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German Pages 107 [112] Year 1874
Schilt.
E i 1» Drama in fünf Akten von
H. ß. Kermann.
Den Bühnen gegenüber al« Manuskript gedruckt.
Straßburg. K. I. T r ü b n c r.
1874.
Buchdruckern von (A. Otto in Darmstadt
Personen. Major Ferdinand von Schill.
General von Aüchet.
Hkisa, d.ssen Tochter
Aerlha, deren Kammermädchen. Major von LnHow
Rittmeister von Iieczelsky
vom 2. Brandenburgischen Husareu-
Rittmeister von Arünnorv
Regiment „von Schill".
Rittmeister von der Ketlenvnrg Rittmeister von Aelfort.
Treulich. Waller. de Klavigny. Erster Bürger. Zweiter Bürger. Ein Leiermann.
Eine Staffelte. Volk.
Soldaten.
Die drei ersten Akte spielen in Berlin; der vierte in Bernburg; der fünfte
in Stralsund.
Scene: Freier Platz vor dem Halle'schen Thore in Berlin.
Buden, Tische, Fässer
k.
find
hergerichtet, um da» erwartete Echill'sche Regiment zu erfrischen -t Alle- mit Tannen»
reifern geschmückt. Zm Hintergründe eine Ehrenpforte, an welcher noch gearbeitet
wird.
Festlich gekleidete Damen und Bürge»Mädchen kredenzen, nach Ankunft der EchiÜ'schen, denselben Speise und Trank.
SBatter und Uremttch (welche, al- Zimmerleute, eben die letzten KrLuze an der
Ehrenpforte befestigt haben).
Malter. Da hätten wir denn endlich einmal wieder ein erfreuliches
Stück Arbeit vollbracht, das uns mit Lust von der Hand ging!
Treulich. Ein wahres Wort, Camerad.
Seit Jahr und Tag nichts
als Mckardeit, weit hin Mensch etwas Neues bauen läßt in
diesen niederträchtigen Franzosenzeiten.
Und nun eine Ehren
pforte für den Schill! Matter.
Und obenvrein für unseren Schill!
Unser Schill können wir
mit Stolz sagen, da wir die Seinen waren mit Leib und Leben. 1
2 Treulich.
Höre Camerad, wenn ich an die Zeiten denke, da hüpft mir noch immer das Herz vor Freuden!
Nicht für zehn Jahre meines
Lebens möchte ich die zehn Monate vertauschen, die wir unter Schill bei Colberg gefochten haben. als Preuße fühlen!
Da konnte man sich wieder
Und was er unternahm, mochte es auch
noch so toll sein, gelang. (Bürger und Arbeiter mit Erfrischungen, Herren und Damen, begleitet von
Dienern mit Mrden kommen
Die Scene füllt sich nach und nach.)
Malter. Potz Blitz!
Hast Du schon daran gedacht waS heute vor
zwei Jahren für ein Tag war?!
Treulich. Heute?
Nein. Malter.
ES war ja gerade heute vor zwei Jahren, daß Du Deinen
Zierrath da am Kopse erhielst.
Ich weiß eS so genau, weil eS
gerade am Geburtstage meiner Karoline war.
(Dott hat sich um die
Beiden gesammelt.)
Erster Bürger.
WaS hat eS denn mit dem Zierrath da auf sich?
Das
sieht ja fast aus wie ein Säbelhieb. Malter. Nun natürlich ist das ein Säbelhieb! auch nicht auf dem Zimmerplatz geholt.
Mehrere Stimmen. Erzählt!
Erzählt!
Und den hat er sich
Walter (mit Selbstbewußtsein). Nämlich ich und mein Freund Treulich, wir waren beide bei dem Schill'schen Corps bei Colberg, bis zum Frieden.
Zweiter Burger. Ihr bei dem Schill'schen Corps! Erzählt, laßt Horen! Erster Bürger (mit Gläsern).
Daraus wollen wir erst einmal anstoßen. Profit, Ihr Herren!
Walter.
Schill soll leben!
Alle.
Schill hoch! Zweiter Bürger.
Aber jetzt erzählt. Walter. Also nachdem Treulich und ich aus der Gefangenschaft auögerissen waren, hatten wir uns Schill angeschlossen. Damals war er noch Lieutenant und das Corps noch klein. Wir Beide waren der Zwanzigste und Einundzwanzigste. Aber das schadete gar nichts; denn was uns an Zahl fehlte, das ersetzte die Be geisterung für unseren Führer. Er sagte Jedem, der sich ihm anschloß: „Wem sein Leben mehr werth ist als das Vaterland, den kann ich nicht gebrauchen" Und danach handelte er auch selbst. Aber jeder verwegene Streich den er vorhatte, wurde mit Ueberlegung und Klugheit vorbereitet, dann aber mit so grenzen loser Kühnheit auSgeführt, daß wir unseres Erfolges immer ge wiß waren. Und jeder seiner Leute war ihm' lieber als sein eigenes Leben, so daß wir mit ihm die HSlle gestürmt haben würden.
4 Eines Tage- mm, es war grabt heute vor zwei Jahren, am Geburtstage meiner Karolinc, hieß es wieder: .Freiwillige vor!*
Das war dann immer, als wenn er hatte zum Avanciren
blasen lassen, und er mußte auSwählen.
Diesmal wählte er
Treulich und mich, nebst vier Anderen, und wir waren sehr stolz
auf diese Ehre. Wir streiften bis an die Thore von Stettin, fingen mehrere Couriere ab, vernichteten einen bedeutenden Pulvertransport, den
wir nicht mitnehmen konnten, und nahmen mehrere Cafsen weg, so daß wir mit 13,000 Thalern beladen uns endlich auf den
Heimweg machten. Aber der Schaden, den wir ihm zufügten, hatte den Feind
doch ergrimmt.
Ein Rittmeister mit zwanzig Kürassiren sehte
uns nach und holte uns ein.
Unseren Geldwagen mußten wir
nun freilich vorerst fahren lassen; aber gewichen wurde nicht.
„Rur immer an mich gehalten, Cameraden!" rief Schill, und so ging es im Galopp in die Zwanzig hinein.
Schill wurde
gleich mit dem Rittmeister handgemein; wir Anderen deckten ihm
den Rucken. Da erhielt der brave Treulich diesen furchtbaren Hieb in
die Stirn, so daß er bewußtlos vom Pferde sank, und gleich zeitig brach Schill'S
verwundetes Pferd
mit ihm zusammen.
Wir dachten, jetzt ist Alles verloren. — .Rette den Treulich und
kümmere Dich nicht um mich!" rief er mir zu.
Wie ein Blitz
saß er in Trenlich'S leerem Sattel, der Rittmeister mußte in'S
GraS beißen, vier Kürassiren spaltete er in ders'elben Minute den Schädel, ich habe eS mit meinen eigenen Augen gesehen, so daß die Feinde, eS waren Deutsche, ein Grauen überkam.
Ihr
Wachtmeister schrie ,ba6 ist der leibhaftige Satan!" und waS
5 noch fliehen konnte, riß aus. Schill hinterdrein, hieb noch drei vom Pferde und jagte ihnen den Geldwagen wieder ab. Dann war aber seine erste Sorge der Treulich, die zweite der Geld wagen. Treulich.
Ja. seht Ihr Herrn, solch ein Held ist er. göttert ihn auch jeder Soldat.
Darum ver
Erster Bürger.
Aber auch der Bürger verehrt ihn. Schrieb mir doch neu lich noch mein Gevatter, der alte Nettelbeck aus Colberg, der doch auch ein Mann ist vor dem ein Jeder den Hut zieht: „Du kannst Dir keinen leutseligeren, rechtschassneren Mann denken als den Herrn Major von Schill. Und wenn Alles verzweifelte, hat Er doch nie den Muth verloren."
Walter. Darum haben auch Seine Majestät, unser Allergnädigster König befohlen, daß daö Regiment von Schill das Erste sein soll, welches, vor allen anderen preußischen Truppen, in Berlin wieder einrückt. Erster Bürger. Das ist eine große, aber wohlverdiente Ehre, denn das ganze Land blickt und hofft auf ihn wie auf einen Befreier aus dieser französischen Knechtschaft, unter der wir seufzen.
Zweiter Bürger. Sprich das nicht so laut; Du weißt nicht, wie viele fran zösische Spione unter un- sind.
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Erster Bürger.
Ach, darum! Malter. Und in anderthalb Jahren ist er vom Lieutenant zum Major avancirt; das ist auch noch nicht dagewesen. Erster Bürger. Wegen seiner großen Verdienste um König und Vaterland soll er auch so feierlich empfangen werden wie sonst nur ein Fürst. Wir Vorstadtischen haben den Erfrischungö - Verein ge bildet, damit sie sich starken können, ehe sie in die Stadt ein ziehen , und es soll an nichts fehlen. — Tummelt Erich, damit Alles in Ordnung kommt! Jede Minute kann sie uns bringen.
Matter. Da wollen wir auch nur machen daß wir fertig werden. Entschuldigen Sie. meine Herren Wir haben unseren Sonntags staat im nächsten Hause liegen (ab mit Treulich). csdennann (Invalide mit Stelzfuß, hat sich mit der Drehorgel und dem Bilde anfzestellt. Schlägt mit seinem Stocke gegen da- Bild, um die Aufmerksamkeit zu er» egen).
Heran, heran meine Herrschaften! Hier ist zu sehen die heldenmüthige Geschichte, wie der berühmte Major von Schill die Festung Colberg mit seinem Blute vertheidigt, und wie der selbe mit eigener Hand den französischen General und siebenund achtzig Grenadiere gefangen nimmt. Dies Alles, nebst der wahr haftigen Lebensbeschreibung kostet nur einen Groschen (viele kaufen).
Zweiter Bürger. Hoxch, ist das nicht Musik! (man hlasey),
hört von fern ein^n
Marsch
7 Erster Bürger.
Das ist der Schill'sche Marsch! Sie kommen! 'Vorwärts, ihnen entgegen! (Mle- drängt nach links ab. Man hört hinter der Scene die näher kommende Marschmusik und Hurrahruse). (ftifa und Nert-R treten auf.)*
Bertha. Da haben Sie Sich in den ErsrischungS-Vorstand wählen lassen, um den Mann, den Sie wie einen'Gott verehren, ob gleich Sie ihn nicht einmal kennen, in nächster Nahe zu fehen; haben Lorbeerkranz, Gedicht und ein nagelneues Kelchglas für den Angebeteten mitgebracht, und zittern nun wie Espenlaub, so daß sicherlich Alles verunglücken wird. Slifa. * Aber so rede doch nicht so unverständig. Wie ist eS denn anders möglich, als daß ein Mädchen einem solchen Manne zaghast entgegen tritt, der die ganze Welt mit seinem Ruhme er füllt hat; der allein das Panier vaterländischen Geistes und HeldenmutheS aufrecht hielt, als Alles den Muth sinken ließ. Aber wer ein patriotisches Herz im Busen suhlt, wer sein Vaterland liebt, muß solchem Helden seinen Dank entgegen bringen. Und weil leider nicht Alle so denken, so will ich um so mehr mein Scherflein dazu beitragen, den allgemeinen Muth zu beleben, — ob es mir auch schwer wird. Bertha. Ob wohl mein Wachtmeister noch an mich denkt?! (Patter und greulich treten auf.)
8 Walter. Wirklich die höchste Zeit, daß wir mit unserem Anzuge fertig geworden sind; sie haben die Pferde schon auf der Wiese zusammengekoppelt — Daß wir auch nicht mehr dabei sind! — Wahrhaftig, da kommt er schon selber. Platz! An die Seite! (Unter den Klängen fee» vorhin gehörten Marsche- tritt der Festzug der Zünfte, welcher Echill eingeholt hat, mit Bannern und Emblemen auf den Festplatz. Während die Spitze des. Zuge- den Platz erreicht, tritt Elisa, gefolgt von einer größeren Anzahl festlich geneideter junger Mädchen, auf die rechte Seite der Scene, Schill erwartend. Ein Mädchen trägt auf einem Kissen einen Lorbeertranz, ein andere- ein mit Rheinwein gefüllte- Kelchgla-. Der Festzug und die EchiÜfchen Husaren und reitenden Jäger gruppiren sich, Elisa und ihr Gefolge frei lassend. Echill und seine Offiziere treten in die Mitte, Elisa gegenüber. Nachdem die Gruppirung fertig ist, schweigt die Mufik). Elisa (einige Schritte auf Schill zugehend).
Bange Jahre sind verronnen. Seit ein feindliches Geschick Allen Ruhm den wir gewonnen Tilgte mit der Schlachten Glück, Kehrte keine Freude wieder. Stumm verzweifelnd, vorwurfsvoll Senkte sich des Auges Lider Der des Schmerzes Strom entquoll; Bis zu unsrem müden Ohre Lang entbehrte Kunde drang: „(Solfccrg schloß dem Feind die Thore! „Colberg hatt sich!* Also klang Durch das Land die frohe Kunde. Und begeisternd flog das Wort
9 .Schill", wie Blitz durch Deutschlands Runde, .Schill, der Held, der Freiheit Hort, .Ter allein wagt sich zu wehren. .Der Erretter in der Noth, .Der allein besteht in Ehren, .Wählend Freiheit, oder Tod!* Freiheit hast Du Dir errungen, Nie hat Dich und Deine Krieger Unsres Feindes Schwerdt bezwungen. Nimm den Lorbeerschmuck der Sieger. (Sie will ihm den Kranz auf da- Haupt setzen; er wehrt bescheiden ab und empfangt denselben mit der Hand.)
Nimm des Rheines edle Gabe. Starke Dich zu neuem Thun. Doch bei dieser goldnen Labe Dmke, daß wir nimmer ruhn, Bis der Strom dem sie entsprossen Unsrem Erbseind ist verschlossen. (Eie reicht ihm den Kelch.)
Achill (nach einem langen Blick auf Elisa).
Dieses goldige Blut des geknechteten Vaterlandes begeistere jede Fiber für die Stunde der Befreiung, und erleuchte mein Haupt, damit es dereinst des Lorbeers würdig fei, den es noch nicht verdiente. Er winke als Lohn des Befreiers und grüne fort unter der holden Pflege der Krone der Schöpfung. Jeder Tropfen Weines wecke Euren Schlachtgesang in meinem Gedächtniß, wenn er schlafen sollte; und jedes deutsche Mädchen
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fei mir durch Euch zum Mahner bestellt an unsre großen Ziele. — Heil dcm Daterlande! (tr leert den Kelch.) Erster Vürger.
Und nun. meine Herrn Offiziere, haben Sie die Gewogen heit, sich unseren guten Willen gefallen zu lassen. Zunächst fülle aber ein jeder sein Glas und trinke mit mir auf das Wohl unseres überaus hochgeschätzten und verehrten Herrn Major von Schill, des größten Helden unserer Zeit, des ausgezeichneten Mannes, bei dessen Anblick selbst einem so.simplen Menschen wie mir, die Augen vor Freuden weinen. Der Herr Major v. Schill und Alle die zu ihm gehören, sie leben hoch!!