arbeit keineswegs auf eine (vermeintliche) Verschiedenheit gegenüber den allgemeinen Schutzvoraussetzungen hin interpretiert werden darf, sondern lediglich der Tatsache Rechnung trägt, dass wegen der Drittbeteiligung komplexere Konstellationen behandelt werden müssen. In Anbetracht dieser grundsätzlichen Ähnlichkeit genügt zur Verdeutlichung der in den vorangegangen Ausführungen nur ansatzweise dargestellten Drittschutzvoraussetzungen zunächst der Verweis auf die entsprechenden Ausführungen für die Schutzpflichtentstehung im Zweipersonenverhältnis.51

2. Inhaltliche Erläuterungen In den komplexeren Strukturen, die wegen der Drittbeteiligung entstehen, kommen Schwierigkeiten vor, die zumindest im Keim zwar auch in einfachen Schuldbeziehungen vorhanden sind, eine erhebliche Intensität jedoch erst in Bezug auf dritte Personen erreichen. Diese Schwierigkeiten sind im Folgenden zu untersuchen. Dementsprechend wird auch der Charakter der einschlägigen Ausführungen festgelegt: Es handelt sich großenteils um lediglich klarstellende Bemerkungen hinsichtlich der zutreffenden Anwendung der bereits erarbeiteten Drittschutzvoraussetzungen. Darüber hinaus weisen sie einen fragmentarischen Charakter auf, da es hier nicht darum geht, jedes auftretende Problem zu behandeln, sondern nur darum, einige wichtige Aspekte der Anwendung des SSD beim Schutzpflichtmodell anzusprechen und mit einschlägigen Beispielen zu verdeutlichen. Hier nicht gesondert behandelte Fragen sind anhand der allgemeinen Regeln insbesondere durch Bewertung der Gesamtumstände des konkreten Falls in Bezug auf das Vorliegen und den Inhalt der erforderlichen Willenstatbestände zu beantworten.

a) Die erforderliche Interpretation der Lage: Gegenstand, Kriterien, Vorgehensweise Es wird in diesem Zusammenhang immer wieder darauf hingewiesen, dass die maßgeblichen Willenstatbestände grundsätzlich unter der objektivierten Sichtweise der jeweils als Willensempfänger kommenden Person ermittelt werden sollen:52 Dafür, ob eine auf das Schuldverhältnis von G und S bezogene Rechtskreisöffnung des D gegenüber S vorliegt, sind die objektivierten Erkenntnis- und Interpretationsmöglichkeiten des S maßgeblich. Ferner ist es un___________ 51 52

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c). s. bereits oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (1) für das zweipolige Schuldverhältnis.

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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ter dem Blickwinkel des D zu beurteilen, ob S die Rechtskreisöffnung des D geradezu im Hinblick auf die Entstehung und Abwicklung seines etwaigen Zentralpflichtverhältnisses mit G annimmt.53 Dabei handelt es sich nicht um die gemäß der Sichtweise von D bzw. S vorhandene Rechtslage; maßgeblich ist hingegen allein der reale Wille des D, seinen Rechtskreis gegenüber S im Hinblick auf die Schuldbeziehung zwischen G und S zu öffnen, sowie der reale Wille des S, diese Rechtskreisöffnung des D als solche anzunehmen.54 Denn geradezu die faktische Zusammenarbeit der Beteiligten soll durch die Anerkennung der entsprechenden Schutzpflichten gefördert werden, um dadurch ihre reale Mitwirkungsbereitschaft zu erhöhen (bei der Drittschutzproblematik steht freilich allein die Mitwirkungsbereitschaft des D im Mittelpunkt). Um die Frage zu beantworten, ob, inwiefern und mit welchem Inhalt der erforderliche reale Wille zur Zusammenarbeit vorhanden ist, muss man folglich zunächst auf die faktische Lage abstellen, die unter Zugrundelegung weitgehend objektiver Kriterien in Bezug auf die erforderlichen Willenstatbestände interpretiert werden soll. Entscheidend ist folglich vor allem das Verhalten der Beteiligten; irrelevant ist demgegenüber, ob dieses Verhalten der vorhandenen Rechtslage entspricht. Die erkennbar bestehende Rechtslage ist somit allein als einer der objektiven Faktoren maßgeblich, die der Ermittlung des realen Willens der Beteiligten überhaupt dienen können. Denn man muss häufig davon ausgehen, dass dieser Wille von der bestehenden Rechtslage beeinflusst wird, sei es, weil die Beteiligten ihr Verhalten danach ausrichten wollen, oder, weil die Rechtslage ihre objektivierte Sichtweise bedingen kann. Aber auch insofern kommt der Rechtslage nicht in allen Fällen die gleiche Gewichtung zu: Die verschiedenen und für die einschlägige Beurteilung möglicherweise entscheidenden Nuancen am jeweils zu ermittelnden realen Willen werden oft kaum allein von der bestehenden, nicht immer hinreichend differenzierenden Rechtslage beeinflusst. Häufig können erst die faktischen Umstände wirklichen Aufschluss über den genauen Willensinhalt geben und somit schließlich die Schutzpflichtentstehung bestimmen. Die Rechtslage kann bei der Ermittlung der erforderlichen Willenstatbestände im Ergebnis nur dann das allein entscheidende Argument liefern, wenn man sich keiner deutlicheren Anhaltspunkte bedienen kann, um eine anderweitige Deutung zu begründen. Damit S von einer willentlichen, auf das fremde Schuldverhältnis bezogenen Rechtskreisöffnung des D ihm gegenüber und D von der entsprechenden An___________ 53

Dies gilt freilich nicht, wenn das in der Rechtskreisöffnung verkörperte, auf S gerichtete Angebot zur Zusammenarbeit nicht direkt von D stammt, sondern im vermittelnden Willen des G bzw. einer anderen Person verkörpert wird; dann sind für die Ermittlung eines entsprechenden Annahmewillens seitens des S die objektivierten Kenntnismöglichkeiten nicht des D, sondern des G bzw. dieser anderen Person maßgeblich [s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd) (3)]. 54 s. dazu oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (1).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

nahme durch S ausgehen muss, ist vorerst die Bedingung unabweislich, dass ihnen die Tatsachen bekannt oder zumindest erkennbar sind, die Schlussfolgerungen zum inneren Willen der jeweils anderer Seite erlauben oder deren Kenntnis bereits für die erforderliche Willensbildung seitens des jeweiligen Willensträgers erforderlich ist. Ein Wille des D zur Rechtskreisöffnung ist also vor allem dann ausgeschlossen, wenn dieser – unter der objektivierten Sichtweise des S betrachtet – nicht wissen oder nicht damit rechnen kann, dass seine Positionen den Einwirkungsmöglichkeiten des S ausgesetzt werden. Ebenso wenig kann die Bezugnahme der Rechtskreisöffnung des D auf das Schuldverhältnis von G und S vorhanden sein, wenn D offenbar nicht wissen bzw. nicht damit rechnen kann, dass die Berührung seiner Positionen mit S ein Schuldverhältnis zwischen G und S fördern soll, etwa weil D von der maßgeblichen Schuldverhältnisexistenz offenbar gar nichts wissen kann. Ähnliches gilt auch in Bezug auf die Annahme der Rechtskreisöffnung des D durch S. S muss etwa imstande sein zu erkennen, dass die Rechte, Rechtsgüter und Interessen, auf die er Einwirkungsmöglichkeiten erlangt, nicht dem G selbst, sondern einem Dritten zustehen.55 Wird diese Voraussetzung nicht erfüllt, so kann man ohne weiteres die Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des D problemlos verneinen. Hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabs, der die für die Ermittlung und Interpretation der Lage durch S und D erforderlichen Anstrengungen bestimmen soll, darf man keine besonderen Anforderungen stellen. Dies verlangt die durch die Schutzpflichten verfolgte Zwecksetzung: Besonders hohe Sorgfaltsmaßstäbe wären selbst zu aufwändig bzw. würden eine unnötige Unsicherheit hervorrufen, die der Herbeiführung vertrauensfördernder und aufwandsgünstiger Bedingungen unmittelbar widersprechen würde. Insbesondere die Auferlegung von Untersuchungspflichten könnte man in dreipoligen Beziehungen ebenso wie im einfachen Schuldverhältnis generell ablehnen.56 Parkt etwa der Kunde (G) eines Warenhauses, solange er einkauft, sein Auto in der Warenhausgarage, so treffen den Warenhausinhaber (S) die entsprechenden Schutzpflichten dem G gegenüber. Daran ändert sich nichts, wenn das Auto nicht dem G selbst, sondern seiner Ehefrau (D) gehört. Dabei genügt, dass der Warenhausinhaber ohne weiteres annehmen darf, dass die geparkten Autos den Kunden selbst gehören, und ___________ 55 Natürlich ist es nicht erforderlich, diesen Dritten auch namentlich bestimmen zu können; es genügt, dass die betroffenen Positionen nicht dem G, sondern einem Dritten überhaupt zugeordnet werden. Dies entspricht nicht nur dem Inhalt des von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernisses der Erkennbarkeit (s. oben 2. Kapitel B. II. 2.), sondern auch der Rechtslage bei der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung bei einem offenen Geschäft für den, den es angeht (s. zu diesem Begriff etwa MüKo(4)/Schramm, § 164, Rn. 47 mit weiteren Nachweisen). Zur Ähnlichkeit der Fälle, in denen die Rechtskreisöffnung des Schutzpflichtgläubigers durch die vermittelnde Handlung eines Anderen erfolgt, mit der Stellvertretung im rechtsgeschäftlichen Bereich s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd). 56 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (1).

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entsprechend verfahren. Dies gilt auch dann, wenn S wissen muss, dass statistisch gesehen nicht alle Autos ihren Fahrern selbst gehören müssen bzw. können. Denn die Anerkennung der rechtlichen Relevanz einer solchen Vermutung würde praktisch auf die Belastung des Warenhausinhabers mit einer entsprechenden Untersuchungspflicht hinauslaufen. Natürlich hängt die konkrete Beurteilung der Lage von den Gesamtumständen des jeweiligen Falls ab. Zu einem möglicherweise abweichenden Ergebnis könnte man etwa im Falle eines Parkhauses für Lastkraftwagen kommen, da man dabei grundsätzlich davon ausgehen soll, dass die eingefahrenen Lastkraftwagen eher ausnahmsweise (allein) ihren Fahrern gehören. Stehen nun die maßgeblichen Tatsachen fest, so muss man ferner das Verhalten der Beteiligten aus der jeweils entscheidenden Sichtweise in Bezug auf die erforderlichen Willenstatbestände deuten. Worauf man dabei abstellen und zu welchem Ergebnis man kommen soll, hängt von den konkreten Umständen ab. Auch hier gilt der Richtsatz, dass unnötige, der durch das SSD beim Schutzpflichtmodell verfolgten Zwecksetzung widersprechende Unsicherheiten über die erforderlichen Willenstatbestände und somit schließlich über die Schutzpflichtenstehung vermieden werden sollen. Hat man also genügende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Willenstatbestands, so kann man sich grundsätzlich auch dann darauf verlassen, wenn man gewisse Zweifel haben könnte. Sich um eine entsprechende Klarstellung der Lage bemühen sollte man nur, wenn eindeutig feststeht, dass dies der Herbeiführung aufwands- bzw. kostengünstiger und vertrauensfördernder Zusammenarbeitsbedingungen nicht entgegensteht, sondern dieser vielmehr geradezu Rechnung trägt. Dies ist praktisch nur dann der Fall, wenn man richtig schwerwiegende Zweifel über die wirkliche Lage haben muss.57 Zusätzliche Probleme bei der Interpretation der Lage kann insbesondere die Einmischung dritter Personen mit sich bringen. Gelangen etwa die Positionen des D in den Einwirkungsbereich des S nicht durch das eigene Verhalten des D, sondern durch die Handlung einer anderen Person (praktisch relevant ist vor allem eine vermittelnde Handlung des G) oder tritt eine weitere Person anstelle des S bei der Annahme dieser Einwirkungsmöglichkeiten auf, so ist für die Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des D die Frage entscheidend, ob die fremde Handlung objektiv betrachtet eine erlaubte Bildung bzw. Konkretisierung des Willens des D bzw. des S darstellt. Insbesondere in Bezug auf die Einmischung dritter Personen auf der Seite des D kann man im Allgemeinen von der Vermutung ausgehen, dass die Person, die eine faktische Verfügungsmacht auf die Rechtsgüter des D hat, auch befugt ist, den Willen des D im Hinblick auf diese Positionen zu konkretisieren. Wird etwa ein zweijähriges Kind von einem ___________ 57

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (1).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Erwachsenen mit ins Warenhaus gebracht, so muss der Warenhausinhaber ohne weiteres davon ausgehen, dass dies vom Willen seiner Eltern abgedeckt wird.58 Die Gesichtspunkte, die man bei der Erforschung des Willens der Beteiligten berücksichtigen muss, können angesichts der Vielfalt möglicher Konstellationsvarianten nie abschließend angeführt werden; dies ist nur ganz ausnahmsweise und nur in beschränktem Umfang möglich. Erst aufgrund einer wertenden Berücksichtigung der (faktischen und rechtlichen) Gesamtumstände des jeweils vorliegenden Falls kann man die erforderliche Beurteilung vornehmen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass man kaum allgemeine Gesichtspunkte für die Interpretation der Lage in die eine oder die andere Richtung anführen könnte. Dementsprechend wird im Folgenden der Versuch unternommen, anhand allgemeiner Sachverhaltsmerkmale in repräsentativen Konstellationen die Frage zu behandeln, wann eine auf das Schuldverhältnis von G und S bezogene Rechtskreisöffnung des D gegenüber S vorliegt.59 Dabei handelt es sich um ein bewegliches Indiziensystem: Weder das Vorliegen noch das Fehlen eines oder mehrerer unter diesen Indizien kann die Beurteilung der Lage ohne weiteres entscheiden. Erst ihre Gesamtbetrachtung in der Interaktion mit allen einschlägigen Aspekten der konkreten Fallgruppe bzw. des konkreten Falls kann überzeugende Ergebnisse liefern. Darüber hinaus kann man eigentlich kaum eindimensional vom Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der maßgeblichen Bezugspunkte sprechen, da sie sich vielfach abstufen lassen und somit in verschiedenen Graden vorkommen können. Ferner ist die Herausarbeitung solcher allgemeiner Gesichtspunkte zwar hilfreich, keineswegs jedoch unabweislich für die Beurteilung konkreter Fälle. Da im Mittelpunkt der Diskussion die Interpretation des Verhaltens der Beteiligten im Hinblick auf den zugrunde liegenden realen Willen steht, muss man vorerst versuchen, aus diesem äußeren Verhalten unmittelbar auf die innere Einstellung des jeweils Handelnden zu schließen. Dabei können vor allem einschlägige Verkehrsansichten sowie allgemeine gesellschaftliche Erfahrungen über die übliche Denkweise in ähnlichen Konstellationen entscheidend sein. Kann man nun dadurch einen evidenten einschlägigen Schluss direkt ziehen, so braucht man kaum mehr vermittelnde Gesichtspunkte wie die vorliegende Rechtslage. Solche sind vor allem dann wichtig, wenn sie ein zweifelhaftes Ergebnis bekräftigen oder eine einschlägige Schlussfolgerung überhaupt begründen sollen. ___________ 58 In Bezug auf S muss man zusätzlich hinreichende subjektive Zurechnungsgründe verlangen, um die Zumutbarkeit seiner Belastung mit Schutzpflichten begründen zu können; für den in Frage kommenden Schutzpflichtgläubiger (D) kommt es hingegen allein auf den objektiven Willensanschein an. Eine der verschiedenen Varianten erlaubter Willensbildung durch dritte Personen stellt die Einmischung des gesetzlichen Vertreters des D dar – s. zu diesen Fragen eingehend oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd). 59 s. unten 6. Kapitel B. II. 2. c) bis e).

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Die maßgebliche Schutzpflichtentstehung erfordert neben der Rechtskreisöffnung des D, auch die aufgrund der objektivierten Sichtweise des D zu ermittelnde Rechtskreisöffnungsannahme seitens des S.60 Trotzdem wird mit der Klarstellung der Lage in Bezug auf das Vorliegen einer Rechtskreisöffnung seitens des D gegenüber S sowie hinsichtlich ihrer Bezugnahme auf das Schuldverhältnis von G und S wegen der Anwendung weitgehend objektiver Maßstäbe in aller Regel ohne weiteres auch die Frage beantwortet, ob ein korrespondierender Annahmewille des S vorhanden ist. Wenn nämlich das Faktum, dass dem S Einwirkungsmöglichkeiten auf die Positionen des D zustehen, als eine Rechtskreisöffnung des Letztgenannten gegenüber S interpretiert werden muss, so muss man auch die Tatsache, dass S die maßgeblichen Einwirkungsmöglichkeiten willentlich erlangt, im Prinzip als eine Annahme der Rechtskreisöffnung und somit des entsprechenden Zusammenarbeitsangebots des D deuten; dies gilt auch für die Verbindung der Rechtskreisöffnung des D mit der Schuldbeziehung zwischen G und S. Dementsprechend kann sich die folgende Untersuchung prinzipiell auf das Vorliegen einer Rechtskreisöffnung des D beschränken. Kommen im Einzelfall dennoch einschlägige Unterschiede vor, was vor allem mit den unterschiedlichen Umständen zusammenhängen dürfte, die dem D und S jeweils erkennbar sind, so darf die im Hinblick auf das Schuldverhältnis von G und S vorgenommene Rechtskreisöffnung des D als Basis einer Schutzpflichtentstehung zu seinen Gunsten nur in dem Umfang anerkannt werden, in dem sie von S, wenn überhaupt, als solche angenommen wird. Außerhalb dieses Überschneidungsbereichs ist die Rechtfertigung eines SSD gemäß dem Schutzpflichtmodell hingegen nicht möglich.61 Wenn nun im Folgenden die Bewertung der faktischen Lage anhand bestimmter Umstände diskutiert wird, wird unterstellt, solange sich aus dem Kontext nichts anderes ergibt, dass die maßgeblichen Tatsachen beiden Beteiligten bekannt oder zumindest erkennbar sind. Ist dies nicht der Fall, so darf man die unerkannt gebliebenen bzw. unerkennbaren Umstände natürlich nicht berücksichtigen.

b) Zum maßgeblichen Willensinhalt – Die entscheidende Grundfrage Die Schutzpflichtentstehung im Sinne des SSD erfordert eine auf das Schuldverhältnis zwischen G und S bezogene Rechtskreisöffnung des D gegenüber S, die S auch als solche annimmt. Demgegenüber reicht das bloße Faktum ___________ 60 s. oben 6. Kapitel B. II. 1. Zum Zweipersonenverhältnis s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb) (2) und cc) (1). 61 s. auch oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

vorhandener, mit der Schuldbeziehung zwischen G und S in irgendwelchem Zusammenhang stehender Schädigungsmöglichkeiten des S auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des D nicht aus.62 Praktisch in allen Fällen, in denen die Drittschutzwirkung diskutiert wird, kommt jedoch D nicht aus vollkommen eigener Initiative in Kontakt mit S, sondern vielmehr in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verhältnis, das den D mit G verbindet. Dieses Verhältnis ist zwar meistens ein Rechtsverhältnis (etwa Vertrag, gesetzliches Schuldverhältnis, familienrechtliche Beziehung usw.), kann allerdings sehr wohl auch eine rein gesellschaftliche Beziehung (etwa Gefälligkeitsverhältnis) sein. Im Beispiel des Vertreters (D), der im Namen des G einen Vertrag mit S schließen soll, kann das Innenverhältnis zwischen G und S etwa einen Geschäftsbesorgungsvertrag, eine familienrechtliche Beziehung oder lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis darstellen. Das Grundproblem, das bei der Erforschung der relevanten Willenstatbestände mit besonderer Schärfe auftritt, ist geradezu auf diesen Umstand zurückzuführen: In den als Anwendungsfälle des SSD in Betracht kommenden Konstellationen ist es häufig fraglich, ob die unabweisbare Voraussetzung einer Rechtskreisöffnung des D nicht (nur) gegenüber G, sondern (auch) gegenüber S selbst erfüllt wird, sowie, ob sich diese Rechtskreisöffnung nicht (nur) auf das Verhältnis zwischen G und D, sondern (auch) auf das Schuldverhältnis zwischen G und S bezieht. Nur im zweiten Fall ist ein SSD anzunehmen. Die sich dabei ergebenden Schwierigkeiten lassen sich nicht immer einfach ausräumen. In dem Fall etwa, dass D als Arbeitnehmer des G zur Erfüllung einer Vertragspflicht des G gegenüber S im Sinne von § 278 BGB eingesetzt wird, scheint schwierig zu entscheiden, ob die dabei faktisch vorhandenen Einwirkungsmöglichkeiten des S auf die Rechtsgüter – etwa auf den Körper – des D (auch) als eine eigenständige Rechtskreisöffnung des D gegenüber S selbst qualifiziert oder allein der Rechtskreisöffnung zugeordnet werden müssen, die D gegenüber seinem Arbeitgeber (G) angesichts seines Arbeitsverhältnisses zu ihm vornimmt. Ebenso wenig lässt sich die Frage ohne weiteres beantworten, ob die Arbeit des D nicht lediglich als Leistungserbringung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu G, sondern auch als mit dem Schuldverhältnis zwischen G und S verbundene Mitwirkung des D betrachtet werden muss.63 Grundsätzlich gilt, dass die Schutzpflichtschuldnereigenschaft bei G und bei S getrennt anhand der einschlägigen Voraussetzungen beurteilt werden soll: Die möglicherweise vorliegende Schutzpflichtbeziehung zwischen G und D ist also hinsichtlich etwaiger Schutzpflichten des S gegenüber D prinzipiell irrelevant.64 ___________ 62

s. oben 6. Kapitel B. II. 1. Zur Schutzpflichtentstehung in dieser Konstellation s. unten 6. Kapitel B. II. 2. c) cc) sowie 6. Kapitel B. II. 2. d) bb) und cc). 64 Vgl. auch oben 6. Kapitel B. II. 1. zur Ablehnung des zusätzlichen Erfordernisses eines Willens seitens des G. 63

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Ebenfalls unterschiedlich ist die Person, auf deren Sichtweise es für die Interpretation der Lage jeweils ankommt. Die Fragen, ob und wem gegenüber eine Rechtskreisöffnung des D vorliegt, sowie, auf welches Verhältnis sie sich bezieht, ist aus der Sichtweise des G her zu beurteilen, sofern seine Schutzpflichten gegenüber D in Betracht kommen. Für die Schutzpflichten des S gegenüber D ist demgegenüber die objektivierte Sichtweise des S maßgeblich. Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob S unter seiner objektivierten Sichtweise in den ihm zustehenden Einwirkungsmöglichkeiten eine auf sein Zentralpflichtverhältnis zu G bezogene Rechtskreisöffnung des D an ihn selbst ansehen muss. Trotz selbständiger Beurteilung des Verhältnisses zwischen S und D kann auch das Verhältnis zwischen G und D insoweit eine Rolle spielen, als es die Weise beeinflussen kann, auf die S die vorhandene objektive Lage interpretieren soll. Die Grundfrage der Schutzpflichtentstehung in den Drittschutzfällen bleibt also weiterhin relevant: Es fragt sich, ob der nach der Sichtweise des S zu ermittelnde Handlungswille des D sich auf die dadurch herbeigeführten Wirkungen innerhalb des Verhältnisses zwischen G und D beschränkt oder hingegen die Grenzen dieses Verhältnisses überschreitet und (auch) eine direkte Verbindung zu S und zu seinem Schuldverhältnis mit G aufweist, die ihrerseits die Entstehung direkter Schutzpflichten des S zu Gunsten des D rechtfertigen kann. Deckt der Wille des D allein seine Tätigkeit im Verhältnis zu G ab, so braucht man Schutzpflichten zu Gunsten des D nur innerhalb seiner Beziehung zu G (d.h. zulasten des G) und freilich nur in dem Umfang, in dem die Entstehung von Schutzpflichten in dieser Beziehung begründet werden kann. Erst dann, wenn der Wille des D (auch) seine Mitwirkung an der Schuldbeziehung von G und S als solche erfasst, wird die den Schutzpflichten zugrunde liegende institutionelle Funktionserfüllung relevant: Die Erhöhung der Mitwirkungsbereitschaft des D kann dann (nicht nur als Förderung der Beziehung zwischen G und D, sondern auch) als Förderung der Schuldbeziehung zwischen G und S angesehen werden, die gerade deswegen als Anknüpfungspunkt für die Anerkennung direkter Schutzpflichten des S in Betracht kommt. Natürlich nimmt diese Grundfrage eine unterschiedliche Form je nachdem an, ob das Vorliegen einer Rechtskreisöffnung des D gegenüber S oder deren Bezugnahme auf das Schuldverhältnis zwischen G und S in Frage steht: Bei der ersten Problematik geht es im Wesentlichen darum, ob die Berührung des S mit den Positionen des D als eigenständige Eröffnung von Einwirkungsmöglichkeiten oder hingegen als Teil der Rechtskreisöffnung angesehen werden soll, die D im Rahmen des Verhältnisses zu G diesem gegenüber vornimmt. Bei der zweiten liegt der Schwerpunkt hingegen in der Frage, ob die Tätigkeit des D vollkommen von jener des G aufgenommen wird und sich somit als uneigenständiger Teil der Mitwirkung des G selbst an der Schuldbeziehung zu S darstellt.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Beide Fragen gehören allerdings einer allgemeinen Problematik an; diese gemeinsame Grundlage ist auch der Grund dafür, dass die für die Problemlösung relevanten Wertungen großenteils die gleichen sind.65 In Bezug auf beide Fragenkreise kann an dieser Stelle einerseits der Grundsatz aufgestellt werden, dass es zur Verneinung einer auf das Schuldverhältnis von G und S bezogenen, eigenständigen Rechtskreisöffnung des D gegenüber S und somit zur Ablehnung der Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des D nicht genügt, bloß darzulegen, dass der in Zusammenhang mit der Schuldbeziehung von G und S erfolgte Kontakt zwischen D und S nicht stattgefunden hätte, wenn D und G nicht bereits in einer rechtlichen oder anderweitigen Beziehung verbunden wären: Zu den erarbeiteten Drittschutzvoraussetzungen66 gehören weder eine unabhängige Tätigkeit der Beteiligten von einem anderen Verhältnis noch das Fehlen anderweitiger Motive für die eingegangene Zusammenarbeitskonstellation; dies gilt sogar dann, wenn diese Beweggründe den entscheidenden Anlass bilden. Denn keines dieser Momente ist für die Erfüllung der Funktion notwendig, die der Anerkennung der Rahmen-, einschließlich aller Schutzpflichten, zugrunde liegt: Wie auch in zweipoligen Beziehungen ist die institutionelle Absicht zur Förderung der Entstehung und vollständigen Abwicklung von Zentralpflichtverhältnissen durch die Erhöhung der Bereitschaft der beteiligten Personen zur Zusammenarbeit auch dann relevant, wenn sie ihre Mitwirkung an der maßgeblichen Schuldbeziehung ohnehin nicht verweigern würden.67 Die Anforderungen, die an die Annahme einer willentlichen, schuldverhältnisbezogenen Rechtskreisöffnung des D gestellt werden, sollen demgegenüber lediglich sicherstellen, dass der Kontakt zwischen D und S nicht „zufällig“ ist, weil er von einem bewusst geradezu auf die Mitwirkung am fremden Schuldverhältnis gerichteten Willen des D getragen wird, der deswegen mit Hilfe von Schutzpflichten unterstützt werden soll. Andererseits ist die schuldverhältnisbezogene Rechtskreisöffnung des D und deren Annahme durch S als Teil eines kommunikativen Vorgangs, nämlich der bewussten Zusammenarbeit der Beteiligten (D und S) aufzufassen. Demnach genügt es in Bezug auf den erforderlichen Willensinhalt nicht, dass der Betroffene (D) Einwirkungsmöglichkeiten eines Anderen (S) auf seine Positionen als bloßes Faktum duldet. Wie bereits der Begriff Rechtskreisöffnung impliziert, braucht man dabei zwar nicht unbedingt eine positive Handlung, sicherlich jedoch eine mehr oder weniger positive Entscheidung des D68 dafür, dass S die interessierenden Einwirkungsmöglichkeiten auf die Positionen des D im Rah___________ 65

s. unten 6. Kapitel B. II. 2. b) und 6. Kapitel B. II. 2. d) bb). s. oben 6. Kapitel B. II. 1. 67 s. auch oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb) (3). 68 Diese Entscheidung kann auch durch G oder einen anderen Dritten vermittelt werden, s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd). 66

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men der Mitwirkung des D an der Entstehung bzw. Abwicklung der Schuldbeziehung von G und S erlangen soll. Diese Voraussetzung wird, wie auch im Rahmen des einfachen Schuldverhältnisses,69 durch die funktionelle Erklärung der Schutzpflichten gerechtfertigt: Die institutionelle Absicht, durch drittgerichtete Schutzpflichten die Bereitschaft dritter Personen zu erhöhen, an der Entstehung und Abwicklung eines fremden Zentralpflichtverhältnisses (zwischen G und S) mitzuwirken,70 erfordert die Einschränkung des Schutzes auf jene Personen, die selbst oder durch die Vermittlung anderer Personen überhaupt entscheiden können, ob sie sich daran beteiligen wollen. Kommt D hingegen mit dem fremden Schuldverhältnis – nach der objektiven Lage erkennbar – ganz unabhängig von einer solchen Entscheidung in Berührung, so ist der Versuch, seine Entscheidung durch die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen zu beeinflussen, vollkommen sinnlos. Ein solcher Fall liegt in aller Regel etwa dann vor, wenn D überhaupt keine Möglichkeit hat, seine Nähe zum Geschehnis und insbesondere die Einwirkungsmöglichkeiten des S auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen zu vermeiden, so dass man, ebenso wie beim Fehlen der entsprechenden Kenntnismöglichkeiten, nicht mehr von einer willentlichen Drittbeteiligung sprechen kann. Bereits der Begriff „Mitwirkung“ deutet, ebenso wie das Abstellen auf eine Zusammenarbeitskonstellation, auf eine gewissermaßen zweckorientierte innere Einstellung der jeweils mitwirkenden Person hin. Mit dem Erfordernis einer positiven Entscheidung, die die Rechtskreisöffnung des D decken soll, geht auch die Annahme einher, dass diese Entscheidung auch auf eine begrenzte Anzahl von Zusammenarbeitskonstellationen und somit auf einen irgendwie begrenzten Kreis von Personen und Schuldbeziehungen gerichtet sein muss. Diese Gerichtetheit der schuldverhältnisbezogenen Rechtskreisöffnung lässt sich unmittelbar aus dem Verständnis der mit Schutzpflichten zu fördernden Zusammenarbeitskonstellationen als kommunikative Vorgänge folgern: Die Rechtskreisöffnung des D stellt ein Angebot für eine schuldverhältnisbezogene bzw., falls D zu einer Rechtskreisöffnung veranlasst worden ist, die Annahme eines Angebots für eine solche Zusammenarbeitskonstellation dar, die natürlich nur im Hinblick auf konkrete, wenn auch bloß bestimmbare, Personen und Schuldverhältnisse denkbar ist. Zur Verdeutlichung dieser beiden Eigenschaften der Rechtskreisöffnung (positive Entscheidung und Gerichtetheit) könnte der Vergleich mit dem Begriff der Anvertrauung71 helfen, da in diesem Ausdruck sowohl das Merkmal einer ___________ 69

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb) (3); im Gegensatz zu dreipoligen Beziehungen ist die praktische Bedeutung solcher Überlegungen im einfachen Schuldverhältnis eher gering. 70 s. 6. Kapitel B. I. 71 Vgl. § 311 II Nr. 2 BGB: „anvertraut“. Dazu ist bereits klargestellt worden, dass die Anvertrauung von Rechten, Rechtsgütern und Interessen als eine spezifische Art einer – vor allem besonderes intensiven – Rechtskreisöffnung zu verstehen ist (s. oben 5.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

positiven Entscheidung der anvertrauenden Person als auch die Gerichtetheit bzw. Bezogenheit dieser Entscheidung auf bestimmte Personen eindeutig zum Ausdruck kommt.72 Für die Feststellung nämlich, dass jemand seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen bestimmten Personen anvertraut, reicht weder der bloß nicht unbefugte Kontakt dieser Personen mit den Positionen des Anvertrauenden noch die Vornahme von Anvertrauungshandlungen durch den Positionsträger aus, wenn nicht feststeht, dass sich diese Handlungen konkret auf die in Frage kommenden Personen beziehen. Liegt eine positive, auf S und seine Schuldbeziehung zu G gerichtete Rechtskreisöffnungsentscheidung des D vor, so ist für die Anerkennung von Schutzpflichten irrelevant, ob die Mitwirkung des D auch im Rahmen seines Verhältnisses zu G von Bedeutung ist. Es reicht hingegen vollkommen aus, dass die Entscheidung des D auch die Mitwirkung an der Schuldbeziehung von G und S deckt, damit die Förderung dieser Entscheidung mit den entsprechenden Schutzpflichten zugleich als institutionelle Begünstigung dieser Schuldbeziehung verstanden werden kann. Die Deutung der Tätigkeit des D als Mitwirkung im Rahmen seines Verhältnisses zu G schließt demnach an sich nicht das Vorliegen einer eigenständigen Rechtskreisöffnung des D gegenüber S oder ihre Bezugnahme auf die Schuldbeziehung von G und S aus. Im Gegenteil lässt sich der Umstand, dass D aus dem Verhältnis zu G veranlasst wird, (auch) im Hinblick auf die Schuldbeziehung zwischen G und S tätig zu werden, je nach der konkreten Lage zuweilen als Anhaltspunkt dafür bewerten, dass die Beteiligung des D geradezu eine auf die Schuldbeziehung von G und S gerichtete Mitwirkung darstellt. Im Allgemeinen spricht für eine im Rahmen des SSD relevante Mitwirkung des D die objektive Lage, wenn die Rechtskreisöffnung des D als willentliche Handlung angesehen werden kann, ein objektiver Bezug zwischen der Rechts___________ Kapitel bei Fn. 211). Zur besonderen Bedeutung von § 311 II Nr. 2 BGB für die Schutzpflichtenproblematik s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) aa). In Bezug auf die Schutzpflichten hat von „Anvertrauungshaftung“ in ähnlichem Sinne bereits Canaris, Vertrauenshaftung, S. 539 ff, gesprochen. 72 Dabei gilt, dem möglicherweise durch den Begriff der Anvertrauung hervorgerufenen Missverständnis vorzubeugen, die Rechtskreisöffnung bedürfte der Gewährung von Vertrauen durch denjenigen, der seinen Rechtskreis öffnet. Nach dem hier vertretenen Konzept kann man vielmehr seinen Rechtsgüter- und Interessenkreis auch jemandem anvertrauen, dem man in Wahrheit (und zwar erkennbar) weder vertraut noch einen Grund hat zu vertrauen. Es genügt für die Annahme einer Rechtskreisöffnung und somit für die Entstehung der entsprechenden Schutzpflichten, dass der Anvertrauende seine Positionen den Einwirkungsmöglichkeiten einer anderen Person in ähnlicher Weise aussetzt, als ob er dieser Person vertrauen würde bzw. könnte. Geradezu daran knüpft die Erfüllung der institutionellen Aufgabe der Schutzpflichten (hier vor allem Schaffung eines vertrauensfördernden Klimas der Zusammenarbeit) an: Durch die Anerkennung von Schutzpflichten sollen die Beteiligten einander vertrauen dürfen, s. auch oben 5. Kapitel D. III. 3. b) aa) und insbesondere Fn. 166.

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kreisöffnung und der Entstehung bzw. Abwicklung des fremden Schuldverhältnisses vorhanden ist und D offenbar in der Lage ist, von den konkreten Umständen zu wissen,73 in deren Rahmen seine Positionen den Einwirkungsmöglichkeiten des D ausgesetzt werden. Dieses Indiz kann man im Hinblick auf die Abhängigkeit der Beteiligung des D von seinem Verhältnis zu G insbesondere durch den Nachweis widerlegen, dass der Kontakt zwischen D und S objektiv betrachtet des Charakters einer eigenständigen Zusammenarbeitskonstellation überhaupt entbehrt. Wann dies genau der Fall ist, kann nicht für alle Fälle genau festgelegt werden. Grundsätzlich muss der Tätigkeit des D im Rahmen des Verhältnisses zwischen G und D nach der jeweils maßgeblichen Sichtweise eine so überragende Bedeutung im Vergleich zum auf das Schuldverhältnis zwischen G und S bezogenen Handeln des D zukommen, dass Letztgenanntes ein ausreichend eigenständiges Gewicht nicht mehr aufweist. Dann stellt auch der die fremde Schuldbeziehung fördernde Effekt der Tätigkeit des D offenbar eine aus der Sicht der Beteiligten lediglich zufällige, unbedeutende Folge des Handelns im Rahmen des Verhältnisses zwischen G und D dar. Die nachfolgenden Ausführungen sollen nun einige Klarheit über die zutreffende Behandlung der Drittschutzfälle vornehmlich hinsichtlich der erwähnten Grundfrage schaffen. Es wird konkret auf die Probleme einer eigenständigen Rechtskreisöffnung des D gegenüber S74 und ihrer Bezugnahme auf das Schuldverhältnis zwischen G und S75 eingegangen.

c) Rechtskreisöffnung des Dritten (D) aa) Die Positive Entscheidung des Dritten (D) zur Rechtskreisöffnung Die Rechtskreisöffnung des D setzt eine positive Entscheidung seinerseits voraus; hat D folglich keinen Entscheidungsspielraum, so ist die Drittschutzwirkung beim Schutzpflichtmodell zu verneinen.76 Diese Überlegung ist etwa in dem Beispielsfall relevant, dass der von G mit Bauarbeiten an seinem Grundstück beauftragte Unternehmer S unsorgfältig arbeitet und somit Schäden am Nachbargrundstück des D verursacht.77 Denn, unabhängig von der Frage, ob D an der Vertragsabwicklung zwischen G und S mitwirkt, erlangt S Einwirkungsmöglichkeiten auf das Eigentum des D nicht deshalb, weil D seinen Rechtskreis ___________ 73

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). s. unten 6. Kapitel B. II. 2. c). 75 s. unten 6. Kapitel B. II. 2. d) und 6. Kapitel B. II. 2. e) bb). 76 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. b). 77 Vgl. etwa die Konstellationen in 2. Kapitel bei Fn. 82 und 83. Die dort angegebenen Entscheidungen bejahen allerdings den Drittschutz. 74

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

dem S gegenüber geöffnet hätte; eine wie auch immer auf S bezogene Entscheidung des D liegt dabei gar nicht vor. Man kann hier sogar nicht einmal von einer Duldung seitens des D sprechen, da er überhaupt keine Möglichkeit hat, den Einwirkungsmöglichkeiten des S auszuweichen. Die Einwirkungsmöglichkeiten des S basieren offenbar nur auf dem bloßen Faktum, dass sich das Grundstück des D in der Nachbarschaft des G und somit nah am Wirkungskreis des von G beauftragten S befindet. Die Rechtslage wäre hingegen anders zu beurteilen, wenn der Schaden am Grundstück des D darauf zurückzuführen wäre, dass D dem S zur Erleichterung der vorgenommenen Bauarbeiten Zugang zu seinem Grundstück gewährt hätte, da darin eine positive Rechtskreisöffnungsentscheidung des D anzusehen wäre. Die Förderung der Mitwirkung des D durch die Anerkennung von Schutzpflichten des S zu seinen Gunsten erscheint in dieser Fallabwandlung gleichermaßen erforderlich wie die Förderung der Mitwirkung des G selbst, der seinem Vertragspartner (S) ebenfalls Zugang zu seinem Grundstück gewährt, um die Vertragserfüllung zu ermöglichen. Im Allgemeinen kann man die Regel formulieren, dass man allein wegen der bloßen räumlichen Nähe oder Annäherung der Beteiligten nicht auf eine Rechtskreisöffnung schließen darf. Derjenige (D) also, der am Haus des G vorbeiläuft, dessen Dach vom Unternehmer S repariert wird, wird mangels einer Rechtskreisöffnung grundsätzlich nicht zum Schutzpflichtgläubiger des S, auch wenn er ohne weiteres erkennen kann, dass S zur Erfüllung eines Vertragsverhältnisses zu G arbeitet. Denn allein im Umstand, dass D innerhalb der Reichweite des S und etwa nicht auf der anderen Seite der Straße läuft, darf man offenbar keine positive Entscheidung des D dafür erblicken, seinen Rechtskreis gegenüber S zu öffnen. Man muss an dieser Stelle betonen, dass das entscheidende Merkmal der Rechtskreisöffnung nicht in der aktiven, durch positive Handlungen erfolgten Eröffnung von Einwirkungsmöglichkeiten, sondern vielmehr in (dem Anschein) der positiven Entscheidung des D angesehen werden kann, diese Einwirkungsmöglichkeiten als solche zu akzeptieren. Insofern kann eine Rechtskreisöffnung auch die bereits unabhängig von positiven Handlungen des D bestehenden faktischen Schädigungsmöglichkeiten erfassen, wenn die allein maßgebliche positive Entscheidung vorliegt. Als Beispiel kann etwa der Fall dienen, dass G, um seinem Freund D eine Freude zu bereiten, den Maler S mit der Aufgabe beauftragt, die – von der öffentlichen Straße her erreichbare – Außenwand des Hauses des D zu streichen.78 D, der den S bei seiner Arbeit lediglich zusieht, weist zwar ein praktisch passives Verhalten auf, trotzdem kann es unter der objektivierten Sichtweise des S als eine über die bloße Duldung hinausgehende positive Entscheidung des D zur Rechtskreisöffnung gedeutet werden. Obwohl D der ___________ 78

Ein echter Vertrag zugunsten des D im Sinne von § 328 BGB wird hier natürlich ausgeschlossen.

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sein Eigentum gefährdenden Tätigkeit des S nur aktive Abwehrmaßnahmen entgegensetzen könnte, kann man aus der Sichtweise des S die Tatsache, dass D überhaupt keinen Versuch unternimmt, die Einwirkung des S auf sein Eigentum abzuwehren, in diesem Fall wirklich im Sinne eines Rechtskreisöffnungswillens deuten: Die Einwirkungsmöglichkeiten des S scheinen unter einem wertenden Blickwinkel nicht lediglich auf dem bloßen Faktum der konkreten Lage des Hauses, sondern auch auf der zu Tage kommenden inneren Einstellung des D zu basieren. D scheint nämlich das Malen seiner Wand nicht lediglich zu dulden, sondern vielmehr positiv zu billigen bzw. zu akzeptieren. Dementsprechend ist auch das soeben aufgestellte Postulat, dass eine Rechtskreiskreisöffnung des D grundsätzlich nur dann vorliegt, wenn D in der Lage ist, die von S stammenden Gefahren zu vermeiden, dahingehend zu verstehen, dass beim Fehlen zumutbarer Gefahrausweichmöglichkeiten lediglich ein gewichtiges Indiz dafür vorliegt, dass die geforderte positive Entscheidung des D nicht vorhanden ist. Bei besonderen Umständen kann man jedoch die bloße Nichtergreifung von Gefahrabwehrmaßnahmen durch D aus der objektivierten Sichtweise des S der positiven Öffnung von Einwirkungsmöglichkeiten gleichsetzen und das soeben erwähnte Indiz zu Gunsten einer Rechtskreisöffnung des D widerlegen. Wie das soeben angeführte Beispiel zeigt, kann eine solch besondere Lage darin liegen, dass Mindestmaßnahmen zur Gefahrabwehr ohne weiteres bzw. ohne erwähnenswerten Aufwand möglich sind und trotzdem nicht getroffen werden.

bb) Gerichtetheit der Rechtskreisöffnung des Dritten Die Suche nach einer positiven Entscheidung überhaupt erschöpft allerdings die diskutierte Problematik meistens nicht. Die Rechtskreisöffnung des D gegenüber bestimmten Personen kann häufig erst nach der Bestimmung ihrer Gerichtetheit beurteilt werden. In Wahrheit darf man sogar die Entscheidung, dass eine Rechtskreisöffnung des D vorliegt, nicht getrennt von der Frage treffen, wem gegenüber (insbesondere G bzw. S) D seinen Rechtskreis öffnet. Die Richtungsfrage ist nur dann unerheblich, wenn offenbar gar keine einschlägige Rechtskreisöffnung vorliegt wie etwa im soeben angesprochenen Beispiel der Grünstücksnachbarn. Für die Bejahung einer eigenständigen Rechtskreisöffnung des D gegenüber S kommt es hingegen meistens nicht lediglich darauf an, ob ein einschlägiger Wille seitens des D überhaupt vorliegt, sondern auf den genauen Willensinhalt. Dabei gilt, das Verhalten des D anhand der vorliegenden Umstände sachgemäß zu interpretieren. Es geht darum, ob D seinen Rechtskreis nicht (nur) ge-

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

genüber G, sondern (auch) direkt gegenüber S öffnet. Wie bereits dargestellt79 darf man im Allgemeinen die Einwilligung des D dafür, dass seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen in den Einwirkungsbereich des S gelangen, nicht unbedingt einem eigenständigen Rechtskreisöffnungswillen gegenüber S gleichsetzen. Denn es ist möglich, dass D seine Positionen den Einwirkungsmöglichkeiten des S in Wahrheit nur im Rahmen seiner allein gegenüber G bestehenden Rechtskreisöffnung aussetzt.80 Für eine eigenständige Rechtskreisöffnung des D gegenüber S bedarf es der positiven, auf den S gerichteten Rechtskreisöffnungsentscheidung des D, die freilich zumindest das Wissen des S darüber voraussetzt, dass die Positionen, mit denen er in Kontakt kommt, solche des D sind, sowie ausreichende Kenntnismöglichkeiten des D über die Tatsache, dass S in Berührung mit seinen (D) Positionen kommen kann.81 Werden die fraglichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Positionen des D dem S erst durch die Einmischung des G eröffnet, so fragt es sich, ob G dadurch den Willen des D konkretisiert, indem er offenbar für Rechnung des D handelt, und bejahendenfalls, ob G nach außen (gegenüber S) zur maßgeblichen Fremdwillensbildung befugt erscheint oder nicht.82 Auch dabei ergibt es sich allein aus der Tatsache, dass eine Rechtskreisöffnung des D bereits gegenüber G vorliegt und G befugt ist, die Positionen des D den Gefahren Anderer auszusetzen, nicht notwendigerweise, dass insoweit gegenüber S eine Rechtskreisöffnung des D vorgenommen wird. Es ist vielmehr möglich, dass G dabei nicht für Rechnung des D, sondern vielmehr allein für sich selbst handelt: G kann die ihm von D zur Verfügung gestellten Rechte, Rechtsgüter und Interessen im eigenen Verantwortungsbereich als eigene Positionen im Rahmen einer eigenen Rechtskreisöffnung den Einwirkungsmöglichkeiten des S aussetzen. In einem solchen Fall vertraut D seine Positionen allein dem G an, der diese seinerseits dem S anvertraut. Dann ist auch der Umstand, dass S durch die Einmischung des G mit den Positionen des D in Kontakt kommt, als eine Angelegenheit zu deuten, die allein das eigene Verhältnis des G zu S berührt. Für das Verhältnis zwischen D und S ist die Anvertrauungshandlung des G gegenüber S hingegen ohne Bedeutung. Dementsprechend können Schutzpflichten des S, die die Positionen des D zum Gegenstand haben, weiterhin nur gegenüber G entstehen. Ein gewichtiges Indiz dafür, dass G in Wahrheit für sich selbst handelt, wenn er dem S Einwirkungsmöglichkeiten auf die ihm von D anvertrauten Rechtsgüter und Interessen eröffnet, stellt die aus der objektivierten Sichtweise des S erkennbare Tatsache ___________ 79

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. b). s. unten 6. Kapitel B. II. 2. c) cc) zur Behandlung der Fälle, in denen S die maßgeblichen Einwirkungsmöglichkeiten im Rahmen seines Einsatzes als Erfüllungsgehilfe des G erlangt. 81 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). 82 Zur angebrachten Vorgehensweise s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd). 80

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dar, dass D die maßgeblichen Positionen vollständig der Verantwortlichkeit des G überlässt.83 Wenn nun G sie weiter dem S anvertraut, so dürfte er dies offenbar für eigene Rechnung und nicht als Konkretisierung eines fremden Willens tun. Im Beispiel etwa, dass G dem D eine Wohnung vermietet, ist zwar klar, dass eine Rechtskreisöffnung des D gegenüber seinem Vermieter vorliegt, die während des ganzen Mietverhältnisses andauert. Beauftragt nun G den Unternehmer S mit der Renovierung seiner eigenen Wohnung, die neben der von D bewohnten Mietwohnung liegt, so werden dadurch dem S wegen der räumlichen Nähe zu D Einwirkungsmöglichkeiten auf dessen Rechtsgüter eingeräumt. In diesem Fall erlangt der Unternehmer S beim Betreten der Wohnung des G oder sogar der gemeinsam von G und D benutzten Räume (etwa Flur) Einwirkungsmöglichkeiten auf das Eigentum und den Körper des D nicht durch eine unmittelbare Handlung des D. Deshalb kommt es darauf an, wie S das Verhalten des G, der die maßgeblichen Einwirkungsmöglichkeiten eröffnet hat, hinsichtlich einer etwaigen Konkretisierung des Willens seines Mieters (D) interpretieren soll. Die entscheidende Frage lautet, ob S in der Handlung des G (Zugangsgewährung) eine befugte, den Rechtskreisöffnungswillen des D verkörpernde, Dritteinmischung sehen muss. Eine Beurteilung der Lage in dem Sinne, dass G durch die Zugangsgewährung an S auch die entsprechende Willensbildung für D vornähme, scheidet jedoch hierbei problemlos aus. Denn angesichts der Tatsache, dass D als Mieter seine Rechtsgüter vollkommen der Verantwortlichkeit seines Vermieters (G) überlässt, handelt G offenbar nicht als Interessenvertreter des D, wenn er dem S die entsprechenden Einwirkungsmöglichkeiten eröffnet, sondern tritt insoweit für sich selbst auf, nämlich im Rahmen der Wahrnehmung seiner Verantwortung gegenüber D. Das gegenteilige Ergebnis, d.h. die Annahme einer selbständigen, durch G vermittelten Rechtskreisöffnung des D dem S gegenüber, könnte vielleicht in der Fallvariation angebracht sein, dass S zur Durchführung seiner Arbeit die Wohnung des D betreten muss, die G mit dem von D „für alle Fälle“ überlassenen Schlüssel dem S zugänglich macht. Betrachtet man in dieser Hinsicht auch die Fälle, in denen die Schutzwirkung des Mietverhältnisses zwischen dem Vermieter (G) und dem Mieter (S) zu Gunsten eines Mitmieters (D) in Frage steht, so muss man zu einem Schluss kommen, der die in der Rechtsprechung geläufige, das SSD ablehnende Meinung zumindest im Rahmen des Schutzpflichtmodells bestätigt.84 Ein direkt auf S gerichteter Rechtskreisöffnungswille des D scheidet in dieser Konstellation aus, weil D seinen Rechtskreis anscheinend nur seinem Vermieter G gegenüber öffnet. Da ferner D seine Rechtsgüter insoweit der alleinigen Verantwortlichkeit ___________ 83 Diese Lage deutet natürlich auch darauf hin, dass insoweit keine unvermittelte eigenständige Rechtskreisöffnung des D gegenüber S vorliegt. 84 s. oben 2. Kapitel A. II. 1., Fallkonstellation 3 – „vorsichtslose Mitmieter“.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

des G überlässt, lässt sich nicht darauf schließen, dass G gegenüber S als Interessenvertreter des D handeln und somit einen Rechtskreisöffnungswillen für D bilden will, wenn er den S als Mieter in das Haus einlässt; vielmehr handelt G dabei offensichtlich allein für sich selbst in seiner Eigenschaft als verantwortlicher Vermieter. Die Einwirkungsmöglichkeiten auf die Positionen eines Mieters (D), die seine Mitmieter (S) durch den Mietvertrag mit dem gemeinsamen Vermieter (G) erlangen, sind also allein der eigenen Rechtskreisöffnung des G gegenüber seinen Mietern zuzurechnen: Sofern G aufgrund des Mietverhältnisses zu D selbst für die Belange seines Mieters verantwortlich ist, eröffnet G dem S Einwirkungsmöglichkeiten auf seine eigenen Interessen, wenn G den S als Mieter annimmt. Dies betrifft insbesondere das Vermögensinteresse des G, der für den Schaden aufkommen muss (s. § 278 BGB), den S in seiner Eigenschaft als Mieter seinem Mitmieter D zufügt.85

cc) Insbesondere: Rechtskreisöffnung im Verhältnis zum Erfüllungsgehilfen des Gläubigers Obwohl die Interpretation der Lage hinsichtlich des Vorliegens und der Richtung einer Rechtskreisöffnung des D alle einschlägigen Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss,86 kann man hier allgemein etwa die Regel aufstellen, dass eine eigenständige Rechtskreisöffnung des D gegenüber S grundsätzlich verneint werden muss, wenn S Einwirkungsmöglichkeiten auf die Positionen des D allein deshalb erlangt, weil S von G als dessen Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 BGB zwecks Erfüllung einer Verbindlichkeit des G gegenüber D eingesetzt wird, und diese Einwirkungsmöglichkeiten in untrennbarem Zusammenhang mit der Erfüllung dieser Verbindlichkeit stehen. Entscheidend für diese Schlussfolgerung ist natürlich die Rechtslage: G ist aufgrund des Schuldverhältnisses zu D der alleinige Verantwortliche für die ordnungsgemäße Ver___________ 85 Mit ähnlichen Überlegungen sind auch weitere Fälle zu lösen, mit denen sich die Rechtsprechung beschäftigt hat. Man muss beispielsweise der Entscheidung des BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927 – s. die Fallgestaltung oben in 2. Kapitel bei Fn. 123 – im Ergebnis zustimmen. Das entscheidende Argument liegt allerdings weder darin, dass D mit der Hauptleistung des S (Zahlung der vereinbarten Vergütung – s. § 631 I BGB) nicht in Berührung kommt, noch darin, dass D wegen der eigenen Ansprüche gemäß §§ 633 ff BGB gegen G nicht schutzbedürftig wäre (a.a.O. S. 2929), sondern darin, dass die Rechtskreisöffnung des D offenbar allein auf den Unternehmer G und nicht auf dessen Kunden (S) gerichtet ist. Aber auch das Verhalten des G, der das Eigentum des D mit den Sachen des S in Kontakt bringt, ist aus der Sichtweise des S [s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd) (3)] nicht dahin zu verstehen, dass G als Interessenvertreter des D dessen Rechtskreisöffnungswillen bilden wollte; G handelt dabei offenbar im Rahmen der eigenen Verantwortung für die Sachen des D und somit allein für sich selbst. 86 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a).

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bindlichkeitserfüllung. Mangels abweichender Anhaltspunkte liegt es also unter der objektivierten Sichtweise des S in aller Regel nahe anzunehmen, dass D den realen Willen aufweist, seine Positionen, sofern sie bei der maßgeblichen Leistungserbringung gefährdet werden, der alleinigen Verantwortlichkeit des G zu überlassen, wenn D zur Ermöglichung bzw. Erleichterung der Verbindlichkeitserfüllung Einwirkungsmöglichkeiten auf seine Positionen eröffnet. Dies gilt auch dann, wenn D weiß und sogar akzeptiert, dass G seine Verbindlichkeit nicht persönlich erfüllen, sondern dabei weitere Personen (S) einsetzen wird. Demnach kann man grundsätzlich nicht nur ausschließen, dass D selbst eine direkte Rechtskreisöffnung hinsichtlich dieser Gefahren auch gegenüber S vornähme, sondern auch, dass G gegenüber S einen dahin gerichteten Willen des D bildete bzw. konkretisierte, wenn G den S als seinen Erfüllungsgehilfen einsetzt und ihn somit in Kontakt mit den Rechtsgütern und Interessen des D bringt: Wenn G zur Wahrnehmung seiner Verbindlichkeit gegenüber D die fremden Positionen weiteren Personen (hier dem S als dessen Erfüllungsgehilfen) anvertraut, so handelt es sich dabei um einen eigenen Rechtskreisöffnungswillen des G hinsichtlich seiner eigenen, mit den gefährdeten Positionen des D verbundenen Interessen, da G offenbar im Rahmen der ihm von D übertragenen Verantwortlichkeit agiert. Eine objektivierte Betrachtung zeigt, dass S insofern allein im Rahmen der Wahrnehmung einer Angelegenheit des G in Kontakt mit den fremden Positionen kommt. Diese Annahmen können vielleicht am Beispielsfall veranschaulicht werden, dass S in der Werkstatt des G arbeitet und somit häufig mit Sachen in Berührung kommt, die nicht dem G selbst, sondern seinen Kunden (D) gehören: S darf in der Überlassung einer Sache zur Reparatur keine Rechtskreisöffnung ihres Eigentümers (D) ihm selbst gegenüber ansehen. D öffnet hingegen allein dem G Einwirkungsmöglichkeiten auf die aufgrund des entsprechenden Werkvertrages in die Werkstatt eingebrachten Sachen, während für D grundsätzlich irrelevant sein dürfte, ob G persönlich oder mit Hilfe weiterer Personen (hier S) seine Verpflichtungen erfüllen wird, sowie, welche diese Personen sein sollen, solange freilich ihr Einsatz im alleinigen Verantwortungsbereich des G selbst erfolgt. In Bezug auf alle Sachen, an denen S bei entsprechender Anweisung seines Arbeitgebers (G) arbeiten muss, muss S folglich allein eine Rechtskreisöffnung des G selbst und zwar unabhängig davon annehmen, wem (G oder D) im konkreten Fall die zu behandelnden Sachen gehören: Gehören sie nicht dem G selbst, so liegt eine Rechtskreisöffnung des G gegenüber S insoweit vor, als G mit der sorgfältigen Arbeit des S an diesen Sachen zumindest Vermögensinteressen etwa in der Form eines Schadensersatzanspruchs des Eigentümers gegen ihn (s. § 278 BGB) verbindet. In der Anweisung des G an S, an einer Sache des D zu arbeiten, wird demnach keine Konkretisierung des Willens des D, sondern allein ein eigener Wille des G geäußert. Wegen seiner ausschließlichen Verantwortlichkeit für die mit der Leistungserbringung verbundenen Gefahren

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tritt G gegenüber S offenbar lediglich für sich selbst, nicht hingegen als Interessenvertreter des D auf.87 Diese Überlegungen treffen hingegen nicht in der Konstellation zu, dass G die Ausführung des von D erteilten Auftrags (§ 662 BGB), das Auto des D zu verkaufen, dem S im Sinne von § 664 I BGB zulässigerweise überträgt und ihm das zu verkaufende Auto auch übergibt. Vielmehr erscheint hier der entgegengesetzte Ausgangspunkt angebracht: S muss davon ausgehen, dass die ihm gegenüber erfolgte Eröffnung von Einwirkungsmöglichkeiten auf das Eigentum des D eine durch G vermittelte, vom Willen des D gedeckte Rechtskreisöffnung des D selbst darstellt, die ihn zum Schutzpflichtschuldner des D machen kann. Denn G tritt gegenüber S (auch) für Rechnung bzw. als Interessenvertreter des D auf, indem er dem S die Erledigung keiner eigenen, sondern einer fremden Angelegenheit als solche anvertraut. G ist mit der Übertragung der Auftragsausführung nicht mehr für die Positionen des D verantwortlich (auch nicht im Sinne von § 278 BGB). Er erfüllt seine Verpflichtung gegenüber D nicht durch die Ausführung des Auftrages selbst, sondern lediglich durch ihre Übertragung an S, so dass S mit der Durchführung des übertragenen Auftrages und somit mit der Beachtung seiner Pflichten gegenüber G in Wahrheit unmittelbar ein Geschäft des D selbst führen soll. ___________ 87

Mit diesen Überlegungen ist der Entscheidung des BGH v. 16.6.1987, NJW 1987, 2510, im Ergebnis zuzustimmen (s. zum Sachverhalt oben 2. Kapitel A. II. 3., Fallkonstellation 7 – „Arbeitsverhältnis“). Die Ablehnung des Drittschutzes im Sinne des Schutzpflichtmodells ist allerdings nicht mit dem angeblich unüberschaubaren Kreis geschützter Personen zu begründen. Denn abgesehen davon, dass dieser Personenkreis von der Rechtsprechung in anderen Drittschutzfällen ohne besondere Probleme ähnlich weit ausgedehnt wird (s. etwa oben 2. Kapitel A. II. 2., Fallkonstellation 5 – „Obhut über fremde Sachen“), müsste man die Drittschutzwirkung hier auch dann ablehnen, wenn die Aufgabe des Wachmanns (S) allein in der Bewachung von Sachen des D bestünde – diese Bestimmtheit ist in dieser Konstellation etwa in Bezug auf den mit G vertraglich verbundenen Lagerhalter gegeben, der ebenfalls als geschützter Dritter in Frage kommt. Der entscheidende Gesichtspunkt liegt hingegen darin, dass D Einwirkungsmöglichkeiten auf seine Sachen nicht dem S selbst, sondern nur dem Lagerhalter eröffnet hat, mit dem er vertraglich (offenbar im Sinne von §§ 688 ff BGB) verbunden war. Mit der gleichen Argumentation ist in der vorliegenden Konstellation ferner die Drittschutzwirkung nicht nur in Bezug auf die Haftung des Wachmanns S gegenüber dem Sacheigentümer D, sondern auch in Bezug auf die Haftung des S gegenüber dem Lagerhalter sowie auf die Haftung des G gegenüber D abzulehnen. In ähnlicher Weise ist des Weiteren die Rechtsprechung des BGH auch insoweit zu befürworten, als sie die Schutzwirkung des Hauptmietverhältnisses zu Gunsten des Untermieters ablehnt (s. oben 2. Kapitel bei Fn. 42). Dieses Ergebnis bedarf jedoch im Rahmen des Schutzpflichtmodells nicht der Begründung mit der fehlenden Schutzbedürftigkeit des Untermieters. Das entscheidende Argument liegt vielmehr in der Wertung, dass der Untermieter (D) seinen Rechtskreis allein gegenüber seinem unmittelbaren Vertragspartner, nämlich dem Hauptmieter (G), ohne Rücksicht darauf öffnet, ob er seine Pflichten aus dem Mietverhältnis selbst oder durch einen Erfüllungsgehilfen, nämlich den Hauptvermieter (S) erfüllt.

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Natürlich ist eine einschlägige Stellungnahme häufig schwieriger. Auch in Fällen, in denen S eindeutig als Erfüllungsgehilfe des G in Bezug auf eine Pflicht des Letztgenannten gegenüber D auftritt, ist je nach den konkreten, besonderen Umständen eine Rechtskreisöffnung des D an S anzunehmen, wenn S im Verhalten des D eine weitere, an ihn persönlich gerichtete Erlaubnis zur Berührung der Rechtsgütersphäre des D neben jener sehen muss, die D im Rahmen seiner Schuldbeziehung zu G diesem gegenüber eingeräumt hat. Diese Voraussetzung scheint etwa in dem Fall erfüllt zu sein, dass D nach persönlichen Gesprächen mit den in Frage kommenden Personen denjenigen (S) auswählt, den G für die Erfüllung seiner Verpflichtung gegenüber D einsetzen soll, weil in dieser Auswahl offenbar eine besondere positive Entscheidung des D für die Person des S selbst liegt. Außerdem ist die Frage nach einer eigenständigen Rechtskreisöffnung des D gegenüber dem Erfüllungsgehilfen (S) des G vielleicht in den Fällen zu bejahen, in denen D im Rahmen der maßgeblichen Leistungserbringung eine besonders umfangreiche bzw. intensive Berührung des S mit seinen Rechten, Rechtsgütern und Interessen zulässt.88 Neben den Fällen, in denen S als Erfüllungsgehilfe des G in Berührung mit den Positionen des D kommt, ist freilich auch die umgekehrte Konstellation möglich: D kann als Erfüllungsgehilfe des G bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit des G gegenüber S beteiligt sein und dabei seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen den Einwirkungsmöglichkeiten des S aussetzen. Auch hier tritt die Frage auf, ob D nicht nur dem G, sondern auch dem S gegenüber seinen Rechtskreis öffnet und somit als Begünstigter im Sinne des SSD in Betracht kommt. Als Beispiele kann man etwa zwei Konstellationen anführen. Bei der ersten Variante arbeitet D im Betrieb des G und kommt dadurch mit gefährlichen Maschinen und Stoffen in Kontakt, die nicht unbedingt dem G, sondern möglicherweise dem S gehören.89 Bei der zweiten Variante arbeitet D für den ___________ 88 Tatsächlich, sollte man möglicherweise der Entscheidung des BGH v. 18.1.1968, NJW 1968, 1323, im Ergebnis zustimmen (s. die Fallgestaltung oben 2. Kapitel A. II. 1., Fallkonstellation 4 – „Hausverwaltungsvertrag“). Denn G (Vermieter) hat keine unmittelbare Verbindung zu seinem Mieter und dessen Hausgenossen, sondern ist an der Mietwohnung allein kapitalmäßig interessiert und hat alles, was mit der Auswahl der Mieter, dem Abschluss der Mietverträge, der Betreuung des Hauses und seiner Bewohner zusammenhängt, dem Hausverwalter S übertragen (a.a.O. S. 1324). Man könnte in der Tatsache, dass der Mieter (Vater des D) und durch ihn auch D allein mit S in Verbindung stehen, ohne jeden Kontakt mit G aufzunehmen, eine entsprechende, eigenständige Rechtskreisöffnung des D und seines Vaters auch an S selbst erblicken. Die in faktischer Hinsicht dominierende Rolle des S in dieser Konstellation deutet nämlich darauf hin, dass die Mieter ihre Rechtsgüter ihm anvertrauen. Auf eine solche Deutung könnten eventuell weitere Umstände hinweisen, wie z.B. die Tatsache, dass sich die Mieter primär direkt an S wenden würden, wenn sie Probleme mit der Mietwohnung hätten usw.; wie mehrmals betont [s. z.B. oben 6. Kapitel B. II. 2. a)] kann erst die Bewertung aller einschlägigen Gegebenheiten des Einzelfalls zu konkreten Ergebnissen führen. 89 Vgl. die in 2. Kapitel Fn. 131 angeführten Konstellationen.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Beratungsunternehmer G und wird im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zu G zum Klienten S des G geschickt, um bei ihm als Erfüllungsgehilfe des G tätig zu werden. In beiden Varianten liegt freilich eine Rechtskreisöffnung des D gegenüber G vor; allerdings wird D auch durch S gefährdet. Hinsichtlich des Vorliegens einer Rechtskreisöffnung des D gegenüber S selbst muss man in diesen Fallvariationen eine jeweils unterschiedliche Beurteilung vornehmen. Bei der ersten Variante scheint D seine Rechtsgüter im hier maßgeblichen Sinne allein den Einwirkungsmöglichkeiten des G auszusetzen. Denn, obgleich D mit Gefahren in Berührung kommt, die aus den fremden Stoffen und Maschinen stammen, muss man sie grundsätzlich als Gefahren einstufen, die aus der Sphäre des G selbst herkommen, der auswählt, welche Stoffe und Maschinen er in seinen Betrieb bringt. Für D dürften die Eigentumsverhältnisse in Bezug auf die Maschinen und Stoffe, an denen er in jedem konkreten Fall arbeitet, keinen Unterschied machen, sofern die Gefahren vollkommen von G beherrscht zu werden scheinen. Demgegenüber sollte man in der zweiten Variante eher den gegenteiligen Ausgangspunkt, nämlich eine zusätzliche Rechtskreisöffnung des D gegenüber S annehmen, die im Vergleich zur bereits gegenüber G vorliegenden Rechtskreisöffnung eigenständig ist. Die Gefahren, denen sich D beim Besuch bei S (dem Klienten des G) aussetzt, stammen gemäß seiner objektivierten Sichtweise eher von S als von G, wenngleich der Letztgenannte bestimmt, bei wem D arbeiten soll. Insofern würde es für D sehr wohl einen Unterschied machen, ob er in seinem durch G eingerichteten und gewarteten Büro oder beim Klienten (S) arbeitet, bei dem G keinen tatsächlichen Einfluss im Hinblick auf die sichere Einrichtung der Arbeitsräume hat, die S dem D bei seiner Beratungstätigkeit zur Verfügung stellt. Die Notwendigkeit einer unterschiedlichen Behandlung beider Varianten scheint ferner durch die Feststellung bestätigt zu werden, dass man nur bei der zweiten Variante von einer Zusammenarbeit zwischen S und D ausgehen könnte. Bei der ersten Variante kann man von einer wirklichen Zusammenwirkung nur im Verhältnis zwischen G und S sowie im Verhältnis zwischen G und D sprechen, kaum hingegen – wegen des nur vermittelten Kontakts – im Verhältnis zwischen D und S.90 ___________ 90

s. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. b) zur Grundfrage der Schutzpflichtentstehung in dreipoligen Beziehungen. Mit solchen Argumenten muss man die in 2. Kapitel Fn. 131 erwähnten Fälle anders entscheiden als der BGH (ebenso ablehnend, allerdings aufgrund vollkommen anderweitiger Überlegungen, etwa Ziegltrum, S. 188 ff). Die Drittschutzwirkung im Sinne des Schutzpflichtmodells scheidet hier deshalb aus, weil eine Rechtskreisöffnung des D anscheinend allein gegenüber G vorliegt: Unabhängig davon, dass D sehr wahrscheinlich nicht wissen kann, dass er in Berührung mit der Gefahrensphäre des S kommt, ist der Kontakt des D mit allen Stoffen und Maschinen im Betrieb des G grundsätzlich als Teil der Einwirkungsmöglichkeiten zu verstehen, die D in Bezug auf seine Rechtsgüter (hier körperliche Unversehrtheit) seinem Arbeitgeber eröffnet. Von diesen Argumenten abgesehen ist in den angesprochenen Sachverhalten auch die Tatsache problematisch, dass D gar nicht an der Kaufvertragsabwicklung (zwischen G und S)

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In Bezug auf die soeben gemachten Ausführungen fragt es sich nach dem Grund, aus dem der Fall, dass S als Erfüllungsgehilfe des G bei der Bewirkung einer dem D geschuldeten Leistung auftritt, hinsichtlich einer eigenständigen Rechtskreisöffnung des D gegenüber S grundsätzlich anders beurteilt werden soll als der Fall, in dem D als Erfüllungsgehilfe des G den Schädigungsmöglichkeiten des S unterliegt. Während in der ersten Variante der – im konkreten Fall freilich widerlegbare – Grundsatz aufgestellt wird, dass eine Rechtskreisöffnung des D gegenüber S in der Regel abzulehnen ist, wird in der zweiten Variante eine Beurteilung der Lage ohne einen bestimmten Ausgangspunkt (für oder gegen das Vorliegen einer Rechtskreisöffnung des D) gefordert. Der entscheidende Unterschied liegt m.E. in den unterschiedlichen Graden, in denen man die Gefahren, die die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des D bedrohen, in tatsächlicher Hinsicht jeweils als von G her kommend betrachten muss (Gefahrenherkunft). Zu einem entsprechenden Schluss können insbesondere die legitimen Erwartungen des D hinsichtlich der wirklichen Gefahrbeherrschbarkeit durch eigene Handlungen des G dienen. Dabei kommt es freilich nicht darauf an, wem nach der konkreten Rechtslage die Gefahr für die Positionen des D etwa mit Hilfe von § 278 BGB schließlich zuzurechnen ist. Maßgeblich ist hingegen die faktische Lage, wie diese von den Beteiligten wahrgenommen wird und ihren realen Willen zur Zusammenarbeit beeinflusst. Es wird also allein auf die wirklichen Erwartungen der Beteiligten abgestellt, wie diese unter der objektivierten Sichtweise des jeweiligen Willensempfängers – unter anderem auch mit Hilfe der bestehenden Rechtslage – zu ermitteln sind.91 In dem Fall, dass S als Erfüllungsgehilfe des G auftritt, kann man von G selbstverständlich die ordnungsgemäße Pflichterfüllung erwarten. Die mit der Erfüllung der Verbindlichkeit des G verbundenen Gefahren für die Positionen seines Gläubigers (D) sind deshalb dahin zu deuten, dass sie gerade aus der Sphäre des G stammen, weil bzw. sofern sie mit der Verbindlichkeit stehen und fallen, die von Anfang an allein den G trifft. Darüber hinaus kann man ohne weiteres von der Vermeidbarkeit dieser Gefahren durch Handlungen des G (vor allem durch die vorsichtige Auswahl seines Erfüllungsgehilfen – des S) ausgehen und somit von G auch ihre tatsächliche Vermeidung erwarten.92 Wenn nun ___________ mitwirkt, sondern erst nachträglich mit der Kaufsache in Kontakt kommt – s. zu dieser Problematik allgemein unten 6. Kapitel B. II. 2. e). Obgleich hierauf nicht näher eingegangen werden kann, wäre es m.E. richtiger gewesen, die Schädigung des D durch S allein als Schutzpflichtverletzung des G gegenüber D im Sinne von § 278 BGB anzusehen (vgl. § 618 BGB); dadurch wäre es auch möglich, eine Schadensersatzpflicht des S aufgrund seiner Schuldbeziehung zu G diesem gegenüber zu begründen. 91 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). 92 Noch deutlicher in diese Richtung deutet die Lage bei vertraglich begründeten Pflichten des G hin, weil sie auf dem Willen des Schuldners basieren und ihnen insoweit eine gewisse Garantie für die ordnungsgemäße Pflichterfüllung entnommen werden kann.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

D im Hinblick auf die geschuldete Pflichterfüllung seinen Rechtskreis öffnet, so kann man davon ausgehen, dass diese Rechtskreisöffnung demjenigen gegenüber vorgenommen wird, der angesichts seiner Verpflichtung zur maßgeblichen Leistungserbringung auch in tatsächlicher Hinsicht offenbar die Quelle der mit den zu erbringenden Leistungen verbundenen Gefahren darstellt und anscheinend diese zu beherrschen vermag, nämlich gegenüber G. Da ferner S zur Erfüllung einer Verbindlichkeit des G tätig wird, kann man folglich ohne weiteres davon ausgehen, dass er lediglich anstelle des G auftritt: S „repräsentiert“ den G insoweit, als G nicht persönlich, sondern durch S seine Verpflichtung gegenüber D erfüllt, und folglich auch insoweit, als G wegen der entsprechenden Einwirkungsmöglichkeiten in die Lage versetzt wird, die ihm anvertrauten Positionen des D zu schädigen. Die Schädigungsmöglichkeiten des S sind also, soweit sie mit der Erfüllung der Verpflichtung des G eng verbunden sind, geradezu jene, die D bereits dem G eröffnet hat, so dass die Annahme einer Rechtskreisöffnung des D gegenüber S Gefahren erfassen würde, die in tatsächlicher Hinsicht bereits dem G zugerechnet werden. Erst beim Vorliegen besonderer Umstände muss man für diese Gefahren eine zusätzliche Rechtskreisöffnung des D gegenüber S selbst anerkennen; in der Regel muss man jedoch eine solche ablehnen.93 ___________ 93

In diesem Zusammenhang ist dem eventuellen Missverständnis vorzubeugen, zu den Faktoren, die die hier befürwortete Interpretation stützen, gehöre auch die häufig vorhandene schwächere wirtschaftliche oder soziale Stellung des Erfüllungsgehilfen, der folglich nicht ohne weiteres mit direkten Schutzpflichten gegenüber Dritten belastet werden solle. M.E. darf jedoch eine solche Lage für die Drittschutzwirkung im Sinne des Schutzpflichtmodells ebenso wenig berücksichtig werden, wie für die Schutzpflichtentstehung im Rahmen rein zweipoliger Beziehungen: Obgleich bei den angeführten Beispielen als Erfüllungsgehilfe des G sein (oft wirklich sozial bzw. wirtschaftlich schwächerer) Arbeitnehmer handelt, kann man sich an der Stelle des Erfüllungsgehilfen des G auch natürliche oder juristische Personen vorstellen, die keineswegs eine schwache Stellung innehaben. Auch bei ihnen gelten die gleichen Prämissen. Ebenfalls ist es möglich, gegenüber dem normalerweise schwächeren Arbeitnehmer (S) des G nach den konkreten Umständen eine eigenständige Rechtskreisöffnung des D und somit die Schutzpflichtentstehung zulasten des S unabhängig davon anzuerkennen, ob D eine Einzelperson oder eine wirtschaftlich starke Firma ist. Diese Schlussfolgerung lässt sich etwa in der Konstellation einer Arbeitnehmerüberlassung tatsächlich ziehen: Da der Verleiher (G) nicht für die Erbringung der Arbeitsleistung an sich verantwortlich ist, ist der Arbeitnehmer S gegenüber dem Entleiher (D) nicht als Erfüllungsgehilfe des G im Sinne von § 278 BGB anzusehen – s. etwa Walker, AcP 194 (1994), 298 mit weiteren Nachweisen. Insofern kann man unter der objektivierten Sichtweise des D die Gefahren, die mit der Aufnahme des S in seinem Betrieb entstehen, grundsätzlich nicht unter den faktischen Gefahrbeherrschungsbereich des G einordnen. Die tatsächliche Gefahrenherkunft scheint vielmehr allein in der Verantwortungssphäre des S zu liegen. Zu beachten ist allerdings, dass der hier vertretenen Ablehnung von Argumenten über die sozial bzw. wirtschaftlich schwache Stellung des S die Feststellung nicht widerspricht, dass eine solche Lage mit Tatbestandsmerkmalen verbunden sein kann wie etwa fehlende Gefahrbeherrschbarkeit, die in diesem Zusammenhang wirklich von Bedeutung sein können.

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Demgegenüber ist die Gefahr einer Schädigung des D bei seinem Einsatz als Erfüllungsgehilfe des G faktisch gesehen nicht immer ohne weiteres dem G zuzurechen. Vielmehr soll erst die Beurteilung der jeweils konkret vorhandenen Umstände aufzeigen, ob und inwiefern diese Gefahr offenbar von G selbst stammt und dieser auch noch die faktische Möglichkeit hat, sie zu beherrschen. Ist dies nicht der Fall, so muss man die Vermutung zugrunde legen, dass G die fraglichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Positionen des D in Wahrheit nicht erlangt und somit die erfolgte Rechtskreisöffnung des D gegenüber ihm nicht so weit reicht. Das Gegenteil gilt für S, den Gläubiger des G, sofern die von der Rechtskreisöffnung des D gegenüber G nicht gedeckten Gefahren offenbar von ihm stammen und von ihm folglich auch die faktische Gefahrbeherrschung erwartet werden kann. In einem solchen Fall liegt es nahe anzunehmen, dass die Einwirkungsmöglichkeiten des S auf die Positionen des D mit dessen unmittelbar gegenüber S vorgenommener Rechtskreisöffnung zusammenhängen; dann kommt S als unmittelbarer Schutzpflichtschuldner des D tatsächlich in Betracht.

dd) Insbesondere: Die Rechtskreisöffnung bei Stellvertretung Ebenfalls in zweierlei Hinsicht stellt sich des Weiteren die Rechtskreisöffnungsfrage in der Konstellation einer Stellvertretung beim Vertragsschluss: Es fragt sich zum einen, ob der Vertreter (A) des G seine Positionen dem (künftigen) Vertragspartner (B) seines Auftraggebers im Sinne einer Rechtskreisöffnung aussetzt, sowie zum anderen, ob B selbst beim Vertragsschluss mit A eine Rechtskreisöffnung gerade diesem gegenüber vornimmt. Die erste Frage ist dafür maßgeblich, ob Schutzpflichten zu Gunsten des A (Schutzwirkung des zustande zu kommenden Vertragsverhältnisses zwischen G und B), die zweite dafür, ob Schutzpflichten des Vertreters zu Gunsten des B entstehen (Schutzwirkung des Schuldverhältnisses – etwa Auftrag gemäß § 662 BGB –, das den G mit seinem Vertreter (A) verbindet). M.E. ist zunächst das Vorliegen einer Rechtskreisöffnung seitens des A direkt gegenüber B grundsätzlich zu bejahen, und zwar unabhängig davon, ob man eine entsprechende Rechtskreisöffnung des A auch gegenüber G feststellen will. Zu den Gesichtspunkten, die diese Schlussfolgerung untermauern könnten, zählt – neben der Unmittelbarkeit des Kontakts zwischen A und B – vor allem die Feststellung, dass sich die Tätigkeit des B aus der Sichtweise des A nicht dem Verantwortungsbereich des G zuordnen lässt. B nimmt am Vorgang der Vertragsanbahnung offenbar freiwillig teil (Stichwort: Vertragsfreiheit) und ist gegenüber G auch eigenständig, er muss nämlich keine Anweisungen des G befolgen. Dementsprechend sind die aus der Sphäre des B stammenden Gefahren in faktischer Hinsicht nur ausnahmsweise unter den Gefahrbeherrschungsbereich des G einzuordnen – A darf kaum erwarten, dass G die maßgeblichen Ge-

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

fahren beherrschen kann bzw. muss –, sondern vielmehr als neue, aus der Sphäre des B stammende Gefahren anzusehen. Die Einwirkungsmöglichkeiten, die A dem B beim Vertragsschluss gewährt, werden grundsätzlich nicht von denjenigen abgedeckt, die A im Rahmen einer etwaigen Rechtskreisöffnung gegenüber G bereits eingeräumt hat. Insoweit vertraut A seine Positionen tatsächlich dem B an, so dass eine eigenständige Rechtskreisöffnung diesem gegenüber angenommen werden muss. Fragt man nun nach der entsprechenden Rechtskreisöffnung des B gegenüber A, so ist sie in vielen Fällen nicht nur wegen des direkten, persönlichen Kontakts zwischen A und B zu bejahen, sondern auch im Hinblick auf den entscheidenden Punkt einer häufig vorhandenen faktischen Eigenständigkeit des Vertreters (A) gegenüber Anweisungen des Vertretenen (G). Beauftragt etwa G den Rechtsanwalt A mit dem Abschluss eines Kaufvertrages im Namen des G über ein Grundstück des B und treffen sich A und B in der Wohnung des B, um Einzelheiten über den Vertrag zu besprechen, so liegt sowohl eine Rechtskreisöffnung des A gegenüber B als auch eine solche des B gegenüber A vor, wenn A die Wohnung des B betritt. Denn weder die Rechtskreisöffnung des A gegenüber seinem Auftraggeber (G) noch die Rechtskreisöffnung des B gegenüber seinem eigentlichen Verhandlungspartner (G) deckt hier in faktischer Hinsicht die Einwirkungsmöglichkeiten, die mit dem Zusammentreffen von A und B für beide jeweils verbunden sind. Angesichts der Kriterien der Gefahrenherkunft bzw. Gefahrbeherrschbarkeit müssen diese im Rahmen weiterer eigenständiger, gegenseitiger Rechtskreisöffnungen zwischen A und B erfasst werden.94 Man muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass schließlich die konkreten Umstände des jeweils vorliegenden Falls entscheidend sind. Es ist also durchaus möglich, dass die mit der Vertretertätigkeit verbundenen Gefahren sowohl für den Vertreter selbst (A), als auch für dessen Vertragsschluss- bzw. Verhandlungspartner (B) in faktischer Hinsicht dem G zugerechnet werden sollen, dem A und B ihre Rechte, Rechtsgüter und Interessen möglicherweise bereits anvertrauen. Ein erheblicher Unterschied bei der Beurteilung der gegensei___________ 94 Insbesondere zu den Schutzpflichten des A zu Gunsten des B im Sinne des SSD kann an dieser Stelle bereits vorweggenommen werden, dass es zumindest fraglich ist, ob sich die etwaige Rechtskreisöffnung des B auf die Schuldverhältnisabwicklung zwischen A und G überhaupt bezieht. Denn im Gegensatz etwa zur Vertretungsmacht des A (Außenverhältnis) ist ein möglicherweise bestehendes Schuldverhältnis zwischen G und A (Innenverhältnis – etwa Auftrag gemäß § 662 BGB) für B offensichtlich irrelevant; B wirkt dabei nur im Hinblick auf die anvisierte Vertragsbeziehung zwischen ihm und G mit. Noch eindeutiger muss man den Drittschutz zu Gunsten desjenigen (B) verneinen, der trotz eindeutiger Lage einen Vertrag mit einem Vertreter (A) ohne jede Vertretungsmacht schließt, da die Bezugnahme seiner Rechtskreisöffnung auf ein Schuldverhältnis zwischen dem A und dem „Vertretenen“ ohne weiteres ausscheidet (für die eigenen Schutzpflichten des B gegenüber A in einem solchen Fall s. dagegen oben 6. Kapitel B. II. 1.). Allgemein zur Bezugnahme einer Rechtskreisöffnung auf das fremde Schuldverhältnis s. unten 6. Kapitel B. II. 2. d) und e).

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tigen Einwirkungsmöglichkeiten von A und B ist trotzdem insoweit vorhanden, als die jeweils bestehende Rechtslage95 verschieden ist. Denn die Tätigkeit des mit G noch nicht vertraglich gebundenen B ist rechtlich prinzipiell nicht der Tätigkeit des G zuzurechnen, während der Vertreter (A) notwendigerweise für Rechnung des Vertretenen handelt. Insofern muss man von jeweils unterschiedlichen Standpunkten ausgehen, wenn es darum geht, die tatsächliche Eigenständigkeit des Verhaltens von A und B zu beurteilen: Die Rechtslage indiziert bezüglich einer eventuellen Rechtskreisöffnung des B, dass die für ihn mit der Vertretertätigkeit verbundenen Gefahren aus der Sphäre des Vertretenen (G) stammen, so dass eine eigenständige Rechtskreisöffnung des B gegenüber dem Vertreter (A) eher ausscheidet. In Bezug auf eine Rechtskreisöffnung des A spricht die rechtliche Unabhängigkeit des B von G hingegen eher dafür, dass die dem A drohenden, aus der Sphäre des B quellenden Gefahren allein von ihm selbst, nicht jedoch (auch) von G beherrschbar sind, was eine eigenständige Rechtskreisöffnung des A gegenüber B nahe legt. Am Beispiel des Rechtsanwalts (A), der den G gegenüber B vertritt, widerlegen die konkreten Umstände die erste Vermutung, während sie die zweite bestätigen: Trotz grundsätzlich voller rechtlicher Zurechenbarkeit der Vertretertätigkeit zum Vertretenen (G) muss man hier annehmen, dass diese rechtliche Zurechenbarkeit gemäß den offensichtlichen Erwartungen des B nicht von den entsprechenden tatsächlichen Gefahrbeherrschungsmöglichkeiten des G hinsichtlich des Verhaltens des A begleitet wird (eine Rechtskreisöffnung des B gegenüber A liegt also vor). Demgegenüber geht die weitgehende rechtliche Eigenständigkeit des Verhaltens des B damit einher, dass A nicht erwarten kann, dass sein Auftraggeber G faktisch in der Lage ist, die aus der Sphäre des B stammenden Gefahren zu beherrschen bzw. ihnen entgegenzuwirken. A vertraut seine Rechtsgüter somit allein dem B an, dem die einschlägigen Schädigungsmöglichkeiten (sowohl in rechtlicher96 als auch) in faktischer Hinsicht allein zugerechnet werden müssen.

ee) Anderweitige Verhältnisse zwischen Gläubiger (G) und Drittem (D) Es wurde bereits darauf hingewiesen,97 dass die Grundfrage der Schutzpflichtentstehung in dreipoligen Beziehungen auch dann relevant ist, wenn kein Schuldverhältnis, sondern anderweitige Beziehungen zwischen G und D wie etwa ein Gefälligkeits- oder familienrechtliches Verhältnis den Grund bzw. den ___________ 95

Zur Bedeutung der Rechtslage s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). § 278 BGB scheint im Verhältnis zwischen G und A keine Schäden zu decken, die A von B zugefügt werden. 97 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. b). 96

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Anlass für die Berührung des S mit den Positionen des D darstellen. Auch innerhalb solcher Verhältnisse räumt D dem G oft Einwirkungsmöglichkeiten auf seine Positionen ein, so dass es fraglich ist, ob man in dem Kontakt des S mit den Rechten, Rechtsgütern und Interessen des D eine eigenständige Rechtskreisöffnung des Letztgenannten im hier maßgeblichen Sinne (auch) gegenüber S selbst sehen muss. Als Beispiel kann hier der Fall dienen, dass G seinen Freund D mit einem gemieteten Auto zum Bahnhof fährt und es dabei zu einem Unfall kommt, weil der Autovermieter (S) die Wartung des Autos unsorgfältig geführt und schwerwiegende Mängel (im Sinne von § 536 I BGB) unbeseitigt gelassen hat.98 Auch in solchen Fällen kommt es für die Drittschutzwirkung – im Hinblick etwa auf den Vermögensschaden des D wegen seiner verspäteten Ankunft am Bahnhof – darauf an, ob aufgrund einer objektivierten Betrachtungsweise eine positive Entscheidung des D dafür festgestellt werden kann, dem S selbst Einwirkungsmöglichkeiten auf seine Rechtsgüter und Interessen zu eröffnen. Diesbezüglich ist in diesem Beispiel klar, dass D seine Positionen offenbar allein seinem Freund G ohne Rücksicht darauf anvertraut, wem das Auto gehört bzw. wer das Auto wartet. Die Einwirkungsmöglichkeiten auf D, die dem S faktisch zustehen, werden allein von G eröffnet, der dabei allerdings nicht gemäß dem Willen des D, d.h. als sein Interessenvertreter, sondern lediglich für seine eigene Rechnung zu handeln scheint. Eine abweichende Beurteilung ist etwa dann erforderlich, wenn G und sein Freund D einen Ausflug machen und dafür ein Auto mieten wollen. Wird zur Verwirklichung dieser Absicht allein G zum Mieter, so kann nicht angenommen werden, dass D in Bezug auf den Zustand des Autos seinen Rechtskreis gegenüber G öffnet. Bei hinreichender Erkennbarkeit der maßgeblichen faktischen Umstände muss man vielmehr hinsichtlich der mit dem Auto als Gefahrenquelle verbundenen Schädigungsmöglichkeiten davon ausgehen, dass sowohl G als auch D ihre Rechtsgüterkreise in gleicher Weise direkt gegenüber dem Autovermieter (S) öffnen bzw. dass G den entsprechenden Willen des D gegenüber S konkretisiert, wenn er das Auto für den Ausflug mietet. Die anhand objektiver Anhaltspunkte zu ermittelnde Einstellung von G und D gegenüber dem Autovermieter S ist in diesem Fall für beide die gleiche; diesbezüglich erscheint sogar nur zufällig, wer von den beiden Freunden zu unmittelbarem Vertragspartner des S wird.

___________ 98 Da G gegenüber D keine Verpflichtung erfüllt, sondern nur aus Gefälligkeit handelt, kann der Autovermieter (S) nicht als Erfüllungsgehilfe des G nach § 278 BGB angesehen werden.

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ff) Hervorhebung allgemeiner Anhaltspunkte zur Beurteilung der Lage Die vorangegangene Besprechung konkreter Konstellationen belegt in Bezug auf die Frage, ob D seinen Rechtskreis nicht (nur) gegenüber G, sondern (auch) gegenüber S öffnet, die anfangs aufgestellte Prämisse,99 dass die abschließende Beurteilung der maßgeblichen Lage nicht durch die Anwendung absoluter Regeln erfolgen kann. Allerdings haben die dargestellten Überlegungen zur Hervorhebung einiger allgemeiner Gesichtspunkte beigetragen. Für das Vorliegen einer eigenständigen Rechtskreisöffnung des D gegenüber S selbst spricht zunächst die Unmittelbarkeit und Intensität des Kontakts zwischen D und S: Vor allem der persönliche (im Gegensatz zu einer bloßen Berührung von bzw. mit Sachen), direkte (im Gegensatz zum von Dritten vermittelten Zusammenkommen), räumlich nahe (im Gegensatz zur räumlichen Entfernung), zeitlich andauernde (im Gegensatz zur flüchtigen Begegnung), vertrauensvolle (im Gegensatz zum oberflächlichen Zusammenwirken) Kontakt deutet gerade auf diese Richtung hin. In diesem Sinne ist etwa die Rechtskreisöffnung des im Betrieb des G arbeitenden D gegenüber S grundsätzlich zu verneinen, wenn der einzige Berührungspunkt zwischen D und S darin besteht, dass D bei der Erbringung seiner Dienstleistung im Betrieb des G auch mit Stoffen oder Maschinen arbeiten muss, die dem S gehören. Im Gegenteil ist die Schutzwirkung zu Gunsten des Arbeitnehmers D des G, der zu S geschickt wird, um bei ihm zu arbeiten, wegen des direkten, persönlichen Kontakts zwischen D und S eher, obgleich freilich nicht unbedingt, zu bejahen.100 Darüber hinaus ist die zum Vorschein kommende bzw. von D zu erwartende tatsächliche Beherrschbarkeit seitens des S der dem D drohenden Gefahren ein Indiz dafür, dass D die maßgebliche Gefahrenquelle in Wahrheit nicht in der Sphäre des G, sondern in der Sphäre des S erblicken muss, was ferner einen Rechtskreisöffnungswillen des D gegenüber S selbst belegen kann. Gerade am Merkmal der Gefahrbeherrschbarkeit und der Gefahrenherkunft scheinen sich neben dem jeweils verschiedenen Unmittelbarkeits- und Intensitätsgrad des Kontakts zwischen D und S die soeben erwähnten Beispiele voneinander zu unterscheiden. Zu den Umständen wiederum, die auf die fehlende Gefahrbeherrschbarkeit seitens des G bzw. auf die Nichtherkunft der maßgeblichen Gefahren aus der Sphäre des G und somit auf eine eigenständige Rechtskreisöffnung des D gegenüber S hinweisen, zählen ferner, wie die Beispiele zur Schutzwirkung im Rahmen der Vertretertätigkeit offenbaren,101 insbesondere die weitgehende Freiwilligkeit der maßgeblichen Kontaktaufnahme seitens des ___________ 99 100 101

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). s. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) dd).

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S und die offensichtliche Unabhängigkeit der Tätigkeit des S von Anweisungen im Verhältnis zu G. Dabei ist zwar das – freilich objektivierte – Verständnis der Beteiligten (D und S) über die tatsächliche Lage maßgeblich, die rechtliche Unabhängigkeit des S von G erfüllt jedoch eine gewichtige Indizfunktion: Man kann von der rechtlichen auch auf die tatsächliche Unabhängigkeit der Tätigkeit des S gegenüber G schließen, es sei denn, dass man Gründe für eine abweichende Stellungnahme hat.102 Zur Begründung einer Rechtskreisöffnung des D gegenüber S können darüber hinaus Gegebenheiten beitragen, die belegen, dass D einen besonderen Vorzug für den Kontakt speziell mit S gezeigt hat. Insbesondere dann, wenn D bestimmte Auswahlmöglichkeiten über die Person des S unter mehreren Kandidaten wahrgenommen hat, kann man davon ausgehen, dass D seine Positionen im hier maßgeblichen Sinne (neben dem G auch) dem S anvertraut. Zu den wichtigsten Faktoren, die über eine Rechtskreisöffnung des D gegenüber S und ihre Reichweite entscheiden können, gehört auch die Frage, ob und in welchem Umfang eine vorherige oder gleichzeitige Rechtskreisöffnung des D gegenüber G hinsichtlich der gleichen Vermögenspositionen festgestellt werden kann. Die Tatsache, dass D seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen bereits dem G anvertraut (hat), kann nämlich als ein Indiz dafür bewertet werden, dass eine weitere Anvertrauung an S nicht vorliegt. In diesem Sinne wurde die Feststellung, dass der Gläubiger (D) des G eine Rechtskreisöffnung diesem gegenüber in Bezug auf die mit der Erbringung der geschuldeten Leistung verbundenen Gefahren vorgenommen hat, als ein Argument gegen das gleichzeitige Vorliegen einer entsprechenden Rechtskreisöffnung gegenüber dem Erfüllungsgehilfen (S) des G verwendet. Ebenso kann in umgekehrter Richtung der Umstand, dass eine Rechtskreisöffnung in bestimmter Hinsicht (etwa hinsichtlich des Umfangs oder der Art und Anzahl der anvertrauten Positionen) gegenüber G nicht vorliegt, die Schlussfolgerung einfacher machen, dass D seine Positionen insoweit dem S anvertraut. Dementsprechend wurde im Beispiel der Übertragung (im Sinne von § 664 I BGB) der Ausführung eines Auftrags zum Verkauf eines Autos angenommen, dass gegenüber demjenigen (S), dem die Auftragsausführung vom Beauftragten (G) übertragen wird, eine durch G vermittelte Rechtskreisöffnung des ersten Auftraggebers (D) im Hinblick auf das übergebene Auto vorliegt.103 Dieses Ergebnis stimmt vollkommen mit der Feststellung überein bzw. wird auch durch die Feststellung gestützt, dass eine Rechtskreisöffnung des D gegenüber G in Bezug auf das Auto insoweit nicht vorliegt, als D dem G die Übertragung der Ausführung seines Auftrages erlaubt hat und

___________ 102 103

s. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. a). s. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc).

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G das Auto dem S zu diesem Zweck weitergibt.104 Bei Zugrundelegung dieser Betrachtungsweise kann man davon ausgehen, dass zwei gleichzeitige Rechtskreisöffnungen des D sowohl gegenüber G als auch gegenüber S in Bezug auf die gleichen Positionen und die gleichen bzw. gleichartigen Einwirkungsmöglichkeiten eher ausnahmsweise angenommen werden dürfen.

d) Bezugnahme auf das Schuldverhältnis, das Schutzwirkungen entfalten soll Das Vorliegen einer Rechtskreisöffnung des D gegenüber S, die von S als solche auch angenommen wird, stellt zwar den ersten wichtigen Schritt zur Bejahung eines SSD im Sinne des Schutzpflichtmodells dar, ist allerdings nicht allein entscheidend. Man kann vielmehr häufig Rechtskreisöffnungen auch im rein deliktischen Bereich feststellen, wie etwa in dem Fall, dass ein Fußgänger durch eine vom Grundstückseigentümer dem öffentlichen Verkehr freigegebene Passage geht.105 Wie auch im zweipoligen Schuldverhältnis entstehen Schutzpflichten zu Gunsten des D erst unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass ein hinreichender Bezug der von S angenommenen Rechtskreisöffnung des D zum Zentralpflichtverhältnis von G und S besteht.106 Fehlt diese Bezugnahme, so lässt sich die Entstehung einer Sonderverhaltensordnung zwischen D und S in der Gestalt von Schutzpflichten grundsätzlich unabhängig von der Reichweite bzw. der Intensität der Rechtskreisöffnung des D gegenüber S nicht rechtfertigen.107 Die hier zu behandelnde Frage betrifft die Kriterien, anhand deren das Vorliegen der gesuchten Verbindung zum Schuldverhältnis von G und S beurteilt werden soll.

aa) Das entscheidende Kriterium: Die Mitwirkung des Dritten an der fremden Schuldbeziehung Als Ausgangspunkt soll dabei die funktionelle Erklärung der Schutzpflichten in dreipoligen Beziehungen dienen, nämlich der Zweck zur institutionellen Förderung der Entstehung und vollständigen Abwicklung des Zentralpflichtverhältnisses zwischen G und S durch die Schaffung insgesamt aufwandsgünstiger und vertrauensfördernder Bedingungen der Zusammenarbeit. Dieser Zweck erfor___________ 104 Dieser Feststellung entspricht die Regelung von § 664 I S. 2 BGB, die die Haftung des Beauftragten (hier G) für ein Verschulden desjenigen (hier S) ausschließt, dem der Beauftragte die Ausführung des Auftrages überträgt. 105 s. oben 5. Kapitel bei Fn. 148. S. weitere Beispiele oben 5. Kapitel D. III. 3. a). 106 s. oben 6. Kapitel B. II. 1. 107 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. a).

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dert, dass die normative Verbindung der Rechtskreisöffnung des D mit dem Zentralpflichtverhältnis von G und S dann bejaht wird, wenn sich diese Rechtskreisöffnung als Teil des Vorgangs auffassen lässt, der zur Entstehung und vollständigen Abwicklung des Zentralpflichtverhältnisses zwischen G und S bzw. zur Erledigung der damit zusammenhängenden Angelegenheit führt. Dann liegt eine Mitwirkung des D an der fremden Schuldbeziehung vor, die mit Schutzpflichten gefördert werden soll.108 Die Frage, ob diese Voraussetzung im konkreten Fall erfüllt wird, ist nach den in diesem Zusammenhang allgemein entscheidenden Momenten zu beantworten, nämlich nach den Bestimmungen des Schuldverhältnisses zwischen G und S bzw. nach dem realen Willen der Beteiligten (D und S).109 Ergibt sich also aus der Interpretation des Verhaltens von D und S, dass sie im Rahmen des Vorgangs zur Entstehung oder vollständigen Abwicklung einer künftigen, bereits bestehenden oder sogar im Sinne von § 362 BGB erlöschten, gültigen oder nichtigen Zentralpflichtbeziehung zwischen G und S überhaupt, aber konkret110 zusammenwirken, so darf man ferner keine zusätzlichen Bedingungen stellen. Im Hinblick auf den institutionellen Charakter der Schutzpflichten ist es demnach zunächst unerheblich, wie eng (etwa direkt oder mittelbar) die Zusammenarbeitskonstellation von D und S mit dem maßgeblichen Zentralpflichtverhältnis verbunden ist bzw. wie intensiv und wirkungsvoll die Beteiligten zusammenwirken. Ebenso wenig von Belang ist die Frage, ob die Zusammenarbeit von D und S objektiv betrachtet überhaupt in der Lage ist, zur Entstehung bzw. Abwicklung des Schuldverhältnisses von G und S beizutragen.111 Denn auch in solchen Konstellationen erfordert der Zweck der institutionellen Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung, dass sich die im Hinblick auf ein Zentralpflichtverhältnis zusammenarbeitenden Personen darauf verlassen können, dass ihr Zusammenwirken unabhängig davon geschützt wird, ob sich die immer bestehende Gefahr einer unerkannt gebliebenen Rechtslage (etwa unmöglicher Vertragsschluss) oder einer sonstigen Fehlentwicklung (etwa Vertragsanfechtung) konkret verwirklicht. Damit wird freilich nicht behauptet, dass die Tatsache, dass das Zusammenwirken von D und S keineswegs in der Lage ist, die Entstehung und Abwicklung des Zentralpflichtverhältnisses zwischen G und S irgendwie voranzutreiben (z.B. in dem Fall, dass der geschäftsunfähige D gegenüber S als Vertreter ___________ 108

Zum zentralen Stellung dieses Begriffs s. oben 6. Kapitel B. I. s. bereits oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (1). Obwohl hier meistens von den entsprechenden Willenstatbeständen gesprochen wird, gelten diese Ausführungen mutatis mutandis auch für Zusammenarbeitskonstellationen, die vom Schuldverhältnis zwischen G und S vorgesehen werden. 110 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) ff). 111 s. auch oben 6. Kapitel B. I. und 6. Kapitel B. II. 1. 109

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des G auftritt – s. § 165 BGB), nicht bereits im Rahmen der Interpretation der objektiven Lage erheblich sein könnte. Im Gegenteil stellt dieser Umstand, ebenso wie im einfachen Schuldverhältnis, einen der überhaupt erheblichen Gesichtspunkte dar, die die Auslegung des Verhaltens von D und S in die eine oder die andere Richtung hin beeinflussen können. Seine Bedeutung geht allerdings nicht unbedingt über jene eines jeden anderen Auslegungsfaktors hinaus.112 Diesbezüglich kann man im Allgemeinen die Auslegungsregel aufstellen, dass das Vorliegen einer auf das Zentralpflichtverhältnis von G und S bezogenen Zusammenarbeitskonstellation umso schwieriger anzunehmen ist, je mittelbarer diese zur Entstehung bzw. Abwicklung des maßgeblichen Zentralpflichtverhältnisses oder zur vollständigen Erledigung der damit zusammenhängenden Angelegenheit beitragen kann. Wenn sie nun gar keine fördernde Wirkung auslösen kann, so besteht ein gewichtiges Indiz dafür, dass das Zusammenkommen von D und S in Wahrheit keinen besonderen Bezug zum Schuldverhältnis von G und S aufweist, sondern eher anderweitig zu deuten ist. Wenn beispielsweise der erkennbar geschäftsunfähige (etwa dreijährige) D den Laden des S mit der Absicht betritt, im Namen des G einen Kaufvertrag mit S zu schließen, dann entstehen allein deshalb weder im Hinblick auf eine eigene (zwischen D und S113) noch im Hinblick auf eine fremde Schuldbeziehung (zwischen S und dem „vertretenen“ G) Schutzpflichten des S zu Gunsten des D. Denn das in der Öffnung der Ladentüren verkörperte Verhalten des Ladenbesitzers S ist unter objektiver Betrachtungsweise nicht dahin zu deuten, dass S Rechtskreisöffnungen jener Personen, die einen Vertrag im eigenen oder im fremden Namen offenkundig nicht schließen könnten,114 geradezu im Hinblick auf die Begründung eines entsprechenden Vertragsverhältnisses annimmt.115 Natürlich können die Umstände des konkreten Falls gewichtiger sein, die auf die entgegengesetzte Auslegungsrichtung hinweisen. Am Beispiel des geschäftsunfähigen Vertreters kann etwa der Umstand, dass S mit D über die Möglichkeit eines Vertragsschluss im Namen des G ernsthaft verhandelt, trotz der Geschäftsunfähigkeit des D und somit trotz der objektiven Unmöglichkeit ___________ 112

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). s. allgemein dazu oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (3). 114 Eine andere Beurteilung wäre natürlich angebracht, wenn S Gründe hätte anzunehmen, dass der geschäftsunfähige D als Bote des G auftritt, weil dann ein Vertragsschluss nicht ausgeschlossen ist, s. etwa Erman(11)/Palm, § 165, Rn. 8. 115 Mit solchen Überlegungen kann man unzählige Fälle lösen, in denen die Drittschutzwirkung eines Schuldverhältnisses überhaupt in Frage kommt. Dies gilt etwa für die Drittschutzwirkung eines etwaigen Schuldverhältnisses zwischen G und seinem Vertreter S (etwa Geschäftsbesorgungsvertrag) zu Gunsten desjenigen, der mit S einen Vertrag schließt (s. dazu oben 6. Kapitel B. II. 2. c) dd) und insbesondere Fn. 94) oder für die Drittschutzwirkung eines Beförderungsvertrags zwischen dem Busunternehmer S und einem Reisenden (G) zu Gunsten der (dem G unbekannten) mitreisenden Personen usw. 113

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

des anvisierten Vertragsschlusses als unzweideutiger Nachweis dafür bewertet werden, dass die Rechtskreisöffnung des D, wie diese von S angenommen wird, die erforderliche Verbindung mit dem Schuldverhältnis von G und S tatsächlich aufweist.116 Zu beachten ist diesbezüglich, dass wegen der den Schutzpflichten zugrunde liegenden institutionellen Zweckverfolgung117 grundsätzlich irrelevant ist, ob die Zusammenarbeit von D und S in einem solchen Fall auf einer fehlenden Kenntnis der wahren faktischen Lage (hier der Geschäftsunfähigkeit des D) oder auf einer falschen Vorstellung über die maßgebliche Rechtslage (etwa falsche Auslegung von § 165 BGB) beruht: Da beide Irrtumsvarianten prinzipiell möglich sind und bei deren tatsächlichem Vorkommen im Grunde die gleichen Gefahren verwirklicht werden, trägt die Anerkennung von Schutzpflichten gleichermaßen zur Abschaffung der mit solchen Gefahren verbundenen Ängste bzw. zur Verminderung der notwendigen Gefahrenabwehrmaßnahmen und somit zur Herbeiführung vertrauensfördernder und aufwandsgünstiger Bedingungen der Zusammenarbeit bei. Für die Bezugnahme der Rechtskreisöffnung des D und ihrer Annahme durch S auf die Schuldbeziehung von G und S kommt es zunächst nicht darauf an, in welchem Stadium der Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung (etwa Vertragsverhandlungen) die maßgebliche Drittbeteiligung stattfindet. Der institutionelle Charakter der Rahmenpflichten verbietet die Beschränkung der förderungswürdigen Konstellationen auf jene Fälle, in denen D und S unmittelbar zur Entstehung bzw. Erfüllung gültiger Zentralpflichten zusammenwirken.118 Insofern werden von der funktionellen Erklärung der Schutzpflichten sogar Fälle erfasst, in denen es für die Beteiligten (D und S) klar ist, dass Zentralpflichten im Verhältnis zwischen G und S offenbar nicht (mehr) festgelegt oder erfüllt werden können, so dass sie sich lediglich zur vollständigen Erledigung der dabei übrig gebliebenen Angelegenheiten beteiligen können. Denn die Förderung der Bereitschaft Dritter, sich nach einem planwidrigen Lauf der Dinge zu beteiligen, erhöht bereits im Stadium, das der maßgeblichen Fehlentwicklung vorangeht, beim (möglichen) Zentralpflichtgläubiger und -schuldner selbst die Bereitschaft, trotz drohender Fehlentwicklungsgefahren für die Festlegung und Erfüllung von Zentralpflichten zusammenzuarbeiten. Als Beispiel kann hier etwa der Fall angeführt werden, dass der Bauunternehmer G auf der Grundlage eines (eigentlichen nichtigen) Werkvertrages auf dem Grundstück des Werkbestellers S Gegenstände belassen hat, die zur Durchführung der Bauarbeiten dienen sollen. Wenn G später von der Vertragsnichtigkeit erfährt und seinen Arbeitneh___________ 116 Die Schutzpflichtgläubigereigenschaft des D müsste man auch in rein zweipoliger Hinsicht annehmen, wenn der geschäftsunfähige D und der Ladenbesitzer S Verhandlungen über einen Kaufvertrag im Namen des D selbst führen würden, s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (3). 117 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) dd) in Bezug auf alle Rahmenpflichten. 118 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) dd) und ee) für das zweipolige Schuldverhältnis.

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mer D mit der Rücknahme seiner Sachen beauftragt, so wird D weder bei der Entstehung noch bei der Erfüllung von Zentralpflichten, sondern lediglich zur Ausführung einer Aufgabe eingesetzt, die erst wegen der eingetretenen Fehlentwicklung (Vertragsnichtigkeit) relevant wird. Nach dem hier zugrunde gelegten Konzept darf man allein deswegen die Schutzpflichten des S zu Gunsten des D ebenso wenig verneinen wie die Schutzpflichten zu Gunsten des G selbst, wenn dieser seine Sachen abholen würde. Ebenso wenig wie auf das Stadium der Schuldverhältnisabwicklung darf man entscheidend auf die Frage abstellen, ob die Mitwirkung des D am Zentralpflichtverhältnis von G und S eine formelle oder sogar rechtlich geregelte Gestalt annimmt wie etwa die Stellvertretung im Sinne von §§ 164 ff BGB. Dieser Richtsatz entspricht der Feststellung, dass die Entstehung und Abwicklung von Zentralpflichtbeziehungen keineswegs allein im Rahmen solcher Vorgänge erfolgt. Es ist demnach nur folgerichtig, die Entstehung von Schutzpflichten zu Gunsten des D auch dort zu bejahen, wo seine Mitwirkung am fremden Zentralpflichtverhältnis zwar vorhanden und insoweit auch förderungswürdig, dennoch nicht rechtlich typisiert ist. Mit dieser Argumentation muss man das Schutzpflichtmodell etwa in der Konstellation anwenden, dass G bei der Probefahrt, die er mit dem Gebrauchtwagenhändler S vereinbart hat, auch seinen Freund D mitnimmt, der sich in Autos besser auskennt als G selbst. Die Mitwirkung bei einer Probefahrt wird zwar als solche (zumindest unmittelbar) nicht gesetzlich geregelt, D wirkt dabei jedoch offenbar geradezu im Hinblick auf den künftigen Abschluss des Kaufvertrages zwischen G und S mit. Seine durch die Teilnahme an der Probefahrt vorgenommene und durch S insoweit auch angenommene Rechtskreisöffnung erscheint also gleichermaßen schutzwürdig wie die Rechtskreisöffnung des eigentlichen Verhandlungspartners (G) selbst, zu dessen Gunsten unzweifelhaft Schutzpflichten des S entstehen. Sicher erscheint des Weiteren, dass die Mitwirkung des D nicht unbedingt direkt und eindimensional auf die Entstehung und Abwicklung des Schuldverhältnisses von G und S gerichtet sein muss wie am soeben angeführten Beispiel. Institutionell betrachtet soll die Drittbeteiligung auch dann mit den entsprechenden Schutzpflichten unterstützt werden, wenn sich der fördernde Effekt der Mitwirkung des D für die fremde Schuldbeziehung erst mittelbar ergibt. Es kommt nur darauf an, ob die Beteiligung des D nach den maßgeblichen Kriterien (Inhalt des Schuldverhältnisses von G und S bzw. übereinstimmender realer Wille von D und S119) tatsächlich im Hinblick auf das fremde Schuldverhältnis erfolgt. Schutzpflichten des Gebrauchtwagenhändlers (S) entstehen also zu Gunsten der an der Probefahrt teilnehmenden Personen nicht nur dann, wenn die Meinung dieser Personen über das in Frage kommende Auto für den möglichen Käufer (G) von Bedeutung und somit direkt mit dem bevorstehenden ___________ 119

s. oben 6. Kapitel B. II. 1. sowie 5. Kapitel D. III. 3. c) bb) (2) und cc).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Kaufvertragsschluss verbunden ist. Auch zu Gunsten der vierjährigen Tochter (D) des G, die G mit ins Auto nimmt, werden dem S Schutzpflichten im Sinne des SSD auferlegt, obwohl D offenbar keinen (direkten) Einfluss auf den Kaufvertrag ausüben soll.120 Denn erst die dem G eröffnete Möglichkeit, seine Tochter mitzunehmen und somit seine Aufsichtspflichten ihr gegenüber ununterbrochen zu erfüllen, erlaubt ihm, an der angebotenen Probefahrt teilzunehmen und daraus die entsprechenden Schlüsse über das zu kaufende Auto ungestört zu ziehen. In einem solchen Fall braucht man nicht nachzuweisen bzw. es muss nicht unverkennbar durch das Verhalten der Beteiligten hervortreten, dass G keine Möglichkeit hat, seine Sorgepflicht anderweitig wahrzunehmen als durch die Mitnahme seiner Tochter im Auto, obschon dieser Umstand das hier vertretene Ergebnis freilich bekräftigen würde. Denn bereits die Tatsache, dass G seine Tochter mitnehmen will, erlaubt ohne weiteres den Schluss, dass er dadurch ein (wirkliches oder zumindest nur subjektiv empfundenes) Bedürfnis befriedigt, was ihm folglich die effizientere Teilnahme an der Vertragsanbahnung ermöglicht. Demgegenüber könnte die Weigerung seitens des S, dem entsprechenden Anliegen des G nachzukommen, offenbar bewirken, dass G aus zumindest subjektiv nachvollziehbaren Gründen die Verhandlungen nicht mehr weiterführen kann. Dies nimmt auch seinerseits der Gebrauchtwagenhändler (S) an, indem er dem G erlaubt, die Probefahrt zusammen mit seiner Tochter in Anspruch zu nehmen.121 Die Mitnahme der D bei der Probefahrt lässt sich angesichts der Bedeutung, die ihr die Beteiligten offenbar beimessen, sogar als Teil des Kaufabschlussvorgangs selbst auffassen.122 Darüber hinaus deutet in dieser Konstella___________ 120 In diesem Fall verkörpert G als gesetzlicher Vertreter der D ihren Willen zur Rechtskreisöffnung gegenüber S, so dass allein sein Verhalten ausgelegt werden muss, um den maßgeblichen Willensinhalt zu ermitteln. Insofern spielt hierbei keine Rolle, ob „seine widerstrebende […] Tochter […] viel lieber zuhause Puppen gespielt hätte“ (so aber Köndgen, Einbeziehung, S. 35). Ebenfalls ist allein die Sichtweise des G für die Interpretation des Verhaltens des S maßgeblich. Allgemein zur Einmischung Dritter bei der Willensbildung des möglichen Schutzpflichtgläubigers und -schuldners s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd). 121 Noch deutlicher lässt sich die Verbindung der Anwesenheit von Kindern mit der Zentralpflichtentstehung bzw. -abwicklung in Fällen erkennen, in denen die Mitnahme von Kindern nicht lediglich geduldet, sondern vielmehr von der Seite desjenigen positiv gefördert wird, der dadurch zum Schutzpflichtschuldner werden soll (S). In diesem Sinne kann man etwa die Einrichtung entsprechender Spielräume in Banken, Restaurants, Warenhäusern usw. deuten. Der darin verkörperte Versuch, Kunden zu erwerben bzw. zu behalten und somit den Umsatz zu erhöhen, ist offensichtlich geradezu auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Mitnahme von Kindern die Vertragsschließung bzw. -durchführung fördert. Vgl. dabei Hohloch, JuS 1997, 305. 122 Natürlich darf man nicht jeden willentlichen Kontakt eines Dritten mit S, der aus Anlass bzw. in Zusammenhang mit der Schuldbeziehung zwischen G und S erfolgt, als Teil des Vorgangs zur Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung begreifen. Als einschlägiges Beispiel kann man BGH v. 27.11.1959, VersR 1960, 153, anführen: Lehrhaft

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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tion das Verhalten der Beteiligten ohne weiteres auch darauf hin, dass sie nicht entscheidend auf die Frage abstellen, ob G etwa selbst der Vater der D, ein Verwandter von ihr oder lediglich ein Bekannter ihrer Eltern ist, um die Teilnahme der D an den Vertragsverhandlungen (Mitfahren bei der Probefahrt) als zum Kaufabschlussvorgang gehörend ansehen zu können.123 Zum Ergebnis, dass sich die Rechtskreisöffnung des D auf das fremde Schuldverhältnis bezieht, kann man unter Umständen auch dann kommen, wenn die Drittbeteiligung kaum aktive oder zumindest überwiegend passive Elemente aufweist, weil sie sich praktisch auf den bloßen Aufenthalt des D im Gefahrenbereich des S beschränkt. Voraussetzung ist natürlich, dass man trotz dieser Passivität des D auf seinen Willen zur Mitwirkung an der Entstehung bzw. Abwicklung der Schuldbeziehung zwischen G und S schließen kann. Am Beispiel etwa, dass G den Maler S mit der Aufgabe beauftragt, die Außenwand des Hauses des D zu malen,124 weist zwar D, der dabei lediglich zusieht, ein praktisch passives Verhalten auf, trotzdem kann es gemäß der Sichtweise des S nicht nur als eine Rechtskreisöffnung des D, sondern offenbar auch als willentliche Mitwirkung an der Abwicklung des Werkvertrages zwischen G und S angesehen werden. Grundsätzlich sind also Fälle, in denen die passiven Elemente die Tätigkeit des D dominieren, in Wahrheit anhand der gleichen Wertungen zu beurteilen wie die Konstellationen, in denen sich D durch positive Handlungen den Gefahren des S aussetzt. Das Problem liegt hierbei lediglich in der Tatsache, dass die Interpretation der Lage im Sinne einer positiven Mitwirkungsentscheidung seitens des D umso schwieriger wird, je mehr man dabei auf ein lediglich passives Verhalten des D abstellen muss.125 ___________ sind dabei vor allem die richterlichen Überlegungen zum fehlenden Zusammenhang der Mitfahrt des D mit der fremden Schuldbeziehung, s. oben 2. Kapitel A. II. 5., Fallkonstellation 13 – „Mitfahrender Dritter“. 123 Mit solchen Überlegungen kann man der Annahme eines SSD zu Gunsten der minderjährigen Tochter (D) der Käuferin (G) durch BGH v. 28.1.1976, BGHZ 66, 51, zustimmen (s. den Sachverhalt oben 2. Kapitel A. II. 5., Fallkonstellation 12 – „Begleitende Tochter bei der Vertragsanbahnung“). Denn abgesehen davon, dass man in dieser Konstellation auch ohne Bezug zum anvisierten Kaufvertrag zwischen der Mutter (G) und dem Ladenbesitzer (S) Schutzpflichten des S direkt gegenüber der 14-jährigen D annehmen sollte (s. oben 5. Kapitel Fn. 270), ist eine Mitwirkung der D an den Vertragsverhandlungen zwischen G und S anzuerkennen, die ebenfalls schutzwürdig im Sinne des SSD ist. Wie auch am Beispiel der Probefahrt entstehen Schutzpflichten zu Gunsten der D in dieser Konstellation sogar unabhängig vom Verhältnis, das sie mit G verbindet – so auch im Ergebnis etwa Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 6 h; Strätz, JR 1976, 459. 124 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) aa). 125 Vgl. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. c) aa) zur Frage, ob S im Verhalten des D nicht lediglich die Gefahrduldung seitens des D, sondern vielmehr eine positive, auf ihn gerichtete Entscheidung zur Eröffnung von Einwirkungsmöglichkeiten erblicken muss.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

bb) Gesichtspunkte zur Behandlung der Grundfrage bei drittgerichteten Schutzpflichten Natürlich ergibt sich der Wille seitens des D, sich durch seine Rechtskreisöffnung an einer Zusammenarbeitskonstellation mit S zu beteiligen und dadurch zur Entstehung bzw. vollständigen Abwicklung des Schuldverhältnisses zwischen G und S beizutragen, wegen des zwischen G und D bestehenden Verhältnisses häufig nicht zweifellos. Dabei geht es um die Grundproblematik der Anwendung des Schutzpflichtmodells in dreipoligen Beziehungen:126 Da D meistens nicht aus vollkommen eigener Initiative und somit unabhängig von G tätig wird – dies kann etwa bei einem Vertreter ohne Vertretungsmacht noch der Fall sein127 –, sondern vielmehr im Rahmen seines Verhältnisses zu G handelt, kann fraglich sein, ob die Beteiligung des D am Geschehen nicht (nur) als Handeln im Rahmen des (Rechts-)Verhältnisses zwischen G und D, sondern (auch) als eine Mitwirkung am Schuldverhältnis zwischen G und S verstanden werden darf. Dafür dürfte in aller Regel zumindest erforderlich sein, dass die Rechtskreisöffnung des D zur maßgeblichen Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung beitragen kann. Wenn die Beteiligung des D in keinem solchen Zusammenhang mit der Schuldbeziehung von G und S steht, kann man aufgrund einer objektivierten Betrachtungsweise nur unter besonderen Umständen annehmen, dass S dem Verhalten des D trotzdem den Willen entnehmen muss, geradezu in Bezug auf die fremde Schuldbeziehung tätig zu werden.128 Sind nun die Einwirkungsmöglichkeiten des S großenteils auf einen eher passiven Aufenthalt des D im Gefahrenbereich des S zurückzuführen, so gilt diese Aussage umso mehr. Die Problematik ist der in anderem Zusammenhang129 gestellten Frage ähnlich, ob eine Rechtskreisöffnung des D nicht (nur) gegenüber G, sondern (auch) gegenüber S selbst vorliegt: Beide Male geht es schließlich darum, ob die Beteiligung des D am Geschehen die Grenzen seines Verhältnisses zu G überschreitet und eine Bedeutung (auch) in Bezug auf das Schuldverhältnis zwischen G und S hat. Deswegen kann man sich auch hierbei weitgehend der dort dargelegten Überlegungen bedienen.130 In diesem Sinne weist etwa ein unmittelbarer und intensiver Kontakt zwischen D und S eher auf eine Verbindung der Rechtskreisöffnung des D mit dem Schuldverhältnis zwischen G und S hin als ein durch G vermittelter, flüchtiger Kontakt mit irgendwelchen Gegenstän___________ 126 127 128 129 130

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. b). s. dazu oben 6. Kapitel B. II. 1. s. oben 6. Kapitel B. II. 2. d) aa). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. b).

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den.131 Allgemein darf man von der Vermutung ausgehen, dass in den Fällen, in denen D seinen Rechtskreis nicht (nur) gegenüber G, sondern (auch) gegenüber S öffnet, seine Rechtskreisöffnung ebenfalls die erforderliche Verbindung mit dem Schuldverhältnis von G und S aufweist. Man muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass man über die großenteils vorhandene Einschlägigkeit der gleichen materiellen Gesichtspunkte hinaus keine eindimensionale Verknüpfung zwischen einer eigenständigen Rechtskreisöffnung des D gegenüber S und ihrer Bezugnahme auf das Schuldverhältnis von G und S annehmen darf. Es sind vielmehr auch Konstellationen denkbar, in denen D seinen Rechtskreis zwar gegenüber S öffnet, die geforderte Bezugnahme auf das Schuldverhältnis von G und S dennoch fehlt.132 Die angesprochene Berührung beider Fragenkreise lässt sich anhand einiger der Beispiele verdeutlichen, die bereits bei der Erforschung der Rechtskreisöffnung des D verwendet wurden. In dem Fall etwa, dass G seinen Freund D mit dem gemieteten Auto zum Bahnhof fährt,133 muss man nicht nur eine Rechtskreisöffnung des D gegenüber dem Autovermieter S, sondern zugleich die Bezugnahme der Drittbeteiligung auf das Mietverhältnis von G und S verneinen. D muss die ihm während der Mitfahrt drohenden Gefahren allein dem Verantwortungsbereich des G grundsätzlich unabhängig davon zuordnen, ob G ein eigenes oder ein fremdes Auto fährt. Im Verhalten des D, in das Auto einzusteigen, kann man also kaum Anhaltspunkte dafür finden, dass er die Mitfahrt auch als Mitwirkung an der Abwicklung des Mietverhältnisses zwischen G und S oder zumindest als eine Leistung des S an ihn betrachten muss. Die gegenteilige Stellungnahme ist hingegen angebracht, wenn G gemäß seiner Abmachung mit seinem Freund D ein Auto von S mietet, um mit D einen Ausflug zu machen. Die Wertungen, die in diesem Fall eine eigenständige Rechtskreisöffnung des D gegenüber S begründen, sind auch für die Frage maßgeblich, ob diese Rechtskreisöffnung einen Bezug zum Mietverhältnis zwischen G und S aufweist: D nimmt offenbar die Mitfahrt als eine Möglichkeit wahr, die ihm nicht G, sondern S eröffnet, indem er seine Pflichten aus dem Mietverhältnis zu G erfüllt. Insofern knüpfen die Einwirkungsmöglichkeiten, die D dem S in Verbindung mit der Mitfahrt eröffnet, in gleicher Weise an das Mietverhältnis von G und S an, wie jene, die S auf die Positionen des G selbst erlangt.134 In ähnlichem Sinne bestätigen sich diese Überlegungen in Konstellationen, in denen die dem S zustehenden Einwirkungsmöglichkeiten darauf zurückzuführen sind, dass G den S als Erfüllungsgehilfen zwecks Leistungserbringung an D ein___________ 131

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) ff). s. dazu sogleich unten im Text. 133 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) ee). 134 Zur Frage, inwiefern die Leistungsnutzung durch Dritte Schutzpflichten begründen kann, s. unten 6. Kapitel B. II. 2. e). 132

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

setzt.135 Da D unter der objektivierten Sichtweise des S die Verantwortung für die Leistungserbringung und die einschlägige Gefahrbeherrschbarkeit vollkommen dem G zuordnet, muss man nicht nur eine eigenständige Rechtskreisöffnung des D gegenüber S selbst, sondern auch die Verbindung der Drittbeteiligung mit dem Schuldverhältnis von G und S grundsätzlich ablehnen. Für D kann nämlich nicht ohne weiteres entscheidend sein, auf welche Weise – d.h. allein oder durch andere Personen – G die geschuldete Leistung erbringt, sowie ob dritte Personen in Berührung mit seinen Positionen kommen, soweit dies im Verantwortungs- bzw. Gefahrbeherrschungsbereich des G geschieht und die durch Dritte (hier S) erbrachte Leistung als Leistung des G gilt. Die Einwirkungsmöglichkeiten des S auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des D sind folglich für D offenbar nur insofern wichtig, als sie sich als Teil der Rechtskreisöffnung auffassen lassen, die D im Rahmen der Abwicklung seines Schuldverhältnisses mit G vorgenommen hat, nämlich insoweit, als sie untrennbar mit der maßgeblichen Pflichterfüllung seitens des G verbunden sind. Dementsprechend beschränkt sich die zu Tage kommende Mitwirkungsabsicht des D grundsätzlich auf das Schuldverhältnis zwischen ihm und G: D öffnet seinen Rechtskreis nur deshalb, um die Erbringung der ihm von G geschuldeten Leistung zu ermöglichen. Etwaige faktische Wirkungen der Beteiligung des D auf das Schuldverhältnis zwischen G und S (etwa Arbeitsverhältnis) dürfte somit der Wille des D in aller Regel nicht erfassen. Dafür spricht auch die Feststellung, dass die Beteiligung des D am Geschehnis meistens überhaupt keinen Beitrag zur Entstehung bzw. Abwicklung des Schuldverhältnisses zwischen G und S leistet, der als Anknüpfungspunkt für den entsprechenden Mitwirkungswillen des D dienen könnte. Tritt S hingegen gemäß dem Schuldverhältnis zwischen G und D nicht als Erfüllungsgehilfe des G auf, so ist es einfacher, sowohl eine eigenständige Rechtskreisöffnung des D gegenüber S136 als auch ihren Bezug zum Schuldverhältnis zwischen G und S anzunehmen: Hat G gegenüber D nicht mehr die rechtliche Verantwortung für die ordnungsgemäße Leistungserbringung, so kann man nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Gefahr einer Schädigung des D durch S unter den faktischen Verantwortungsbereich des G fällt. Dann liegt es aber auch nahe, dass D seine Positionen nicht mehr dem G sondern dem S anvertraut, was folglich auch den Grund in den Vordergrund bringt, der diese – die Grenzen der Schuldbeziehung zwischen D und G insgesamt überschreitende – Anvertrauung erklärt. Ist dieser Grund ausreichend mit dem Schuldverhältnis zwischen G und S verbunden, so kann man folglich einfacher auch eine gerade auf dieses Schuldverhältnis bezogene Rechtskreisöffnung des D annehmen. Diese Überlegungen gelten etwa in dem Beispielsfall, dass G dem ___________ 135 136

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc) sowie unten 6. Kapitel B. II. 2. d) cc). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc).

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S die Ausführung seines Auftrags, das Auto seines Auftraggebers (D) zu verkaufen, im Sinne von § 664 I BGB überträgt und ihm auch das fremde Auto überlässt: Die mit dem Willen des D erfolgte Verantwortungsübertragung von G auf S deutet objektiv betrachtet darauf hin, dass G insoweit als Interessenvertreter bzw. für Rechnung seines Auftraggebers (D) agiert;137 der Grund nun, aus dem G gegenüber S die Rechtskreisöffnung des D vornimmt, liegt geradezu in seiner Absicht, die Pflichterfüllung seitens des S zu ermöglichen. Von der Tatsache abgesehen, dass hier eine Mittelsperson (G) für Rechnung des D handelt, ist die Lage kaum anders, als ob D selbst mit S vertraglich – etwa gemäß § 662 BGB – verbunden wäre: Die Überlassung des zu verkaufenden Wagens würde sich dann ohne Zweifel auf die Durchführung dieses Vertragsverhältnisses beziehen. Allerdings kann man allein anhand der Wertungen, die eine Rechtskreisöffnung des D gegenüber S belegen, nicht immer auch die Frage entscheiden, ob diese Rechtskreisöffnung im Hinblick auf das Schuldverhältnis von G und S vorgenommen wird. Relevante Schwierigkeiten bereiten vor allem Konstellationen, in denen die Beteiligung des D am Geschehnis eine klare, wenn auch vielleicht vom Ergebnis entfernte, objektive Förderung der Entstehung oder Abwicklung der fremden Schuldbeziehung mit sich bringt. Als Beispiel kann man etwa den Fall nennen, dass sich G durch seinen Fahrer D zu S fahren lässt, um mit S einen Vertrag zu schließen. Wenn nun D in den Hof des S fährt, damit G aussteigen kann, so öffnet er seinen Rechtskreis gegenüber S, indem er sich willentlich den Gefahren aussetzt, die von der Sphäre des S ausgehen.138 Dabei ist auch klar, dass die Rechtskreisöffnung des D dem G erlaubt, nah an der Tür des S auszusteigen, und somit eine Handlung darstellt, die objektiv die Vertragsentstehung von G und S, wenn auch unwesentlich, vorantreibt. Allein deshalb entsteht die hier interessierende Verbindung zum Schuldverhältnis von G und S jedoch nicht.139 Dafür ist es natürlich nicht entscheidend, dass der Beitrag des Fahrers (D) zum maßgeblichen Vertragsschluss wirklich geringfügig ist. Man kann sich vielmehr Fälle ausdenken, in denen die Drittbeteiligung ebenfalls eine ganz nebensächliche Rolle für die fremde Schuldbeziehung spielt, dennoch ge___________ 137

Vgl. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc). Wegen der offenbar fehlenden tatsächlichen Gefahrbeherrschung seitens des G dürfte sich die gegenüber G erfolgte Rechtskreisöffnung des D nicht auf die Gefahren ausdehnen, die dem D im Hof des S drohen – s. zu dieser Problematik oben 6. Kapitel B. II. 2. c) und insbesondere 6. Kapitel B. II. 2. c) ff). 139 Die Annahme der Drittschutzwirkung in diesem Fall ist bereits deshalb wirklich unwahrscheinlich, weil S in diesem Fall kaum davon ausgehen kann, dass D sich darüber im Klaren ist, durch die Beförderung des G zugleich einen Beitrag zur maßgeblichen Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung zu leisten; zu den erforderlichen Tatsachenkenntnissen seitens der Beteiligten s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). Hier wird diese Feststellung beiseite gestellt, damit die Problematik der Bezugnahme der Drittbeteiligung auf die fremde Schuldbeziehung hervorgehoben und untersucht werden kann. 138

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

schützt werden soll. Wenn etwa G seinen Sohn D zu S schickt, um dem S dadurch mitzuteilen, dass G nicht rechtzeitig zum vereinbarten Termin für die Weiterführung der Vertragsverhandlungen erscheinen kann, so ist die in der Verspätungsmitteilung liegende Beitragsleistung des D zum Vertragsschluss eigentlich ebenso wenig nennenswert, wie jene des Fahrers, dennoch ist diese eher als auf das Schuldverhältnis von G und S bezogen anzusehen. Für eine einschlägige Stellungnahme kommt es m.E. entscheidend darauf an, ob D als eine eigenständige Figur neben G und S am Vorgang der Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung auftritt. Anders ausgedrückt fragt es sich, ob die Tätigkeit des D, wie diese unter der objektivierten Sichtweise des S ermittelt werden soll, sich von der Mitwirkung des G selbst getrennt auffassen lässt oder hingegen nur eine der Bedingungen darstellt, die die schuldverhältnisbezogene Tätigkeit des G ermöglichen, und somit von ihr vollständig aufgenommen wird. In der zweiten Variante wirkt sich die Handlung des D nur mittelbar auf die Schuldbeziehung von G und S aus, indem sie die entsprechende Aktivität des G möglich macht. Deshalb dürfte sie im Verhältnis zu S ebenfalls als Teil der eigenen Tätigkeit des G selbst betrachtet werden, ohne eine darüber hinausgehende rechtliche Bedeutung außerhalb des Verhältnisses von D und G erlangen zu können. In diesem Sinne lässt sich die Tätigkeit des Fahrers des G eher als eine Handlung einstufen, die allein dazu bestimmt ist, dem G die Möglichkeit einzuräumen, im Hinblick auf die Schuldbeziehung zu S tätig zu werden und hat allein für das Arbeitsverhältnis zwischen D und G Bedeutung. Der fördernde Beitrag des Fahrers für das fremde Schuldverhältnis wird von keiner positiven, geradezu darauf gerichteten Entscheidung getragen. Das Verhalten des Fahrers scheint nur auf die Erfüllung der gegenüber G bestehenden Pflichten (Beförderung des G) und nicht auf die Wirkung gerichtet zu sein, die es auf das schuldverhältnisbezogene Anliegen des G hat; diese Wirkung stellt offenbar eher einen unbeabsichtigten bzw. gleichgültigen Nebeneffekt der Vertragserfüllung zwischen G und D dar. S muss demnach die Tatsache, dass durch die Pflichterfüllung des D auch die geschäftliche Beziehung von G und S gefördert wird, allein als das Resultat der Bemühungen des G selbst ansehen, der sich des fremden Einsatzes (seines Fahrers) für sich selbst bedient: Nicht sein Angestellter, sondern G – freilich mit seiner Hilfe – wirkt an der bestehenden oder künftigen Schuldbeziehung zu S mit. Demgegenüber erweckt die Tätigkeit des Sohnes des G den Eindruck einer selbständigen Beteiligung am Geschehnis in dem Sinne, dass sie sich nicht als Tätigkeit des G selbst ansehen lässt. Insofern kann man grundsätzlich auf das Vorliegen einer positiven Entscheidung des Sohnes des G schließen,140 die seine schuldverhältnisbezogene Rechtskreisöffnung nicht nur ___________ 140

Dabei kann (auch) der reale Wille des Vaters des D von Bedeutung sein, s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd).

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auf der Grundlage seines Verhältnisses zu G, sondern auch im Hinblick auf die fremde Schuldbeziehung deckt. Durch sein Handeln scheint er, im Gegensatz zum Fahrer des G, die Aufgabe zu erfüllen, an den Vertragsverhandlungen geradezu mitzuwirken. Zur Rechtfertigung dieses Ergebnisses darf man nicht allein auf die Art der Beziehung abstellen, die D zum fraglichen Verhalten jeweils veranlasst.141 Auch wenn G nicht seinen Sohn, sondern einen Angestellten mit der betreffenden Mitteilung beauftragt hätte oder wenn G sich durch seinen Sohn hätte fahren lassen, sollte man zum gleichen Ergebnis kommen. Zu den Faktoren, die das Vorliegen der erforderlichen Bezugnahme auf das Schuldverhältnis von G und S entscheiden können, muss man demgegenüber zunächst die Unmittelbarkeit des Kontakts zwischen D und S nennen.142 Je enger und persönlicher der Kontakt des D zu den Parteien der Schuldbeziehung ist, zu deren Entstehung bzw. Abwicklung er durch sein Handeln beiträgt, desto einfacher kann man davon ausgehen, dass D die Absicht hat, nicht lediglich aus Außenstehender, sondern vielmehr als wirklich Beteiligter zu wirken. Mit diesem Argument kann man etwa die persönliche Berührung des Sohnes des G mit dem Verhandlungspartner seines Vaters – im Gegensatz zum Fahrer, der den S nicht zu Gesicht bekommt, – als einen Stützpunkt für die Bejahung eines eigenständigen Auftritts und somit der entsprechenden Schutzpflichtentstehung betrachten. Darüber hinaus ist die Frage wichtig, ob die Tätigkeit des D – wie sich diese unter der objektivierten Sichtweise des S ermitteln lässt – gewissermaßen auch eine Wahrnehmung der mit der Schuldbeziehung zu S verknüpften Interessen des G darstellt. Tritt D gegenüber S in gewisser Hinsicht als Interessenvertreter des G auf, so kann man davon ausgehen, dass D nicht nur die schlichte Befolgung der Anweisungen bezweckt, die er von G für die Erfüllung seiner Pflichten bzw. seiner Aufgabe erhalten hat. D dürfte auch an dem Ergebnis interessiert sein, das seine Tätigkeit bezüglich der Entstehung bzw. Abwicklung des Schuldverhältnisses zwischen G, dessen Belange D im konkreten Fall vertritt, und seinem Partner S herbeiführen soll. Dann liegt es nahe, dass die Absicht des D hinsichtlich seiner Beteiligung am Geschehen über die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung im Rahmen seines Verhältnisses zu G hinausgeht und sich auch auf den fördernden Effekt ausdehnt, den diese Aufgabenerfüllung auf die Beziehung von G und S haben kann. Die Tätigkeit des D wird dann nicht vollkommen von jener des G aufgenommen, sondern weist eine gewisse Eigenständigkeit auf und lässt sich somit auch als Mitwirkung an der fremden Schuldbeziehung verstehen. ___________ 141 Beide Verhältnisse (Vater-Sohn- und Arbeitsverhältnis) zwischen G und D stellen unzweideutig Fürsorgeverhältnisse im Sinne der – vor allem älteren – Rechtsprechung dar [s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a)]. 142 Vgl. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. c) ff).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Je nach Art des Auftretens scheint nun allein der Sohn des G durch die Erfüllung seiner Aufgabe als Interessenvertreter seines Vaters zu wirken. Die Beförderung des G ist hingegen kaum als eine Interessenvertretung gegenüber S anzusehen. Zu den Faktoren, die diesen Eindruck erwecken dürften, zählt auch die Tatsache, dass G nicht anwesend sein kann, wenn sein Sohn die verspätete Ankunft seines Vaters ankündigt. G braucht also einen Ersatz für die seinerseits unmögliche Mitwirkung; sein Sohn tritt insoweit gewissermaßen wirklich anstelle seines Vaters auf. Demgegenüber lässt sich G gegenüber S in keiner ähnlichen Weise durch seinen Fahrer „vertreten“, wenn er sich zu S fahren lässt. G scheint hier die Fahrt als eine Leistung in Anspruch zu nehmen, die ihm lediglich dazu verhelfen soll, seine Interessen gegenüber S selbst wahrzunehmen. Die derartige Beteiligung des D scheint also bloß die eigene Mitwirkung des G vorzubereiten bzw. in die eigene Mitwirkung des G aufgenommen zu werden und erlangt folglich kaum eine darüber hinausgehende Bedeutung. Die Schwierigkeit der soeben erwähnten Fälle liegt großenteils in der Tatsache, dass die Beteiligung des D am fremden Schuldverhältnis eher unbedeutend ist; deswegen scheint die Anführung zusätzlicher Überlegungen notwendig. Umgekehrt lassen viele Konstellationen geradezu deshalb problemlos den Schluss zu, dass der Wille des D auch seine Mitwirkung am fremden Schuldverhältnis deckt, weil der Beitrag des D von wesentlicher Bedeutung für die Entstehung bzw. Abwicklung des fremden Schuldverhältnisses ist. Der Vertreter des G, der mit S einen Vertrag schließt, beteiligt sich etwa direkt an der Schuldverhältnisentstehung von G und S. Das Verhalten des Vertreters (D) wird zwar grundsätzlich dem Vertretenen (G) zugerechnet (nicht nur in Bezug auf die Abgabe bzw. den Empfang von Willenserklärungen nach § 164 I und III BGB, sondern auch im Sinne einer Verschuldenszurechnung nach § 278 BGB143). Die Vertretertätigkeit stellt jedoch einen unverkennbaren unmittelbaren Beitrag zum Vertragsschluss dar. Unter der Sichtweise des S wird also die Tätigkeit des D in faktischer Hinsicht nicht vollkommen von jener des eigentlichen Verhandlungspartners (G) aufgenommen: Bei der Begründung der Vertragsbeziehung wirkt offenbar nicht G, sondern D mit, so dass man ohne weiteres von einer Zusammenarbeit unmittelbar zwischen D und S ausgehen kann. In Verbindung mit anderen Anhaltspunkten (etwa Unmittelbarkeit des Kontakts des D zu S sowie Interessenvertretung des G durch D) kann man das Handeln des D als eine gegenüber der Tätigkeit des G eigenständige und somit schutzwürdige Beteiligung an der maßgeblichen Vertragsentstehung problemlos anerkennen.144 ___________ 143

s. beispielsweise BGH v. 23.10.1985, NJW 1986, 586 (587). Die Tatsache, dass D Willenserklärungen mit Wirkung für G abgeben und empfangen kann, ist an sich kein Argument gegen die Eigenständigkeit der Mitwirkung des D gegenüber der eigenen Aktivität des Vertretenen (G), da es bei den Schutzpflichten 144

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cc) Insbesondere: Die maßgebliche Grundfrage beim Einsatz von Erfüllungsgehilfen Die vorangehenden Überlegungen können in den Fällen relevant sein, in denen D als Erfüllungsgehilfe des G eingesetzt wird, damit G eine Verbindlichkeit gegenüber S erfüllen kann: Je gewichtiger, offenkundiger und direkter der Anteil der Mitwirkung des D an der maßgeblichen Leistungserbringung ist, desto schwieriger dürfte man annehmen können, dass die Tätigkeit des D in faktischer Hinsicht nicht eigenständig ist, sondern von jener des G vollkommen aufgenommen wird. Dennoch weist hier die Rechtslage ein besonderes Interesse auf, weil der Schuldner (G) die volle Verantwortung für die ordnungsgemäße Leistungserbringung gegenüber dem Gläubiger (S) auch dann hat, wenn er dabei weitere Personen (hier den D) einsetzt (s. nur § 278 BGB).145 Dies ist in Bezug auf die Frage maßgeblich, was S von G erwarten, und somit auch, ob S in der Beteiligung des Erfüllungsgehilfen (D) eine eigenständige Mitwirkung sehen muss. Da G selbst und nicht D die maßgebliche Leistung schuldet und insofern auch für die ordnungsgemäße Leistungserbringung als eigene Aufgabe sorgen muss, hat S auch in faktischer Hinsicht grundsätzlich davon auszugehen, dass in Wahrheit G als einziger Leistungserbringer agiert. Personen, deren Hilfe sich G dabei bedient, dienen vom einem solchen Ausgangspunkt her lediglich dazu, die pflichterfüllende Tätigkeit des G zu ermöglichen. Die Leistungserbringung ist folglich prinzipiell als ein Ergebnis der eigenen Schuldnerbemühungen anzusehen, die möglicherweise die Beiträge dritter Personen verkörpern bzw. in sich aufnehmen können, ohne allein deshalb ihren Charakter als solche einbüßen zu müssen. Dementsprechend muss S die Beteiligung des Erfüllungsgehilfen (D) bewerten: Sie ist in der Regel nicht mit einem auf das Schuldverhältnis von G und S gerichteten Mitwirkungswillen zu verbinden, sondern eher als eine Betätigung im Hinblick auf das Verhältnis (etwa Arbeitsverhältnis) zwischen G und D einzustufen. Sie dürfte lediglich den Zweck verfolgen, dem G selbst zur geschuldeten Leistungserbringung an S zu verhelfen. Insofern kann man einen einschlägigen Richtsatz formulieren und das entsprechende Regel-Ausnahme-Verhältnis bestimmen: Der Gläubiger (S) einer Leistung muss den Schuldner (G) auch in faktischer Hinsicht grundsätzlich als den eigentlichen Leistungserbringer unabhängig davon ansehen, ob dieser persönlich oder durch den ausschließlichen bzw. partiellen Einsatz weiterer Personen (D) seine Pflicht erfüllt. ___________ auf den realen Willen der Betroffenen ankommt – s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). Vielmehr belegt die Fremdzurechnung ohne weiteres, dass die Beteiligung des D mit dem künftigen Zentralpflichtverhältnis von G und S verbunden ist: Die Drittbeteiligung erfolgt nur deshalb, weil die Vertretertätigkeit dem Vertretenen rechtlich zugerechnet werden kann. 145 s. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Die gleiche Betrachtungsweise ist bereits zur Behandlung der Frage zugrunde gelegt worden, ob die mit der Leistungserbringung zusammenhängenden Gefahren aus der objektivierten Sichtweise des Gläubigers dem faktischen Verantwortungs- bzw. Gefahrbeherrschungsbereich des Schuldners selbst oder seines Erfüllungsgehilfen zugeordnet werden sollen. Die Stellungnahme zu dieser Frage – im Sinne der ersten Alternative – ist anschließend als Basis für die Lösung der Problematik verwendet worden, ob der Gläubiger, der sich diesen Gefahren aussetzt, eine Rechtskreisöffnung nicht (nur) gegenüber dem Schuldner selbst, sondern (auch) gegenüber dem Erfüllungsgehilfen vornimmt. Dabei wurde die Regel aufgestellt, dass eine eigenständige Rechtskreisöffnung gegenüber dem Erfüllungsgehilfen ausscheidet, es sei denn, dass besondere Umstände vorliegen, die das gegenteilige Ergebnis stützen. In diesem Sinne ist die Drittschutzwirkung – Schutzpflichten des Erfüllungsgehilfen – zu Gunsten des Gläubigers im Prinzip abgelehnt worden.146 In diesem Zusammenhang geht es allerdings nicht mehr um die Schutzpflichten des Erfüllungsgehilfen gegenüber dem Gläubiger, sondern umgekehrt um die Schutzpflichten des Gläubigers zu Gunsten des Erfüllungsgehilfen. Der angesprochene Grundsatz soll aber auch hierbei die Regel begründen, dass der Erfüllungsgehilfe (D) unter der objektivierten Sichtweise des Gläubigers (S) nicht im Hinblick auf das Schuldverhältnis zwischen Gläubiger (S) und Schuldner (G), aufgrund dessen die maßgebliche Leistung erbracht wird, sondern im Rahmen der Beziehung tätig wird, die den Erfüllungsgehilfen (D) mit dem Schuldner (G) verbindet. Die Tätigkeit des Erfüllungsgehilfen wird unter dem Blickwinkel des Gläubigers (S) grundsätzlich von der Tätigkeit des Schuldners (G) selbst aufgenommen, so dass Schutzpflichten des Gläubigers (S) zu Gunsten des Erfüllungsgehilfen (D) seines Schuldners (G) grundsätzlich nicht entstehen. Natürlich kommt auch in diesem Zusammenhang schließlich darauf an, ob man die aufgestellte Regel widerlegen kann, indem man nachweist, dass die Umstände des konkreten Falls die gegenteilige Interpretation der Lage gebieten. Diese Überlegungen gelten im Grunde unabhängig davon, ob der Beitrag des Erfüllungsgehilfen (D) zur Schuldverhältnisabwicklung bzw. -entstehung erheblich ist. Dennoch ist, wie soeben angenommen, die Aufrechterhaltung der aufgestellten Regel desto schwieriger, je gewichtiger der Anteil des D an der maßgeblichen Leistungserbringung ist: Je bedeutender der eigene Beitrag des D ist, desto mehr gewinnt er unter der objektivierten Sichtweise des S an faktischer Eigenständigkeit gegenüber der Tätigkeit des G und umso schwieriger scheint somit die Vermutung, dass der Auftritt des D vollkommen hinter die eigene Beteiligung des G zurücktritt, der wirklichen Lage zu entsprechen. Ähnliches gilt bei einer direkten Verbindung zwischen den Handlungen des D und der konkreten Schuldverhältnisabwicklung: Je unmittelbarer die Drittbeteiligung zur Ent___________ 146

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc).

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wicklung der Schuldbeziehung von G und S beiträgt, desto deutlicher hebt sich die Mitwirkung des D hervor und desto klarer unterscheidet sie sich vom eigenen Beitrag des G. Darüber hinaus kommt es für die abschließende Beurteilung der Lage auf weitere Anhaltspunkte an, wie auf die Auftrittsweise des G, den genauen Schuldverhältnisinhalt von G und S und die Unmittelbarkeit und Intensität des Kontakts zwischen D und S.147 Wendet man nun diese Gesichtspunkte konkret an, so muss man etwa zwischen dem Fall unterscheiden, in dem der Automechaniker D in der Autowerkstatt des G arbeitet und durch den Kontakt mit dem zur Reparatur überlassenen Auto als potentielle Gefahrenquelle in den Einwirkungsbereich des Auftragebers (S) des G gerät, und dem Fall, in dem der Anlageberater D von seinem Arbeitgeber G zum Betrieb des S geschickt wird, um die von G geschuldete Beratung vorzunehmen. Obwohl D in beiden Fällen als Erfüllungsgehilfe des G im Sinne von § 278 BGB eingesetzt wird und man somit beide Male vom gleichen Standpunkt ausgehen muss, ist die entscheidende Frage, ob die Pflichterfüllung trotz Drittbeteiligung auch in faktischer Hinsicht weiterhin als eigene Leistung des G verstanden werden muss, unterschiedlich zu beantworten. Tatsächlich ist nur die Tätigkeit des Anlageberaters als eine eigenständige Mitwirkung an der Schuldverhältnisabwicklung zwischen G und S zu begreifen, weil sie offenbar nicht im faktischen Gefahrbeherrschungs- und Verantwortungsbereich des G liegt. Das Verhalten der Beteiligten soll hier nicht den Eindruck erwecken, dass G selbst, wenn auch mit Hilfe des D, die geschuldete Beratung erbringt, sondern vielmehr, dass D diese Tätigkeit, wenn auch für Rechnung des G, unvermittelt übernimmt und somit unmittelbar zur Vertragsabwicklung zwischen G und S beiträgt. Mit anderen Worten kann man nur hier von einer Zusammenarbeit unmittelbar zwischen D und S sprechen. Demgegenüber dient die für S erkennbare Beteiligung des Automechanikers dem Anschein nach nur dazu, die Leistungserbringung des G an S zu ermöglichen. Unter der Sichtweise des Werkbestellers (S), wie diese vom Verhalten des Werkstattbesitzers (G) beeinflusst wird, erfüllt die Autoreparatur durch D lediglich die erforderliche faktische Bedingung, damit G die Leistungserbringung an S selbst vornehmen kann. Die rechtliche Verantwortung des G für die ordnungsgemäße Leistungserbringung geht hier mit dem Anschein einher, dass die dafür erforderlichen Handlungen innerhalb des faktischen Verantwortungs- bzw. Gefahrbeherrschungsbereichs des G erfolgen, so dass sie nach außen als dessen eigene Erfüllungshandlungen zu Tage kommen. Von einer Zusammenarbeit zwischen ___________ 147 Zu den Gesichtspunkten der Gefahrbeherrschung bzw. Gefahrenherkunft und der Unmittelbarkeit bzw. Intensität des Kontakts zwischen D und S s. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. c) ff). Zur Verflechtung der Argumente über das Vorliegen einer Rechtskreisöffnung des D und ihrer Bezugnahme auf die fremde Schuldbeziehung s. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. b).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

D und S kann man hier kaum sprechen. Darüber hinaus sind auch hinsichtlich der Intensität des Kontakts entsprechende Unterschiede in die gleiche Richtung festzustellen.148 In der Konstellation, dass der Schuldner (G) einen Erfüllungsgehilfen zur Pflichterfüllung einsetzt, ist nicht nur fraglich, ob Schutzpflichten des Gläubigers gegenüber dem Erfüllungsgehilfen, sondern auch, ob Schutzpflichten des Erfüllungsgehilfen (hier S) gegenüber dem Gläubiger (hier D) entstehen. Dazu ist bereits angenommen worden, dass man nur ausnahmsweise eine eigenständige Rechtskreisöffnung des D gegenüber S annehmen darf, wobei die dabei maßgeblichen Wertungen auch gegen die Bezugnahme einer eventuellen – sei es zunächst nur unterstellten – Rechtskreisöffnung auf die Schuldbeziehung (etwa Arbeitsverhältnis) zwischen G und S sprechen.149 Davon abgesehen ist der erforderliche Bezug der Drittbeteiligung zum fremden Schuldverhältnis in diesem Fall auch im Hinblick auf die Feststellung grundsätzlich abzulehnen, dass in objektiver Hinsicht oft weder die Entstehung noch die Abwicklung der Schuldbeziehung zwischen G und S oder die Erledigung der damit zusammenhängenden Angelegenheiten von der Mitwirkung des D in einer fassbaren Weise abzuhängen scheinen. Die Stellung des D im Geschehnis beschränkt sich meistens darin, dass er zum mittelbaren Empfänger der Leistung des Erfüllungsgehilfen (S) an G wird.150 Im Rahmen etwa eines Arbeitsverhältnisses zwischen G und S ist es für die Erfüllung der gegenseitigen Pflichten grundsätzlich ohne Belang, dass die Arbeitsleistung des S schließlich die Pflichterfüllung des G gegenüber D erlauben soll. Bereits diese Feststellung stellt ein gewichtiges Argument dafür dar, dass die Mitwirkung des D eigentlich nicht mit der Absicht erfolgt, die Abwicklung des fremden Schuldverhältnisses voranzutreiben.151 Muss man wegen der konkret vorliegenden Umstände dennoch annehmen, dass die Beteiligung des D in seiner Eigenschaft als Gläubiger des G tatsächlich eine fördernde Wirkung für die Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung zwischen G und S entfaltet,152 so lässt sich allein deshalb noch keine Schutzwirkung zu Gunsten des D begründen. Denn unter der ausschließlich maßgeblichen objektivierten Sichtweise des S gesehen kann man kaum annehmen, dass die möglicherweise objektiv als Mitwirkung einzustufende Beteiligung des D wirklich im Hinblick auf die Schuldbeziehung (etwa Arbeitsverhältnis) von G und S ___________ 148

Vgl. zu solchen Gesichtspunkten oben 6. Kapitel B. II. 2. c) ff). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc) sowie 6. Kapitel B. II. 2. d) bb). 150 Zur Frage, inwiefern man allein deshalb als Schutzpflichtgläubiger des S in Frage kommt, s. unten 6. Kapitel B. II. 2. e). 151 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. d) aa). 152 Dies kann z.B. für den Fall angenommen werden, dass D durch den Empfang der ihm von G geschuldeten Leistung zugleich die Abnahmepflicht des G gegenüber S gemäß § 640 BGB erfüllt, wenn S aufgrund eines entsprechenden Werkvertrages als Erfüllungsgehilfe des G eingesetzt wird. 149

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erfolgt. In aller Regel muss S hingegen davon ausgehen, dass sich die Mitwirkung des D allein auf das Zentralmoment seines eigenen Schuldverhältnisses, nämlich auf die Leistungserbringung seitens des G an ihn bezieht. Der möglicherweise wirklich vorhandene – meistens allerdings nur zweitrangig bzw. geringfügig – fördernde Effekt der Tätigkeit des D für das fremde Schuldverhältnis (zwischen G und S) scheint von keiner entsprechenden positiven Entscheidung des D gedeckt zu sein, sondern stellt vielmehr eine unbeabsichtigte, für D lediglich zufällige bzw. vollkommen unerhebliche Nebenwirkung des Verhaltens dar, das er im Rahmen seines Schuldverhältnisses zu G aufweisen muss.153

e) Nachträgliche Berührung mit der Leistung als Anknüpfungspunkt aa) Die interessierende Problematik Für die Drittschutzwirkung im Sinne des Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodells kommt dem Umstand, dass D an der Entstehung bzw. vollständigen Abwicklung des Schuldverhältnisses zwischen G und S mitwirkt, eine zentrale Rolle zu.154 In diesem Abschnitt wird danach gefragt, ob die Rechtskreisöffnung des D neben den Fällen, in denen D unmittelbar an der Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung mitwirkt, auch in Konstellationen schutzwürdig ist, in denen die Verbindung der Rechtskreisöffnung des D mit dem fremden Schuldverhältnis nur darin besteht, dass D mit der im Rahmen dieses Schuldverhältnisses erbrachten Leistung des S in Berührung kommt, oft sogar erst nach Erledigung aller mit der Leistungserbringung zusammenhängenden Angelegenheiten. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang vor allem die Fälle, in denen D in seiner Eigenschaft als (zumindest partieller) Leistungsempfänger bzw. Leistungsnutzer in Leistungskontakt kommt und sich somit der Gefahrensphäre des S aussetzt. Kauft etwa G vom Gebrauchtwagenhändler S ein Auto, das S dem Sohn (D) des G übergeben und übereigen muss (§ 433 I BGB), ist es fraglich, ob das Schuldverhältnis zwischen G und S Schutzwirkung zu Gunsten des D im Sinne des Schutzpflichtmodells insoweit entfaltet, als D das Auto nutzen und sich somit den Einwirkungsmöglichkeiten des S aussetzen wird. Zu beachten ist dabei, dass der Kaufvertrag Schutzwirkung zu Gunsten des D ohnehin im Hinblick auf ___________ 153 In dem Fall etwa, dass D das von S aufgrund des entsprechenden Werkvertrages mit G hergestellte Werk als Leistung des G abnimmt (s. Fn. 152), ist aus der objektivierten Sichtweise des Erfüllungsgehilfen (S) eher anzunehmen, dass D die besagte Handlung allein im Rahmen seiner Stellung als Gläubiger des G und nicht in Anbetracht des zwischen G und S bestehenden Werkvertrages vornimmt. 154 s. bereits 6. Kapitel B. I. sowie 6. Kapitel B. II. 2. d) aa).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

die Tatsache auslöst, dass D beim Leistungsempfang seinen Rechtskreis gegenüber dem S öffnet. Letzte Folgerung ist vollkommen unproblematisch, weil D in diesem Fall unmittelbar bei der Abwicklung des Vertragsverhältnisses mitwirkt: Die Erfüllung der Verkäuferpflichten wird erst durch die Beteiligung des D möglich, da der Verkäufer (S) im Sinne eines ermächtigenden (Kauf-)Vertrages zu Gunsten Dritter verpflichtet ist, nicht an den Käufer selbst, sondern an D, den Sohn des Käufers zu leisten. Die in dieser Hinsicht einschlägigen Fragen sind bereits Gegenstand der Untersuchung geworden. In diesem Zusammenhang interessieren vielmehr die Schutzpflichten des S, die den Zeitraum nach dem eigentlichen Pflichterfüllungsvorgang etwa hinsichtlich der körperlichen Unversehrtheit des D beim Fahren betreffen. Das besondere Problem liegt in diesem Zusammenhang darin, dass D nach den maßgeblichen normativen Momenten (nach dem realen Willen von D und S bzw. gemäß dem Inhalt der Schuldbeziehung zwischen G und S)155 im Zeitraum nach der Leistungserbringung nicht mehr an der Abwicklung des fremden Schuldverhältnisses mitwirkt bzw. mitwirken kann. Indem etwa D mit dem gekauften Auto fährt, trägt er weder zur Schließung des Kaufvertrages noch zu einer Pflichterfüllung aus dem Kaufvertrag, noch zur Abwicklung der mit dem Kauf verbundenen Angelegenheiten bei:156 Nach der Übergabe und Übereignung des Autos an D liegt in Wahrheit keine weitere, auf die vollständige Abwicklung des Kaufverhältnisses gerichtete Tätigkeit des D vor, die mit den Schutzpflichten gefördert werden könnte; die Benutzung des Autos kann sicherlich nicht als solche betrachtet werden. Dabei leuchtet unmittelbar ein, dass die nachträgliche Nutzung der im Rahmen des Schuldverhältnisses zwischen G und S erbrachten Leistung durch D allgemein keine schuldverhältnisbezogene Mitwirkung darstellt. Bei der Behandlung der Fälle, in denen die als Schutzpflichtgläubiger in Frage kommenden Dritten außerhalb des eigentlichen Pflichterfüllungsvorgangs in Berührung mit der Leistung des S kommen, geht es um das Problem, ob die Zweckverfolgung, die der Anerkennung drittgerichteter Schutzpflichten im Sinne des SSD zugrunde liegt,157 auch hier einschlägig ist. Es fragt sich nämlich, ob die funktionelle Erklärung der drittgerichteten Schutzpflichten mit der Absicht zur Förderung einer fremden Schuldbeziehung nicht nur Schädigungsgefahren erfasst, die dem D bei seiner Mitwirkung am eigentlichen Vorgang der Schuldverhältnisbegründung bzw. -abwicklung drohen, sondern auch die Einwirkungsmöglichkeiten des S auf die Positionen des D deckt, die erst bei der nachträglichen Berührung des D mit der Leistung des S relevant werden. Die Verwendung eines solchen Anknüpfungspunkts für die Schutzpflichtentstehung soll allerdings ___________ 155

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb) (2) und III. 3. c) aa). Solche können natürlich – etwa aufgrund der Ausübung von Gewährleistungsrechten – neu auftreten. 157 s. oben 6. Kapitel B. I. und 6. Kapitel B. II. 1. 156

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nicht von den Bedingungen befreien, die im Rahmen des Schutzpflichtmodells allgemein aufgestellt wurden.158 Es kommt weiterhin darauf an, ob der Kontakt des D mit der Leistung des S eine auf das Schuldverhältnis zwischen G und S bezogene, eigenständige Rechtskreisöffnung gegenüber S darstellt.

bb) Bezugnahme auf die Schuldnerleistung Allerdings bereitet die Voraussetzung der Bezugnahme einer festgestellten Rechtskreisöffnung des D auf das fremde Schuldverhältnis besondere Schwierigkeiten: Eine inhaltliche Umdeutung ist deshalb erforderlich, weil man bei nachträglicher Leistungsberührung nicht mehr darauf abstellen kann, welchem Schuldverhältnis D mit seiner Tätigkeit zur Entstehung bzw. zur vollständigen Abwicklung verhelfen will,159 weil der Kontakt des D mit der Leistung des S offenbar gar nicht von einem Mitwirkungswillen des D getragen wird. Die erforderliche Umdeutung ist dahin vorzunehmen, dass es nunmehr darauf ankommt, ob D nach der objektivierten Sichtweise des S den realen Willen aufweist, geradezu mit der Leistung des S in Berührung zu kommen, die im Rahmen des Schuldverhältnisses zwischen G und S geschuldet und erbracht wird. D muss demnach einen Kontakt nicht lediglich mit dem Leistungsergebnis bzw. dem Leistungsgegenstand, sondern mit der aufgrund der fremden Schuldbeziehung geschuldeten und erbrachten Leistung selbst wollen, auch wenn das Abstellen auf die Leistung als solche schließlich auf die Erwartung eines konkreten, von D gewollten Leistungsergebnisses zurückgeführt werden muss, das durch die Leistungserbringung durch S möglichst sichergestellt werden soll. Wenn beispielsweise D das Auto seines Freundes G fahren darf, so nutzt er zugleich die Leistung des Automechanikers S, der im Auftrag des G das Auto vorher repariert hat. Unabhängig davon, ob D von der Arbeit des S am Auto Bescheid weiß – jedenfalls muss er in aller Regel davon ausgehen, dass G sein Auto nicht selbst wartet –, kann man grundsätzlich nicht annehmen, dass D über das Leistungsergebnis (funktionstüchtiges Auto) hinaus es geradezu auf die Leistung des S abgesehen hat, wenn er mit dem Auto des G fährt. Demgegenüber kann man die erforderliche Bezugnahme der Rechtskreisöffnung des D auf die Leistung des S etwa in dem Fall erblicken, dass der Käufer D eines Gebrauchtwagens vom Verkäufer G verlangt, das Auto vor Übereignung und Übergabe in der Werkstatt des S warten zu lassen, den D für besonders vertrauenswürdig hält. Denn offenbar stellt D nicht lediglich auf das Faktum ab, dass er das Auto schließlich funktionstüchtig erlangt, sondern entscheidend auch auf die Leistung des S, die seiner Meinung nach ein gutes Ergebnis garantiert. ___________ 158 159

s. oben 6. Kapitel B. II. 1. s. oben 6. Kapitel B. II. 2. d) aa).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Die Unterscheidung zwischen dem Leistungsergebnis bzw. dem Leistungsgegenstand und der Leistung an sich kann natürlich zuweilen schwierig sein. Dennoch ist in vielen praktisch relevanten Fällen eine einschlägige Stellungnahme problemlos möglich. Vor allem in Konstellationen, in denen die Leistung des S offenbar vollkommen von der Leistung einer weiteren Person (insbesondere G) aufgenommen wird, die im Verhältnis zu D als eigentlicher Leistungserbringer auftritt, kann man die Bezugnahme der Rechtskreisöffnung des D auf die Leistung des S als solche und somit auf die Schuldbeziehung zwischen G und S grundsätzlich ohne weiteres verneinen. Denn D muss die fragliche Leistung als Leistung des G und die mit ihr zusammenhängenden Gefahren in aller Regel mit keiner fremden Schuldbeziehung, sondern mit dem eigenen Verhältnis zu G verbinden. Dabei handelt es sich vornehmlich um Fälle, in denen S im Verhältnis zwischen G und D als Erfüllungsgehilfe des G eingesetzt wird, um die Leistungserbringung an D zu ermöglichen. Allerdings fehlt es dann meistens nicht nur an der Bezugnahme der Rechtskreisöffnung auf das Schuldverhältnis zwischen G und S, sondern bereits an einer eigenständigen Rechtskreisöffnung des D gegenüber S selbst.160 Ebenfalls kann umkehrt das Vorliegen der einen Drittschutzvoraussetzung die Erfüllung der anderen indizieren.161 Muss etwa D die Berührung mit dem Leistungsgegenstand als eine Berührung mit der Leistung des S ansehen, so sind die Gefahren, die für D aus dem Kontakt mit der fremden Leistung stammen, grundsätzlich der Sphäre des S selbst zuzuordnen; D vertraut in einem solchen Fall seine Rechtsgüter dem S selbst an. Am soeben erwähnten Beispiel, dass S das Auto des G repariert, kann man für die erste Variante offenbar nicht von einer eigenständigen Rechtskreisöffnung des D gegenüber S ausgehen, wohl aber für die zweite. Die Annahme des erforderlichen Willens seitens des D, mit der Leistung des S als solche in Berührung zu kommen, setzt m.E. nicht voraus, dass D Einzelheiten über das genaue Verhältnis zwischen G und S weiß bzw. wissen muss. Man muss nicht einmal die Verbindung mit einer bestimmten Schuldbeziehung verlangen. Es dürfte dabei ausreichen, dass D den Kontakt mit dem Leistungsergebnis bzw. -gegenstand als Kontakt mit der Leistung will, die im Rahmen irgendeines – freilich fremden – Schuldverhältnisses geschuldet und erbracht wird. Denn anders als beim Willen des D zur unmittelbaren Mitwirkung an der eigentlichen Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung an sich, der häufig mit gewissermaßen konkreten Kenntnismöglichkeiten des D über die Schuldbeziehung zusammenhängt, an der er sich beteiligen soll,162 ist es durchaus mög___________ 160

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc). Zur Berührung beider Fragenkreise s. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. b) und 6. Kapitel B. II. 2. d) bb). 162 Vgl. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). 161

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lich, auf die Leistung des S an sich unabhängig davon abzustellen, aufgrund welchen Schuldverhältnisses sie geschuldet und erbracht wird.

cc) Leistungsnutzung als Teil des Vorgangs zur Schuldverhältnisabwicklung Versucht man nun eine Antwort auf die Anfangs gestellte Frage zu geben, ob die den drittgerichteten Schutzpflichten zugrunde liegende Funktion auch in Fällen relevant ist, in denen D seinen Rechtskreis gegenüber S in Bezug auf Gefahren öffnet, die sich erst bei der Leistungsnutzung verwirklichen können, so fällt es auf, dass sich die Leistungsnutzung häufig nur schwer, wenn überhaupt, vom Leistungsempfang unterscheiden lässt, der seinerseits als Teil des eigentlichen Vorgangs der Schuldverhältnisabwicklung betrachtet werden kann. In solchen Fällen kann man nicht mehr behaupten, dass die Tätigkeit des Dritten als Leistungsnutzer einer wirklichen Mitwirkung an der Schuldverhältnisabwicklung nicht gleichgesetzt werden könnte. Sofern die Leistungsnutzung auch als Leistungsempfang innerhalb des Leistungserbringungsvorgangs angesehen werden muss, ist vielmehr die etwaige Rechtskreisöffnung des D als Leistungsnutzer als eine schutzwürdige Mitwirkung an der Schuldverhältnisabwicklung selbst zu behandeln. Dann sind grundsätzlich die gleichen Überlegungen einschlägig, die auch bei anderweitigen Mitwirkungen Dritter an der Schuldverhältnisabwicklung die Schutzpflichtentstehung rechtfertigen. Die Notwendigkeit zur Förderung einer derartigen Beteiligung des D mit den entsprechenden Schutzpflichten lässt sich anhand der Unterstellung demonstrieren, dass D gehindert wäre oder sich weigern würde, die Leistung des S zu nutzen. Da Leistungsnutzung und Leistungsempfang materiell und zeitlich praktisch zusammenfallen, käme die Unmöglichkeit bzw. Unwilligkeit zur Leistungsnutzung seitens des D der Unmöglichkeit bzw. Unwilligkeit zum Leistungsempfang gleich. Will man nun durch die Annahme von drittgerichteten Schutzpflichten und somit durch die Schaffung aufwandsgünstiger und vertrauensfördernder Bedingungen der Zusammenarbeit163 solchen planwidrigen Entwicklungen entgegenwirken, so gibt es keinen Grund, gerade die hier interessierende Drittbeteiligungsvariante von den schutz- bzw. förderungswürdigen Zusammenarbeitskonstellationen auszunehmen. Die maßgebliche Zweckverfolgung beansprucht insoweit auch hier uneingeschränkt Geltung. Eine solche Sonderstellung zwischen dem eigentlich unproblematischen Beitrag zur Schuldverhältnisabwicklung durch die Mitwirkung beim Leistungsempfang und der bloßen Nutzung der Leistung des S nimmt oft die Drittbeteiligung an der Leistungsnutzung bei Dauerschuldverhältnissen ein. Als einschlägiges ___________ 163

s. oben 6. Kapitel B. I. und 6. Kapitel B. II. 1.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Beispiel kann man etwa den Fall einer Arbeitnehmerüberlassung anführen, bei welcher der Arbeitnehmer (S) seine Arbeit für einen bestimmten Zeitraum nicht an seinen eigentlichen Arbeitgeber (G) selbst, mit dem er weiterhin vertraglich gebunden ist, sondern an einen anderen Unternehmer (D) leisten muss.164 In diesem Fall kann man wegen des besonderen Charakters der Arbeitsleistung natürlich kaum zwischen dem Leistungsempfang und der Leistungsnutzung unterscheiden, so dass die Rechtskreisöffnung des D, der den S in seinen Betrieb aufnimmt, als eine Mitwirkung an der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zwischen G und S betrachtet werden muss, obwohl D zugleich als Nutzer der Leistung des S agiert. Denn die Beteiligung des D ist für die Pflichterfüllung seitens des Arbeitnehmers (S) gegenüber seinem Arbeitgeber (G) notwendig: S kann seine Leistung gemäß den Weisungen des G – in diesem Fall Arbeit im Betrieb des D – erst dann erbringen, wenn D seinen Rechtskreis dem S gegenüber öffnet. Muss nun S in dieser Drittbeteiligung eine positive, (auch) auf sein Arbeitsverhältnis mit G bezogene Entscheidung des D zur Rechtskreisöffnung ihm gegenüber sehen, so ist die Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des D zu bejahen.165 In ähnlichem Sinne könnte man etwa im Falle einer Mietwohnung, in der der Mieter G mit seinem minderjährigen Sohn D zusammenwohnt, die objektive Mitwirkung des D geradezu darin sehen, dass er in den Genuss der Leistung des Vermieters (S) kommt. Angenommen, dass der Vermieter nicht nur an G, sondern auch an D unmittelbar leistet, wenn er beiden den Gebrauch der Mietwohnung während der Mietzeit gewährt (s. § 535 I BGB),166 so kann man folgerich___________ 164 Von Bedeutung sind diese Ausführungen freilich nur, solange man im Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer (hier S) und dem Verleiher (hier G) keinen Vertrag zu Gunsten des Entleihers (hier D) im Sinne von § 328 I BGB – primärer Anspruch des Entleihers gegen den Arbeitnehmer auf Arbeitsleistung – sehen will; so tatsächlich etwa Walker, AcP 194 (1994), 309 ff. 165 Entscheidend ist dabei, dass D (Entleiher) die Arbeitsleistung des S (Arbeitnehmer) zwar aufgrund des Vertrages zwischen G (Verleiher) und D nutzen darf, S jedoch kein Erfüllungsgehilfe des G im Sinne von § 278 BGB ist; darauf baut außerdem die Annahme einer eigenständigen Rechtskreisöffnung des D gegenüber S auf, s. Fn. 93. Insofern ist dabei klar, dass die Arbeitsleistung als solche nicht aufgrund des Vertragsverhältnisses zwischen G und D – dieses verpflichtet den G nur zur Arbeitnehmerüberlassung –, sondern allein im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zwischen G und S geschuldet und erbracht wird. Da nun D als Empfänger der Arbeitsleistung des S agiert, muss er m.E. seine mit der Leistungserbringung des S verbundene Rechtskreisöffnung notwendigerweise (auch) auf das Schuldverhältnis beziehen, das die betreffende Arbeitsleistung zum Inhalt hat und den Grund darstellt, aus dem diese überhaupt erbracht wird, nämlich das Arbeitsverhältnis zwischen G und S. Die Schutzwirkung des Arbeitsverhältnisses zwischen G und S zu Gunsten des Entleihers (D) befürwortet auch – für den Fall, dass kein echter Vertrag zu Gunsten des Entleihers angenommen wird (s. Fn. 164) – Walker, AcP 194 (1994), 314 ff. 166 Bei dieser Frage geht es natürlich nicht um die Rechtslage (S leistet insoweit nur an G), sondern um die faktische Lage, wie sich diese unter der jeweils maßgeblichen ob-

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tig die Nutzung der Wohnung durch G und D zugleich als einen andauernden Leistungsempfang ihrerseits bewerten. Insofern kann man die an die Nutzung der Mietwohnung anknüpfende Rechtskreisöffnung des D gegenüber S als eine mit der reibungslosen Mietverhältnisabwicklung verbundene Tätigkeit einstufen, deren Förderung mit unmittelbaren Schutzpflichten des S zu Gunsten des D folglich notwendig ist, wenn die erforderlichen Willensmomente vorhanden sind.167

dd) Schutz vor künftigen Gefahren zur Förderung der gegenwärtigen Schuldverhältnisabwicklung Abgesehen davon, dass man bei bestimmten Dritten annehmen kann, dass sie als Leistungsnutzer unmittelbar am Leistungsempfang und somit zugleich am Vorgang der Schuldverhältnisabwicklung mitwirken, bleibt die Frage weiterhin offen, ob und welche Personen, die ihren Rechtskreis gegenüber S durch den nachträglichen Kontakt mit seiner Leistung öffnen, im Rahmen des Schutzpflichtmodells schutzwürdig sind. Dabei kommt es allein auf den Zweck an, der die Schutzpflichtentstehung beim SSD allgemein rechtfertigt: Es fragt sich, ob die Ermöglichung einer aufwandsgünstigen und vertrauensvollen Berührung der in Betracht kommenden dritten Personen mit der Leistung des S in institutionel___________ jektivierten Sichtweise ermitteln lässt, s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). Nicht nur in diesem Fall, da G befugt ist, den fehlenden Willen seines Sohnes (D) selbst zu verkörpern [s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd) (4)], sondern auch in anderen Fällen (etwa bei einer Wohngemeinschaft mehrerer Studenten) kann man in tatsächlicher Hinsicht von einer unmittelbaren Leistung des Vermieters an alle Bewohner unabhängig davon sprechen, wer als eigentlicher Mieter auftritt. 167 Im Grunde genommen kann man die Schutzwirkung des Mietverhältnisses in diesem Fall problemlos bejahen: Der mit der Einmischung des G zu Tage kommende Wille des D [s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) (4)] bringt eine unmittelbare Rechtskreisöffnung gegenüber dem Vermieter S selbst zum Ausdruck, da man offenbar von der Möglichkeit des S zur wirklichen Beherrschung der Gefahren ausgehen kann, die mit der Mietwohnung zusammenhängen [s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) dd)]. Sofern diese Rechtskreisöffnung angenommen wird, liegt ohne weiteres auch deren Bezugnahme auf die Mietverhältnisabwicklung auf der Hand; D, setzt seine Rechtsgüter den Einwirkungsmöglichkeiten des S geradezu im Hinblick auf die Leistungserbringung des Vermieters an seinen Vater (G) und ihn (s. Fn. 166) aus. Mit ähnlichen Überlegungen scheint es in der Regel möglich, die Schutzpflichten des Vermieters (S) auf alle Personen (D) auszudehnen, die mit dem Mieter (G) zusammenwohnen (etwa Familienangehörige, der/die Lebensgefährte, Wohngemeinschaftspartner usw.), s. auch unten 6. Kapitel B. II. 4. a). Voraussetzung ist dabei freilich, dass sie ihre Rechtsgüter hinsichtlich der mit der Mietwohnung zusammenhängenden Gefahren nicht dem Mieter, sondern dem Vermieter anvertrauen. Von der Schutzwirkung ausgeschlossen sind somit etwa Untermieter oder Besucher des Mieters; vgl. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) ee) zum Beispiel der gemeinsamen Fahrt mit einem Mietwagen.

380

6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

ler Hinsicht als Förderung der vollständigen Abwicklung der Schuldbeziehung zwischen G und S verstanden werden muss. In diesem Zusammenhang ist der Vergleich mit den Schutzpflichten in zweipoligen Schuldbeziehungen hilfreich: Auch dort sollen die entstehenden Schutzpflichten nicht nur der Gefahrenabwehr im Rahmen des Kontakts bei der eigentlichen Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung dienen, sondern auch die Gefahrlosigkeit der Leistung an sich möglichst sicherstellen. Dadurch soll auch Gefahren vorgebeugt werden, die sich erst nachträglich, d.h. nachdem die Leistung bereits erbracht und in das Vermögen des Gläubigers vollständig eingegliedert worden ist, verwirklichen können. Die Schutzpflicht etwa des Verkäufers einer Motorsäge, dem Käufer Auskunft über die richtige Bedienung zu erteilen,168 soll Schäden verhindern, die erst dann auftreten können, wenn der Verkäufer seine Hauptpflichten (Übergabe und Übereignung einer mangelfreien Motorsäge an den Käufer, s. § 433 I BGB) vollkommen erfüllt hat. Da das Kaufverhältnis zur Zeit der möglichen Gefahrverwirklichung bereits abgewickelt ist, fragt es sich, warum man bereits zum Zeitpunkt der Vertragsabwicklung dem Verkäufer die Aufklärung des Käufers über zukünftige Gefahren auferlegen soll, obwohl der Schutzpflichtenzweck allein in der institutionellen Förderung der Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung gesehen wird.169 Die Antwort auf diese Frage fällt nicht besonders schwer: Die Auferlegung von Schutzpflichten für Gefahren, die nach der eigentlichen Pflichterfüllung im Stadium der Nutzung der erbrachten Leistung auftreten können, ist mit der Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung insofern verbunden, als die zu vermeidenden Schäden bzw. die Gefahr solcher Schäden bereits zum Zeitpunkt der Entstehung bzw. Durchführung des Schuldverhältnisses unnötige Abwehrmaßnahmen notwendig machen können. Kann sich der Gläubiger nicht darauf verlassen, dass die Schutzpflichten des Schuldners auch künftige, mit der Leistungsnutzung verbundene Gefahren erfassen, so muss er bereits bei der Schuldverhältnisbegründung bzw. im Rahmen der Leistungserbringung zurückhaltend bei seiner Bereitschaft sein, das Vertragsverhältnis einzugehen bzw. die Leistung seines Partners ohne vorherige Überprüfung ihrer künftigen Gefahrlosigkeit anzunehmen. Diese Lage steht aber dem Vertragsschluss oder zumindest einer reibungslosen Vertragsabwicklung entgegen, indem sie eine aufwandsbzw. kostenintensive Zusammenarbeit erforderlich macht oder sogar gegenseitiges Misstrauen hervorruft. Die institutionelle Absicht zur Verhinderung oder zumindest zur Milderung dieser Lage kann folgerichtig die Entstehung der entsprechenden Schutzpflichten vollkommen rechtfertigen. Am Beispiel des Motorsägenkaufs müsste sich der Käufer, wenn man keine Aufklärungspflicht des ___________ 168 Hier interessiert der Zentralpflichtcharakter dieser Verbindlichkeit (s. oben 5. Kapitel bei Fn. 303) freilich nicht. 169 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) aa) und dd) in Bezug auf alle Rahmenpflichten.

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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Verkäufers annehmen würde, selbst um die nötigen Informationen hinsichtlich der ungefährlichen Verwendung der Maschine kümmern, was für ihn offenbar einen größeren Aufwand mit sich bringen würde als für den Verkäufer selbst. Das Fehlen einer entsprechenden Verkäuferschutzpflicht würde also den insgesamt für die Kaufverhältnisabwicklung erforderlichen Aufwand erhöhen bzw. Misstrauen mit sich bringen und somit die schuldverhältnisbezogene Zusammenarbeit zwischen Käufer und Verkäufer behindern. Diese Argumentation behält ihre Gültigkeit nicht nur bei Schutzpflichten, die sich zwar auf künftige Gefahren beziehen, den Schutzpflichtschuldner jedoch zu einem bestimmten Schuldnerverhalten bereits zum Zeitpunkt der Schuldverhältnisabwicklung verpflichten wie etwa die Aufklärungspflicht des Motorsägenverkäufers, sondern im Grunde auch bei Schutzpflichten, die erst nach der eigentlichen Leistungserbringung entstehen und sich somit wirklich als künftige bzw. nachträgliche Schutzpflichten auffassen lassen. Als Beispiel kann man etwa die Schutzpflicht des Motorsägenverkäufers erwähnen, den Käufer zu einem späteren Zeitpunkt – freilich innerhalb der Zumutbarkeitsgrenze – über Gefahren aus der Verwendung der Motorsäge zu informieren, von denen er erst nachträglich erfährt. Auch solche Schutzpflichten sollen aufgrund einer institutionellen Betrachtungsweise die Schuldverhältnisabwicklung selbst vorantreiben.170 Denn sogar die Wahrscheinlichkeit unnötig erhöhter zukünftiger Gefahrabwehrmaßnahmen stellt ein potentielles Hindernis für die Entstehung und Abwicklung von Schuldverhältnissen bereits in der Gegenwart dar. Im Rahmen einfacher Schuldbeziehungen tendiert also jede einschlägige (gegenwärtige oder künftige, d.h. nach vollständiger Schuldverhältnisabwicklung relevante) Gefahrvorbeugung mittels gegenwärtiger oder zukünftiger Schutzpflichten zur Förderung der Schuldverhältnisentstehung und -abwicklung, weil sie potentiell eine Erhöhung der Bereitschaft der jeweils geschützten Partei zur entsprechenden Mitwirkung bewirkt. Demnach ist prinzipiell jede auf das Zentralpflichtverhältnis bezogene Rechtskreisöffnung seitens des Leistungsgläubigers und zwar in ihrem gesamten Umfang grundsätzlich ohne weiteres mit den entsprechenden Schutzpflichten des Leistungsschuldners zu begünstigen. Fraglich kann hingegen nur der genaue Inhalt bzw. die genaue Reichweite der maßgeblichen Schutzpflichten sein, wie etwa die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze für die Auferlegung zukünftiger Warnpflichten. Überträgt man nun diese Überlegungen auf dreipolige Beziehungen so wird klar, dass Dritte, die sich unmittelbar als Leistungsempfänger an der Abwicklung eines Schuldverhältnisses beteiligen, vor Gefahren geschützt werden sollen, die nicht nur beim Leistungsempfang an sich, sondern auch bei der Leistungsnutzung ihren Positionen drohen. Dies gilt auch dann, wenn die Berührung ___________ 170

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) dd) und ee).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

mit der Leistung nicht zugleich als andauernder Leistungsempfang angesehen werden kann. Denn wie beim einfachen Zentralpflichtverhältnis kann auch bei dreipoligen Beziehungen die Wahrscheinlichkeit einer künftigen, mit der Leistungsberührung zusammenhängenden Gefahrverwirklichung den (dritten) Leistungsempfänger bereits zum Zeitpunkt des Leistungsempfangs zu unnötigen Gefahrabwehrmaßnahmen bewegen, die die Schuldverhältnisabwicklung hindern könnten. Anknüpfungspunkt für die Drittschutzwirkung ist hier ebenfalls die Mitwirkung des D beim Leistungsempfang: Sofern D am eigentlichen Vorgang der Schuldverhältnisabwicklung mitwirkt, ist die Schutzpflichtentstehung zu seinen Gunsten auch in Bezug auf spätere, mit der Leistungsberührung bzw. -nutzung verbundene Gefahren nur deshalb notwendig, weil die Herbeiführung aufwandsgünstiger und vertrauensfördernder Bedingungen der Zusammenarbeit geradezu im Hinblick auf diese Mitwirkung, also bereits im Stadium des Leistungsempfangs, den Schutz vor solchen Gefahren voraussetzt. Angesichts dieser Erklärung der Schutzpflichten in Bezug auf künftige Gefahren wird deutlich, dass die als Schutzpflichtgläubiger in Frage kommenden Dritten die Leistung des S unmittelbar entgegennehmen müssen, um als an der fremden Schuldbeziehung mitwirkende Personen angesehen werden zu können. Variiert man etwa das Beispiel des Motorsägenkaufs dahingehend, dass der Käufer (G) die Motorsäge nicht für sich selbst, sondern für seinen Sohn (D) kauft, dem der Verkäufer (S) die Kaufsache unmittelbar übergeben und übereignen soll, so wird aufgrund dieser Überlegungen deutlich, dass man dabei, wie auch im zweipoligen Verhältnis, eine Aufklärungspflicht des Verkäufers über die Verwendungsgefahren direkt gegenüber D anerkennen muss. Die Ablehnung einer solchen Schutzpflicht könnte den Leistungsempfang in ähnlicher Weise hindern, wie wenn G selbst als Leistungsempfänger agieren würde: Obschon es sich allein um Gefahren handelt, die sich erst bei der Leistungsnutzung (Verwendung der Motorsäge) verwirklichen können, müsste sich D mit im Vergleich zu S offenbar unverhältnismäßig großem Aufwand um das Sammeln der für die gefahrlose Bedienung der Motorsäge erforderlichen Informationen kümmern. Dies könnte ihn bereits beim Leistungsempfang zurückhaltender machen. Selbstverständlich ist die Schutzpflichtentstehung zu Gunsten dritter Personen, die sich an der Schuldverhältnisabwicklung als Leistungsempfänger unmittelbar beteiligen, im Hinblick auf künftige Gefahren nur dann möglich, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt werden.171 Dabei gilt es, insbesondere den genauen Inhalt der Rechtskreisöffnung des D zu untersuchen, da es durchaus möglich ist, dass D die einschlägigen Gefahren jeweils verschiedenen Personen zuordnen muss. Es kann also vorkommen, dass D seinen Rechtskreis gegenüber S allein im Hinblick auf die Einwirkungsmöglichkeiten beim Leistungsemp___________ 171

s. oben 6. Kapitel B. II. 1.

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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fangsvorgang an sich öffnet, während er hinsichtlich der Leistungsnutzung seine Rechtsgüter nur dem G anvertraut. Da Schutzpflichten natürlich nur in dem Umfang entstehen können, in dem die Entstehungsvoraussetzungen erfüllt werden, kann man in einem solchen Fall Schutzpflichten des S im Sinne des SSD nur insoweit anerkennen, als sie für den Schutz des D beim Leistungsempfang erforderlich sind. Die mit der späteren Berührung mit der erbrachten Leistung zusammenhängenden Gefahren werden hingegen mangels einer entsprechenden Rechtskreisöffnung nicht erfasst. Im Beispiel etwa des im Betrieb des G arbeitenden D kann angenommen werden, dass D seinen Rechtskreis unmittelbar gegenüber dem Maschinenhersteller S öffnet, wenn D im Auftrag des G die Maschinen im Lagerraum des S abholt. Dies erlaubt jedoch nicht ohne weiteres auch die Folgerung, dass D seinen Rechtskreis gegenüber S auch insoweit öffnet, als er später an den Maschinen arbeiten und sich somit den entsprechenden Gefahren aussetzen wird. Die im Rahmen der Arbeit im Betrieb des G vorgenommene Rechtskreisöffnung ist grundsätzlich allein unter das Verhältnis zwischen G und D einzuordnen.172 Natürlich ist die derartige Rechtfertigung von Schutzpflichten nicht nur im Rahmen ermächtigender Verträge zu Gunsten Dritter, sondern auch in ähnlichen Konstellationen relevant. Ebenfalls ist nicht allein entscheidend, ob die künftigen Gefahren, vor denen D geschützt werden soll, sich im Rahmen der Leistungsnutzung i.e.S. oder beim bloßen Kontakt mit der Leistung des S realisieren können. Allerdings können die Fragen, ob D als Leistungsempfänger bei einem ermächtigenden Vertrag zu seinem Gunsten auftritt, sowie, in welcher Weise – flüchtig oder intensiv, durch die Leistungsnutzung oder durch die bloße Leistungsberührung – er später mit der erbrachten Leistung in Kontakt kommen wird, eine wichtige Rolle für die Drittschutzwirkung spielen; denn sie gehören zu den Faktoren, die die Interpretation der Lage in Bezug auf das Vorliegen und die Gerichtetheit sowie hinsichtlich der Bezugnahme einer Rechtskreisöffnung des D auf das Schuldverhältnis zwischen G und S beeinflussen können.

ee) Schutzpflichten allein im Hinblick auf die nachträgliche Leistungsnutzung – Dritte mit einer Zentralstellung Mit den vorangegangenen Ausführungen wird lediglich angenommen, dass D in Bezug auf den späteren Kontakt (vor allem Nutzung) der Leistung des S geschützt wird, wenn er auch beim Leistungsempfang und somit an der eigentlichen Schuldverhältnisabwicklung zwischen G und S mitwirkt, sei es nur, weil sich die Leistungsnutzung vom eigentlichen Leistungsempfang nicht trennen lässt. Die Schutzpflichten zu Gunsten des D, die zukünftige, mit dem nachträg___________ 172

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

lichen Leistungskontakt verbundene Gefahren betreffen, werden insofern ebenso wie die Schutzpflichten, welche die von D beim Leistungsempfang eröffneten Einwirkungsmöglichkeiten kompensieren sollen, mit dem Zweck anerkannt, diese Mitwirkung umfassend zu fördern. Unbeantwortet bleibt hingegen weiterhin die Frage, ob man Schutzpflichten zu Gunsten des D im Anschluss an das Schuldverhältnis zwischen G und S auch dann begründen muss, wenn D seinen Rechtskreis gegenüber S allein deswegen öffnet, weil die Leistung des S ihm – vor allem als Leistungsnutzer – zugute kommt oder ihn lediglich berührt. In vielen der bei dieser Fragestellung relevanten Konstellationen scheint allerdings die Entstehung von Schutzpflichten zu Gunsten desjenigen, der mit der Leistung des S in Berührung kommt, bereits an der Anforderung einer auf das Schuldverhältnis zwischen G und S bezogenen, eigenständigen Rechtskreisöffnung gegenüber S zu scheitern. Dies gilt vor allem dann, wenn die Leistung des S, mit der D in Kontakt kommt, unter der objektivieren Sichtweise des D als Teil der Leistung gesehen werden muss, die G seinerseits an D erbringt. Dabei handelt es sich vornehmlich um Fälle, in denen S rechtlich als Erfüllungsgehilfe des G auftritt.173 In diesem Sinne kann man allgemein die Drittschutzwirkung innerhalb von Leistungsketten verneinen. Diese sind hier deshalb besonders wichtig, weil innerhalb solcher Ketten – nicht zuletzt wegen der hohen Arbeitsteilung in modernen Wirtschaftsverhältnissen – in Bezug auf viel mehr Personen fraglich sein kann, ob zu ihren Gunsten drittgerichtete Schutzpflichten entstehen, die nicht an die unmittelbare Mitwirkung an der Schuldverhältnisabwicklung, sondern an die nachträgliche Leistungsnutzung anknüpfen.174 Unter diesem Blickwinkel entstehen grundsätzlich keine Schutzpflichten zu Gunsten des D in dem Fall, dass der Käufer (G) durch den Kaufvertrag mit S seine eigenen Pflichten aus einem weiteren Kaufvertrag erfüllen will, den G (als Verkäufer) mit D (als Käufer) geschlossen hat: Sofern D die Besitz- und Eigentumsübertragung als eine Leistung des G ansehen muss, muss er auch die aus dieser Leistung stammenden Gefahren prinzipiell als von G herkommend betrachten. Man sollte also in Bezug auf die mit der späteren Nutzung der Kaufsache verbundenen Gefahren die Rechtskreisöffnung des D gegenüber S oder zumindest ihre Bezugnahme auf den Kaufvertrag zwischen G und S in der Regel ablehnen. Natürlich kommt es schließlich nur auf die zutreffende Interpretation der konkreten Lage hinsichtlich der realen Willenstatbestände an,175 wobei vor allem die offensichtliche faktische Gefahrenherkunft bzw. Gefahrbeherrschbarkeit ___________ 173

Vgl. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc) sowie 6. Kapitel B. II. 2. d) bb) und cc). Insbesondere in Bezug auf Zahlungsketten im Bankenverkehr s. unten 6. Kapitel B. II. 4. d). 175 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). 174

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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eine wichtige Rolle spielt.176 Die Annahme eines SSD im Sinne des Schutzpflichtmodells erscheint tatsächlich wegen der konkreten Umstände etwa in dem Fall angebracht, dass G ein – für Kinder möglicherweise gefährliches – Spielzeug beim Spielzeughändler S für seinen kleinen Sohn (D) kauft. Auch wenn man die Leistung des G an D als Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gegenüber D im Rahmen des familienrechtlichen Eltern-Kind-Verhältnisses und den S folglich als Erfüllungsgehilfen des G im Sinne von § 278 BGB betrachten sollte, so kann man wegen der offensichtlich erwarteten Gefahrbeherrschung seitens des S eine eigenständige, auf das Kaufverhältnis zwischen G und S bezogene Rechtskreisöffnung des D gegenüber S selbst grundsätzlich problemlos annehmen.177 Hat man das Problem der eigenständigen Rechtskreisöffnung des D und deren Bezugnahme auf das Schuldverhältnis zwischen G und S gelöst, so fragt es sich nach dem Grund, aus dem die Entstehung von Schutzpflichten zu Gunsten des D in den fraglichen Fällen als institutionelle Förderung der Entstehung bzw. Abwicklung des Zentralpflichtverhältnisses zwischen G und S angesehen werden soll.178 Denn D kommt in Kontakt mit dem fremden Schuldverhältnis allein dadurch, dass er erst dann in Berührung mit der Leistung des S gerät, wenn sie vollkommen erbracht ist und möglicherweise sogar alle mit dem fremden Schuldverhältnis zusammenhängenden Angelegenheiten bereits vollständig erledigt sind. Anders als wenn D zu einem Zeitpunkt vor bzw. bei der eigentlichen Leistungsbewirkung und somit unmittelbar am Vorgang der Schuldverhältnisabwicklung selbst mitwirkt, ist auch in abstrakt-institutioneller Hinsicht nicht ohne weiteres ersichtlich, warum die Wahrscheinlichkeit einer nachträglichen Schädigung des D als eine Drohung für die fremde Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung aufgefasst werden sollte, wenn sich D daran in keiner Weise beteiligt. Bereits diese Fragestellung macht deutlich, dass man hierbei ohnehin strenge Drittschutzvoraussetzungen aufstellen muss: Da D nicht an der Schuldverhältnisabwicklung mitwirkt, müssen besondere Umstände vorhanden sein, die belegen, dass die Bereitschaft des D, nachträglich in Berührung mit der Leistung des S zu kommen, einen positiven Einfluss auf das fremde Schuldverhältnis ausüben kann. In einem solchen Fall ist es gerechtfertigt, diese Bereitschaft mit der Absicht zur institutionellen Optimierung der gesamten Obligationsordnung mittels drittgerichteter Schutzpflichten zu erhöhen.

___________ 176

Vgl. dazu oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc) sowie 6. Kapitel B. II. 2. d) bb). Dieses Ergebnis ist deshalb einfach, weil G selbst derjenige ist, der die maßgebliche Willensbildung für D befugt vornimmt, s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd) (4). 178 s. oben 6. Kapitel B. I. und 6. Kapitel B. II. 1. 177

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Rückt man zunächst die Schutzpflichtentstehung im Rahmen rein zweipoliger Beziehungen in den Mittelpunkt der Untersuchung, so stellt man fest, dass auch die eigentlichen Parteien des Zentralpflichtverhältnisses zuweilen nicht unmittelbar an der Begründung und Abwicklung ihrer Schuldbeziehung mitwirken. Sie können sich etwa durch andere Personen bei der Vertragsschließung vertreten lassen oder sich ihrer Erfüllungsgehilfen bedienen, um die geschuldeten Leistungen zu erbringen. Dennoch werden sie anerkanntermaßen mit den entsprechenden Schutzpflichten auch dann umfassend vor Schädigungen bewahrt, wenn sie ihre Rechte, Rechtsgüter und Interessen dem anderen Teil lediglich im Rahmen der nachträglichen Leistungsnutzung anvertrauen.179 Der Grund für einen so umfassenden Schutz der eigentlichen Parteien des Zentralpflichtverhältnisses liegt offenbar in der Schlüsselrolle, die ihnen zukommt: Auch wenn sie sich nicht persönlich daran beteiligen, stehen sie notwendigerweise in der Mitte des Geschehnisses in dem Sinne, dass das Schuldverhältnis begriffsgemäß allein dazu bestimmt ist, ihren Interessen zu dienen.180 Insofern kommt es für die Entstehung und die Abwicklung des Zentralpflichtverhältnisses entscheidend (auch) auf ihre Bereitschaft an, sich auf die mit ihrer Stellung als Schuldverhältnisparteien verbundenen rechtlichen und faktischen Wirkungen einzulassen. Nur wenn und weil diese Bereitschaft vorhanden ist, beteiligen sich weitere Personen (Vertreter, Erfüllungsgehilfen und andere Hilfspersonen) an der Schuldverhältnisentstehung und -abwicklung anstelle der eigentlichen Parteien. Fehlt es hingegen daran, so hat auch die Mitwirkung dritter Personen keinen Sinn mehr. Es ist demnach folgerichtig anzunehmen, dass jede Gefahr, die dem nachträglichen Kontakt des Zentralpflichtgläubigers mit der Leistung seines Partners entgegensteht, potentiell bereits die Entstehung bzw. Abwicklung des Zentralpflichtverhältnisses hindert. Im Rahmen einer institutionellen Optimierung der Schuldverhältnisordnung ist diese Zentralrolle, die den eigentlichen Schuldverhältnisparteien bereits begrifflich zusteht, auch dann mit der Entstehung der entsprechenden Schutzpflichten zu berücksichtigen, wenn sie sich kaum unmittelbar am eigentlichen Vorgang der Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung beteiligen. Angesichts dessen kann man auch in dreipoligen Verhältnissen die Rechtfertigung von Schutzpflichten zu Gunsten von Personen, die erst mit der bereits erbrachten Leistung des S in Berührung kommen, m.E. darin sehen, dass diese Personen eine ebenso wichtige Rolle für die Schuldbeziehung zwischen G und ___________ 179 Dies bedeutet ohnehin keine überhöhte Belastung des jeweiligen Schutzpflichtschuldners. Die Parteien des Zentralpflichtverhältnisses werden weiterhin nur in dem Umfang geschützt, in dem sie ihren Rechtskreis dem anderen Teil jeweils öffnen. Sofern sie sich nicht persönlich an der Schuldverhältnisentstehung bzw. -abwicklung beteiligen und ihren Rechtskreis somit nicht öffnen, so werden sie insoweit freilich nicht zu Schutzpflichtgläubigern. 180 s. oben 4. Kapitel A.

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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S spielen wie eigentliche Schuldverhältnisparteien selbst, obgleich sie in rechtlicher Hinsicht weiterhin als dritte zu bezeichnen sind.181 Wenn sie in Wahrheit keine bloß Außenstehenden sind, sondern vielmehr im Mittelpunkt der Schuldbeziehung von G und S in dem Sinne stehen, dass die Schuldbeziehung praktisch allein ihre Interessen verfolgt, kann ihre Schädigung jener einer eigentlichen Schuldverhältnispartei gleichgesetzt werden. Hat nun D eine so zentrale Stellung für die Schuldbeziehung von G und S inne, so kann sich die Gefahr der Verletzung seiner Positionen im Ergebnis gleichermaßen lähmend auf die Abwicklung der Schuldbeziehung zwischen G und S auswirken wie die Schädigung eigentlicher Schuldverhältnisparteien selbst. Denn die fehlende Bereitschaft des D, die Leistung des S wegen der damit verbundenen Gefahren (künftig) zu benutzen, könnte den Sinn einer schuldverhältnisbezogenen Zusammenarbeit zumindest seitens des G fraglich machen und somit insgesamt die Abwicklung der Schuldbeziehung zwischen G und S beeinträchtigen. Das Vorliegen dieser Tatbestandmerkmale soll nun auch hier anhand der gleichen normativen Maßstäbe ermittelt werden, die allgemein für die Schutzpflichtentstehung entscheidend sind:182 Sofern die maßgebliche Drittbeteiligung – hier in der Gestalt der Leistungsnutzung – nicht als solche vom Schuldverhältnis zwischen G und S vorgesehen wird, kommt es auf den Willen von D und S an. Unter der objektivierten Sichtweise des D muss S im Hinblick auf die (möglicherweise nur vermeintliche) Zentralstellung des D leisten, während D dabei den Eindruck erwecken muss, dass er unter Wahrnehmung seiner Schlüsselrolle als intendierter Leistungsempfänger und -nutzer das aufgrund des Schuldverhältnisses zwischen G und S herbeigeführte Leistungsergebnis geradezu als Leistung des S in Anspruch nehmen wird. Im Hinblick auf diese Zwecksetzung muss man beachten, dass die Schutzpflichten zu Gunsten des D nicht deshalb entstehen, um den G dazu zu bewegen, an der Entstehung bzw. Abwicklung seiner Schuldbeziehung mitzuwirken. Dieser Absicht wird ohnehin durch die Rahmen- bzw. Schutzpflichtentstehung in rein zweipoliger Hinsicht (Schuldbeziehung zwischen G und S) vollkommen Rechnung getragen. Es geht vielmehr um die Wahrnehmung der Interessen des D selbst. Es soll seine Bereitschaft erhöht werden, die Leistung des S möglichst ohne Bedenken (nachträglich) zu empfangen und zu nutzen, da diese Bereitschaft objektiv betrachtet eine Bedingung für die sinnvolle Abwicklung der fremden Schuldbeziehung ist und somit auch vom abstrakt-institutionellen Schutzpflichtenzweck erfasst wird. ___________ 181

Auch hier ist kein Vergleich der konkreten Dritten mit den konkreten Parteien des maßgeblichen Schuldverhältnisses (G und S) vorzunehmen; es geht vielmehr um das Vorhandensein abstrakter Parteimerkmale in der Person bzw. Stellung der konkreten Dritten, s. oben 4. Kapitel C. II. 182 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb) (2).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Eine derart dominierende Stellung des D im Schuldverhältnis zwischen G und S ist vor allem dann anzunehmen, wenn G gegenüber S praktisch allein als Interessenvertreter des D auftritt. Wenn sich die Rolle des G innerhalb der Schuldbeziehung zu S in der bloßen Vermittlung zwischen S und D beschränkt, dann ähnelt die Stellung des D hinsichtlich der Berührung mit der geschuldeten Leistung des S am ehesten jener eines eigentlichen Zentralpflichtgläubigers. Diese Anforderungen werden etwa in dem Fall nicht erfüllt, dass G seine Tochter (D) durch die entsprechende Testamentserrichtung erbrechtlich begünstigen will und deshalb den Rechtsanwalt S damit beauftragt, ihm dabei zu helfen.183 Auch wenn man prinzipiell bereit wäre, eine Schutzpflicht hinsichtlich der Erwartung der D auf Zentralpflichterfüllung seitens des S anzunehmen,184 kommt eine Drittschutzwirkung zu ihren Gunsten im Sinne des Schutzpflichtmodells bereits deshalb nicht in Frage, weil ihr keine Zentralstellung im Schuldverhältnis zwischen G und S zukommt. Diese gebührt vielmehr unzweideutig allein dem Erblasser G, da es sich bei der Testamentserrichtung um die Erledigung seiner eigenen Angelegenheit handelt. G tritt dabei keineswegs als bloßer Interessenvertreter der begünstigten Person auf, so dass es für die Mitwirkung des G und die sinnvolle Abwicklung seines Schuldverhältnisses mit S objektiv betrachtet kaum auf die eigene Einstellung seiner Tochter gegenüber der Leistung des S ankommt. Allgemeiner betrachtet wird die aufgestellte Bedingung nur dann erfüllt, wenn D nicht in bloße Berührung mit der Leistung des S kommt, sondern sich als Leistungsnutzer den mit dieser Leistung verbundenen Gefahren aussetzt. Darüber hinaus kann eine dominierende Stellung Dritter nicht allein in Bezug auf irgendwelche Leistungen des S bestehen. Die Nutzung einer Leistung, die lediglich den Gegenstand einer Nebenpflicht ausmacht, kann in der Regel kaum den Schluss rechtfertigen, dass D deswegen eine insgesamt zentrale Stellung in der fremden Zentralpflichtbeziehung innehat; D muss vielmehr als alleiniger Hauptleistungsnutzer auftreten. Muss nun S mehrere im Grunde eigenständige Hauptleistungen erbringen, so ist natürlich das Verhältnis des D zu derjenigen unter ihnen maßgeblich, um deren Gefahren es sich im konkreten Fall handelt. Eine Ausnahme in Bezug auf die Nutzung von Nebenleistungen muss man möglicherweise für den Fall anerkennen, dass die Leistung des S einen praktisch eigenständigen Teil seines Zentralpflichtenprogramms bildet. Denn die Förderung der Abwicklung der übrigen Zentralpflichten des S mit Schutzpflichten zugunsten des G kann dann nicht zugleich auch als Förderung der Erfüllung des

___________ 183

So etwa der Sachverhalt bei BGH v. 6.7.1965, JZ 1966, 141. S. auch oben 2. Kapitel A. III. 4., Fallkonstellation 23 – „Testamentsfälle“. 184 In aller Regel scheidet jedoch eine solche Schutzpflicht bereits wegen ihres Inhalts aus, s. 6. Kapitel B. I. sowie allgemeiner und ausführlicher 5. Kapitel D. IV. 2. a).

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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selbständigen Pflichtenteils des S angesehen werden, was wiederum zusätzliche drittgerichtete Schutzpflichten überflüssig machen würde.185 Demgegenüber ist eine dominierende Drittstellung etwa im Falle einer offen gelegten186 mittelbaren Stellvertretung des D durch G beim Vertragsschluss mit S anzunehmen: G empfängt dann die Leistung des S in Wahrheit nicht für sich selbst, sondern für seinen Auftraggeber D. Seine Mitwirkung an der Vertragsbeziehung zu S wird durch die Absicht bedingt, dass D schließlich die Leistung des S empfangen und nutzen wird, was ferner die objektive Abhängigkeit einer sinnvollen Schuldverhältnisabwicklung von der Bereitschaft des D mit sich bringt, die Leistung des S abzunehmen und zu nutzen. Die Vorbeugung der Gefahren, die dem D bei der bevorstehenden Leistungsnutzung drohen, kann somit abstrakt-institutionell als Förderung der Schuldbeziehung zwischen G und S betrachtet werden. Dies bestätigt auch der Vergleich mit der Interessenlage bei einer unmittelbaren Stellvertretung im Sinne von §§ 164 ff BGB: Die Tatsache, dass der Vertretene in diesem Fall zum unmittelbaren Vertragspartner wird, räumt zwar jeden Zweifel darüber aus, dass seinen Vertragspartner Schutzpflichten zur Verbeugung der mit der Leistung verbundenen Gefahren treffen, und zwar unabhängig davon, ob sich der Vertretene an der maßgeblichen Schuldbeziehung überhaupt persönlich beteiligt. Im Vergleich zu dem Fall, dass G den D nur mittelbar repräsentiert, macht jedoch die Rechtslage bei der unmittelbaren Stellvertretung kaum einen erheblichen Unterschied an der materiellen Stellung des unmittelbar Vertretenen hinsichtlich der Leistung seines Vertragspartners sowie in Bezug auf die Einflussnahme seiner möglicherweise fehlenden Leistungsempfangs- bzw. Leistungsnutzungsbereitschaft auf die Vertragsschließung bzw. -abwicklung aus. Kauft beispielsweise G beim Apotheker S ein Arzneimittel, das offenbar für seine Frau D bestimmt ist, so darf man die Entstehung von Schutzpflichten des S gegenüber D zur Vorbeugung der mit der Einnahme des Medikaments zusammenhängenden Gefahren kaum danach beurteilen, ob G den Kaufvertrag im Namen seiner Frau schließt, oder dagegen zwar offenbar für ihre Rechnung, aber im eigenen Namen handelt. Die materielle Interessenlage und der vornehmlich daran zu beurteilende reale Wille der Beteiligten sind in beiden Fällen kaum unterschiedlich. Von einer ähnlich dominierenden Stellung des D muss man konsequenterweise auch in Fällen ausgehen, in denen G zwar nicht als mittelbarer Stellvertreter des D i.e.S. auftritt, weil er keine wirkliche Vertretungsabsicht hat, jedoch im Rahmen des Schuldverhältnisses zu S praktisch allein im Hinblick auf die ___________ 185

Zu den Begriffen Haupt- und Nebenpflichten s. oben 5. Kapitel B. II. 1. und 2. Dabei muss für S lediglich erkennbar sein, dass G in Wahrheit für fremde Rechnung agiert, um auf die Zentralstellung des mittelbar Vertretenen schließen zu können; nicht erforderlich ist hingegen die Erkennbarkeit der Person desjenigen, für den G tätig wird. 186

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Interessen des D agiert, so dass die materielle Lage großenteils die gleiche ist. Beispielsweise kann zwar der Vater (G) des D, der für seinen Sohn ein Spielzeug vom Spielzeughändler S kauft, vielleicht nicht als mittelbarer Vertreter seines Sohnes angesehen werden, weil er das Spielzeug in Wahrheit für eigene Rechnung kauft, d.h. mit dem Zweck, seine Unterhaltspflicht gegenüber D zu erfüllen.187 Dennoch spielt dies für die materielle Stellung des D kaum eine Rolle: Allein von der Bereitschaft des D,188 die Leistung des S anzunehmen und zu nutzen, hängt objektiv betrachtet auch die Bereitschaft des G ab, an der Abwicklung des Kaufvertrags mitzuwirken. Der Kaufvertrag erscheint vollkommen sinnlos, wenn von D wegen der mit der Kaufsache verbundenen Gefahren nicht erwartet werden kann, die Leistung des S entgegenzunehmen bzw. zu verwenden. Diese Lage macht die Entstehung von Schutzpflichten zugunsten des D notwendig. In diesem Sinne kann man viele der Gutachtenfälle189 behandeln. Dem Vertrag des G mit dem Sachverständigen (S) liegt allein der Zweck zugrunde, dem D eine geeignete und zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu bieten. Diese Zweckverfolgung kommt dem G selbst erst mittelbar zugute, indem D die Leistung des S in Anspruch nimmt und den in Frage stehenden (etwa Darlehens-)Vertrag mit G auf der Grundlage des Gutachtens schließt. Angesichts dieser dominierenden Stellung des D verliert der Gutachtenvertrag zwischen G und S ohne die Bereitschaft des D, von der ihm durch die Vermittlung des G zur Verfügung gestellten Leistung des S Gebrauch zu machen, vollkommen seinen Sinn. Solche Fälle unterscheiden sich materiell im Grunde nur unerheblich von den Konstellationen, in denen D zwar in seiner Eigenschaft als Nutzer der Leistung des S geschützt werden soll, sich jedoch bereits am eigentlichen Vorgang zur Abwicklung der Schuldbeziehung von G und S zumindest durch die Entgegennahme der Leistung des S unmittelbar beteiligt.190 Man muss die fraglichen Sachverhalte nur unwesentlich ändern, um Konstellationen der anderen Gruppe zu bilden: Die Gutachtenfälle sind lediglich dahingehend zu variieren, dass S das erstellte Gutachten unmittelbar bei D selbst aushändigen soll, um eine unmittelbare Mitwirkung des D am Vertragserfüllungsvorgang feststellen zu dürfen. Das grundlegende Tatbestandsmerkmal und die damit verbundene Interessenlage bleiben allerdings in beiden Fallvariationen unabhängig davon erhalten: Die Schuldbeziehung zwischen G und S dreht sich im Wesentlichen um die Leistungsnutzung durch D. Die Unterstützung der Leistungsnutzungsbereit___________ 187 Die Unterscheidung kann zuweilen wirklich schwierig sein, was auf die starken materiellen Ähnlichkeiten beider Konstellationen hinweist. 188 Der Wille des D wird hier freilich von seinem Vater gebildet, s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd) (4). 189 Zu dieser Fallgestaltung s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15 – „Gutachtenfälle“. 190 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) dd).

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schaft des D mit den entsprechenden Schutzpflichten des S kommt demnach grundsätzlich der Förderung der Schuldbeziehung zwischen G und S gleich.191 Diese Überlegungen gelten allerdings nur, sofern das Gutachten tatsächlich für einen Dritten bestimmt ist. Soll es hingegen offenbar der eigenen Information des Auftraggebers (G) dienen, so liegt grundsätzlich keine Rechtskreisöffnung dritter Personen gegenüber dem Gutachter (S) vor, wenn sie wegen der aufgrund des maßgeblichen Gutachtens gefällten Entscheidung des G negative Folgen hinnehmen müssen. Davon abgesehen haben die betroffenen Dritten in dieser Konstellation keine Zentralstellung im Vertragsverhältnis zwischen G und S.192 Die Zentralstellung hinsichtlich der Leistungsnutzung gebührt hier vielmehr allein dem G, der gegenüber S nicht als Interessenvertreter Dritter und somit nicht als Vermittler zwischen dem S und Außenstehenden, sondern für sich selbst auftritt, da er durch den Vertrag mit S und die beabsichtigte Leistungsnutzung eine Hilfe für die eigene Entscheidung sucht.193 ___________ 191

Problematischer ist die Frage, ob man bei Erstellung eines Dienstleistungszeugnisses gemäß § 630 BGB zu Gunsten des späteren Arbeitgebers (D) Schutzpflichten des gegenwärtigen Arbeitgebers (S) anerkennen soll, der für seinen Arbeitnehmer (G) das Zeugnis erstellt (zur Ähnlichkeit dieser Konstellation mit den übrigen Gutachtenfällen s. oben 3. Kapitel Fn. 92). Während es hierbei eindeutig ist, dass D seinen Rechtkreis geradezu im Hinblick auf die Leistung des S als solche öffnet, ist nicht selbstverständlich, dass man insoweit auch die erforderliche Zentralstellung des D in der Schuldbeziehung von G und S annehmen kann. Sicherlich handelt es sich bei dieser Nebenpflicht um einen eigentlich selbständigen Teil des gesamten Leistungsprogramms des S, so dass man der Frage nach dem Vorliegen einer etwaigen Zentralstellung des D allein in Bezug auf diesen Teilbereich nachgehen darf (s. soeben im Text). M.E. ist die Drittschutzwirkung hier nur dann zu bejahen, wenn sich G unter der objektivierten Sichtweise des S gesehen bereits bei der Gutachtenerstellung darüber im Klaren ist, wem er das Dienstleistungszeugnis vorlegen wird. Denn nur in diesem Fall kommt es für die sinnvolle Mitwirkung des G an der Abwicklung der konkreten Pflichterfüllung durch S (Zeugniserteilung) objektiv betrachtet auch darauf an, ob D bereit sein wird, sich auf die Angaben des S zu verlassen. Steht jedoch für G offenbar noch nicht fest, wem er das Zeugnis vorlegen wird, sondern verlangt er es, um es in der Zukunft bei passender Gelegenheit zu verwenden, so kann man kaum mehr annehmen, dass der spätere Zeugnisempfänger (D) eine Zentralstellung innehätte, die sich bereits gegenwärtig auf die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses von G und S auswirken könnte. In diesem Sinne muss man ohne weiteres die Schutzpflichtentstehung zu Gunsten aller weiteren Arbeitgeber des G ablehnen, die in der Zukunft die Einstellung des G auf das Dienstleistungszeugnis stützen werden, nämlich nachdem G das Zeugnis seines ersten Arbeitgebers (S) bereits einmal einem weiteren Arbeitgeber vorgelegt hat (s. auch sogleich unten im Text). 192 s. auch sogleich unten im Text zur Anforderung, dass eine etwaige Leistungsnutzung durch mehrere Personen (etwa G und D) auf der gleichen (primären) Ebene erfolgen soll. 193 Insofern ist der Entscheidung des BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (s. oben 2. Kapitel bei Fn. 175) im Ergebnis zuzustimmen. M.E. ist die Beurteilung für oder gegen die Annahme eines SSD in diesem Zusammenhang keineswegs mit der Frage verbunden, ob man sich dabei im Bereich öffentlicher Interessen bewegt; s. aber Kannowski/Zumbansen, NJW 2001, 3102.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Darüber hinaus muss G nach der objektivierten Sichtweise des S bereits zum Zeitpunkt seiner Leistungserbringung (Gutachtenerstellung) den konkreten Zweck verfolgen, das Gutachten einem wirklich bestimmten Dritten vorzulegen. In einem solchen Fall kann man tatsächlich von einer Zentralstellung des in Frage kommenden Dritten und somit davon ausgehen, dass die sinnvolle Vertragsabwicklung von dessen Bereitschaft abhängig erscheint, das Gutachten entgegenzunehmen und anschließend zu verwerten. Dafür braucht man allerdings nicht auch das Wissen des Gutachters (S) über die Identität des anvisierten Gutachtenempfängers; es genügt, wenn er erkennen kann, dass der Gutachtenempfänger für G selbst mehr oder weniger feststeht. Lässt G hingegen S das Gutachten mit der abstrakten Absicht erstellen, es später, bei gegebener Gelegenheit zu benutzen, so kann man kaum mehr behaupten, dass für die gegenwärtige Vertragsabwicklung der zukünftige Schutz der erst nachträglich bestimmbaren und gegenwärtig somit als entscheidende Subjekte gar nicht in Frage kommenden Gutachtenempfänger erforderlich wäre. Das Erfordernis der Bestimmtheit des Dritten bereits zum Zeitpunkt der maßgeblichen Leistungserbringung durch S ist nicht nur in den Gutachtenfällen, sondern im Allgemeinen von erheblicher Bedeutung. Im Hinblick auf die materielle Interessenlage erscheint es ferner angebracht, auch solche Fälle hierunter einzuordnen, in denen D zwar nicht die einzige Person ist, die die Hauptleistung des S nutzen wird, zumindest für einen Teilbereich jedoch neben anderen Personen – vor allem neben G selbst – eine zentralpflichtgläubigerähnliche Stellung innehat. Voraussetzung ist dafür, dass D als Leistungsnutzer praktisch auf der gleichen Ebene in Frage kommt, wie alle anderen Personen, die zusammen mit ihm den Kreis jener Personen ausmachen, denen die Hauptleistung des S praktisch unmittelbar zur Verfügung gestellt wird. Materiell gesehen ist es ungerechtfertigt, Schutzpflichten des S nur dann anzunehmen, wenn G als Interessenvertreter allein des D auftritt, und sie hingegen abzulehnen, wenn G im Rahmen der Schuldbeziehung zu S als Interessenvertreter zweier oder mehrerer, auf der gleichen Ebene stehender Personen tätig wird; vielmehr wird dann die maßgebliche dominierende Stellung einfach zwischen mehreren Personen aufgeteilt. Schutzpflichten sind in diesem Sinne beispielsweise zu Gunsten beider Kinder des G zu bejahen, für die G beim Spielzeughändler S Spielzeuge kauft. Ebenfalls darf die Schutzwirkung des Kaufvertrages zwischen G und dem Apotheker S zu Gunsten der Frau (D) des G nicht davon beeinflusst werden, dass G das gefährliche Arzneimittel nicht nur für D, sondern auch für sich selbst kauft, weil er ebenfalls krank ist. Hier kommt es bloß nicht auf die Leistungsnutzungsbereitschaft einer, sondern mehrerer Personen an, da die Hauptleistung des S unmittelbar für sie alle bestimmt ist. Sicher ist aber dabei, dass es sich immer um einen kleinen, zur Zeit der Schuldverhältnisabwicklung feststehenden Personenkreis handeln muss. Denn nur bei Erfüllung dieser Bedingung kann man annehmen, dass die betroffenen Dritten eine wirklich zentrale Rolle für die fremde Schuldbeziehung spielen, und somit, dass es entscheidend auch auf ihre Leistungsannahme- bzw. Leistungsnutzungsbe-

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reitschaft ankommt. Es liegt sogar nahe, dass, je weiter sich die Anzahl der in Frage kommenden Personen ausdehnt, desto schwieriger der Nachweis ist, dass der Schutz dieser Personen unter die institutionelle Funktionserfüllung der drittgerichteten Schutzpflichten fällt. Im Allgemeinen ist grundsätzlich nur denjenigen Dritten eine dominierende Stellung für die Schuldbeziehung zuzusprechen, die – allein oder möglicherweise neben dem G selbst – praktisch als primäre Leistungsnutzer angesehen werden können. Deswegen ist eine wirkliche Zentralstellung bei jenen Dritten grundsätzlich abzulehnen, die erst dadurch zur Nutzung der ursprünglichen Leistung des S gelangen, dass eine oder mehrere Personen (vor allem G) als vorherige Leistungsnutzer auftreten. Denn die Einflussmöglichkeiten von Personen, die erst aufgrund einer solchen Leistungskette zu Nutzern der Leistung des S werden, auf die Schuldbeziehung von G und S reichen in der Regel nicht aus, um davon ausgehen zu können, dass die Erhöhung ihrer Leistungsnutzungsbereitschaft durch die entsprechenden Schutzpflichten zu einer reibungslosen Schuldverhältnisabwicklung beitragen könnte.194 Praktisch relevant ist diese Aussage etwa in Bezug auf die Frage, ob bei standardisierten Absatzketten Schutzpflichten zwischen dem Warenproduzenten (S) und dem Endkäufer (D) der Ware entstehen. Davon abgesehen scheidet hier eine Zentralstellung der Endkäufer auch deswegen aus, weil es sich zum Zeitpunkt des Kaufabschlusses zwischen dem Warenproduzenten (S) und dem Großhändler (G) um einen noch gar nicht bestimmten Personenkreis handelt. Natürlich ist eine eindeutige Antwort auf die Frage, wann und welche dritten Personen von diesen Überlegungen erfasst werden, nicht immer einfach. Probleme können insbesondere dann auftreten, wenn die Leistung des S nicht nur durch mehrere Personen (neben D vor allem G), sondern auch in jeweils verschiedener Hinsicht bzw. auf jeweils andere Weise genutzt werden soll. Es kann beispielsweise fraglich sein, ob neben der Bank (G), die den Sachverständigen S mit der Erstellung eines Wertgutachtens über das Grundstück eines Bankkunden beauftragt, das zur Darlehenssicherung dienen soll, auch D, der für das Darlehen bürgen soll und dem deshalb das Gutachten vorgelegt wird, von der Leistung des S praktisch auf der gleichen Ebene wie G Gebrauch macht.195 Eine einschlägige Antwort kann allein aufgrund der jeweils vorliegenden konkreten Umstände gegeben werden, wie diese unter der objektivierten Sichtweise des S ___________ 194 Die maßgebliche Zentralstellung kann ausnahmsweise bejaht werden, wenn die zwischengeschalteten Personen in der Leistungskette eine lediglich vermittelnde Rolle als bloße Interessenvertreter des eigentlichen Leistungsendnutzers (D) spielen; denkbar wären hierbei etwa aufeinander bezogene Kommissionsgeschäfte. 195 Vgl. den Sachverhalt bei BGH v. 13.11.1997, NJW 1998, 1059 (s. oben 2. Kapitel bei Fn. 168); dabei soll der Bürge offenbar nicht als primärer Leistungsnutzer in Leistungskontakt kommen, und deshalb ist die Schutzwirkung zu seinen Gunsten abzulehnen.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

ermittelt werden sollen. Am soeben erwähnten Beispielsfall kommt es insbesondere darauf an, ob der Sachverständige die Absicht der Bank G, das erstellte Gutachten dem Bürgen vorzulegen, bereits von Anfang an, d.h. zum Zeitpunkt der Auftragsausführung, praktisch für ebenso gewichtig halten muss wie die Absicht der G, vom Gutachten selbst Gebrauch zu machen. Schließlich muss man sich in diesem Zusammenhang immer darüber im Klaren sein, dass der Schutz dritter Personen allein im Hinblick auf ihre Eigenschaft als künftige Leistungsnutzer nur als Mittel dazu dient, die schuldverhältnisbezogene Zusammenarbeit der eigentlichen Beteiligten (G und S) zu fördern. Angesichts dessen ist, wie soeben angedeutet, bei der Anerkennung von Schutzpflichten zu Gunsten solcher Personen deshalb Zurückhaltung geboten, weil die Nutzung der Leistung bereits begrifflich außerhalb der eigentlichen Schuldverhältnisabwicklung steht, die gefördert werden soll. Mangels einer unmittelbaren Drittbeteiligung an der fremden Schuldbeziehung ist also die Notwendigkeit drittgerichteter Schutzpflichten als Förderung der eigentlichen Schuldverhältnisabwicklung grundsätzlich abzulehnen, es sei denn, dass eine dominierende Drittstellung ausreichend begründet werden kann. Im Hinblick auf die funktionelle Erklärung der Schutzpflichten ist es sogar erforderlich, den Drittschutz prinzipiell auf jene Dritten zu beschränken, die praktisch offenkundig im Schwerpunkt der Hauptleistungserbringung des S stehen. Denn unnötige Unsicherheiten über die Drittschutzgrenzen wirken der durch das Schutzpflichtmodell verfolgten Zwecksetzung – Herbeiführung aufwandsgünstiger und vertrauensfördernder Bedingungen der Zusammenarbeit – unmittelbar entgegen.196

ff) Betonung der abstrakt-institutionellen Betrachtungsweise Wenn in diesem Zusammenhang vertreten wird, dass D wegen seiner Zentralstellung als Leistungsnutzer mit den entsprechenden Schutzpflichten geschützt werden soll, so soll der Drittschutz nicht durch die Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die konkret vorliegenden Parteiinteressen ausreichend zu befriedigen, wie es auf der Basis einer (vor allem ergänzenden) Vertragsauslegung der Fall wäre. D wird vielmehr allein seinetwillen geschützt, weil dies unter abstrakt-institutionellen Überlegungen einen fördernden Effekt für die fremde Schuldbeziehung haben könnte. Die Förderung des Beteiligungswillens des D, sei es nur im Sinne einer Bereitschaft zur Leistungsnutzung, wird also als potentielle Förderung des fremden Schuldverhältnisses angesehen. Irrelevant ist dabei hingegen die Frage, ob dieser Effekt für die Entstehung bzw. Abwicklung des konkreten Schuldverhältnisses von G und S überhaupt notwendig ist. ___________ 196

Vgl. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (1).

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Am Beispiel etwa der Gutachtenfälle werden die Schutzpflichten des Sachverständigen (S) gegenüber dem intendierten Gutachtenempfänger (D) deshalb angenommen, weil dies in abstrakt-institutioneller Hinsicht die Herbeiführung eines insgesamt aufwandsgünstigen und vertrauensfördernden Klimas der Zusammenarbeit bei der Entstehung und Abwicklung von Gutachtenverträgen mit sich bringen könnte. Demgegenüber müsste man für die Begründung einer der Drittschutzwirkung entsprechenden Haftungsabrede zwischen G und S zu Gunsten des D mittels (ergänzender) Vertragsauslegung belegen, dass der konkrete Gutachtenvertrag die mit ihm verbundenen Interessen des G ohne diese Haftungsabrede nicht befriedigen könnte, und somit, dass deswegen der konkrete Vertragszweck scheitern müsste. Allein aufgrund allgemeiner, institutioneller Überlegungen kann man ein solches Vertragsscheitern in konkreten Gutachtenfällen hingegen kaum belegen.197

f) Klarstellende Bemerkungen Die vorangegangenen Ausführungen198 könnten insoweit konstruiert wirken, als sie möglicherweise den Eindruck erwecken, es werde entscheidend nicht auf materielle, sondern auf formelle Tatbestandsmerkmale abgestellt. Man könnte nämlich einwenden, die hier vorgenommene Suche nach einer Rechtskreisöffnung des D gegenüber S, die sich auf das Schuldverhältnis zwischen G und S bezieht und als solche auch von S angenommen wird, besage nichts über die Schutzbedürftigkeit des D. Bei diesem Einwand handelt es sich jedoch um ein Missverständnis und als solches muss er auch ohne weiteres abgewiesen werden. Die maßgeblichen Drittschutzvoraussetzungen werden nicht willkürlich aufgestellt, sondern ergeben sich aus der Konkretisierung der zweifellos materiellen Überlegungen über den Rechtsgrund, der die Entstehung von Rahmenund insbesondere von Schutzpflichten bedingt. Dieser Vorgang ist notwendig, weil der zugrunde gelegte Ausgangspunkt (Förderung der Schuldverhältnisentstehung und -abwicklung durch die Schaffung aufwandsgünstiger und vertrauensfördernder Bedingungen der Zusammenarbeit199) viel zu abstrakt ist, um sich mit gewisser intersubjektiver Überzeugungskraft direkt auf konkrete Konstellationen mit mehreren beteiligten Personen anwenden zu lassen. Es ist demnach notwendig, die allgemeine Zwecksetzung in einfacheren Tatbestandselementen zu verfeinern, unter denen sich konkrete Sachverhalte möglichst einfach subsumieren lassen. Im Rahmen des Versuchs, die Subsumtionsfähigkeit der herausgearbeiteten Begriffe zu sichern und mehr oder weniger konkrete Gesichtspunk___________ 197 Zur Interessenlage in den Gutachtenfällen s. insbesondere oben 3. Kapitel B. III. 3. a) bb). 198 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) bis e). 199 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) aa).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

te wie etwa die Erfüllungsgehilfeneigenschaft von D bzw. S hervorzuheben, die eine gewissermaßen einfache Sachverhaltsbeurteilung erlauben sollen, sind auch die dargestellten Überlegungen zu verstehen. Zu beachten ist allerdings, dass die für die Annahme eines SSD beim Schutzpflichtmodell aufgestellten Anforderungen ohnehin keine allzu große Entfernung vom allgemeinen Ausgangspunkt aufweisen: Zum einen sollen sie sicherstellen, dass der Kontakt von D und S zueinander nach der objektivierten Sichtweise der Beteiligten (D und S) die erforderliche Eigenständigkeit gegenüber den Beziehungen zwischen G und D sowie zwischen G und S aufweist.200 Gerade wenn und weil diese Eigenständigkeit vorhanden ist, ist auch die eigenständige Förderung des Kontakts von D und S mit den entsprechenden Schutzpflichten unmittelbar im Verhältnis zwischen S und D zu rechtfertigen, die neben und sogar unabhängig von jenen entstehen sollen, die zwischen G und S oder zwischen G und D bestehen.201 Zum anderen soll die erforderliche Verbindung mit einem Schuldverhältnis (von G und S) belegt202 und somit die überzeugende Rechtfertigung der Sonderverhaltensordnung zwischen D und S gewährleistet werden: Es werden nur jene Kontakte zwischen D und S geschützt, die in Zusammenhang mit der Entstehung bzw. vollständigen Abwicklung der Schuldbeziehung von G und S erfolgen und deren Förderung deshalb in abstrakt-institutioneller Hinsicht als Mittel zur Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung dienen kann. Auch die Klärung der Frage, ob, warum und unter welchen Bedingungen sich der Schutz der nachträglichen Berührung des D mit der Leistung des S bei dieser Zwecksetzung rechtfertigen lässt,203 ist unabweislich, wenn man willkürliche Ergebnisse vermeiden will. Ebenfalls als ein Missverständnis wäre des Weiteren auch die Bemerkung abzuweisen, das entworfene Voraussetzungssystem mit seinem Zentralbegriff der an S gerichteten, auf das Schuldverhältnis von G und S bezogenen und von S als solche angenommenen Rechtskreisöffnung des D sei viel zu unscharf, um überprüfbare Ergebnisse liefern zu können, so dass seine Anwendung in konkreten Fällen je nach dem Vorgefühl des jeweiligen Rechtsanwenders weitgehend sowohl die Bejahung als auch die Verneinung von Drittschutzwirkungen stützen könne. Diesbezüglich kann man zunächst anmerken, dass das Vorliegen erheblicher Entscheidungsspielräume keine Eigentümlichkeit der Drittschutzproblematik oder sogar der ungeschriebenen Rechtsinstitute darstellt (vgl. nur § 242 BGB). Darüber hinaus ist eine andere Vorgehensweise zur Lösung der hier interessierenden Probleme wegen der unendlichen Vielfalt denkbarer Konstellationen – drittgerichtete Schutzpflichten können praktisch in Zusammenhang ___________ 200 201 202 203

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c). s. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. b). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. d). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e).

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mit jeder Schuldbeziehung relevant werden – kaum möglich. Außerdem hängt das Vorliegen eines erheblichen Entscheidungsspielraums untrennbar mit dem Wesen der hier zugrunde gelegten Erklärung zusammen. Sofern entscheidend (auch) auf den realen Willen der Beteiligten (D und S) abgestellt wird, muss man sich natürlich mit der Tatsache abfinden, dass starre Regeln beim Anliegen, diesen Willen zu ermitteln, kaum hilfreich sein könnten.204 Wird dennoch der Umstand, dass im Rahmen des Schutzpflichtmodells auf eine wertende Betrachtung der Gesamtumstände des konkreten Falls nicht verzichtet werden kann, weiterhin als störend empfunden, so kann zumindest der Vergleich des Schutzpflichtmodells mit alternativen Begründungsvorschlägen belegen, dass dieser Nachteil nicht einfach durch die Ablehnung des hier vertretenen Konzepts ausgeräumt werden kann: Es leuchtet ohne weiteres ein, dass die Vertragsauslegung, das Gewohnheitsrecht, die diffuse Berufung auf eine bereits vollzogene Rechtsfortbildung, der Rückgriff auf den viel zu allgemeinen Wortlaut von § 242 BGB und § 311 III S. 1 BGB usw. kaum mehr Rechtssicherheit bzw. Intersubjektivität bei der Anwendung des SSD mit sich bringen könnte. Allerdings sind die Schwierigkeiten, denen man bei der Anwendung der aufgestellten Drittschutzvoraussetzungen begegnen muss, keineswegs immer so unüberwindlich, wie die verwendeten Beispielskonstellationen möglicherweise indizieren. In den meisten Fällen mit praktischem Interesse ist die Interpretation der Lage und mit ihr die Beurteilung der Schutzpflichtentstehung zu Gunsten der in Frage kommenden Dritten verhältnismäßig einfach. Viele der hier verwendeten, zuweilen eher wirklichkeitsfremden Beispiele haben nur dem Zweck gedient, Problemaspekte aufzuzeigen, die in üblichen Konstellationen nicht ersichtlich sind bzw. im Normalfall keine besonderen Schwierigkeiten bereiten. Davon abgesehen scheint eine Entscheidung über das zutreffende Ergebnis in den angeführten Beispielen oft nur deshalb schwierig, weil die behandelten Problemaspekte isoliert von sonstigen, im jeweils konkreten Zusammenhang nicht interessierenden Fallmerkmalen betrachtet werden müssen.205 Da jedoch die Annahme drittgerichteter Schutzpflichten nur dann möglich ist, wenn alle einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sind, wäre die Drittschutzwirkung in vielen der hier angeführten Beispiele im Hinblick auf bestimmte Aspekte problemlos zu verneinen, so dass man nicht auch auf Fallmerkmale eingehen muss, deren Behandlung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Sofern beispielsweise nur die Frage interessiert, ob man das Arbeitsverhältnis zwischen G (Arbeitgeber) und S (Arbeitnehmer) als ein SSD zu Gunsten des Gläubigers (D) des G betrachten soll, wenn G den S als Erfüllungsgehilfen einsetzt, um ___________ 204

s. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. a). Es wird vor allem oft davon ausgegangen, dass D und S offenbar über die erforderlichen Kenntnismöglichkeiten über die faktischen Gegebenheiten [s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a)] verfügen, was allerdings nicht unbedingt zutreffen sollte, s. etwa Fn. 139. 205

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

seine Verbindlichkeit gegenüber D zu erfüllen, braucht man natürlich das Vorliegen einer eigenständigen Rechtskreisöffnung des D gegenüber S nicht zu untersuchen, wenn man glaubt, die ebenfalls erforderliche Bezugnahme einer (zunächst nur unterstellten) Rechtskreisöffnung des D auf das Arbeitsverhältnis zwischen G und S und somit die fragliche Drittschutzwirkung einfacher verneinen zu können.206

3. Vergleich mit den Drittschutzvoraussetzungen der Rechtsprechung In der Rechtsprechung haben sich die Drittschutzvoraussetzungen in vier Anforderungen kristallisiert: Leistungsnähe des Dritten, Gläubigerinteresse am Drittschutz, Erkennbarkeit für den Schuldner und Schutzbedürftigkeit des Dritten.207 Unter diesen Gesichtspunkten ist im Rahmen des erarbeiteten Drittschutzmodells nur das Erkennbarkeitserfordernis wieder zu erkennen. Denn die hier maßgeblichen Willenstatbestände (Wille des D zur schuldverhältnisbezogenen Rechtskreisöffnung und entsprechender Annahmewille des S) betreffen in Wahrheit nicht die wirklichen inneren Einstellungen der Beteiligten, sondern vielmehr ihren realen Willen, wie dieser gemäß den für den jeweiligen Willensempfänger erkennbaren Tatsachen vorzuliegen scheint.208 Im Gegensatz zur Vorgehensweise der Rechtsprechung geht es hier allerdings nicht allein um die Erkenntnismöglichkeiten des Schutzpflichtschuldners (S). Auch D muss bestimmte Tatsachen erkennen können, da seine objektivierte Sichtweise dafür entscheidend ist, ob man im Verhalten des S die Annahme der ihm gegenüber vorgenommenen Rechtskreisöffnung des D erblicken muss.209 Ebenfalls unterschiedlich ist natürlich der Erkennbarkeitsgegenstand: Die Beteiligten (D und S) müssen hier erkennen können, dass sie sich in einer auf das Schuldverhältnis zwischen G und S bezogenen Zusammenarbeitskonstellation befinden. Darum, ob G ein Drittschutzinteresse hat bzw. haben muss oder ob D in Leistungsnähe gerät, muss sich also keiner der Beteiligten kümmern. Demgegenüber wird hier die Voraussetzung der Leistungsnähe210 nicht für wirklich entscheidend gehalten. Hier wird auf eine Bestimmung der genauen ___________ 206

Zu dieser Konstellation s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc) (Rechtskreisöffnung) und 6. Kapitel B. II. 2. d) cc). (Mitwirkung am fremden Schuldverhältnis). 207 Eingehend dazu oben 2. Kapitel B. II. 208 s. bereits oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) 1). 209 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). 210 Mit diesem Begriff werden in der Rechtsprechung unterschiedliche Inhalte verbunden: Berührung mit der Hauptleistung bzw. Aussetzung an gläubigergleichen Gefahren [klassische Sichtweise – s. oben 2. Kapitel B. II. 1. a)] oder Feststellung, dass die Schuldnerleistung dem D bestimmungsgemäß zugute kommen soll bzw. dass mögliche

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Art bzw. Gestalt des maßgeblichen Kontakts zwischen D und S grundsätzlich verzichtet. Es genügt, dass D und S die Drittbeteiligung überhaupt als Mitwirkung an der Entstehung bzw. Abwicklung des Schuldverhältnisses zwischen G und S verstehen (müssen).211 Nur für den speziellen Fall, dass die Rechtskreisöffnung des D gar nicht zum eigentlichen Vorgang der Schuldverhältnisbegründung bzw. -abwicklung gehört, sondern allein als nachträgliche Leistungsnutzung stattfindet, wird entscheidend darauf abgestellt, wie D zum Leistungskontakt kommt, um seine dominierende Stellung in der fremden Zentralpflichterfüllung und somit die Notwendigkeit eines gläubigergleichen Schutzes zu seinen Gunsten zu begründen.212 Keine Bedeutung wird ferner nach dem hiesigen Konzept der in der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzung eines ausreichenden Gläubigerinteresses für den Drittschutz zugemessen: Weder auf den (realen oder rechtsgeschäftlichen) Willen des G,213 noch auf eine Interessenverknüpfung zwischen G und D, noch auf die Weise, auf die G das Geschehnis wahrnehmen muss, wird bei der Frage nach der Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des D abgestellt. Denn im Gegensatz zur Vertragsauslegung, die lediglich ein Mittel zur Verfolgung der mit dem konkreten Vertrag verbundenen Parteiinteressen darstellt,214 wird mit den Schutzpflichten, wie sie im Rahmen dieser Arbeit verstanden werden, sowohl in zwei- als auch in dreipoligen Beziehungen eine institutionelle Funktion erfüllt: Die Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung durch die Herbeiführung eines insgesamt aufwandsgünstigen und vertrauensfördernden Klimas der Zusammenarbeit bei der Begründung und Abwicklung von Schuldverhältnissen erfordert die Anerkennung von Schutzpflichten unabhängig davon, ob diese für die Förderung der konkreten Schuldbeziehung und somit für die Verwirklichung der mit ihr konkret verbundenen Parteiinteressen wirklich erforderlich oder zumindest nützlich sind. Es genügt vielmehr, dass sich die Schutzpflichtentstehung von abstrakt-institutionellen Gesichtspunkten her rechtfertigen lässt.215 Da es sich nicht um die Verwirklichung der eigenen Interessen des G handelt, ist für die Schutzpflichten zu Gunsten des D sogar die

___________ Fehlleistungen bestimmungsgemäß in erster Linie den D treffen [neuerer Leistungsnähebegriff – s. oben 2. Kapitel B. II. 1. b) bb)]. 211 s. oben 6. Kapitel B. II. 1. und 6. Kapitel B. II. 2. d) aa). 212 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) ee). 213 s. oben 6. Kapitel B. II. 1. 214 s. oben 3. Kapitel B. I. sowie allgemeiner 4. Kapitel A. Insofern ist die Anforderung eines Gläubigerinteresses für den Drittschutz im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Modells der Rechtsprechung (s. oben 2. Kapitel B. I. 1.) nicht nur konsequent, sondern vielmehr unabweislich. 215 Dies gilt für alle Rahmenpflichten, s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) bb) bis ff).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Feststellung ohne Belang, dass die mit dem Schuldverhältnis verbundenen Gläubiger- und Drittinteressen entgegengesetzt sind.216 Die in der Rechtsprechung aufgestellte Voraussetzung der Schutzbedürftigkeit des Dritten kann trotz der vorhandenen Unklarheiten über ihren Inhalt grundsätzlich auf den Rechtssatz reduziert werden, dass die Drittschutzwirkung ausscheidet, wenn ein zumindest vergleichbarer vertraglicher Schadensersatzanspruch des D mit Hilfe einer anderweitigen Rechtsgrundlage begründet werden kann.217 Mit einem solchen Inhalt stellt die Schutzbedürftigkeit des D auf der Basis des hier entworfenen Schutzpflichtmodells kein Kriterium der Drittberechtigung dar.218 Zwar könnte man angesichts der Zwecksetzung, durch die Anerkennung von Schutzpflichten zu Gunsten des D schließlich die Schuldbeziehung zwischen G und S zu fördern, meinen, dass die Frage, ob D diesen Schutz wirklich braucht, um sich möglichst aufwandsgünstig und sorgenfrei am Vorgang der Entstehung bzw. Abwicklung der fremden Schuldbeziehung beteiligen zu können, für die Drittberechtigung relevant sein könnte. Eine solche Schlussfolgerung ließe sich jedoch mit dem angenommenen institutionellen Charakter der mit den Schutzpflichten beabsichtigten Funktionserfüllung kaum vereinbaren. Wie mehrmals betont, gebietet die anvisierte Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung die Schutzpflichtentstehung auch in Konstellationen, in denen ein fördernder Effekt dieser Rechtsfolge für die konkrete Schuldbeziehung in Wahrheit nicht möglich ist, etwa weil die Schuldverhältnisbegründung bzw. -entstehung gar nicht (mehr) in Frage kommt.219 Ähnliches wird auch in Bezug auf die Frage angenommen, ob D die Schutzpflichten zu seinen Gunsten wirklich braucht: Der Nachweis, dass D im konkreten Fall uneingeschränkt zur Mitwirkung an der fremden Schuldbeziehung bereit ist, spricht nicht gegen die Relevanz der Schutzpflichten zu seinen Gunsten. Wie auch in rein zweipoliger Hinsicht ist die Schutzpflichtentstehung in dreipoligen Beziehungen als ein Rechtsinstrument zu begreifen, das – möglicherweise neben anderen Regelungen – eine Erhöhung der allgemeinen Effizienz schuldverhältnisbezogenen Handelns über den Einzelfall hinaus mit sich bringen soll. Diese Effizienzerhöhung im Sinne einer Aufwands- bzw. Kostensenkung und einer Verstärkung gegenseitigen Vertrauens hängt an sich nicht davon ab, ob ___________ 216 Dies betrifft vor allem die Gutachtenfälle (s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15): Während im Rahmen des hier entworfenen Konzepts in diesen Fällen zuweilen drittgerichtete Schutzpflichten für den Gutachtenempfänger angenommen werden [s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) ee)], ist dies mit Hilfe der Vertragsauslegung wegen des bestehenden Interessengegensatzes nicht möglich [s. oben 3. Kapitel B. III. 3. a) bb)]. 217 s. oben 2. Kapitel B. II. 2. 218 Zur Konkurrenzfrage s. unten 6. Kapitel D. 219 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) dd) und ee).

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die Beteiligten bereits genügende Gründe haben, für die maßgebliche Schuldbeziehung zusammenzuarbeiten.220 Es macht vielmehr durchaus Sinn, ein an sich effizientes Gebilde effizienter zu gestalten oder die an sich vorhandene Zusammenarbeitsbereitschaft weiter zu unterstützen bzw. ihr intensiver entgegenzukommen. Dazu kommt, dass selbst die Sicherheit der Beteiligten über die vorliegende Rechtslage hinsichtlich der Schutzpflichtentstehung unzweideutig zu den effizienzerhöhenden Faktoren gehört.221 Dabei wirkt sich jede Korrektur222 der Reichweite von an sich begründbaren Schutzpflichten anhand äußerer – d.h. über die Beziehung zwischen D und S selbst hinausgehender – Umstände prinzipiell negativ auf diese Sicherheit aus. Demnach widerspricht die in herkömmlicher Weise verstandene Schutzbedürftigkeit des D offenbar den dem Schutzpflichtmodell immanenten Grundgedanken, da sie das Verhältnis des D nicht zu S selbst, sondern zu anderen Personen (vor allem zu G) betrifft. Die Ablehnung der fraglichen Voraussetzung darf jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Rechtsprechung dadurch zuweilen Ergebnisse erzielt, die den hiesigen weitgehend entsprechen. Dabei kann man vor allem auf die Behandlung der Fälle hinweisen, in denen S dem D einen Schaden dadurch zufügt, dass er als Gehilfe des G im Sinne von § 278 BGB bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit des G gegenüber D unsorgfältig handelt: Die hier mit dem Argument der fehlenden eigenständigen Rechtskreisöffnung des D gegenüber S bzw. der fehlenden Bezugnahme einer solchen auf das Schuldverhältnis von G und S223 erzielte Ablehnung der Drittschutzwirkung begründet die Rechtsprechung durch die Berufung darauf, dass D wegen des eigenen Schadensersatzanspruches gegen G (s. § 278 BGB) nicht schutzbedürftig sei. Die unterschiedliche Vorgehensweise zur Begründung ähnlicher Ergebnisse ist etwa in der Konstellation deutlich, dass der Schädiger (S) der Hauptvermieter, sein Vertragspartner (G) der Hauptmieter und der Geschädigte (D) der Untermieter ist: Die hier befürwortete Ablehnung eines SSD zu Gunsten des Untermieters224 wird in der Rechtsprechung im Hinblick auf die fehlende Schutzbedürftigkeit des D begründet.225 Allerdings handelt es sich dabei um mehr als eine bloße Schönheitskorrektur: Da die hier zur Beurteilung der Drittschutzfrage verwendeten Gesichtspunkte nicht unbedingt die gleichen materiellen Wertungen verkörpern wie jene, die im ___________ 220

Vgl. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb) (3). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc) (1). 222 Zum Charakter der Schutzbedürftigkeit des D als negative Drittschutzvoraussetzung s. oben 2. Kapitel B. II. 2. 223 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc) sowie 6. Kapitel B. II. 2. d) bb) und cc). 224 s. Fn. 87. 225 s. oben 2. Kapitel bei Fn. 42 sowie 2. Kapitel B. II. 2. 221

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

richterlichen Kriterium der Schutzbedürftigkeit des D enthalten sind, muss man auch mit verschiedenen praktischen Ergebnissen je nach zugrunde gelegter Konstruktion rechnen. Die Antwort auf die Frage, ob D gegenüber S eine auf die Schuldbeziehung von G und S bezogene Rechtskreisöffnung vornimmt, muss nämlich nicht mit der Antwort auf die Frage gleich sein, ob G für den Schaden des D einstehen muss, den S verursacht hat. In dem Fall etwa, dass die Ausführung eines Auftrages gemäß § 664 I BGB übertragen wird, kann der Erstbeauftragte (G) gegenüber seinem Auftraggeber (D) für die Auswahl desjenigen (S) haften, dem er die Ausführung des Auftrages überträgt (§ 664 I S. 2 BGB); dies hindert jedoch die Drittschutzwirkung des Schuldverhältnisses von G und S nicht.226

4. Anwendung auf Beispielsfälle aus der Rechtsprechung Im Rahmen des Versuchs, das entworfene System von Drittschutzvoraussetzungen zu veranschaulichen, sollen hier einige Beispiele aus dem Fallmaterial der Rechtsprechung angesprochen werden. Bei diesem Anliegen sollen zum einen die großenteils abstrakten Überlegungen der vorangegangenen Abschnitte auf ihre Tauglichkeit überprüft werden, zur Lösung wirklichkeitsnaher Fälle beizutragen. Zum anderen geht es um den Vergleich der aufgrund des hier befürworteten Erklärungsmodells konkret erzielten Lösungen mit den praktischen Ergebnissen der Rechtsprechung. Für beide Zwecksetzungen braucht man hier nicht auf alle Konstellationen einzugehen, die in dieser Arbeit dargestellt werden;227 es genügt, einige repräsentative unter ihnen anzusprechen. Zu beachten ist dabei, dass sich die nachfolgende Untersuchung auf das Schutzpflichtmodell beschränkt. Die Ablehnung der Drittschutzwirkung in einem bestimmten Fall bedeutet also lediglich, dass man keine Schutzpflichten ___________ 226 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc) (zur Rechtskreisöffnung) und 6. Kapitel B. II. 2. d) bb) (zur Bezugnahme auf die fremde Schuldbeziehung). Die Folgerung, dass die strenge Anwendung der Voraussetzung der Schutzbedürftigkeit – zumindest wie sie traditionell verstanden wird – zu wirklich unhaltbaren Ergebnissen führen kann, wird geradezu an der Tatsache deutlich, dass sie von der Rechtsprechung eher inkonsequent und ergebnisorientiert behandelt wird (s. auch oben 2. Kapitel B. II. 2.). Am deutlichsten kann man den inhaltlichen Wandel bzw. die Anpassungsfähigkeit dieser Voraussetzung m.E. bei BGH v. 26.6.2001, WM 2001, 1428 (1430) nachweisen: Da das Verhalten des S in diesem Fall dem G zugerechnet werden muss, verweist man den D auf sein Verhältnis zu G unabhängig von den Rechten, die D daraus entnehmen kann, s. 2. Kapitel Fn. 418. Mit einem solchen Inhalt rückt man unzweideutig in die Nähe der hier vertretenen Lösung: Wenn eine Rechtskreisöffnung des D nicht gegenüber S selbst, sondern nur gegenüber G festgestellt werden kann, ist die Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des D unabhängig davon zu verneinen, ob er sich an G schließlich schadlos halten kann oder nicht. 227 s. oben 2. Kapitel A. II. und II.

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des S direkt gegenüber D anerkennen darf. Außer Acht muss hingegen die Frage gelassen werden, ob dem D ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Pflichten zustehen sollte, die allein im Verhältnis zwischen G und S bestehen (Drittschutzwirkung im Sinne eines Haftungsmodells228). Wegen dieser Einschränkung ist die Behandlung von Fällen mit Personen- bzw. Sachschäden meistens einfacher, da sie in aller Regel Positionen betreffen, die dem D bereits unabhängig von der konkreten Schuldbeziehung zwischen G und S zustehen und somit den Gegenstand von Schutzpflichten grundsätzlich problemlos ausmachen können.229 Demgegenüber gehören primäre Vermögensinteressen des D oft nicht zu den bereits unabhängig vom fremden Schuldverhältnis bestehenden Positionen, so dass bei ihnen erst die einschlägige Untersuchung zeigen kann, ob und in welchem Umfang sie mit den entsprechenden Schutzpflichten vor Beeinträchtigungen geschützt werden sollen.

a) Schutzwirkung von Mietverhältnissen In Mietverhältnissen über Wohnungen230 sind hinsichtlich ihrer Gesundheit und der Unversehrtheit ihrer Sachen grundsätzlich alle Mitbewohner als Schutzpflichtgläubiger gegenüber dem Vermieter (S) anzusehen, wenn S annehmen muss, dass die Wohnungsbewohner die Überlassung der Wohnung als seine, auch an sie gerichtete Leistung und somit die mit der Mietwohnung verbundenen Gefahren seinem Gefahrbeherrschungsbereich zuordnen müssen. In diesem Fall muss man nicht nur eine eigenständige Rechtskreisöffnung gegenüber S, sondern offenbar auch ihre Bezugnahme auf das Mietverhältnis annehmen. Da die Wohnungsüberlassung ferner eine andauernde Leistung des Vermieters darstellt, nehmen die Wohnungsbewohner am eigentlichen Leistungserbringungsvorgang teil, wenn sie sich als Leistungsnutzer im Einwirkungsbereich des S (in seiner Wohnung) aufhalten. Die unmittelbare Schutzpflichtentstehung zu ihren Gunsten kann also als Förderung des maßgeblichen Mietver___________ 228

Zur dieser Möglichkeit s. ansatzweise oben 6. Kapitel A. Dies ist allerdings nicht ausnahmslos der Fall. Bei einer fehlgeschlagenen und somit das gewünschte Ergebnis (etwa Sterilisation oder Genesung der behandelten Person) nicht erzielenden ärztlichen Behandlung kann man neben einer unzweideutig vorliegenden Zentralpflichtverletzung von einer Schutzpflichtverletzung nur insoweit sprechen, als die unsachgemäß durchgeführte Behandlung den bestehenden bzw. den ohne den ärztlichen Eingriff zu erwartenden Gesundheitszustand des Patienten verschlechtert, oder insoweit, als die berechtigte Erwartung des Betroffenen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung nicht rechtzeitig aufgelöst wird. Allgemein zur Abgrenzung zwischen Zentral- und Schutzpflichten s. oben 5. Kapitel D. IV. 2. 230 s. oben 2. Kapitel A. II. 1., Fallkonstellation 1 – „Gemietete Sachen“. Zur Fallkonstellation 3 – „Vorsichtslose Mitmieter“ (Ablehnung der Drittschutzwirkung) s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) bb); zur Fallkonstellation 4 – „Hausverwaltungsvertrag“ s. Fn. 88. 229

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

hältnisses betrachtet werden.231 Eine eigenständige Rechtskreisöffnung dem Vermieter (S) gegenüber und somit die Drittschutzwirkung des Mietverhältnisses sind hingegen in diesem Zusammenhang dann abzulehnen, wenn der Aufenthalt des D bzw. die Lagerung seiner Sachen in der Mietwohnung vom Willen des S nicht gedeckt wird232 und somit keine Annahme der dem S gegenüber vorgenommenen Rechtskreisöffnung des D vorliegt. Ein solcher Wille des S ist etwa dann ausgeschlossen, wenn die Tatsache, dass D zusammen mit G wohnt bzw. dass D eigene Sachen in die Wohnung eingebracht hat, dem S gar nicht erkennbar ist.233 Darüber hinaus muss man den Drittschutz ablehnen, wenn D die aus der Wohnung stammenden Gefahren offenbar unabhängig davon der Verantwortungssphäre des Mieters (G) selbst zuordnet, ob es sich um eine Miet- oder Eigentumswohnung handelt. Für eine solche Schlussfolgerung kann insbesondere das zwischen G und D bestehende Verhältnis eine wichtige Rolle spielen, da man sich darauf berufen kann, um die einschlägige Einstellung der Beteiligten hinsichtlich des Kontakts des D mit der Mietwohnung zu bestimmen. Muss D etwa als Handwerker oder Haushaltsgehilfe aufgrund des entsprechenden Vertragsverhältnisses mit G seine Dienste in der Wohnung des G leisten, so muss D – aus der Sichtweise des Vermieters (S) her gesehen – grundsätzlich allein G als den Verantwortlichen für die mit seinem Aufenthalt in der Wohnung verbundenen Gefahren betrachten, was eine Rechtskreisöffnung des D gegenüber S selbst ausschließt.234 Dies gilt prinzipiell unabhängig davon, wie intensiv sich D diesen Gefahren aussetzt; der Hausangestellte vertraut seine Rechtsgüter dem S selbst offensichtlich ebenso wenig an wie der Handwerker, der eine kurze Reparatur in der Mietwohnung vornimmt. In diesem Sinne ist etwa der Drittschutz zu Gunsten des Untermieters235 oder desjenigen abzulehnen, der aufgrund eines Verwahrungs- oder ähnlichen Vertrags mit G seine Sachen in den Mieträumen einlagert. Keine Rechtskreisöffnung gegenüber S kann man außerdem bei Besuchern des Mieters annehmen:236 Diese werden nicht von S, sondern von G in die Wohnung gelassen und diesem vertrauen sie offensichtlich ihre Rechtsgüter an. Als allgemeine Faustregel könnte man sich in Zusammenhang mit Mietwohnungen237 der Frage bedienen, ob D und G gegenüber S als eine Wohngemein___________ 231

s. auch Fn. 166 und 167. So auch die Rechtsprechung, s. oben 2. Kapitel bei Fn. 48-50. 233 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). 234 Zuzustimmen ist also im Ergebnis RG v. 29.7.1937, JW 1937, 2592, s. oben 2. Kapitel bei Fn. 47. 235 So im Ergebnis auch die Rechtsprechung, s. 2. Kapitel Fn. 42. 236 Zur Stellungnahme der Rechtsprechung s. oben 2. Kapitel bei Fn. 45. 237 Bei anderen Mietsachen ist die Drittschutzwirkung anhand der allgemeinen Regeln zu beurteilen. So muss man etwa in dem Fall von BGH v. 23.6.1965, NJW 1965, 1757 (s. oben 2. Kapitel bei Fn. 36), tatsächlich Schutzpflichten zu Gunsten der am Stif232

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schaft auftreten:238 Bejahendenfalls setzen sie sich grundsätzlich gleichermaßen den Einwirkungsmöglichkeiten des S aus, wenn sie in dessen Wohnung einziehen. Muss man hingegen davon ausgehen, dass D den vorübergehenden oder andauernden Einlass in die Mietwohnung als eine Einladung des G selbst ansieht, so kann man den Aufenthalt des D in der Wohnung als einen Zutritt zum Verantwortungs- bzw. Einwirkungsbereich des G und somit als eine Rechtskreisöffnung allein diesem gegenüber betrachten. Diese Faustregel kann auch insoweit hilfreich sein, als es sich um Schutzpflichten zur Wahrnehmung von Vermögensinteressen handelt. In dem Umfang etwa, in dem man die entsprechenden Schutzpflichten des Vermieters (S) bereits gegenüber seinem unmittelbaren Vertragspartner G hinsichtlich seiner Erwartung auf Zentralpflichterfüllung anerkennen muss,239 muss man dies auch für die Ehefrau (D) des G tun, die mit ihrem Ehemann im vom S nicht rechtzeitig überlassenen Ferienhaus ihren Urlaub verbringen sollte.240

b) Schutzwirkung in Zusammenhang mit Dienst- und Werkverträgen In den meisten Fällen, in denen Drittschäden wegen Körperverletzungen bzw. Sachschädigungen in Zusammenhang mit einer Dienstleistung bzw. Werkherstellung entstehen,241 ist kaum fraglich, dass D in Zusammenhang mit der Vertragsdurchführung dem S willentlich Einwirkungsmöglichkeiten auf seinen Körper bzw. seine Sachen eröffnet, wie etwa im Falle des Patienten, der sich in ___________ tungsfest teilnehmenden Vereinsmitglieder anerkennen, da sie ihre Rechtsgüter offenbar nicht dem G, sondern dem S anvertrauen. In ähnlichem Sinne muss man wegen der besonderen Lage auch der Entscheidung BGH v. 10.1.1968, JZ 1968, 304, zustimmen (s. oben 2. Kapitel bei Fn. 39). Zum gegenteiligen Ergebnis – Ablehnung der Drittschutzwirkung – muss man hingegen in der Konstellation von RG v. 4.4.1939, RGZ 160, 153 (s. oben 2. Kapitel bei Fn. 37) kommen: Der Darsteller (D) öffnet seinen Rechtskreis anscheinend allein gegenüber dem Organisator (G) der Vorführung, nicht jedoch gegenüber demjenigen (S), der dem G die Bühne zur Verfügung gestellt hat. 238 Dabei dürfte die Natur des Verhältnisses zwischen G und D, das die Basis für diese Wohngemeinschaft darstellt, prinzipiell keine entscheidende Rolle spielen: Ob man etwa mit seiner Familie, mit dem Ehegatten, dem unehelichen Lebensgefährten oder mit Freunden zusammenwohnt oder sogar auf der Basis einer vertraglichen Vereinbarung (etwa im Sinne von § 705 BGB) eine Wohngemeinschaft bildet, beeinflusst die Annahme nicht, dass man die Berührung des D mit der Mietwohnung und somit mit der Gefahrensphäre des Vermieters (S) als eine grundsätzlich eigenständige Rechtskreisöffnung gegenüber S betrachten muss. 239 s. oben 5. Kapitel D. IV. 2. a). 240 s. oben 2. Kapitel bei Fn. 51. 241 s. oben 2. Kapitel A. II. 3., Fallkonstellationen 6-9. Insbesondere zur Fallkonstellation 7 – „Arbeitsverhältnis“, s. Fn. 87.

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ärztliche Behandlung begibt.242 Dies kann auch für Fälle behauptet werden, in denen der schädigende Kontakt zwischen D und S erst durch die Einmischung des G stattfindet. Dabei handelt es sich häufig um Konstellationen, in denen Kinder den von S stammenden Gefahren ausgesetzt werden. Bei ihnen wird der Wille zum Aufenthalt in der maßgeblichen Gefahrenzone durch Personen verkörpert, die von der Sichtweise des S her dazu befugt sind,243 wie die Eltern der Kinder,244 das Jugendamt245 oder der Betreiber der Kindertagesstätte.246 Kann man hingegen von einem Willen des D nicht ausgehen, so ist die Drittschutzwirkung abzulehnen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der schädigende Kontakt zwischen D und S allein wegen der Eigenschaft des D als Eigentümer des Nachbargrundstücks erfolgt.247 Mit ähnlichen Überlegungen muss man den gleichen Schluss auch für den Fall ziehen, dass der Eigentümer (D) der in der öffentlichen Straße verlegten Wasserleitung durch die später in derselben Trasse von S vorgenommene Stromleitungsverlegung geschädigt wird, der dazu die vertragliche Erlaubnis der zuständigen Gemeinde G erhalten hat.248 Eine willentliche Eröffnung von Einwirkungsmöglichkeiten seitens des D liegt ebenso wenig vor, wenn der Abschleppunternehmer (S) von der Polizei (G) beauftragt wird, das widerrechtlich geparkte Auto des D abzuschleppen:249 Die Polizei handelt gegenüber S offenbar nicht als Interessenvertreterin des D, sondern für eigene Rechnung im Rahmen der Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Aufgaben. Auch wenn sie durchaus rechtmäßig eingreift, darf S in der polizeilichen Tätigkeit nicht die Verkörperung des Willens des D ansehen, sein Eigentum den Einwirkungsmöglichkeiten des S auszusetzen. Kaum problematisch ist in den meisten dieser Konstellationen ferner die Feststellung, dass die dem S eröffneten Einwirkungsmöglichkeiten in objektivem Zusammenhang mit der Beteiligung des D an der Durchführung des zur Dienstleistung bzw. Werkherstellung verpflichtenden Vertrages gewährt werden. Diese objektive Verbindung mit der Werkherstellung bzw. der Erbringung ___________ 242

s. oben 2. Kapitel A. II. 3., Fallkonstellation 8 – „Ärztliche Behandlung“. Zur Vermittlung Dritter bei der Willensbildung der Beteiligten s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd). 244 So etwa bei BGH v. 29.4.1953, BGHZ 9, 316. 245 s. die Konstellation oben 2. Kapitel bei Fn. 87. 246 s. die Konstellation oben 2. Kapitel bei Fn. 80. 247 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) aa). So tatsächlich die beurteilten Sachverhalte etwa bei OLG Düsseldorf v. 9.12.1964, NJW 1965, 539, und OLG Koblenz v. 7.5.1999, NJW-RR 2000, 544, s. oben 2. Kapitel bei Fn. 82 und 83. S. auch die Konstellationen oben 2. Kapitel bei Fn. 96 und 97; hier verneint auch die Rechtsprechung die Drittschutzwirkung zu Gunsten des D. 248 So die Konstellation bei BGH v. 5.6.1990, NJW-RR 1990, 1172, s. 2. Kapitel Fn. 96. 249 Der BGH bejaht allerdings hier die Drittschutzwirkung – s. oben 2. Kapitel bei Fn. 78. 243

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der Dienstleistung liegt häufig darin, dass die Rechtskreisöffnung des D notwendig für die Vertragsdurchführung seitens des S ist, sei es weil die geschuldete Leistung großenteils an D erbracht wird250 oder weil D auf der Seite des G vor allem als sein Erfüllungsgehilfe zur Vertragserfüllung gegenüber S beiträgt.251 In einigen Fällen ergibt sich jedoch die objektive Verbindung der Rechtskreisöffnung des D mit der Durchführung des fremden Vertrags nicht ohne weiteres. Die Kinder etwa, die sich zur Zeit des Rasenmähens auf dem Gelände der Kindertagesstätte aufhalten oder sich am Ort befinden, an dem ihre Eltern ihre Dienstleistung erbringen müssen,252 nehmen nicht unmittelbar an der einschlägigen Pflichterfüllung (Rasenmähen bzw. Arbeitsleistung) teil. Dennoch muss man hierbei die Bezugnahme ihrer Gefährdung auf das Schuldverhältnis zwischen G und S in Anknüpfung an die Tatsache annehmen, dass der Aufenthalt der Kinder in der Gefahrensphäre des S dem G erlaubt, selbst am Vertrag mit S mitzuwirken. Denn er kann wegen der Anwesenheit der unter seiner Aufsicht stehenden Kinder am Ort der Vertragsdurchführung zugleich seinen Pflichten ihnen gegenüber nachkommen.253 Allerdings lässt sich dieser Schluss nicht in allen Konstellationen ziehen. In dem Fall etwa, dass der Angestellte (D) im Betrieb seines Arbeitgebers (G) unter der von S aufgrund des entsprechenden Werkvertrages mit G fehlerhaft errichteten Decke arbeitet und wegen herabfallender Spannbetonplatten verletzt wird, darf man entgegen der Meinung der Rechtsprechung254 keine Schutzpflichtverletzung des S direkt im Verhältnis zu D annehmen: Unabhängig davon, ob eine Rechtskreisöffnung des D gegenüber S überhaupt vorliegt, was zumindest zweifelhaft ist,255 kann man dem D gar keine (Absicht zur) Mitwirkung am Vorgang der Werkvertragsentstehung bzw. -durchführung zwischen G und S unterstellen. D kommt lediglich nach vollständiger Vertragsabwicklung in Kontakt mit der Leistung des S, wobei man ihm eine dominierende Stellung in Bezug auf die Leistungsnutzung ohne weiteres absprechen muss, da die Leistung des S offenbar allein von G genutzt werden sollte.256 ___________ 250 Ohne die Rechtskreisöffnung der Person, die aufgrund des entsprechenden Vertrages zwischen G und S ärztlich behandelt werden (s. oben 2. Kapitel A. II. 3., Fallkonstellation 8 – „Ärztliche Behandlung“) oder reisen soll (s. oben 2. Kapitel bei Fn. 87 und 89), ist etwa die Durchführung des Arzt- oder Beförderungs- bzw. Reisevertrages nicht möglich. 251 s. oben 2. Kapitel A. II. 3., Fallkonstellation 9 – „Haftung des Dienstberechtigten bzw. Werkbestellers“ 2. Kapitel bei Fn. 120. 252 s. oben 2. Kapitel bei Fn. 80 und 119 entsprechend. 253 Vgl. oben 6. Kapitel B. II. 2. d) aa). 254 BGH v. 7.11.1960, BGHZ 33, 247, s. oben 2. Kapitel bei Fn. 76. 255 Für die Gefahrlosigkeit der Arbeitsräume dürfte D auch in faktischer Hinsicht praktisch nur seinen Arbeitgeber (G) als verantwortlich betrachten. 256 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) ee). In Bezug auf das hier erzielte Ergebnis – Ablehnung der Drittschutzwirkung – kann man anmerken, dass D gar nicht schutzlos blei-

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Die Drittschutzwirkung kann allerdings erst dann bejaht werden, wenn feststeht, dass die dem S faktisch zustehenden Einwirkungsmöglichkeiten auf die Positionen des D auf eine (auch) an S selbst und nicht (nur) an G gerichtete Rechtskreisöffnung des D zurückzuführen sind, sowie dass sich diese Rechtskreisöffnung nicht (allein) auf das Verhältnis zwischen G und D bezieht, sondern (auch) als Mitwirkung im Rahmen der Vertragsbeziehung zwischen G und S verstanden werden muss.257 Diese Voraussetzungen liegen in vielen Fällen tatsächlich vor. Wird etwa die ärztliche Behandlung aufgrund eines Vertrages geschuldet und erbracht, der zwischen der Krankenkasse (G) und dem Arzt bzw. dem Krankenhaus (S) besteht, so vertraut der Patient (D), der sich auf die Behandlung einlässt, seine Gesundheit zweifellos nicht der Krankenkasse selbst an, da sie nicht als einschlägige Gefahrenquelle anzusehen ist.258 D öffnet seinen Rechtskreis allein gegenüber dem behandelnden Arzt bzw. dem Krankenhausträger, von denen erwartet werden kann, die mit der Leistungserbringung verbundenen Gefahren möglichst zu beherrschen und gegebenenfalls abzuwehren.259 In diesem Fall muss die Beteiligung des D am Geschehen unter der Sichtweise des S auch als eine Mitwirkung an der Vertragsbeziehung zwischen G und S angesehen wer___________ ben muss: Die mangelhafte Errichtung der Decke stellt eine Schutzpflichtverletzung des G selbst gegenüber D dar, für die folglich G gegenüber D aufkommen muss (s. §§ 618, 280 I und 278 BGB). Angesichts dessen ist außerdem fraglich, ob die Entscheidung des BGH v. 7.11.1960, BGHZ 33, 247, im Lichte der späteren Rechtsprechung aufrechterhalten werden kann, die die Schutzbedürftigkeit des D als Voraussetzung der Drittschutzwirkung festgelegt hat, s. oben 2. Kapitel B. II. 2. 257 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) bis e). Dabei handelt es sich um die Grundfrage der Schutzpflichtentstehung bei dreipoligen Beziehungen, s. oben 6. Kapitel B. II. 2. b). 258 Mit dieser Feststellung geht auch die Ablehnung der Eigenschaft des Arztes bzw. des Krankenhausträgers als Erfüllungsgehilfe der Krankenkasse einher – vgl. BGH v. 9.12.1074, BGHZ 63, 265 (271). 259 In dieser Hinsicht fragt es sich, ob in dem Fall, dass der Arbeitnehmer D vom Betriebsarzt S untersucht wird, die Drittschutzwirkung abgelehnt werden muss (s. oben 2. Kapitel bei Fn. 113). Dabei kommt es darauf an, ob D die Gefahren beim Arztbesuch in faktischer Hinsicht der Gefahrbeherrschungssphäre seines Arbeitgebers G oder des Betriebsarztes S zuordnen muss. In diesem Fall wäre es m.E. wirklichkeitsfremd anzunehmen, dass der Arbeitnehmer (D), der sich zum Arzt begibt, die reale Einstellung aufweisen würde, seine Gesundheit dadurch nicht dem Arzt selbst (S), sondern seinem Arbeitgeber (G) anzuvertrauen. Sofern die Gesundheit des Arbeitnehmers (D) offenbar in den Händen des Arztes selbst liegt, ist eine Rechtskreisöffnung des Patienten allgemein ihm gegenüber anzunehmen, die sich somit auch auf das Schuldverhältnis zwischen G und S bezieht [vgl. oben 6. Kapitel B. II. 2. d)]; die Drittschutzwirkung ist demnach eher zu bejahen. Die Lage wird durch die Gegenüberstellung mit dem Fall deutlich, dass der behandelnde Arzt (S) für ein Krankenhaus arbeitet: Angesichts der offensichtlichen faktischen Möglichkeiten des Krankenhausträgers (G), ständige Kontrolle auf die Ärzte und die gebotenen ärztlichen Dienste auszuüben, ist es hier vollkommen angebracht, eine Rechtskreisöffnung des Patienten (D) nicht gegenüber dem konkret behandelnden Arzt (S), sondern gegenüber dem Krankenhausträger (G) selbst anzunehmen.

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den. Eine ärztliche Behandlung wird allein aufgrund des Vertrages zwischen G und S geschuldet, und D ist die einzige Person, die als Leistungsempfänger in Frage kommt. Sofern seine Rechtskreisöffnung offenbar auf die Ermöglichung der ärztlichen Behandlung gerichtet ist, muss sie auch als Entgegennahme der maßgeblichen Leistungserbringung und somit als unmittelbare Mitwirkung an der Durchführung der fremden Vertragsbeziehung verstanden werden. Selbstverständlich ist dabei auch, dass die schuldverhältnisbezogene Rechtskreisöffnung des D als solche von S angenommen wird, indem er die Patientenbehandlung tatsächlich übernimmt.260 Mit ähnlichen Überlegungen muss man ferner im Einklang mit der Rechtsprechung die Drittschutzwirkung etwa zu Gunsten des Vermieters (D) annehmen, dessen Mieter (G) den Bauunternehmer (S) mit dem Aufbau des fast vollständig zerstörten Miethauses beauftragen,261 ebenso wie zu Gunsten des im Jugendlager befindlichen Kindes (D), wenn es wegen unzureichender Beaufsichtigung verletzt wird.262 Andererseits darf man den Hauptbesteller (D) grundsätzlich nicht als Schutzpflichtgläubiger des mit Bauarbeiten am Grundstück des D vom Hauptunternehmer (G) beauftragten Subunternehmers (S) ansehen, da D sein Eigentum grundsätzlich nicht dem S, sondern allein dem G anvertraut.263 Dieses Ergebnis ist auch in dem Fall angebracht, dass der Unternehmer S aufgrund eines Werkvertrages mit dem Werkbesteller G den D bei der Werkherstellung unterstützen soll, die D aufgrund eines anderen Werkvertrages mit dem gemeinsamen Auftraggeber (G) schuldet.264 Denn dabei wirkt D offenbar nicht an der Durchführung des Werkvertrages zwischen G und S mit; im Gegenteil ist S derjenige, der an der Vertragsbeziehung zwischen G und D mit dem Zweck mitwirkt, die aufgrund des fremden Vertrages geschuldete Werkherstellung zu erleichtern. Darüber hinaus ist der Rechtsprechung im Ergebnis häufig darin zuzustimmen, dass sie die Drittschutzwirkung in Fällen verneint, in denen trotz objektiven Kontakts des S mit den Positionen des D und trotz objektiver Verbindung dieses Kontakts mit der Abwicklung des Vertrags zwischen G und S eine auf das fremde Schuldverhältnis bezogene Rechtskreisöffnung des D gegenüber S im hier maßgeblichen Sinne nicht vorliegt.265 Der Mieter (D) etwa, der sich den Schädigungsgefahren des vom Vermieter (G) mit Bauarbeiten am Miethaus beauftragten Unternehmers (S) aussetzt,266 darf nicht als unmittelbarer Schutz___________ 260 Zutreffend also im Ergebnis die einschlägige Rechtsprechung, s. oben 2. Kapitel A. II. 3., Fallkonstellation 8 – „Ärztliche Behandlung“ bei Fn. 106. 261 s. oben 2. Kapitel bei Fn. 79. 262 s. oben 2. Kapitel bei Fn. 81. 263 s. oben 2. Kapitel bei Fn. 85. 264 s. oben 2. Kapitel bei Fn. 86. 265 So etwa bei BGH v. 2.7.1996, NJW 1996, 2927, s. Fn. 85. 266 s. oben 2. Kapitel bei Fn. 92.

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pflichtgläubiger des S angesehen werden, da die diesem faktisch zustehenden Einwirkungsmöglichkeiten weiterhin als Teil der Rechtskreisöffnung verstanden werden müssen, die D dem G im Rahmen des zwischen ihnen bestehenden Mietverhältnisses gewährt.267 Ebenso wenig darf man Schutzpflichten des Werkstattinhabers (S) zu Gunsten des Autokäufers (D) anerkennen, wenn S aufgrund des entsprechenden Vertrages mit dem Autoverkäufer (G) die Untersuchung des an D verkauften jedoch noch nicht übergebenen Autos als Erfüllungsgehilfe des G durchführt.268 Denn aus der Sichtweise des S öffnet D seinen Rechtskreis hinsichtlich der mit dem Auto verbundenen Gefahren allein gegenüber dem Verkäufer.269 Man muss allerdings der Rechtsprechung in der Ablehnung der Drittschutzwirkung zuweilen eher widersprechen. Aus der Sichtweise des von einem Grundstücksmiteigentümer (G) beauftragten Bauunternehmers (S) liegt es etwa nahe anzunehmen, dass ihm gegenüber alle Miteigentümer ihre Rechtskreise öffnen, wenn G gegenüber S offenbar nicht nur für eigene Rechnung, sondern auch als Interessenvertreter der übrigen Miteigentümer auftritt, insbesondere weil der Werkvertrag ihr gemeinsames Bauvorhaben betrifft. Muss S das Vorliegen einer solchen Lage erkennen, so muss er dann im Verhalten des G grundsätzlich die Verkörperung des entsprechenden Willens aller Miteigentümer zur Rechtskreisöffnung betrachten, der sich offensichtlich auch auf die anvisierte Werkherstellung und somit auf die Abwicklung des Vertrages zwischen G und S bezieht.270 Ähnlich kann ebenfalls angezweifelt werden, dass zu Gunsten des Käufers (D) keine Schutzpflichten des vom Verkäufer (G) beauftragten Spediteurs (S) ___________ 267 Vgl. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. c) bb) hinsichtlich der Beziehungen von Mitmietern zueinander. 268 s. oben 2. Kapitel bei Fn. 94. 269 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc) zu den Fällen, in denen S als Erfüllungsgehilfe des G agiert. 270 Man muss also die Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des D entgegen der Meinung der Rechtsprechung – s. oben 2. Kapitel bei Fn. 95 – im Sachverhalt von BGH v. 28.4.1994, NJW 1994, 2231, bejahen. Die Tatsache, dass der geschützte Miteigentümer (D) in diesem Fall der Sohn der Vertragspartnerin (G) des Bauunternehmers (S) ist, bekräftigt die Annahme, dass G gegenüber S auch als Interessenvertreterin des D auftritt. Ähnliche Überlegungen sprechen ausnahmsweise für die Drittschutzwirkung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Bauunternehmer (S) einerseits und dem Bauherrn und Vermieter (G) andererseits zu Gunsten der Mieterin (D) im Fall des BGH v. 13.2.1990, NJW-RR 1990, 726, da D außer Mieterin sowohl Ehefrau des G als auch die Miteigentümerin des zu bebauenden Grundstücks ist. Entgegen der soeben im Text (bei Fn. 267) aufgestellten Regel könnte man in diesem Fall wegen der besonderen Umstände davon ausgehen, dass G beim Vertragsschluss mit S nicht nur zur Wahrnehmung seiner eigenen Interessen als Vermieter, sondern auch als Interessenvertreter der D auftritt und somit auch ihren eigenen Rechtskreisöffnungswillen verkörpert.

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entstehen dürften.271 Denn angesichts der Feststellung, dass die Verantwortung des Verkäufers für die Kaufsache mit deren Übergabe an den Spediteur aufhört (s. insbesondere § 447 I BGB), scheint G gegenüber S grundsätzlich als Interessenvertreter des D aufzutreten, da nunmehr allein die Interessen des D mit der ordnungsgemäßen Leistungserbringung des S zusammenhängen. Insofern muss S im Verhalten des G die Rechtskreisöffnung des D selbst erblicken,272 die sich unzweideutig auch auf das Vertragsverhältnis zwischen G und S bezieht: G vertraut dem S durch die Übergabe der Kaufsache an ihn praktisch allein die Interessen des D allein mit dem Zweck an, die Vertragsabwicklung (Beförderung der Kaufsache) zu ermöglichen. In der Fallkonstellation 9 – „Haftung des Dienstberechtigten bzw. Werkbestellers“273 muss man mit der Rechtsprechung die Schutzpflichten des Arbeitgebers (S) zu Gunsten des Kindes (D) seines Arbeitnehmers (G) anerkennen, das G mit der Erlaubnis des S mit zur Arbeit nimmt.274 Angesichts der grundsätzlich zu erwartenden Gefahrbeherrschbarkeit seitens des Arbeitgebers am Arbeitsort liegt hierbei offenbar eine – von seinem Vater verkörperte und von S auch angenommene – Rechtskreisöffnung des D gegenüber S vor. Diese lässt sich unter der Sichtweise des S auch als Mitwirkung an der Durchführung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihm und G betrachten, weil sie dem G erlaubt, die dem S geschuldete Leistung zu erbringen. Dieser Schluss wird zuweilen vom Arbeitsvertrag selbst bestätigt, der dem G die Mitnahme seines Kindes ausdrücklich gestattet. Nicht so eindeutig ist demgegenüber die Lage, wenn derjenige (D) verletzt wird, dessen sich G bei der Erbringung der Dienstleistung bzw. bei der Werk___________ 271

s. oben 2. Kapitel bei Fn. 98. Diese Ausführungen gelten natürlich nur, soweit man annimmt, dass der Verkäufer (G) wegen der Regelung von § 447 I BGB keinen eigenen Schaden erleidet, wenn die Kaufsache beim Transport beschädigt wird; diese Annahme stellt auch die Ausgangsbasis für die Anwendung der Rechtsfigur der Drittschadensliquidation in Zusammenhang mit dem Versendungskauf dar, s. beispielsweise BGH v. 10.7.1963, BGHZ 40, 91 (100 f). Ist man demgegenüber bereit, den Beförderer etwa als Erfüllungsgehilfen des Verkäufers im Sinne von § 278 BGB anzusehen oder auf der Basis eines objektiven bzw. normativen Schadensbegriffs (s. dazu etwa Büdenbender, NJW 2000, 988 ff mit weiteren Nachweisen) bei Beschädigung der Kaufsache von einem eigenen Schaden des Verkäufers (G) auszugehen, so darf man aus der objektivierten Sichtweise des Spediteurs (S) das Verhalten des G nicht mehr im Sinne einer Vertretung der Käuferinteressen deuten; es ist vielmehr als Handeln für eigene Rechnung bzw. zur Wahrnehmung eigener Interessen zu verstehen. Damit scheidet die Annahme einer durch G vermittelten Rechtskreisöffnung des Käufers (D) und mit ihr auch die Schutzpflichtentstehung zu dessen Gunsten zumindest in Bezug auf die mit der Integrität der Sache verbundenen Gefahren grundsätzlich aus. 273 s. oben 2. Kapitel A. II. 3. 274 s. oben 2. Kapitel bei Fn. 119. 272

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

herstellung als Erfüllungsgehilfen bedient.275 Es kommt vielmehr in jedem konkreten Fall darauf an, ob der Erfüllungsgehilfe (D) seine Rechtsgüter hinsichtlich der ihm drohenden Gefahren seinem unmittelbaren Vertragspartner (G) oder dem (Haupt-)Besteller bzw. Dienstberechtigten (S) anvertraut. Ein wichtiges Kriterium neben dem direkten Kontakt zwischen D und S sind dabei insbesondere die tatsächlichen Gefahrbeherrschungsmöglichkeiten von G und S. Vor allem dann, wenn D in Räumen bzw. mit Sachen arbeiten muss, die im offensichtlichen Verantwortungsbereich des S stehen, kann man davon ausgehen, dass eine Rechtskreisöffnung des D insofern (auch) gegenüber S vorliegt.276 Ebenfalls problematisch ist dabei die Frage, ob D seinen Rechtskreis nicht allein im Rahmen seines eigenen Schuldverhältnisses zu G (etwa Werkvertrag), sondern offenbar auch im Hinblick auf die Werkherstellung bzw. Dienstleistungserbringung zwischen G und S öffnet. Zur bejahenden Stellungnahme muss man dann kommen, wenn der eigene Beitrag des D zur Pflichterfüllung aus der Sichtweise des S nicht hinter jenen des G zurücktritt bzw. nicht von jenem des G aufgenommen wird, etwa weil sich die Rolle des G in faktischer Hinsicht im Grunde auf die Vermittlung gegenüber S der praktisch eigenverantwortlich erbrachten Leistung des D beschränkt.277

c) Schutzwirkung bei Kauf-, Auskunftsund Geschäftsbesorgungsverträgen Bei Drittschädigungen in Zusammenhang mit Kaufverhältnissen278 muss man grundsätzlich zwischen dem eigentlichen Vorgang der Kaufabwicklung und der nachträglichen Berührung mit der Kaufsache unterscheiden. Dritte, die sich am Kaufabwicklungsvorgang beteiligen, werden prinzipiell ohne weiteres mit den entsprechenden Schutzpflichten des Verkäufers (S) begünstigt, wenn sie ihren Rechtskreis ihm gegenüber geradezu in Verbindung mit dem Kaufverhältnis öffnen.279 Hierzu gehören auch Dritte, die sich praktisch als unmittelbare Ab___________ 275

s. oben 2. Kapitel bei Fn. 120. s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) ff). Dies kann etwa bei BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269, angenommen werden. 277 Zu den einschlägigen Wertungen s. oben 6. Kapitel B. II. 2. d) cc). Ein solcher Fall scheint in der Tat bei BGH v. 15.6.1971, BGHZ 56, 269, vorzuliegen, da D praktisch unabhängig von G zur Herstellung des geschuldeten Werks arbeitet. 278 s. oben 2. Kapitel A. II. 4. 279 Mit diesen Überlegungen kann man entgegen der Meinung der Rechtsrechung eine auf das Kaufverhältnis zwischen G und S bezogene Rechtskreisöffnung des D und somit die Schutzpflichtentstehung zu dessen Gunsten offenbar in den oben 2. Kapitel bei Fn. 143 bis 146 angeführten Konstellationen anerkennen. Letzteres ist m.E. angesichts der ausschließlich dem S zustehenden Gefahrbeherrschungsmöglichkeiten auch im Fall von OLG Düsseldorf v. 26.10.1995, NJW-RR 1996, 1380 (s. oben 2. Kapitel bei Fn. 147), trotz der Tatsache anzunehmen, dass hier G für das Verschulden des S als des276

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nehmer der Kaufsache am Kaufvertragsabwicklungsvorgang beteiligen, auch wenn es sich um Gefahren handelt, die sich erst bei der nachträglichen Nutzung der Sache durch diese Dritten verwirklichen (können).280 Demgegenüber sind Dritte, die erst bei der nachträglichen Nutzung der Sache mit dem fremden Kaufverhältnis in Berührung kommen, im Prinzip nur dann für direkte Schutzpflichtgläubiger des Verkäufers zu halten, wenn sie – möglicherweise neben dem Käufer (G) selbst – praktisch als primäre Leistungsnutzer agieren. Ist hingegen die Leistung des Verkäufers (S) erst sekundär für sie bestimmt, indem sie primär allein dem Käufer zugute kommen soll, so muss man ihnen die erforderliche Zentralstellung im Kaufverhältnis und somit die Schutzpflichtgläubigereigenschaft absprechen.281 D wird demnach insbesondere dann von der Drittschutzwirkung des fremden Kaufverhältnisses nicht erfasst, wenn er als Endabnehmer in einer kürzeren oder längeren standardisierten Absatzkette in Kontakt mit der Kaufsache kommt.282 Unter den Fällen mit primären Vermögensschäden leuchtet bei einer schädigenden Auskunftserteilung283 ein, dass die Schädigung des D nicht beim eigentlichen Vorgang zur Abwicklung des Auskunftsvertrages zwischen G und S, sondern erst bei der nachträglichen Nutzung der erhaltenen Auskunft eintritt. Neben dem Vorliegen einer Rechtskreisöffnung des D gegenüber S, die sich auf ___________ sen Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 BGB haften soll [s. zu dieser Problematik oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc) und 6. Kapitel B. II. 2. d) cc)]. Aus dem Bereich der Personenschäden s. ferner oben 6. Kapitel B. II. 2. d) aa), insbesondere Fn. 123, zur angebrachten Behandlung der Fallkonstellation 12 – „Begleitende Tochter bei der Vertragsanbahnung“ und der Fallkonstellation 13 – „Mitfahrender Dritter“ (s. oben 2. Kapitel A. II. 5.); im Ergebnis ist den entsprechenden Entscheidungen des BGH zuzustimmen. 280 Deswegen ist der Entscheidung des RG v. 26.11.1936, JW 1937, 737, s. 2. Kapitel Fn. 134, zuzustimmen: Die Mieter (D) öffnen ihre Rechtskreise offenbar direkt gegenüber dem Wasserlieferanten (S) und nicht gegenüber dem Vermieter (G) hinsichtlich der Gefahren aus dem Wasserverbrauch; dabei beteiligen sie sich durch die Wasserabnahme praktisch unmittelbar am Vorgang der Kaufabwicklung zwischen G und S. 281 Eine Zentralstellung des D im Kaufverhältnis zwischen G und S als primärer Leistungsnutzer ist etwa bei LG Frankfurt v. 25.6.1990, NJW-RR 1991, 225 (s. 2. Kapitel Fn. 134), sowie bei OLG Hamm v. 12.7.1976, VersR 1977, 842 (s. 2. Kapitel Fn. 142), zu bejahen; s. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. e) ee) zu den Schutzpflichten des Spielzeughändlers gegenüber dem Sohn des Käufers. Dies gilt jedoch nicht auch bei den in 2. Kapitel Fn. 131 zitierten Entscheidungen: Abgesehen davon, dass man eine Rechtskreisöffnung des D gegenüber S richtigerweise nicht annehmen kann (s. Fn. 90), gebührt in diesen Fällen die Zentralstellung im Kaufverhältnis nur dem Käufer (G) selbst, der als primärer Leistungsnutzer den Kaufvertrag mit S schließt. 282 s. auch oben 6. Kapitel B. II. 2. e) ee). Insofern sind die richterlichen Entscheidungen, die die Produzentenhaftung zu Gunsten des Endabnehmers verneinen (s. oben 2. Kapitel A. II. 4., Fallkonstellation 10 – „Produzentenhaftung“), im Rahmen des Schutzpflichtmodells zu befürworten. 283 s. oben 2. Kapitel A. III. 1.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

die Leistung des S als solche beziehen soll,284 kommt es folglich für die Annahme von Schutzpflichten zu Gunsten des D vornehmlich darauf an, ob dem D als Leistungsnutzer eine Zentralstellung im Auskunftsvertrag zwischen G und S zukommt.285 Diese Frage ist, wie auch in Bezug auf die soeben angesprochene Verwendung der Kaufsache durch Dritte, dann zu bejahen, wenn D möglicherweise neben G selbst als primärer Auskunftsempfänger bzw. Auskunftsnutzer in Kontakt mit der Leistung des S kommt.286 In dieser Hinsicht ist die Beurteilung der Lage einfacher, wenn die Auskunft allein für D bestimmt ist: Die Zentralstellung des D ist also in vielen der Gutachtenfälle287 oder der Fälle eines Auskunftsersuchens im Drittinteresse288 verhältnismäßig einfach festzustellen. In Konstellationen hingegen, in denen auch die Interessen des G von der Auskunft des S beeinflusst werden,289 sind zusätzliche Überlegungen dafür notwendig, dass die Belange des D auf der gleichen (primären) Ebene von der Vertragserfüllung erfasst werden wie die betroffenen Gläubigerinteressen selbst.290 Für die Bejahung einer Zentralstellung des D genügt dabei freilich nicht, dass die Auskunftserteilung überhaupt Auswirkungen auf D haben kann. Die letzte Bemerkung ist ferner insbesondere bei Fällen einschlägig, in denen der Rechtsanwalt S mit der Besorgung eines Geschäfts seines Auftraggebers (G) beauftragt wird. Für die Bejahung einer Zentralstellung291 Dritter in Bezug auf die Erfüllung der Zentralpflichten des S und somit für die Annahme von drittgerichteter Schutzpflichten reicht die Feststellung nicht aus, dass diese Drit___________ 284 Diese Voraussetzungen dürften in den meisten der hier angesprochenen Fälle kaum Schwierigkeiten bereiten, da D offenbar geradezu auf die Tatsache abstellt, dass die Auskunft von S stammt, dem man insbesondere wegen seines hervorragenden, vor allem fachmännischen Wissens besonders vertraut. 285 Allgemein zu dieser Fragestellung s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) ee). 286 Deshalb scheidet die Drittschutzwirkung ohne weiteres aus, wenn die Auskunft des S nur zur eigenen Information des G dienen soll, s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) ee); so auch die Rechtsprechung, s. oben 2. Kapitel Fn. 174. 287 s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15. Allgemein zur Anwendung des Schutzpflichtmodells in diesen Fällen s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) ee). 288 s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 16. 289 Solche Fälle werden oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 17 – „Beratungsverhältnisse“ angeführt. 290 Davon kann man grundsätzlich in den in 2. Kapitel Fn. 182 bis 186 und 188 genannten Fällen ausgehen. Bei der Entscheidung des BGH v. 13.2.2003, NJW-RR 2003, 1035 (1036 f; s. oben 2. Kapitel bei Fn. 187), muss die Drittschutzwirkung im Sinne des Schutzpflichtmodells abgelehnt werden, da D weder an der Abwicklung des (vor-)vertraglichen Schuldverhältnisses zwischen G und S mitwirkt, noch über eine Zentralstellung im (möglicherweise gar nicht bestehenden) Zentralpflichtverhältnis verfügt; D tritt erst nachträglich in den Mittelpunkt des Geschehens. 291 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) ee). Eine dominierende Drittstellung ist notwendig, weil eine Rechtskreisöffnung der in Frage kommenden Dritten im Rahmen einer unmittelbaren Mitwirkung an der Abwicklung des Geschäftsbesorgungsvertrags zwischen G und S in aller Regel ausscheidet.

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ten bei unsorgfältigem Verhalten des Rechtsanwalts Schäden erleiden können. Vielmehr ergibt sich aus einer näheren Betrachtung, dass eine Zentralstellung Dritter bei den in Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit angeführten Entscheidungen292 eher verneint werden muss. Die Leistung des S soll primär und vornehmlich den eigenen Interessen des G dienen, dem folglich auch die dominierende Stellung im Zentralpflichtverhältnis zu S gebührt,293 während den betroffenen Dritten lediglich Nebenwirkungen zugute kommen sollen.294 Oft liegt es sogar fern, diese Personen überhaupt als Leistungsnutzer anzusehen, da sie erst mittelbar, d.h. allein durch die Ergebnisse, die die Leistung des S für G herbeiführt, von der anwaltlichen Tätigkeit betroffen werden. In diesem Sinne ist auch die in der Rechtsprechung vorkommende Aussage zu verstehen, dass ein Anwaltsvertrag nur in seltenen Fällen eine Schutzwirkung zu Gunsten am Vertrag nicht beteiligter Dritter entfalte:295 Bei einem Anwaltsvertrag ist prima facie anzunehmen, dass der Anwalt grundsätzlich nur die Interessen seines Mandanten wahrnehmen soll, so dass Dritten grundsätzlich keine Zentralstellung in Bezug auf seine Tätigkeit zukommt. Wegen der konkreten Umstände muss man trotz der entgegengesetzten Rechtslage – S wird aufgrund seiner Organstellung für G tätig – offenbar eine eigenständige Rechtskreisöffnung der KG (D) gegenüber S in der Fallkonstellation 18 – „Geschäftsführung der geschäftsführenden Gesellschaft“ annehmen. Diese Rechtskreisöffnung betrifft unmittelbar die im Rahmen der Vertragsbeziehung zwischen G und S erbrachte Leistung: D öffnet dem S Einwirkungsmöglichkeiten auf ihre Vermögenspositionen geradezu im Hinblick auf die Tatsache, dass S die Geschäftsführung der G und dadurch praktisch auch die Geschäftsführung der D übernommen hat. Abgesehen davon, dass man die Rechtskreisöffnung der D im Rahmen ihrer Mitwirkung am eigentlichen Leistungsempfang deuten kann,296 verfügt dabei D in ihrer Eigenschaft als Leistungsnutzer über eine Zentralstellung hinsichtlich der Leistungserbringung des S an G: G handelt lediglich als zwischen S und D vermittelnde Person, so dass man in Wahrheit von einem praktisch direkten Leistungskontakt zwischen D und S ___________ 292

s. oben 2. Kapitel A. III. 4., Fallkonstellation 22 – „Anwaltliche Tätigkeit“. Ebenfalls allein dem G kommt die Zentralstellung aus dem Zentralpflichtverhältnis mit S in der Fallkonstellation 23 – „Testamentsfälle“ (s. oben 2. Kapitel A. III. 4., Fallkonstellation 23) zu, s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) ee). 294 M.E. kommt die Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des D nur in den in 2. Kapitel bei Fn. 215, 217 und 219 erwähnten Konstellationen in Betracht, soweit man den konkreten Umständen entnehmen kann, dass G – für S erkennbar – die ihm gegenüber erbrachte Leistung zumindest teilweise nur deshalb vereinbart bzw. entgegennimmt, um dadurch allein die Interessen des betroffenen Dritten zu verfolgen. 295 s. 2. Kapitel Fn. 214. 296 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) cc) zur Entstehung von Schutzpflichten, wenn die Leistungsnutzung durch D zugleich als Mitwirkung an der eigentlichen Vertragsabwicklung (vor allem als Leistungsempfang) verstanden werden muss. 293

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ausgehen muss, den es mit den entsprechenden Schutzpflichten auch zu fördern gilt.297

d) Schutzpflichten beim mehrgliedrigen Zahlungsverkehr Im Bereich des mehrgliedrigen Zahlungsverkehrs298 kann man das Schutzpflichtmodell in der Fallkonstellation 20 – „Schaden des ersten Auftraggebers“ insofern anwenden, als D an der Erfüllung der Vertragsbeziehung zwischen G und S mitwirkt.299 Im Rahmen seiner Mitwirkung am eigentlichen Vorgang zur Zentralpflichterfüllung zwischen G und S vertraut D dem S vornehmlich das Geld an, das er für die Überweisung einzahlt.300 Zwar zahlt D sein Geld nur bei G ein, dennoch muss jede Bank (S), die das Geld von einer anderen Bank (G) zur Ausführung der Überweisung erhält, grundsätzlich eine entsprechende Rechtskreisöffnung des D ihr gegenüber annehmen. G vertraut der Bank S durch die Übermittlung des Überweisungsbetrags offenbar nicht die eigenen Positionen, sondern vielmehr die damit verbundenen Interessen des D an.301 G ___________ 297 Vgl. Westermann, NJW 1982, 2870. Entsprechendes kann man in dieser Fallkonstellation auch für die Gesellschafter (D) der Publikums-KG annehmen. 298 s. oben 2. Kapitel A. III. 3. 299 Zwar ist D auch der eigentliche bzw. hauptsächliche Nutzer der Leistungen, die jede der beauftragten Banken innerhalb der konkreten Zahlungskette erbringt, diese Leistungsnutzung ist aber an sich kaum mit Gefahren verbunden wie etwa jene, die sich bei der Verwendung der gekauften Sache verwirklichen können. 300 Hier wird nur die Überweisung behandelt, die hier dargestellten Überlegungen gelten aber im Grunde allgemein für den bargeldlosen Zahlungsverkehr, also auch in Bezug auf den Lastschrift- und Scheckverkehr. 301 s. auch Bankrechts-Handbuch/Schimansky, § 49, Rn. 36. Diese Folgerung baut vornehmlich auf der Feststellung auf, dass die Hausbank des Überweisenden (D) ihre Pflichten bereits dadurch erfüllt, dass sie den Überweisungsbetrag übermittelt [s. § 676a I S. 2 BGB – zur Bedeutung der Rechtslage für die Ermittlung des realen Willens der Beteiligten s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a)]. Mit der Übermittlung des Überweisungsbetrages entgehen also die damit verbundenen Interessen des D dem Verantwortungsbereich seiner Hausbank (G) und geraten in die Gefahrensphäre der beauftragten Bank (S). Die Einwirkungsmöglichkeiten der S auf den übermittelten Betrag sind insofern als solche auf die Interessen des D selbst, nicht hingegen auf die Positionen ihres unmittelbaren Auftraggebers (G) zu deuten; S muss nämlich den – in Wirklichkeit nur logistisch – übermittelten Überweisungsbetrag grundsätzlich weiterhin als Geld des Überweisenden selbst (D) ansehen. Zweifel gegen dieses Ergebnis könnte dabei die Zurechnung des Verschuldens zwischengeschalteter Kreditinstitute zur überweisenden Bank gemäß § 676c I S. 3 BGB hervorrufen. M.E. lassen sich diese jedoch beseitigen. Denn die Regelung der Haftungsfrage in dieser Vorschrift kann im Gegensatz zu § 676a I S. 2 BGB, der die genauen Pflichten der erstbeauftragten Bank festlegt, nicht entscheidend bei der Ermittlung der wirklichen Verantwortungsbereiche der am Zahlungsverkehr teilnehmenden Kreditinstitute sein. Angesichts der Regelung von § 676a I S. 2 BGB – die erstbeauftragte Bank schuldet demnach nicht den vollständigen Erfolg des Zahlungsvorgangs – kann die Verschuldenszurechnung gemäß § 676c I S. 3 BGB streng genommen

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agiert somit als Interessenvertreterin des D, was den Schluss begründet, dass G durch die Übermittlung des Überweisungsbetrags gegenüber S den Rechtskreisöffnungswillen des D verkörpert. Nimmt man eine Rechtskreisöffnung des D an, so ist des Weiteren unproblematisch, dass sich diese als Mitwirkung an der Schuldbeziehung zwischen G und S betrachten lässt. Die Bank S muss in der Anvertrauung des Geldes an sie den Mitwirkungswillen des D sehen, weil sich die Durchführung des Zahlungsvertrags (s. § 676d BGB) zwischen G und S geradezu um den Zweck der Überweisungsausführung dreht, die wiederum unabweislich mit den maßgeblichen Einwirkungsmöglichkeiten auf das Geld des D verbunden ist. Die letzte Bemerkung leuchtet zwar am deutlichsten in Bezug auf die Übermittlung des (gemäß der Interessenlage) fremden Geldes ein;302 sie gilt jedoch auch für alle anderen Positionen des D, die bereits unabhängig von der Erfüllung der innerhalb der Überweisungskette entstehenden Zentralpflichten Bestand haben303 und G der Bank S in Anbetracht der bevorstehenden Überweisung als fremde Positionen anvertraut. Wenn D etwa dem Überweisungsempfänger durch die Überweisungskette auch Angaben über den Verwendungszweck macht (s. § 676a I BGB), so muss man in der Weiterleitung dieser Angaben an jede weiter beauftragte Bank eine entsprechende Rechtskreisöffnung des D sehen. Gibt nun S durch die Mitteilung des Überweisungszwecks an Außenstehende schuldhaft Geschäftsgeheimnisse des D preis, so macht sich S direkt gegenüber D schadensersatzpflichtig. Darüber hinaus sind hier auch die mit der berechtigten Erwartung auf die ordnungsgemäße – insbesondere rechtzeitige – Zentralpflichterfüllung zusammenhängenden Interessen des D von großer Bedeutung.304 Zwar kann man Schutzpflichten in Bezug auf diese Erwartung nur unter besonderen Umständen anerkennen, man muss jedoch die Existenz solcher Umstände für den Bereich ___________ nicht als Spezialfall von § 278 BGB angesehen werden: Die zwischengeschalteten Kreditinstitute gehören nicht zu den Personen, deren sich die erstbeauftragte Bank zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeit gegenüber ihrem Auftraggeber (D) bedient, so dass die maßgebliche Zurechnung des fremden Verschuldens gemäß dieser Vorschrift anderweitig gerechtfertigt werden soll. Insofern gelten die mit der Eigenschaft des S als Erfüllungsgehilfe des G verbundenen Überlegungen zur Rechtskreisöffnung des D [s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) cc)] nicht. 302 Mangels Gegenständlichkeit sind Schutzpflichten der Bank S in Bezug auf das eingezahlte Geld an sich nicht von besonderer praktischer Bedeutung. Sie können etwa in dem Fall relevant werden, dass der Überweisungsbetrag offenbar als Vorschuss für noch nicht erbrachte Leistungen des Überweisungsempfängers dienen soll, die jedoch wegen seiner bevorstehenden, allein der Bank S bekannten Insolvenz nicht mehr erbracht werden können. In diesem Fall liegt die Schutzpflicht der Bank S gegenüber D nahe, nur nach einer entsprechenden Rückfrage die Überweisung durchzuführen. 303 Zu dieser Einschränkung s. vor allem oben 5. Kapitel D. IV. 2. a). 304 Zu dieser Erwartung als Schutzpflichtgegenstand s. oben 5. Kapitel D. IV. 2. a).

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des mehrgliedrigen Zahlungsverkehrs generell bejahen. Dafür spricht nicht nur die Tatsache, dass der Überweisende (D) sich normalerweise nur schwer Einsicht in die Abwicklung der in Gang gesetzten Überweisung verschaffen kann und insofern auf die maßgebliche Zentralpflichterfüllung praktisch blind vertrauen muss. Darauf deutet auch die Feststellung hin, dass die Erwartung bzw. das Vertrauen auf die ordnungsgemäße Abwicklung von Zahlungsvorgängen geradezu mit dem Wesen bzw. den besonderen Charakter eines Zahlungssystems zusammenhängt: Sein Funktionieren ist mehr als in anderen Bereichen allgemein mit dem weitgehenden Vertrauen auf seine Zuverlässigkeit verbunden.305 In diesem Sinne kann auch eine verspätete Ausführung des erhaltenen Zahlungsauftrags durch S ihre Schadensersatzpflicht gegenüber D begründen, wenn sie versäumt hat, seine Erwartung auf ordnungsgemäße Überweisung rechtzeitig aufzulösen, um ihn vor Schäden zu bewahren.306 Demgegenüber muss man in der Fallkonstellation 21 – „Schaden des Überweisungsempfängers“ die Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des Überweisungsempfängers (D) in Bezug auf praktisch relevante Gefahren, wie vor allem die verspätete Durchführung der Überweisung, verneinen. Denn D wirkt insoweit an der Zahlungsabwicklung kaum mit. Die eigene Beteiligung des D an der Überweisungskette beschränkt sich auf die Kontoführung bei der letztbeauftragten Bank; auch wenn man dabei eine entsprechende Rechtskreisöffnung ansehen will, so erfasst sie kaum die Gefahren, die dem D beim Überweisungsverfahren tatsächlich drohen. Eine wirklich auf den Überweisungsvorgang bezogene, durch den Überweisenden bzw. jede eingeschaltete Bank verkörperte Rechtskreisöffnung des D könnte man insoweit annehmen, als der Überweisende durch die Mitteilung des Verwendungszwecks an das überweisende Kreditinstitut (s. § 676a I BGB) nicht nur eigene, sondern zugleich auch Geschäftsgeheimnisse des Überweisungsempfängers selbst offenbart, was zur entsprechenden Schutzpflichtentstehung führen kann. Gibt also eine der teilnehmenden Banken diese Geheimnisse preis, so kann sie sich aufgrund des SSD nicht nur gegenüber dem ___________ 305 Auch beim Überweisungsverfahren gilt das, was BGH, Urt. 28.2.1977, BGHZ 69, 82 (86), in Bezug auf das Lastschriftverfahren zur Bejahung der Drittschutzwirkung zu Gunsten des Lastschrifteinreichers feststellt: Es handelt sich um ein Massengeschäft „eines bestimmten Typs mit einem einheitlich praktizierten Verfahren, das dem Rechtsverkehr in großem Stile unter Inanspruchnahme des Vertrauens auf sach- und interessengerechte Abwicklung angeboten wird“. 306 Sofern die Erwartung auf ordnungsgemäße Pflichterfüllung und nicht die Pflichterfüllung selbst den Schutzpflichtgegenstand ausmacht, kann man problemlos eine einschlägige Schutzpflichtverletzung auch dann bejahen, wenn die schlechte bzw. unterbliebene Zentralpflichterfüllung auf kein Verschulden von S selbst zurückgeführt werden kann – vgl. den Sachverhalt bei BGH, Urt. 28.2.1977, BGHZ 69, 82: Die Bank S (Hausbank des Lastschriftschuldners) versäumt, den Lastschriftgläubiger (D) über die an sich ordnungsgemäße Nichteinlösung der Lastschriften zu benachrichtigen.

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Überweisenden, sondern auch gegenüber dem Überweisungsempfänger schadensersatzpflichtig machen. Überhaupt kein praktisches Interesse weist ferner die Frage auf, ob der Überweisungsempfänger als Nutzer der im Rahmen des Überweisungsvorgangs erbrachten Leistungen eine Zentralstellung in Bezug auf die zugrunde liegenden Vertragsverhältnissen innehabe. Denn eine eventuell dominierende Drittstellung kann nur insofern von Bedeutung sein, als es sich um die Gefahren handelt, die mit der nachträglichen Leistungsnutzung an sich verbunden sind, wie etwa die Gefahren, die aus der Verwendung der erteilten Auskunft durch den Gutachtenempfänger entstehen.307 Bei den entsprechenden Schutzpflichten zu Gunsten des Überweisungsempfängers ginge es somit nur um die Bewahrung vor Gefahren, die mit der Gutschrift des Überweisungsbetrags bzw. mit dem erhaltenen Geld selbst verbunden wären.

e) Weitere Fälle mit Vermögensschäden Die erforderliche, auf die Schuldbeziehung zwischen G und S bezogene Rechtskreisöffnung gegenüber S kann man in der Fallkonstellation 14 – „Vermögensschäden wegen kundenschädigender Äußerungen“308 ohne weiteres in Bezug auf D1 bejahen. Denn die Gesellschaft D1 eröffnet der Bank S die maßgeblichen Schädigungsmöglichkeiten durch die Offenlegung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse aufgrund von § 18 KWG und somit ohne Zweifel im Hinblick auf den Kreditvertrag zwischen G und S; insofern309 sind die entsprechenden Schutzpflichten der S gegenüber D1 anzunehmen. Etwas problematischer ist dabei die Frage, ob zugleich eine Rechtskreisöffnung des D2 gegenüber S vorliegt. M.E. ist dies und somit die Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des D2 im konkreten Fall anzunehmen: Wegen der außerordentlich engen Verbindung des D2 mit D1 kann man in der Tatsache, dass D1 ihre eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse offen legt, auch die Bildung eines Rechtskreisöffnungswillens für D2 selbst sehen, da D2 von dieser Offenlegung praktisch unmittelbar betroffen

___________ 307

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) ee). s. oben 2. Kapitel A. II. 5. 309 s. in diesem Zusammenhang auch Fn. 37: Drittgerichtete Schutzpflichten der S entstehen nur in dem Umfang, in dem eine schuldverhältnisbezogene Rechtskreisöffnung von D1 und D2 vorliegt; eine solche ist hier nur insoweit zu erblicken, als D1 und D2 ihre wirtschaftlichen Verhältnisse der S anvertraut haben. Es ist folglich nicht richtig, die Frage nach der Entstehung von Schutzpflichten zugunsten D1 und D2 undifferenziert, d.h. ohne Bezug auf konkrete Gefahren, zu behandeln [so aber BGH v. 24.1.2006, ZIP 2006, 317 (322 f)]. 308

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wird.310 Stimmt man diesem Ergebnis zu, so muss man des Weiteren die Bezugnahme der Rechtskreisöffnung des D2 auf die Vertragsbeziehung zwischen G und S angesichts des § 18 KWG problemlos bejahen.311 Unter den übrigen Fällen mit Vermögensschäden312 ist die Drittschutzwirkung in der Fallkonstellation 19 – „Stimmrechtsvollmacht“ sowie in der Fallkonstellation 24 – „Eingestellte Telekommunikationsdienste“ zu verneinen, da D seinen Rechtskreis offenbar nicht gegenüber S selbst, sondern nur gegenüber G öffnet.

III. Rechtsfolgen – Kein Einwendungsdurchgriff auf das Verhältnis zum Dritten Bei Erfüllung der in dieser Arbeit aufgestellten Drittschutzvoraussetzungen313 entstehen Schutzpflichten des S direkt gegenüber D.314 Insofern handelt es sich um eine Rechtsfolge, die unmittelbar unter § 311 III S. 1 BGB eingeordnet werden kann:315 Zwischen S und D entsteht ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 II BGB, obwohl D nicht selbst Vertragspartei werden soll. Für diese Schutzpflichten gelten nun die allgemeinen Regeln: D wird dadurch unmittelbar, d.h. unabhängig von einer Vermittlung des G, nach den allgemeinen Regeln berechtigt, von S die primäre Erfüllung seiner Schutzpflichten oder bei einer schuldhaften316 Zuwiderhandlung Schadensersatz für den dadurch ent___________ 310

In diesem Sinne ist offenbar der Vergleich zu den Personengesellschaften zu verstehen, den LG München I v. 18.2.2003, NJW 2003, 1046 (1051), bei der Fallbeurteilung vornimmt. 311 So auch im Ergebnis LG München I v. 18.2.2003, NJW 2003, 1046 (1051) und OLG München v. 10.12.2003, NJW 2004, 224 (228); Ehricke, FS Derleder, S. 346 ff; Schumann, ZIP 2004, 2356 und ZIP 2004, 2367; Tröger, Jura 2003, 828. Vgl. auch Canaris, ZIP 2004, 1789. Anders jedoch BGH v. 24.1.2006, ZIP 2006, 317 (322 f); Bütter/Tonner, BKR 2005, 345 f. 312 s. oben 2. Kapitel A. III. 2., 2. Kapitel A. II. 3. und 2. Kapitel A. II. 5. 313 s. oben 6. Kapitel B. II. 314 s. bereits oben 6. Kapitel A. 315 Allerdings ordnet § 311 III S. 1 BGB nicht selbst die maßgebliche Schutzpflichtentstehung an; zum Regelungsgehalt dieser Vorschrift s. oben 4. Kapitel B. II. 316 Im Rahmen des Schutzpflichtmodells können sich demnach etwa die geschützten Dritten (D) bei einem Mietverhältnis nicht auf die verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters (S) nach § 536a I BGB berufen, s. auch Philippsen, S. 81; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 34 IV 2 d. Dieses Ergebnis darf nicht verwundern, weil auch die Schutzpflichten des Vermieters (S) gegenüber dem Mieter (G) selbst nur bei einer schuldhaften Zuwiderhandlung zu einem Schadensersatzanspruch des Mieters führen; denn § 536a I BGB ist offenbar nur als Haftungsregelung für die entsprechende Zentralpflichtverletzung zu verstehen (eben deshalb wäre die Anwendbarkeit des § 536a I BGB im Rahmen eines Haftungsmodells des Drittschutzes – s. ansatzweise oben 6. Kapitel A. – eher zu bejahen). Um annehmen zu können, dass § 536a I BGB zu Gunsten

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standenen Schaden zu fordern (s. § 280 I i.V.m. § 276 BGB).317 Die allgemeinen Regeln gelten auch hinsichtlich des genauen Inhalts der Schutzpflichten; die konkret geschützten Positionen und die einschlägigen Verhaltensanforderungen sind also im Verhältnis zwischen D und S in der gleichen Weise festzulegen wie in rein zweipoligen Beziehungen. Allerdings spielt die Frage nach der richtigen Bestimmung des Schutzpflichtinhalts im Rahmen dreipoliger Beziehungen eine größere Rolle als innerhalb rein zweipoliger Schuldverhältnisse. Da beim Schutzpflichtmodell gegenüber Dritten bereits begrifflich keine Zentral-, sondern nur Schutzpflichten entstehen und ein entsprechender Überschneidungsbereich gar nicht denkbar ist, kann man sich nicht mit der Aussage begnügen, eine bestimmte Gefahr sei entweder durch Zentral- oder durch Schutzpflichten des Schuldners abzuwenden, wie es gegenüber dem eigentlichen Zentralpflichtgläubiger grundsätzlich möglich ist.318 Um die genaue Rechtsstellung der Dritten zu bestimmen, ist man folglich vollkommen auf die Ermittlung des Schutzpflichteninhalts angewiesen.319 Die Erörterung der Drittschutzvoraussetzungen im Rahmen des Schutzpflichtmodells hat gezeigt, dass die Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des D nicht nur vom rechtsgeschäftlichen bzw. realen Willen des G für den Drittschutz oder zumindest für die Drittbeteiligung,320 sondern auch vom Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines entsprechenden Interesses des G an den Belangen des D oder an dessen Mitwirkung bei der Schuldbeziehung zwischen G und S321 vollkommen unabhängig ist. Ebenso wenig ist für die Anwendung des Schutzpflichtmodells entscheidend, ob ein Schuldverhältnis zwischen G und S überhaupt vorhanden ist. Diese Aussage ist zwar in Bezug auf ein etwaiges Zentralpflichtverhältnis zwischen G und S eindeutig, sie gilt jedoch auch in Bezug auf das Vorliegen einer Schuldbeziehung überhaupt: Der Drittschutz ist zuweilen auch in den – nur ausnahmsweise vorkommenden – Fällen anzuerkennen, in de___________ der im Sinne des Schutzpflichtmodells begünstigten Dritten (D) anwendbar ist, muss man vorerst nachweisen, dass § 536a I BGB bereits für die Schutzpflichten des Vermieters gegenüber dem Mieter gilt – zum Einfluss gesetzlicher, auf die Schuldbeziehung zwischen G und S anwendbarer Regelungen auf das Schutzpflichtverhältnis zwischen S und D s. sogleich unten im Text. 317 In Bezug auf die Anwendung der allgemeinen Regeln auf Schutzpflichten können freilich viele Probleme vorkommen, wie etwa die angebrachte Anwendung von § 278 BGB (s. ansatzweise Kamanabrou, NJW 2001, 1187), oder die Anerkennung eines Anspruchs auf primäre Erfüllung von Schutzpflichten (s. ansatzweise etwa Stürner JZ 1976, 385 ff). Diese Probleme weisen allerdings keinen besonderen Bezug zu drittgerichteten Schutzpflichten auf und sind somit nicht zu behandeln. 318 s. oben 5. Kapitel D. IV. 2. vor a). 319 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb) sowie IV. 2. a) und b). 320 s. oben 6. Kapitel B. II. 1. 321 s. etwa oben 6. Kapitel B. II. 3.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

nen zwischen G und S nicht einmal Rahmenpflichten bestehen.322 Angesichts des derart originären Charakters des Drittschutzes fragt es sich zum einen, ob man beim Schutzpflichtmodell weiterhin von der Drittschutzwirkung des Schuldverhältnisses zwischen G und S als eine Durchbrechung des Relativitätsbzw. Zweipoligkeitsprinzips sprechen darf,323 sowie zum anderen, welche Schlüsse man daraus zur Rechtsstellung des D ziehen soll. Was die erste Frage angeht, entsteht bei Erfüllung der Drittschutzvoraussetzungen zwar ein neues, von der Schuldbeziehung zwischen G und S unabhängiges Schuldverhältnis zwischen D und S allein mit Schutzpflichten des S zu Gunsten des D. Dieses knüpft jedoch notwendigerweise an die zumindest abstrakte Möglichkeit der Begründung bzw. Abwicklung eines Zentralpflichtverhältnisses zwischen G und S an.324 Ohne diese Möglichkeit – ein wirklich bestehendes Zentral- oder Rahmenpflichtverhältnis zwischen G und S ist hingegen wegen des institutionellen Charakters der Rahmenpflichten irrelevant325 – ist eine Schutzpflichtentstehung weder in zwei- noch in dreipoliger Hinsicht möglich. Dementsprechend muss man das SSD zwar tatsächlich als eine Durchbrechung des Zweipoligkeitsprinzips deuten. Diese Durchbrechung besteht jedoch darin, dass bei Erfüllung der Drittschutzvoraussetzungen die Möglichkeit eines Zentralpflichtverhältnisses, die sonst den Grund für die Entstehung von Rahmenpflichten allein zwischen den Personen bildet, die eigentliche Parteien dieses Zentralpflichtverhältnisses sind (bzw. waren, sein sollen oder sein könnten), nunmehr als Ausgangspunkt für die Anerkennung von Schutzpflichten (auch) gegenüber Dritten dient. Das neue Schuldverhältnis zwischen D und S ist unter diesem Blickwinkel in Wahrheit kein selbständiges, sondern ein abhängiges Pflichtgefüge. Es ist allerdings nicht von einem anderen Pflichtengebilde (von der Schuldbeziehung zwischen G und S), sondern von der entsprechenden, zumindest abstrakten Möglichkeit eines solchen abhängig. Wenn man sich darüber im Klaren ist, dass die Drittschutzwirkung mit dieser Möglichkeit und nicht mit dem eigentlichen Zentralpflichtverhältnis zwischen G und S zusammenhängt, so ist nur noch von sekundärer, rein terminologischer Bedeutung, ob man hierbei weiterhin von der Schutzwirkung eines konkreten Zentralpflichtverhältnisses (etwa eines Mietverhältnisses) spricht. Eine solche Begriffsverwendung mutet allerdings vor allem dann befremdlich an, wenn dieses Zentralpflichtverhältnis – etwa bei Nichtigkeit – gar nicht besteht. In Bezug auf die zweite Frage lässt der originäre Charakter des Drittschutzes vor allem den Schluss zu, dass die Rechtsstellung des D gegenüber S bzw. der ___________ 322 s. oben 6. Kapitel B. II. 1. zum Beispiel des Vertreters (D) ohne jegliche Vertretungsmacht. 323 s. oben 4. Kapitel A. 324 s. oben 6. Kapitel B. I. 325 s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) dd) bis ff).

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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Inhalt des Schuldverhältnisses zwischen D und S mit der Rechtsstellung des G als Zentral- oder Rahmenpflichtgläubiger des S nicht zusammenhängt. Man muss das Schuldverhältnis zwischen D und S als vollkommen selbständig gegenüber der etwaigen Schuldbeziehung zwischen G und S betrachten: Was im Rahmen der zweiten gilt bzw. geschieht, beeinflusst den Inhalt bzw. die Entwicklung des ersten grundsätzlich nicht. Diese Aussage betrifft vor allem das Problem des Durchgreifens von Einwendungen bzw. Einreden auf das Schuldverhältnis zwischen D und S, die auf vertraglichen Abreden zwischen G und S basieren, sowie die Frage nach dem Einfluss eines Mitverschuldens des G auf den Schadensersatzanspruch des D gegen S.326 Bezüglich der ersten Problematik muss man aufgrund des Relativitätsprinzips annehmen, dass wegen der rechtlichen Unabhängigkeit des Schuldverhältnisses zwischen D und S von anderen Schuldbeziehungen eine vertragliche Abrede zwischen G und S die Rechtsstellung des D grundsätzlich nicht berührt.327 Eine Vertragsvereinbarung zwischen G und S spielt demnach für die Rechte des D gegenüber S ebenso (wenig) eine Rolle wie jede andere Vereinbarung zwischen S und einer anderen Person. Wird also zwischen G und S eine Abrede getroffen, die dem S eine Einwendung bzw. Einrede gegen D einräumen soll, so ist sie für das Verhältnis zwischen D und S unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für den Versuch, die Schutzpflichten bzw. die Haftung des S für eine etwaige Schutzpflichtverletzung gegenüber D im Vertrag zwischen G und S vor oder nach der maßgeblichen Schutzpflichtentstehung bzw. vor oder nach einer etwaigen Schutzpflichtverletzung zu mildern bzw. abzubedingen; für die Drittstellung ist er irrelevant.328 Das gegenteilige Ergebnis würde gegen das generelle Verbot von Verträgen zulasten Dritter verstoßen. ___________ 326

Zur einschlägigen Stellungnahme der Rechtsprechung s. oben 2. Kapitel B. IV. In ähnlichem Sinne wie hier, allerdings auf der Grundlage gesteigerten sozialen Kontakts, Thiele, JZ 1967, 654; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 34 IV 2 d. 328 Im Schrifttum diskutiert man die Problematik insbesondere in Bezug auf eine zwischen G und S vereinbarte Haftungsfreizeichnung. Die h.M. nimmt dabei entgegen dem hier vertretenen Konzept an, dass eine zumindest vor der Drittschädigung zwischen G und S vereinbarte Haftungsfreizeichnung grundsätzlich auf die Rechtstellung des D durchgreift, s. etwa Palandt(65)/Grüneberg, § 328, Rn. 20; Larenz, Schuldrecht AT, § 17 II (S. 229); Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 7 d; Sonnenschein, JA 1979, 230; Strauch, JuS 1982, 828; Assmann, JuS 1986, 888; Staudinger(2004)/Jagmann, § 328, Rn. 112; Soergel/Hadding, Anh. § 328, Rn. 21; MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 120 ff; Berg, NJW 1978, 2018; Schindhelm/Grothe, DStR 1989, 449 f; Janert/Schuster, BB 2005, 990; Brors, ZGS 2005, 149. Allerdings versucht man auch im Rahmen der h.M. häufig ungerechten Ergebnissen entgegenzuwirken. In diesem Sinne wird etwa eine Haftungsfreizeichnung zwischen G und S, die sich lediglich auf das Verhältnis zwischen D und S auswirken soll, auf der Grundlage von §§ 242 bzw. 138 I oder 307 bzw. 309 Nr. 7 BGB für unwirksam gehalten – so z.B. Strauch, JuS 1982, 828; MüKo(4)/Gottwald, § 328, Rn. 122 f. Darüber hinaus verneinen einige Autoren die prinzipielle Geltung einer Haftungsfreizeichnung zwischen G und S für das Verhältnis zwi327

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

Nur wenn man eine gesetzliche Regelung begründen kann, die anordnet, dass das Verhalten des G dem D zugerechnet werden soll bzw. dass vertragliche Abreden zwischen G und S auf das Verhältnis zwischen D und S durchgreifen sollen, darf man auf die entsprechende Betroffenheit der Rechtsstellung des D von der fremden Vereinbarung schließen. In diesem Sinne wäre etwa eine Haftungsfreizeichnung zwischen G und S für die Rechtsstellung des D dann von Bedeutung, wenn G dabei zugleich als (gesetzlicher) Vertreter des D mit der entsprechenden Vertretungsmacht agieren würde.329 Ebenfalls rechtlich relevant wäre m.E. ferner entsprechend dem Gedanken der §§ 328 ff BGB eine Vertragsklausel zwischen G und S, die dem D gegenüber S – etwa im Sinne einer Haftungsverschärfung für Schutzpflichtverletzungen – erweiterte Rechte einräumen sollte. Insofern handelt es sich dabei um eine allgemeine Zurechnungs- bzw. Drittwirkungsproblematik. Es ist nämlich nach den Bedingungen zu fragen, unter denen eine Abrede im Rahmen eines Schuldverhältnisses (hier zwischen G und S) die Rechte und Pflichten in einem anderen, rechtlich unabhängigen Schuldverhältnis (hier zwischen D und S) beeinflussen kann. Allein der Hinweis auf die Tatsache, dass das Schutzpflichtmodell notwendigerweise an die Zusammenarbeit von D und S im Hinblick auf die zumindest abstrakte Möglichkeit einer Zentralpflichtbeziehung zwischen G und S anknüpft, reicht dabei nicht aus, um ein rechtliche Gebot für die entsprechende Zurechnung bzw. Drittwirkung zu begründen. Der Grundsatz, dass die beiden Schuldverhältnisse (zwischen G und S sowie zwischen D und S) als zwei selbständige Rechtsgebilde behandelt werden müssen, erfordert natürlich, dass der Inhalt des Schuldverhältnisses zwischen G und S bzw. die Rechte des S gegen G (etwa Möglichkeit einer Aufrechnung) ohne rechtliche Auswirkung auf das Schuldverhältnis zwischen D und S auch insoweit bleiben, als sie nicht mittels vertraglicher Vereinbarungen zwischen G und S, sondern objektivrechtlich geregelt werden. Diese Annahme ist im Prinzip richtig; demnach ist etwa sicher, dass S seine Geldforderung gegen G nicht gegen den etwaigen Schadensersatzanspruch des D aufrechnen darf. Dennoch ___________ schen D und S und wollen die Frage nach der konkreten Lage beurteilen, so Papst, S. 235 ff; Ziegltrum, S. 215 ff; Medicus, JZ 1995, 309; Bayer, JuS 1996, 477; Staudinger(2004)/Jagmann, § 328, Rn. 112. Dazu fragt man etwa, ob G und D im selben Lager stehen oder gegenläufige Interessen haben, s. Ziegltrum, S. 215 ff; Medicus, JZ 1995, 309; Karampatzos, S. 101. Grundsätzlich keine Haftungsfreizeichnungsdurchgriff wollen hingegen vor allem Autoren erlauben, die die Schutzpflichtentstehung nicht unbedingt mit Schuldverhältnissen verbinden, vor allem weil sie mit dem Deliktsrecht oder mit einem gesteigerten sozialen Kontakt argumentieren, neben den Nachweisen in Fn. 327 s. etwa Emmerich, Grundlagen, S. 315 (s. 5. Kapitel Fn. 37); Plötner, S. 281. 329 So tatsächlich Papst, S. 241, für Verträge mit Schutzwirkung für die minderjährigen Kinder des G.

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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kann man nicht ausschließen, dass Regeln des objektiven Rechts, die sich aufgrund Gesetzesauslegung ermitteln oder rechtsfortbildend einführen lassen und das Schuldverhältnis zwischen G und S in einer bestimmten Hinsicht (vor allem in Bezug auf die Haftungsfrage) besonders normieren, auch das Verhältnis zwischen D und S erfassen sollen. Entscheidend ist dabei vor allem der Rechtsgedanke, der dem in Frage stehenden objektivrechtlichen Rechtssatz jeweils zugrunde liegt: Ist dieser Gedanke nicht nur bei Schutzpflichten gegenüber G selbst, sondern auch bei Schutzpflichten gegenüber D relevant, so ist der entsprechende Rechtssatz auch auf das Schuldverhältnis zwischen S und D anwendbar. Davon ist m.E. insbesondere dann auszugehen, wenn im Mittelpunkt der interessierenden Norm bestimmte Eigenschaften des S stehen, die auch hinsichtlich der Drittstellung für maßgeblich gehalten werden sollen. Am Beispiel etwa von § 521 BGB kann man annehmen, dass diese Vorschrift, sofern sie freilich die Haftung des Schenkers auch bei Schutzpflichtverletzungen regelt,330 auf der gesetzgeberischen Absicht einer entsprechenden Privilegierung des Schenkers als solchen basiert. Angesichts dessen liegt es nahe, dieser Absicht auch insofern Rechnung zu tragen, als es sich um die Schutzpflichten des Schenkers nicht gegenüber dem Beschenkten selbst, sondern gegenüber dritten Personen handelt.331 Ebenfalls grundsätzlich unbeachtlich für den Schadensersatzanspruch des D gegen S bei einer Schutzpflichtverletzung ist ferner die Tatsache, dass bei der Schädigung des D ein Mitverschulden des G im Sinne von § 254 BGB mitgewirkt hat. Da die Rechtsstellung des D von jener des G vollkommen unabhängig ist, spielt das Mitverschulden des G die gleiche Rolle für den Schadensersatzanspruch des D wie das Mitverschulden jedes anderen Außenstehenden. Ob sich D neben einem eigenen332 auch das Mitverschulden einer anderen Person entgegenhalten lassen muss, ist also anhand der allgemeinen Regeln zu beantworten. Demnach ist ein Mitverschulden des G dem D nur dann zuzurechnen, wenn

___________ 330

s. zu dieser Frage insbesondere BGH v. 20.11.1984, BGHZ 93, 23 (27 f). In diesem Sinne nimmt OLG Köln v. 4.6.1986, NJW-RR 1988, 157, im Ergebnis zutreffend an, dass die Haftungserleichterung zu Gunsten des Verleihers gemäß § 599 BGB nicht nur dem Entleiher selbst, sondern auch gegenüber dem von der Schutzwirkung des Leihvertrags erfassten Dritten gelten soll. Neben der Rechtswirkung von gesetzlichen Haftungserleichterungen bildet die objektivrechtliche Regelung besonderer Verjährungsfristen (entsprechende vertragliche Vereinbarungen zwischen G und S haben demgegenüber überhaupt keine Rechtswirkung gegen den Dritten, s. soeben im Text) ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld dieser Problematik, s. etwa Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 7 e. Freilich muss die entsprechende Untersuchung getrennt für jedes in Betracht kommende Regelungsgefüge erfolgen. 332 Dafür besteht kein Zweifel, s. etwa Sonnenschein, JA 1979, 231; Strauch, JuS 1982, 827; Berg, JuS 1977, 367. 331

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

in der Person des G die Bedingungen von § 254 II S. 2 i.V.m. § 278 BGB erfüllt werden.333 Dadurch lassen sich auch befriedigende praktische Ergebnisse erzielen. Denn eine vermindernde Auswirkung des Mitverschuldens des G auf den Schadensersatzanspruch des D ist nicht nur dann möglich, wenn G der gesetzliche Vertreter des D ist, sondern auch im Hinblick auf die Erfüllungsgehilfeneigenschaft des G anzunehmen (s. § 278 BGB). Tatsächlich werden in vielen Drittschutzfällen die Voraussetzungen erfüllt, die die Rechtsprechung dafür aufstellt:334 D bedient sich innerhalb seines Schuldverhältnisses mit S der Hilfe des G, um seine eigenen Belange zu wahren. Davon abgesehen ist es natürlich möglich, dem D auch das Mitverschulden anderer Personen als G zuzurechnen, wenn bei ihnen die Voraussetzungen von § 254 II S. 2 i.V.m. § 278 BGB erfüllt werden.335 Zugleich werden aufgrund der allgemeinen Zurechnungsregeln Ungereimtheiten vermieden, die man bei Befürwortung einer unbedingten Zurechnung des fremden Mitverschuldens zuweilen in Kauf nehmen müsste. Insbesondere in Fällen mit gegenläufigen Interessen zwischen G und S braucht man nach dem hier vertretenen Konzept keine – eigentlich unbegründbare – Abbedingung der Anwendung von § 254 I BGB in den Vertrag zwischen G und S hinein zu interpretieren;336 das Mitverschulden des G ist bei einer solchen Interessenlage ohnehin nur im Rahmen seines Verhältnisses zu S zu beachten.337 Da es sich bei der anspruchsmindernden Zurechnung fremden Mitverschuldens ebenfalls um ein ge___________ 333 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 7 c; Strauch, JuS 1982, 827; Assmann, JuS 1986, 888; Bayer, JuS 1996, 477; Papst, S. 241 f; Neuner, JZ 1999, 130; Berg, JuS 1977, 367; Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S. 528 f; Emmerich, Grundlagen, S. 314; Plötner, S. 282; Berg, NJW 1978, 2018. Die gegenteilige Meinung nimmt an, D müsse sich das Mitverschulden des G bei Bejahung der Drittschutzwirkung automatisch, d.h. unabhängig von der Zurechnungsanordnung von § 254 II S. 2 BGB, entgegenhalten lassen s. etwa Palandt(65)/Grüneberg, § 328, Rn. 20; Soergel/Hadding, Anh. § 328, Rn. 22; Sonnenschein, JA 1979, 231; Lorenz, JZ 1961, 170; Erman(11)/Westermann, § 328, Rn. 16; Bamberger-Roth/Janoschek, § 334, Rn. 2; Sutschet, 179; Müssig, NJW 1989, 1698. Eine Zwischenstellung nehmen Autoren ein, die die automatische anspruchsmindernde Berücksichtigung des fremden Mitverschuldens unter der Voraussetzung bejahen, dass D und G im gleichen Lager stehen, s. Ziegltrum, S. 215 ff; Medicus, JZ 1995, 309; Staudinger(2004)/Jagmann, § 328, Rn. 109 und 111; vgl. auch Erman(11)/Ehmann, § 675, Rn. 21 f; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 10 XI 5 d bb und 6 c bb; Haas, FS Heinrichs, S. 278; Plaß, DNotZ 2002, 31. 334 s. beispielsweise BGH v. 3.7.1951, BGHZ 3, 46 (49 ff); BGH v. 5.2.1962, BGHZ 36, 329 (338 f). 335 s. auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 7 c. 336 Dieses Notbehelfes bedient sich die Rechtsprechung in den Gutachtenfällen (s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15), um das Mitverschulden des G dem Gutachtenempfänger nicht zurechnen zu müssen, s. oben 2. Kapitel B. IV. Zur Interessengegenläufigkeit in den Gutachtenfällen vgl. oben 3. Kapitel B. III. 3. a) bb). 337 So auch Plötner, S. 282.

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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nerelles, nicht allein auf Drittschutzfälle bezogenes Rechtsproblem handelt, wird hier auf die genaue Reichweite der Regelung nicht näher eingegangen. Keine Schlussfolgerung für den fraglichen Einwendungsdurchgriff bzw. für die allgemeine anspruchsmindernde Wirkung des fremden Mitverschuldens kann die richterliche Bezugnahme auf das Postulat rechtfertigen, dass dem geschützten Dritten (D) grundsätzlich keine weitergehenden Rechte zustehen dürften als der unmittelbaren Partei des Schuldverhältnisses (G), das die Drittschutzwirkung entfaltet.338 Denn dieses Postulat entbehrt selbst der Rechtfertigung. Irrelevant ist diesbezüglich zunächst die Begründung mit dem Rechtsgedanken von § 334 BGB. Abgesehen davon, ob es sich bei der Berufung auf das Mitverschulden des G tatsächlich um eine „Einwendung aus dem Vertrag“ zwischen G und S im Sinne von § 334 BGB handelt339 bzw. ob man § 334 BGB wirklich den Inhalt entnehmen müsste,340 dass der Dritte nicht besser gestellt werden dürfe als der Vertragsgläubiger selbst, ist die Heranziehung von § 334 BGB beim SSD im Sinne des Schutzpflichtmodells im Allgemeinen verfehlt. Die Drittberechtigung stellt keine vereinbarte oder gar vom Vertrag zwischen G und S abgeleitete Rechtfolge dar, die sich möglicherweise am Maßstab der Gläubigerberechtigung selbst messen lassen müsste. Ähnliches gilt auch für § 242 BGB: Das Ergebnis, dass es ungerecht wäre, dem Dritten eine stärkere Rechtsstellung einzuräumen als dem Gläubiger selbst, wäre, wenn überhaupt, höchstens dann relevant, wenn man das Verhältnis zwischen G und S überhaupt als Maßstab für den Drittschutz betrachten dürfte, was hier freilich eindeutig abgelehnt wird. Der Drittschutz hängt zwar von der zumindest abstrakten Möglichkeit der (vergangenen, gegenwärtigen oder künftigen) Entstehung bzw. Abwicklung eines Zentralpflichtverhältnisses zwischen G und S ab. Diese Abhängigkeit reicht jedoch lediglich bis zu dem Punkt, dass nur jene Kontakte zwischen D und S geschützt werden, die im Hinblick auf diese Möglichkeit erfolgen. Der Inhalt des möglicherweise zwischen G und S tatsächlich bestehenden Zentralpflichtverhältnisses selbst ist demgegenüber für die Drittberechtigung und ihren Umfang vollkommen irrelevant. Ebenso wenig spielt für das Schuldverhältnis zwischen D und S das etwaige Schutzpflichtverhältnis von G und S eine Rolle. Denn beide Schutzpflichtverhältnisse basieren auf der gleichen Grundlage: Sowohl G als auch D werden gegenüber S geschützt, weil und soweit jeder seinerseits eine auf das Zentralpflichtverhältnis ___________ 338

Zur Stellungnahme der Rechtsprechung s. oben 2. Kapitel B. IV. Aus der Literatur s. etwa Soergel/Hadding, Anh. § 328, Rn. 22. 339 Dies ist wirklich zweifelhaft; s. etwa Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 20 IV 4 e, bereits in Bezug auf den berechtigenden Vertrag zu Gunsten Dritter im Sinne von § 328 I BGB. 340 Zu Recht zweifelnd etwa Medicus, JZ 1995, 309.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

zwischen G und S bzw. auf die Möglichkeit eines solchen bezogene Rechtskreisöffnung gegenüber S vornimmt. Insofern ist keins der beiden Schutzpflichtverhältnisse (zwischen G und S sowie zwischen S und D) dem anderen untergeordnet. Aber auch wenn man dem angesprochenen Postulat die vermeintliche Geltung unterstellen sollte, ist die Schlussfolgerung auf die Notwendigkeit, im Rahmen des Schutzpflichtverhältnisses zwischen D und S Einwände des S aus seiner Beziehung zu G bzw. das Mitverschulden des G zu berücksichtigen, gar nicht zweifelsfrei. Es lässt sich nämlich nicht ohne weiteres belegen, dass dem D dadurch eine im Vergleich zu G bessere Rechtsstellung abgeschnitten wird: D muss sich ohnehin sein eigenes Mitverschulden ebenso wie die Einwendungen aus seinem eigenen Verhältnis zu S entgegenhalten lassen. Dies gilt genauso für G selbst, freilich in Bezug auf sein eigenes Mitverschulden bzw. seine eigene Schuldbeziehung zu S.341 Wollte man hingegen das Durchgreifen einer Einwendung aus der Beziehung zwischen G und S bzw. des Mitverschuldens des G auf das Verhältnis zwischen D und S zulassen, so spräche man dem D dadurch eine im Vergleich zu G eigentlich schlechtere Stellung zu: Im Gegensatz zu G müsste sich D zusätzlich Einwände gegen seine Berechtigung entgegenhalten lassen, die ihre Grundlage außerhalb seines eigenen Schuldverhältnisses bzw. außerhalb seines eigenen Verhaltens haben.

IV. Zusammenfassung wichtiger Erkenntnisse zum Drittschutz beim Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell Mit der vorangegangenen Untersuchung wird der Frage nach der Entstehung primärer Rahmen- und insbesondere Schutzpflichten zu Gunsten Dritter aufgrund der Hypothese einer materiell gläubigergleichen Drittstellung nachgegangen. Diesem Ausgangspunkt entsprechend dürften nicht nur die Rechtsgründe, die innerhalb zweipoliger Schuldbeziehungen die Entstehung von Rahmenpflichten bedingen, sondern alle einschlägigen Annahmen auch in dreipoligen Verhältnissen gelten.342 Drittgerichtete Rahmenpflichten (Rahmenpflichtmodell) sollen der institutionellen Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung dienen, indem sie insgesamt aufwandsgünstige und vertrauensfördernde Bedingungen der Zusammenarbeit bilden. Sie sollen die Bereitschaft des D erhöhen, im Hinblick auf die Entstehung und vollständige Abwicklung der Schuldbeziehung zwischen G und S mitzuwirken. Ebenso wie die Rahmenpflichten im zweipoligen Schuldverhältnis sind die Rahmenpflichten gegenüber Dritten mit dem Bezug ___________ 341 342

Vgl. Papst, S. 241 f. s. oben 6. Kapitel B. vor 1.

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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zu einem Zentralpflichtverhältnis zu rechtfertigen. Beim Rahmenpflichtmodell besteht dieses jedoch nicht zwischen Rahmenpflichtgläubiger (D) und -schuldner (S), sondern zwischen dem Rahmenpflichtschuldner und einer anderen Person (G). Die Parallelität der Rahmenpflicht in zwei- und dreipoligen Beziehungen besteht auch insoweit, als beide Male eine institutionelle Betrachtungsweise maßgeblich ist: Darauf, ob die Rahmenpflichten ausreichen bzw. wirklich notwendig sind, um die Drittbeteiligung zu fördern, bzw. ob die Mitwirkung des D das fremde Zentralpflichtverhältnis überhaupt vorantreiben kann, kommt es nicht an. Ebenso wenig ist die Frage wichtig, ob ein Zentralpflichtverhältnis zwischen G und S wirklich besteht, bestanden hat oder überhaupt möglich (gewesen) ist. Dennoch ist eine konkrete Mitwirkung des D unabdingbar; anhand dieses Sachverhaltsmerkmals ist auch der konkret geschützte Personenkreis zu bestimmen.343 In Zusammenhang mit dem SSD interessiert vor allem die Entstehung von Schutzpflichten zu Gunsten Dritter (Schutzpflichtmodell). Legt man auch hier die Überlegungen zugrunde, die die Schutzpflichtentstehung im zweipoligen Schuldverhältnis betreffen, so ergibt es sich, dass sich Schutzpflichten des S gegenüber D dann rechtfertigen lassen, wenn D im Rahmen seiner Mitwirkung im Hinblick auf die Schuldbeziehung von G und S seinen Rechtskreis gegenüber S willentlich öffnet und S diese Rechtskreisöffnung als solche annimmt. Des willentlichen Moments bedarf es nicht, wenn die Rechtskreisöffnung des D gegenüber S als solche vom Schuldverhältnis zwischen G und S vorgesehen wird; allerdings ist die zweite Alternative nur von sekundärer praktischer Bedeutung. Anhand dieser Gesichtspunkte ist nicht nur die Entstehung, sondern auch der genaue Umfang der Schutzpflichten zu bestimmen, da sie nur insoweit bestehen, als die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt werden. Allerdings werden nur Rechte, Rechtsgüter und Interessen des D erfasst, die nicht untrennbar mit der fremden Schuldbeziehung zusammenhängen. Sowohl für die Rechtskreisöffnung des D als auch für ihre Annahme durch D ist der reale Wille der Beteiligten erforderlich, der im Hinblick auf den institutionellen Charakter der Schutzpflichten weitgehend objektiv, d.h. unter der objektivierten Sichtweise des jeweiligen Willensempfängers, zu ermitteln ist. Demgegenüber braucht man einen einschlägigen rechtsgeschäftlichen oder gar realen Willen des G überhaupt nicht. Ein offenbar fehlender Wille des G kann höchstens als Indiz dafür gewertet werden, dass sich der Kontakt zwischen D und S in Wahrheit nicht auf das Schuldverhältnis zwischen G und S bezieht.344 Die konkrete Anwendung des Schutzpflichtmodells bedarf einiger Klarstellungen. Dazu zählt zunächst die Bemerkung, dass die vorliegende Rechtslage nur insoweit von Bedeutung ist, als sie zur objektiven Interpretation der fakti___________ 343 344

s. oben 6. Kapitel B. I. s. oben 6. Kapitel B. II. 1.

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

schen Lage in Bezug auf das Vorliegen bzw. den Inhalt des realen Willens der Beteiligten dienen kann. Einen weiteren wichtigen Anhaltspunkt dafür stellen die Kenntnismöglichkeiten der Beteiligten dar, sofern sie Tatsachen betreffen, die für die Erfüllung der jeweils maßgeblichen Willenstatbestände erforderlich sind. Allerdings können absolut geltende abstrakte Regeln kaum erwartet werden. Angesichts der Vielfalt möglicher Konstellationen kann nur eine vorsichtige wertende Betrachtung der Gesamtumstände des konkreten Falls zu abschließenden Ergebnissen führen. Eine erhebliche Erleichterung der Untersuchung bringt indes die Feststellung mit sich, dass es in der Regel ausreicht, den Rechtskreisöffnungswillen seitens des D zu ermitteln; in Anbetracht weitgehend objektiver Interpretationsmaßstäbe kann man daraus grundsätzlich auf den entsprechenden Annahmewillen seitens des S schließen.345 Das Grundproblem, das man bei der Ermittlung der maßgeblichen Willenstatbestände lösen muss, betrifft die Frage, ob das Faktum der bestehenden Einwirkungsmöglichkeiten des S auf die Positionen des D eine eigenständige Rechtskreisöffnung des D gegenüber S selbst darstellt, die sich auch auf das Schuldverhältnis zwischen G und S bezieht, oder allein im Rahmen der Rechtskreisöffnung verstanden werden darf, die D bereits im Rahmen und in Anbetracht seines (Rechts-)Verhältnisses mit G diesem gegenüber vorgenommen hat. Dabei gilt zwar, dass beide Verhältnisse (zwischen G und D sowie zwischen D und S) getrennt betrachtet werden müssen; das zwischen G und D bestehende Verhältnis kann jedoch Anhaltspunkte für die Interpretation des Verhaltens und die Ermittlung des Willens von D und S liefern. Die zu beantwortende Frage lautet, ob eine positive, auf S und seine Schuldbeziehung zu G gerichtete Rechtskreisöffnungsentscheidung des D vorliegt. Hierbei kommt es vor allem darauf an, ob der Tätigkeit des D im Rahmen seines Verhältnisses zu G eine überragende Bedeutung gegenüber dem auf das Schuldverhältnis zwischen G und S bezogenen Handeln des D zukommt.346 Eine Rechtskreisöffnung des D liegt bei bloß räumlicher Nähe des S zu den Positionen des D nicht vor. Zu den zusätzlichen Umständen, die auf den erforderlichen Willen des D hindeuten können, zählt insbesondere die Tatsache, dass D die Einwirkungsmöglichkeiten des S auf seine Positionen durch positive Handlungen eröffnet. Allerdings ist die Annahme einer entsprechenden positiven Entscheidung des D nach den konkreten Umständen auch ohne solche Handlungen möglich. Freilich kann oft die konkrete Gerichtetheit eines etwaigen Rechtskreisöffnungswillens des D auf G oder S auch erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Insbesondere für den Fall, dass die Einwirkungsmöglichkeiten des S auf die Positionen des D durch die Einmischung des G eröffnet werden, fragt es sich vor allem, ob S darin den Willen des G zur Handlung für fremde ___________ 345 346

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. b).

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

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Rechnung sehen soll. Eine bejahende Antwort ist dabei nicht allein deswegen angebracht, weil es sich nicht um eigene Positionen des G handelt. Es ist durchaus möglich, dass G die fremden Rechte, Rechtsgüter und Interessen als eigene Positionen im Rahmen einer eigenen Rechtskreisöffnung dem S anvertraut, da G insoweit im eigenen Verantwortungsbereich handelt.347 Zu den Indizien, die gegen eine eigenständige Rechtskreisöffnung des D gegenüber S sprechen, gehört die Tatsache, dass S in Kontakt mit den fremden Positionen als Erfüllungsgehilfe des G bei der Erbringung der dem D geschuldeten Leistung kommt. Denn dann sind die sich daraus ergebenden Gefahren grundsätzlich nur der Sphäre des G zuzuordnen, dem gegenüber bereits eine Rechtskreisöffnung des D vorliegt. Setzt jedoch G den D als Erfüllungsgehilfen ein, um die dem S geschuldete Leistung zu erbringen, so gilt eine solche Vermutung nicht mehr, sondern kommt es für eine einschlägige Stellungnahme nunmehr allein auf die konkreten Umstände an. Wichtig sind in diesem Zusammenhang etwa die Unmittelbarkeit und Intensität des Kontakts zwischen S und D sowie vor allem die faktische Gefahrenherkunft bzw. Gefahrbeherrschbarkeit: Ist S unter der objektivierten Sichtweise des D derjenige, aus dessen faktischem Verantwortungsbereich die maßgeblichen Gefahren für D stammen, so ist grundsätzlich (auch) ihm gegenüber eine eigenständige Rechtskreisöffnung des D anzunehmen. Dabei können jedoch schließlich allein die konkreten Gegebenheiten entscheiden, ob und wem gegenüber D seinen Rechtskreis öffnet. Es ist demnach durchaus möglich, dass abstrakt aufgestellte Vermutungen im konkreten Fall in die eine oder die andere Richtung widerlegt werden müssen.348 Liegt eine Rechtskreisöffnung des D gegenüber S vor, so stellt sich die Frage, ob sie sich auf die Schuldbeziehung zwischen G und S bezieht. Diese Frage ist dann zu bejahen, wenn die maßgebliche Rechtskreisöffnung im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen D und S vorgenommen wird, die mit der Entstehung bzw. vollständigen Abwicklung des Schuldverhältnisses zwischen G und S zusammenhängt. Entscheidend ist dabei nicht, ob die Mitwirkung des D objektiv zur Entstehung bzw. Abwicklung der fremden Schuldbeziehung führen kann – diese Frage kann höchstens ein entsprechendes, im konkreten Fall widerlegbares Indiz liefern –, sondern ob die Beteiligten (D und S) subjektiv eine solche Zweckverfolgung mit ihrer Zusammenarbeit verbinden. Demnach ist es grundsätzlich irrelevant, in welchem Entwicklungsstadium sich die Schuldbeziehung zwischen G und S befindet (etwa Vertragsverhandlungen oder Erledigung der nach einer Fehlentwicklung übrig gebliebenen Angelegenheiten) oder welche genaue Form die Mitwirkung des D jeweils annimmt; auch atypische Mitwirkungsvariationen können mit Schutzpflichten geschützt werden. Sogar die bloße Anwesenheit des D im Gefahrenbereich des S kann als förderungswürdige Mit___________ 347 348

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c) aa) und bb). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c).

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

wirkung an der fremden Schuldbeziehung vor allem angesichts der Feststellung bewertet werden, dass G dadurch die Möglichkeit erlangt, selbst ungestört an seiner Schuldbeziehung mit S mitzuwirken.349 Die Grundfrage des SSD beim Schutzpflichtmodell ist natürlich auch hier relevant: Für eine Antwort auf die Frage, ob sich die Rechtskreisöffnung des D (auch) auf die fremde Schuldbeziehung (zwischen G und S) oder eigentlich (nur) auf das Verhältnis zwischen G und D bezieht, kann man auch hier auf die faktische Gefahrenherkunft bzw. Gefahrbeherrschbarkeit seitens des G oder des S abstellen, wobei etwa die eventuelle Erfüllungsgehilfeneigenschaft des S eine wichtige Rolle spielen kann. Oft sind aber auch weitere Überlegungen notwendig. Grundsätzlich geht es darum, ob die Mitwirkung des D eine Eigenständigkeit gegenüber der eigenen Tätigkeit des G aufweist oder von ihr vollkommen aufgenommen wird. Im letzten Fall kann man kaum behaupten, die Mitwirkung des D überschreite die Grenzen des Verhältnisses zwischen D und G und sei deshalb mit darüber hinausgehenden Schutzpflichten zu begünstigen. Diesbezüglich kommt es wiederum u.a. darauf an, wie entscheidend die Mitwirkung des D das Schuldverhältnis zwischen G und S vorantreiben soll, wie unmittelbar der Kontakt zwischen D und S ist und ob D gegenüber S auch als Interessenvertreter des G auftritt. Von der fehlenden Eigenständigkeit der Mitwirkung des D und somit von ihrer fehlenden Bezugnahme auf die fremde Schuldbeziehung muss man insbesondere dann ausgehen, wenn D gegenüber S als Erfüllungsgehilfe des G handelt; es bleibt allerdings immer offen, ob die Umstände des konkreten Falls ausnahmsweise das gegenteilige Ergebnis gebieten.350 Bei der Frage, ob D auch insoweit zum Schutzpflichtgläubiger werden soll, als er in seiner Eigenschaft als Nutzer der Leistung des S geschädigt werden kann, ist die Funktion entscheidend, die das Schutzpflichtmodell erfüllen soll. Natürlich müssen sowohl eine Rechtskreisöffnung des D als auch deren Bezugnahme auf das fremde Schuldverhältnis weiterhin vorhanden sein. Diesbezüglich bereitet jedoch die zweite Voraussetzung Schwierigkeiten: Da die Gefahren, denen sich D bei der Leistungsnutzung aussetzt, nicht mehr als Teil des Vorgangs verstanden werden können, die mit der Entstehung und vollständigen Abwicklung der fremden Schuldbeziehung zusammenhängen, kann man nicht mehr auf eine entsprechende Mitwirkung des D abstellen. Dementsprechend muss es nunmehr darauf ankommen, ob D seinen Rechtskreis im Hinblick auf die Leistung des S an G als solche öffnet; diese Bedingung wird vor allem dann nicht erfüllt, wenn S gegenüber D als Erfüllungsgehilfe des G auftritt.351

___________ 349 350 351

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. d) aa). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. d) bb) und cc). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) aa) und bb).

B. Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell

433

Unproblematisch ist die Anerkennung der fraglichen Schutzpflichten zunächst in Fällen, in denen die Leistungsnutzung durch D eigentlich nicht getrennt vom eigentlichen Leistungsempfang betrachtet werden kann, der unzweideutig eine unmittelbare Mitwirkung an der Schuldverhältnisabwicklung darstellt; relevant ist diese Annahme vor allem bei Dauerschuldverhältnissen.352 Etwas schwieriger sind die Fälle, in denen die Leistungsnutzung erst nach vollzogenem Leistungsempfang möglich ist. Hier ist D in Bezug auf die nachträglichen Gefahren für geschützt zu halten, wenn er bereits als Leistungsempfänger unmittelbar an der Schuldbeziehung zwischen G und S mitwirkt. Denn ebenso wie im zweipoligen Schuldverhältnis soll die Vorbeugung künftiger Gefahren – zuweilen sogar mit Hilfe künftiger Schutzpflichten – die gegenwärtige Schuldverhältnisabwicklung fördern, weil auch künftige Gefahren sich auf die Gegenwart projizieren und bereits in der Gegenwart Gegenmaßnahmen erforderlich machen können.353 Wirklich problematisch sind aber Fälle, in denen D ausschließlich als Leistungsnutzer in Kontakt mit der Gefahrsphäre des S kommt. Der entscheidende Gesichtspunkt ist hier in der eventuellen gläubigergleich dominierenden Stellung des D in der fremden Schuldbeziehung zu sehen: Liegt gemäß der objektivierten Sichtweise der Beteiligten (D und S) ein solcher Fall vor, so ist der Drittschutz deshalb geboten, weil das fremde Schuldverhältnis ohne die (künftige) Leistungsnutzungsbereitschaft des D eigentlich sinnlos ist. Bei der Annahme einer dominierenden Drittstellung ist allerdings allgemein Zurückhaltung geboten. Es liegt folglich nahe zu verlangen, dass D bereits zum Zeitpunkt der maßgeblichen Leistungserbringung grundsätzlich als primärer Nutzer der Hauptleistung des S feststeht; darüber hinaus muss G gegenüber S weitgehend als Interessenvertreter des D auftreten. Eine derart dominierende Stellung ist grundsätzlich bei Personen ausgeschlossen, die erst aufgrund einer Leistungskette zu Leistungsnutzern werden sollen.354 Mit dem Abstellen auf die schuldverhältnisbezogene Rechtskreisöffnung des D gegenüber S werden in Wahrheit keine bloß formellen Sachverhaltselemente, sondern Gesichtspunkte angeführt, die die materiellen Ausgangspunkte in möglichst subsumtionsfähigen Tatbestandsmerkmalen konkretisieren. Sie sollen sicherstellen, dass der Kontakt von D und S als eigenständig betrachtet und somit mit den entsprechenden Schutzpflichten eigenständig gefördert werden kann, sowie dass er die erforderliche Verbindung mit einem Schuldverhältnis aufweist. In Bezug auf die Anwendbarkeit der herausgearbeiteten Kriterien auf praktisch relevante Fälle ist natürlich eine wertende Betrachtung der Gesamt___________ 352 353 354

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) cc). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) dd). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) ee).

434

6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

umstände erforderlich, was notwendigerweise gewisse Unsicherheiten mit sich bringt.355 Vergleicht man die im Rahmen des Schutzpflichtmodells aufgestellten Bedingungen für die Schutzpflichtentstehung mit den Drittschutzvoraussetzungen der Rechtsprechung, so ergibt sich, dass hier weder eine bestimmte Leistungsnähe des D, noch ein Drittschutzinteresse des G, noch die Schutzbedürftigkeit des D verlangt werden. Das Abstellen auf solche Gesichtspunkte lässt sich mit den Rechtsgedanken, die dem Schutzpflichtmodell zugrunde liegen, nicht vereinbaren. Nur die Voraussetzung der Erkennbarkeit lässt sich hier – freilich in veränderter Form – wieder finden. Diese Unterschiede haben allerdings nicht zur Folge, dass die Ergebnisse der Rechtsprechung immer abgelehnt werden müssen. Im Gegensatz dazu führen oft die gleichen Sachverhaltsmerkmale im Rahmen beider Konzepte zu gleichen Ergebnissen. Insbesondere die Eigenschaft des S als Erfüllungsgehilfe des G, die die Rechtsprechung hauptsächlich als Anhaltspunkt für die Verneinung der Schutzbedürftigkeit des D benutzt, wird hier mit ähnlichen Ergebnissen bei der Frage nützlich gemacht, ob D seinen Rechtskreis (auch) gegenüber S selbst und geradezu im Hinblick auf das Schuldverhältnis zwischen G und S öffnet. Auch eine konkrete Anwendung der hier aufgestellten Drittschutzvoraussetzungen auf Beispielsfälle aus der Rechtsprechung bestätigt nicht nur, dass sich die abstrakten Überlegungen in praktisch relevanten Fällen als nützlich für die Begründung bzw. Überprüfung konkreter Ergebnisse erweisen können, sondern auch, dass der Rechtsprechung in vielen – wenngleich bei weitem nicht in allen – Fällen im Ergebnis zuzustimmen ist.356 Demgegenüber ist der Rechtsprechung bei der Annahme eindeutig zu widersprechen, dass sich D nicht nur Einwendungen des S aus seinem Verhältnis zu G, sondern auch ein Mitverschulden des G im Sinne von § 254 BGB ohne weiteres entgegenhalten lassen muss. Vielmehr wird hier von der rechtlichen Unabhängigkeit der Rechtsstellung des D gegenüber S vom Schuldverhältnis zwischen G und S ausgegangen, die sich wiederum mit dem originären Charakter des Drittschutzes begründen lässt. Diese Eigenständigkeit beider Schuldbeziehungen gilt uneingeschränkt in Bezug auf vertragliche Haftungsfreizeichnungen zwischen G und S zu Gunsten des S sowie in Bezug auf ein etwaiges Mitverschulden des G. Eine Ausnahme ist nur insoweit angebracht, als es sich um die objektivrechtliche Regelung des Schuldverhältnisses zwischen G und S handelt, wenn es sich ergibt, dass der Rechtsgedanke der in Frage kommenden Regelung nicht nur in zwei-, sondern auch in dreipoligen Beziehungen Geltung beansprucht. Dies dürfte vor allem dann der Fall sein, wenn dabei entscheidend auf Eigenschaften in der Person des S abgestellt wird. Darüber hinaus kann nicht ___________ 355 356

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. f). s. oben 6. Kapitel B. II. 3. und 4.

C. Das Verhältnis zu anderen Rechtsinstituten

435

ausgeschlossen werden, dass allgemeine Regeln ein abweichendes Ergebnis gebieten. In diesem Sinne kann sich ein Mitverschulden des G auf den Schadensersatzanspruch des D gegen S mindernd auswirken, wenn die Voraussetzungen von § 254 II S. 2 i.V.m. § 278 BGB vorliegen.357

C. Das Verhältnis des SSD beim Schutzpflichtmodell zu anderen Rechtsinstituten Natürlich können Drittschutzfälle zuweilen nicht nur im Rahmen des SSD, sondern auch aufgrund anderer geschriebener oder ungeschriebener Rechtsinstrumentarien befriedigend behandelt werden; dies gilt etwa für Fälle mit Personen- bzw. Sachschäden358 in Bezug auf die Anwendung deliktsrechtlicher Normen. Deshalb fragt es sich, in welchem Verhältnis das SSD zu anderen Rechtsfiguren steht, mit denen sich in ähnlich gelagerten Fällen ähnliche Ergebnisse erzielen lassen. Dieses Problem ist aufgrund der Funktion zu lösen, die das SSD und das jeweils in Frage kommende anderweitige Rechtsinstitut innerhalb der Rechtsordnung erfüllen sollen.359 Die Existenz anderer Rechtsinstitute, deren Anwendung in den Drittschutzfällen in Betracht kommt, kann nämlich dann einen Einfluss auf das SSD ausüben, wenn ihnen gänzlich oder zumindest partiell die gleiche funktionelle Rolle zukommt wie dem SSD. Denn in dem Umfang, in dem dies tatsächlich der Fall ist, ist der für die Begründung der entsprechenden Rechtsfortbildung erforderliche Rechtswiderspruch360 zu verneinen, so dass das SSD insoweit der Rechtfertigung entbehrt. Zunächst reicht ein anderweitig begründbarer Schadensersatzanspruch des D gegen S nicht aus, um die Schutzpflichtentstehung zu Gunsten des D aufgrund des SSD auszuschließen. Denn obwohl die Annahme von Schutzpflichten in den meisten Fällen nur einen Zwischenschritt zur Begründung der entsprechenden Schadensersatzpflicht des Schutzpflichtschuldners (S) direkt gegenüber D anhand der allgemeinen Obligationshaftungsregeln (s. insbesondere § 280 I BGB) darstellt, darf aus rechtlicher Hinsicht der mit den Schutzpflichten an erster Stelle verfolgte primäre Schutz dem sekundären nicht gleichgestellt werden. Aber sogar in dem Fall, dass aufgrund anderer Regeln Schutzpflichten des S zu Gunsten des D entstehen, kann man grundsätzlich kaum annehmen, das SSD beim Schutzpflichtmodell entbehre deswegen der Rechtfertigung. Denn der Zweck, die Mitwirkung des D an der fremden Schuldbeziehung mit den ent___________ 357

s. oben 6. Kapitel B. III. s. oben 2. Kapitel A. II. 359 Vgl. BGH v. 8.6.2004, NJW 2004, 3420 (3421 f) zum Verhältnis des SSD zur Prospekthaftung. 360 s. oben 3. Kapitel C. II. 3. a). 358

436

6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

sprechenden Schutzansprüchen institutionell zu fördern, wird als solcher durch kein anderes Rechtsinstitut verfolgt. Selbstverständlich gilt diese Annahme zunächst in Bezug auf eventuelle Schutzpflichten des S im Hinblick auf ein eigenes, ebenfalls förderungswürdiges Zentralpflichtverhältnis zu D, da derartige Schutzpflichten zwischen S und D nicht an die Schuldbeziehung zwischen G und S anknüpfen. Zu diesem Ergebnis muss man ferner auch bezüglich der Schutzpflichten kommen, die man auf der Grundlage von § 311 III S. 2 i.V.m. § 241 II BGB etwa in (zumindest einigen) Gutachtenfällen361 dem Sachverständigen (S) zu Gunsten des Gutachtenempfängers (D) auferlegen soll, da S einen erheblichen Einfluss auf die Vertragsverhandlungen von G und D ausübt.362 Diese sind nicht den Schutzpflichten gleichzusetzen, die in den Gutachtenfällen im Sinne des SSD zu Gunsten des D anerkannt werden können.363 Denn die Schutzpflichten aufgrund des SSD sollen die Teilnahme des D an der Schuldbeziehung von G und S fördern, während die Schutzpflichten auf der Grundlage von § 311 III S. 2 BGB im Hinblick auf die Vertragsverhandlungen von G und D angeordnet werden. Insofern handelt es sich im Falle von § 311 III S. 2 BGB eigentlich um Dritthaftung, nicht jedoch um Drittschutz: Bei § 311 III S. 2 BGB stellen die Verhandlungen zwischen G und D den Ausgangspunkt dar, so dass S der Dritte ist, der gegenüber dem eigentlichen Verhandlungspartner D haften soll. Die Schutzpflichtentstehung im Sinne des SSD baut demgegenüber auf der (Möglichkeit einer) Schuldbeziehung zwischen G und S auf. D wird hierbei als der Dritte betrachtet, der gegenüber S geschützt werden soll. Dementsprechend sind auch die materiellen Anhaltspunkte, die die Anwendung von § 311 III S. 2 BGB stützen, im Vergleich zum SSD beim Schutzpflichtmodell vollkommen anders. Für die Anwendung von § 311 III S. 2 BGB in den Gutachtenfällen ist etwa grundsätzlich irrelevant, was für ein Verhältnis zwischen dem Sachverständigen (S) und seinem Auftraggeber (G) besteht. Vielmehr kommt es vor allem auf das Verhandlungsverhältnis zwischen G und D an; fehlt dieses, so entstehen natürlich keine Schutzpflichten zu Gunsten des D.364 Demgegenüber ist beim SSD (Schutzpflichtmodell) das Verhältnis, das G und D miteinander verbindet, als ___________ 361

s. oben 2. Kapitel A. III. 1., Fallkonstellation 15. Für die Anwendung dieser Vorschrift auf die Gutachtenfälle s. etwa RegE, BTDrucks 14/6040, S. 163; MüKo(4)/Emmerich, § 311, Rn. 231; Canaris, JZ 2001, 520; Faust in Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Rn. 3/13; Das neue Schuldrecht/Medicus, Kap. 3, Rn. 171; Schwab, JuS 2002, 876; Westermann, FS Honsell, S. 151; Erman(11)/Kindl, § 311, Rn 49; Plötner, S. 286 ff. A.A. Palandt(65)/Heinrichs, § 311, Rn. 60; AnwKom-BGB/Krebs, § 311, Rn. 48 ff und 54; Balzer, ZfIR 2005, 102 f; Deipenbrock, BB 2003, 1852; Karampatzos, S. 259 ff. 363 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e) ee). 364 Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Gutachten des S der Abwicklung eines bereits zwischen G und D bestehenden Vertrags dienen soll, so zutreffend Löhnig, JuS 2003, 728 mit einschlägigen Beispielsfällen. 362

C. Das Verhältnis zu anderen Rechtsinstituten

437

solches irrelevant und kann höchstens als Indiz zur Interpretation der Lage hinsichtlich des erforderlichen Zusammenarbeitswillens maßgeblich sein.365 Angesichts der unterschiedlichen Ausgangspunkte kann also nicht gefolgert werden, dass wegen der Regelung von § 311 III S. 2 BGB die Anwendung des SSD in den erfassten Fällen ausgeschlossen werden müsste.366 Selbstverständlich unterliegt auch das SSD Einschränkungen, die die jeweils zugrunde liegende Zwecksetzung bedingt. In diesem Sinne können etwa nicht zu Gunsten aller Gutachtenempfänger Schutzpflichten angenommen werden.367 Es ist also nur folgerichtig, diese Einschränkungen, soweit dies freilich die konsequente Rechtsanwendung erlaubt, auch mit anderen Rechtsinstrumenten auszugleichen, die parallel – jeweils mit eigenen Voraussetzungen, Rechtsfolgen und Zwecken – Anwendung beanspruchen. Dazu zählen neben § 311 III S. 2 BGB etwa ein unmittelbar zwischen D und S (konkludent) geschlossener Vertrag oder die Haftung für sittenwidrige vorsätzliche Schädigung gemäß § 826 BGB. Diese Betrachtungsweise liegt insgesamt den vorangegangen Ausführungen zugrunde: Bei der Behandlung des SSD wurde nicht versucht, eine für wünschenswert gehaltene und mit traditionellen Rechtsinstrumenten nicht einwandfrei zu rechtfertigende Rechtsfolge mit Hilfe einer geeigneten Begründung und Ausgestaltung des SSD zu untermauern. Vielmehr geht es hier um die Untersuchung der Rechtsfigur des SSD selbst, nämlich um die Frage nach deren Legitimierung und somit nach deren Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Erst sekundär, sozusagen als Nebenprodukt dieser Untersuchung, kommt die Erkenntnis, dass mit dieser Rechtsfigur auch bestimmte praktische Probleme gelöst werden können. Diese Vorgehensweise soll, soweit dies freilich überhaupt möglich ist, eine konsequente Rechtsanwendung sicherstellen und vor einer vom Ergebnis her geleiteten Argumentation bewahren. Denn die größte Gefahr, der man bei solchen Untersuchungen begegnen muss, liegt m.E. in der Tendenz, nicht nur das jeweils behandelte Rechtsinstrumentarium als Allheilmittel für alle einschlägigen Probleme zu betrachten, die in den relevanten Fällen auftauchen, sondern auch andere Rechtsfiguren möglichst außer Gefecht zu setzen, um die praktische Notwendigkeit der eigens befürworteten Anwendung aufzuzeigen. Von diesem Ausgangspunkt her wird in dieser Arbeit versucht, das SSD als ein Rechtsinstitut unter vielen anderen mit den eigenen „Stärken“ und „Schwä___________ 365

s. dazu oben 6. Kapitel B. insbesondere II. 2. a), c) und d). So aber Schwab, JuS 2002, 877; vgl. auch Faust in Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Rn. 3/13; Plötner, S. 288; Koch, AcP 204 (2004), 70 f. Vom entgegengesetzten Ausgangspunkt her Palandt(65)/Heinrichs, § 311, Rn. 60; Heppe, WM 2003, 761; SachverständigenR/Wessel, § 33, Rn. 53. Vgl. auch MüKo(4)/Emmerich, § 311, Rn. 232; Westermann, FS Honsell, S. 151; Löhnig, JuS 2003, 728. 367 s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e). 366

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6. Kap.: Pflichtenbegründung gegenüber Dritten

chen“ zu betrachten, die von seiner eigenen funktionellen Stellung innerhalb der Rechtsordnung bedingt sind und das SSD zur Problemlösung je nach der vorhandenen Lage mehr oder weniger geeignet machen. Angesichts dieser Prämisse darf die Anwendung des SSD auf bestimmte Beispielskonstellationen in dieser Arbeit keineswegs dahin verstanden werden, dass es immer die jeweils beste oder gar die einzige Lösung darstellt. Häufig können konkrete Fälle unter mehreren einschlägigen Aspekten behandelt werden, auch wenn es dabei um die Lösung eines – allgemein betrachtet – einzigen Problems (Haftung gegenüber Nichtschuldverhältnispartnern) geht. Dies gilt auch für das Verhältnis des SSD zu anderen Rechtsinstituten: Sofern sie anwendbar sind, knüpfen sie an bestimmte (unterschiedliche) Sachverhaltselemente an, um unter unterschiedlichen Blickwinkeln die jeweils in Betracht kommenden Rechtsfolgen anzuordnen. Je nach den Eigenschaften des zu behandelnden Sachverhalts kann also das SSD oder ein anderer Ansatz oder sogar eine Kombination beider insgesamt die besseren Ergebnisse liefern. Vollkommen unrealistisch wäre hingegen, das SSD als Lösung jedes einschlägigen Haftungsproblems anzusehen, sofern man die Grenzen nicht überschreiten will, die dieser Rechtsfigur gesetzt werden. Man muss sich damit abfinden können, dass sich der Drittschutz in manchen Fällen einfach nicht begründen lässt, so dass man sich für eine Lösung möglicherweise auf andere Rechtszusammenhänge wenden soll.

7. Kapitel

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Mit der Absicht, die Problematik des SSD darzustellen, ist zunächst die umfangreiche einschlägige Rechtsprechung möglichst repräsentativ umschrieben worden, und zwar sowohl anhand der Ergebnisse, zu denen die Gerichte in konkreten Konstellationen kommen,1 als auch in Bezug auf ihre abstrakten Ausführungen zu den Voraussetzungen und den Folgen der Annahme von Drittschutzwirkungen.2 Dabei wird das SSD zur Bewältigung verschiedenartiger Probleme in einfacheren und komplexeren wirtschaftlichen Zusammenhängen herangezogen. Ferner wird es als einheitliches Rechtsinstitut angesehen, das prinzipiell auf Vertragsauslegung basieren soll (rechtsgeschäftliches Modell),3 bei seiner Anwendung zeichnen sich jedoch zwei Grundlinien aus: Einerseits wird der Drittschutz im Interesse des Gläubigers und andererseits im Interesse des Dritten selbst gewährt.4 Die Tendenz der neueren Rechtsprechung scheint allerdings eher dem Drittschutz im Drittinteresse zu gelten. Dies bestätigt die Entwicklung der Drittschutzvoraussetzungen, die eine Auflockerung des Gläubigerinteresses am Schutz des Dritten und eine Verlagerung des Argumentationsschwerpunkts auf andere Sachverhaltselemente, vor allem auf die Leistungsnähe des Dritten, zum Ausdruck bringen.5 Diese Tendenz macht jedoch die Vereinbarkeit der richterlichen Vorgehensweise mit dem zugrunde gelegten, an die eigentlichen Parteiinteressen notwendigerweise anknüpfenden rechtsgeschäftlichen Modell sehr fraglich.6 Insgesamt lassen sich der Rechtsprechung eigentlich keine strengen Drittschutzvoraussetzungen entnehmen, bei deren Vorliegen die Annahme eines SSD sicher und bei deren Nichtvorliegen sie ausgeschlossen wäre. Diese Lage ist zumindest ansatzweise bereits auf das Wesen des rechtsgeschäftlichen Modells selbst zurückzuführen. Da in seinem Rahmen das erzielte Ergebnis allein mit dem entsprechenden Parteiwillen legitimiert wird, kommt es nicht auf strenge Voraussetzungen, sondern auf die Gesamtumstände des konkreten Falls an, ___________ 1 2 3 4 5 6

s. oben 2. Kapitel A. s. oben 2. Kapitel B. s. oben 2. Kapitel B. I. 1. s. oben 2. Kapitel C. s. oben 2. Kapitel B. II. 1. b). s. oben 3. Kapitel B. I.

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7. Kap.: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

sofern sie für die Auslegung des vorliegenden Vertrages erheblich sind. Leistungsnähe, Gläubigerinteresse für den Drittschutz, Erkennbarkeit und Schutzbedürftigkeit werden zwar weiterhin als Drittschutzvoraussetzungen erwähnt. Wegen ihres sehr abstrakten Inhalts bieten sie allerdings dem SSD keine festen Konturen. Dazu trägt vornehmlich die Tatsache bei, dass die Rechtsprechung nicht immer konsequent mit ihnen umgeht, sondern häufig eher vom Ergebnis her argumentiert.7 Dabei bleibt der Verdacht erhalten, dass die Berufung auf die Vertragsauslegung in Wahrheit einen bequemen Ausweg darstellt, um sich einer eingehenden Entscheidungsbegründung zu entziehen.8 Grundsätzlich als Folgen der Entscheidung der Rechtsprechung für das rechtsgeschäftliche Modell sind nicht nur die Unklarheit über die genauen Rechtsfolgen des SSD – Entstehung von Primär- oder Schadensersatzpflichten zu Gunsten des D9–, sondern auch die Annahme anzusehen, das SSD stehe zur Disposition der Vertragsparteien und etwaige, von G und S vereinbarte Haftungsfreizeichnungen griffen auf das Verhältnis zwischen S und D durch. Auch ein Mitverschulden des G bei der Drittschädigung behandelt die Rechtsprechung offenbar als eine Einwendung aus dem Vertrag zwischen G und S im Sinne von § 334 BGB; dies sei dem D folglich anspruchsmindernd zuzurechnen.10 Die Frage, ob das SSD mit dem rechtsgeschäftlichen Modell tatsächlich erklärt werden kann, darf nicht unbehandelt bleiben. Ein überzeugendes dogmatisches Begründungsmodell ist unabweislich, wenn man bereits entschiedene Fälle einer Evidenzprüfung unterziehen und neue Konstellationen auf der Grundlage des geltenden Rechts konsequent beurteilen will.11 Aus einer kritischen Betrachtung des rechtsgeschäftlichen Modells folgt, dass die Vertragsparteien (G und S) die Drittschutzwirkung ihrer Schuldbeziehung unter Beachtung der allgemeinen Regeln zwar jeder Zeit vereinbaren können.12 Die erforderlichen Parteivereinbarungen lassen sich jedoch in den durchaus meisten Fällen weder aufgrund erläuternder noch aufgrund ergänzender Vertragsauslegung begründen. Teilweise liegt dies an den unzureichenden Parteiinteressen, die für die Annahme einer konkludenten oder hypothetischen Drittschutzvereinbarung erforder___________ 7

s. oben 2. Kapitel B. II. insbesondere unter 3. s. auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 21 II 1 b: „Das Vertragskonzept entlastet den entscheidenden Richter: um die Legitimität seiner Entscheidung braucht er nicht besorgt zu sein. Für die Verträge mit Schutzwirkung für Dritte genügt die Feststellung, daß sie den Parteien im Rahmen der ihnen gewährten Vertragsfreiheit nicht anders zu Gebote stehen, wie andere Vereinbarungen auch“; in diese Richtung auch Wiegand, S. 110 sowie 116. 9 Primärpflicht- und Haftungsmodell entsprechend, s. oben 2. Kapitel B. III. 10 s. oben 2. Kapitel B. IV. 11 s. oben 3. Kapitel A. 12 s. oben 3. Kapitel B. II. 8

7. Kap.: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

441

lich sind.13 Teilweise ist aber dieses Ergebnis auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass nach Treu und Glauben (s. § 157 BGB) nur in Ausnahmefällen von S verlangt werden kann, das Verhalten des G allein wegen der objektiven Interessenlage14 als Äußerung seines Willens zu interpretieren, die Drittschutzwirkung zu Gunsten des D vertraglich zu vereinbaren (erläuternde Auslegung).15 Ebenso wenig stellt in der Regel das Fehlen einer Drittschutzvereinbarung eine Vertragslücke dar, die eine ergänzende Auslegung im Sinne eines VSD erlauben könnte, weil die (Dritt-)Haftungsproblematik prinzipiell nicht zum Regelungsplan der Vertragsschließenden gehört.16 Schließlich scheidet das rechtsgeschäftliche Modell bei gesetzlich begründeten Schuldverhältnissen wie etwa beim Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen vollkommen aus, da dabei gar keine auslegungsfähigen Willenserklärungen vorhanden sind.17 Die wohl h.M. im Schrifttum erklärt das SSD als eine richterliche Rechtsfortbildung. Allerdings kann die bloß abstrakte Berufung auf eine Rechtsfortbildung nur sehr eingeschränkt zur Rechtfertigung des Rechtsinstituts hilfreich sein.18 Denn weder die Autorität der Rechtsprechung19 noch allgemeine Maßstäbe wie Treu und Glauben nach § 242 BGB20 verleihen richterlich entwickelten Rechtsfiguren ohne weiteres rechtliche Verbindlichkeit. Diese kann nur mit dem Nachweis begründet werden, das geltende Recht selbst gebiete die fragliche Rechtsfolge (hier die Drittschutzwirkung).21 Begreift man nun als Rechtsfortbildung diejenige Rechtsfindung, die vom möglichen Gesetzeswortsinn nicht erfasst werden kann,22 so kommt es auf die Voraussetzungen an, bei deren Erfüllung man das entsprechende rechtliche Gebot annehmen darf, obwohl keine einschlägige ausdrückliche gesetzliche Regelung vorliegt. In der Literatur wird als Voraussetzung einer Rechtsfortbildung überwiegend das Vorliegen einer Gesetzlücke angesehen. Dieser Ausgangspunkt kann jedoch nicht aufrechterhalten werden: Von wenigen Fällen abgesehen, in denen das geltende Recht eine Anordnung trifft, ohne alle erforderlichen Elemente für deren Vollzug zu bestimmen – also bei echten Gesetzeslücken23 –, hält die Rechtsordnung für jede Rechtsfrage einen Rechtssatz bereit, der eine Rechtsent___________ 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

s. oben 3. Kapitel B. III. 3. a). s. oben 3. Kapitel B. III. 1. s. oben 3. Kapitel B. III. 3. b) aa). s. oben 3. Kapitel B. III. 3. b) bb). s. oben 3. Kapitel B. II. s. oben 3. Kapitel C. III. vor 1. s. oben 3. Kapitel C. I. s. oben 3. Kapitel C. III. 1. vor aa). s. oben 3. Kapitel C. I. sowie II. 3. s. oben 3. Kapitel C. II. 1. s. 3. Kapitel Fn. 206.

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7. Kap.: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

scheidung ermöglicht. Jede Rechtsfortbildung muss somit einen bestehenden Rechtssatz zumindest teilweise ersetzen.24 Als Rechtsfortbildungsvoraussetzungen kann man die Notwendigkeit und die Möglichkeit zur Einführung der in Frage stehenden neuen Regel nennen. Rechtsfortbildungsnotwendigkeit und -möglichkeit entsprechen zwar im Grunde der Lückenfestellung und -ausfüllung nach herkömmlicher Auffassung, das befürwortete Konzept ist aber konsequenter als die h.M. und ihr deshalb überlegen.25 Beide Bedingungen (Notwendigkeit und Möglichkeit der Regeleinführung) beziehen sich auf den Rechtsanwender und sind deshalb nur aufgrund rechtlicher Überlegungen nachzuweisen. Notwendig ist eine konkrete Rechtsfortbildung, wenn mit ihrer Hilfe ein Widerspruch in der Rechtsordnung aufgehoben werden soll, und möglich, wenn sie sich zwingend aus dem geltenden Recht selbst ergibt, ohne auf die subjektiven, rechtspolitischen Vorstellungen des Rechtsanwenders zurückgreifen zu müssen. Zur Begründung bzw. zur Überprüfung sowohl der Notwendigkeit als auch der Möglichkeit einer Rechtsfortbildung kann insbesondere die dogmatische Strukturierung des Ergebnisses beitragen. Demgegenüber können allgemeine Rechtsprinzipien nur schwer konkrete zwingende Resultate erzielen.26 Angesichts dessen ist die abstrakte Berufung auf allgemeine Rechtsprinzipien, wie Treu und Glauben, Vertrauensschutz, verfassungsrechtlicher Ehe- und Familienschutz (s. Art. 6 I GG), Sozialstaatsprinzip und Gerechtigkeit, sowohl im Einzelnen als auch kumulativ für eine plausible umfassende Erklärung des SSD kaum hilfreich. Das größte Hindernis liegt darin, die Existenz einer Schuldbeziehung als entscheidendes Kriterium für die Anwendung von Vertragshaftungsrecht zwischen den Schuldverhältnisparteien durch andere, gleichwertige Merkmale zu ersetzen. Denn hierbei handelt es sich um einen der Grundsteine des ganzen Haftungsrechts, über den man sich nicht einfach hinwegsetzen darf.27 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt man ferner, wenn man die Möglichkeit untersucht, § 242 BGB unmittelbar oder im Rahmen einer Rechtsfortbildung für die Problematik des SSD nutzbar zu machen. Denn die pflichtbegründende Anwendung des Maßstabs von Treu und Glauben setzt den Nachweis einer Sonderverbindung voraus. Diese liegt jedoch im Verhältnis zwischen D und S nicht ohne weiteres vor und kann mit Hilfe des § 242 BGB selbst nicht begründet werden.28 Demgegenüber ist zwar das Verhältnis zwischen G und S zweifellos eine rechtliche Sonderverbindung (Schuldverhältnis), innerhalb deren die pflichtbegründende Anwendung von Treu und Glauben an sich zulässig ist. Die ___________ 24 25 26 27 28

s. dazu oben 3. Kapitel C. II. 2. s. oben 3. Kapitel C. II. 3. c). s. oben 3. Kapitel C. II. 3. a) und b). s. oben 3. Kapitel C. III. 2. bis 5. s. oben 3. Kapitel C. III. 1. a).

7. Kap.: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

443

Absicht, dadurch die Pflichtentstehung für das Verhältnis zwischen D und S zu begründen, stößt allerdings auf die Annahme, dass für die Inhaltsbestimmung eines Schuldverhältnisses grundsätzlich allein die Parteiinteressen maßgeblich sein dürfen. Hinreichende Parteiinteressen für die unmittelbare Drittberechtigung sind aber im Regelfall nicht ersichtlich. Obgleich § 242 BGB in wenigen Drittschutzfällen eine dogmatische Grundlage des SSD bieten könnte, kann er keineswegs eine umfassende dogmatische Erklärung der Drittschutzwirkungen liefern.29 Die Suche nach einem überzeugenden Erklärungsmodell der Drittschutzwirkungen muss von der Betrachtung des SSD als eine Durchbrechung des Relativitätsprinzips ausgehen, das die rechtliche Wirkung des Schuldverhältnisses auf die eigentlichen Parteien beschränkt und entsprechende Rechtswertungen verkörpert. Will man allerdings die Relativität der Schuldbeziehung zutreffenderweise nicht der Zweipoligkeit der Obligationen gleichsetzen, so ergibt sich, dass das SSD nur eine Durchbrechung der strengeren Zweipoligkeitsregel darstellt, sofern mit seiner Hilfe die Rechtswirkungen von Obligationen auf einen weiterhin begrenzten Personenkreis ausgedehnt werden sollen. Unter diesem Blickwinkel stellt das SSD keine Verneinung, sondern lediglich eine Auflockerung der dem Relativitätsprinzip immanenten Rechtswertungen dar.30 Die gesuchte Rechtsgrundlage des SSD kann nicht im neuerdings eingeführten § 311 III S. 1 BGB gefunden werden, obwohl diese Vorschrift Drittberechtigungen und insbesondere Drittschutzwirkungen grundsätzlich erfassen kann. Abgesehen davon, ob der Normwortlaut angesichts des Verweises auf die Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 II BGB alle Drittschutzformen decken kann, steht dieser Folgerung vor allem die Feststellung entgegen, dass § 311 III S. 1 BGB keine Anordnung, sondern höchstens die prinzipielle Billigung von Drittschutzwirkungen enthält. In Bezug auf die Frage, ob das geltende Recht für jeden konkreten Drittschutzfall die Annahme eines SSD gebietet, bleibt diese Vorschrift grundsätzlich neutral. Die Notwendigkeit einer einschlägigen Rechtsfortbildung besteht somit weiterhin.31 Um eine solche zu begründen, wird die Hypothese einer in materieller Hinsicht wesentlich gläubigergleichen Drittstellung aufgestellt, der gemäß dem Gleichbehandlungsgrundsatz eine gläubigergleiche Drittberechtigung entsprechen muss. Es kommt dabei darauf an, ob die materiellen Rechtsgründe, die abstrakt eine formelle Gläubigerstellung begründen, auch hinsichtlich der konkreten Drittstellung vorhanden sind und somit die Drittberechtigung verlan___________ 29 30 31

s. oben 3. Kapitel C. III. 1. b). s. oben 4. Kapitel A. s. oben 4. Kapitel B.

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7. Kap.: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

gen.32 Für die Lösung dieser Problematik muss der Primärpflichtinhalt von rein zweipoligen Schuldverhältnissen erforscht werden, um die maßgeblichen Rechtswertungen herauszuarbeiten, die auch in mehrpoliger Hinsicht von Bedeutung sein können.33 Vorerst kann man allerdings die Annahme zugrunde legen, dass das SSD eine grundsätzlich anerkannte Rechtsfigur darstellt.34 Bei der Untersuchung des Schuldverhältnisinhalts in zweipoliger Hinsicht ist von einigen mehr oder weniger allgemein anerkannten Standpunkten auszugehen. Dazu zählt zunächst der organismusähnliche Charakter des Schuldverhältnisses im Sinne einer finalen, der Wandlung unterzogenen Einheit verschiedenartiger Elemente.35 Auch in Bezug auf den Inhalt der verschiedenen schuldrechtlichen Pflichten herrscht weitgehend Einigkeit, obgleich sich allerdings keine einschlägige Pflichtensystematisierung vollkommen durchgesetzt hat. Zur Beschreibung des Pflichteninhalts von Schuldbeziehungen wird hier vorläufig anhand des Grads der Verbindung der verschiedenen Pflichten mit dem Schuldverhältniszweck zwischen Haupt- und Nebenpflichten unterschieden. Zur letztgenannten Kategorie gehören sowohl unselbständige als auch selbständige Nebenpflichten, darunter auch Schutzpflichten.36 Unter den schuldrechtlichen Pflichten bereiten insbesondere die Schutzpflichten große Schwierigkeiten, was damit zusammenhängt, dass sie mit dem Schuldverhältniszweck gar nicht verbunden sind und in Konkurrenz mit dem Deliktsrecht stehen. Dabei stellt zwar der Grundsatz von Treu und Glauben einen wichtigen Maßstab für die Ermittlung der einzelnen Schutzpflichten dar. Er kann jedoch kaum weiterhelfen, wenn es um die Ermittlung des Rechtsgrundes geht, der die Schutzpflichtentstehung insgesamt bedingt und für die Lösung relevanter Probleme entscheidend ist.37 Dafür bedarf es einer funktionellen Betrachtung des Inhalts von Schuldverhältnissen, die auch die den verschiedenen Pflichtarten immanenten Rechtsgedanken wiedergibt.38 Grundlegend ist die Unterscheidung zwischen Zentral- und Rahmenpflichten. Als Zentralpflichten sind diejenigen schuldrechtlichen Pflichten (Haupt- und Nebenpflichten) zu bezeichnen, die den besonderen Zweck verkörpern, den zwangsläufig jedes vertraglich oder gesetzlich begründete Schuldverhältnis verfolgt. Die Rahmenpflichten, unter denen die Schutzpflichten eine besondere Stellung einnehmen,39 bilden demgegenüber nur den allgemeinen, objektiv___________ 32 33 34 35 36 37 38 39

s. oben 4. Kapitel C. II. s. oben 4. Kapitel C. III. s. oben 4. Kapitel C. IV. s. oben 5. Kapitel B. I. s. oben 5. Kapitel B. II. s. oben 5. Kapitel C. I. und II. s. oben 5. Kapitel C. III. s. oben 5. Kapitel D. III. 1.

7. Kap.: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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rechtlich begründeten40 Hintergrund, auf dem der besondere Schuldverhältniszweck verbindlich festgelegt und verfolgt wird.41 Dementsprechend sind auch die Pflichten im Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen Rahmenpflichten, da sie sich insgesamt auf ein künftiges Zentralpflichtverhältnis beziehen, nämlich auf das bevorstehende Vertragsverhältnis.42 Bereits aus dieser Unterscheidung ergibt sich die angebrachte materielle Rechtfertigung beider Pflichtengruppen. Die Zentralpflichten lassen sich durch ihre direkte Verbindung mit dem besonderen Schuldverhältniszweck erklären.43 Die Rahmenpflichten sollen hingegen die Festlegung und Verfolgung besonderer Schuldverhältniszwecke durch die Schaffung aufwandsgünstiger und vertrauensfördernder Bedingungen der Zusammenarbeit für die beteiligten Parteien fördern.44 Damit wird auch die erforderliche normative Verbindung der Rahmenpflichten mit einem Schuldverhältnis hergestellt, da die entsprechende Sonderverhaltensordnung sich nicht allein mit den faktischen Umständen innerhalb von Schuldbeziehungen erklären lässt. Allerdings handelt es sich um eine institutionelle Verbindung: Rahmenpflichten entstehen allein aufgrund abstrakter Rechtfertigungsgründe im Hinblick auf etwaige, zumindest abstrakt mögliche Schuldverhältniszwecke.45 Auch im Stadium der Vertragsverhandlungen und bei nichtigem Vertragsschluss sind also Rahmenpflichten vorhanden, obwohl (noch) kein Zentralpflichtverhältnis zwischen Schutzpflichtgläubiger und -schuldner vorliegt.46 Trotzdem handelt es sich um eine konkrete Verbindung in dem Sinne, dass Rahmenpflichten nur in konkreten Zusammenarbeitskonstellationen entstehen, die ihrerseits konkret im Hinblick auf besondere Schuldverhältniszwecke zustande kommen.47 Diese allgemein für alle Rahmenpflichten geltenden Ausgangspunkte können bzw. müssen in Bezug auf besondere Pflichtengruppen wie die Schutzpflichten weiter konkretisiert werden.48 Die besondere materielle Rechtfertigung der Schutzpflichten als umfassende Nichtschädigungsgebote49 ist mit ihrer Funktion verbunden, die gegenseitigen Einwirkungsmöglichkeiten auf Positionen des jeweils anderen Teils zu kompensieren, die für die effiziente Zusammenarbeit zur Festlegung und Verfolgung besonderer Schuldverhältniszwecke eröffnet werden müssen. Wie § 311 II Nr. 2 ___________ 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49

s. oben 5. Kapitel D. III. 2. s. oben 5. Kapitel D. I. 1. s. oben 5. Kapitel D. II. s. oben 5. Kapitel D. I. 2. s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) aa). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) bb) bis ee). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) ee). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) ff). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. b) aa). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) vor aa).

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7. Kap.: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

BGB bestätigt, soll die Anerkennung der Schutzpflichten die für den Erfolg des geschäftlichen Zusammenwirkens erforderlichen Rechtskreisöffnungen und somit das aufwandsgünstige bzw. vertrauensvolle Miteinander der Beteiligten fördern.50 Dementsprechend ist auch die Frage nach dem Umfang bzw. dem Intensitätsgrad sowie nach den Entstehungsvoraussetzungen der Schutzpflichten zu beantworten: Schutzpflichten entstehen, wenn und soweit der Schutzpflichtgläubiger dem Schutzpflichtschuldner willentlich Einwirkungsmöglichkeiten auf seine Rechtsgüter bzw. sein Vermögen eröffnet und der Schutzpflichtschuldner diese Rechtskreisöffnung ebenfalls willentlich annimmt. Sowohl der Wille zur Rechtskreisöffnung seitens des Schutzpflichtgläubigers als auch der Wille zu deren Annahme seitens des Schutzpflichtschuldners müssen sich auf einen etwaigen, zumindest abstrakt möglichen Schuldverhältniszweck beziehen. Über solche Willensmomente hinaus entstehen Schutzpflichten, wenn die Rechtskreisöffnung des Schutzpflichtgläubigers von den Bestimmungen seines Schuldverhältnisses zum Schutzpflichtschuldner vorgesehen wird.51 Der Wille der Beteiligten soll nicht die Entstehung der Schutzpflichten an sich, sondern allein die zu leistende Zusammenarbeit und somit die gegenseitigen Rechtskreisöffnungen erfassen. Es handelt sich also nicht um einen rechtsgeschäftlichen, sondern vielmehr um einen natürlichen Willen. Für die Ermittlung dieses Willens sind allerdings nur objektivierte Maßstäbe entscheidend, wobei man keine besonders hohen Sorgfaltsanforderungen aufstellen darf. Eine Ausnahme ist vor allem in Bezug auf den Willen des Schutzpflichtschuldners zuzulassen: Der objektive Willensanschein muss ihm auch subjektiv zugerechnet werden können. Bei Beteiligung von nicht (voll) geschäftsfähigen Personen muss man dieses Schema insoweit modifizieren, als dies zur Beachtung der in der Geschäftsfähigkeitsregelung verkörperten Rechtswertungen erforderlich ist: Grundsätzlich darf man keine Schutzpflichten zulasten der betroffenen Personen auf der Grundlage ihres eigenen Willens annehmen.52 Im Prinzip wendet man die gleichen Regeln auch in Konstellationen an, in denen der maßgebliche Wille der Schuldverhältnisparteien durch Dritte gebildet wird bzw. zu Tage kommt. Denn auch in solchen Fällen kommt es schließlich darauf an, ob die Dritteinmischung dem objektiven Anschein nach für die betroffene Schuldverhältnispartei erfolgt und von ihrem Willen gedeckt wird (Außenverhältnis), sowie, bei Betroffenheit des Schutzpflichtschuldners, ob ausreichende subjektive Zurechnungsgründe vorhanden sind (Innenverhältnis). Die Gründe für die Fremdwirkung der Dritteinmischung können schließlich im

___________ 50 51 52

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) aa). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) bb) (3). s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) cc).

7. Kap.: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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Verhalten der betroffenen Partei selbst oder in einer gesetzlichen Anordnung – vor allem in der Bestimmung eines gesetzlichen Vertreters – liegen.53 Die Unterscheidung zwischen Zentral- und Rahmenpflichten stellt keine absolute Trennung dar; beide Pflichtenkategorien überschneiden sich vielmehr in mehrfacher Hinsicht. Im Überschneidungsbereich ist das Schuldnerverhalten sowohl von den Zentral- als auch von den Rahmenpflichten geboten, man sollte jedoch nur eine eigenständige Verpflichtung annehmen. Ihre Eigenschaften (Gegenstand, Haftungsmodalitäten) ergeben sich aus der geeigneten (kumulativen oder selektiven, jedenfalls aber) kombinierten Anwendung beider Pflichtbegründungsschemata (Zentral- und Rahmenpflichten), die als solche ihre Eigenständigkeit beibehalten.54 Wegen der gleichzeitigen Existenz von Zentral- und Rahmenpflichten in einer Schuldbeziehung ist ihre Abgrenzung voneinander häufig ohne praktische Bedeutung. Sie ist jedoch zumindest in Fällen erforderlich, in denen nur Rahmenpflichten existieren, wie etwa bei den Vertragsverhandlungen.55 Konzentriert man sich auf die Schutzpflichten, so kann man für die gesuchte Abgrenzung auf den Schutzpflichtgegenstand abstellen: Von Schutzpflichten werden allein Gläubigerpositionen (darunter auch Vermögenszuwachsaussichten) umfassend geschützt, die auch unabhängig von der konkreten Schuldbeziehung Bestand haben. Sonstige Positionen können grundsätzlich nur von Zentralpflichten erfasst werden. Demnach kann die Erwartung auf Zentralpflichterfüllung nur ausnahmsweise den Gegenstand einer Schutzpflicht darstellen.56 Darüber hinaus kann nur eine vorsichtige Bestimmung des jeweils geschuldeten Verhaltens weiterhelfen. Dabei muss man nicht nur den Grundsatz beachten, dass der Schuldner unter den Anforderungen, die für die maßgebliche Zweckerreichung in Betracht kommen, mit den niedrigsten belastet werden darf. Relevant sind auch andere Rechtswertungen, gemäß denen bestimmte Schuldnerhandlungen nur den Gegenstand von Zentralpflichten ausmachen können. Schließlich können auch bei gleichgerichteten Zentral- und Schutzpflichten die genauen Sorgfaltsanforderungen unterschiedlich sein, die der Schuldner jeweils beachten muss.57 Versucht man nun, die Drittschutzproblematik rechtsfortbildend zu lösen, so kommen für die objektivrechtliche Begründung von Drittschutzwirkungen grundsätzlich zwei Modelle in Betracht: Das Rahmen- bzw. Schutzpflichtmodell einerseits und das Haftungsmodell andererseits. Bei der ersten Drittschutzvari___________ 53 54 55 56 57

s. oben 5. Kapitel D. III. 3. c) dd). s. oben 5. Kapitel D. IV. 1. s. oben 5. Kapitel D. IV. 2. vor a). s. oben 5. Kapitel D. IV. 2. a). s. oben 5. Kapitel D. IV. 2. b).

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7. Kap.: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

ante geht es darum, ob und unter welchen Bedingungen primäre Rahmen- bzw. Schutzpflichten des S unmittelbar gegenüber D anerkannt werden müssen. Kommt S seinen Pflichten gegenüber D nicht nach, so ist die Schadensersatzberechtigung des D anhand der allgemeinen Regeln (s. vor allem § 280 I BGB) zu beurteilen. Beim Haftungsmodell sind hingegen primäre Pflichten nur im Schuldverhältnis zwischen G und S vorhanden. Dabei geht es darum, ob und wann D trotz fehlender Stellung als Primärpflichtgläubiger einen Schadensersatzanspruch gegen S für eine Pflichtverletzung erlangen soll, die S allein gegenüber seinem unmittelbaren Schuldverhältnispartner G begeht.58 In dieser Arbeit wird jedoch kein Versuch unternommen, ein Haftungsmodell zu entwickeln. Drittgerichtete Rahmenpflichten (Rahmenpflichtmodell) sollen der institutionellen Optimierung der gesamten Schuldverhältnisordnung dienen, indem sie insgesamt aufwandsgünstige und vertrauensfördernde Bedingungen der Zusammenarbeit schaffen: Sie sollen die Bereitschaft des D erhöhen, im Hinblick auf die Entstehung und vollständige Abwicklung der (etwaigen, zumindest abstrakt möglichen) Schuldbeziehung zwischen G und S mitzuwirken.59 Allerdings interessieren hier vor allem die Schutzpflichten des S gegenüber D (Schutzpflichtmodell): Solche entstehen, wenn und sofern D bei seiner Mitwirkung im Hinblick auf die Schuldbeziehung von G und S seinen Rechtskreis gegenüber S willentlich öffnet und S diese Rechtskreisöffnung als solche annimmt. Des willentlichen Moments bedarf es nur dann nicht, wenn die Rechtskreisöffnung des D gegenüber S von den Bestimmungen des Schuldverhältnisses zwischen G und S vorgesehen wird. Dabei ist kein rechtsgeschäftlicher, sondern der reale Wille der Beteiligten erforderlich, der im Hinblick auf den institutionellen Charakter der Schutzpflichten weitgehend objektiv, d.h. unter der objektivierten Sichtweise des jeweiligen Willensempfängers, zu ermitteln ist.60 Zu den einschlägigen objektiven Interpretationsfaktoren zählt auch die vorliegende Rechtslage.61 Das Grundproblem bei der Ermittlung der maßgeblichen Willenstatbestände betrifft die Frage, ob das Faktum der bestehenden Einwirkungsmöglichkeiten des S auf die Positionen des D eine eigenständige, auf das fremde Schuldverhältnis gerichtete, von einer positiven Entscheidung des D getragene Rechtskreisöffnung gegenüber S selbst darstellt oder allein im Rahmen der Rechtskreisöffnung verstanden werden muss, die D bereits im Rahmen und in Anbetracht seines (Rechts-)Verhältnisses mit G diesem gegenüber vornimmt.62 Eine Rechtskreisöffnung des D liegt bei bloß räumlicher Nähe des S zu den Positio___________ 58 59 60 61 62

s. oben 6. Kapitel A. s. oben 6. Kapitel B. I. s. oben 6. Kapitel B. II. 1. s. oben 6. Kapitel B. II. 2. a). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. b).

7. Kap.: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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nen des D nicht vor. Zu den Umständen, die auf den entsprechenden Willen des D hindeuten können, zählen etwa die Unmittelbarkeit und Intensität des Kontakts zwischen S und D sowie vor allem die faktische Gefahrenherkunft aus der Sphäre des S bzw. die faktische Gefahrbeherrschbarkeit seitens des S. Dagegen spricht vor allem die Tatsache, dass S als Erfüllungsgehilfe des G bei der Erbringung der dem D geschuldeten Leistung in Kontakt mit den fremden Positionen kommt. Allerdings können allein die konkreten Gegebenheiten endgültig entscheiden, ob und wem gegenüber D seinen Rechtskreis öffnet. Es ist demnach durchaus möglich, abstrakt aufgestellte Vermutungen konkret widerlegen zu müssen.63 Die konkreten Gesamtumstände sollen auch besagen, ob sich die Rechtskreisöffnung des D auf die Schuldbeziehung zwischen G und S bezieht, weil sie offenbar im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen D und S vorgenommen wird, die wiederum mit der Entstehung bzw. vollständigen Abwicklung des Schuldverhältnisses von G und S zusammenhängt. Einer besonderen Form der Zusammenarbeit bedarf es hier nicht. Sogar die bloße Anwesenheit des D im Gefahrenbereich des S kann zuweilen als förderungswürdige Mitwirkung an der fremden Schuldbeziehung bewertet werden.64 Die Grundfrage des SSD beim Schutzpflichtmodell ist natürlich auch hier relevant: Grundsätzlich geht es darum, ob die Mitwirkung des D eine Eigenständigkeit gegenüber der eigenen Tätigkeit des G aufweist oder von ihr vollkommen aufgenommen wird; dann entstehen keine drittgerichteten Schutzpflichten. Die letzte Variante kommt etwa dann vor, wenn S gegenüber D als Erfüllungsgehilfe des G handelt.65 Besondere Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob eine Rechtskreisöffnung des D als Nutzer der Leistung des S aufgrund des Schutzpflichtmodells geschützt werden soll, obwohl die Gefahren, denen sich D dabei aussetzt, nicht mehr als Teil des Vorgangs verstanden werden können, der mit der Entstehung und vollständigen Abwicklung der fremden Schuldbeziehung zusammenhängt. Für die Lösung dieser Problematik kommt es auf die Funktion an, die das Schutzpflichtmodell erfüllen soll. Verhältnismäßig einfach kann man die funktionelle Relevanz des SSD in den Fällen bejahen, in denen D am fremden Schuldverhältnis beim Leistungsempfang an sich mitwirkt. In Konstellationen hingegen, in denen D nur als Leistungsnutzer in Kontakt mit der Leistung des S gerät, kommt es auf eine gläubigergleich dominierende Stellung des D in der fremden Schuldbeziehung an. Denn dann wäre das fremde Schuldverhältnis ohne die (künftige) Bereitschaft des D zur Leistungsnutzung eigentlich sinnlos.

___________ 63 64 65

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. c). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. d) aa). s. oben 6. Kapitel B. II. 2. d) bb) und cc).

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7. Kap.: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Bei der einschlägigen Beurteilung ist allerdings allgemein Zurückhaltung geboten.66 Obwohl die Drittschutzvoraussetzungen der Rechtsprechung nicht aufrechterhalten werden können,67 sind die jeweils erzielten Ergebnisse weitgehend vergleichbar.68 Jedenfalls ist aber der Rechtsprechung bei der Annahme eindeutig zu widersprechen, dass sich D nicht nur Einwendungen des S aus dessen Verhältnis zu G, sondern auch ein Mitverschulden des G im Sinne von § 254 BGB ohne weiteres entgegenhalten lassen muss. Vielmehr wird hier die grundsätzliche, auf den originären Charakter des Drittschutzes beim Schutzpflichtmodell zurückzuführende Unabhängigkeit der Rechtsstellung des D vom Verhältnis zwischen G und S befürwortet. Insofern ist ein Mitverschulden des G nur dann relevant, wenn die Voraussetzungen von § 254 II S. 2 i.V.m. § 278 BGB erfüllt werden, wodurch sich auch praktisch befriedigende Ergebnisse erzielen lassen. In Bezug auf die Möglichkeit des S, gegenüber D sich auf den Inhalt seines Schuldverhältnisses zu G zu berufen, können nur objektivrechtliche Regelungen wie etwa § 599 BGB von Bedeutung sein.69 Das SSD (Schutzpflichtmodell) kommt oft in den gleichen Fällen in Betracht wie andere Rechtsinstitute (s. etwa § 311 III S. 2 BGB). Für die Konkurrenzfrage kommt es auf die Funktionen an, die jeweils erfüllt werden sollen: Da sich eine funktionelle Gleichgerichtetheit nicht feststellen lässt, ist das SSD unabhängig von anderen Rechtsfiguren anwendbar. Insgesamt kann man das SSD nicht als Allheilmittel für alle einschlägigen Probleme betrachten; ob man mit seiner Hilfe zu befriedigenden Ergebnissen kommen kann, hängt von den konkreten Sachverhaltsmerkmalen ab.70

___________ 66 67 68 69 70

s. oben 6. Kapitel B. II. 2. e). s. oben 6. Kapitel B. II. 3. s. oben 6. Kapitel B. II. 4. s. oben 6. Kapitel B. III. s. oben 6. Kapitel D.

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Sachregister Angestellte 26, 29, 35, 40, 45, 47, 79, 273, 278 f, 366 f, 404, 407 Anwaltsvertrag 19, 54, 59, 60 f, 88, 92, 296 f, 321, 350 f, 388, 414 f Arbeitnehmerüberlassung 348, 378 Arbeitsverhältnis 35, 39, 42 f, 45, 60, 80, 96 f, 107, 121, 124, 126, 132, 169, 189, 332, 343 f, 346, 348, 353, 359, 364, 366 f, 369, 371 f, 378, 391, 397, 405, 407 f, 411 ärztliche Behandlung 30, 35, 40 ff, 51, 82, 88, 92, 112, 142, 280 f, 301, 403, 406 ff Auskunftserteilung 27, 44, 48 f, 52 f, 69, 80, 108, 125, 129, 198, 234, 285, 291, 294, 299, 380, 412 ff, 419 Beförderungsvertrag 23, 35, 37, 39, 41, 43, 46, 112, 357, 365 f, 368, 407, 410 f Beratungsvertrag 53 f, 85, 88, 207, 219, 291, 294, 320, 346, 371, 414 Betriebsarzt 42, 408 Capuzolfall 23, 44, 62 Darlehensvertrag 48, 321 Deliktsrecht 25 f, 78, 112, 124, 161 ff, 167, 172, 176, 191, 201 f, 206 ff, 214 f, 224, 226 ff, 232, 236, 243, 249, 251, 270, 288, 303 f, 355, 424, 435, 444

Dienstleistungszeugnis 126, 391 Dienstverhälnis 32, 34, 42 f, 55, 61, 81, 100, 107 f, 115, 121, 140, 142, 353, 404 ff, 411 Dogma vom Gläubigerinteresse 131, 175, 176 Dritteinmischung 446

272 ff, 281 f, 341,

Drittschadensliquidation 17, 24 f, 37, 39 f, 46, 58 f, 411 Drittschutz im Drittinteresse 108, 188, 439 Drittschutz im Gläubigerinteresse 107, 114, 163 Ehegatten 29 ff, 41, 54, 60, 80, 110, 123, 328, 405, 410 Eheschutz 132, 158, 442 Einwendungen 18, 62, 103, 105, 420, 423, 427 f, 434, 440, 450 Einwirkungsmöglichkeiten 228, 248 ff, 270, 273, 276, 277, 289, 292, 299, 304, 306, 318, 328 ff, 361 ff, 373 f, 379, 382, 405 f, 408, 410, 415 ff, 430, 448

229, 284, 319, 384, 445,

Erfüllungsgehilfe 18, 38, 42 f, 46, 57, 106, 340, 342 ff, 352, 354, 363 f, 369 ff, 376, 378, 384 ff, 397, 401, 407 f, 410 ff, 417, 431 f, 434, 449

483

Sachregister Erkennbarkeit 34, 48, 50, 68, 81, 92 ff, 97, 122, 201, 261, 263 f, 269 f, 272 ff, 278, 282, 296 f, 316 f, 322, 327 f, 331, 335 f, 340, 352, 357, 371, 389, 398, 404, 415, 434, 440 Familienangehörige 29, 35, 40 f, 47, 54, 79 f, 83, 89, 116, 123 f, 132, 144, 158, 164, 280, 330, 332, 351, 361, 379, 385, 405 ff Familienschutz 132, 158, 442 Fürsorgeverhältnis 45, 47, 59, 68, 78 ff, 82, 84 f, 87, 89 ff, 93, 96, 98, 100, 107, 114, 123, 124, 131, 367

GmbH 29, 37, 53, 55, 60, 79 Gutachten 26 f, 48, 50 ff, 85 f, 88, 91, 94, 96, 106, 111, 115, 123, 126 ff, 146, 167, 169, 180, 222, 251, 262, 390 ff, 395, 400, 414, 426, 436 Haftungsausschluss Siehe Haftungsfreizeichnung Haftungsfreizeichnung 423 ff, 434, 440

104 ff, 140,

Haftungsmodell 20, 100 ff, 117, 120 f, 176, 179 f, 204, 297, 312, 403, 420, 440, 447 Hauptpflichten 42, 98, 197 ff, 204, 206 ff, 212 f, 215 f, 218 f, 241, 292, 380

Gerechtigkeit 64, 70 f, 111, 114, 133, 139, 152, 155, 158, 164 f, 170, 442

Hausverwaltungsvertrag 403

Geschäftsbesorgung 56, 59, 198, 257, 332, 357, 412

Herstellerhaftung Siehe Produzentenhaftung

Geschäfts(un)fähigkeit 242, 267 ff, 280 f, 307, 313, 325, 356, 357, 358, 446 Geschäftsführer 37, 55, 79, 84 Geschäftsführung 55, 84, 88 f, 96, 415 Gesellschafter 53 ff, 60, 79, 85, 416 Gesetzeslücke 143, 147, 149 ff, 157, 182, 185, 441 gesetzliches Modell 101, 145

62, 66, 68, 70,

gesetzliches Schuldverhältnis 18 f, 66, 70, 78, 117, 174, 195, 213, 217, 230 f, 242, 288, 291 f, 304, 332, 441, 444 Gewohnheitsrecht 68, 112, 145 f, 171, 184, 226, 397 Gläubigerinteresse 83 ff, 88 ff, 97 f, 107 f, 114 ff, 120, 122 ff, 142 ff, 163 f, 175 f, 293, 398 f, 414, 439 f Gleichheitsgebot 111, 153, 165 f, 170, 186

33 ff, 345,

Institutionelle Sichtweise 237 ff, 245, 247, 259, 261, 265, 268, 270, 304 f, 307, 314, 316 ff, 324, 333 ff, 355 f, 358, 380 f, 385 ff, 389, 393 f, 399 f, 422, 428 f, 436, 445, 448 Interessengegenläufigkeit 50, 52 f, 85, 108, 123, 126, 130, 144, 400, 424, 426 Interessenvertreter 53, 341 f, 344, 352, 365, 367 f, 388, 391 ff, 406, 410 f, 417, 432 f Kapitalerhöhung 60 Kaufvertrag 19, 24, 39, 44 ff, 49 f, 67 f, 96, 100, 126, 194, 197, 199, 200 f, 204, 213, 215, 229, 248 f, 256, 259, 262, 264, 271 f, 284, 290, 295, 344, 347, 350, 354, 357 ff, 365, 373, 380, 382, 384 f, 389 f, 392 f, 410 f, 412 ff, 416

484

Sachregister

Kommanditgesellschaft 18, 55, 415 Körperschäden 25 ff, 33, 36, 38, 40 ff, 44, 47, 49, 67, 69, 98, 121, 132, 189, 218, 222, 229, 247 f, 252, 295, 301, 319, 332, 341, 346, 374, 405

nichtiger Vertrag 68, 117, 144, 202, 207, 219, 238, 239 ff, 284, 288, 291 ff, 295 f, 300, 302, 305, 308, 316, 356, 358, 422, 445 Pachtvertrag 28, 33

Lastschriftverkehr 57 f, 416, 418

Personenschäden Siehe Körperschäden

Leihverhältnis 28, 31 f, 348, 378, 425

Primärpflichtmodell 20, 101 ff, 117, 120, 179 f, 204, 312

Leistungsnähe 30, 41, 77 ff, 86 ff, 97 f, 100, 107 f, 114, 119, 131, 398, 434, 439, 440 Leistungsnutzung 363, 373, 377, 379 ff, 386 ff, 399, 403, 407, 413 ff, 419, 432 f, 449

Privatautonomie 66, 69, 72, 103, 113, 120, 124, 133, 135 ff, 139, 141, 143, 174 f Probefahrt 359 ff Produzentenhaftung 393, 413

24, 26 f, 44 f,

Mietvertrag 19, 26, 28 ff, 35 f, 38, 42, 45, 60, 68, 79 ff, 93, 95, 98 f, 110, 116, 123, 140, 189, 194, 207, 218, 235 f, 252, 254 f, 259, 284, 287, 341, 344 f, 352, 363, 378 f, 401, 403 ff, 409 f, 413, 420, 422

Publikums-KG 55, 416

Minderjährige 25, 33, 41, 46, 99, 123, 254, 270 ff, 280, 307, 329, 357, 360 f, 378, 424

Rahmenpflichtmodell 313, 314 f, 317, 428, 448

Rahmenpflichten 212 ff, 221 ff, 250, 253, 255 f, 283 ff, 313 ff, 322 ff, 358, 380, 399, 422 f, 428, 444 f, 447 f

Miteigentümer 38, 54, 410

Rahmenschuldverhältnis 236 f, 303 f

Mitfahrt 47, 361, 363

Realakt 258, 260, 268, 275 f, 279, 307

Mitmieter 32, 42, 81, 116, 341, 403

Rechtsfortbildung 64, 67 f, 70, 112, 137, 145 ff, 157 ff, 164 ff, 181 ff, 190, 192, 216 f, 225 f, 236, 311, 314 f, 397, 425, 435, 441 ff, 447

Mitverschulden 18, 104 ff, 188, 423, 425 ff, 434, 440, 450 Nachbargrundstück 36, 38, 337, 339, 406 Nebenpflichten 28, 31 f, 35, 39, 42, 45, 197, 198 ff, 203 ff, 210, 212 f, 215 f, 219 f, 241, 286, 290, 292 f, 388 f, 391, 444

– selbständige

200 ff, 210, 212,

444

– unselbständige 199 f, 206 – zentrale 216, 241, 292

221, 230,

rechtsgeschäftliches Modell 62, 65 ff, 70 f, 73 f, 76 f, 80, 82, 84, 88, 92, 97, 98, 100 f, 103 ff, 112, 114, 116 f, 119, 122, 132, 143 ff, 170, 399, 439 f Rechtskreisöffnung 249 ff, 271 ff, 275 ff, 281 f, 298, 319 f, 322, 324 ff, 330 ff, 381 ff, 391, 395 f, 398 f, 407 ff, 428 ff, 446, 448 f

265 ff, 306 f, 370 ff, 401 ff,

Rechtslücke Siehe Gesetzeslücke

485

Sachregister Reisevertrag 37, 407 Relativitätsprinzip 20, 62, 100 f, 113, 115 f, 121, 124, 131, 141, 151, 157, 160, 164 f, 172 ff, 179, 182, 184 ff, 191 f, 316, 422 f, 443

224, 226 f, 232 f, 236, 240, 247, 249 ff, 255, 268, 303, 318, 442 Sozialstaatsprinzip 442

158 f, 168, 170,

Spediteur Siehe Beförderungsvertrag

Sachverständiger 49 ff, 85, 91, 95, 106, 115, 127 f, 390, 393, 395, 436

Stellvertretung 18, 29, 37, 41, 57, 106, 269 f, 274 ff, 279 ff, 307 f, 315, 319 ff, 323, 328, 330, 332, 349 ff, 353, 356 f, 359 f, 362, 368 f, 386, 389 f, 422, 424, 426, 447

Scheckverkehr 57 f, 416

– gesetzliche 18, 36, 106, 269 f, 280,

Sachschäden 25 ff, 35 ff, 42, 44, 46, 77, 94, 403, 405, 435

schuldverhältnisbezogene Zusammenarbeit 235, 238, 240, 253, 255 ff, 259 f, 271, 279 f, 306, 317 f, 374, 381, 387, 394 Schuldverhältniszweck 199, 201, 206, 208, 213 ff, 218, 222, 227, 231 ff, 242 ff, 247 f, 250 f, 255 ff, 259, 261 ff, 265, 268, 270, 272, 275 f, 282 ff, 291 ff, 298 f, 302, 304 ff, 308 f, 315 ff, 444 ff Schutzbedürftigkeit 29, 33, 35, 38, 40, 42, 46, 51, 55, 75, 92, 94 ff, 107 ff, 115, 142, 169, 321, 342, 344, 395, 398, 400 ff, 408, 434, 440 Schutzpflichten 29, 39, 42, 63, 80, 82, 92, 100, 102 f, 124, 187 ff, 191, 193, 201 ff, 215 f, 221 ff, 241 f, 245 ff, 287 ff, 367 f, 370, 372, 374, 377 ff, 431 ff, 444 ff

– Fremdgefahrabwehrpflichten 246 f, 288, 290

– Nichtschädigungspflichten

120,

281, 307 f, 330, 360, 426, 447

– mittelbare 389 Steuerberater 54, 85, 207 Straßenverkehr 228 f, 304 Testamentsfälle 27, 61, 88 ff, 92, 103, 296 f, 321, 388, 415

Treu und Glauben 64, 68, 70 ff, 81, 85, 90, 94, 104, 106, 116, 118, 121 ff, 125 ff, 130 ff, 136, 139, 141 ff, 158, 159 ff, 170 f, 173 f, 198, 205 ff, 209 f, 217, 224, 227, 230, 233, 260, 267, 283, 285, 298, 441 f, 444

Überweisung 416 ff

56, 58 f, 91, 96, 207,

uneheliche Lebensgemeinschaft 82 f, 123, 405

29,

Untermieter 29, 33, 79, 95, 99, 344, 379, 401, 404

167 f, 203, 246 f, 284, 288 Schutzpflichtmodell 312 ff, 318 f, 321 f, 324 ff, 329, 331, 337, 341, 344, 346, 348, 355, 359, 362, 373, 375, 379, 385, 388, 394, 396 f, 400 ff, 413 f, 416, 420 f, 424, 427 ff, 432, 434 ff, 447 ff Sonderverbindung 18, 96, 161 f, 173, 176, 190 f, 194, 207 f, 213 f, 222,

Verjährung 18, 26, 45, 104, 158, 286, 425 Vermögensschäden 25 ff, 31, 33, 35, 37 ff, 41, 46, 48, 52, 55, 58, 77, 92, 208, 224, 299, 320, 352, 413, 419, 420 Versendungskauf 411

486

Sachregister

Vertragsauslegung 66, 71 ff, 76 f, 82, 85, 97, 100, 112 ff, 116 ff, 129 f, 132 f, 135 ff, 142 ff, 159, 163 f, 171, 174, 192, 206, 217, 218, 225, 394 f, 397, 399 f, 439 f

– ergänzende 68, 71 ff, 114, 118, 119 f, 123, 132 ff, 142 ff, 164, 170, 206, 217, 440

– erläuternde 71 ff, 114, 118 ff, 123, 130 ff, 142, 144, 170, 174, 217, 440 Vertragslücke 68, 118, 120, 133 ff, 139 f, 142, 144, 217, 441 Vertragsnähe 78, 92, 107 f Vertragsverhandlungen 18, 24, 46, 61, 67 ff, 78, 82, 86, 107, 117, 127, 144, 213, 219 ff, 228, 230, 238, 239 ff, 247 ff, 256, 258, 260, 262, 269, 271 f, 280, 284, 291, 302, 316, 323 f, 349 f, 358 ff, 366 ff, 413, 431, 436, 441, 445, 447 Vertragszweck 114, 119, 139, 141, 144, 201, 213, 240, 299, 395

Warenhausfälle 45 ff, 67, 229, 249, 256, 259, 262, 264, 266, 271 ff, 278 f, 328, 330, 357 f, 361 Werkvertrag 32, 34 f, 37 f, 42 f, 51, 81, 96, 107 f, 121, 140, 142, 232, 246, 266, 337 f, 341 ff, 358, 361, 371 ff, 375, 378, 404, 405 ff Wille

– natürlicher bzw. realer 71, 84 f, 108, 277, 330, 369, 421,

118, 131, 259, 267 f, 272 f, 280, 306 f, 319, 325, 327, 343, 347, 356, 359, 366, 374 f, 384, 389, 397 f, 416, 429 f, 446, 448

– rechtsgeschäftlicher

66 ff, 71, 117, 143 f, 185, 217, 232, 259 f, 265, 268 f, 274 f, 279, 291, 307

Wirtschaftprüfer 53, 85 Zahlungsverkehr 384, 416, 418

55 ff, 90, 99, 125,

Vertreter Siehe Stellvertretung

Zentralpflichten 212 ff, 230 ff, 240 f, 243 f, 247, 283 ff, 308 f, 314 ff, 358, 388, 403, 414, 417, 421 ff, 444 f, 447

Verwahrungsvertrag 34, 216, 218, 223, 284 f, 300, 302, 404

Zweipoligkeitsprinzip 176, 179, 182 f, 185 f, 191 f, 316, 422

Vertrauensschutz 442

158, 167 ff, 268,

Verwandte 29, 89, 107, 123, 281, 361