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German Pages 685 Year 1996
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 100
Sanktionen gegen Insiderhandel Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung des US-amerikanischen und britischen Rechts
Von
Petra R. Mennicke
Duncker & Humblot · Berlin
PETRA R. MENNICKE
Sanktionen gegen Insiderhandel
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 100
Sanktionen gegen Insiderhandel Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung des US-amerikanischen und britischen Rechts
Von Petra R. Mennicke LL.M. (Cantab.)
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Mennicke, Petra R.:
Sanktionen gegen Insiderhandel : eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung des US-amerikanischen und britischen Rechts / von Petra R. Mennicke. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum Wirtschaftsrecht ; Bd. 100) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08497-7 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-08497-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9
Vorwort Die vorliegende Arbeit hat im Sommersemester 1995 der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation vorgelegen. Das Manuskript ist im Januar 1995 abgeschlossen worden; später erschienene Publikationen konnten zu einem großen Teil noch berücksichtigt werden. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Fritz Loos, der mich in allen meinen Vorhaben bestärkt und gefordert und mir die für die Anfertigung einer Arbeit vom vorliegenden Umfang erforderliche akademische Freiheit gewährt hat. An die Jahre der Mitarbeit an seinem Lehrstuhl, ohne die diese Arbeit nicht in der vorliegenden Fassung zustandegekommen wäre, denke ich gern zurück. Ganz besonders danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Ulrich Immenga für die Übernahme des Zweitgutachtens. In seinen Seminaren habe ich vielfaltige Anregungen erhalten, die auch in diese Arbeit eingeflossen sind. Weiterhin danke ich Herrn Dr. Barry Rider, Jesus College, Cambridge, und Herrn Michael Ashe QC, Barrister am Middle Temple, für wertvolle Hinweise und ihre Diskussionsbereitschaft zu Fragestellungen und aktuellen Entwicklungen des britischen und US-amerikanischen Insider-Rechts. Ihre Hilfsbereitschaft sowie die der Mitarbeiter der Squire Law Library der Universität Cambridge bei Forschungsaufenthalten in den Jahren 1992 und 1993 haben wesentlich zum Zustandekommen des rechtsvergleichenden Teils beigetragen. Stellvertretend sei hier dem Bibliothekar, Herrn Keith McVeigh, gedankt. Letztendlich gilt mein größter Dank meinen Eltern, die mich immer unterstützt und mir die Ausbildung ermöglicht haben, die mich in die Lage versetzte, diese Arbeit zu schreiben. Cambridge, im November 1995
Petra R. Mennicke
Inhaltsverzeichnis Einleitung
25
A. Einfiihnmg ........................................................................................................ 25 B. Problemstelhmg Wld Gang der UntersuchWlg .................................................... 36 I. Das Problem ............................................................................................. 36 11. Der Gang der UntersuchWlg ....................................................................... 37
Erster Tei[ Das Phänomen Insiderhandel
40
A. Allgemeine Definition von Insiderhandel ........ ~................................................. 40
I. Personen ................................................................................................... 41 11. Vorgehensweise ........................................................................................ 45 B. Beispielsfalle für die wesentlichen ErscheinWlgsformen des Insiderhandels ....... 47
I. Texas GulfSulphur ................................................................................... 47 11. Thyssen Rheinstahl ................................................................................... 49 III..Daimler-Benz / AEG ................................................................................ 52 IV. Insiderhandel im Verhältnis zwischen Banken Wld ihren KWlden .......... ... 54 1. BeratWlg: Merrill Lynch ....................................................................... 54
2. frontrWlning Wld scalping ..................................................................... 55 C. Die Bewertung des Insider-Problems ................................................................ 57 I. Die ökonomische Sicht: Argumente für Insiderhandeln .......................... .... 59 1. Insidergewinne als Leist\Ulgsanreiz für das Wltemehmerische Manag~ ment ...................................................................................................... 60
a) Die BegriindWlg durch Manne ........................................................... 60 b) Kritik: Fehlende Leist\Ulgsbezogenheit von Insider-Gewinnen ........... 63 2. Fördenmg einer optimalen Kapitalallokation ......................................... 70 a) BildWlg eines "richtigen" Börsenkurses ............................................. 70 b) Kursstabilisienmg durch Insiderhandel .............................................. 75 3. Ergebnis ................................ ......................................................... ....... 76 11. Die Juristische Bewert\Ulg: Von Insiderhandel beeinträchtigte Interessen.. 77
8
Inhaltsverzeichnis
1. Individualschutz der Anleger: Ist Insiderhandel unfair? .......................... 77 a) Das Schädigungsargument ................................................................. 78 b) Regehmgsziel: Abbau von "unfairen" InformationsgefiiUen .... .... .... .... 85 c) Ergebnis ............................................................................................ 98 2. Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte .... ...... ........... .............. 98 a) Herleitung des Vertrauensschutzargumentes ....... ...... ...... ................ .... 99 b) Zur Kritik ........................................................................................ 102 c) Ergebnis ............................................................................................ 108 3. Schädigung der Unternehmen ............................................................... 108 a) Die Vertraulichkeitssphäre als beeinträchtigtes Interesse ................... 109 b) Kritik: Kein Schutzzweck eines Insiderhandels-Verbots.................... 112 c) Ergebnis ....................................... ..................................................... 116 4. Zusammenfassung ................................................................................ 116
Zweiter Teil Das europäische Recht - Vorgaben der EG-Insider-Richtlinie
118
A. Fragestellung ................................................................................................... 118
B. Auslegung der Sanktionenvorschrift des Art. 13 im Kontext der Insider-Richtlinie ................................................................................................................... 120 I. Wortlautauslegung .................. ................................................................. 122
1. Die deutsche Fassung ......... ............................................................ ....... 123 2. Die englische Fassung ............................................. .............................. 125 3. Ergebnis der Wortlautauslegung ............................................................ 127
11. Historische Auslegung ............................................................................ ,. 128 1. Europäische Regelungsversuche vor der Richtlinie ................................ 130 a) Vorschlag über das Statut einer europäischen Aktiengesellschaft von 1970/1975 ........................................................................................ 130 b) Europäische Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen von 1977 ................................................................................................. 132 2. Die Entstehung von Art. 13 der Insider-Richtlinie ................................. 133 a) Der erste Richtlinienvorschlag vom 25. Mai 1987 ............................. 134 b) Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses .............. ...... 134 c) Der geänderte Text des Europäischen Parlaments ....................... ...... 136 d) Der geänderte Richtlinienvorschlag vom 04.0ktober 1988 ................ 138
Inhaltsverzeichnis
9
e) Der gemeinsame Standpunkt des Rates Wld die endgültige F assWlg der Richtlinie ....... ... .......... ...................... ... ...... ................................ 139 3. Zwischenergebnis ................................................................................. 140
ill. Teleologische AuslegWlg .......................................................................... 141 1. Die Schutzzwecke der Insider-Richtlinie .............................................. 143 a) Funktionenschutz Wld Individualschutz ............................................ 143 b) Kritik ............................................................................................... 147 c) Kein Schutz der Unternehmen ......................................................... 150 2. Notwendigkeit der HarmonisierWlg der nationalen Insider-Gesetze, gerade auch im Bereich der Sanktionen ................................................... 152 a) VerwirklichWlg des einheitlichen europäischen Kapitalmarktes ........ 152 b) Insbesondere: Gefahr des market shopping? ..................... ................ 153 aa) market shopping dw·ch Nicht-Insider .................. ........................ 154 bb) market shopping durch Insider .................................................... 156 c) Ergebnis ........................................................................................... 160 3. Internationale Zusammenarbeit ............................................................ 163 a) ZielsetZWlg Wld Ausgestaltung ......................................................... 163 b) Internationale Rechtshilfe ................................................................ 165 4. BenennWlg von VerwaltWlgssteUen ............... .......... ... ... ......... .... .......... 166 IV. Die Frage nach der Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Strafrechts als wesentlicher Argurnentationstopos bei der EntstehWlg des Art. 13 ................................................................................... 168 V. ZusammenfassWlg Wld Ergebnis ................. .................. ...... ..................... 181
Dritter Teil
Die bisherige "Regelung" der Sanktionen gegen Insider in Deutschland 184 A. Die RegelWlg der Sanktionen in den Insider-Regeln ......................................... 184 I. Historische EntwicklWlg ... ........................................................................ 185 11. lw·istische Konstruktion: Freiwillige SelbstregulierWlg ....... .... ........ ......... 186
ill. Die Insiderhandels-Richtlinien .. .................. ... ..... .............................. ....... 191 1. Materielle Vorschriften ......................................................................... 191 2. Sanktionerl ............................................................... ........ .................. ... 194 a) RegelWlg ........................................................................................... 194 b) Kritische BeurteilWlg der PräventivwirkWlg ...................................... 198 IV. Händler- Wld Beraterregeln ................... ................ ....... ..................... ....... 200
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Inhaltsverzeichnis 1. Materielle Vorschriften ......................................................................... 201 2. Sanktionen ............................................................................................ 202 V. VerfahrensordnWlg ................................................................................... 204
1. Mögliche Maßnahmen der Prüfungskommission ................................... 204 2. Kritik .................................................................................................... 205 VI. Würdigwg ............................................................................................... 207 B. Sanktionen außerhalb der Insider-Regeln ......................................................... 207 I. Arbeitsrechtliche Sanktionen .................................................................... 208
1. NichtanerkennWlg der Insider-Regeln .................................................... 208 2. Verstoß gegen die Insider-Regeln .......................................................... 209 11. Zivilrechtliche Sanktionen: Schadensersatzansprüche Wld Ansprüche auf Herausgabe der Insider-Vorteile gegen den Insider .................................... 211
1. Ansprüche der Gesellschaft ................................................................... 211 a) Schadensersatzansprüche .................................................................. 211 b) Ansprüche auf Herausgabe des vom Insider erzielten Vorteils ........... 213 aa) Angemaßte Eigengeschäftsfiihnmg ............................................... 213 bb) Eingriffskondiktion ..................................................................... 214 2. Ansprüche anderer Anleger ................................................................... 218 a) Schadensersatzansprüche gemäß Aktiengesetz .................................. 218 b) Schadensersatzansprüche aus allgemeinem Deliktsrecht ................... 219 c) Würdigwg ....................................................................................... 221 3. Ergebnis ............................................................................................... 222
m. Strafrechtliche Sanktionen gegen Insider
.................................................. 222
1. Betrug gemäß § 263 StGB ..................................................................... 222 2. Andere Vorschriften ................................................. ........ ...... ............... 224 3. Ergebnis ............................................................................................... 226
c. ZusammenfassWlg ........... ................ .......................... .......................................
227
Vierter Teil
Die Sanktionierung von Insider-Geschäften in den USA
229
A. Einfiihnmg Wld Überblick .......... .... ..................... .................................. ........... 230 I. RegelWlg in der secwities regulation: Secwities Act Wld Securities Exchange Act ................................................................................................ 232
1. Die securities regulation als bWldesrechtliche RegelWlgsmaterie .... ....... 232 2. Einschlägige Vorschriften ..................................................................... 234
Inhaltsverzeichnis
11
3. Regelungsanlaß und Regelungsziel ........................................................ 236
n. Andere Gesetze
........................................................................................ 238
B. Die materiellen Voraussetzungen von Insider-Verstößen ........ ................ .......... 239
I. Die Zentralnorm rule 10(b)-5 ................................................................... 239 1. Regelungsmaterie und Anwendbarkeit auf Insider-Geschäfte - Dogmatische Konzeption ................................................................................... 240
2. Entwicklungslinien der Rechtsprechung zur Haftung von Insidem nach rule 1O(b)-5 - ein Überblick .................................................................. 243 a) Der Ausbau der rule zur Generalklausei ............................................ 244 b) Eingrenzung der rule 10(b)-5 durch Rückgriff auf die common lawDogmatik ......................................................................................... 244 c) Versuche der Abmilderung der vorgenommenen Eingrenzung ........... 247 3. Die Bestimmung der Insider-Position ................................................... 249 a) Insiderhandel als common law-fraud ................................................ 250 aa) Ausgangspunkt: duty to disc10se und fiduciary duty .................... 250 bb) Die Regel "disclose or abstain from trading" .............................. 253 b) Die "equal access"-Theorie .............................................................. 255 aa) In the Matter ofCady, Roberts & Co .......................................... 255 bb) SEC v. Texas GulfSulphur ......................................................... 256 cc) Kritik ......................................................................................... 258 dd) Vergleich mit dem Insider-Begriff der EG-Richtlinie .................. 260 c) Die fiduciary duty-Theorie ........ .................... ................................... 261 aa) Chiarella v. United States ........................................................... 261 bb) Dogmatische und ved'assungsrechtliche Erwägungen der Entscheidung ........................................................................................... 264 d) Die misappropriation-theory .. ................ ...... .................... ................. 267 e) Die Haftung von Tippees nach Chiarella ........................................... 271 aa) Dirks v. SEC .............................................................................. 271 bb) Vergleich mit der Tippee-Haftung nach der EG-Richtlinie .......... 274
f) Kritische Würdigung und Zusammenfassung .................................... 276 4. Die weiteren Voraussetzungen der Haftung ............ .............................. 283 a) "Trading in securities": Der Begriff des Insider-Papiers .................... 284 aa) Optionen und SchuldverschreibWlgen ......................................... 284 bb) Würdigung und Vergleich mit der EG-Richtlinie ........................ 286 b) Die Insider-Information: "material nonpublic information" .............. 287
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Inhaltsverzeichnis aa) "Material information" ............................................................... 287 (1) Der "reasonable investor" als Maßstab .................................. 288 (2) Vergleich mit der EG-Richtlinie ............................................ 290 bb) "Nonpublic Information" ............................................................. 291 (1) Bestimmung nach der "efficient market hypothesis" ...... ..... ... 291 (2) Vergleich mit der EG-Richtlinie ............................................ 295 c) Subjektives Tatbestandsmerkmal: "Scienter" .................................... 296 aa) Die Anforderungen im einzelnen ................................................. 296 bb) Vergleich mit der EG-Richtlinie ................................................. 299 5. Zusammenfassung Wld Ergebnis ........................................................... 300
ll. Die Spezialvorschrift für tender offers: rule 14(e)-3 .................................. 301 1. ZielsetZWlg ........................................................................................... 301 2. AnwendWlgsbereich und HaftungsvoraussetZWlgen ......................... ...... 302 3. Würdigwg ............................................................................................ 304 4. Die Problematik einer eventuellen Kompetenzüberschreitung durch die SEC ...................................................................................................... 305 C. Die Sanktionierung von Insider-Verstößen ....................................................... 310 I. Systematischer Überblick.......... ................... ............................................ 310
ll. Insider Trading Sanctions Act Wld Insider Trading and Securities Enforce-
ment Act: RegelWlgsanlaß Wld RegelWlgsziel ........................................... 311
1. Der Insider Trading Sanctions Act von 1984 ................................ ......... 311 2. Der Insider Trading and Securities Enforcement Act von 1988 ....... ....... 314 3. Kritik.................................................................................................... 317 lll. Staatliche Maßnahmen der Sanktionierung ............................................... 318 1. Sanktionen aufgrund von der SEC angestrengter Verfahren ................... 318 a) Disgorgement ................................................................................... 318 aa) Disgorgement als "ancillary relief' ............................................. 318 bb) Rechtsnatur ........................................................................ ,....... 320 cc) Die BestimmWlg des abzuführenden Vorteils .............................. 321 dd) Die VerwendWlg des abgeführten Vorteils .................................. 323 b) Civil Penalty .................................................................................... 326 aa) Allgemeine Grundsätze der civil penalty-Haftung ....................... 326 bb) Die BestimmWlg der Höhe der civil penalty ............................... 328 (1) Die absolute Höhe ................................................................ 328
lnha Itsverzeichnis
13
(2) Die Bestimnnmg des der BerechnWlg zugnmdeliegenden Vorteils des Insiders............... ................... ................................. 329 cc) Hafhmg von "controlling persons" .... .................... .............. ........ 330 (1) GesetzgebWlgsziel Wld RegelWlgskonzeption ........................ 331 (2) Der Begriff der "controlling person" ...................................... 333 (3) Die VoraussetZWlgen der Hafhmgstatbestände ....................... 334 (4) Würdigtmg Wld Kritik ........................................................... 335 dd) Kritik der civil penalty-Hafhmg .................................................. 339 (1) Ausgangsptmkt: Die Rechtsnatur der civil penalty als zivilrechtliche Sanktion mit Strafcharakter ............................ ...... 339 (2) Die Kritikptmkte im einzelnen: AushöhlWlg des verfahrensrechtlichen Schutzes des Beklagten? .................. :.................. 342 (a) Unbestimmtheit der HafhmgsvoraussetZWlgen ................. 342 (b) Beweismaß des Zivilverfahrens ....................................... 344 (c) Recht auf ein Jury-Verfahren ........................................... 346 ee) ZusammenfassWlg ....................................................................... 348 c) VerwaltWlgsrechtliche Maßnahmen .............. ...... .............................. 349 2. Sanktionen des Kriminalstrafrechts ....................................................... 350 a) Federal Securities Laws: Sect.32(a) Securities Exchange Act ........... 350 aa) RegelWlgsziel der StrafrahmenerhöhWlg durch den ITSFEA Wld Würdigtmg ................................................................................. 351 bb) Der subjektive Tatbestand von sect.32(a) Securities Exchange Act ............................................................................................. 354 (1) Die Tatbestandsmerkmale "willfully" Wld "no knowledge" .. 355 (2) Die "no-knowledge-Klausel": Ein Verstoß gegen die Unschuldsvermuttmg? ............................................................... 357 cc) Die Effektivität der kriminalstrafrechtlichen Sanktion: Ihre praktische DurchsetZWlg .................................................................... 360 (1) Die AnwendWlg durch die Gerichte ....................................... 361 (2) Die Häufigkeit strafrechtlicher Verfolgtmg ............................. 363 dd) Die Durchfiihnmg des ErmittlWlgsverfahrens .............................. 366
(I) Das Prinzip: Ermessen statt Legalitätsprinzip ........................ 366 (2) Die Verfahrensstufen im einzelnen ........................................ 366 (3) Würdigtmg Wld Kritik ............................................................ 371 (a) Die Nachteile im einzelnen .............................................. 371
(b) Gegenmaßnahmen der Praxis ........................................... 374
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Inhaltsverzeichnis ee) ZusammenfassWlg Wld Ergebnis ................................................. 376 b) Mail and Wire Fraud Statutes .......................................................... 376 c) Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act von 1970 ........ 377 3. Das Zusammenspiel von civil penalties Wld krirninalstrafrechtlichen Sanktionen: double jeopardy? .. ..................... ....................................... 379 IV. Private Maßnahmen der SanktionierW1g .................................................. 386
1. Zivilrechtliche Schadensersatzklagen wegen der VerletZWlg der Zentralnorrn rule 1O(b )-5 ........................................................................... 386 a) Funktion der Privatklage: EffektiviefWlg der DurchsetZWlg des Insiderhandels-Verbots .......................................................................... 387 b) Dogmatische Konzeption.......................... ........................................ 392 c) Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act: KodifiziefWlg eines prvaten Klagerechts in sect.20A SEA .; ..................................... 395 aa) KodifiziefWlg der RechtsprechWlg des Court of Appeals for the Second Circuit ............................................................................ 396 bb) ErweitefWlg der Aktivlegitimation: ÜberwindWlg der EntscheidWlg Moss v. Morgan Stanley Inc. .... ...................... .................... 400 d) lmplied Rights of Action ..... .......... ................................................... 402 e) Kritik des Privatklagesystems .......................................................... 405 aa) Die Klageberechtigung aufgfWld eines implied right of action ..... 405 bb) Die Klageberechtigung der contemporaneous traders .................. 409 2. Racketeer Influenced and Corrupt OrganizatiollS Act von 1970 ............. 414 3. Die Spezialvorschrift sect.l6(b) SEA: Gewinnabfiihrungspflicht an die Gesellschaft .......................................................................................... 416 a) AnwendWlgsbereich .......................................................................... 416 b) Das Konzept: Objektive HaftWlg ...................................................... 418 c) Die BerechnWlg des abzuführenden Gewinns.................................... 420 d) Die GeltendmachWlg ........................................................................ 421 e) Würdigung ....................................................................................... 421 V. Zusammenfassende Würdigung der SanktioniefWlg von Insider-Verstößen .......................................................................................................... 422
Fünfter Teil Die Sanktionierung von insider-Verstößen in Grossbritannien
428
A. Überblick über die RegelWlg .............. ....................... ................................ .... ... 429
I. Die gesetzliche RegelWlg ................. ............................................. ............ 429
Inhaltsverzeichnis
15
ll. Die Regehmgen der Selbstkontrolle ..................... ..................................... 432 B. Das gesetzliche Insiderhandels-Verbot ................................................ ............. 435 I. Das materielle Verbot .............................................................................. 435
ll. Die Sanktionienmg von Verstößen ........................................................... 441 1. Bestehende Möglichkeiten .................................................................... 441
a) Strafrechtliche Sanktionen ................................................................ 442 b) Zivilrechtliche Sanktionen................................................................ 444 2. Die vorgebrachte Kritik ... .... ................... .............................................. 450 a) Hauptkritikpunkt: Die hohen Beweisanfordenmgen des Strafvetfahrens ................................................................................................. 450 b) Die bisherige Sanktionienmgspraxis ................................................. 452 3. Vorschläge zur Optimienmg einer effektiven Sanktionienmg ................ 456 a) Der Vorschlag von Rider .................................................................. 456 b) Der Vorschlag von Ashe ................................................................... 458
Sechster Teil
Die Entwicklung eines Vorschlags für das deutsche Recht
463
A. Die bisher erarbeiteten Grundlagen .................................................................. 463
B. Die StrafilOrmen gegen Insiderhandel im neuen Wertpapierhandelsgesetz ........ 468
I. Die gesetzgeberische Zielsetzung im Hinblick auf Gesamtkonzept und Rechtsgüterschutz .................................................................................... 468
ll. Die allgemeine Ausgestaltung des Insiderhandelsverbots: Standort und
Deliktsnatur ............................................................................................ 471
1. Zum Standort der neuen Vorschriften ................................................... 473
2. Die Ausgestaltung als abstraktes Gefahrdungsdelikt ............................. 476 C. Sollen Insider-Verstöße mit strafrechtlichen Sanktionen geahndet werden? ...... 479 I. Die Strafwürdigkeit der Ausnutzung von Insider-Informationen ................ 481 1. Der Schutz des Anleger-Vertrauens und der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes: Die Begründung des Gesetzgebers ........... ........ ................ 483 2. Der Kapitalmarkt als überindividuelles Rechtsgut ................................ 489 a) Die Kritik am strafrechtlichen Schutz überindividueller Rechtsgüter 489 b) Die beschränkte Funktion des Rechtsgutsbegriffs bei der Begründung der Strafwürdigkeit .......................................................................... 493 c) Strafrecht und neue gesellschaftliche Schutzbedürfuisse ................... 495 3. Die Verbotswürdigkeit von Insiderhandeln als Grundlage einer Strafwürdigkeitsentscheidung ....................................................................... 497
16
Inhaltsverzeichnis a) Leistlmgswettbewerb Wld SichefWlg der formalen Gleichheit: Legitimation aus dem GrWldgesetz ......... ............................ ....................... 498 aa) Die Bedeutung des Leistlmgswettbewerbs in einer marktwirtschaftlichen OrdnWlg ................................................................. 498 bb) Schutz der Chancengleichheit der Anleger zum Schutz des Leistlmgswettbewerbs ..................................................................... 501 b) Die Frage eines aus der WerteordnWlg des GrWldgesetzes abzuleitenden PönalisiefWlgsgebotes ..... .... ....... ................... ........................ 503 4. Zwischenergebnis..... ....................... ..................................................... 505
ll. Die Ausgewogenheit des Strafrechtssystems als GrWldlage einer normati-
ven KontroUWltersuchWlg ........................................................................ 505 1. Der Ansatz Dingeldeys: Darstelhmg lmd Kritik .................................... 506
2. Wettbewerbsschutz im Kartellrecht durch OrdnWlgswidrigkeiten: Ein Werttmgswiderspruch zur KriminalisiefWlgvon insider-Verstößen? .... 509 a) KriminalisiefWlg des Kartellrechts: Die Ansicht der Strafrechtslehre ......................................................................................................... 510 b) KriminalisiefWlg des Kartellrechts: Die Ansicht in der wettbewerbsrechtlichen Literatur ........................................................................ 512 c) Konsequenz fiir die PönalisiefWlg von Insider-Geschäften ......... ...... 513 3. Bereits bestehende Straftatbestände zum Schutz der Wirtschaft lmd ihrer Teilbereiche......... .................................. ..... .................... ... .......... 514 4. Ergebnis ......... :.................................................................................... 516 ID. Strafrecht als ultima ratio: Die Strafbedürftigkeit von Insiderhandeln ....... 517 1. Der Begriff der Strafbedürftigkeit .......................................................... 517
2. Die Bedeutung der Effektivität der SanktioniefWlg fiir die Bewerttmg der Strafbedürftigkeit von Insiderhandeln .............................................. 520 IV. Zivilrechtliehe LösWlgsansätze der Sanktionenproblematik lmter Beriicksichtigtmg der Subsidiarität des Einsatzes des Strafrechts ......................... 522 1. Kirchners Vorschlag einer qualifizierten Gewinnabschöpfimgsregellmg. 522
a) Der Vorschlag: Ziel lmd UmsetZlmg .................................................. 522 b) Kritik an Kirchners Vorschlag ........................................................... 525 2. Die MobilisiefWlg des privaten Anlegers zur DurchsetZlmg des Insiderhandels-Verbots .................................................................................... 529 a) Die VoraussetZlmgen einer MobilisiefWlg des privaten Anlegers ....... 530 aa) Ein Beispiel: der Vorschlag des "Arbeitskreises Gesellschaftsrecht" ......................................................................................... 531 bb) W ürdigWtg des Vorschlags des Arbeitskreises Gesellschaftsrecht am Maßstab des Subsidiaritätsprinzips ....................................... 535
Inhaltsverzeichnis
17
b) Präventionsfunktion und Anspruchsinhalt ......................................... 538 aa) Die Notwendigkeit der Vervielfachung des vom Insider herauszugebenden Vorteils ........................................................................ 538 bb) Prävention und zivilrechtliche Haftung ....................................... 540 cc) Mögliche Gestaltungsformen einer Haftug des Insiders auf ein Mehrfaches des erlangten Vorteils .............................................. 544 (I) Punitive Damages ................................................................. 544 (2) Treble Damages oder Mehrfachschadensersatz ...................... 547 dd) Haftungsrecht und gesellschaftlicher Wandel: Erfassung kollektiver Schadensvorgänge? ................................................................ 550 c) Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten einer kollektiven Geltendmachung von Ansprüchen gegen Insider ................................................ 553 aa) Class actions .............................................................................. 554 bb) Klage eines Anlegerschutz-Verbandes ........................................ 557 (I) Ersatzfahigkeit von Vorhaltekosten als Verbandsschaden? ..... 558 (2) Übertragbarkeit der GEMA-Rechtsprechung? ................... ..... 559 (3) Verteilung des ausgekehrten Vorteils an die Anleger? ............ 563 3. Ergebnis ............................................................................................... 564 V. Der Einsatz des Ordnungswidrigkeitenrechts in Abgrenzung zur strafrechtlichen Sanktionierung unter dem Aspekt des Subsidiaritätsprinzips .. 564
1. Die Geldbuße des Ordnungswidrigkeitenrechts ....... ....... ............. .......... 565 a) Funktionen der Geldbuße und funktioneller Vergleich mit der civil penalty des anglo-amerikanischen Rechts ........................................ 565 b) Die Abgrenzung des Strafrechts zum Ordnungswidrigkeitenrecht ..... 569 2. Verzicht auf den Einsatz des Strafrechts zugunsten des Ordnungswidrigkeitenrechts? .................................................................................. 572 a) Reaktion auf insider-Verstöße von hohem Unrechtsgehalt ................ 572 b) Prävention und Strafrecht im Bereich der Wirtschaftskriminalität .... 573 aa) Empirische Untersuchungen zur generalpräventiven Wirkung von Strafiatbeständen ........................................................................ 574 bb) Die Bedeutung der längerfristigen Dimension der Generalprävention ............................................................................................ 578 cc) Die Durchsetzbarkeit der strafrechtlichen Sanktionen gegen insider: Effizienz der Verfolgung von insider-Verstößen ................... 581 c) Ergebnis ........................................................................................... 586 3. Möglichkeiten der Begrenzung des Einsatzes des Strafrechts zugunsten des Ordnungswidrigkeitenrechts ........................................................... 586
2 Mennicke
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Inhaltsverzeichnis a) Die Schaffimg eines Mischtatbestandes ............................................ 587 b) Die Einführung einer Wertgrenze ..................................................... 590 c) Tatbestandliche Differenzienmgen ................................................... 593 aa) Differenzienmg zwischen Primär- und Sekundärinsidern ............ 596 (1) Abgrenzbarkeit der Sekundär- von den Primärinsidern .......... 597
(2) Beispiele einer Differenzienmg ............................................. 601 (3) Vereinbarkeit mit dem Rechtgutskonzept des Insiderhandelsverbots ................................................................................. 605 bb) Differenzierung nach den verschiedenen Tatmodalitäten ............ 608 VI. Der Straf- bzw. Bußgeldrahmen des Insider-Tatbestandes ........................ 613 1. Der Strafrahmen fiir das Verbot der AusnutZWlg von Insider-Informationen ....................................................................................................... 613 2. Die Bußgelddrohung fiir Verstöße gegen das Mitteilungs- und das Empfehlungsverbot ...................................................................................... 616 3. Der Wortlaut der Sanktionsnormen ....................................................... 617 D. Das Insiderhandels-Verbot als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs.2 BGB? . 618 SchluBbetrachtung Anhang: Wesentliche Vorschriften ausländischer Insider-Rechte Literatur
626 629 645
Abkürzungsverzeichnis ABA
Ameriean Bar Assoeiation
A.C.! App Cas
Appeal Cases
affd
affirmed
AK-Bearbeiter
Alternativkommentar
Ala.L.Rev.
Alahama Law Review
Alb.L.Rev.
Alhany Law Review
All.E.R
All England Law Reports
Am.Crim.L.J.
Ameriean Criminal Law Journal
Am.Jur.
Ameriean Jurisprudenee
Anglo-Am.L.Rev.
Anglo-Ameriean Law Review
AO
Abgabenordmmg
BAnz.
Bundesanzeiger
BB
Betriehsherater
BCLC
Butterworth's Company Law Cases
BGBI.
Bundesgesetzblatt
BI.f.Gen.W.
Blätter fiir das Genossensehaftswesen
BNA
Bureau ofNational Affairs
BörsG
Börsengesetz
Brookl.J.Intn'l L.
Brookly Journal ofIntemational Law
Brookl.L.Rev.
Brooklyn Law Review
Bus.Lawyer
Business Lawyer
Cal.L.Rev.
Califomia Law Review
Can.Bar.Rev.
Canadian Bar Review
Cant.L.Rev.
Canterbury Law Review
CCH
Commeree Clearing House
eert. denied
eertiorari denied
C.F.R
Code ofFederal Regulations
Ch
Chaneery Division
Chie. -Kent. L.Rev.
Chieago-Kent Law Reveiw
2·
20
AbkürZWlgsverzeichnis
Cir.
Circuit Court
CJA
Criminal Justice Act
C.Mkt.L.Rev.
Common Market Law Review
COB
Commission des Operations de Bourse
Co. Lawyer
Company Lawyer
Colum.L.Rev.
Columbia Law Review
Comp. & Sec.I.
Companies and Securities Journal
Cong.
Congress
Com.L.Q.
Comell Law Quarterly
Crim.L.Rev.
Criminal Law Review
DB
Der Betrieb
Die AG
Die Aktiengesellschaft
DIT
Deutscher Juristentag
DÖV
Die öffentliche Verwaltung
DTI
Department ofTrade and Industry (UK)
DukeL.I.
Duke Law Journal
DVBI.
Deutsches Verwaltungsblatt
DZWir
Deutsche Zeitschrift fiir Wirtschaftsrecht
E.D.
Eastem District
EEC
European Economic Community
EGABI.
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
EGV / EG-Vertrag
Vertrag über die Europäische Gemeinschaft (bisher: EWGV)
Emory L.I.
Emory Law Journal
EuGHSlg.
Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes
EuR
Europarecht
EuZW
Zeitschrift fiir Europäisches Wirtschaftsrecht
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Fed.Sec.L.Rep.
Federal Securites Law Report
FN
Fußnote
FSA
Financial Services Act
F.Supp.
Federal Supplement
F.2d
Federal Reporter, Second Series
GA
Goltdammer' s Archiv fiir Strafrecht
Geo. Wash.L.Rev.
George Washington Law Review
Abkürztmgsverzeichnis
21
GRURInt.
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Auslandsund intemationaler Teil
Harv.L.Rev.
Harvard Law Review
Hast.L.l
Hastings Law Journal
HAZ
Hannoversche Allgemeine Zeitung
HBR
Händler- und Beraterregeln
HdWW
Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft
HKLR
Hong Kong Law Reports
Hofstra L.Rev.
Hofstra Law Review
HR.Rep.
House ofRepresentatives Report
HWiStR
Handwörterbuch für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht
I.C.L.Q.
Intemational and Comparative Law Quarterly
IDA
Company Securities (Insider Dealing) Act
IHR
Insiderhandels-Richtlinien
Intn'l Rev.L. & Econ.
International Review ofLaw and Economics
ITSA
Insider Trading Sanctions Act
ITSFEA
Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act
lBus.L.
Journal ofBusiness Law
lComp.Bus.Cap.Mkt.L
Journal ofComparative Business and Capital Market Law
J.Corp.L.
Journal ofCorporation Law
lCrim.L.& Criminol.
Journal ofCriminal Law & Criminology
J.Fin.
Journal ofFinance
JIBL
Journal ofInternational Banking Law
lL. & Econ.
Journal ofLaw and Economics
J.Leg.Stud.
Journal ofLegal Studies
J.Pol.Econ.
Journal ofPolitical Economy
Jur.Rev.
Juridicial Review
KK -Bearbeiter
Kölner Kommentar zum Aktiengesetz
KK OWiG -Bearbeiter
Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz
LK -Bearbeiter
Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch
L. & Pol. Intn'l Bus.
Law and Policy in International Business
Md. L. Rev.
Maryland Law Review
Mich.L.Rev.
Michigan Law Review
M.L.Rev.
Modern Law Review
22
Abkürzungsverzeichnis
MSchrKrim
Monatsschrift für Kriminologie Wld Strafrechtsreform
Miinch.Komm.
Miinchener Kommentar
N.E.
North Eastern Reporter
N.C.L.Rev.
North Carolina Law Review
N.L.J.
NewLaw Journal
NW.J.Intn'l L. & Bus.
Northwestern Journal ofInternational Law and Business
Nw. Univ.L.Rev.
Northwestern University Law Review
N. Y.L.S.L.Rev.
New York Law School Law Review
NZLR
New Zealand Law Reports
NZV
Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht
Ohio St.L.J.
Ohio State Law Journal
Oxf J.Leg. Stud.
Oxford Journal ofLegal Studies
Pa.
Pennsylvania
P.C.
Privy COWlcil
Pub.L.
Public Law
Q.B.
Queen's Bench Division
RabelsZ
Zeitschrift für ausländisches Wld Internationales Privatrecht, begründet von Rabel
Rev.int.dr.comp.
Revue Internationale de Droit Compare
RGRK -Bearbeiter
Reichsgerichtsrätekommentar
RICO
Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act
SA
Securities Act
SAG
Die Schweizerische Aktiengesellschaft
S.Cal.R.Rev.
South California Law Review
SchwStGB
Schweizerisches Strafgesetzbuch
SchwZStR
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht
S.D.N.Y.U.S.
District Court for the Southern District ofNew York
SEA
Securities Exchange Act
SEC
Securities and Exchange Commission
Sec.Reg.L.J.
Securities Regulation Law Journal
Sec.Reg.L.Rep.
Securities Regulations Law Reports
sect.
section
Sess.
Session
sm
Securities and Investment Board
AbkürZlUlgsverzeichnis SJZ
Schweizerische Juristenzeitung
SK -Bearbeiter
Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch
S.Rep.
Senate Report
S.S.E.
Statut fiir Societas Europaea, Vorschlag der Kommission
Stan.L.Rev.
Stanford Law Review
Stetson Hall L.J.
Stetson Hall Law Journal
StV
Strafverteidiger
Suff.Univ.L.Rev.
Suffolk University Law Review
Sup.Ct.L.Rev.
Supreme Court Law Review
TLR
Times Law Reports
U.C. Davis L.Rev.
University of California Davis Law Review
U.C.L.A L.Rev.
University of Califomia Los Angeles Law Review
UK
United Kingdom
Univ.Chic.L.Rev.
University of Chicago Law Review
Univ.Cin.L.Rev.
University ofCincinnati Law Review
23
Univ.Detroit L.Rev.
University ofDetroit Law Review
Univ.lli.L.Rev.
University oflllinois Law Review
Univ.Miami L.Rev.
University ofMiami Law Review
Univ.Penn.L.Rev.
University ofPennsylvania Law Review
U.S.
United States Supreme Court Reports
U.S.C.
United States Code (annotated)
v.
versus
Va.L.Rev.
Virginia Law Review
Vand.L.Rev.
Vanderbilt Law Review
VerfO
Verfahrensordnung
WarnR
Rechtsprechung des Reichsgerichts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts abgedruckt ist, hrsg. von Wameyer
Wash. & Lee L.Rev.
Washington & Lee Law Review
WBI.
Wirtschaftsrechtliche Blätter
WiKG
Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität
Wisc.L.Rev.
Wisconsin Law Review
WiStG
Wirtschaftsstrafgesetz
wistra
Zeitschrift fiir Wirtschaft, Steuer, Strafrecht
WpHG
Wertpapierhandelsgesetz
24
AbkÜIZWlgsverzeichnis
Yale 1. on Reg.
Yale Journal on Regulation
ZBB
Zeitschrift fiir Bankrecht Wld Bankwirtschaft
ZfgK
Zeitschrift fiir das gesamte Kreditwesen
ZGR
Zeitschrift fiir Gesellschafts- Wld Untemehmensrecht
ZHR
Zeitschrift fiir das gesamte Handels- Wld Wirtschaftsrecht
ZIP
Zeitschrift fiir Wirtschaftsrecht
ZRP
Zeitschrift fiir Rechtspolititik
ZStW
Zeitschrift fiir die gesamte Strafrechtswissenschaft
Im übrigen wird Bezug genommen auf Kirchner, Hildebert: AbkürZWlgsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Aufl, Berlin - New York 1993.
Das Geschäft mit Aktien ist ein Handel, "der vielleicht mit den größten Intrigen Wld Listen betrieben (wird), die nur je Wlter der Maske der Ehrlichkeit zu erscheinen wagten. Es ist ein Handel, auf Betrug gegriindet, von TäuschWlgen getragen, durch Betrügerei, Schmeichelei, FälschWlgen, Wlwahre Gerüchte Wld alle Arten von Blendwerk genährt. " Daniel Defoe, 1719
Einleitung A. Einführung Die Problematik des Insiderhandels 1 an der Wertpapierbörse, d.h. allgemein des Kaufs und Verkaufs öffentlich gehandelter Wertpapiere unter Ausnutzung kursrelevanter Informationen, die nicht allgemein, sondern nur wenigen Personen bekannt sind, die frühzeitig von den entsprechenden Umständen etfahren haben, hat in jüngster Zeit erneut an Bedeutung und Interesse gewonnen, nicht nur, aber besonders in der Bundesrepublik Deutschland. Zwar ist dieses Thema in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten mehtfach Gegenstand rechtlicher Erörterungen gewesen, die auch zu eigenen Regelungsvorschlägen geführt haben,2 jedoch ist es erst zum 01. August 1994 zu einer gesetzlichen Regelung gekommen. So wurden im November 1970
Im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch "insider dealing" oder "insider trading". Der Begriff "Insider" ist mittlerweile fester Bestandteil des deutschen Sprachgebrauchs geworden (Anger, Insiderregeln, S.5) Wld hat im Zusammenhang des Effektenhandels·an der Börse eine eigene, allgemein benutzte Wld verstandene BedeutWlg erlangt, was sich an zahlreichen VeröffentlichWlgen im deutschen Sprachraum zeigt sowie an der BezeichnWlg der bisherigen deutschen RegelWlg als Insiderhandels-Richtlinien. Frühere Versuche einer Übersetzung, wie durch Prion, PreisbildWlg, S.24, mit "Eingeweihter" Wld Horn, ZHR 136 (1972), 369 (370), mit "Innenseiter", haben sich nicht durchgesetzt. 2 Als wichtigste seien genannt der Vorschlag von Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, die schon 1973 eine europäische LösWlg vorschlugen, sowie der des Arbeitskreises Gesellschaftsrecht (G. Hueck, Lutter, Mertens, Rehbinder, UImer, Wiedemann, Zöllner) von 1976.
26
Einleitlmg
aufgrund der "Empfehlungen der Börsensachverständigenkommission beim Bundeswirtschaftsministerium zur Lösung der sog. Insider-Probleme"3 von den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und den Wertpapierbörsen die sogenannten Insider-Regeln erlassen, die aus den Insiderhandels-Richtlinien und den Händler- und Berater-Regeln, ergänzt durch Erläuterungen und eine Verfahrensordnung, 4 bestehen und bislang zweimal, 1975 und zuletzt 1988, überarbeitet und geändert wurden. 5 Diese Regeln, die jetzt von den neuen gesetzlichen Vorschriften abgelöst wurden,6 stellten einen Selbstkontrollmechanismus der beteiligten Wirtschaftskreise auf freiwilliger Basis dar. Eine spezielle gesetzliche Norm zur Erfassung des Insiderhandels ist in der Bundesrepublik Deutschland im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Staaten, den USA und Japan und somit den bedeutendsten Finanzplätzen erst jetzt verabschiedet worden, wobei nicht außer acht gelassen werden kann, daß die wichtigsten Impulse zu der - international gesehen - vergleichsweise späten gesetzlichen Regelung des Insiderhandels in Deutschland von außen kamen. 7 Am 13. November 1989 wurde nach langen Vorarbeiten und mehreren Anläufen die europäische "Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte"8 erlassen, die die Mitgliedstaaten gemäß Art. 14 Abs.l der Richtlinie bis zum 1. Juni 1992 in nationales Recht zu transformieren hatten. Die Bundesrepublik hatte diesen Termin erwartungsgemäß nicht eingehalten; die Gesetzgebungsarbeiten erfolgten unter Federführung des Bundesfinanzministeriums unter Beteiligung des Bundeswirtschafts- und Bundesjustizministeriums. Mitte Januar 1992 legte Bundesfinanzminister Waigel ein erstes Rahmenkonzept für eine Gesetzesnovelle vor, das "Konzept 3 Abgedruckt bei Hopf/Will, Europäisches Insiderrecht, Materialien, M-I00-104; Bremer, Die Börsensachverständigenkommission, Dokument 6, S. 104 ff. Bremer, selbst Mitglied der Kommission, berichtet dort umfassend über deren Tätigkeit in den Jahren 1968-1975. 4 Die Erläuterungen und die Verrahrensordmmg sind von den Spitzenverbänden der Wirtschaft in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Wertpapierbörsen erarbeitet worden.
5 Der Text ist abgedruckt ua. bei Baumbach/Duden/Hopf, HGB, Handelsrechtl. Nebengesetze, Nr.16 f, und in: Die AG 1988, 293 ff., sowie in der Fassung von 1976 bei Rodrian, Insider-Regelungen. 6 Für "Altfälle" bleiben die bisher geltenden Regelungen noch anwendbar.
7
Assmann, Die AG 1994, 196 (196).
Richtlinie 89/592/EEC, EGABI. Nr. L 334 vom 18.11.1989, S.30-32; auch veröffentlicht in EuzW 1990, 126-128, und in WM 1989, 1829-1831. Die englische Fassung findet sich bei Hopf/Wymeersch (Hrsg.), European Insider Dealing, S.382-388. 8
A. Einfiihnmg
27
Finanzplatz Deutschland", das die Notwendigkeit eines allen internationalen Ansprüchen genügenden Finanzmarktes und speziell auch eines international wettbewerbsfähigen Börsenwesens betonte und die groben Umrisse der zukünftigen deutschen Insider-Regelung erkennbar werden ließ.9 Ein darauf basierender Diskussionsentwurf wurde am 12. Juli 1992 vorgelegt und den Börsen und den Verbänden mit der Bitte um Stellungnahme zugeschickt.1 0 Ende August 1992 nahm der Zentrale Kreditausschuß aus der Sicht der Kreditwirtschaft zu den vorgesehenen Bestimmungen Stellung. Dabei wurden einige Regelungen kritisiert, weil sie den Finanzplatz aus Sicht der Banken zu sehr behinderten; auch einige Änderungsvorschläge wurden unterbreitet. 11 Der endgültige Entwurf, der von Bundesrat und Bundestag behandelt werden mußte, wurde dann Anfang November 1993 vom Bundeskabinett beschlossen. 12 Der Bundestag verabschiedete die neuen gesetzlichen Vorschriften im Juni 1994. 13 Die Regelung des Insiderhandels ist danach Teil einer umfassenden Novellierung großer Teile des Bank- und Börsenrechts, des sogenannten "Zweiten Finanzmarktforderungsgesetzes", das zur Stärkung des organisierten Kapitalmarktes, gerade auch im internationalen Wettbewerb der Finanzmärkte, beitragen soll. Das "Zweite Finanzmarktforderungsgesetz" besteht aus insgesamt 20 Artikeln, deren mit Abstand wichtigster Bestandteil Artikel 1 bildet, mit dem ein neues Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) eingeführt wird. Im Mittelpunkt dieses neuen Gesetzes stehen die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel, die Unterbindung und Verfolgung von Insider-Aktivitäten, Publizitätserfordernisse für bedeutende Beteiligungstransaktionen 9 HAZ vom 17.01.1992, S.5; Handelsblatt vom 17./18.01. 1992, S.10; abgedruckt in WM 1992, 420 ff. (insbes. S.423 zur Insider-Regehmg). Siehe dazu ausfiihrlich die Darstellung des Konzeptes "Finanzplatz Deutschland" des Bundesfinanzministeriums bei Hamen, Die AG 1992, R 70-73; vgl. auch Kümpel, WM 1992, 381-391, und Claussen, ZBB 1992, 73 (73). 10 Siehe FAZ vom 13.07.1993, S.17, und vom 15.07.1993, S.17; HAZ vom 13.07.1993, S.l1. Ein kurzer Überblick findet sich in BB 1993, 1435. 11 Siehe FAZ vom 28.08.1993, S.10. Ausfiihrlich Jüften, Die Bank 1993, 601-607; der Verfasser ist Abteilungsdirektor im Geschäftsbereich "Wertpapier und Börse" des Bundesverbandes deutscher Banken. 12 BR-Drucks. 793/93 vom 05.11.1993; siehe auch FAZ vom 04.11.1993, S.ll, und HAZ vom 04.11.1993, S.5. Zum RegierungsentwuIf des "Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes" siehe die Darstellungen von Krimphove, JZ 1994, 23-30; Happ, JZ 1994, 240-246 (zum Wertpapierhandelsgesetz); Peltzer, ZlP 1994, 746-752, und Claussen, DB 1994,27-31 (speziell zur Insider-Regelung). 13 Vgl. die Beschlußempfehlung und den Bericht des Finanzausschusses in BTDrucks. 12/7918 vom 15.06.1994.
28
Einleitung
und Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsuntemehmen. Zum Gesetzesinhalt gehören daneben weiterhin eine Änderung des Gesetzes über die Kapitalanlagegesellschaften (KAGG), eine Novellierung und Erweiterung des Börsengesetzes (BörsG), das dadurch zu einem Wertpapierhandelsgesetz weiterentwickelt worden ist, und eine Neukonzeptionierung der Börsen- und Marktaufsicht. 14 Das neue deutsche Insider-Recht, das am 01. August 1994 in Kraft trat, ist in Abschnitt 3 des Gesetzes über den Wertpapierhandel (WpHG) geregelt. 15 Das Bestreben der Bundesregierung, eine solche "globale" Regelung vorzunehmen, ist ein wesentlicher Grund dafür, daß sich die Gesetzgebungsarbeiten hinsichtlich der Umsetzung der EG-Richtlinie zum Insiderhandel derart verzögert hatten. So sollte in diesem Gesetz neben der Insider-Richtlinie und der EG-Transparenzrichtlinie 16 nach ursprünglichen Planungen auch die Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen, die erst im Mai 1993 vom Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft verabschiedet wurde,17 vollständig einbezogen werden,18 weil diese die Schaffung eines Wertpapieraufsichtsamtes vorsieht. Der Inhalt dieser Richtlinie wurde als mitentscheidend für den Umfang der Marktaufsicht und für die Kompetenzen der neuen Marktaufsichtsbehörde angesehen,19 die zugleich als die "Verwaltungsstelle" im Sinne von Art.8 der urnzus~tzenden EG-Richtlinie über Insider-Geschäfte mit der Überwachung der Insiderhandelsbestimmungen einzusetzen war. 20 Die Börsenaufsichtsfrage 14 Zum neuen Börsenaufsichtsrecht siehe Claussen, DB 1994,969-974. 15 BGBl. I vom 30.07.1994, S.1749-1785; das neue Wertpapierhandelsgesetz fmdet
sich auf S.1749-1760. Eine ausführliche Darstellung des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes findet sich bei M. Weber, NJW 1994, 2849-2860, speziell der InsiderVorschriften S.2851-2854.
16 Richtlinie des Rates über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen, EGABl. Nr.L 348 vom 17.12.1988, S.62-65. 17 Richtlinie des Rates über Wertpapierdienstleistungen, EGABl. Nr.L 141 vom 11.06.1993, S.27-46; hierzu Schäfer, Die AG 1993, 389-394. 18 In der endgültigen Fassung des Wertpapierhandelsgesetzes sind in Abschnitt 5 (§§ 31-37 WpHG) in teilweiser Umsetzung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie Verhaltensregeln (mies of conduct) für WertpapierdienstleistungslUlternehmen statuiert worden. 19
Kümpel, WM 1992,381 (386).
20 FAZ vom 26.01.1993, S.ll. Dieses die Verzögerung der Umsetzung hervorrufende Vorgehen kritisierte schon 1992 (iraf LambsdorfJ. Das Wertpapier 1991, 1280 (1282).
A. Einführung
29
und die Problematik der Insider-Regelung sind damit in der Sache eng miteinander verwoben. So ist nun zum 01. Januar 1995 auch für die Wahrnehmung zentraler Aufsichtsfunktionen auf dem Gebiet des börslichen und außerbörslichen Wertpapierhandels, zu deren wichtigster die Überwachung von InsiderGeschäften gehört, ein eigenständiges Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel geschaffen worden, das als Bundesoberbehörde dem Bundesfinanzministerium zugeordnet ist. Weitere Verzögerungen bei der Verabschiedung des "Zweiten Finanzmarktforderungsgesetzes" und damit bei der Umsetzung der Insider-Richtlinie traten wegen Differenzen zwischen Bund und Ländern bezüglich der Kompetenzen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Börsenaufsicht, insbesondere wegen der beabsichtigten Ausweitung der Rechtsaufsicht über die Börsen zu einer zentralen Marktaufsicht über den gesamten Wertpapierhandel, auf.2 1 Durch die Richtlinie wurde somit auch in der Bundesrepublik eine gesetzliche Normierung des Insiderhandels unumgänglich. Ein Vollzug der Richtlinie durch eine Änderung der freiwilligen Insider-Regeln in Form einer Anpassung an die Vorgaben der EG-Regelung war nicht möglich; das bis dahin geltende System wäre allenfalls als Vervollständigung einer Insider-Gesetzgebung beizubehalten gewesen. 22 Schon die Durchsetzung allein durch privatrechtliche Organe der Börsenselbstverwaltung, die Insider-Prüfungskommissionen (vgl. § 1 der Verfahrensordnung), wäre mit den Vorschriften der EG-Richtlinie nicht vereinbar gewesen.2 3 Vor allem aber ist der Ansatz der InsiderhandelsRichtlinien, ihre Geltung von der freiwilligen Unterwerfung der Unternehmen und ihren Insidern abhängig zu machen, mit dem von der EG-Richtlinie ver-
21 Vgl. nur die Meldungen zur Überwindung dieser Differenzen vom Januar 1993, z.B. Handelsblatt vom 21.01.1993, S.35; FAZ vom 26.01.1993, S.l1. Zur künftigen Struktur der Börsenaufsicht siehe die Übersicht bei Jütten, Die Bank 1993, S.601 (601 f.); ders., Die Bank 1994,34 (34 f, 36), und bei Krimphove, JZ 1994,23 (28). 22 Dafiir Weiter in: Büschgen/Schneider (Hrsg.), Der europäische Binnenmarkt, S.315 (328). 23 Art.8 Abs.2 verlangt die Benennung von "Verwaltungsstellen", die "über die fiir die Erfiillung ihrer Aufgabe notwendigen Kompetenzen sowie Kontroll- und Ermittlungsbefugnisse verfugen." Eine Möglichkeit wäre eine gesetzliche Übertragung von Kompetenzen auf die Insider-Prüfungskommissionen. Das forderten anfangs Bankenverbände und Börsen; vgl. auch Hübscher in: Büschgen/Schneider (Hrsg.), Der europäische Binnenmarkt, S.329 (338); Wirz, KaRS (Kapitalanlagen, Wirtschaft, Recht, Steuern) 1990, 338 (341); fiir eine Beleih\Dlg Walther in: Festschrift fiir Heinsius, S.875 (886 f).
30
Einleitung
langten gesetzlichen Verbot unvereinbar. 24 Die sich angeblich aus der Flexibilität der Insiderhandels-Richtlinien ergebenden Vorteile der bestehenden freiwilligen Regelung betonenden Vertreter der Börsen und Bankenverbände25 gaben so auch ihren Widerstand auf und fügten sich in die Notwendigkeit einer gesetzlichen Festlegung,26 da sie eingesehen hatten, daß das Ansehen des Finanzplatzes Deutschland unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs mit anderen internationalen Finanzplätzen allgemein anerkannte rechtliche Standards zur Sicherung des Börsenfunktionen- und Anlegerschutzes benötigt.27 Wie wichtig in diesem Zusammenhang gerade eine Marktaufsicht ist,28 zeigt die Ablehnung der US-amerikanischen Börsenaufsicht, der Securities and Exchange Commission (SEC), im Jahre 1991, an der Wall Street den Handel mit Optionen auf den Deutschen Aktienindex (DAX) zuzulassen, mit der Begründung, daß in Deutschland die Börsenaufsicht völlig unzureichend sei 29 .J0 24 Hopt, ZGR 1991,17 (57); Wirz, KaRS (Kapitanlagen, Wirtschaft, Recht, Steuern) 1990,338 (340); U. Koch, NJW 1992,404 (406). 25 Vgl. dazu exemplarisch Walther in: Festschrift fiir Heinsius, S.875 (883); ders., in: Festschrift fiir Werner, S.933- 954. Walther ist Syndikus beim BDI in Köln. So auch schon 1975 vor der ersten Überarbeitung der Insiderhandels-Richtlinien Zahn, Die AG 1975, 169 (174), der nicht nur die Flexibilität freiwilliger Regeln hervorhob, sondern auch den durch sie ausgelösten "psychologischen Zwang", dem sich niemand entziehen könne, da sie vom "Bewußtsein der Allgemeinheit getragen" würden. Zahn war damals Verwaltungsratsvorsitzender einer Bank und gleichzeitig Präsident der Rheinisch-Westfälischen Börse und damit sozusagen Doppel-Insider. 26 Siehe von Rosen, damls Vorstandssprecher der Frankfurter Wertpapierbörse AG, WM 1991, 623, unter dem Aspekt der Notwendigkeit grenzübergreifender Aufsichtsstrukturen. Von Rosen hat sich dann auch fiir eine zügige Umsetzung der Richtlinie ausgesprochen; so auf einem Vortrag beim Institut fiir Kapitalmarktforschung am 03.07.1991 in Frankfurt über "Entwicklungstendenzen im europäischen Börsensystem" , Manuskript S.16. Walther, Festschrift fiir Heinsius, S.875 (885), nennt es "müßig, diesen Disput (über ein Bedür:fuis fiir die EG-Richtlinie) fortzusetzen; vielmehr geht es jetzt um ihre Durchfiihrung und den hierbei zu beschreitenden Weg." 27 Aus diesm Grund forderte u.a. der Bankenverband Hessen e. V. eine gesetzliche Regelung der Insider-Problematik; Die AG 1992, R 8. Auch das Konzept "Finanzplatz Deutschland" des Bundesfinanzministeriums betonte diesen Aspekt. 28 Eine solche und nicht nur eine Rechtsaufsicht besteht schon seit langem im Bank- und Versicherungswesen. 29 Siehe Handelsblatt vom 19.09.1991, S.37; kritisch zur Haltung der SEC McLaughlin, Die AG 1992, R 78 f 30 Daraufweisen Graf LambsdorJ!. Das Wertpapier 1991, 1280 (1281), und Heldmann, ZfgK 1992,480 (480, 484 FN 2), hin. GrafLambsdorffist Präsident der Deutschen Schutzvereinigung fiir Wertpapierbesitz (DSW).
A. Einfiihnmg
31
Gerade die Geschehnisse im Mai 1993 um den im Anschluß daran zurückgetretenen ehemaligen IG-Metall-Vorsitzenden Franz Steinkühler belegten dieses einmal mehr und haben entsprechende Befürchtungen um den Ruf des Finanzplatzes Deutschland laut werden lassen. 31 Die sogenannte "Insider-Affare", wie der Frankfurter Börsenskandal vom Sommer 1991 in der Presse bezeichnet wurde,32 hat letztendlich zu einem Umdenken in der Bankenbranche geführt, denn schließlich stand angesichts der erhobenen Vorwürfe das Ansehen des gesamten deutschen Kapitalmarktes und Bankwesens auf dem Spiel. Beispielhaft zeigt das der Inhalt eines von mehreren anonymen Briefen an die Frankfurter Staatsanwaltschaft, in dem insgesamt zehn Mitarbeiter verschiedener Banken und Freimakler des Ringhandels bezichtigt und der Gewinnabschöpfung zu Lasten von Banken und Kunden beschuldigt wurden. 33 Die Frankfurter Börsenaffare wurde im Juni 1991 ausgelöst durch einen in der Zeitschrift "Effecten-Spiegel" veröffentlichten anonymen Brief zu angeblichen "Machenschaften in der Börsenabteilung der Deutschen Bank".34 Der Vorwurf richtete sich gegen drei Mitarbeiter der Börsenabteilung der Deutschen Bank und einen Journalisten der Fernsehsendung "Tele-Börse"; diese sollten vor in der Sendung ausgesprochenen Empfehlungen speziell von Optionsscheinen Vorkäufe in diesen Papieren getätigt haben. Die Insider-Prüfungskommission der Frankfurter Wertpapierbörse unter Vorsitz von Oberlandesgerichtspräsident i.R. Friedrich earl zur Megede nahm sofort Ermittlungen auf,35 um die Vorwürfe zu prüfen. Nach drei Monaten wurde festgestellt, daß aufgrund eines nach der Vorprüfung fehlenden hinreichenden Tatverdachts kein förmliches Insider-Verfahren eingeleitet werde. Verstöße gegen die Händler- und Beraterregeln, die zusammen mit den Insiderhandels-Richt31 So z.B. der frühere BlUldesbank-Präsident Pöhl, siehe HAZ vom 24.05.1993, S.I; vgl. auch den Bericht in der HAZ vom 18.05.1993, S.3, lUld Mennicke, Co.Lawyer 15 (1994), 155 (155). 32 Vgl. z.B. Handelsblatt vom 26./27.07.1991, S.2 ("Insider-Affäre hat dem Ansehen der Börse geschadet"), vom 08.08.1991, S.19 ("Insider-Affäre weitet sich aus"), vom 10.09.1991, S.1 0 ("Insider-Affäre nimmt größere Dimensionen an"). 33 In dem Brief hieß es weiter, daß die genannten Personen zweimal jährlich zusammen verreist seien, um "wenigstens einen Teil der angehäuften Gelder zu verprassen"; FAZ vom 18.07.1991, S.14 lUld vom 19.07.1991, S.22. 34 Effecten-Spiegel 25/1991, S.2. - Zur weiteren EntWickllUlg: Effecten-Spiegel 2711991, S.2; 29/1991, S.2; 38/1991, S.4; 39/1991, S.4. 35 FAZ vom 19.06.1991, S.20 lUld vom 22.06.1991, S.14.
32
EinleitWlg
linien die bislang an deutschen Börsen geltenden Insider-Regeln bildeten, seien nicht festzustellen,36 so daß daher seitdem gegen keine Personen in diesem Zusammenhang mehr seitens der Kommission ermittelt wurde. 37 Die Deutsche Bank zog Konsequenzen aus der Affäre: Sie dementierte zwar zunächst, daß bei den namentlich angegriffenen Mitarbeitern Verstöße gegen die Händler- und Beraterregeln vorlägen,38 beurlaubte dann aber den in dem Brief beschuldigten für den Optionsscheinhandel zuständigen Abteilungsdirektor und sprach ihm wenig später die fristlose Kündigung aus. Begründet wurde dieses nicht mit einem Verstoß gegen die Händler- und Beraterregeln, sondern mit der "Nichtbeachtung interner Richtlinien der Bank außerhalb des Börsenbereichs", die sich bei der aufgrund der anonymen Beschuldigungen sofort eingeleiteten Innenrevision ergeben hätten.3 9 Noch im Januar 1992 wurden zwei Mitarbeiter der Deutschen Bank wegen "Unregelmäßigkeiten" bei der internen Abwicklung von Wertpapiergeschäften fristlos entlassen, wobei allerdings jeglicher Zusammenhang mit dem Frankfurter Börsenskandal vom Vorsommer bestritten wurde. 40 Andere Kreditinstitute leiteten nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe ebenfalls sofort interne Revisionsverfahren ein. So trennte sich die Dresdner Bank im September 1991 von fünf Mitarbeitern ihrer Wertpapierhandelsabteilung in Frankfurt. Auch hier wurde als Grund ein Verstoß gegen interne Regeln genannt mit der Folge, daß das Vertrauensverhältnis nicht mehr habe fortbestehen können. 41 Die Aufdeckung der Frankfurter Vorfalle führte darüber hinaus zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen aufgrund folgender Sachverhalte: Händler hatten zu Beginn der Börsensitzung, wenn Großaufträge bereits vorlagen, auf ei-
36 Handelsblatt vom 16.09.1991, S.2 ("Einsatz in Mainhattan") Wld S.12; Börse Online 3/1991, S.9; Die AG 1991, R 374; Liesken. Bankkaufmann 9/1991, 36 (36). 37 Wegen eines vergleichbaren Falles beauftragte der Vorstand der Deutschen Börse AG Ende Juli 1994 Wld damit kurz vor Inkrafttreten des neuen Insider-Straftatbestandes die Insider-Prüfimgskommission, Vorwfufen nachzugehen, nach denen Makler sich in Kenntnis von bevorstehenden Großaufträgen vorab mit dem betreffenden Wertpapier eingedeckt haben sollen. Außerdem hat die Frankfwter Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang gegen fiinf Personen ErmittlWlgen wegen SteuerhinterziehWlg aufgenommen; siehe HAZ vom 26.07.1994, S.6. 38 Handelsblatt vom 03.07.1991, S.2. 39 FAZ vom 02.07.1991, S.15 Wld vom 05.07.1991, S.15; Liesken. Bankkaufmann 9/1991,36 (36). 40 HAZ vom 10.01.1992, S.5. 41 Handelsblatt vom 16.09.1991, S.12; Die AG 1991, R 374.
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gene Rechnung vorgekauft - zum Teil auch zum Nachteil der eigenen Bank oder des eigenen Auftraggebers - um nach Abwicklung der Großaufträge auf erhöhtem Kursniveau einen entsprechenden Gewinn zu erzielen. Den Spekulationsgewinn hatten sie anschließend nicht einmal versteuert. Dementsprechend bezogen sich die Ermittlungsverfahren gegen die Beteiligten auch nur auf die Tatbestände der Steuerhinterziehung und Untreue, da es damals noch keinen speziellen Insider-Tatbestand gab; letztendlich hat die Staatsanwaltschaft in Frankfurt ihre Ermittlungen auf 370 Personen, zumeist auf dem Börsenparkett tätige Händler oder Makler, wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ausgedehnt, in rund 20 Fällen sollte der Vorwurf der Untreue überprüft werden. 42 Die Beschuldigten sollen teilweise Steuern in sechs- und siebenstelliger Höhe hinterzogen haben. 43 Das erste Urteil wurde im März 1993 vom Landgericht Hanau gesprochen: Ein Börsenhändler wurde wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zur Bewährung verurteilt und mußte außerdem DM 800 000,- als Bewährungsauflage an die Staatskasse zahlen. 44 Bis zu diesem Zeitpunkt waren 60 bis 70 Verfahren ohne Hauptverfahren abgeschlossen worden. 45 Es ist richtig, daß es sich in diesen Fällen von Steuerhinterziehung und Untreue nicht um Insider-Geschäfte im Sinne der freiwilligen Insider-Regeln handelte, da es nicht um die mißbräuchliche Verwertung nicht allgemein zugänglicher Unternehmensdaten ging (vgl. § 1 Nr.3 IHR)46 So wurde auch in Bank- und Börsenkreisen beklagt, daß Anleger aufgrund der Schlagzeilen und Pressemeldungen, die von einem "Insider-Skandal" sprachen, verunsichert würden, da sie beim Lesen wohl kaum eine klare Trennung zwischen Steuerund Insider-Verstößen vornehmen WÜrden. 47 Damit wird allerdings verdeckt, 42 Handelsblatt vom 10.09.1991, S.10; Perina, Die Zeit vom 03.04.1992, S.25; Otto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S.65 (68). 43 Handelsblatt vom 08.08.1991, S.19. 44 Die Richter sahen es als etwiesen an, daß der Händler von 1986 bis 1990 dem Fiskus insgesamt DM 248 000,- Steuern, die er auf private Gewinne aus Spekulationsgeschäften hätte abführen müssen, vorenthalten hatte; HAZ vom 17.03.1993, S.6. 45 HAZ vom 17.03.1993, S.6. Bei geringen Vergehen ergingen Strafbefehle in Verbindung mit Geldstrafen. 46 Otto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S.65 (68); Graf Lambsdorff, Das Weltpapier 1991, 1280 (1280); Claussen, ZBB 1992, 73 (77). 47 So hat auch die Insider-Prüfungskommission bedauert, daß unter dem Begriff eines "Insiderskandals am Frankfillter Platz" die Gesamtheit auch der Steuelvergehen angesprochen wurde, die "keineswegs den Tatbestand von Verstößen gegen die insider-Regeln erfiillen"; so zitiert im Jahresbericht 1991 der Arbeitsgemeinschaft der 3 Mennicke
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EinleitWlg
daß die rein marktbezogenen Informationen, die bei den Kursschnittgeschäften genutzt wurden, nach Art. I der EG-Richtlinie und nach der Transformationsnorm des § 13 WpHG durchaus als Insider-Informationen einzuordnen wären,48 und Ursache dafür, daß diese Praktiken nicht unter die InsiderhandelsRichtlinie fielen, vielmehr deren enger Anwendungsbereich ist.
Die Darstellung des Frankfurter "Insider-Skandals" zeigt, daß die Kreditinstitute zwar nach außen darauf bedacht waren, den Zusammenhang mit eventuellen Insider-Transaktionen zu verneinen, indem sie ihre aus der Affäre gezogenen Konsequenzen mit Verstößen gegen interne Regelungen begründeten, gegen die hart vorgegangen würde. Allerdings ist angesichts der Tatsache, daß aufgrund dieser Vorgänge das Ansehen des deutschen Bank- und Börsenwesens auch international auf dem Spiel stand,49 die Einsicht gewachsen, daß die bisher bestehenden Regeln nicht in der Lage gewesen sind, unerwünschte Transaktionen von Händlern an der Börse zum Nachteil der Allgemeinheit zu verhindern. Dieses gilt zum einen fur bankinterne Regelungen, nach denen bislang Geschäfte der Mitarbeiter auf eigene Rechnung zwar stark reglementiert,50 aber gerade bei den Großbanken doch zulässig waren und im Vergleich zu ameri-
Deutschen Wertpapierbörsen, S.44. Siehe auch StellWlgnahme der Dresdner Bank AG vom 03.04.1992 in einem Schreiben an die Venasserin (S.5). 48 Otto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S.65 (68); vgl. dazu Hopf in: Festschrift für Heinsius, S.289 (296), Wld ausführlich Tippach, WM 1993, 1269-1274. 49 Von Metzler, Präsident der Frankfurter Wertpapierbörse, gab zu, daß diese Ereignisse geeignet seien, daß Veltrauen heimischer Wld internationaler Investoren in den deutschen Kapitalmarkt zu erschüttern; vgl. Wall Street Journal vom 05.09.1991, S.7.
50 Siehe die "Leitsätze für eigene Wertpapiergeschäfte von Bankangehörigen" (EmpfehlWlg der Spitzenverbände des Kreditgewerbes), deren UmsetZWlg dem innenverhältnis zwischen Arbeitnehmer Wld Arbeitgeber vorbehalten bleibt. Danach dürfen z.B. Mitarbeiter keine Weltpapiergeschäfte bewußt zum Nachteil des eigenen Instituts oder eines KWlden abschließen; vgl. Groß, BörsenzeitWlg vom 09.08.1991 (zitiert nach Deutsche BWldesbank, Auszüge aus Presseartikeln, Nr.60 vom 12.08.1991, S.3 f). Diese Leitsätze wurden erarbeitet Wld empfohlen in UmsetZWlg der Verlautbarwtg des BWldesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom 30.12.1980 (Consbruch/MöllerlBähre/Schneider, KWG-TextsammIWlg,OrdnWlgsnr. 19.03), die Anforderwtgen an das Wertpapierhandelsgeschäft der Kreditinstitute aus aufsichtsrechtlicher Sicht defmiert hat. Die Leitsätze stellen eine inhaltliche AusgestaltWlg der RahmenregelWlg in Nr.12 dar, wonach die Kreditinstitute zu regeln haben, ob Wld inwieweit Eigengeschäfte seiner Bediensteten zulässig sind.
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kanischen Instituten recht freizügig gehandhabt wurden,51 da davon ausgegangen wird, daß die Händler sich einen Teil ihres Einkommens durch Börsengewinne erwirtschaften,52 und die festen Gehälter relativ niedrig angesetzt sind. 53 Gerade Eigengeschäfte bergen aber die Gefahr von Mißbrauch und ermöglichen Insider-Transaktionen durch Bankmitarbeiter. 54 So wurden auch von der Deutschen Bank angesichts der Vorfalle sofort schärfere Regeln für die eigenen Wertpapierhändler angekündigt, nach denen unter anderem Eigengeschäfte nur noch mit ausdrücklicher Erlaubnis zulässig sein sollten. 55 Außerdem wurde dort eine völlig neue Kontrollabteilung eingerichtet, die von einem sogenannten Compliance Officer geführt wird, der in der Hierarchie direkt unter dem Vorstand angesiedelt wird, und die für "Sauberkeit" im Wertpapiergeschäft sorgen solJ.56 Mittlerweile finden sich solche Compliance Departments - auch im Zuge des "Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes" - in vielen deutschen Kreditinstituten. Zum anderen aber mehrten sich im An51 Nach einem Bericht in der FAZ vom 08.07.1991, S.18, müssen Mitarbeiter amerikanischer Investmenthäuser Eigengeschäfte, die sie tätigen wollen, anmelden. Erst wenn im Haus geklärt ist, daß sich aus dem Handel keine Interessenkonflikte ergeben, ist der Händler befugt, das Geschäft abzuschließen. Weiterhin müssen Mitarbeiter der im Wertpapiergeschäft tätigen Firmen vierteljährlich sämtliche Wertpapiertransaktionen auf eigene Rechnung schriftlich der Firma melden, die diese Meldungen zur Verfügung der SEC halten müssen, die von dieser auf Interessenkonflikte und Insider-Transaktionen überprüft werden; Darstellung bei Vontobel, SchwZStR 106 (1989), 30 (36 f). 52 Ein Verbot von Eigengeschäften für Händler könne nach Auffassung der Dresdner Bank AG "demotivierend und diskriminierend" wirken, so im Schreiben vom 03.04.1992 an die Verfasserin (S.5). 53 Nach einem Bericht der FAZ vom 08.07.1991, S.18, stellt die Deutsche Bank ihren Händlern sogar Effekten-Lombardkredite in Höhe eines Jahresgehalts für Eigengeschäfte zur Verfügung. Perina, Die Zeit vom 12.07.1991, S.22, sieht als Grund für dieses Vorgehen die Sparsamkeit der Banken, die so einen Teil der Personalkosten auf Anleger und Investoren "umwälzen". 54 So hält Vontobel, SchwZStR 106 (1989), 30 (36), auch eine dauernde Überwachungjeder einzelnen Mitarbeiter-Position für notwendig. 55 Handelsblatt vom 26./27.07.1991, S.2; FAZ vom 25.07.1991, S.14. 56 Perina, Die Zeit vom 03.04.1992, S.25; Ulrich, Manager Magazin 6/1992, S.176-185; Weiss, Die Bank 1993, S.136-139. Die mittlelweile eingerichtete Übelwachung erfolgt folgendermaßen: Via Computer werden die Konten der Angestellten überwacht, wobei die Wertpapiergeschäfte mit zwei Listen verglichen werden: der restricted list, die die Wertpapiere enthält, die nicht von der Belegschaft gehandelt und den KWlden nicht empfohlen werden dürfen, und der wu/eh list, die alle Aktien von Untemehmen aufühtt, bei denen demnächst Entscheidungen möglich sind, die die Börsenkurse beeinflussen. 3*
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Einleitung
schluß die Stimmen, die die freiwilligen Insiderhandels-Richtlinien wegen der schwachen Stellung der Prüfungskommission und des Mechanismus der Selbstkontrolle nicht mehr für ausreichend hielten und härtere Sanktionen forderten. 57 Während die Diskussion um die zur Umsetzung der EG-Richtlinie nötigen Maßnahmen anfangs wesentlich auf eine stärkere Börsenaufsicht und -kontrolle zielte, wurde nach Aufdeckung der Frankfurter Vorfälle die Forderung nach strafrechtlichen Vorschriften gegen Insider in der öffentlichen Diskussion bestimmend. 58 Neuen Auftrieb in der Öffentlichkeit hatte dann die Forderung nach strafgesetzlicher Regelung des Insider-Problems durch den Fall Steinkühler gewonnen, der unmittelbar zu einer entsprechenden Ankündigung aus dem Bundesfinanzrninisterium führte. 59
B. Problemstellung und Gang der Untersuchung I. Das Problem
Welcher Art und wie hart müssen nun aber die Sanktionen, die hier gefordert werden, sein? Dieses Problem soll den Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung bilden, wobei besonderes Augenmerk auf den Rechtsgüterschutz, aber auch auf die Tatbestandskonstruktion zu legen sein wird, da die Frage der Sanktionierung eines Verhaltens nicht davon losgelöst beurteilt werden kann. Nachdem einleitend festgestellt wurde, daß aufgrund der EGRichtlinie die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung bestand und sich nach dem Frankfurter Börsenskandal vom Sommer 1991 ein Grundkonsens dahingehend gebildet hatte, daß strenger als bisher gegen Insiderhandel vorgegangen werden mußte, stellt sich die Frage nach den Einzelheiten einer Regelung. Ein wesentlicher Punkt ist dabei, welche Sanktionen gegen diejenigen, die gegen das zu erlassende Insiderhandels-Verbot verstoßen, verhängt werden sollen und wie sichergestellt werden kann, daß entsprechende Verstöße aufgedeckt werden, um so die Durchsetzung der Sanktionen zu gewährleisten. Art.13 der EG-Insider-Richtlinie verlangt in Satz 2, daß die Mitgliedstaaten 57 Siehe FAZ vom 04.07.1991, S.22 Wld vom 24.07.1991, S.18; Wall Street Journal vom 05.09.1991, S.7; Hilmar Kopper, Vorstands sprecher der Deutschen Bank, forderte als einer der ersten schon im Jahr 1990 eine Gesetzgeb\.U1g gegen den Insiderhandel ("Wer gegen Insider-Richtlinien verstößt, gehört nicht vor ein Ehrengericht, sondern in den Knast. "). 58 Otto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S.65 (68). 59 Vgl. Eglau/Müller, Die Zeit vom 28.05.1993, S.25.
B. Problemstellung und Gang der Untersuchung
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für Verstöße gegen die nationalen Transformationsnormen Sanktionen anzudrohen' haben, die einen "hinreichenden Anreiz" zur Einhaltung der entsprechenden Verbotsvorschriften darstellen. Nach den jetzt geschaffenen gesetzlichen Vorschriften können Geld- und Freiheitsstrafen (bis zu fünf Jahren) gegen Insider verhängt werden. Fraglich ist aber, ob dieses das "richtige" Mittel gegen Insiderhandel ist, ob stattdessen oder daneben noch andere Maßnahmen in Betracht kommen, wie beispielsweise die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz an möglicherweise geschädigte Anleger an der Börse. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß sich die strafrechtliche Sanktionierung in die bestehende Rechtsordnung einfügen und Friktionen und Wertungswidersprüche ausgeschlossen sein müssen. So muß sich eine strafrechtliche Lösung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und am Übermaßverbot, nach dem das Strafrecht als ultima ratio zur Lösung sozialer Konflikte einzusetzen ist, messen lassen.
n. Der Gang der Untersuchung Eine Antwort auf die soeben aufgezeigte Problemstellung soll in mehreren Schritten erarbeitet werden. Dabei wird eine Beschränkung auf typische Börsentransaktionen erfolgen, da Insiderhandel in diesen Fällen - im Gegensatz zu direkten Wertpapiergeschäften des Insiders mit einem anderen Anleger - wegen des Fehlens einer vertraglichen Beziehung zwischen dem Insider und den anderen Anlegern an der Börse sowie wegen der entindividualisierten, anonymen Situation am Kapitalmarkt überhaupt erst besondere Probleme mit sich bringt. Zudem sind sowohl die EG-Insider-Richtlinie als auch die neuen deutschen Vorschriften auf diese Art von Insiderhandel ausgerichtet. Nicht Gegenstand der Untersuchung - soweit nicht unumgänglich - wird hingegen die Problematik der Verbotsvoraussetzungen sein; so soll insbesondere keine Analyse der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der neuen InsiderhandelsVorschriften der §§ 12 - 14 WpHG erfolgen. Ausgangspunkt der Untersuchung wird - nach einer einführenden Beschreibung des Phänomens Insiderhandel - die Erörterung der Frage sein, ob Insiderhandel überhaupt verboten werden soll. Insbesondere von Seiten der Wirtschaftswissenschaften werden Argumente vorgebracht, die eine Nützlichkeit von Insiderhandel für die Kapitalmärkte belegen sollen. Im Mittelpunkt der Diskussion der Verbotswürdigkeit von Insider-Geschäften wird eine Analyse des Unrechtsgehaltes von Insider-Transaktionen stehen. Die Klärung dieser Frage ist nicht nur von Bedeutung für die Verbotswürdigkeit des Ausnutzens von Insider-Informationen überhaupt, sondern zugleich Grundlage der weite-
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Einleitung
ren Erörterungen und damit erster Schritt auf dem Weg zur Antwort auf die Frage nach einer "richtigen" Sanktionierung von Insider-Verstößen, da die Sanktionen als Rechtsfolgen von Verstößen dem Unrechtsgehalt und den durch Insider-Geschäfte beeinträchtigten Interessen gerecht werden müssen. Im zweiten Teil wird der Tatsache Rechnung getragen, daß es sich bei dem neuen Insider-Straftatbestand um die Umsetzung einer EG-Richtlinie handelt. So soll untersucht werden, ob und welche Vorgaben die Richtlinie bei der Frage nach der Sanktionierung von Verstößen macht. Insbesondere Art. 13 der Richtlinie, der vorschreibt, daß die Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die Insider-Vorschriften Sanktionen anzudrohen haben, die über eine hinreichende Anreizwirkung zur Befolgung der Verbote verfügen, wird eingehend zu untersuchen sein, aber auch die Zielsetzung der Richtlinie, wobei Schwerpunkt der Untersuchung die Frage ist, ob die Richtlinie die Mitgliedstaaten zur Einführung von (krirninal-)strafrechtlichen Sanktionen verpflichtet hat. In einem dritten Teil soll eine Analyse der Vorschriften des deutschen Rechts erfolgen, die - bis zum nunmehr erfolgten Erlaß der neuen Vorschriften - die Aktivitäten von Insidern allein erfassen konnten bzw. könnten. Hier wird primär eine Erörterung der bislang geltenden Insider-Regeln als Regeln der Selbstkontrolle der Wirtschaft vorgenommen werden, aber auch gesetzliche Vorschriften des allgemeinen Zivil-, Straf- und des Gesellschaftsrechts sollen in die Untersuchung einbezogen werden. Im vierten und fünften Teil werden zwei Rechtsordnungen, nämlich die US-amerikanische und die von Großbritannien, eingehend im Hinblick auf die Problematik der Sanktionierung von Insider-Verstößen untersucht werden. Im Sinne einer funktionalen Rechtsvergleichung, die sich an den aufgrund gleicher Lebenssachverhalte aufgeworfenen Sachfragen orientiert, soll eine Würdigung der einzelnen Sanktionsinstrumente - als für diese Fragen gefundene Lösungen - innerhalb des rechtlichen Bezugsrahmens der jeweiligen Rechtsordnung erfolgen. Dabei soll die Frage nach einer interessen- bzw. rechtsgüteradäquaten Sanktionierung wie der nach der Effizienz der einzelnen Maßnahmen besondere Berücksichtigung finden, um darauf aufbauend später eine Lösung für das deutsche Recht zu entwickeln. Das US-amerikanische InsiderRecht ist von besonderem Interesse, da die USA als "Mutterland" aller InsiderRegelungen gelten60 und dort eine besonders breite Palette von zivil-, verwaltungs- und strafrechtlichen Sanktionen zur Verfügung steht. Das Insider-Recht
60 So Hopt, ZGR 1991, 17 (54).
B. ProblemsteU\Dlg \Dld Gang der Untersuch\Dlg
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von Großbritannien ist als Beispiel eines europäischen Rechtes ausgewählt worden, das über eine in Europa vergleichsweise lange Tradition verfügt61 und zudem erst kürzlich das bislang bestehende Recht im Zuge der Transformation der EG-Richtlinie geändert hat. Gerade die in diesem Zusammenhang geführten Diskussionen um die Sanktionierung von Insider-Verstößen sind für die Problemstellung dieser Untersuchung von Interesse. Der sechste Teil und eigentliche Kernpunkt der Untersuchung wird sich aufbauend auf den bis dahin gefundenen Ergebnissen - schließlich mit der Entwicklung eines Vorschlages für eine Sanktionierung von Insider-Verstößen im deutschen Recht befassen. Ausgangspunkt wird die nunmehr eingeführte Strafnorm gegen Insiderhandel (§ 38 WpHG) sein. Auf dieser Grundlage sollen die Legitimität des Einsatzes des Strafrechtes gegen Insider-Geschäfte diskutiert sowie mögliche zivil- und ordnungsrechtliche Sanktionen als Alternative oder Ergänzung zur nun bestehenden Strafnorm untersucht werden. Dabei wird zunächst die schwierige und bislang noch nicht eindeutig geklärte Frage der Strafwürdigkeit von Insiderhandeln zu erörtern sein. Quintessenz der kritischen Untersuchung soll ein eigener Vorschlag für eine verbesserte Sanktionsnorm sein.
61 Auf eine ErörteflDlg des ebenfalls interessanten französischen Insider-Rechtes soll hier verzichtet werden, da erst 1994 eine umfangreiche Untersuchung zu diesem Thema erschienen ist, auf die hier verwiesen wird; vgl. Starke, Das französische Insiderstrafrecht.
Erster Teil
Das Phänomen Insiderhandel Die obige Darstellung der Geschehnisse des Frankfurter Börsenskandals von 1991 sowie die schon daraus ersichtliche Kontroversität, mit der dieses Thema in Fach- und Juristenkreisen behandelt wurde und noch wird, wirft die Frage auf, was denn nun eigentlich Insiderhandel ist und was an ihm für die Börsen und die Anleger so schädlich ist, daß über die EG-Richtlinie EG-weit ein gesetzliches Verbot zwingend wurde, das es heute auch schon in nahezu allen Staaten gibt, nicht nur in Europa, sondern auch beispielsweise in Japan und vor allem in den USA. Im folgenden soll deshalb zunächst eine allgemeine Definition des Begriffs "Insiderhandel" erfolgen sowie eine Illustration des Phänomens durch die Darstellung herausragender typischer Fälle. Im Anschluß daran wird eine Schilderung der Diskussion um das Für und Wider eines gesetzlichen Insiderhandels-Verbots mit dem Versuch einer eigenen Bewertung vorgenommen. Eine solche Bewertung ist äußerst wichtig, da die Beantwortung der Frage, was eigentlich verbotswürdig daran ist, daß Insider ein Geschäft mit ihrem Wissensvorsprung machen, wesentlich darüber bestimmt, welche Sanktion bei einem Verstoß gegen ein Insiderhandels- Verbot eingreifen muß. Und um eine solche Bewertung vornehmen zu können, ist zunächst der Gegenstand derselben zu beschreiben, woraus sich die Notwendigkeit der im folgenden vorzunehmenden Beschreibung des Phänomens Insiderhandels von selbst ergibt.
A. Allgemeine Definition von Insiderhandel Ganz allgemein bezeichnet man als Insider-Geschäfte den Kauf oder Verkauf öffentlich (an einer Börse) gehandelter Wertpapiere unter Ausnutzung von nicht allgemein bekannten Informationen, die Einfluß auf die Börsenkurse haben.! Dieses ist jedoch nicht als Definition dessen, was illegal ist, zu versteVgl. z.B. Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.l; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn.764 (S.443); Fleteher, Materials, S.3 ("the purchase or
A. Allgemeine Definition von fusiderhandel
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hen, sondern vielmehr als eine Beschreibung des Grundverhaltensmusters, das die Anwendungjeder Vorschrift, die Insiderhandel sanktioniert, bedingt. Wesentlich ist die Notwendigkeit, Insider-Geschäfte über Informationen zu definieren, die andere nicht erlangen können, da dieses den Vorteil kennzeichnet, den derjenige, der ein Insider-Geschäft tätigt, gegenüber den übrigen Börsenteilnehmern hat. Auf dieses Kriterium verweist Forstmoser2 bei der Erläuterung der schweizerischen Insider-Strafnorm von 1988: "Erst wenn aufgrund von Kenntnissen gehandelt wird, die andere nicht nur nicht haben, sondern auch nicht haben können, liegen Insider-Geschäfte vor." Mit dieser Eingrenzung sollen richtigerweise solche Geschäfte aus dem Kreis der Insider-Geschäfte ausgeschlossen werden, die aufgrund eines Informationsvorsprungs abgewickelt werden, der durch Auswertung allgemein zugänglicher Daten und Informationsquellen und damit durch eine eigene Leistung erlangt wurde.3 I. Personen
Die Personen, die aufgrund dieser Informationen Börsengeschäfte tätigen, werden Insider genannt im Gegensatz zu allen übrigen Börsenmarktteilnehmern, die nicht über dieses Wissen verfügen, den Outsidern. 4
sale of secw·ities on the basis of material, non-public information"); Ashe/Murphy, fusider Dealing, S.14 ("dealing in securities by certain persons who are privy to confidential information which is likely to affect the price ofthose securities"). 2 Forstmoser, SAG 1988, 122 (126 f.), und ZGR 1989. 124 (126 f.). Zustimmend Schörner, Gesetzliches fusiderhandelsverbot, S.8; App, KaRS (Kapitalanlagen, Wirtschaft, Recht, Steuern) 1990, 498 (499); Brudney, Harv.L.Rev. 93 (1979/80), 322 (354,360). 3 Schörner, Gesetzliches fusiderhandelsverbot, S.8; Engel, Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1991, 388 (391). Ein Beispiel fiir ein solches erlaubtes Ausnutzen von Wissen: Ein Börsianer erfiihrt von einem Geologen, daß der Abbau eines bestimmten Metalls immer teurer und schwerer werde, das Weltmarktangebot sei kawn zu vergrößern, die Nachfrage wird steigend vorhergesagt. Der Wertpapierspezialist recherchiert und fmdet eine Gesellschaft auf dem Kurszettel, die einen synthetischen Ersatzstoff fiir dieses Metall entwickelt hat. Er kauft Aktien dieser Gesellschaft in der Hoffuung auf eine Gewinnsteigerung. Die entscheidende kursrelevante fuformation, daß die Gesellschaft einen Ersatzstoffherstellt, ist durch eigene Mühen und fuitiative erlangt worden. 4 Siehe z.B. den Justice Report on Insider Trading von 1972 aus Großbritannien, der fusiderhandel defmiert als "dealings in corporate securities where one party has and the other party does not have access to confidential information which has a substantial bearing on those secw·ities"; zitielt nach Ashe/Counsell, fusider Trading, S.l.
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
Je nach der Stellung, aufgrund derer die kursrelevanten Informationen erhalten worden sind, lassen sich die Insider in verschiedene Gruppen einteilen. 5 Vorauskenntnisse können im allgemeinen erlangt werden entweder aufgrund einer besonderen Stellung in der betroffenen Gesellschaft oder einer privilegierten Stellung am Kapitalmarkt oder durch den Tip eines Eingeweihten. Dementsprechend lassen sich die Insider auf zwei Arten klassifizieren. Zunächst sind nach dem Weg, auf dem die Insider-Information erhalten worden ist, "originäre" Insider und "mittelbare" Insider unterscheiden. 6 Die ersteren sind diejenigen, die von Berufs wegen, d.h. aufgrund ihrer Position selbst die vertraulichen Informationen erlangen. Die mittelbaren Insider - mittelbar, da sie ihre Information nicht direkt, sondern von einem originären Insider bekommen - hingegen kommen unabhängig von ihrer beruflichen Position in den Besitz ihrer Informationen. 7 Zu dieser Gruppe von Insidern gehören zum einen diejenigen, die gezielt einen Tip von dritter Seite erhalten haben, die sogenannten Tipempfanger oder Tippees 8,9 zum anderen solche Personen, die nur zufällig, wie durch zufälliges Mithören von Gesprächen, oder beispielsweise aufgrund ihrer politischen Stellung, Vorauskenntnisse kursrelevanter Informationen erlangen. Hierzu gehören auch der vielberufene Taxifahrer, der einem Gespräch mit oder zwischen Fahrgästen die entsprechenden Informationen entnimmt, oder die Putzfrau, die eine Notiz im Papierkorb findet. 10
5 Diese Unterscheidung erfolgt in Anschluß an Horn, ZHR 136 (1972), 369 (370); folgend Jenekel, Insiderproblem, S.21; Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.l. 6 Diese Unterscheidung trifft in erster Linie Jenekel, Insiderproblem, S.2l. Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.69, 77, unterscheiden nach "unternehmensnahen" und "unternehmensfemen" Insidern. 7 Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.l. 8 Dieser Begriff für die Tipempfanger kommt aus dem anglo-amerikanischen Raum; Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.78. Die Urheberschaft wird beansprucht von Loss, Securities Regulation, Bd.Vl, S.3561 (2.Aufl). Der Ausdruck Tippee hat mittlerweile Eingang auch in die deutschsprachige Spezialliteratur gefunden, vgl. nur Wojtek, Insider Trading, S.130 ff., und Hopt, ZGR 1991, 17 (35), der "Tipempfänger" und "Tippee" gleichberechtigt nebeneinander verwendet. 9 Im US-amerikanischen Fall SEC v. Texas Gulf Sulphur Co. aus dem Jahre 1963/64 wurde das Verhalten der Tipempfänger als "equally reprehensible" bezeichnet; 401 F.2d 833 (852-853) (2d Cir. 1968), aber nur der Tipgeber verklagt und haftbar gemacht; 312 F.Supp.77 (95).
A. Allgemeine Definition von Insi(lerhandel
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Eine weitere mögliche Klassifizierung der Insider ist die nach der Position, aufgrund derer sie die Insider-Informationen erlangt haben. So läßt sich zwischen gesellschaftsbezogenen und kapitalmarktbezogenen Insidern unterscheiden. II Der Informationsvorsprung der gesellschaftsbezogenen Insider beruht auf deren besonderer Beziehung zu dem betreffenden Unternehmen. Zu diesen gehören in erster Linie Organmitglieder, wie Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, aber auch Angestellte, Großaktionäre und Personen, die berufliche, geschäftliche oder amtliche Beziehungen zu der Gesellschaft haben, wie z.B. Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer. Die kapitalmarktbezogenen Insider sind Personen, die ihre besonderen Kenntnisse einer im Hinblick auf deren Erlangung bevorzugten Stellung am Kapitalmarkt verdanken, wozu z.B. Kreditinstitute (in ihrer Funktion als Wertpapierhändler) und Anlageberater gehören. Die nach Unternehrnens- und Kapitalmarktbezogenheit vorgenommene Einteilung ist allerdings keine selbständige Unterscheidung, sondern lediglich eine Unterteilung der oben genannten originären Insider. 12 Eine Differenzierung der Insider danach, auf welchem Weg - direkt oder mittelbar - sie ihre Vorauskenntnisse kursrelevanter Informationen erhalten haben, ist sinnvoll. So stellt sich die Frage, ob nicht aufgrund möglicherweise gegebener verschiedener Unrechtsgehalte das Handeln eines originären Insiders und desjenigen, der nur zufällig in den Besitz einer Information, wie als Tippee, gelangt ist, gleichermaßen einem Insiderhandels-Verbot unterworfen werden oder ob nicht zumindest die Sanktionierung unterschiedlich erfolgen sollte. Die erste Frage ist durch die EG-Richtlinie beantwortet worden. Auch sie nimmt die Unterscheidung der Insider in zwei Kategorien vor, die der oben gemachten in originäre und mittelbare entspricht: in solche, die aufgrund von Status oder Profession der Quelle der Insider-Information nabestehen, und solche, die die Insider-Information erst von den ersteren erfahren, die Tippees oder Tipempfanger. I3 Die erste Kategorie, die sogenannten Primärinsider,I4
10 Z.B. Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.78; von Rosen, ZfgK 1989, 658 (659); Ernst, WM 1990, 461; Grunewald, ZBB 1990, l28 (132); Schödermeierl Wallach. EuZW 1990, 122 (123). 11 So Horn, ZHR 136 (1972), 369 (370). 12 So richtig Jenckel, Insiderproblem, S.21.
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
werden in Art.2 Abs.1 der Richtlinie in drei Kategorien unterteilt. In Betracht kommen danach als Primärinsider: - die Mitglieder des Leitungs-, Verwaltungs- und Aufsichtsorgans des Emittenten, - die Gesellschafter des Emittenten sowie - diejenigen Personen, die aufgrund ihrer Arbeit, ihres Berufes oder ihrer Aufgaben Zugang zu Insiderinformationen besitzen. Die zweite Insider-Kategorie der Richtlinie, die sogenannten Sekundärinsider, werden in Art.4 definiert als Personen, die die Insider-Informationen unmittelbar oder mittelbar nur von einem Primärinsider erhalten haben können, was bedeutet, daß eine unmittelbare Beziehung oder ein unmittelbarer Tip zwischen einem Primär- und dem Sekundärinsider nicht einmal vorliegen muß.15 Der Sekundärinsider der Richtlinie entspricht demnach in etwa dem "mittelbaren" Insider und erstreckt somit die Insider-Regelung auch auf die Tippees. Sowohl die Primär- als auch die Sekundärinsider werden in Art.3 (i. V. mit Art.4) dem Insiderhandels-Verbot unterworfen. Dieses ist somit umfassend aufgrund des weiten Insiderbegriffs, den die Richtlinie zugrundelegt 16 und hinter den die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in nationales Recht wegen des verbindlichen Mindeststandards der Richtlinie nicht zurückgehen können, wie auch schon Art.6 zeigt, der lediglich den Erlaß strengerer Vor-
13 Ausführlich zum Insiderbegriff der EG-Richtlinie Hopf, ZGR 1991, 17 (35-40); ?ingel in: Gaillard (Hrsg.), Insider Trading, S.5 (U-13). 14 Dieser Ausdruck wurde von der EG-Kommission in den Vorarbeiten gebraucht (Begründung des Richtlinienvorschlags vom 21.05. 1987, EGABI. Nr.C 153 vom 11.06.1987, S.8-10) und hat sich heute durchgesetzt; vgl. nur von Rosen, ZfgK 1989, 658 (659); Jenfsch, Die Bank 1989, 536 (530); Hannigan, JIBL 1989, 11 (13); SchödermeierIWallach, EuZW 1990, 122 (123); Oft/ Schäfer, ZBB 1991,226 (236); Ebenrofh/Wilken, JZ 1991, 1061 (1068); kritisch zur Formulierung "Primärinsider" Hopf, ZGR 1991,17 (35), der stattdessen den Begriff "Berufsinsider" vorschlägt. 15 Hopf, ZGR 1991,17 (38); ?ingel in: Gaillard (Hrsg.), Insider Trading, S.5 (U). Diese Erweiterung hat erst der Rat vorgenommen; Mitteilung der Kommission an das Parlament, Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 18.07.1989, abgedruckt in ZIP 1989, 1089-1091. 16 Grunewald, ZBB 1990, 128 (131), hält den weiten Insider-Begriff vor dem Hintergrund des Unrechtsgehalts des Insiderhandels fiir zweckmäßig und richtig. Kritisch dagegen wegen Abgrenzungsschwierigkeiten von Rosen, ZfgK 1989, 658 (660), und Schödermeier/ Wallach, EuZW 1990, 122 (123).
A. Allgemeine Defmition von Insiderhande1
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schriften zuläßt. Nach dem Wortlaut von Art.4 wäre auch der bekannte Lehrbuchfall erfaßt, daß ein Taxifahrer die Unterhaltung zweier Geschäftsleute mithört und daraufhin Börsengeschäfte tätigt. "17 Zu diskutieren bleibt aber die Frage, ob Verstöße von Primär- und Sekundärinsidern gegen das Insiderhandels-Verbot in gleicher Weise sanktioniert werden sollen oder ob eine Differenzierung vorzunehmen ist, wie sie das Schweizer Insider-Strafrecht in Art. 161 des schweizerischen StGB kennt, das den Tippee milder bestraft als den eigentlichen Insider.1 8 II. Vorgehensweise
Der Insider ist in der Lage, seine Kenntnisse durch Geschäfte an der Börse in den entsprechenden Papieren zu finanziellen Vorteilen auszunutzen, wenn die Informationen sich aufgrund ihrer Wesentlichkeit bei Bekanntgabe auf den Kurs auswirken. Dieses ist, je nach Charakter der Information, auf zweierlei Arten möglich: Ist die Information, in deren Besitz sich der Insider befindet, positiv für die wirtschaftliche Entwicklung des betreffenden Unternehmens, so kann er Aktien dieser Gesellschaft zu einem Kurs erwerben, der unter deren wahrem Wert liegt. Er kann mit vergleichsweise großer Gewißheit erwarten, daß der Kurs der Aktien nach Veröffentlichung der günstigen Information ansteigen wird, so daß er seine Papiere mit entsprechendem persönlichen Gewinn veräußern kann.
17 So von Rosen, WM 1990,461, Wld Hopt, ZGR 1991, 17 (49), der in diesem Zusammenhang den jüngst aus den USA bekannt gewordenen Fall eines Psychiaters berichtet, dessen Patientin über die Pläne ihres Ehemanns, eines New Yorker Brokers, zur Bank of America überzuwechseln, gesprochen hatte, Wld der darauf Aktien dieses Unternehmens gekauft hatte; United States v. Willis, 737 F.Supp. 269 (S.D.N.Y. 1990). Für eine EinschränkWlg über den Begriff des Vertrauensverhältnisses zur Gesellschaft von Rosen, ZfgK 1989, 658 (660); fiir eine AusfiillWlg eines angeblichen Auslegungsspielraums durch den Gesetzgeber oder die zuständigen Gerichte Grundmann, ZfgK 1992, 12 (15). Grunewald, ZBB 1990, 126 (132), will den Personen, die nicht damit rechnen mußten, zu Insidern zu werden, nur den Neuerwerb der betreffenden Papiere Wltersagen, nicht aber die VeräußerWlg schon bestehenden Aktienbesitzes, was ihrer MeinWlg nach aber von der Richtlinie nicht zugelassen wird. 18 Zu den Gründen Schubarth/Albrecht-Schubarlh, Kommentar zum schweizerischen StGB, Art. 161, Rn. 124; zur Diskussion im GesetzgebWlgsverfahren Schmid, Insiderstrafrecht, § 12, Rn.288 f (S.146). Siehe auch Wlten Sechster Teil, C. Y.3.c)aa).
46
Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
Ist hingegen die Information, die der Insider hat, negativ, d.h. ist er über eine ungünstige wirtschaftliche Entwicklung im Unternehmen informiert, deren Bekanntwerden ein Fallen der Kurse der betreffenden Papiere mit Sicherheit erwarten läßt, so kann der Insider Verluste vermeiden, indem er seine Aktien rechtzeitig vor der Veröffentlichung der negativen Tatsachen zu Kursen, die über ihrem wahren Wert liegen, an andere unwissende Anleger veräußert. Diese Darstellung ist nur eine grob skizzierte Beschreibung des Phänomens Insiderhandel, die den Kern, das Grundprinzip erfassen und plastisch machen soll. Wie aber allein schon die anfängliche Darstellung des Frankfurter Börsenskandals gezeigt hat, ist die Wirklichkeit wesentlich komplizierter; angesichts der Komplexität und Dynamik des Gegenstands muß sich dieser allgemeine Definitionsversuch auf die elementarsten Grundlagen beschränken. Wie komplex insider trading ist, zeigt sich gerade im Hinblick auf die Frage, welches Verhalten als Insiderhandel im Sinne eines Insiderhandels-Verbots zu qualifizieren und damit zu verbieten iSt. 19 So soll im folgenden an einigen BeispielsfaIlen, die sich tatsächlich ereignet haben, obige Darstellung näher erläutert werden, wobei auch Fälle aus den USA geschildert werden, da sie besonders anschaulich sind und auch in Deutschland passieren können, wenn auch wegen der Kapitalmarktverhältnisse kaum in derselben Größenordnung.2 0
19 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn.765 (S.444), weist - zwar lediglich im Hinblick auf US-amerikanisches Insider-Recht, jedoch verallgemeinenmgsfähig - daraufhin, daß nur ein kleiner, wenngleich bedeutsamer Teil des insider frading (verstanden im weitesten Sinne als Effektenhandel auf der Gnmdlage von InsiderInformationen) rechtlichen BeschränklUlgen lUlterwonen ist, die bis zum Verbot reichen können. Für die EG-Richtlinie ergibt sich dieser Verbotsbereich aus der Defmition der Insider-Information lUld des Insider-Papiers in Art.l, der Defmition der als Insider geltenden Personen in Art.2 lUld 4 sowie des eigentlichen Insiderhandels-Verbots in Art.2 Abs.l, Art.3 (Weitergabe- lUld EmpfehllUlgsverbot) lUld Art.4 (Handelsverbot für SeklUldärinsider). 20 Bei Monßen, Bankinformation 5/1991, 29 (29), [mdet sich die Angabe, daß an den Börsen in der BlUldesrepublik etwa 800 inländische Aktienwerte gehandelt werden, in New York lUld London jeweils nmd 2000. Hinsichtlich der Aktienumsätze 1991 (nur Verkäufe) in Milliarden DM, berechnet zu Jahresschlußkursen der Frankfurter Devisenbörse, liegt Frankfurt mit 452,1 an vierter Stelle hinter New York (2304,6), Tokio (1355,4) lUld London (923,5); vgl. Der Spiegel Nr.18/1992 vom 27.04.1992, S.132.
B. Wesentliche Erscheinungsfonnen
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B. Beispielsfälle für die wesentlichen Erscheinungsformen des Insiderhandels I. Texas Gutf Sutphur
Der international wohl bekannteste Insider-Fall, der mittlerweile zu einem Schulfall geworden ist,21 weil er die ganze Fülle der Probleme vereinigt und bedeutenden Einfluß auf die Fortentwicklung des US-amerikanischen Gesellschafts- und Börsenrechts gehabt hat, ist der Fall Texas GulJSulphur, der sich 1963/64 in den USA ereignete. 22 Auf diesem Präzedenzfall baut die amerikanische Securities and Exchange Commission (SEC)23 die Insider-Verfolgung auf. 24 Die Texas Gulf Sulphur Company (TGS), damals größter Schwefellieferant der Welt, brachte 1963 im Rahmen eines Diversifizierungsprogramms zur Ausweitung der Produktionsinteressen Versuchsbohrungen in Kanada nieder. Im November 1963 stieß man in Timmins, Ontario, auf Kupfer-, Zink- und Silbervorkommen von ungeahntem Ausmaß. Bereits die ersten günstigen Ergebnisse, die nach außen und innen streng geheimgehalten wurden, veranlaß21 So Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.8. 22 Vgl. dazu mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen Hopt/Will, Euro-
päisches Insiderrecht, S.8; siehe in der deutschsprachigen Literatur auch Horn, ZHR 136 (1972), 369 (371 f); von Falkenhausen, Die AG 1972, 237 (240); Klainguti, Regelung des Aktienhandels, S.112 ff.; Roth, RabelsZ 38 (1974), 720 (724 f); Voß, Insiderkonzept, S.ll f
23 Die SEC wurde 1934 geschaffen und ist eine unabhängige, quasi-richterliche Bundesbehörde zum Zwecke der Überwachung des Effektenwesens. Sie hat ihren Sitz in Washington. Zur Struktur der SEC Hazen, Law of Securities Regulation, § 1.3 (S.11-13). 24 1mhof, ZfgK 1982, 7 (8). Zwei tragende Grundsätze schälten sich aus dem Verfahren heraus: 1. Ein Insider darf Wertpapiere der eigenen Gesellschaft nicht kaufen oder verkaufen, wenn er dabei auf der Grundlage von Kenntnissen über wichtige (geschäftliche) Tatsachen handeln würde, die der Öffentlichkeit oder dem Vertragspartner nicht zur Verfügung stehen. 2. Ein Insider darf nicht-veröffentlichte, wichtige (geschäftliche) Tatsachen nicht an Dritte weitergeben, um diese Personen in die Lage zu versetzen, Wertpapiergeschäfte dw-chzufiihren; er darf ferner Dritten nicht zu gewissen Wertpapiergeschäften raten, wenn er dabei auf der Grundlage unveröffentlichter, wichtiger (geschäftlicher) Tatsachen handelt. Damit wird ein allgemeines Insiderhandels-Verbot sowie ein Verbot des "Tip-Gebens" (tipping) ausgesprochen; siehe z.B. Flachmann, ZfgK 1970, 593 (596), und ausfiihrlich unten Vierter Teil, B.I.3.b) cc).
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
ten einige leitende Unternehmensangehörige, TGS-Aktien und -Optionen zu erwerben, im November 1963 zu Kursen zwischen 17 und 18 $ je Aktie und zwischen Dezember 1963 und März 1964 zu Kursen zwischen 20 und 25 $. Gleichzeitig gab einer der beteiligten Geologen seinem Bruder und einigen Bekannten Kaufempfehlungen. Nachdem das umliegende Land von TGS unter strengster Geheimhaltung und Durchführung von Ablenkungsbohrungen aufgekauft worden war, wurden von Ende März bis Anfang April 1964 weitere Bohrungen niedergebracht, aus denen sicher auf ein Vorkommen von ca. 25 Millionen Tonnen Erz geschlossen werden konnte. Daraufhin wurden von unternehmensnahen Insidern verstärkt Aktien gekauft zum Kurs von mittlerweile 30 $ pro Stück. Pressemeldungen, die von den Funden in Kanada berichteten,25 wurden von TGS am 12.04.1964 als übertrieben und nicht abgesichert dementiert. Am 16. April wurde dann von der Unternehmensleitung die übrigen Mitglieder des board of directors26 und anschließend die Presse benachrichtigt. Noch ehe die Nachricht die Presse erreichte, eilten zwei directors, die an der Sitzung teilgenommen hatten, ans Telefon. Der eine gab Kaufaufträge auf den Namen mehrerer Familienangehöriger für TGS-Aktien, der andere informierte die Bank, deren Mitarbeiter er war, und instruierte sie, für die Kunden entsprechend zu disponieren, was auch geschah. Nach Bekanntwerden der Informationen stieg der Börsenkurs noch am selben Tag auf 37 $ und bis zum 19. April auf 71 $ je Stück. In welchem Ausmaß eingeweihte TGS-Mitarbeiter und von ihnen unterrichtete Tipempfanger TGS-Aktien und Kaufoptionen erwarben, zeigen folgende Zahlen: Am 11. November 1963 besaßen diese Personen zusammen 1135 Aktien und keine Kaufoption, am 1. April 8235 Aktien und 12 300 Optionen. 27 Der Vorgang wurde von der SEC sofort untersucht, und bereits am 19. April erhob die SEC Klage auf Gewinnherausgabe. Seit 1966 sind zahlrei-
25 So meldeten die New York Herald Tribune und die New York Times am 11.04.1964 einen großen Treffer ("rich strike"); siehe Voß, Insiderkonzept, S.l1. 26 Das board 0/ directors ist die von den Aktionären gewählte höchste Aufsichtsund (originäre) Verwaltungsinstanz der anglo-amerikanischen Aktiengesellschaft (stock corporation). Statt Vorstand und Aufsichtsrat gibt es das einheitliche board ~r directors, das formell die Führungsspitze der Gesellschaft ist. 27 Diese Zahlen nennt Voß, Insiderkonzept, S.12. Das sollen rund 5 % der ausstehenden Aktien gewesen sein.
B. Wesentliche Erscheinungsformen
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che Entscheidungen in diesem Fall ergangen,28 durch die die Insider zur Abführung ihres Gewinns (d.h. der Differenz zwischen ihrem Einstandskurs und dem Kurs der Aktien am Tage der endgültigen Erfolgsmeldung) verpflichtet wurden, der insgesamt etwa $ 670 000 ausgemacht haben soll. Mehrere Hundert Aktionäre, die nach der irreführenden Pressemitteilung vom 12.04.1964 ihre Aktien verkauft hatten, klagten neben der SEC gegen TGS auf Schadensersatz und machten Millionen-Forderungen geltend. Sie hatten damit zum Teil Erfolg. 29 1972 schlossen TGS und private Kläger einen Vergleich, in dem sich die Gesellschaft zur Zahlung von $ 2,7 Millionen an die Kläger verpflichtete.3° Der TGS-Fall ist somit ein Musterfall für die Erzielung von Kursgewinnen von Insidern aufgrund positiver Berichte über die zukünftige Entwicklung in einem Unternehmen. D. Tbyssen Rbeinstabl
Ein zweiter Beispielsfall ereignete sich 1973 in Deutschland und ist deshalb von besonderem Interesse, weil hier die Insiderhandels-Richtlinien zum ersten Mal zur Anwendung kamen und die Prüfungskommission an der Düsseldorfer Wertpapierbörse umfangreich ermittelte. 31 Der Thyssen-Rheinstahl-Fall gehört in die Insiderhandels-Fallgruppe der Übernahmeangebote und damit in den Bereich, in dem Insiderhandel vermutlich am häufigsten anzutreffen sein wird,32 da dort aufgrund der starken Auswirkungen von Übernahmeangeboten 28 Das Hauptverfahren richtete sich gegen die Gesellschaft und zunächst 13 ihrer officers und directors. Einzelne Verfahren sind bereits zweimal bis zur 3.lnstanz gekommen, da aufgrund dieses Falles zahlreiche Detailprobleme des Insider-Rechts neu entschieden wurden. Die wichtigsten Leitentscheidungen: SEC v. Texas GulfSulphur Co., 258 F.Supp. 262 (1966) (l.lnstanz); 401 F.2d 833 (1968) (2.lnstanz); cert.denied sub.nom. Coates v. SEC, 394 U.S. 976 (1969) (3.1nstanz); on remand, SEC v. Texas GulfSulphur Co., 312 F.Supp. 77 (1970) (l.lnstanz); 446 F.2d 1301 (1971) (2.lnstanz); cert. denied 40 U.S.L.W.3288 (V.S. Dec.14, 1971) (3.lnstanz). Die amerikanische Literatur zu diesem Fall ist praktisch unübersehbar. 29 Z.B. Astor v. Texas GulfSulphur Co., 306 F.Supp. 1333 (S.D.N.Y. 1969); Mitchell v. Texas GulfSulphur Co., 446 F.2d 90 (10th Cir. 1971). 30 Cannon v. Texas GulfSulphur Co., Fed.Sec.L.Rep. (CCR) § 94,110 (1973). 31 Vgl. zwei beispielhafte veröffentlichte Entscheidungen der Prüfungskommission in DB 1973,2234 fund 2288 ff 32 So für die USA z.B. Ott/Schäfer, ZBB 1991, 226 (227). Laut einer anonymen Quelle aus der London Stock Exchange geschehen rund 80 Prozent aller Verdachtsfälle von insider-Verstößen kurz vor oder während einer Unternehmensübernahme; 4 Mennicke
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
auf die Aktienkurse ideale Gegebenheiten für das Handeln von Insidern vorliegen)3 So sind auch an der New Yorker und Londoner Stock Exchange verstärkt Kursveränderungen vor der Ankündigung von Unternehmensübernahmen festzustellen)4 Auch bildeten Insider-Geschäfte im Zusammenhang mit geplanten Unternehmensübernahmen die Grundlage für den spektakulären Wall Street-Skandal im Jahre 1986 um Dennis Levine, Ivan Boesky und Martin Siegel. Allerdings finden in Deutschland derartige Übernahmekämpfe, wenn überhaupt, größtenteil außerhalb der Börsen über den Erwerb von Personengesellschaften und GmbH-Anteilen statt, was seinen Grund in dem vergleichsweise unterentwickelten Zustand der deutschen Kapitalmärkte hat. 35 In naher Zukunft dürfte jedoch mit einer wachsenden Bedeutung derartiger Aktivitäten zu rechnen sein, da gerade nicht-europäische Unternehmen verstärkt versuchen, Fuß innerhalb des Europäischen Marktes zu fassen. 36 Im November 1972 fanden zwischen Vorstandsmitgliedern der AugustThyssen-Hütte AG und der Rheinstahl AG Verhandlungen über eine engere Kooperation und eine kapitalmäßige Beteiligung statt. Letztere sollte erreicht werden durch eine Übernahme von 51 Prozent der Rheinstahlaktien zum Kurs von DM 100,- pro Stück über ein Kaufangebot an die Rheinstahl-Aktionäre. Am 18. Januar 1973 wurde die Auslegung des entsprechenden Kaufangebotes in einer Gesamtvorstandssitzung grundsätzlich beschlossen. Der Kurs der Rheinstahl-Aktien lag an diesem Tag bei DM 87,-, der Umsatz in diesem Papier bei 18 143 Stück. Vom 19. bis zum 25. Januar - an1 23. Januar fand eine Aufsichtsratssitzung der August-Thyssen-Hütte-AG statt, auf der der Auf-
zitiert bei Hannigan, Insider Dealing, S.19. Eine Umfrage in Australien, die im Jahr 1988 unter Teilnehmern und Beobachtern des australischen Kapitalmarktes durchgeführt worden ist, hat ergeben, daß Insiderhandel besonders in Phasen verstärkter Marktaktivität, wie in Take-over-Situationen, zu erwarten ist; TomasiC/Penfony, Comp.& Sec.J. 1989, 186 (188). 33 Hannigan, Insider Dealing, S.18; Raida, ZfgK 1988, 480 (480); Schödermeier/ Wallach, EuZW 1990, 122 (122).
34 Siehe die Nachweise bei Ashe/Murphy, Insider Dealing, S.32 FN 29. 35 Schäfer/Olt, Intn'l Rev. of L.& Econ. 12 (1992), 357 (362); Schödermeierl Wallach, EuZW 1990, 122 (122); Raida, ZfgK 1988,480 (480). Ein Beispiel ausjiingerer Zeit ist der gescheiterte Versuch der Übernahme der Continental AG durch den italienischen Reifenhersteller Pirelli 1990/1991. 36 Schäfer/Olt, Intn'l Rev. of L. & Econ. 12 (1992), 357 (362). Diese Prognose kann auf Berichte über Abwehrmaßnahmen deutscher Unternehmen gegen Übernahmen gestützt werden; dazu z.B. AssmannlBozenhardt in: Assmann u.a., Übernahmeangebote, Sonderheft ZGR Nr.9, S.1 (5) .
B. Wesentliche Erscheinungsformen
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sichtsrat von der geplanten Übernahmeaktion unterrichtet wurde - stieg der Kurs auf DM 105,50 und der Umsatz schnellte auf 293 962 Stück hoch)7 Der Plan, Rheinstahlaktien zum Kurs von DM 100,- pro Stück zu kaufen, war somit nicht mehr durchführbar. Im Februar 1973 erhöhte Thyssen nach Vorstandsgesprächen sein Angebot auf DM 125,- und erwarb die Aktien der Rheinstahl AG noch in diesem Monat. Das Zusammentreffen von unternehmensinternen Entscheidungen mit Kurs- und Umsatzsteigerungen in Rheinstahl-Aktien spricht dafür, daß Insider aus den betroffenen Unternehmen ihre Kenntnisse für sich ausgenutzt haben. Die Insider-Prüfungskommission bei der Düsseldorfer Wertpapierbörse ging dem Verdacht des Mißbrauchs von Insider-Informationen nach und überprüfte insgesamt 160 Personen, darunter auch die Organmitglieder von Thyssen und Rheinstahl und sechs Kreditinstitute. Ein Verstoß gegen die InsiderhandelsRichtlinien wurde jedoch verneint. Die Begründungen der verschiedenen Entscheidungen der Düsseldorfer Prüfungskommission zeigen sehr gut, daß die Insiderhandels-Richtlinien mangels eines umfassenden Insiderhandels-Verbots Lücken aufwiesen, die eine wirkungsvolle Verfolgung von Insider-Verstößen nicht zugelassen haben. Beispielhaft sei hier die Feststellung im Prüfungsverfahren gegen die AugustThyssen-Hütte AG genannt, daß die Insider dieser Gesellschaft (nach Nr.l und 5 der Insiderhandels-Richtlinien in der damals geltenden Fassung von 197038 Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats und Angestellte) durch den Erwerb von Rheinstahl-Aktien in der Zeit vor dem 21.02.1973, d.h. vor dem Abschluß des Erwerbs von 50 Prozent des Aktienkapitals der Rheinstahl AG durch die August-Thyssen-Hütte AG keine Insiderpapiere im Sinne der Insiderhandels-Richtlinien erworben hätten. Der Grund lag darin, daß Insiderpapiere für den in Frage stehenden Personenkreis lediglich die Aktien der eigenen Gesellschaft und die von einem mit dieser Gesellschaft verbundenen Unternehmen darstellten, so die Definition in Nr.l i. V. mit Nr.5 der Richtlinien in der Fassung von 1970, was die Rheinstahl-AG vor der Übernahme gerade
37 Siehe dazu die Kurs- und Umsatzübersicht in der Entscheidung der Prüfungskommission in DB 1973,2288. 38 Abgedruckt bei Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, Materialien Nr.34, M100-104, und bei Bremer, Die Börsensachverständigenkommission, Dokwnent 6, S.104 ff 4*
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
noch nicht war.3 9 Aktien des Zielunternehmens eines Übernahmeangebots gehörten somit nicht zu den Insiderpapieren im Sinne der Insiderhandels-Richtlinien, was sich in diesem Fall als eine erhebliche Lücke erwies. 40 Dieses Manko wurde jedoch mit der ersten Novellierung der Insiderhandels-Richtlinien im Jahre 197641 im Rahmen einer Erweiterung des Katalogs der Insiderpapiere42 durch Aufnahme von bestimmten Wertpapieren "von einem mit der Gesellschaft ... mittels eines Übernahmeangebots ... zusammenzuschließenden inländischen Unternehmens" (§ 2 Abs.2 lit.c) in die Definition der Insiderpapiere beseitigt.43
m. Daimler-Benz 1 AEG Ein weiterer Fall, der sich an den deutschen Wertpapierbörsen abspielte und ebenfalls in die Insiderhandels-Fallgruppe der Unternehmensübernahmen gehört, ist es wert, hier kurz dargestellt zu werden. Der Daimler-Benz/AEGFall vom Oktober 1985, der damals als "Prüfstein für die Effizienz der InsiderRegeln" bewertet wurde,44 ist neben dem Fall Berthold AG aus dem Jahr 1990/91 45 der einzige Insider-Fall, in dem seit dem Bestehen der Insiderhandels-Richtlinien ein Verstoß gegen diese festgestellt wurde und es zur Verhängung von Sanktionen kam. 46
39 Siehe Entscheidung im Prüfungverfahren gegen die August-Thyssen-Hütte AG vom 10.09.1973, DB 1973,2288 (2289). 40 Ulmer, JZ 1975, 625 (626), rügt somit auch im Zusammenhang mit dem Thyssen-Rheinstahl-Fall die Beschränkung des Anwendungsbereichs der InsiderhandelsRichtlinien auf bestimmte Aktien.
41 Abgedruckt bei Rodrian, Insider-Regelungen, S.13-19. 42 Dazu Schwark, BörsG-Kommentar, Anh.ll, § 2, Rn.7 ff, inbes. Rn.8. 43 So auch in der aktuellen Fassung von 1988, abgedruckt u.a. bei Baumbachl
DudenlHopt, HGB, Handelsrechtl. Nebengesetze, Nr.16 f. 44 So das Handelsblatt, zitiert bei Heldmann, Bankkaufinann 9/1991, 16 (17).
45 Die Insider-Prüfungskommission der Berliner Börse stellte fest, daß der Vorstandsvorsitzende der Berthold AG im Jahre 1990 mehrmals mit Papieren seiner Gesellschaft unter Ausnutzung von Insider-Informationen gehandelt hat; siehe hierzu Börse Online, 42/1991, S.91. 46 Dazu Heldmann, Bankkaufinann 9/1991, 16 (17); Liesken, Bankkaufinann 9/1991,36 (38); Ott/Schäfer, ZBB 1991,226 (227); Hopt, ZGR 1991, 17 (18, FN 4); ausführlich Blum, Northwestern Journal of International Law & Business 7 (1986), 481 (507) .
B. Wesentliche Erscheimmgsformen
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Im September 1985 kaufte Klaus Kuhn, damals Vorsitzender des Aufsichtsrats der AEG, nach eigenen Angaben auf Empfehlung seiner Bank 700 AEGAktien zu einer Zeit, als das Unternehmen gerade mit der Daimler-Benz AG über den Erwerb der Aktienmehrheit an der AEG verhandelte. Kurz darauf erfolgte die Übernahme, der Kurs der AEG-Aktien stieg in die Höhe. Kuhn, der von der Übernahme vorab informiert war, offenbarte sich auf Drängen der an der Übernahme beteiligten Deutschen Bank, die hoffte, daß durch eine solche Stellungnahme die Spekulationen in der Öffentlichkeit beendet würden, wer die Insider-Verstöße begangen hätte. Die Insider-Prüfungskommission an der Frankfurter Wertpapierbörse warf Kuhn einen "leichten Verstoß" gegen die Insiderhandels-Richtlinien vor. Er mußte seinen (gerade im Vergleich zu USamerikanischen Fällen relativ niedrigen 47 ) Gewinn in Höhe von DM 16 000,gemäß § 4 der Insiderhandels-Richtlinien, der der Gesellschaft, in deren Aktien gehandelt wurde, einen Anspruch auf Abführung der aus der Zuwiderhandlung erlangten Vermögensvorteile einräumte,48 an die AEG zurückzahlen. Sehr zweifelhaft erscheint jedoch, daß mit dem Kauf von nominal 700 AEG-Aktien ein so gravierender Kursanstieg ausgelöst werden konnte. So ist Graf LambsdorfJ49 auch davon überzeugt, daß die wirklichen Insider nicht entdeckt wurden, da die Untersuchungen mangels entsprechender Kontrollund Ermiulungsbefugnisse der Prüfungskommission nicht zielgerichtet hätten erfolgen können. Bestätigt wird die Richtigkeit dieser Einschätzung durch den Fall Steinkühler im Mai 1993, als dieser entgegen früherer, gegenüber der Insider-Kommission der Frankfurter Börse gemachter Angaben, nach denen er zu keiner Zeit AEG-Aktien besessen hätte, einräumte, 1985 als Aufsichtsratsmitglied von Daimler-Benz mit AEG-Aktien Kursgewinne gemacht zu haben; daß er Insider-Wissen hatte, bestritt er jedoch. 50
47 Hopt, ZGR 1991,17 (18, FN 4). Im bislang größten Insider-Fall der Wall Street, Boesky Wld Levine, werden die Gewinne Boeskys aus Insider-Verstößen auf mindestens $ 50 Millionen geschätzt, manche vermuten sogar $ 200 Millionen in einem Zeitraum von fiinfbis sechs Jahren; siehe Hannigan, Insider Dealing, S.3. 48 Ausführlich dazu Wlten Dritter Teil, A.ill.2.a). 49 Das Wertpapier 1991, 1280 (1281).
50 Siehe HAZ vom 27.05.1993, S.l. Kurz zuvor hatte Steinkühler der von der "Passauer Neuen Presse" aufgestellten BehauptWlg, daß er an der Übemahme der AEG durch Daimler-Benz mit Aktiengeschäften verdient habe, mit einer eidesstattlichen VersicheTWlg widersprochen.
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
IV. Insiderhandel im Verhältnis zwischen Banken und ihren Kunden
1. Beratung: Merrill Lynch Ein weitere Fallgruppe von Insiderhandeln, deren Darstellung die Illustration des Phänomens abrunden soll, betrifft das Verhältnis zwischen Banken in ihrer Funktion als Anlageberater und Wertpapierhändler und ihren Kunden. Zwei Fallbeispiele sollen die Problematik in diesem Bereich erläutern: Zum einen sind Fälle betroffen, in denen Banken oder ähnliche Unternehmen aufgrund ihrer Tätigkeit vertrauliche Informationen erhalten und diese dann - auch im eigenen Interesse - an Kunden weitergeben. 51 Beispielhaft sei hier der Fall Merrill Lynch aus den USA genannt. 52 Die New Yorker BrokerFirma Merrill Lynch, Pierce, Fenner and Smith Inc. fungierte als Emissionsfirma für die geplante Neuausgabe einer Wandelschuldverschreibung der Douglas Aircraft Company. Im Juni 1966 erfuhr Merrill Lynch bei vorbereitenden Arbeiten aus bislang unveröffentlichten Geschäftsunterlagen, daß dieses Unternehmen entgegen der allgemeinen Einschätzung plötzlich in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war. Die Information wurde sofort von dem für die Emission zuständigen Vize-Präsidenten von Merrill Lynch an die Anlageberatungs-Abteilung des Instituts weitergegeben. Im Rahmen der Wertpapierberatung wurden durch diese Abteilung einige Großkunden von Merrill Lynch, in erster Linie institutionelle Anleger, über die Verschlechterung der Geschäftssituation informiert, was zu einem Verkauf der überbewerteten Aktien führte. Kleinere Privatkunden wurden nicht informiert und erlitten daher erhebliche Verluste, als der Kurs nach Bekanntwerden der wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Douglas stark fiel. Die Anleger, die Merrill Lynch und
51 Zu den in diesem Bereich, vor allem im Rahmen der Anlageberatung, bestehenden Interessenkonflikten siehe ausfiihrlich Ropt in: Festschrift für Heinsius, S.289 (inbes. 298-307). Das Problem ergibt sich aus der Frage, ob \Uld ggf wieweit die Bank entgegen dem Grundsatz, daß sie Insider-Informationen nicht für K\Ulden verwenden darf, in Ausnahmefällen rechtlich vetptlichtet sein kann, bei der Anlageberat\Ulg Insider-Informationen an Wertpapierk\Ulden aufgf\Uld von Interessenwahrungs- \Uld Wamptlichten diesen gegenüber weiterzugeben.
·52 Entscheid\Ulg der SEC (im Disziplinarvetfahren) In the Matter of Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith, (1967-1969) Fed.Sec.L.Rep (CCR) § 77,629 (SEC 1968); siehe auch die Darstell\Ulgen bei Pfisterer, Machtmißbrauch, S.46 f; Wojtek, Insider Trading, S.126 f; Dingeldey, Insiderhandel \Uld Strafrecht, S.6.
B. Wesentliche Erscheimmgsformen
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Douglas auf Schadensersatz verklagten, konnten ihre Verluste jedoch wieder ausgleichen 53 . 2. frontrunning und scalping
Weiterer Problemfall im Verhältnis zwischen einer Bank bzw. einem Anlageberater und ihren Kunden ist das sogenannte frontrunning. 54 Frontrunning heißt "auf der Börse vorweghandeln". Hierbei geht es nicht um die mißbräuchliche Verwendung nicht allgemein zugänglicher Unternehmensdaten, sondern um die Nutzung rein marktbezogener Informationen. 55 Ein Angestellter eines Kreditinstituts erhält einen großen Kunden-Auftrag in einem Papier. Noch bevor dieser Auftrag vollständig ausgeführt wird, kauft er sachte auf eigene Rechnung die, wie er weiß, bald gefragten Aktien. Durch die gestiegene Nachfrage wird der Kurs der betreffenden Papiere üblicherweise steigen. Da eine große Kauforder oft in mehrere "kleine Pakete" aufgeteilt wird, kann der "Vorläufer" seine erworbenen Aktien zu einem inzwischen gestiegenen Kurs auf eines der letzten Kaufpakete legen und so ohne Risiko in kurzer Zeit Kursgewinne erzielen. Eine andere Variante ist das scalping (wörtlich: skalpieren)56. Damit wird sehr anschaulich eine Praxis beschrieben, bei der etwa ein Berater, ein Herausgeber eines Börseninformationsdienstes oder ein Kolumnist einer Wirtschaftszeitung den Erwerb von Anteilen an einer bestimmten Gesellschaft empfiehlt, ohne offenzulegen, daß er selbst an dieser beteiligt ist, wobei der Anteilserwerb in der Regel kurz vor der Anlageempfehlung erfolgte. Ist der Kurs infolge der aufgrund des Rates verstärkt einsetzenden Nachfrage gestiegen, werden die Papiere binnen kurzem mit erheblichem Gewinn wieder verkauft. Ein Beispiel für scalping ist der US-amerikanische Fall SEC v. Capital Gains Research Bureau,57 aber wohl auch die vermuteten Praktiken des Journalisten der "Tele-Börse", die zur Auslösung des Börsen-Skandals in Frankfurt im Sommer 1991 geführt hatten. 58 Ob frontrunning einen Verstoß 53 Vgl. z.B. Financial Industrial Fund, Inc. v. McDonnell Douglas Corp., 474 F.2d 514 (10th Cir. 1973) (McDonnell Douglas ist der Rechtsnachfolger der Douglas Cornp.). 54 Dazu Hopt in: Festschrift fiir Heinsius, S.289 (294 f); FAZ vom 05.07.1991, S.22 ("Was ist Insider-Handel an der Börse?"). 55 Otto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S.65 (68).
56 "Skalpiert" werden die Aktien, nicht die Anleger. 57 375 U.S. 180 (1963), inbes. S.181. Siehe auch Zweig v. The Hearst Corp., 594 F.2d 1261 (1265) (9th Cir. 1979). 58 Siehe oben Einleitung, A.
56
Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
gegen die bisher an deutschen Börsen geltenden Regelungen darstellte, wurde nicht einhellig beurteilt. 59 Aufgrund der fehlenden Unternehmensbezogenheit der Informationen lag jedenfalls ein Verstoß gegen die Insiderhandels-Richtlinien mangels Insider-Information im Sinne von § 2 Nr.3 IHR nicht vor; in Betracht wäre allenfalls eine Zuwiderhandlung gegen die Händler- und Beraterregeln (§ 1 Satz 1 lit.b) gekommen. Gleiches muß für das scalping gelten, da es auch bei diesem nicht um Unternehmensnachrichten, sondern um Marktinformationen geht. 60 In der Diskussion um den neuen Verbotstatbestand des § 14 Wertpapierhandelsgesetz ist überlegt worden, ob nicht im Gesetz ausdrücklich klargestellt werden sollte, daß das "Vorlaufen" (frontrunning) ein verbotenes Insider-Geschäft ist. Dafür, daß es sich beim frontrunning um ein unzulässiges Insider-Geschäft handelt und nicht nur um einen Verstoß gegen die Berufspflichten der vorlaufenden Bank, sprechen die besseren Gründe 61 Diese Fallgruppen sollten ein Bild davon zeichnen, in welchen Erscheinungsformen Insiderhandel auftritt. Als Ergebnis läßt sich feststellen, daß die Ausnutzung von Insider-Informationen bei einer Betrachtung der dargestellten Fälle und Fallgruppen als grundsätzlich negativ zu bewertendes Phänomen erscheint. Es entsteht der Eindruck, daß die Insider die unwissenden anderen Anleger, die nicht im Besitz der kursrelevanten Insider-Information sind, regelrecht übervorteilen, d.h. für den Fall einer für die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens positive Tatsache ihnen Aktien unter Wert verkaufen bzw. im umgekehrten Fall, wenn eine für das betreffende Unternehmen negative Nachricht die Vorauskenntnisse ausmacht, ihnen über Wert verkaufen.
59 Nach einer Darstelhmg in der FAZ vom 05.07.1991, S.22 ("Was ist InsiderHandel an der Börse?"), wurde imfrontnmning teilweise ein Verstoß gegen die Insiderhandels-Richtlinien, teilweise eine Verletzung der Händler- lUld Beraterregeln, aber von einigen Marktteilnehmem auch eine Verletzung beider Richtlinien gesehen. Nach Liebers, Manager Magazin 6/1992, S.178 (179), galt frontnmning hingegen bisher nicht als Insider-Verstoß. 60 In den USA herrscht weitgehend Einigkeit, daß das scalping eine HaftlUlg nach rule 10(b)-5 auslöst; vgl. nur Clark, Corporate Law, S.348. 61 Dazu Hopf in: WM-Festgabe fiir Th. Hellner, S.29 (30); ('/aussen, DB 1994, 27 (29).
C. Die Bewertung des Insider-Problems
57
C. Die Bewertung des Insider-Problems Im folgenden soll nun erörtert werden, was genau es ist, was negativ am Insiderhandel zu bewerten ist, oder ob er nicht sogar zumindest auch positive Effekte mit sich bringt. Es soll keine Darstellung aller Argumente erfolgen, die in dem schon lange währenden Streit um die Notwendigkeit der Einführung eines gesetzlichen Insiderhandels-Verbots vorgebracht wurden. Durch die EG-Richtlinie "zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte" und deren nunmehr auch in Deutschland erfolgte Umsetzung ist dieser Streit zugunsten einer gesetzlichen Regelung entschieden. Allerdings ist es dennoch von Bedeutung, sich darüber klar zu werden, worin der Unrechtsgehalt von Insider-Geschäften liegt und welche Rechtsgüter möglicherweise durch das Handeln von Insidern beeinträchtigt werden, um so auch die Zwecksetzung der Insider-Richtlinie bewerten zu können. Vor allem aber ist dieses wichtig gerade im Hinblick auf die in dieser Arbeit zu erörternde Frage geeigneter Sanktionen,62 da im Hinblick auf das eine Sanktionierung rechtfertigende Ziel eines effektiven Rechtgüterschutzes ein Verhalten, das (auch) Individualrechtsgüter verletzt, anders zu sanktionieren ist als eines, das nur zu einer Verletzung von Rechtsgütern der Allgemeinheit führt (durch Ahndung von Rechtsgutsverletzungen und Wiedergutmachung sowie durch Vorbeugung von künftigen Rechtsgutsverletzungen63 ); auch soll die vorzunehmende Sanktionierung geeignet sein, auf den Täter dahingehend einzuwirken, daß er aufgrund der ihm auferlegten Sanktion zur Einsicht kommmt, Unrecht getan zu haben mit der Folge, daß bei ihm die Achtung vor dem Recht wieder befestigt wird. 64 Kommt man zu dem Ergebnis, daß Insiderhandel zu verbieten ist, da er Rechtsgüter der einzelnen Anleger verletzt, die mit den Insidern gehandelt haben, nämlich daß er bei diesen zu einer kausalen Vermögensbeeinträchtigung führt, so ist neben einer eventuellen Kriminalstrafe auch eine Sanktion vorzusehen, die für eine Wiedergutmachung der bei den Anlegern entstandenen Schäden sorgt, sprich Schadensersatz, den der im einzelnen geschädigte Investor einklagen kann. Schädigt Insiderhandel hingegen nicht einzelne An62 Auf den Zusammenhang zwischen Bewertlmg des Insiderhandels 1U1d Bestimm1U1g der geeigneten Sanktionen weist zu Recht Fleteher, Materials, S.561, hin. 63 Im Strafrecht ist dieses die sogenannte Generalprävention; vgl. dazu allgemein Jeseheek, Allgemeiner Teil, § 1 ll.1. (S.3 f) 1U1d § 8 ll. 3.a) (S.60 f); Jakobs, Allgemeiner Teil, 1. Abschn. lV.A. (S.20-22). 64 Sogenannte Spezial- oder Individualprävention; vgl. nur Jeseheek, Allgemeiner Teil, § 1 ll. 2. (S.4) 1U1d § 8 ll. 3.b) (S.61); Jakobs, Allgemeiner Teil, 1. Abschn. lV.B.1. (S.22-24).
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
leger, sondern beeinträchtigt er die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und damit ein Rechtsgut der Allgemeinheit, ist die Zugestehung von Schadensersatzansprüchen wohl mangels Anspruchsberechtigung kaum zu rechtfertigen; hier ist dann an straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen zu denken. Auch die Schwere der angedrohten Sanktionen hängt davon ab, welchen Unrechtsgehalt man dem Handeln von Insidern zuspricht. Dieses gilt insbesondere für die Frage der Kriminalisierung von Insider-Verstößen. Die Bewertung bestimmt die Sanktion(en). Ausgangspunkt und damit von grundlegender Bedeutung ist zunächst, daß sich unter Ökonomen überwiegend eine andere Einschätzung des Insiderhandels feststellen läßt als in der juristischen Diskussion. So läßt sich auf internationaler Ebene besonders im letzten Jahrzehnt im Bereich der Gesetzgebung eine zunehmende Verschärfung bei der Behandlung von Insider-Geschäften feststellen (als Beispiele seien hier die EG-Richtlinie und die neuen amerikanischen Gesetze, der Insider Trading Sanctions Act von 1984 (ITSA)65 und der Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act von 1988 (ITSFEA)66, genannt), während sich in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion eher eine entgegengesetzte Bewegung andeutet. 67 Grund dafür ist, daß beide Seiten verschiedene Ansatzpunkte bei der Beurteilung der rechtspolitischen Frage nach dem Regelungsgrund und der Regelungsabsicht eines Insiderhandelsverbots gewählt haben. Während in der Wirtschaftswissenschaft in erster Linie die Effizienz, insbesondere die Informationseffizienz, der Kapitalmärkte und weitere ökonomische Aspekte des Insiderhandels und dessen eventuellen Verbots im Vordergrund stehen, normative Bezüge zwar vorhanden sind, jedoch dahinter zurücktreten, sind es unter Juristen vor allem normative Wertungen wie der Gedanke der Fairness und damit der "Sauberkeit"68 der Wertpapiermärkte, die sich bislang überwiegend auf die Vermutung von Schädigungen durch Insiderhandel stützen. So wird auch mit Hopf6 9 zwischen
65 Pub.Law No.98-376, 98 Stat. 1264 (1984); kodifiziert in 15 U.S.C. §§ 78a, 78c, 78t, 78u, 78ff(Supp.II 1984). 66 Pub.Law No. 100-704, 102 Stat. 4677 (1988); teilweise kodifiziert in 15 U.S.C. §§ 78c(a)(50), 780, 78tA, 78(u)(a), 78ü(c), 80b-l, 78ff(a), 35c. 67 So richtig Engel, Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1991,388 (389). 68 Der Begriff "Sauberkeit der Wertpapiermärkte" wird immer wieder in der Diskussion gebraucht, vgl. z.B. Hopt, ZGR 1991, 17 (55); Strebel, Insidervergehen und Banken, S.lO. 69 ZGR 1991,17 (22, 25); vgl. auch Schneider. DB 1993, 1429 (1431).
c. Die Bewertung des fusider-Problems
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der ökonomischen und juristischen Theorie des Insider-Rechts unterschieden.?o I. Die ökonomische Sicht: Argumente fÜr Insiderhandeln
Bevor erörtert werden soll, welche Rechtsgüter möglicherweise durch Insiderhandel verletzt werden, ist zunächst zu fragen, ob das Handeln von Insidern an der Börse ökonomisch gesehen sinnvoll und daher positiv zu bewerten ist. Diese Frage ist auch nach der nun durch die EG-Richtlinie entschiedenen Problematik der Notwendigkeit eines gesetzlichen Insiderhandels-Verbots und der Schaffung eines Insider-Straftatbestandes im deutschen Recht in Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie entgegen dem ersten Anschein noch von einiger Relevanz, und zwar sowohl im Hinblick auf die Transformation in den Mitgliedstaaten als auch im Rahmen der teleologischen Auslegung de lege lata. So ist auch die ökonomische Einschätzung des Insiderhandels mitentscheidend für die Ausübung der den Mitgliedstaaten in der EG-Richtlinie eingeräumten Wahlrechte (siehe z.B. Art.2 Abs.3 Unterabs.2 über die Freistellung von außerbörslichen Geschäften ohne Einschaltung eines Berufshändlers und Art.2 Abs.4 Satz 2 über die Freistellung der öffentlichen Schuldenverwaltung auch in Gliedstaaten und Gebietskörperschaften der Mitgliedstaaten) und die Frage, ob von den Mitgliedstaaten bei der Auswahl der Sanktionen (Art. 13 der Richtlinie) eine mehr oder weniger harte Gangart eingeschlagen wird.?l Denn selbst wenn Insiderhandel wertungsmäßig negativ zu beurteilen ist, so können mit ihm doch vorteilhafte Folgen ökonomischer Art verbunden sein, die eine restriktive Ausgestaltung des Verbots und der Sanktionierung - soweit innerhalb der Vorgaben der EG-Richtlinie zulässig - verlangen.
70 CarltonIFischel, Stan.L.Rev. 35 (1983), 857 (860): "A fimdamental difference exists between the legal and economic definitions of insider trading. " 71 So auch Hopt, ZGR 1991, 17 (26). Schörner, Gesetzliches fusiderhandelsverbot, S.40 und S.250 f, der in seiner Analyse zu einem Überwiegen der positiven Aspekte des fusiderhandels kommt, sieht so auch bei der Schaffung einer "Maximallösung" bei der Umsetzung der Richtlinie mit einem Straftatbestand und einer "schlagkräftigen" Aufsichtsbehörde die Gefahr negativer Wirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes gerade durch die Kontrollaktivitäten der Behörde.
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
J. Insidergewinne als Leistungsanreiz für das unternehmerische Management
Am nachdrücklichsten hat sich, gestützt auf eine rein ökonomische Betrachtungsweise, der Amerikaner Manne 1966 in seinem grundlegenden Buch "Insider Trading and the Stock Market''72 gegen ein Verbot des Insiderhandels durch rechtliche Normen ausgesprochen; er hält das Handeln von Insidern vielmehr im Interesse des Funktionierens der kapitalistischen Wirtschaftsordnung für unbedingt notwendig. Diese These hat eine umfassende Diskussion um das Für und Wider eines Insiderhandels-Verbots ausgelöst und zu einer Reihe ökonomischer Beiträge geführt - auch in der Bundesrepublik -, die Insiderhandeln unter Fortführung der Thesen Mannes positiv bewerten.?3 a) Die Begründung durch Manne Wichtigster Punkt in Mannes Argumentation ist die von ihm hervorgehobene Notwendigkeit der Erhaltung eines elementaren Leistungsanreizes für eine unternehmerisch denkende und handelnde Führungsschicht, wofür seiner Meinung nach die Erlaubnis von Insidergeschäften und die damit gegebene Möglichkeit zur Einkommensverbesserung am besten geeignet seien. 74 Er geht dabei von den Untersuchungen 5'chumpeters aus, nach der für den wirtschaftlichen Fortschritt "echte" Pionierleistungen unentbehrlich seien, die von einem kreativen Unternehmertum erbracht würden. Allein dieser "Schumpetersche Unternehrner"75 - bei Manne die entrepreneurs als Innovato72 Eine verkürzte Zusammenfassung findet sich in Harv.Bus.Rev. 44 (Nov.-Dec. 1966), 113-122.
73 Vgl. Wu, Colwn.L.Rev. 68 (1968), 260-269; Easterbrook, Sup.Ct.Rev. 1981, 309-365; CarltonlFischel, Stan.L.Rev. 35 (1983), 857-895; in der Schweiz Herrschsohn, SAG 44 (1972), 173 ff., und in jüngerer Zeit in Deutschland Schörner, Gesetzliches Insiderhandelsverbot, sowie Schneider, DB 1993, 1429 (1434 f), der die Erlaubnis von Insiderhandeln in Managerarbeitsverträgen als Mittel der Steigerung der Effizienz des Kapitalmarktes befürwortet. Angesichts der gleicheImaßen mit der arbeitsvertraglichen Erlaubnis von Insider-Geschäften verbundenen Nachteile, auf die im folgenden eingegangen werden wird, bleibt auch diese Rechtfertigung zweifelhaft. Eine umfassende Übersicht über die zahlreichen Stellungnahmen und Buchbesprechungen zu Manne fmdet sich bei Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.39 FN 11. 74 Manne, Insider Trading, S.138: "Insider trading meets all the conditions for appropriately compensating entrepreneurs. " 75 Nach Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S.88 ff., III ff., sind Unternehmer diejenigen Wirtschaftssubjekte, deren Funktion die Durchsetzung neuer Kombinationen ist und die dabei das aktive Element sind (S.111).
c. Die Bewertung des Insider-Problems
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ren in scharfer Abgrenzung zum lediglich verwaltenden Management - sei, so der Ausgangspunkt Mannes, in der derzeitigen Entwicklungsstufe des Kapitalismus, die durch die Existenz von modernen "eigentümerlosen" und "unternehmerlosen" Großunternehmen gekennzeichnet sei, in der Lage, das Wirtschaftssystem vor Abstieg und Untergang zu bewahren)6 Voraussetzung sei allerdings, daß diese Führungsschicht hinreichend motiviert werde, diese gesamtwirtschaftlich unentbehrliche Leistung zu erbringen, was durch die Chance des Pioniergewinns zu erfolgen habe. In Großunternehmen ließe sich, so der Kerngedanke in der Argumentation Mannes, dieser Pioniergewinn nur dadurch in Aussicht stellen, daß es der unternehmerischen Führungsschicht erlaubt sei, durch Insider-Transaktionen die Pionierleistung auszunutzen, d.h. bevor sie an der Börse bekannt wird und ihr Wert in höheren Effektenkursen allen Aktionären und nicht nur dem entrepreneur allein zufließt. 77 Die normale Entlohnung hingegen sei nämlich insofern - als Anreiz sowie als Belohnung unternehmerischer Leistung - gerade nicht ausreichend78 )9 Im Anschluß an Mannes Veröffentlichung wurde von Vertretern der agency theory die Erforschung des Agenturproblems stark vorangetrieben. Die Agenturtheorie befaßt sich mit dem Studium des Verhältnisses zwischen einem principal (Auftraggeber) und seinem agent (Agenten), wobei das für beide op76 Hier weicht Manne von Schumpeter ab, der ein Überleben des vom Großunternehmertum geprägten Kapitalismus aufgrund der zunehmenden BÜTokratisierung des Managements und des damit verbundenen Fehlens von Pioniergeist und Innovation verneint hat, was Manne als schwerwiegenden Irrtum Schumpeters bezeichnet; Harv. Bus.Rev. 44 (Nov.-Dec.1966), 113 (117). Darauf, daß im modernen Großunternehmen das Sicherheits streben risikofreudiges Unternehmertum zwiickdrängt, hat besonders Galbraith, The New Industrial State, hingewiesen. 77 Manne, Insider Trading, S.110, schildert die Konsequenzen der Zulassung von Insiderhandel in leuchtenden Farben: "a rule allowing insiders to trade freely may be fimdamental to the survival of our corporate system. People pressing for the rule barring insider trading may inadvertentiy be tampering with one of the wellsprings of American prosperity." 78 Manne, Insider Trading, S.141: " A similar false notion is that no insider should receive compensation higher than the wage or salary expressly contracted for ... The major innovations in commercial and industrial history have not come from purely salaried employees."
79 Ähnlich wie Manne äußerte sich in der Schweiz Herrschsohn, SAG 44 (1972), 173 (184), der dem Insider als "aktiv treibende Kraft" einen gewissen "Spielraum zur Erzielung persönlicher Gewinne" belassen will. Seine Begründung allerdings ist anders. Herrschsohn befürchtet, daß durch eine gesetzliche Beschränkung des Insiderhandels, die damals in der Schweiz noch nicht gegeben war, eine "Auswanderungsgefahr von Spitzenpersonal" entstehen könne.
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
timale Anreizsystem, bestehend aus der Erfolgsmessung und der daraus resultierenden Entlohnung des Agenten, analysiert wird. 80 Der Insiderhandel wird als ein Agenturproblem gesehen,81 bei dem die Aktionäre die Rolle der principals und die Insider-Manager die der agents übernehmen. 82 Zu nennen sind hier in erster Linie Carlton und Fischel 83 , die sich auf der Basis der agency theory gegen eine staatliche Regulierung und damit gegen ein gesetzliches Verbot des Insiderhandels aussprechen. Sie argumentieren, wie auch Manne, daß Insider-Manager durch den Insiderhandel eine Leistungsprämie ("reward upon success") erhielten; die Erlaubnis von Insidergeschäften sei dann also Teil des Anreiz- und Belohnungssystems für Manager. Zur Begründung der Zulässigkeit dieser Art von Entlohnung wird angeführt, daß Vereinbarungen vertraglicher Art (so z.B. im Arbeits- bzw. Anstellungsvertrag) zwischen principal und agent über die Verwertung von Insider-Informationen zulässig sein sollten anstelle einer Regulierung von staatlicher Seite. Diese Vereinbarungen hätten die Übertragung von Eigentumsrechten (property rights) an entsprechenden Informationen zum Gegenstand. Der Vorteil bestünde zum einen darin, daß die eigenen Interessen der Parteien diese dazu bringen würden, durch private Vereinbarung eine optimale Allokation der property rights in valuable information entweder bei den Managern oder bei den Investoren (Aktionären) zu erreichen. 84 Zum anderen wird die Erlaubnis von Insider-Geschäften über private Vereinbarungen zwischen principal und agent als eine mögliche Lösung des Problems der bei Gehaltsanpassungsverhandlungen mit Managern entstehenden Transaktionskosten gesehen. 85 Der agent sei in der Lage, durch den Abschluß von mehr oder weniger
80 Siehe die Nachw. zur Agenturtheorie bei HauschkalHarm, BB 1988, 1189 (1193 FN 61), und bei Schörner, Gesetzliches Insiderhandelsverbot, S.11 0 ff 81 Deutlich folgender Titel: Easterbrook, Insider Trading as an Agency Problem, in: Prattl Zeckhauser (Hrsg.), Principals and Agents, S.81-100. 82 So ausdrücklich FennlMcGuirelPrentice in: HoptIWymeersch (Hrsg,), European Insider Dealing, S.3 (8). 83 Stan.L.Rev. 35 (1983), 857-895. 84 Carlton/Fischel, Stan.L.Rev. 35 (1983), 857 (861 ff), unter Bezugnahme auf Coase, lL. & Econ. 3 (1960), 1-44; auch Haddock/MacLY, NW.Univ.L.Rev. 80 (1986), 1449 (1472). Zu diesem sogenanntenproperty rights approach, wonach die Rechte zur Informationsproduktion und -nutzung so defmiert werden sollten, daß die Transaktionskosten minimiert werden siehe die Darstellung bei FennlMcGuirelPrentice in: HoptIWymeersch (Hrsg.), European Insider Dealing, S.3 (11 f). 85
Carlton/Fischel, Stan.L.Rev. 35 (1983), 857 (870).
c. Die Bewertung des Insider-Problems
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vorteilhaften Insider-Geschäften seine "Belohnung" selbst zu steuern,86 so daß ständige Neuverhandlungen zur Gehaltsverbesserung bzw. -anpassung vermieden würden. Für den principalliege der Vorteil einer Erlaubnis darin, daß er nur ein geringeres fixes Gehalt zu zahlen brauche,87 und daß der agent einen Anreiz zur besseren Leistung88 zwecks Kapitalisierung durch Insider-Geschäfte habe. Im letzteren deckt sich die Argumentation wieder mit der Mannes. b) Kritik: Fehlende Leistungsbezogenheit von Insider-Gewinnen Sollten Insider-Gewinne tatsächlich wie eine Leistungsentlohnung interpretiert werden können und kämen der vertraglich vereinbarten Erlaubnis zur Vornahme von Insider-Geschäften die oben dargestellten Vorteile der Kostenersparnis und effizienten Allokation der property rights wirklich zu, so wären dieses starke Argumente gegen die gesetzliche Regulierung des Insiderhandels. 89 Zumindest erschiene eine Sanktionierung von Insidergeschäften durch das "innovative Management", das zu den Primärinsidern im Sinne von Art.2 Abs.l der EG-Richtlinie zählt, mehr als fragwürdig, da dann die Anreizwirkung, die dem Insiderhandeln zugesprochen wird, gerade zunichte gemacht werden würde. Eine nationale Gesetzgebung, entsprechend der Transformationsverpflichtung durch die EG-Insider-Richtlinie, würde dann nicht mehr als geeignet und verhältnismäßig erscheinen - vor allem bei einer strafrechtlichen Sanktionierung, da das Strafrecht ultima ratio ist -, so daß eine verfassungsrechtliche Unzulässigkeit gegeben sein könnte. Zu denken wäre dann in diesen Fällen an Ausnahmen von dem gesetzlichen Verbot oder - da die EG-Richtlinie solche Ausnahmen nicht vorsieht - an ein Absehen von einer Sanktionierung im Einzelfall, es sei denn, das Insiderhandeln des Managements stellte sich als ein Mißbrauch der Erlaubnis zum Nachteil des Unternehmens heraus. Somit stellt sich zunächst die Frage, ob die Erzielung von Insider-Gewinnen als sogenannte Pioniergewinne durch Insider-Manager eine Form lei86 Sehr anschaulich CarltonlFischel, Stan.L.Rev. 35 (1983), 857 (870 f): "The manager, in effect, "renegotiates" each time he trades." 87 Darauf weisen Haddock/Macey, Nw.Univ.L.Rev. 80 (1986), 1449 (1467), hin. 88 Carlton/Fischel, Stan.L.Rev. 35 (1983), 857 (871): "The insider trading alterna-
tive ... increases the incentives of managers to produce valuable information."
89 So auch Ott/Schäfer, ZBB 1991,226 (233) lUld H. Schmidf in: HoptJWymeersch (Hrsg.), European Insider Dealing, S.21 (36).
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
stungsbezogener Entlohnung ist. Es muß also ein innerer Zusammenhang zwischen der unternehmerischen Pionierleistung und den Vermögensvorteilen aus Insider-Geschäften gegeben sein. Hier ist zunächst zu bemerken, daß sich durch Insiderhandel nicht nur die Personen bereichern können, die für die "positive" Unternehmensentwicklung verantwortlich zeichnen, sondern auch alle diejenigen, die über die günstige Gesellschaftsentwicklung rechtzeitig, d.h. bevor die Nachricht an die Öffentlichkeit gelangt und ihren Charakter als Insider-Information verliert, profitieren können. Diese Gruppen sind keineswegs immer identisch,90 da in einem großen Unternehmen die relevanten Informationen zu einem ganzen Kreis von Personen fließen, die nicht notwendig mit der unternehmerischen Leistung zu tun haben91 - man denke in diesem Zusammenhang nur an den in im Jahr 1993 Deutschland geschehenen Fall Steinkühler. Um hier sicherzustellen, daß diesen Personen Gewinne aus Insider-Geschäften nicht zukommen - was in der Praxis ohnehin nicht möglich sein wird -, da sie durch eigene Leistung nicht dazu beigetragen haben, müßte, der eingeschränkten Erlaubnis von Insider-Geschäften für kreative Manager entsprechend, für eine umfassende Überwachung gesorgt werden. Diese würde Kosten für das betroffene Unternehmen verursachen und den eventuellen Vorteil, der aus den eingesparten Transaktionskosten für Gehaltsanpassungsverhandlungen resultiert, wohl wieder aufzehren. Die MÖglichkeit, daß andere als die "unternehmerisch" tätigen Manager von Insider-Informationen profitieren, scheint zumindest die Vermutung zu bestätigen, daß die Entlohnung durch Insider-Gewinne weniger eine Entlohnung für besondere Leistungen im Sinne .)'chumpeters ist als vielmehr für den bevorzugten Zugang zu kursrelevanten Informationen. 92
Aber selbst unter Außerachtlassung dieses Aspekts kann nicht von einer Leistungsbezogenheit einer Entlohnung über Insider-Gewinne die Rede sein. 90 Klainguti, Aktienhandel im amerikanischen BWldesrecht, S.140, nennt in diesem Zusammenhang Personen, deren Namen auf der Liste des VelWaltWlgsrats zu fmden sind, mit der tatsächlichen Leitlmg des Unternehmens aber nichts zu tim haben. Siehe auch M.B. Koch, Insiderwissen Wld Insiderinformation, S.54. 91 Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.41, weisen auf den bereits oben dargestellten (Erster Teil, B. 1.) Fall Texas GulfSulphur hin. Herzel/Katz, Lloyds Bank Rev. Juli 1987, 15 (18), nennen aus diesem Grund auch die Erlaubnis von Insider-Geschäften "an ineffective method of compensation". So auch Suter, Insider Dealing, S.33 f 92 Engel, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1991, 388 (394). Scott, ILeg.Stud. 9 (1980), 801 (809), verneint deshalb auch ein BeziehWlg zwischen Insiderhandel Wld Wlternehmerischer Innovation. In diesem Zusammenhang wird auch von windfall profits gesprochen; z.B. Fellmann, Rechtliche ErfassWlg von Insidertransaktionen, S.14.
C. Die Bewertung des Insider-Problems
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Dieses zeigt sich besonders deutlich im Falle kurs senkender Ereignisse. Wenn unternehmensangehörige Insider ihre Kenntnisse von solchen Umständen und den bevorstehenden Kursverlusten durch Verkauf von Aktien, durch Leerverkäufe oder Termingeschäfte verwerten dürfen und so die Konsequenzen einer solchen Entwicklung auf nichtsahnende Outsider verlagern können, wird nicht eine eigene, für das Unternehmen positive Leistung entlohnt, sondern vielmehr oft das eigene Versagen. Hier ist die These Mannes als schlichtweg falsch zu bezeichnen. 93 Die fehlende Leistungsbezogenheit wird ebenfalls offenbar anband der Tatsache, daß eine bestimmte Kursentwicklung von zahlreichen Faktoren abhängig und damit oft schwer prognostizierbar ist. Positive Unternehmensereignisse müssen sich so nicht notwendigerweise in entsprechender Weise in den Kursen niederschlagen, wie diese sich auch aufgrund von Z.B. unternehmensexternen Ereignissen, die nichts mit der unternehmerischen Leistung des Managements zu tun haben, in eine bestimmte Richtung entwickeln können. Vielmehr hängt die Profitabilität von Insider-Geschäften von zahlreichen externen Faktoren ab, wie z.B. der Struktur des Kapitalmarktes, dem "Geräusch des Marktes" sowie des von Outsidern dort getätigten Umsatzes. Wegen der fehlenden Antizipierbarkeit von Insider-Gewinnen94 ist wohl auch ein "unternehmerisch" tätiger Angestellter eines Unternehmens eher durch Beteiligung an Gewinn oder Umsatz zu einer "Pionierleistung" zu motivieren,95 zumal aufgrund der eben genannten Faktoren, die den "Erfolg" 93 Dieses wird allgemein kritisiert, vgl. nur Hetherington, Wisc.L. Rev. 1967, 720 (729); Levmore, Va.L.Rev. 68 (1982), 117 (149); Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.42; Wojtek, Insider Trading, S.20; Jenckel, Insiderproblem, S.27; Dingeldey, Insiderhandel Wld Strafrecht, S.62; Suter, Insider Dealing, S.35; Engel, Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1991, 388 (394); Hauschka/ Harm, BB 1988, 1189 (1193, inbes. FN 64), die auf "diametral entgegengesetzte Anreize" des Insiderhandels verweisen. Manne, Insider Trading, S.153 f, Wld Harv.Bus.Rev.44 (Nov.-Dec.1966) 113 (119), hat dieses Problem sehr wohl erkannt, nimmt es aber in Kauf, da es einen Ausgleich schaffe zu den Fällen, in denen der Insider nicht in der Lage gewesen sei, seine PionierleistWlg durch Insidergewinne entsprechend zu "versilbern", z.B. weil sich die LeistWlg Wlter dem Gewicht anderer kursbildender Faktoren nicht auf die Kurse auswirkt oder der Pionier nicht über genügend eigene Mittel fiir ein entsprechendes Börsenengagement verfugt. Diesem Ausgleichsargument kann aber kein maßgebliches Gewicht beigemessen werden, es zeigt vielmehr weitere Schwachstellen der These Mannes. 94 Fellmann, Rechtliche ErfassWlg von Insidertransaktionen, S.76 f (FN 2). 95 Schäfer/Ott, Intn'l Rev. of L. & Econ. 12 (1992), 357 (369); Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.40 f; [)ingeldey, Insiderhandel Wld Strafrecht, S.62; Hopt, ZGR 1991, 17 (25); Herzel/Katz, Lloyds Bank Rev. Juli 1987, 15 (18), sprechen deshalb von einer "Wlpredictable method of compensation"; so auch Scott, J.Leg.Stud. 9 (1980),801 (808): "long-shot lottery tickets". 5 Mennicke
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
von Insider-Geschäften beeinflussen, eine Übereinstimmung zwischen der Höhe der möglichen Gewinnbeteiligung und der aus Insider-Geschäften erzielbaren Vorteile lediglich zufällig vorliegen wird. Die Erlaubnis von Insider-Geschäften, um so das kreative Management zu Leistungen zu motivieren und für diese zu entlohnen, erweist sich somit als nicht brauchbar. Da ein innerer Zusammenhang zur Leistung des Insider-Managers fehlt oder zumindest in den meisten Fällen nicht nachweisbar ist, ist diese These, die als Argument gegen eine Insider-Regulierung vorgebracht wird, mit dem Ziel der Leistungsgerechtigkeit und dem Leistungsprinzip, das in einer Wettbewerbswirtschaft wie der unsrigen gilt, nicht vereinbar. Es handelt sich vielmehr überwiegend um unverdiente Vorteile, die noch dazu nicht rein zufallsbedingt anfallen, sondern nur bei einem durch seine Tätigkeit oder durch seine Beziehungen privilegierten Personenkreis. Bestätigt wird dieses Ergebnis in eindringlicher Weise durch den Wall Street-Skandal von 1986,96 aber auch durch den Fall ,Weinkühler. Die fehlende Leistungsbezogenheit wird in besonders anschaulicher Weise auf dem Markt für Unternehmenskontrolle offenbar, der über Übernahmeangebote den Aktionären die Möglichkeit bietet, ein ineffizientes und unfahiges Management von den Schalthebeln des Unternehmens entfernen zu können,97
96 Engel, Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1991,388 (394). 97 Der "market for corporate control" kann als ein Markt angesehen werden, in
welchem sich alternative Managementteams um die Rechte bewerben, die Ressourcen eines Managements verwalten zu dilifen. Die Verfügungsrechte über eine Unternehmung stellen die Güter dar, die auf diesem Markt gehandelt werden. Erweist sich in großen Publikumsgesellschaften fiir die einzelnen Aktionäre die Ausübung der Kontrolle über "ihre" Gesellschaft als nicht mehr sinnvoll, da die Kosten der Entscheidungsvorbereitung und deren Durchsetzung in der Hauptversammlung wesentliche Teile des Aktienertrages aufzehren würde und ist hierdurch das Management zum unlegitimierten Herrscher in der Gesellschaft aufgestiegen, gewährt der Markt fiir Unternehmenskontrolle den Aktionären und ihren Vertretern erneut die Möglichkeit, konsumbetontes, machthungriges, phantasieloses oder auf andere Weise unfähiges ManagemeJ.lt von den Schalthebeln des Unternehmens entfernen zu können. Unternehmensübernahmen wird tendenziell eine belebende Wirkung fiir den Markt fur Unternehmenskontrolle zugesprochen. Siehe zum Markt fiir Unternehmenskontrolle Z.B. Adams, Die AG 1989, 333-338. Die Theorie kontrollmarktlicher Sanktionierung des Managements geht auf Manne, 1.PoI.Econ. 73 (1965), 110 (l12 f), zurück .. Zu dieser Sichtweise etwa Immenga, SAG 47 (1975),89 (90 f); Meier-Schatz, ZHR 149 (1985), 94 (104 f).
C. Die Bewertung des Insider-Problems
67
so daß sich nur die effizientesten Managementteams durchsetzen können. 98 Fehlt ein Insiderhandels-Verbot, ist die Möglichkeit gegeben, daß jeder, der von einem bevorstehenden Übernahmeangebot erfährt, Aktien des Zielunternehmens aufkaufen kann mit der möglichen Konsequenz, daß sich der Preis des Zielunternehmens für den Bieter aufgrund der gestiegenen Nachfrage verteuert und die Übernahme für diesen weniger profitabel wird bzw. sie vollständig scheitern läßt. In welchem Ausmaß dieses geschehen kann, zeigt der Fall Anheuser Busch Companies, lnc. v. Thayer, et a1. 99 , in dem sich die Übernahme von Campbell Taggart, Inc. für Anheuser-Busch um $ 80 Millionen verteuerte, da Insider-Geschäfte vor der öffentlichen Bekanntgabe des Übernahmeangebots zu beträchtlichen Kurssteigerungen führten. 1OO Solche Folgen von Insiderhandel können dann den Anreiz zu Übernahmeangeboten verringern oder im Fall von von Insidern hervorgerufenen Kurssteigerungen schon konkret geplante Übernahmen scheitern lassen. Damit wird gleichzeitig dann auch die Effizienz des Marktes für Unternehmens- bzw. Managementkontrolle nachteilig beeinflußt. IOI Die Vorteile, die von Vertretern der agency theory und des property rights approach dem principal, d.h. den Aktionären, in Form einer angeblichen Transaktionskostenersparnis zugesprochen werden, werden von den sich aus
98 SogenalUlte "pnming-deadwood-theory", die \Ulterstellt, daß Bieter mit dem Ansilll1en auftreten, ein leist\Ulgsschwaches Management zu beseitigen; dazu (auch kritisch) Meier-Schatz, ZHR 149 (1985), 76 (97). 99 CAJ-85-0794-R (N.D. Texas 1986), zitiert nach H.R.Rep. No.910, IOOth Cong., 2d Sess. (Sept.9, 1988), S.28.
100 Im Fall Anheuser-Busch wurde dementsprechend auch ein privates Klagerecht der Gesellschaft anerkalUlt, obwohl der Schaden nicht Ergebnis eines Handels mit dem Beklagten war, sondern Folge der mißbräuchlichen Weitergabe von Informationen durch den Beklagten, zu deren Verwend\Ulg er nicht berechtigt war. So gilt AnheuserBusch auch als bekalUltestes Beispiel für die Klage eines non-contemporaneous truders. Zum Problem siehe auch Hauch, Yale L.J. 97 (1987), 115 (115-117). 101 Eine solche Gefahr besteht auch bei der Übernahme des Unternehmens durch das amtierende Management (sogenalUlter Management Buy-Out), die durch einen Vertrag enolgt, bei dem aufbeiden Seiten ein mit Insider-Informationen ausgestattetes Management beteiligt ist, das daher letztlich unkontrolliert \Ulangemessene eigene Vorteile zu Lasten der außenstehenden Gesellschafter zu erzielen vermag. Deshalb fordert Adams, Die AG 1989,333 (337), Schutzvorkehr\Ulgen, so daß auch außenstehende Nicht-Insider die Möglichkeit haben, mitzubieten, sowie statt der allgemeinen Zulassung von Buy-Outs verbesseite, an den Gewilll1 des Unternehmens gekoppelte Bezahl\Ulgsschemata für das Management. Zum Management Buy-Out siehe z.B. ausführlich H.-J.Otto in: Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 261. 5·
68
Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
einem fehlenden Insiderhandels-Verbot für den principal ergebenden Nachteilen, wie sie oben dargestellt wurden, mehr als aufgewogen. Den Interessen der Anteilseigner läuft es zuwider, daß sie keinen Einfluß auf die bereits oben genannten l02 marktstrukturellen Voraussetzungen, von denen die Höhe profitablen Insiderhandels abhängig ist, haben.1 03 Vor allem aber ist die eigentliche Ursache profitablen Insiderhandels, nämlich Schwankungen des Firmenwerts, die sich wiederholen müssen, nur durch die abwechselnde Produktion guter und schlechter Nachrichten möglich,104 um die Anzahl der Gelegenheiten zu erhöhen, in denen die Ausnutzung von Informationsvorsprüngen aufgrund der erhöhten Volatilität der Börsenkurse möglich ist. 105 Dann aber besteht die Gefahr, daß das Management diesem Faktor mehr Aufmerksamkeit widmet als einer konstanten Unternehmenspolitik, die jedoch im Gegensatz zu einer mit der Erhöhung der Volatilität der Kurse verbundenen vergleichsweise risikoreicheren Geschäftspolitik gerade im Interesse der Anteilseigner und damit der eigentlichen Eigentümer des Unternehmens liegen würde. Aus Gründen eigenen Profits können Maßnahmen getroffen werden, die den Interessen des Unternehmens gerade zuwiderlaufen 106 und risikobehafteter sind als solche, die die Anteilseigner selbst bevorzugen würden.1 07 Insbesondere besteht die Gefahr der Überproduktion "schlechter" Nachrichten, weil diese mit weniger Arbeitseinsatz als "gute" Nachrichten produziert werden können. 108
102 Siehe oben dieses Kapitel. 103 Oft/Schäfer, ZBB 1991, 226 (233); dies., Intn'l Rev. of L. & Econ. 12 (1992), 357 (369). 104 Oft/Schäfer, ZBB 1991,226 (234). 105 Easterbrook, Sup. Ct.L. Rev. 1981, 309 (332) ("to increase the volatility of the finn's stock prices"); Levmore, Va.L.Rev. 68 (1982), 117 (149); Rudolph, Stelhmgnahme für den Finanzausschuß, Deutscher Bundestag, Protokoll Nr.70, S.116 (125). 106 Auf diese Gefahr machen aufmerksam Levmore, Va.L.Rev. 68 (1982), 117 (149), und Suter, Insider Dealing, S.35. 107 Easterbrook, Sup.Ct.L.Rev. 1981,309 (332). 108 Sogenanntes pelVerse incentive-Argument; siehe Hopt, ZGR 1991, 17 (24) und Hannigan, Insider Dealing, S.15. Dazu auch RideriFfrench, Regulation of Insider Trading, S.7; Easterbrook, Sup.Ct.L.Rev. 1981, 309 (332 ff); Schneider, DB 1993, 1429 (1431); Rudolph, Stellungnahme für den Finanzausschuß, Deutscher Bundestag, Protokoll Nr.70, S.116 (124). Deutlich Franke in: HoptIWymeersch (Hrsg.), European Insider Dealing, S.273 (284): "Since insider trading can create perverse incentives for the manager, profits from insider trading cannot be regarded as an efficient compensation scheme."
C. Die Bewertung des Insider-Problems
69
So hat jedenfalls aber die Gestattung der Ausnutzung von Insider-Informationen als Teil des Entlohnungssystems für Manager nicht die gleichen Auswirkungen auf das unternehmerische Engagement des "kreativen" Managements als es ein System der Gewinnbeteiligung an dem entsprechenden Unternehmen hätte. Dieses hat seinen Grund zum einen in der Existenz externer unbeeinflußbarer Marktfaktoren, die für profitables Insiderhandeln von Bedeutung sind, deren Bedetuung für die Erzielbarkeit von Gewinnen schon oben gezeigt wurde. Zum anderen ist es zwar sehr plausibel, daß die Anstrengungen von Managern, wenn sie ihr Einkommen durch Insiderhandeln verbessern können, größer sind als im Fall eines festen Gehalts. Dieses ist jedoch auch bei einem Bonus-System in Form einer Gewinnbeteiligung der Fall. Anders als bei diesem erscheint es jedoch bei den durch die Erlaubnis von Insider-Gewinnen geschaffenen Anreizen zu unternehmerischen Anstrengungen recht fraglich, daß diese auf die Maximierung des Unternehmensgewinns ausgerichtet sind. Der Insider-Manager wird vielmehr versuchen, die zu erwartenden Gewinne in allen guten Unternehmensperioden zu steigern, was zu einer Vernachlässigung der Kosten in schlechten Perioden führt. Der Grund dafür ist, daß der Insider-Manager sich nicht um die Verluste in einer wirtschaftlich schlechten Stiuation sorgt, da er dann keine Aktien besitzen und somit nicht von niedrigeren Dividenden betroffen sein wird. Der Manager, der eine Gewinnbeteiligung erhält, wird dagegen die Kosten sowohl in guten wie in schlechten Unternehmensperioden berücksichtigen und somit bestrebt sein, die Gewinne insgesamt für das Unternehmen zu steigern. 109 Dieses Phänomen, das im Zusammenhang mit dem Bemühen von Insider-Managern, für zyklische Kursbewegungen zu sorgen, um die Bedingungen profitablen Insiderhandels zu verbessern, gesehen werden muß, läßt den Rückschluß daraufzu, daß der von Manne entwickelte Ansatz, Insider-Geschäfte zur Entlohnung und als Anreizsystem für das "kreative" Management einzusetzen, für das betroffene Unternehmen wegen einer Ausrichtung der Unternehmenspolitik an kurzfristigen Gewinnen für die Insider und damit fehlenden Langzeitstrategie nachteilig ist. Damit kann diese Art von Entlohnungssystem nicht im Interesse der Anteilseigner als der Eigentümer eines Unternehmens liegen, so daß eine Übertragung der diesen zustehenden property rights in information auf das "kreative" Management nicht unter dem Gesichtspunkt einer optimalen Allokation, wie von Carlton und Fischel llO vorgeschlagen, zu rechtfertigen ist.
109 Vgl. Schäfer/Ott, Intn'l Rev. ofL. & Eeon. 12 (1992), 357 (369 f). 110 Vgl. Carlton/Fischel, Stan.L.Rev. 35 (1983), 857 (861 ff.).
10
Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
2. Förderung einer optimalen Kapitalallokation
Von wirtschaftswissenschaftlicher Seite werden jedoch auch andere Argumente für die These vorgebracht, daß Insider-Transaktionen ökonomisch sinnvoll seien, womit eine Regulierung und Sanktionierung fragwürdig würde. Zwei nicht voneinander klar trennbare Konzepte, um die die zentrale Argumentation kreist, sind zu nennen: die Allokationseffizienz der Kapitalmärkte durch die Bildung eines richtigen Preises und die Stabilisierung der Kurse; beides werde durch Insiderhandel gefördert. a) Bildung eines "richtigen" Börsenkurses Nach Manne 11 1, Wu 112 und Carlton und Fischel 113 sollen Insider-Transaktionen zu einer optimalen Kapitalallokation, d.h. zu einer rationalen, renditeorientierten Kapitalanlage 114 führen, da sie über die Antezipierung der späteren Kursentwicklung zur Bildung eines "richtigen" Preises beitrügen.1 15 Dieser Argumentation hat sich in jüngerer Zeit in der Bundesrepublik auf der wirtschaftswissenschaftlichen Seite Schörner 116 angeschlossen. Dieser Auffassung liegt die Vorstellung zugrunde, daß auf einem gut funktionierenden Kapitalmarkt der größte Teil des anlagesuchenden Kapitals zu den Unternehmen fließt, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Entwicklung die höchste Rendite erbringen. Die Rendite bestehe nicht nur in Dividenden, sondern auch in dem die wirtschaftliche Lage wiedergebenden Wertzuwachs der Beteiligung, der im Börsenkurs der betreffenden Aktie zum Ausdruck komme. Insider-
111 Insider Trading, S.80-90.
112 Colum.L.Rev. 68 (1968), 260 (264). Wu ist Wirtschaftswissenschaftler. 113 Stan.L.Rev. 35 (1983), 857 (879). 114 Zur Terminologie vgl. Z.B. Lüthje, Funktionsfähigkeit der deutschen Aktien-
börse, S.57 ff.
115 Richtiger Preis hat nichts zu tun mit der Vorstelhmg eines "iustum pretium", sondern bedeutet den Preis, der sich ohne Kursmanipulation und nach Offenlegung der kursrelevanten Informationen am Markt bildet, den sogenannten wahren Wert; Hopt/ Will, Europäisches Insiderrecht, S.42 (FN 26); Fellmann, Rechtliche Erfassung von Insidertransaktionen, S.80 (FN 2). Diesen wahren Wert spiegelt der Preis am ehesten wieder, wenn alle wertbeeinflussenden Informationen sowohl dem Käufer als auch dem Verkäufer zur Verfiigung stehen; vgl. nur Mayson/ FfrenchIRyan, Company Law, S.322. Dieser Kurs kann natürlich in aller Regel lediglich ex post geschätzt werden. 116 Gesetzliches Insiderhandelsverbot, S.247 (Zusammenfassung). Siehe auch Engel, Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1991, 388 (397), der eine Verbesserung der Informationseffizienz der Kapitalmärkte durch Insiderhandel bejaht.
C. Die Bewertung des Insider-Problems
71
Transaktionen sollen nun diesen Kurs, den Marktpreis, an neue Informationen vor der Veröffentlichung tendenziell anpassen, zunächst schon durch das einzelne Insider-Geschäft, das in den Kurs eingehe, 117 vor allem aber dann durch das übliche "Nachziehen" anderer am Markt. Der Kurs spiegele dann den tatsächlichen Wert (true value) der Beteiligung authentischer wider. Das führe dazu, daß die Anleger jetzt auf ein "richtigeres" Preisssignal reagieren könnten, so daß das Kapital an die richtige im Sinne der ökonomisch sinnvollsten Stelle gelenkt würde. 118 Die These, daß das Handeln von Insidern über eine erhöhte Informationseffizienz zu einer optimalen Kapitalallokation führe, wird jedoch von Wu selbst relativiert, wenn er zugibt, daß für deren praktische Bedeutung noch der empirische Nachweis fehlt. 119 Dieses wird von FeZ/mann bestätigt, der nach einer gründlichen Analyse empirischer Arbeiten zu dem Ergebnis kommt, daß eine eindeutige Wertung dieser Wirkung nicht vorgenommen werden könne. 120 So kann die Möglichkeit, daß Insider-Transaktionen Aktienkurse in die richtige Richtung lenken, mit Sicherheit auch nicht ausgeschlossen werden;121 die entscheidende Frage muß jedoch die sein, ob diese Kursanpassung regelmäßig zu beobachten ist oder lediglich als Ausnahmeerscheinung zu bezeichnen ist. Für die Kursanpassung im obigen Sinne ist es unumgänglich, daß bestimmte Voraussetzungen am Markt gegeben sind, deren Vorliegen wohl wirtschaftstheoretischen Modellvorstellungen entsprechen mag, nicht aber der komplexen Realität, die aber der Beantwortung der Frage nach der Verbotswürdigkeit eines Verhaltens, hier der Ausnutzung von Wissensvorsprüngen, zugrundeliegen muß; deshalb besteht Anlaß zu erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit obiger These. So ist zwar unzweifelhaft der erforderliche Nachzieheffekt anderer Börsenteilnehmer vorhanden, dieser ist aber nicht sonder117 So Levmore, Va.L.Rev. 68 (1982), 117 (149).
118Manne, Insider Trading and the Stock Market, S.77-110; Wu, Colum.L.Rev. 68 (1968), 260 (266); CarltonlFischel, Stan.L.Rev. 35 (1983), 857 (868); Schörner, Gesetzliches Insiderhandelsverbot, S. 247. 119 Wu, Colum.L.Rev. 68 (1968), 260 (269). 120 Fellmann, Rechtliche Erfass\Ulg von Insidertransaktionen, S.67; die Nichtnachweisbarkeit dieses Effekts betont auch Hannigan, Insider Dealing, S.12. 121 Wojtek, Insider Trading, S.19: "theoretisch mögliche Wirk\Ulgsweise"; Easterbrook, Sup. Ct. Rev. 1981, 309 (336); Fellmann, Rechtliche Erfass\Ulg von Insidertransaktionen, S.81; HerzellKatz, Lloyds Bank Rev. Juli 1987, 15 (16); Hannigan, Insider Dealing, S.12; H. Schmidt in: Hoptl Wymeersch (Hrsg.), European Insider Dealing, S.21 (34).
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Erster Teil: Das Phänomen InsiderhandeI
lieh stark und schnell. 122 Vor allem hängt dieser Nachzieheffekt davon ab, in welchem Ausmaß andere Anleger in der Lage sind, beispielsweise aufgrund einer Beobachtung von Kurs- und Umsatzentwicklungen, die Tatsache, daß Insider am Markt sind, zu erkennen und von anderen Faktoren zu unterscheiden. 123 Es müßte für die Allgemeinheit der Anleger danach deutlich feststellbar sein, daß die betreffende Kurs- oder Umsatzänderung gerade durch das Agieren von Insidern bewirkt wurde. Das dürfte allerdings gerade auf einem anonymen Markt, wie ihn die Börse darstellt, auf besondere, fast unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen.1 24 Außerdem ist der Insider als Informationsmonopolist oder -oligopolist darauf angewiesen, seine Informationen nicht en blac zu verwerten, sondern sein privilegiertes Wissen möglichst lange hinter dem "Geräusch des Marktes" zu verstecken, das eine wichtige Bedingung für die Durchführung profitabler Insider-Geschäfte ist. So ist es Ziel des Insiders, nicht den Aktienwert sofort um den Informationswert zu verändern. Denn der Insider braucht eine gewisse Zeit, um sein Wissen gewinnbringend verwerten, sprich auf der Basis von Insider-Wissen kaufen oder verkaufen zu können. 125 Ein solches strategisches Verhalten von Insidern, bei dem sie ihre Orders geschickt zurückhalten und verdecken, kann die Umsetzung der Informationen in den Kurs in der Tat verhindern oder zumindest vermindern. 126 Die Beantwortung der Frage, wie stark Insider von der Ausnutzung ihres Informationsprivilegs profitieren können, hängt in besonderem Maße davon ab, in welchem Ausmaß Insider Aktien kaufen oder verkaufen können, ohne Outsidern zu signalisieren, daß der Unternehmenswert nicht mit dem jeweiligen Börsenpreis übereinstimmt. Die Vorteile der Insider steigen mit dem Volumen der Geschäfte von Outsidern in der betreffenden Periode. Weil aber Outsider, also diejenigen, die nicht im Besitz des betreffenden kursrelevanten Wissens sind, ihre schon plazierten Orders im Falle entsprechender Kurssignale durch Insider-Aktiviäten sicherlich stornieren würden, käme es zu
122 Darauf weist Hopt, ZGR 1991, 17 (25), hin.
Carlton/Fischel, Stan.L.Rev. 35 (1983), 857 (868); Gilson/Kraakman, Va.L.Rev. 70 (1984),549 (574 f); Herzel/Katz, Lloyds Bank Rev. Juli 1987, 15 (16); Hannigan, Insider Dealing, S.12. 123
124 Auf diesen Punkt weisen Herzel/Katz, Lloyds Bank Rev. Juli 1987, 15 (16) hin. 125 Mendelson, U.Pa.L.Rev. 117 (1969), 470 (476 f); Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 772 (S.447).
126 So Rudolph, Stellungnahme für den Finanzausschuß, Deutscher Bundestag, Protokoll N r. 70, S.1I6 (123).
C. Die BewertWlg des Insider-Problems
73
einer Kursänderung ohne oder mit geringen Umsätzen, also zu einem Rückgang der möglichen Insider-Gewinne.1 27 Die damit durch Insiderhandel, der notwendigerweise die höchstmöglichen Gewinne erstrebt, bedingte Verzögerung der Offenlegung von kapitalmarktrelevanten Informationen über die jeweilige Gesellschaft wird zwar in der Literatur teilweise bezweifelt. 128 Nach Manne 129 sollen Insider-Geschäfte vielmehr - zumindest auf längere Sicht - sogar zu einer Beschleunigung der Offenlegung führen, da mit jeder Verzögerung das Risiko des Insiders, nicht mehr von der Insider-Information profitieren zu können, wachse. 130 Daher werde der Insider schon im eigenen Interesse kurze Zeit nach dem Geschäft die privilegierte Information bekanntmachen. Selbst wenn man hier die Frage nach einer dem Insider überhaupt gegebenen Befugnis zur Offenlegung der betreffenden Information ausklammert, ist die Argumentation Mannes nicht überzeugend. Manne übersieht nämlich, daß der beschriebene Verzögerungseffekt bei der Offenlegung nicht aus der Phase nach dem Insider-Geschäft resultiert, sondern aus der des Geschäfts, also des Kaufs oder Verkaufs, selbst. Hier ist der Insider gezwungen, seine Informationen peu ci peu am Markt umzusetzen, um nicht als Insider aufzufallen, so daß sein Wissen so lange wie möglich ein privilegiertes bleibt. Erfolgreicher Insiderhandel setzt nämlich geradezu voraus, daß das privilegierte Wissen zunächst unveröffentlicht bleibt. Diese künstliche Zurückhaltung von Informationen steht im direkten Widerspruch zur Informationseffizienzhypothese, da eine schnelle Kursanpassung an die Information gerade nicht zu erwarten ist und somit die Kurse dann häufig weiterhin auf lückenhaften und veralteten Informationen beruhen; dieses jedoch beeinträchtigt gerade die von Befürwortern des Insiderhandels im Hinblick auf eine verbesserte Informationseffizienz angenommene Leistungsfähigkeit des
127 Zur Strategie des Insiders siehe eingehend Schäfer/Oft, Intn'l Rev. ofL. & Econ. 12 (1992), 357 (363). 128 Besonders Manne, Vand.L.Rev. 23 (1970), 547 (566-568). In der Tendenz auch Doofey, Va.L.Rev. 66 (1980), 1 (34), der zwar die Möglichkeit solcher InformationsverzögefWlgen nicht leugnet; allerdings dürften sie jedoch nach seiner Ansicht wohl nur zu selten für eine VerallgemeinefWlg auftreten. Ähnlich Carlton/Fischef, Stan.L. Rev. 35 (1983), 857 (879), die eine empirische Basis vermissen. 129 Manne, Vand.L.Rev. 23 (1970), 547 (567 f).
130 Beispielsweise aufgfWld von neuen Ereignissen, die den Kurs in die gegenteilige RichtWlg leiten oder zumindest stagnieren lassen.
74
Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
Kapitalmarktes. 131 Deshalb erscheint es prima !acie nur konsequent, zur Förderung einer optimalen Kapitalallokation zu fordern, daß die wichtigsten Daten der Geschäftsentwicklung von den Unternehmen möglichst schnell bekannt gemacht werden,l32 um so Unsicherheiten und unerwünschte Nebenfolgen, wie sie bei der Gestattung von Insider-Geschäften auftreten, auszuschließen, und eine schnellere Reaktion des Marktes zu erreichen. 133 Dabei soll es jedoch selbstverständlich sein, daß nicht außer acht gelassen werden darf, daß eine verfrühte Offenlegung auch zur Schädigung der betroffenen Gesellschaft und ihrer Aktionäre führen kann, dem durch Schaffung von Ausnahmetatbeständen von der Offenlegugnspflicht abgeholfen werden könnte. 134 Jedoch bestehen nicht unbegründete Zweifel an der Eignung einer solchen Ad-hoc-Publizität zur Schaffung der skizzierten strengen Informationseffizienz, nach der ein Kapitalmarkt dann effizient ist, wenn sich alle kursbeeinflussenden Informationen unverzüglich in den Kursen niederschlagen mit der Folge, daß dann die gewinnbringende oder verlustmindernde Ausnutzung von Wissensvorsprüngen an der Börse und damit die Erzielung von Insider-Gewinnen per dejinitionem unmöglich würden. Auf diese Bedenken soll später in anderem Zusammenhang noch näher eingegangen werden. 135 Darüber hinaus ist auch die Erforderlichkeit von Insider-Trasaktionen am Markt zur Förderung einer optimalen Kapitalallokation zu bezweifeln. Angesichts zahlreicher anderer Faktoren und Informationsquellen am Markt, die die Preise ohne die Hilfe von Insider-Transaktionen in die richtige Richtung
131 Hauschka/Harm, BB 1988, 1189 (1194, FN 66); Ott/Schäfer, ZBB 1991, 226 (234); dies., Intn'l Rev. ofL. & Econ. 12 (1992),357 (371); Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn.772 (S.447). 132 Diese Fordenmg fmdet sich u.a. bei Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.43 f; Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.63; Gilson/Kraakman, Va. L. Rev. 70 (1984),549 (632); Hannigan, Insider Dealing, S.12. Dem wird die Annahme zugnmdegelegt, daß eine umfassende Publizitätspflicht über die Schaffung von Informationseffizienz die Voraussetzungen profitablen Insiderhandels beseitige, da Wissensvorsprünge und damit zusätzliche Gewinne aus diesen nicht mehr möglich seien. Daß an dieser Prämisse auch Zweifel bestehen, wird später (Erster Teil, c.n.l. b» dargelegt werden. 133 Dieses betonen Gilson/Kraakman, Va.L.Rev. 70 (1984), 549 (632). 134 So bot Z.B. § 44 a Abs.1 S.3 BörsG die Möglichkeit der Befreiung von der Publizitätspflicht unter Abwägung der Interessen von Publikum und Emittent. Diese Vorschrift ist nun als § 15 Abs.1 S.2 im neuen Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) im 3. Abschnitt ("Verbot von Insidergeschäften") enthalten. 135 Siehe unten Erster Teil,
c.n.l. b).
C. Die Bewertung des Insider-Problems
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lenken,136 in Verbindung mit einem solchen Entwicklungsstand der Kommunikationsmittel auf den Wertpapiermärkten, daß die Aktienkurse - beinahe sofort - neue Entwicklungen widerspiegeln (ohne daß Insider am Markt tätig sind),137 sind die zur Optimierung der Kapitalallokation gewünschten tendenziellen Kursanpassungen auch ohne Insider-Geschäfte möglich, so daß selbst im Fall der Annahme ökonomisch positiver Effekte auf die Kapitalmärkte eine sich aus juristischen Wertungen ergebende Befürwortung eines Insiderhandels-Verbotes als vorrangig anzusehen wäre. b) Kursstabilisierung durch Insiderhandel Ebenso wenig überzeugend ist das für die Bejahung ökonomischer Nützlichkeit von Insiderhandel vorgebrachte Argument, daß Insider-Geschäfte kursstabilisierend wirkten, da das diesen innewohnende Element der Spekulation als ein Faktor angesehen wird, der dazu beitragen könne, die Kursentwicklung zu glätten und somit unerwünschte starke Kursausschläge abzumildern. 138 Diese Kursstabilisierung trage mit bei zur Optimierung der Allokation von Investitionskapital und erhöhe die Attraktivität der Anlage in Beteiligungspapieren auch für diejenigen Anleger, die risikoreiche Geschäfte meiden. Diese These setzt jedoch als Prämisse voraus, daß die ausgleichende Wirkung auf die Kursentwicklung über eine Anpassung der Kurse an die zukünftigen Preise, d.h. über eine Antezipierung der späteren Kursentwicklung erfolgt. Daß zur Durchführung profitablen Insiderhandels naturgemäß gerade versucht werden wird zu verhindern, daß eine solche Vorwegnahme einer späteren Kursentwicklung erfolgt, wurde oben 139 dargestellt. Es besteht vielmehr die Gefahr, daß der Insider Informationen möglichst lange zurückhält, was gerade im Fall eines zu erwartenden tieferen zukünftigen Preises der Fall sein wird, um seinen Verlust auf unwissende Anleger abzuwälzen. 140 Vor allem aber darf die Gefahr von Überreaktionen des Marktes nicht vernachlässigt werden, die im Rahmen des Mitläuferverhaltens von Amateurspekulanten ge-
136 Hetherington, Wisc.L.Rev. 1967, 720 (723); Hauschka/Harm, BB 1988, 1189 (1194, FN 67). 137 Branson, Emory L.J. 30 (1981), 263 (293). 138 Manne, Insider Trading, S.106 f; ders., Vand.L.Rev. 23 (1970), 547 (574); Wu, Colwn.L.Rev. 68 (1968), 260 (265 ff). 139 Siehe oben Erster Teil, C.ll.2.a). 140 Fellmann, Rechtliche Erfassl.U1g von Insidertransaktionen, S.43.
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
geben ist 141 und gerade eine kontraproduktive Auswirkung auf die erwünschte Kursstabilisierung haben kann. Die Ambivalenz des Arguments der Kursstabilisierung wird auch transparent, wenn man den im Hinblick auf das Vorkommen von Insider-Aktivitäten empirisch besonders bedeutungsvollen Fall von Insider-Geschäften im Zusammenhang mit bevorstehenden Übernahmeangeboten betrachtet. Die Veröffentlichung eines Übernahmeangebots wird bei entsprechenden Konditionen für die Aktionäre zu nicht vorhersehbaren Kursausschlägen nach oben führen. Die im bereits im Vorfeld der öffentlichen Bekanntmachung getätigten Käufe von Aktien des Zielunternehmens durch Insider lassen deren Kurse bereits in die entsprechende Richtung steigen und somit in der Regel einen Beitrag zur Kursstabilisierung leisten. Dieser als solcher zunächst grundsätzlich positiv zu bewertende Befund läßt sich so aber nicht halten, denn man muß die gleichzeitig damit unvermeidbar verbundenen negativen Auswirkungen auf den Markt für Unternehmenskontrolle bedenken, die bereits oben erörtert wurden, nämlich eine Lähmung von Übernahmeaktivitäten, die grundlegende Bedingung für das Funktionieren der Mechanismen des Marktes für Unternehmenskontrolle sind.
3. Ergebnis Als Ergebnis der bisherigen Erörterungen läßt sich festhalten, daß ökonomische Gründe nicht zwingend gegen eine Insiderhandels-Regulierung und eine Sanktionierung von Insider-Geschäften sprechen, da sie eine positive Bewertung von Insiderhandeln nicht begründen können,142 was insbesondere in dem empirisch bedeutenden Bereich der Unternehmensübernahmen gilt. Eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit spricht deshalb nicht gegen eine Sanktionierung, zumal, wie Jennings es auf den Punkt brachte: "After all, we do not let Paul rob Peter because he may be able to put the stolen property to a better economic use"143.
141 Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.44; Renner, Schutz des Kapitalanlegers, S.40; Fellmann, Rechtliche Erfassung von hlsidertransaktionen, S.43. 142 So auch Fellmann, Rechtliche Erfassung von Insidertransaktionen, S.81; Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.63; Hauschka/Harm, BB 1988, 1189 (1194); Ott/ Schäfer, ZBB 1991, 226 (235). hn Ergebnis auch Rudolph, Stellungnahme für den Finanzausschuß, Deutscher Bundestag, Protokoll Nr.70, S.116 (124). 143 Cal.L.Rev. 55 (1967), 1229 (1234).
C. Die Bewertung des Insider-Problems
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11. Die Juristische Bewertung: Von Insiderhandel beeinträchtigte Interessen
Daß die in erster Linie von Ökonomen vorgebrachten Argumente für die Notwendigkeit und Nützlichkeit von Insiderhandel nicht überzeugend sind, reicht aber noch nicht aus, Insiderhandel zu verbieten und Verstöße gegen dieses Verbot zu sanktionieren. Um solche Eingriffe in die Freiheit des Einzelnen rechtfertigen können, muß eine stärker normativ geprägte Bewertung des Insiderhandels dessen Schädlichkeit ergeben, d.h. es muß eine Beeinträchtigung schützenswerter Interessen, sei es einzelner, sei es der Allgemeinheit, vorliegen, die Verbot und Sanktionierung erlauben. Mit dieser Frage beschäftigt sich die juristische Theorie des Insider-Rechts, die anders als die ökonomische Diskussion bestimmte Wertungen zum Ausgangspunkt hat, die einer Rechtsordnung zugrunde liegen. Allgemein werden die Vermögensinteressen der Anleger, die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes sowie Vertraulichkeitssphäre und Vermögensinteressen der Unternehmen, auf die sich die Insider-Informationen beziehen, als die durch Insiderhandel beeinträchtigten Interessen bzw. Rechtsgüter angesehen, womit die entscheidenden Schutzzwecke einer Insider-Regelung angesprochen sind. Zur Klarstellung sei hier noch angemerkt, daß es in der folgenden Diskussion der Regelungsziele eines Insiderhandels-Verbots nur um diese und damit um die generelle Rechtfertigung eines entsprechenden Verbots geht, nicht jedoch um die Strafwürdigkeit und -bedürftigkeit. 144 J. Individualschutz der Anleger: 1st Insiderhandel unfair?
Ein von Gegnern des Insiderhandels für die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regulierung und damit auch Sanktionierung von Verstößen gegen ein allgemeines Insiderhandels-Verbot vorgebrachtes" Standard" -Argument ist das Schutzbedürfnis des einzelnen Anlegers. 145
144 Dazu
unten Sechster Teil, C.I.
145 Siehe z.B. nur Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.46-4& ("Individualschutz"); Arbeitskreis Gesellschaftsrecht, S.ll; Forstmoser, SAG 49 (1977), 14 (15), und ders., SAG 60 (19&&), 122 (BI); Volk, ZHR 142 (197&); I (3); M.B. Koch, Insiderwissen und Insiderinformationen, S.I ("Problem des Anlegerschutzes"); Waser, Insiderregelung, S.ll; Wojtek, Insider Trading, S.22; Fellmann, Rechtliche Etfassung von Insidertransaktionen, S.72 ff ("Individualschutz"); Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.67 ff; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht Bd.2, S.141; Hopt, ZGR 1991, 17 (26).
78
Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
a) Das Schädigungsargument Der einzelne Anleger werde durch die Geschäfte des Insiders aufgrund des gegebenen Informationsgefälles übervorteilt und geschädigt. Der Schwerpunkt der Argumentation liegt dabei in der Behauptung einer Schädigung des Marktpartners, d.h. des Anlegers auf der Marktgegenseite. Aus den unverdienten Vorteilen der Insider wird quasi selbstverständlich darauf geschlossen, daß diesen entsprechende Vermögensschädigungen bei den unwissenden Outsidern, die Papiere von Insidern kaufen oder an sie verkaufen, gegenüberstehen müssen. Der Vorteil des einen muß schließlich zum Nachteil bei anderen geführt haben. So soll der Insider im Fall einer kurssteigernden Information seinem Geschäftspartner, dem unwissenden Anleger, das Papier "unter Wert" abnehmen, denn im Zeitpunkt der Transaktion bestehe schon eine anlegerschädigende Differenz zwischen dem Preis der betreffenden Aktie und ihrem davon - um den Gehalt der Information - abweichenden "wahren" Wert. Bei Insider-Informationen über kursdrückende Ereignisse hingegen werde das Papier von dem Insider über Wert verkauft; es bleibe schließlich bei dem Anleger, der als letzter informiert wird. In beiden Situationen sei eine Schädigung des Outsiders, nicht etwa lediglich der bloße Entzug einer Gewinnchance 146 gegeben, die in der Differenz zwischen dem tatsächlichen Kurs, zu dem das Geschäft abgeschlossen wurde, und dem sogenannten wahren Wert des Papiers liege, der den Informationsgehalt widerspiegele. 147 Diese den Individualschutz mit der Schädigung der uninformierten Anleger durch den Insider begründende Argumentation ist kritisiert worden. 148 So erscheint es bei näherer Betrachtung äußerst problematisch, daß eine direkte Schädigung des Outsiders durch das Insidergeschäft gegeben sein sol1. 149 Da-
146 Pa inter, Insider Trading, S.355: "it takes the form of an opportunity missed"; Waser, Insiderregelung, S.ll, spricht von einer bloßen Vermögensgefährdung.
147 Ausfiihrlich Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.46 f, zusammenfassend auf S.49: "An der Tatsache, daß die Insidertransaktion - bei steigenden Kursen ebenso wie bei fallenden - den Nichtinformierten schädigt, fUhrt kein Weg vorbei." 148 Manne, Insider Trading, S.107 ff.; Hetherington, Wisc.L.Rev. 1967, 720 (725); EasterbrooklFischel, U.Chic.L.Rev. 52 (1985), 611 (645); Branson, Emory L.J. 30 (1981), 263 (295); Grunewald, ZBB 1990, 128 (128 f); Schörner, Gesetzliches Insiderhandelsverbot, S.46 ff.; Engel, Jahrbuch fur Sozialwissenschaft 1991, 388 (395397).
149 Von evtl. Einzelfällen abgesehen, in denen der Insider durch falsche informationen im direkten Kontakt (sogenanntes Face-to-face Geschäft) bewußt andere Anleger
C. Die Bewertllllg des Insider-Problems
79
gegen spricht folgendes: Ursächlich geschädigt durch die Geschäfte des Insiders ist der Anleger nur dann, wenn er sich ohne insider trading am Markt anders verhalten, also in der fraglichen Zeitspanne nicht ge- oder verkauft hätte, wenn der Insider nicht in den Markt eingegriffen hätte. Aufgrund der Anonymität des Marktes "Börse", bei dem sich die Partner einer Transaktion (nicht Vertragspartner im technischen Sinn) nicht gegenüberstehen, ist ein persönlicher Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer einer Aktie nicht gegeben. Damit erlangen Kursänderungen, die durch den Eingriff des Insiders in das Marktgeschehen - durch entsprechende Wertpapiertransaktionen - bewirkt werden, Bedeutung. 150 Ob die Herstellung eines solchen "Quasi-Kontakts" zwischen dem nicht informierten Anleger und dem Insider zur Begründung eines Insiderhandels-Verbotes und einer entsprechenden Sanktionierung ausreichen könnte, ist jedoch äußerst fragwürdig. Der nichtinformierte Anleger trifft seine Transaktionsentscheidung in der Regel völlig unabhängig und unbeeinflußt vom Vorhandensein des Insiders am Markt. Er hätte sein Geschäft auch getätigt, wenn kein Insider vorhanden gewesen wäre und so denselben "Verlust" erlitten. 151 Dieser Einwand der hypothetischen Kausalität verliert hingegen an Bedeutung und Überzeugungskraft, wenn die Transaktion des Insiders eine solche Größenordnung erreicht hat, daß es zu einer Kursänderung kommt, denn diese wird in aller Regel Marktbewegungen auslösen. Verkauft ein Anleger seine Aktien, da - aufgrund von Insider-Geschäften - ein Kursanstieg zu verzeichnen ist, liegt ein Fall des sogenannten induced selling VOr. 152 Hätte der Anleger nach Bekanntwerden der Insider-Information aufgrund eines weiteren Kursanstiegs einen höheren Preis erzielen können, läßt
an der Börse zu Kauf- bzw. Verkaufsentscheid\Ulgen bewegt hat, die aber nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchllllg sind. 150 Daraufweist Cox, Duke L.J. 1986, 628 (635 FN 33), hin.
Insider Trading, S.163 (168): "the person who sold shares to the insider ... would in all likelihood have sold them anyway". Diesen Einwand der hypothetischen Kausalität bringen auch vor Hetherington, Wisc.L.Rev. 1967, 720 (723-725); Horn, ZHR 136 (1972), 369 (390); lvIerlens, ZHR 138 (1974), 269 (271); Roth, RabelsZ 38 (1974), 720 (723 f); von Stebut, DB 1974, 613 (618); Stratenwerlh in: Festschrift für Vischer, S.667 (670); Dooley, Va.L.Rev. 66 (1980), 1 (33); EasterbrooklFischel, U.Chic.L.Rev. 52 (1985), 611 (645; Hannigan, Insider Dealing, S.8; Grunewald, ZBB 1990, 128 (129); siehe auch die Darstellung in Fridrich v. Bradford, 542 F.2d 307 (320) (6th Cir. 1976), cert.denied, 429 U.S.l053 (1977). 151 KinglRoell,
152 Wang,
U.C.Davis L.Rev. 19 (1986), 341-402.
80
Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
sich wohl eine ursächliche Schädigung durch den Insider bejahen. 153 Daß diese Art der Anlegerschädigung durch induced selling jedoch ein umfassendes Insiderhandels-Verbot rechtfertigt, ist richtigerweise zu verneinen: 154 Es wird schwierig sein zu unterscheiden, ob eine Transaktion tatsächlich auf die Kursänderung oder auf andere Faktoren zurückzuführen ist; außerdem ist die Interpretation von Marktschwankungen ein für Börsengeschäfte typisches Risiko jedes Investors, das ihm nicht abgenommen werden sollte. Schadensersatzanprüche sind demnach generell nur dann zu rechtfertigen, wenn entweder der an der Börse äußerst unwahrscheinliche Fall einer direkten Transaktion zwischen Insider und Outsider vorliegt, bei der der Insider kausal geschädigt worden ist, oder ein nichtinformierter Anleger nachweislich aufgrund einer durch Insider-Geschäfte erfolgten Kursänderung entsprechende Transaktionen getätigt hat, die die Bejahung einer kausal verursachten Vermögensschädigung zuläßt. Dieser Nachweis dürfte aber kaum zu erbringen sein. Die Rechtfertigung einer Haftung kann dann auch für den - allerdings eher theoretischen - Fal11 55 angenommen werden, daß die Marktpartner des Insiders ein Preislimit gesetzt hatten, das durch eine aufgrund eines massiven Engagements von Insidern am Markt hervorgerufene Kursbeeinflussung erreicht wurde. Dann stehen sie infolge des Insiderhandels schlechter, wenn sie gerade aufgrund dieser Kursveränderung zum Zuge gekommen sind und der Kurs danach tatsächlich weiter steigt. 156 Wie ambivalent das Schädigungsargument ist, läßt sich darüber hinaus aufgrund der Tatsache erkennen, daß es in EinzeWi11en sogar möglich ist, daß die zusätzliche Nachfrage oder das zusätzliche Angebot durch Insider tendenziell zu einer Verringerung der Über- oder Unterbewertung führen kann.l 57 Konsequenz ist also, daß es "Opfer" des Insiderhandels - in den Worten der Vertreter
153 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn.771 (S. 44 7). 154 So auch Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn.771 (S.447). 155 So richtig Grunewald, ZBB 1990, 128 (129). 156 Darauf machen aufmerksam Roth, Die AG 1978,113 (1l5); Pfister, ZGR 1981, 319 (341); Grunewald, ZBB 1990, 128 (129). 157 Manne, Insider Trading, S.77-110; Nobel, SJZ 1983, 121 (122); Grunewald, ZBB 1990, 128 (129); Schörner, Gesetzliches Insiderhandelsverbot, S.52; King/Roell, Insider Trading S.163 (168).
C. Die Bewertung des Insider-Problems
81
der Annahme einer Schädigung des individuellen Anlegers formuliert - geben kann, die sogar von ihm profitiert haben. 158 Die soeben dargestellten Konstellationen lassen es nicht zu, dem Handeln des Insiders am Markt jegliche Auswirkung auf eine vermögensmäßige SchlechtersteIlung der Publikumsanleger abzusprechen: allerdings sind die Zweifel an der Verantwortung des Insiders für den Schaden des Anlegers und an einer rechtlich relevanten Vermögensbeeinträchtigung begründet. 159 Außerdem krankt das Schädigungsargument an dem Problem der Feststellung eines konkreten "Schädigers" und eines konkreten "Geschädigten" im Rahmen einer Börsentransaktion, womit diese Begründung der Verbotswürdigkeit von Insider-Transaktionen ad absurdum geführt wird. Aufgrund der ZwischenschaItung des unpersönlichen, anonymen Marktes "Börse", die eine Transaktion von Angesicht zu Angesicht ausschließt, ist es unmöglich, eine direkte Beziehung zwischen Insider und Outsider herzustellen außer der rein zuiälligen, daß beide zur selben Zeit am Markt tätig waren. 160 Aufgrund der Gegebenheiten des Börsenhandels, insbesondere durch das Verfahren der Einheitsbewertung l61 , der Ausgestaltung der Aktie als Inhaberpapier 162 und den besonderen Problemen der Sammeldepotverwahrung l63 , sowie dem damit ver-
158 Daraufweisen HerzellKatz, LLoyds Bank Rev. Juli 1987, 15 (25), hin. Vgl. auch die ausführliche Analyse der rechnerischen Ermittlung des Einheitskurses und die Auswirkungen des Handelns von Insidem auf diesen bei Schömer, Gesetzliches Insiderhandelsverbot, S.49 ff, der zu dem Ergebnis kommt, daß eine Schädigung i.S. der Differenzhypothese nur sehr eingeschränkt denkbar ist. Vielmehr sei eine Besserstellung des Marktpartners im Fall des aufgrund Insiderhandels höheren Einheitskurses oder eine Indifferenz bei fehlender Beeinflussung des Einheitskurses die Regel. Ähnlich Engel, Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1991,388 (395). 159 So Easterbrook, Sup.Ct.Rev. 1981,309 (324). Von Stebut, DB 1974,613 (617), vemeint deshalb auch jeden Schadensersatzanspruch des unwissenden Anlegers. 160 Z.B. Hannigan, Insider Dealing, S.7. 161 Vgl. Bremer, Börsenrecht, S.82-85; Hasslinger, Zivilrechtliche Ansprüche,
S.75 f
162 Vgl. Schönle, Bank- und Börsenrecht, S.223. Roth, RabelsZ 38 (1974), 720 (723), weist daraufhin, daß selbst unter dem amerikanischen System der Namensaktie die Lösung des Problems der Zuordnung von Veräußerer und Erwerber einer konkreten Aktie beschwerlich genug ist, falls dieses überhaupt einwandfrei möglich ist. 163 Vgl. dazu Sandkühler, Bankrecht, S.163 f; Roth, RabelsZ 38 (1974), 720 (724). Nach §§ 5 ff DepotG ist der Aktionär bei der Sammelverwahrung Miteigentümer nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand gehörenden Papieren derselben Art; er ist daher nicht Eigentümer einer bestimmten Aktienurkunde. 6 Mennicke
82
Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
bundenen Fehlen vertraglicher Beziehungen 164 ist es dem Anleger kaum möglich zu ermitteln, ob der Marktpartner ein Insider war oder nicht. Denn unmittelbare Zuordnungen zwischen Käufer und Verkäufer bzw. dem Ursprungsauftrag und der Börsenausführung können aufgrund der Abwicklungsmodalitäten des Wertpapierhandels in börsenzugelassenen Papieren nicht ohne weiteres vorgenommen werden. 165 Ob und inwieweit es zu rechtfertigen ist und - insbesondere nach deutschem Recht - zulässig sein kann, auf den eher zufälligen Faktor der gleichzeitigen Anwesenheit der In- und Outsider am Markt abzustellen, ist fraglich und später zu untersuchen. Die amerikanische Rechtsprechung ist diesen Weg bei Schadensersatzklagen Privater 166 gegangen, die auf die zentrale Rechtsvorschrift gegen Insider-Geschäfte, die rule 10(b)-5, gestützt waren, indem sie den Insidern eine duty to disclose (Offenlegungspflicht im Hinblick auf vertrauliche, wesentliche Informationen) gegenüber allen anderen zeitgleich am Markt tätigen Anlegern;167 durch die Verletzung dieser 164 Gern. § 7 BörsG können alle Weltpapiergeschäfte wunittelbar nur durch Kreditinstitute und Makler getätigt werden, die ihrerseits das Geschäft an der Börse abwikkein. Tritt der Anleger mit einem Kreditinstitut in Verbindung, wird dieses Geschäft regelmäßig als Effektenkommission mit Selbsteintrittsrecht gern. § 383 ff. HGB i.V. mit § 400 HGB ohne ausdrückliche Ausfiihrungsanzeige nach § 405 HGB durchgeführt (Nr.29 Abs.l der AGB der Banken, Nr.39a AGB der Sparkassen); siehe dazu Sandkühler, Banki·echt, S.167 f; BaumbachIDuden/Hopt, HGB, § 400, Anm.2 A. 165 Nachdem die Kundenorder, abgelöst vom Namen des einzelnen Auftraggebers, nur noch als anonymisierte Ordermengen an die Börsen weitergereicht worden sind, werden sie dort vom zuständigen Kursmakler im zentralen Skontrobuch in Kauf- und Verkaufsmengen zusammengefaßt, preislich so ausgeglichen, daß sich größtmögliche Angebotsmenge und größtmögliche Nachfragemenge zu einem einheitlichen Preis gegenüberstehen, und die insoweit bereits ausgeführten Auftragsvolumina nach skontromäßiger Zusammenfiihrung von Angebots- und Nachfragemenge an die Kreditinstitute ZUTÜckgereicht, wobei die eigentliche Zuordnung der Käufer- und Verkäuferseite durch ein nach der Minimierung von Pro-Bank-Lieferungen optimiertes GeschäftsabwickIWlgsprogramm der Deutschen Wertpapierdatenzentrale erfolgt: Erst die Kreditinstitute ordnen ausgefiilute und zurückgereichte Auftragsvolumina wieder den ursprünglichen Auftraggebern zu. Sollen daher bei einem Insider-Verdacht die mutmaßlichen Kontrahenden des betreffenden Geschäfts ermittelt werden, auf das verdächtige Kursbewegungen zurückgehen, bedürfte es unter Umständen schon geradezu rasterfahndungsartiger Vorgehensweisen; vgl. M. Weber, NJW 1994,2849 (2854). 166 Die Klagen Privater sind im US-amerikanischen Insider-Recht scharf zu trennen von denjenigen, die die SEC als staatliche Aufsichtsbehörde initiielt; dazu ausfiilu·lich unten Vielter Teil, C. ill.l. wld lV.l. 167 Shapiro v. Merrill Lynch, Pierce, Penner & Smith, lnc., 495 F.2d 228 (237, 238241 (2d Cir. 1974): "... defendants are Iiable in this private action for damages to plaintiffs who, du ring the sc/me period that defendants traded in or recommended trading ... , purchased Douglas stock in the open market without k.nowledge ofthe material
C. Die Bewertung des Insider-Problems
83
duty to disclose soll der zumindest nicht nachweisbare Kausalzusammenhang zwischen Insiderhandel und Verlusten anderer Anleger hergestellt werden;168 mittlerweile ist ein solches privates Klagerecht für contemporaneous traders (d. h. für solche Anleger, die zur gleichen Zeit wie der Insider in demselben Papier am Markt tätig sind) durch den Insider Trading and Securities Enforcement Act J988 kodifiziert worden. 169 Da somit in der Regel weder ein konkreter Schädiger feststellbar ist noch eine Kausalität zwischen dem Handeln eines Insiders am Markt und dem entsprechenden Börsengeschäft des uninformierten Anlegers besteht, ist das Schädigungsargument in der oben dargestellten Form nicht überzeugend. Denn über den Versuch der Begründung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche, der angesichts der Besonderheiten des Marktes "Börse" und der daraus resultierenden Ungeeignetheit des herkömmlichen Haftungsrechts, das geschädigten Individuen einen Ausgleich für erlittene Schäden verschaffen soll, scheitern muß, läßt sich der besondere Unwertgehalt von Insiderhandeln nicht feststellen,170 wenn aber auch zuzugeben ist, daß dieser Ansatz nicht völlig unbrauchbar ist. Die obige Erörterung hat gezeigt, daß nicht das Handeln eines Insiders durch Tätigen eines Insider-Geschäfts zu einer "Vermögensbeeinträchtigung"171 des unwissenden Anlegers führt l72 - worauf die Vertreter des Schädigungsarguments fälschlicherweise abstellen -, sondern daß als Ursache die Nichtveröffentlichung der kursrelevanten Information und der darauf beruhende Kauf oder Verkauf im falschen Augenblick, also zu früh
inside information ... "; Fridrich v. Bradlord, 542 F.2d 307 (6th Cir.1976); cert.denied, 429 D.S. 1053 (1977). Judge Celebrezze vom Sixth Circuit war der erste Richter, der feststellte, daß Insider gegenüber den sogeJ.lamlten contemporaneous tradel:5 zivilrechtlich haften sollten, S.323 (concurring opinion). 168 Dooley, Va.L.Rev. 66 (1980), 1 (31). 169 Diese Regelung wurde dem Securities Exchange Ac! als sect. 20A beigefügt ("private rights of action based on contemporaneous trading"). Dazu ausführlich unten Vierter Teil, C.IV.l.c). 170 Dieses hat auch Auswirkungen auf die Problematik geeigneter Sanktionen, deJ.l.11 es erscheint hiernach äußerst problematisch, Schadensersatzansprüche gegen Insider zu begründen. 171 Der Begriff der "Velmögensbeeinträchtigung" soll hier nicht streng i.S. der §§ 249 ff BGB bzw. des § 263 StGB verstanden werden; vielmehr geht es nur darum klarzustellen, daß der unwissende Anleger dann, wenn er auch Kenntnis von der privilegierenden Information gehabt hätte, eine andere und für ihn mit Sicherheit günstigere Anlageentscheidung hätte treffen kÖlmen. 172 Von besonders gelagelten Fallkonstellationen wohl abgesehen. 6·
84
Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
oder zu spät, anzusehen sind. 173 So trifft nämlich der nichtinformierte Anleger seine Transaktionsentscheidung nicht mehr unabhängig und unbeeinflußt vom Vorhandensein des Insiders am Markt, wenn dem Insider eine Offenbarungspflicht (duty to disclose) bezüglich einer für ihn günstigen Kursänderung zugunsten des Outsiders obliegt und er unter Verletzung dieser Pflicht am Markt handelt. 174 Wie bereits oben ausgeführt worden ist,175 ist in der USamerikanischen Rechtsprechung zu privaten Schadensersatzklagen gegen Insider erkannt worden, daß das die Publikumsanleger beeinträchtigende Element des Insiderhandels der Informationsnachteil ist; konsequenterweise ist diese Erkenntnis dann durch die Auferlegung einer duty to disclose, über welches Element der entsprechende Kausalzusammenhang hergestellt werden soll, umgesetzt worden. 176 Grundlage ist die aufgrund dieser Erkenntnis erfolgte Aufstellung der sogenannten "disclose-or-abstain"-Regel, die die Anwendung der Zentralvorschrift rule lO(b)-5 prägt, die erstmals von der SEC in der Rechtssache In the Matter of Cady, Roherts & Co.l77 angewandt, dann später von der Rechtsprechung im Texas-Gulf-Fall bestätigt 178 und in späteren Entscheidungen weiterentwickelt worden ist. 179 Nach dieser für das amerika173 Von Stebut, DB 1974, 613 (618). Roth, RabelsZ 38 (1974), 720 (732), betont diese Zweigliedrigkeit des Insiderhandels-Tatbestands: Der Insider besitzt einen Informationsvorspnmg, den er nicht offenbart, Wld er handelt auf der Gnmdlage desselben. 174 Vgl. Mitchell, Insider Dealing, S.25. 175 Siehe oben dieses Kapitel. 176 Problematisch ist allenfalls der weite Personenkreis, die contemporaneous traders, dem gegenüber eine solche Pflicht besteht; kritisch Roth, RabelsZ 38 (1974), 720 (732 ff). 177 40 SEC 907 (1961). 178SEC v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833 (2d Cir. 1968), wo es heißt: "Anyone in possession ofmaterial inside informatione must either disc10se it to the investing public, or, ifhe es disabled from disc10sing it in order to protect a corporate confidence or he chooses not to do so, must abstain from trading in or recommending the securities concemed while such inside information remains Wldisc1osed." 179 Die "disclose-or-abstain"-Regel wurde von der RechtsprechWlg fortentwickelt. In Chiarella v. United States, 445 U.S. 222 (228, 230) (1980) Wld folgend DirkY v. SEC, 463 V.S. 646 (1983), wird das Verbot von Insider-Geschäften ohne gleichzeitige OffenlegWlg der Informationen an das Vorliegen einer fiduciary duty (Treuepflicht) oder einer ähnlichen "relation of trust and confidence between parties to transaction and the breach of such duties or confidences" geknüpft. Die später entwickelte misappropriation theory (zuerst United States v. Newman, 664 F.2d 12 (2d Cir. 1981)) erweiterte den Kreis der Personen, gegenüber denen die obengenannte Pflicht besteht, auf die rechtmäßigen Besitzer einer vertraulichen Information; vgl. dazu McLaugh-
C. Die Bewertung des Insider-Problems
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nische Insider-Recht wohl als grundlegend zu bezeichnenden Regel wird es dem Insider verboten, Geschäfte ohne gleichzeitige Offenbarung seiner Informationen abzuschließen. Auch die EG-Insider-Richtlinie und damit die darautbin erlassenen nationalen Transformationsvorschriften enthalten im Grundsatz diese Regel. Die EG-Richtlinie verbietet das Handeln von Insidern (also von Personen, die unter die Definition der Art.2 und 4 fallen) nicht schlechthin, sondern nur den Handel aufgrund nichtveröffentlichter Informationen.1 80 b) Regelungsziel: Abbau von "unfairen" InformationsgefälIen Aufgrund der Ursächlichkeit der Nichtveröffentlichung der Insider-Information für einen "Schaden" der Publikumsanleger ist es sehr gut möglich, den Outsider als "Opfer" zu betrachten und zwar in dem Sinne, daß er das Opfer eines Informationsgefälles ist, dessen Existenz ihm nicht bewußt ist und das er auch aus eigener Kraft nicht abbauen kann.1 81 Insiderhandel ist somit - entgegen oft geäußerter Ansicht 182 - kein victimless crime. Der Anlegerschutz soll danach richtigerweise den Schutz der nichtinformierten Anleger gegen die Schmälerung seiner Gewinnchancen (und damit auch gegen die Verschärfung seiner Verlustrisiken) durch das die Insider-Transaktion ausmachende Informationsgefälle bezeichnen. 183 Ziel einer Regelung gegen Insider-Geschäfte zum Schutz der Anleger im Sinne der Chancengleichheit aller am Börsengeschäft Beteiligten ist demnach die Unterbindung der Ausnutzung eines solchen Informationsvorsprungs zur Erzielung von Sondervorteilen. 184 Allein dieses kann im Hinblick auf die Anleger auch nur Zweck eines allgemeinen Insiderhandels-Verbots sein. Zwar ist eine vollständige Gleichheit in der Information /in/Macfarlane in: Gaillard (Hrsg.), Insider Trading, S.285 (295, FN 42) und ausführlich unten Vierter Teil, B.I.3.d). Die US-amerikanische Literatur zu dieser Entwicklung ist unüberschaubar, siehe z.B. Aldave, Hofstra L.Rev. 13 (1984), 101 (122). 180 Oft/Schäfer, ZBB 1991,226 (234). 181 So Hannigan, Insider Dealing, S.8 f. Vgl. auch die Defmition des Insiderhandels oben Erster Teil, A., wo entscheidend auf das Vorliegen von kursrelevanten Informationen, die die Nicht-Insider nicht haben können, abgestellt wurde. 182
Z.B. Manne, The Cato Joumal4 (1985), 933 (937).
183 Zu dieser Ausprägung des individuellen Anlegerschutzes vgl. grundsätzlich Küb-
ler, Die AG 1977, 85 (87); allgemein zum Individualschutz als Element eines "Anlegerschutzprinzips" Hopt, Kapitalanlegerschutz, S.334 f.; siehe auch Schwark, Anlegerschutz, S.12 ("Sozialrelevanz des Anlegerschutzes"). 184 Roth,
RabelsZ 38 (1974), 720 (735).
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
nie erreichbar - Ungleichheiten, basierend z.B. auf größerer Erfahrung und besserer Sachkenntnis, werden immer bestehen _,185 eine solche ist aber auch nicht das Regelungsziel. 186 Denn die Fairneß darf nicht im Sinne einer materiellen Gleichheit verstanden werden, da eine solche mit einer Gesellschaftsordnung, deren tragendes Prinzip die Freiheit des einzelnen ist,187 grundsätzlich nicht vereinbar ist. In einer freiheitlichen Gesellschaft ist der Fairneßbzw. Gerechtigkeitsbegriff vielmehr als identische Handlungsfreiheit aller Individuen auszulegen, mit der das Postulat der formalen Gleichheit einhergeht, was bedeutet, daß sämtlichen Individuen formal die gleichen Möglichkeiten zur Verwirklichung ihrer Ziele und Bedürfnisse offenstehen. Ob jedes Individuum auch fähig ist, die sich ihm durch die Herstellung von formeller Gleichheit eröffnenden Spielräume und Möglichkeiten auch auszufüllen, spielt insofern keine Rolle, sondern stellt sich als ein anderes Problem dar. 188 Bei der Konstituierung eines Insiderhandels-Verbots muß es demnach hinsichtlich des Aspekts des Anlegerschutzes darum gehen, allen am Kapitalmarkt agierenden Individuen in gleicher Weise die Möglichkeit zu geben, die dem Markt eigenen Gewinnchancen zu realisieren. 189 Als Mittel zur Erreichung dieses Zieles läßt sich insofern zunächst festhalten, daß die Informationsgefal.1e abgebaut werden müßten, die als "unfair" empfunden werden, zumindest aber ist es notwendig, deren Ausnutzung zu unterbinden, so daß alle Marktteilnehmer das gleiche Geschäftsrisiko tragen,190 also in formeller Hinsicht die gleichen Möglichkeiten haben. Zunächst liegt es hier nun nahe und mag aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gegenüber einem doch stärker in die Freiheitssphäre einzelner eingreifenden Verbot der Verfügung über Insider-Informationen vorzugswürdig erscheinen, zum Abbau des als "unfair" angesehenen Informationsgefalles und 185 Scott, J.Leg.Studies 9 (1980), 801 (805); ('ox, Cant. L. Rev. 4 (1990), 268 (268); Hannigan, Insider Dealing, S.9; Schneider, DB 1993, 1429 (1430); Stratenwerth in: Festschrift fiir Vischer, S.667 (670): "Chancengleichheit ist im übrigen im wirtschaft-
lichen Bereich ... nirgendwo gewährleistet". 186 Brudney, Harv.L.Rev. 93 (1979/1980), 322 (355). 187 Vgl. fiir die Bundesrepublik nur die Art.2 ff GG. 188 Vgl. in diesem Zusammenhang vor allem Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd.2, S.53 ff, 99 ff 189 Ashe/Murphy, Insider Dealing, S.26; Otto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternelunen, S.65 (75). 190 Zum ungleichen Geschäftsrisiko vgl. Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.46; Otto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Untemelunen, S.65 (74 f).
C. Die Bewertung des Insider-Problems
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damit zum Schutz des einzelnen Anlegers vor für ihn aufgrund der Nichtkenntnis nachteiligen Geschäften eine generelle Pflicht zu einer sofortigen und möglichst umfassenden Unterrichtung des Börsenpublikums über kursrelevante Tatsachen zu konstituieren. Daß die dieser Forderung zugrundeliegende modellhafte Vorstellung von einem im Hinblick auf die Preisbildung effizienten Kapitalmarkt, in dem sich alle kursbeeinflussenden Informationen unverzüglich in den Kursen niederschlagen mit der Folge, daß niemand aus dem Wissen über solche Informationen zusätzliche Gewinne über eine von jedem Anleger zu erzielende "marktübliche" Verzinsung hinaus ziehen könne, nicht den Erscheinungen der Realität entspricht,191 ist bereits oben 192 im Zusammenhang mit der Erörterung der These einer "richtigen" Kursbildung gerade durch Insider-Geschäfte angedeutet worden. Hier soll nun an einem anderen Punkt angesetzt werden, der zeigt, daß eine unbeschränkte und unverzügliche Offenlegung aller potentiell kursbeeinflussenden Informationen aus den Unternehmen, die sogenannte Ad-hoc-Publizität, jedenfalls allein nicht geeignet sein kann, die Erzielung von Insider-Gewinnen zu verhindern. Durch eine solche Ad-hoc-Publizität, aber wohl auch schon durch Veröffentlichung von Jahresabschlüssen und Lageberichten wird die ungleiche Verteilung des Wissens zwischen den Insidern aus den Unternehmen und der Masse der Anleger nicht beseitigt. Es findet vielmehr eine Verschiebung der faktisch bestehenden Ungleichverteilung statt. Durch die Veröffentlichung von Informationen gelangt das Wissen zwar aus den Unternehmen als den typischen Entstehungsorten kursrelevanter Fakten heraus, profitieren von ihm können zumindest zunächst einmal lediglich diejenigen, die beruflich öffentlich zugängliche Informationen aus Jahresabschlüssen, Zwischenberichten und Ad-hoc-Publizität studieren und auswerten, da in der Regel nur diese Spezialisten über die entsprechende Sachkunde verfügen, das öffentlich zugängliche Wissen in vernünftige Kauf- und Verkaufsentscheidungen umzusetzen, und zudem die besseren Zugangsmöglichkeiten haben. Damit gelangt das kursrelevante Wissen von der Unternehmensleitung primär l93 zu Wertpapierspezialisten bei den institutionellen Anbietern und Nachfragern am Kapitalmarkt, bei den Kreditinstituten,
191 So weist Loistl, Die Bank 1993,456 (457), daraufhin, daß diese Kapitalmarktgleichgewichtstheorie nicht in der Lage ist, z.B. die enolmen Investitionen der Investmentbanken in Systeme zur Informationsausweitung modellendogen zu erklären. 192 Siehe oben Erster Teil, C.I.2.a). 193 Der Vollständigkeit halber sei hier daraufhingewiesen, daß auch UnternehmensInsider, die noch keine Kenntnis von der betreffenden Information hatten, Schlüsse aus publizierten Informationen ihrer Unternehmung werden ziehen können.
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
wie den Händlern und Beratern, sowie zu den Finanzanalysten und damit zur Gruppe der Marktinsider. 194 In der Praxis kommt hinzu, daß die Begünstigung der Marktinsider vor der Masse des Anlegerpublikums noch dadurch verstärkt wird, daß diese Marktinsider schneller Kenntnis von einer Information erlangen und schneller am Markt reagieren können.1 95 Festzustellen ist somit, daß eine Ad-hoc-Publizität allein Insider-Transaktionen nicht schon im Vorfeld verhindern kann, sondern die Chancen auf Insider-Gewinne von den Unternehmensinsidern, vor allem der Unternehmensleitung, als den Produzenten der kursrelevanten Fakten, zu den Marktinsidern als den VeIWertern solcher Fakten verlagert. Aus diesem Befund jedoch die Konsequenz zu ziehen, daß eine Ad-hoc-Publiziät deshalb vollständig zu verwerfen ist, wie von Schneider, auch in Verbindung mit einem InsiderhandelsVerbot vorgenommen,196 ist angesichts der Vielschichtigkeit der Problematik vorschnell. Zu bedenken ist nämlich, daß die Masse des Anlegerpublikums, also die sogenannten Kleinaktionäre, den Kontakt zum Kapitalmarkt in aller Regel nur über diese genannten Marktinsider herstellen und herstellen können. Dieses betrifft nicht nur die Geschäftsabwicklung, sondern auch schon die Informationserlangung und entsprechende -auswertung; hier spielen die Beratung durch Kreditinstitute sowie zusammenfassende Berichte in der Wirtschaftspresse eine wichtige Rolle, besonders wenn man bedenkt, daß die Masse von Kleinaktionären Jahresabschlüsse nicht einmal liest. Damit kommt den Finanzintermediären eine Schlüsselfunktion bei der Verbreiterung der Basis an verfügbaren Informationen bei der Masse der Anleger zu. In besonderem Maße kommt diese funktionelle Bedeutung den Finanzanalysten zu, die beruflich Informationen über von Dritten produzierte Fakten sammeln l97 und auswerten und diese damit den Anlegern, und zwar auch den institutionellen Anlegern, zugänglich machen und somit zur Informationseffizienz des Kapitalmarktes beitragen.1 98 Aus diesem Grund läßt sich einer generellen VeIWer194 Vgl. Schneider, DB 1993, 1429 (1430). 195 Darauf weisen Carlton/Fischel, Stan.L.Rev. 35 (1983), 857 (880), und Gi/son/ Kraakman, Va.L.Rev. 70 (1984),549 (571), hin. 196 DB 1993, 1429 (1430, 1434). 197 In Deutschland werden zu diesem Zweck Werksbesichtigungen und Vorstandsinterviews rur Analysten von iluer Berufsorganisation, der DVF A (Deutsche Vereinigung rur Final1zanalyse lmd Anlageberatung), organisiert. Dieses fiilut jährlich zu mehr als 70 Besuchen. 198 Aus diesem Grund positiv zur Rolle der Finanzanalysten und kritisch zu einem uneingeschränkten Insiderhandels-Verbot fiir diese Berufsgruppe Comment,
C. Die Bewertlmg des Insider-Problems
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fung einer Ad-hoc-Publizität, die ja erst die kurs relevanten Informationen aus der Unternehmenssphäre gelangen läßt, nicht zustimmen. Zwingend erforderlich ist vielmehr eine Abstimmung zwischen der Ad-hoc-Publizität, der Ausformung eines Insiderhandelsverbots-Tatbestandes - dabei ist der Begriff der Öffentlichkeit einer kursbeeinflussenden Information von Bedeutung - und dem erklärten Schutzzweck eines solchen Verbots, damit nicht eine neue Gruppe von Insidern, die Marktinsider, zum Nachteil der breiten Masse des Anlegerpublikums von diesen Informationen profitieren, sie aber auch ihre Funktion als Intermediäre zwischen jenen und dem Kapitalmarkt, insbesondere im Hinblick auf die Erlangung, Aufarbeitung und Verbreitung kursrelevanter Informationen, ordnungsgemäß und effizienzsteigernd ausüben können. Insofern erscheint auch die Vorstellung des deutschen Gesetzgebers zum Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit einer Information im Sinne des neuen Insider-Rechts (§ 13 Abs.l Wertpapierhandelsgesetz), 199 nach der eine sogenannte Bereichsöffentlichkeit ausreichend sein soll, um eine Tatsache als öffentlich bekannt und damit insiderungeeignet zu machen, als nicht unbedenklich. Eine Information ist danach nicht nur bekannt, wenn sie börsenrechtlichen Bestimmungen entsprechend veröffentlicht worden ist, sondern bereits dann, wenn nur Marktteilnehmern die Möglichkeit ihrer Kenntnisnahme offensteht. Begründet wird diese Einschränkung mit einem so schon hinreichend zu wahrenden Funktionenschutz der Wertpapiermärkte: Bestehe nur die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch Marktteilnehmer, werde bereits hinreichend sichergestellt, daß die Information - mittelbar anlegerschützend - sich zugleich auch in den Börsen- und Marktpreisen niederschlage. Daß schon diese Prämisse, auf die sich gerade auch generelle Gegner eines Insiderhandels-Verbotes stützen, zweifelhaft ist, wurde bereits oben erörtert. 200 Maßgeblich für die Kritik ist jedoch, daß eine solche Bereichsöffentlichkeit nicht dem Schutzzweck eines Insiderhandels-Verbotes gerecht zu werden vermag, nämlich der Herstellung der Chancengleichheit der Anleger über den Abbau von nicht gerechtfertigten Informationsgefällen. Denn wenn auch den Marktinsidern eine wichtige Rolle als Informationsvermittlern zwischen Emittenten und Anlegern zukommt, so ist doch aus Gründen des Schutzzwecks eines lnsiderhandelsHalv.L.Rev. 97 (1983), 286 (293); Karseh, J.Comp.Bus.Cap.Mkt.L. 6 (1984), 283 (291); Hopt, ZGR 1991, 17 (33); ausführlich Wld differenzierend Claussen, ZBB 1992, 267 (272), Wld Loistl, Die Bank 1993,456 (458 f). 199 Siehe GesetzesbegriindWlg zu ~ 13 WpHG, BR-Drucks. 793/93 vom 05.11.1993,
S.142.
200 Siehe oben Erster Teil, C.I.2.a).
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
Verbots dafür Sorge zu tragen, daß Marktinsider nicht in die Lage versetzt werden, in Schaffung neuer Ungleichgewichte Informationen für sich auszunutzen, denn schließlich obliegen ihnen aufgrund ihrer Bedeutung besondere Sorgfaltspflichten im Umgang mit Informationen. Vielmehr müßte über eine entsprechende schnelle Veröffentlichung - insbesondere im Rahmen der Adhoc-Publizität - auch für breite Anlegerschichten die theoretische Möglichkeit der Kenntnisnahme geschaffen werden;201 erst dann wird jedoch die den Finanzintermediären zukommende Schlüsselfunktion bei der Verbreiterung der Basis an verfügbaren Informationen gerade bei der Masse der Anleger, die ja in der Regel von einer solchen Möglichkeit der Kenntnisnahme keinen Gebrauch machen oder machen können, aber auch bei institutionellen Anlegern relevant, aber in einer Weise, die Mißbrauch auszuschließen vermag. Gegen eine uneingeschränkte Veröffentlichungspflicht zur Verhinderung der Erzielung von Insider-Gewinnen spricht allerdings neben den hinsichtlich der Eignung soeben erörterten Bedenken auch deren Unverhältnismäßigkeit. Das berechtigte GeheimhaItungsinteresse der Unternehmen, gerade auch im Hinblick auf die Konkurrenz, steht einer solchen uneingeschränkten Publizitätspflicht entgegen, eine Wertung, die im deutschen Recht ihren Niederschlag in §§ 17 UWG und 404 AktG gefunden hat. 202 Dem kann jedoch durch wohlabgewogene AusnaIlmen von einer Veröffentlichung weitestgehend abgeholfen werden. Im deutschen Recht fand sich eine entsprechende Regelung im eine Ad-hoc-Publizität statuierenden § 44a BörsG, der in Abs.l Satz 3 die Möglichkeit der Befreiung von der Publizitätspflicht unter Abwägung der Interessen von Börsenpublikum und Emittent bot;203 diese Regelung findet sich seit Inkrafttreten des "Zweiten Finanzmarktforderungsgesetzes" in § 15 WpHG mit der Befreiungsmöglichkeit in Abs.2. Durch die Einstellung dieser Vorschrift in den Abschnitt 3 des WpHG, der mit "Insiderüberwachung" über201 Schwark schlägt die Veröffentlichung in einer überregionalen Wirtschaftszeitung vor; siehe Stellungnahme zum Regierungsentwutf eines Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes zur öffentlichen Anhörung vor dem Finanzausschuß; Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode, 7. Ausschuß, Az.: 2450, Protokoll Nr.70, S.130 (132). Kritisch zur Bereichsöffentlichkeit auch die Stellungnahme der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.Y., ebda., S.197 (198); M. Weber, NJW 1994,2849 (2852). 202 Roth, RabelsZ 38 (1974), 720 (735); zu §§ 17 UWG und 404 AktG siehe von Stebut, DB 1974,613 (613-615), und Ulsenheimer, NJW 1975, 1999 (2000-2004). Auf die Kosten für die Unternehmen weisen Carlton/Fischel, Stan.L.Rev. 35 (1983), 857 (867), hin. 203 Zum Verhältnis dieser Vorschrift zum Anlegerschutz vgl. Heidmeier, Die AG 1992, 110 (113).
C. Die Bewertung des Insider-Problems
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schrieben ist, macht der bundesdeutsche Gesetzgeber zugleich klar, daß er einer Markttransparenz eine spezifische Bedeutung bei der präventiven Bekämpfung von Insider-Aktivitäten beimißt;204 er also von der Prämisse der oben wegen ihres modellhaften Charakters kritisierten Kapitalmarktgleichgewichtstheorie ausgeht. Die Herstellung einer formellen Gleichheit bezüglich der kursrelevanten Informationen und der Verfügbarkeit über diese, die sich als das zentrale Kriterium für die Herstellung von Chancengleichheit aller am Kaptialmarkt agierenden Individuen herausgestellt hat, ist somit über eine Ad-hoc-Publizität, zumindest nicht über diese allein, nicht möglich. Damit stellt sich die Frage nach einem Verbot der Ausnutzung solcher Informationen, das an diejenigen gerichtet sein muß, die in der Lage sind, diese zu verwerten, ohne eine eigene Leistung dafür erbracht zu haben 205 Sind die Informationsvorsprünge der Insider, der Unternehmens- wie der Marktinsider, "unfair", so daß sie ein Insiderhandels-Verbot rechtfertigen? Die Antwort ergibt sich unmittelbar aus der Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls warum die Masse der Anleger überhaupt schutzwürdig ist, so daß eine Herstellung der Chancengleichheit im Sinne einer formellen Informationsgleichheit durch staatliches Eingreifen in Form eines Insiderhandels-Verbots gerechtfertigt wäre. Die Bejahung dieser Frage ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Das Insider-Problem stellt sich als Folge einer asymmetrischen Informationsverteilung dar, deren Nutzung bestimmten Personen oder Gruppen die Abschöpfung einer Vorsprungs rente ermöglicht. 206 Der Zufluß einer solchen Vorsprungsrente ist, wie oben 207 dargelegt wurde, auch im Falle des Bestehens einer umfassenden Offenlegungspflicht gegeben, wenn sich dabei allerdings der Kreis derjenigen, die in diesen Genuß kommen können, auch verändert. Eine solche asymmetrische Informationsverteilung ist jedoch eine besonders wesentliche Existenzvoraussetzung für den Ablauf und die Funktionsweise wettbewerblicher Prozesse; sie ist deren Ausgangspunkt und Resultat zugleich. So führt eine Ungleichverteilung des Wissens dazu, daß abweichende Preisgrenzen bei Käufern und Verkäufern vorliegen. Diese Existenzbedingung gilt auch für einen Kapitalmarkt, und zwar sowohl für Kassa- als
204 So ausdrücklich BR-Drucks. 793/93 vom 05.11.1993, S.107. 205 Zu diesem Aspekt vgl. schon oben Erster Teil, A. und C.I.l. b). 206 Vgl. OberenderlDaumann, Ordo 43 (1992), 255 (260 f). 207 Siehe oben dieses Kapitel.
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
auch für Zukunftsmärkte.2 08 Damit stellt sich die Verfügung über Informationen als Agieren im Wettbewerb, als Ausübung wettbewerblicher Freiheit dar, so daß es einer besonderen Rechtfertigung bedarf, diese zu beschränken, wie es durch ein Insiderhandels-Verbot für den Bereich des Kapitalmarktes erfolgt. Eine solche findet sich in dem Postulat der Fairneß, als Chancengleichheit verstanden. Oberender/Daumann 209 lehnen die Forderung nach einer InsiderRegelung ab, da ihrer Ansicht nach die im obigen Sinne verstandene Gerechtigkeit als übergeordneter gesellschaftlicher Grundwert eine solche Regelung nicht begründen könne, denn dieser einer freiheitlichen Ordnung zugrunde zu legende Gerechtigkeitsbegriff sei bereits implizit in dem von ihnen herangezogenen Referenzsystem des wettbewerblichen Marktprozesses210 enthalten. Diese Argumentation ist jedoch nicht überzeugend. Es geht nämlich nicht darum, die Verfügung über den Wettbewerbsparameter "Information" zu unterbinden und somit den Wettbewerb auf den Kapitalmärkten zu beschränken und damit die durch den wettbewerblichen Marktprozeß ermöglichte Freiheit und formelle Gleichheit der Individuen zu beeinträchtigen. Eine solche staatliche Intervention könnte auch nicht mit der freiheitlichen Vorstellung einer formellen Gleichheit aller Anleger vereinbart werden und würde sich vielmehr wegen ihres dirigistischen Charakters für die Effizienz und Leistungsfähigkeit der Börsen negativ auswirken. Vielmehr soll - ausgehend von der obigen Prämisse der Herstellung von Fairneß im Sinne einer formellen Gleichheit eine Beschränkung in der Verfügung über den ~rtschaftlichen Machtfaktor der eine Vorsprungsrente ermöglichenden Information erfolgen, wenn diese nicht mehr vom Fairneßprinzip zu rechtfertigen ist und zu einer Beeinträchtigung oder zumindest Gefährdung der formellen Gleichheit führt mit der Folge, daß bestimmte Individuen von einer gleichberechtigten Nutzung ihrer Chancen im Wettbewerbsprozeß ausgeschlossen wären. Wie schon angedeutet wurde, ist der einzelne Outsider nicht in der Lage, sich selbst gegen das Informationsgefalle zu schützen, das an der Börse aufgrund des Vorhandenseins von Insidern besteht. Die Anonymität des Marktes, die keine Transaktionen von Angesicht zu Angesicht zuläßt, führt dazu, daß der normale Anleger keinen Einfluß auf die Vertragsverhandlungen nehmen oder den Vertragsgegenstand untersuchen kann. Prüfung von Geschäftspartner und -gegenstand zur Auswahl des günstigsten Angebots sind jedoch unab208 Ausfiihrlieh dazu Schneider, DB 1993, 1429 (1432-1434). 209 Ordo 43 (1992), 255 (261 f.). 210 Vgl. OberenderiDaumann, Ordo 43 (1992), 255 (258-260).
C. Die Bewertlll1g des Insider-Problems
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dingbar, damit die an einem Vertrag beteiligten Parteien "in beiderseitiger Selbstbestimmung"211 entscheiden und vor allem beurteilen können, ob die Konditionen eines Vertrages nach- oder vorteilig sind. Dieses wird durch die extreme Funktionalisierung der Kapitalmärkte212 verhindert, so daß ungleich stärker als bei anderen Kauf- und Verkaufsvorgängen ein Schutzbedürfnis der Anleger gegeben ist. 213 Dieser Schutz kann auch nicht durch eine tendenzielle Informationseffizienz des Marktes gewährleistet werden, die Maßnahmen des Gesetzgebers ersetzen soll,214 denn diese ist - wie oben 215 bereits festgestellt aufgrund des Auftretens von Insidern am Markt mit der Folge künstlicher Informationszurückhaltung gerade nicht' gegeben. Dem somit bestehenden Schutzbedürfnis der Anleger kann auch nicht entgegengehalten werden, daß derjenige, der sich an die Börse begibt, sich jeglichen Schutzes begebe, da er das Risiko, das der Aktienanlage anhafte, als Spekulant dann selbst tragen müsse. 216 Eine solche Auffassung widerspricht zum einen dem erklärten politischen Ziel der Förderung der Vermögensanlage in Aktien gerade auch bei unteren und mittleren Einkommensschichten217 , die zu einer Vergrößerung
211 Flume, Allgemeiner Teil Bd.II, § 1 7. (S.10). 212 Dazu H. Schmidt, Börsenorganisation, S.lOO ff 213 Schwark, BörsG-Kommentar, Anh.II, Ein!., Rn.3. 214 So jedoch Engel, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1991,388 (397). Die von ihm vorausgesetzte Informationseffizienz des Börsenmarktes, die daraus resultiere, daß alle Informationen durch Aktienkäufe oder -verkäufe bzw. durch deren Unterlassen in die Kursbildlll1g eingingen, fiihre dazu, daß dieser jeweilige Kurs als ein fairer Preis angesehen werde, da er die durchschnittliche QualitätseinschätZllllg aller Interessenten widerspiegele. Im Gegensatz zu dem von Engel für eine direkte Geschäftstransaktion angefiihrten Beispiel des Gebrauchtwagenkaufs sei somit aufgrlllld dieser fairen Preisbildlll1g über die Börse eine Übervorteillll1g des Geschäftspartners nicht möglich. 215 Siehe oben Erster Teil, C.I.2.a). 216 So noch das Reichsgericht, RG WarnR 1908, Nr.146 m. w. Nachw. 217 Insbesondere Jahreswirtschaftsbericht der Blll1desregiefllllg von 1969, BTDrucks. 5/3786, Ziff67, in dem in der "Heranfiihrllllg breiter Schichten an das Wertpapiersparen" eine "für die Vermögenspolitik wichtige Aufgabe" gesehen wurde. Weitere Nachweise über die Vermögenspolitik der Blll1desregiefllllg bei Leistner, ZRP 1973, 201 (201). Vg!. auch Holschbach, NJW 1973, 2006 (2006); Schwark, BörsGKommentar, Anh.II, Rn.2.; Hopt/ Will, Europäisches Insidenecht, S.51; H. Bruns, Wertpapierhandel von Insidern, SA f Dieses wird bestätigt von der Äußefllllg des damaligen Blll1deswirtschaftsministers Graf Lambsdoiff, ZGR 10 (1981), 1 (9): "Von den verschiedenen Formen, in denen breite Bevölkefllllgsschichten am Produktivvermögen beteiligt werden können, ist die Aktie am besten geeignet."
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
der Markttiefe und Marktbreite der Kapitalmärkte218 und zu einer sozialpolitischen Stabilisierung führen so1l219 und insbesondere im Fünften Vermögensbildungsgesetz (§ 2 Abs.l Nr.l a)220 zum Ausdruck kommt. Außerdem kann es nicht angehen, aufgrund der der Anlage in Beteiligungspapieren innewohnenden Risiken allgemeine Wertungen der Rechtsordnung außer Kraft zu setzen und so quasi einen rechts- und schutzfreien Raum zu schaffen. Der Anlegerschutz soll dem Anleger nämlich nicht jedes Risiko abnehmen, sondern es geht allein darum, das allgemeine Publikum vor Ausnutzung seiner Unerfahrenheit und fachlichen Unterlegenheit zu schützen221 und so einen Beitrag zur Herstellung der oben erörterten formellen Gleichheit zu liefern. Zu diesen Wertungen gehört die Herstellung von Chancengleichheit,222 die beispielsweise in § 53 a AktG für die Gleichbehandlung der Aktionäre ihren Ausdruck gefunden hat. Um in einem System freien Wettbewerbs und einer um "Gerechtigkeit" bemühten Gesellschaftsordnung ein Machtgleichgewicht zwischen schwächeren und stärkeren Mitgliedern herzustellen, damit alle gleiche Startvoraussetzungen haben, die einen Interessenausgleich über die gleichmäßige Wahrung eigener Interessen ermöglichen, ist der Staat als Gesetzgeber zum Schutz des strukturell Benachteiligten berufen einzugreifen. 223 In einer solchen Situation, in der die "Richtigkeitsgewähr der Vertragsfrei-
218 Markttiefe Ill1d Marktbreite dienen der Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit eines Kapitalmarktes; so die Begriindlll1g zur Novelle der §§ 53 ff. BörsG von 1989, durch die die Finanzterminmärkte mit diesem Ziel auch dem privaten Anlegerpublikum zur Verfugung gestellt wurden; BT-Drucks. Nr.ll/4177 vom 13.03.1989, A n, S. 9/ 1O. Die dazu erforderliche Börsentermingeschäftsfähigkeit wird durch entsprechende Information des betreffenden Anlegers hergestellt. Zum "Informations-Modell" der Novellierung der Börsentermingeschäftsfähigkeit siehe z.B. Andre, Verbindlichkeit von Optionsscheingeschäften, S.153-155. 219 So auch in einem Schreiben der Dresdner Bank AG an die Verfasserin vom 03.04.1992, S.1 f 220 BGBI. I 1987, S.630-639 (5. VermBG in der Fasslll1g der Bekanntmachtung vom 19.02.1987). 221 So richtig Hopt, Wirtschaft und Recht 1986,101 (125). 222 Nicht auf die Schädigung der Anleger, wie Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.46-48, sondern auf das Erfordernis der Chancengleichheit stellen z.B. ab: Schwark, DB 1971, 1605 (1605); ders., BörsG-Kommentar, Anh.n, Rn.3; Horn, ZHR 136 (1972),369 (392 f); von Stebut, DB 1974,613 (618); Jenckel, Insiderproblem, S.27; Stratenwerth in: Festschrift fiir Vischer, S.667 (671); Otto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S.65 (75). 223 Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S.293.
c. Die Bewerhmg des Insider-Problems
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heit"224 wegen der Störung der erforderlichen Parität der Vertragsparteien entfällt, ist sogar ein Eingriff in das zentrale Prinzip des Zivilrechts, der durch Art.2 Abs.l GG garantierten Privatautonomie, gerechtfertigt. 225 Beispiele aus der bestehenden Rechtsordnung, die Ausdruck dieser Wertung sind, sind das AGB-Gesetz, das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften, das Verbraucherkreditgesetz und zahlreiche Mietrechtsvorschriften,226 aber auch die gesetzlichen Schranken in den Regeln über Irrtum, Täuschung, Drohung oder Sittenwidrigkeit227 . Gilt dieses bereits für die Situation direkter Vertragsbeziehungen, so ist ein Eingriff in die Privatauton0mie, wie er durch ein Insiderhandels-Verbot erfolgen würde, am entindividualisierten und funktionalisierten Kapitalmarkt aufgrund der dort gegebenen erhöhten Schutzbedürftigkeit der Anleger erst recht gerechtfertigt und zu fordern. Das Prinzip individueller wirtschaftlicher Verantwortung steht dem nicht entgegen, sondern verlangt vielmehr entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen. Das somit anzustrebende Ziel der Herstellung der Chancengleichheit gilt insbesondere für den Schutz vor der Ausnutzung und dem Mißbrauch wirtschaftlicher Macht zum Nachteil der schwächeren Marktteilnehmer und vor Verhaltensweisen im Wettbewerb, die gerade der Wirksamkeit eines leistungsgerechten Wettbewerbs zuwiderlaufen. Beispielhaft zu nennen für die Lösung dieser gesetzgeberischen Aufgabe sind das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Zu den Erscheinungsformen ökonomischer Macht gehört auch die Macht, die durch Verfügung über Informationen eingeräumt wird. 228 Insider-Informationen bringen die Insider in eine solche wirtschaftliche Machtposition, die sie zu eigenem Vorteil ausnutzen können, ohne daß diese Stellung, d.h. der Erwerb der Information, auf einer eigenen Leistung beruht. Was die Ausnutzung einer derartigen Information "unfair" und damit verbotswürdig macht, ist nämlich gerade die Unmöglichkeit für die Outsider, auf rechtmäßige Weise ebenfalls in den Besitz dieser privilegierten Information zu kommen, gleichgültig wie groß ihre Bemühungen und die darauf verwendeten AcP 147 (1941), 130 (155-157). 225 Siehe die Nachw. bei Geißler, JuS 1991,617 (623). 226 Vgl. Larenz, Allgemeiner Teil, § 3 II a) (S.56 11). 227 Vgl. [)ingeldey, Insiderhandel und Strati·echt, S.69. 228 Siehe ausfillulich dazu Fellmann, Rechtliche Enassung von Insidertransaktionen, S.9-13. 224 Schmidt-Rimpler,
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
Ressourcen sind.2 29 Insiderhandel widerspricht somit dem Prinzip des Leistungswettbewerbs, wonach jede wettbewerbliche Handlung objektiv mit dem Leistungsgrundsatz in Einklang stehen muß, um als Betätigung echter wirtschaftlicher Leistungskraft als "fair" anerkannt werden zu können.2 30 Gleichzeitig bedeutet Insiderhandel damit auch den Mißbrauch einer marktmächtigen Stellung. Die Zahl derjenigen, die über die Insider-Information verfugen, ist nach der Natur der Information sehr klein mit der Folge, daß auf dem Markt für kursrelevante Informationen eine hohe Konzentration herrscht, zumal die Insider daran interessiert sind, die Information zurückzuhalten, um zunächst selbst am Kapitalmarkt profitabel handeln zu können. 231 Für den Zugang anderer, der potentiellen Konkurrenten, zu den relevanten Informationen bestehen also künstliche Marktzutrittsschranken, die zu Wettbewerbsverzerrungen führen, die sich im Marktergebnis, der Einkommensverteilung, niederschlagen. Insiderhandel stellt somit einen Konzentrationsprozeß kursrelevanter Informationen in der Hand weniger, der Insider, auf Kosten der Outsider dar. 232 Dieses gilt auch bei Bestehen einer Ad-hoc-Publizität. Zwar wird dann die Gruppe der Inhaber der Information um die Marktinsider erweitert,233 aber für die besonders schutzwürdige Masse der Kleinanieger besteht trotz der Funktion der Marktinsider als Informationsmittler zunächst noch immer eine Zutrittsschranke zum Markt der kursrelevanten Informationen, die es diesen ermöglicht, zunächst erst einmal selbst von der betreffenden Information zu profitieren. Aus dem existenten Informationskonzentrationsprozeß folgt die Erzielung einer entsprechenden Vorsprungs rente durch die privilegierten Inhaber der Information, die nicht als leistungsgerecht angesehen werden kann. Da Insider-Gewinne somit nicht leistungsbedingt sind, ist das daraus resultierende Marktergebnis als unerwünscht im Sinne einer Wettbewerbswirtschaft zu klassifizieren. Damit ist zugleich gesagt, daß in den Fällen,
Harv.L.Rev. 93 (1979/1980), 322 (354 f, 360). 230 Zum Leistungswettbewerb Böhm, Wettbewerb Wld Monopolkampf, 8.127 ff. Wld 212 ff., der dieses Prinzip theoretisch begründet hat. Böhm bezeichnet den Wettbewerb als "eine geordnete Wett- Wld Auslesekampfveranstaltung"; infolgedessen könne auch nw' die "Betätigung echter wirtschaftlicher LeistWlgskraft als legaler Wld fairer Kampfeinsatz" anerkannt werden, so auf 8. 133. 231 8iehe oben Erster Teil, C.I.2.a). 232 Im Ansatz Bosworth-Davis, Fraud in the City, 8.73. 233 Aufgrwtd der Auslegung des Begriffs der "Öffentlichkeit der Infonnation" als Bereichsöffentlichkeit im neuen deutschen Insider-Recht (siehe oben dieses Kapitel) ist der Begriff der Marktinsider hier rein faktisch zu verstehen. 229 Brudney,
C. Die Bewertung des Insider-Problems
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in denen der Informationsvorsprung durch eine eigene Leistung, so vor allem durch Auswertung allgemein zugänglicher Daten, erlangt wurde, ein Verbot der Verfügung über die betreffende Information nicht zu rechtfertigen sein kann,234 sei es durch die Formulierung von Legalausnahmen, sei es im Wege der teleologischen Reduktion. Dieses muß auch gelten, wenn eine Verbesserung des Marktprozesses erfolgt, wie im Fall der Informationsübermittlung an Finanzintermediäre, wenn diese die betreffende Information in Empfehlungen umsetzen und so über diese mittelbare Information der Anleger eine Effizienzsteigerung erfolgt. Es bleibt festzuhalten, daß eine der "Fairneß" entsprechende formelle Gleichheit aller Anleger im Hinblick auf die Verfügbarkeit kursrelevanter Informationen nicht besteht, denn der Begriff der formellen Gleichheit setzt implizit voraus, daß jedem die Möglichkeit offensteht, seine Chancen am Markt in gleicher Weise, d.h. mit dem gleichen Geschäftsrisiko, wahrzunehmen. Dieses ist aber bei Insider-Informationen, deren Kenntnis sich als nicht leistungsbedingt darstellt, nicht der Fall. Deshalb ist auch die Herstellung gleicher Chancen für alle Anleger ein wettbewerbspolitisch wünschenswertes und notwendiges Ziel. Dieses muß über ein Verbot der Ausnutzung der Informationsmacht durch die Insider erreicht werden. Der Mißbrauch der MonopolsteIlung, die auf dem Besitz solcher Informationen beruht, die andere nicht rechtmäßig erhalten können, wird damit verhindert. Die Problematik des Insiderhandels stellt sich somit als ein wettbewerbsrechtliches Problem dar, so daß aufgrund des vergleichbaren rechtsethischen Unwertgehalts von Insiderhandeln und den von den bestehenden Wettbewerbsgesetzen bekämpften Verhaltensweisen im Hinblick auf die Frage, mit welchen Sanktionen Insider-Verstöße belegt werden sollen, ein Blick auf die Behandlung dieser Problematik im GWB und im UWG unumgänglich sein wird. Dieses betrifft insbesondere die Frage nach einer möglichen Kriminalisierung. 235
234 Nach dem anfangs (Erster Teil, A.) vorgenommenen Versuch einer allgemeinen Definition von Insiderhandel handelte es sich in einem solchen Fall schon per definitionem um kein Insider-Geschäft. 235 Vgl. dazu auch unten Sechster Teil, C.n.2. 7 Mennicke
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel c) Ergebnis
Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß eine gesetzliche Regulierung des Insiderhandels mit einer Sanktionierung zur Durchsetzung eines Verbots aus Gründen des Anlegerschutzes, d.h. des Schutzes der Outsider an der Börse, gerechtfertigt ist. Hierbei geht es aber nicht, wie gerade von Hopt/Will behauptet, um den Schutz des individuellen Anlegers vor Schädigungen durch das Handeln von Insidern, sondern um die Herstellung von Chancengleichheit als eines übergeordneten allgemeinen Prinzips unserer Rechtsordnung und um den Abbau wirtschaftlicher Ungleichgewichte im Wettbewerb an der Börse, um einem Schutzbedürfnis der Anleger - Ziel ist eine formelle Gleichheit, so daß alle das gleiche Geschäftsrisiko tragen - gerecht zu werden. Nicht der einzelne Anleger steht als Schutzobjekt im Vordergrund, sondern die Gesamtheit aller Anleger, die nicht über die Insider-Information verfügen. Die Rechte der Anleger sind daher kollektiver Natur. 236 Dementsprechend ist der Kennzeichnung des Delikts des Mißbrauch von Insider-Informationen durch Stratenwerth 237 als "Delikt gegen die Interessen unbestimmter Handelspartner" insofern zu folgen, als der Begriff "Handelspartner" nicht im technischen Sinne verstanden wird, sondern als die Summe der am Markt tätigen Anleger. Dieser Befund hat Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Sanktionen, speziell im Hinblick auf die zivilrechtliehe Sanktion Schadensersatz, dessen Durchsetzbarkeit angesichts bereits oben dargestellter Probleme (Kausalität, Feststellung von Schädiger und Geschädigtem)238 ohnehin zweifelhaft ist. 239
2. Schutz der Funktionsjahigkeit der Kapitalmärkte Neben dem in der Literatur angeführten Individualschutz der Anleger, der sich vielmehr als ein kollektiver Schutz zur Verwirklichung formeller Gleichheit herausgestellt hat, wird als von einem Insiderhandels-Verbot zu schützendes Interesse ein kollektives Schutzinteresse genannt, nämlich der Funkti0nenschutz von Kapitalmarkt und Volkswirtschaft. Nachdem oben240 eine von
236 So richtig gesehen von Jenekel, Insiderproblem, S.28. 237 In: Festschrift fiir Vischer, S.667 (671); insoweit übereinstimmend Sd1Ubm1h, SJZ 1979, 185 (190). 238 Siehe oben Erster Teil, C.II.l.a). 239 Roth, RabelsZ 38 (1974),720 (735), und von Stebut, DB 1974,613 (617), verneinen deshalb die Berechtigung von SchadensersatzanspTÜchen überhaupt. 240 Siehe Erster Teil, C.l.l.b) und 2.
C. Die Bewertung des Insider-Problems
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vielen Ökonomen behauptete Nützlichkeit der Insider-Geschäfte für Börse und kapitalistische Wirtschaftsordnung widerlegt wurde, geht es hier nun um nachteilige Auswirkungen von Insider-Transaktionen, vor denen die Kapitalmärkte im Interesse der Wirtschaft geschützt werden müssen, wobei auch normative Aspekte eine Rolle spielen. Das Funktionenschutzargument steht heute in der rechtlichen Diskussion um Insider-Recht und Anlegerschutz im Vordergrund des Interesses. 241 In der Präambel zur EG-Insider-Richtlinie wird das "reibungslose Funktionieren" des Sekundärmarktes für Wertpapiere als das Hauptziel, das mit dem Erlaß der Richtlinie verfolgt wird, genannt. 242 Auch steht dieses Argument schon am Beginn des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts. 243 a) Herleitung des Vertrauensschutzargumentes Ausgangspunkt ist die Funktion der Börse in einer Volkswirtschaft. Diese besteht vor allem in der Transformationsfunktion, d.h. sie soll die Transformation von Spar- in Investitionskapital gewährleisten. Der Wertpapiermarkt und zwar besonders die Börse erfüllt das Bedürfnis der Unternehmen nach unkündbaren oder doch langfristigem Kapital. Dem Effektenmarkt kommt neben den Märkten zur Fremdkapitalfinanzierung als Eigenkapitalmarkt eine besondere Bedeutung zu. Seine Hauptaufgabe besteht in der Bereitstellung und Erweiterung der Eigenkapitalbasis der Kapitalgesellschaften, die durch die Sicherung der Möglichkeit von Neuernissionen erfüllt wird, so daß die an der Börse notierten Unternehmen in die Lage versetzt werden, die Eigenkapitalbasis an die sich ständig verändernde wirtschaftliche Entwicklung, besonders auch die Fremdkapitalbasis, anpassen zu können, um eine Unterkapitalisierung zu verhindern. Die Unternehmen bedürfen einer ausreichenden Basis mit haftendem Eigenkapital, das auf Dauer zur Verfügung steht, nicht regelmäßig verzinst werden muß und Voraussetzung für eine ausreichende Versorgung mit Fremdkapital ist. 244 Die Entscheidung darüber, ob ein Unternehmen über241 Hopf, ZGR 1991, 17 (27); fiir die Schweiz ders., Wirtschaft lUld Recht 1986, 101 (121). 242 Dazu lUlten ausfiihrlich Zweiter Teil, B.rn.l.a). Sehr ähnlich auch die BegriindlUlg des RegieTlUlgsentwurfs des "Zweiten FinanzmarktfördeTlUlgsgesetzes", BRDrucks. 793/93 vom 05.11.1993, S.100.
Ausfiihrlich lUlten Vierter Teil, A.1.3. Hopf/Will, Europäisches Insiderrecht, S.49; Pfisterer, Machtmißbrauch, S.8 f; [)ingeldey, InsiderhandellUld Strafrecht, S.65; Fellmann, Rechtliche ErfasslUlg von Insidettransaktionen, S.25-27; Caspari, ZGR 1994, 530 (532). 243
244 Dazu
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haupt Kapital bekommt, d.h. über die erstmalige Allokation von Kapital, fällt zwar unmittelbar am Primär- oder Emissionsmarkt, der somit die soeben genannte Transformationsfunktion gewährleistet. Die daraus gezogene Schlußfolgerung, daß der Effektenbörse als Kapitalbeschaffungsinstrument deshalb keine maßgebende Bedeutung zukomme mit der Folge, daß die Erhaltung der Funktionsfahigkeit des Börsenmarktes nicht als von einer Insider-Norm zu schützendes Rechtsgut angesehen werden könne,245 ist jedoch nicht richtig. Aus der Sicht der Emittenten, d.h. der Kapitalnachfrager, vollzieht sich in den börsenmäßig organisierten Sekundärmärkten die Ersetzung des ersten Kapitalgebers durch andere Kapitalgeber. Deshalb haben nicht nur der Primärmarkt, sondern auch der Sekundärmarkt die für Kapitalmärkte wesentliche Allokationsfunktion. 246 Dort werden über den Kurs umlaufender Effekten tendenziell die Chancen neuer Emissionen des betreffenden Unternehmens erkennbar, womit also das Funktionieren des Sekundärmarktes besonders für Erstemissionen relevant ist. Die Entscheidungen am Primärmarkt werden somit vom Sekundärmarkt beeinflußt,247 so daß die Börsenmärkte integrale Bestandteile des inländischen Kapitalmarktes sind.2 48 Der Funktionenschutz muß sich danach also auf alle Teilbereiche des Kapitalmarktes, also auch auf die Börse als Sekundärmarkt, erstrecken. Aufgrund der zwischen den Kreditmärkten für Eigen- und Fremdfinanzierung bestehenden Substitutionskonkurrenz249 wirken sich außerdem Funktionsstörungen des Marktes für Eigenfinanzierung durch Insiderhandeln auch auf die Fremdfinanzierungsmärkte und damit die gesamte Volkswirtschaft aus. 250 An der Börse wird nun das Kapital der anlagewilligen Sparer zentral gesammelt und an die eigenkapitalsuchenden Unternehmen, die Investoren, weitergeleitet. Die Interessen der Unternehmen an langfristigem Eigenkapital und die Interessen der Anleger an einer rentablen, aber doch jederzeit liquidierbaren Anlage ihrer Ersparnisse werden über die Transformationsfunktion 245 So Strebel, InsideIVergehen wtd Banken, S.16. 246 Kümpel, WM 1992,381 (383); Suter, Insider Dealing, S.59. 247 Hopt, Gutachten 51.DIT, G 48; ders., Wirtschaft wtd Recht 1986, 101 (126); ausfiihrlich zu Interdependenzen zwischen Primär- wtd Sekwtdärmarkt Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S.39-42. 248 Kümpel, WM 1992,381 (383). 249 Pfisterer, Machtmißbrauch, S.9; Fellmann, Rechtliche Erfasswtg von Insidertransaktionen, S. 25. 250 Auf die damit verbwtdenen negativen Auswirkwtgen fiir die gesamte Volkswirtschaft weist Fellmann, Rechtliche Erfasswtg von Insidertransaktionen, S.27, hin.
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zu einem Ausgleich geführt.2 51 Die Börse kann dieser Funktion aber nur dann gerecht werden, wenn die Anleger bereit sind, an ihr zu investieren, da wesentliche Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Marktes ist, daß er über die erwünschte Breite und Tiefe verfügt.252 Hier setzt nun das Funkti0nenschutzargument an: Die Investitionsbereitschaft setze ein Vertrauen der breiten Anlegerschaft in das ordnungsgemäße Funktionieren der Börse und die Einhaltung von Marktspielregeln voraus. Die Anleger seien nur dann bereit, ihr Kapital in Wertpapieren anzulegen, wenn sie davon überzeugt sein könnten, daß sich das Börsengeschehen in korrekten Formen abspiele, so daß ein Gegengewicht zu der extremen Funktionalisierung und Anonymität der Börsen geschaffen würde, die diese für die Anleger undurchschaubar machten. Börsenskandale wie Insider-Fälle gefährdeten oder zerstörten jedoch dieses Vertrauen und damit die "Alimentation des Wertpapiermarktes"253. Die Transformationsfunktion und damit die Hauptfunktion der Wertpapiermärkte wäre nicht mehr gewährleistet. 254 So würde nämlich mit der Verminderung des Marktengagements der Outsider eine Verminderung der Marktliquidität einhergehen, was größere Geld-Brief-Spannen sowie höhere Risikoprämien der Aktien bewirkte, d.h. ein insgesamt niedrigeres Kursniveau am Aktienmarkt. Niedrigere Kurse führten zu höheren Eigenkapitalkosten der Unternehmen, die zumindest Neuinvestitionen in den Fällen kapitalkostensensitiver
251 Hopt/Will, Emopäisches Insiderrecht, S.49; Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.65; Fellmann, Rechtliche Erfasssung von Insidertransaktionen, S.69. 252 Kümpel, WM 1992, 381 (387). 253 Ausdruck bei Fellmann, Rechtliche Erfassung von Insidertransaktionen, S.70. 254 Dieses Veltrauensargw-nent stand schon am Beginn der US-amerikanischen Kapitalmarktgesetzgebung. So heißt es in einer Mitteilung Roosevelts an den Senat im Verlauf der Entstehung des Securities Act 1933 und des Securities Exchange Act 1934: "It (sc. der Gesetzesvorschlag) should give impetus to honest dealing in securities and thereby bring public confidence back", H.R.Rep. No.8S, 73d Cong., 1st Sess. (1933), S.2-4. Zm Entstehungsgeschichte siehe ausführlich Landis, Geo.Wash.L.Rev. 28 (1959/1960), 29-49. Auch das britische Insider-Recht wird vom Vertrauensargw-nent bestimmt, siehe die Nachweise bei Suter, Insider Dealing, S.37 f In der Spezialliteratm betonen die Notwendigkeit des Anlegervertrauens für die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte z.B. Loss, M.L.Rev. 33 (1970), 34 (36); Hopt/Will, Emopäisches Insiderrecht, S.49 f; Hopt, Kapitalanlegerschutz, S.336; Holschbach, NJW 1973, 2002 (2009); Ulmer, JZ 1975, 625 (626); Ulsenheimer, NJW 1975, 1999 (1999); Arbeitskreis Gesellschaftsrecht, S.10; Fellmann, Rechtliche Erfassung von Insidertransaktionen, S.70; Wojtek, Insider Trading, S.22; Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.66; Branson, Emory LJ. 30 (1981), 263 (297); Rider, Insider Trading, S.5 f.; Hannigan, Insider Dealing, S.9 f
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Investitionen behinderten,255 Betont wird in diesem Zusammenhang aber auch die Notwendigkeit des Vertrauens gerade in die Chancengleichheit am Markt; die Anleger vertrauten um so mehr in die Lauterkeit des Börsengeschehens, wenn sie davon ausgehen könnten, daß keine Marktteilnehmer aufgrund besserer Ausgangsvoraussetzungen die Möglichkeit ungerechtfertigter Sondervorteile hätten,256 Damit ist ein Zusammenhang zum oben diskutierten Anlegerschutzargument hergestellt. b) Zur Kritik Das Vertrauensschutzargument erscheint auf den ersten Blick einleuchtend, die empirische Nachweisbarkeit ist aber, wie selbst die Befürworter zugeben,257 wohl kaum möglich mangels einer Quantifizierbarkeit von Vertrauensgewinn bzw. -verlust. 258 Empirische Studien, die belegen, daß Anleger aufgrund eines Vertrauensverlustes von der Anlage am Kapitalmarkt abgeschreckt werden, fehlen. 259 Es gibt lediglich Studien, die belegen, daß viele Anleger der Überzeugung sind, daß andere am Markt unter Ausnutzung von Insider.lnformationen agieren. 260 So wurde auch von kritischer Seite darauf hingewiesen, daß trotz der Tatsache, daß Insiderhandel schon seit einem Jahrhundert vorkomme, dieser zu keiner spürbaren Belastung der Börse geführt habe, so daß die Frage, ob Insider-Regeln bestünden oder nicht, für die Funk-
255 Rudolph, Stelhmgnahme fiir den Finanzausschuß, Deutscher Bundestag, Protokoll Nr.70, S.116 (123). 256 Die Chancengleichheit als Vertrauensaspekt heben hervor: Kramis, InsiderhandeIn, S.25; Ulsenheimer, NJW 1975, 1999 (1999); Horn, ZHR 136 (1972), 369 (39); Fellmann, Rechtliche Etfassung von Insidertransaktionen, S.70; Pfisterer, Machtmißbrauch, S.10; Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.66; Schwark, BörsG-Kommentar, Anh.II, Rn.l, 3; Weinmann in: Festschrift fiir Pfeiffer, S.87 (97); Branson, EmOl'Y L.J. 30 (1981), 263 (303): "Individuals cannot compete in the securities marketplace. Hence, they withdraw from the markets." Die Bedeutung der "Fairness" fiir das Vertrauen der Anleger wird auch in England hervorgehoben, so Goodison (Chairman ofthe Stock Exchange): "above all; maintain public confidence in the ethical and financial integrity of the stock market", zitiert nach Suter, Insider Dealing, S.37; vgl. auch RiderlFfrench, Regulation ofInsider Trading, S.6. 257 HoptlWill, Europäisches Insiderrecht, S.50 258 Engel, Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1991, 388 (399); AshelMurphy, Insider Dealing, S.30; Ashe, Co.Lawyer 11 (1990), 127 (128); Anisman, Insider Trading Legislation for Australia, S.7. 259 Suter, Insider Dealing, S.38; Heller, Bus.Lawyer 37 (1982), S.517 (556). 260 Siehe die Nachweise bei Branson, Emory L.J. 30 (1981),263 (296 FN 158).
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tionsfähigkeit der Kapitalmärkte nur von untergeordneter Bedeutung sein könne,261 zumal andere Überlegungen für die Frage, wo und ob man sein Kapital an der Börse anlegt, als das Fehlen oder die Existenz von Insider-Regelungen bedeutsamer seien262 ,263 Ob diese Einwände so richtig sind, ist jedoch, wie gerade Ereignisse der jüngeren Vergangenheit zeigen, höchst zweifelhaft. Vielmehr lassen sich viele Indizien für die Richtigkeit der Vermutung auflisten, daß Insider-Geschäfte zu einem Vertrauensverlust, verbunden mit einem Rückzug vom Kapitalmarkt, führen. 264 Wirft man einen Blick auf die "Börsenskandale" des Sommers 1991, scheint im Gegenteil vieles dafür zu sprechen, daß Insider-Fälle und andere Geschehnisse, die in der Öffentlichkeit, vor allem in der Presse, als "Skandale" gewertet werden, sehr wohl in der Lage sind, das Vertrauen der Anleger zu erschüttern mit der Folge, daß sie sich vom Markt zurückziehen. Anfang Juli 1991 wurde bekannt, daß japanische Wertpapierhäuser Kompensationszahlungen für den Ausgleich von erlittenen Kursverlusten an ihre Großkunden gezahlt hatten. Die vier größten Broker-Häuser gestanden ein, daß sie insgesamt 229 Kunden in der Zeit von Oktober 1987 - dem Börsenkrach - bis März 1990 entschädigt hätten. 265 Folge dieser Geschehnisse war ein drastischer Rückgang der Gewinne der japanischen Wertpapierhäuser, im Einzelfall bis zu 60-70 Prozent. Als Grund wurde von japanischen Zeitungen angegeben, daß die Aktienkäufer sich infolge der Börsenskandale zurückgehalten hätten mit der Konsequenz deutlicher Umsatzrückgänge an den Börsen. 266 Ähnliches gilt für die sogenannte Insider-Affäre an der Frankfurter Wertpapierbörse, die oben267 schon ausführlich dargestellt wurde. So fürchtete der Handel laut Ge-
261 Kübler, Die AG 1977, 85 (87); Menens, ZHR 138 (1974), 269 (270); Pfister, ZGR 10 (1981), 318 (338); Stratenwenh in: Festschrift fiir Vischer, S.667 (669). 262 So Gnmewald, ZBB 1990, 128 (130), die aber der Existenz von Insider-Regehmgen zumindest "eine nicht ganz untergeordnete Rolle" zuspricht, und Herman, V.C.LA L.Rev. 21 (1973), 1 (17): "individual investor motivation is complex". So auch Heller, Bus.Lawyer 37 (1982), 517 (556). 263 Auf die mit diesem Argument verbundene Frage des sogenannten market shopping wird ausführlich unten, Zweiter Teil, B.rn.2.b), eingegangen. 264 So schon Branson, Emory L.I. 30 (1981), 263 (297): "far more credible than evidence cited for the opposite side". 265 Siehe FAZ vom 23.07.1991, S.14. 266Handelsblatt vom 12.09.1991, S.12 ("Börsenskandale bremsen Kauflust der Anleger"). 267 Siehe Einleitung, A.
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sprächen auf dem Börsenparkett ein Übergreifen der Affäre vom Optionsscheinmarkt auf den Aktienmarkt, was vor allem die ausländischen GroßanIeger davon abhalten könnte, in Deutschland Aktien zu kaufen, zumal sich laut Presseberichten die besorgten Anrufe von Auslandskunden zunehmend häuften. 268 Diese Reaktionen auf den Frankfurter "Insider-Skandal" sind somit ein ernst zu nehmender Indikator für einen Vertrauensverlust. 269 So ist es vielleicht auch kein Zufall, daß Kapitalmarktgesetze und Insiderhandels-Verbote jeweils nach Börsenkrisen oder bei anhaltenden Kapitalmarktschwächen erlassen wurden mit dem Ziel, das Vertrauen des Anlegerpublikums (wieder) zu gewinnen und so zur Befriedigung dringenden Kapitalbedarfs beizutragen. 270 Bestes Beispiel dafür ist der Erlaß der amerikanischen Kapitalmarktgesetze von 1933/34 nach dem New Yorker Börsenkrach von 1929 ("black Friday")271, der unter anderem dadurch verusacht worden war, daß die Spar- und Depositenbanken (commercial banks) sich stark als Eigenhändler im spekulativen Wertpapiergeschäft engagiert und damit das Sparkapital ihrer Anleger vernichtet oder gefährdet hatten,272 was besondere Schutzvorkehrungen für die Privatanleger erforderlich machte. 273 Auch die in Deutschland geltenden freiwilligen Insiderhandels-Richtlinien wurden infolge wiederholter Skandalberichte in der Tagespresse, die das Insider-Problem ins öffentliche Bewußtsein hoben,274 1970 von der deshalb eingesetzten Börsensachverständigenkommission beim Bundeswirtschaftsminister ausgearbeitet. Gerade diese Reaktionen der Gesetzgeber und die große Beachtung, die besonders InsiderTransaktionen in der Presse finden, sind Beleg dafür, daß Insider-Geschäfte der Öffentlichkeit alles andere als gleichgültig sind,275 so daß die befürchtete
268 Braunberger, FAZ vom 20.07.1991, S.15.
269 So Otto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S.65 (80), der den Untertitel eines Artikels zitiert, der am 28.10.1991 im Nachrichtenmagazin Newsweek, S.36 f, erschienen ist: "Welcome to the wild, wild west: Traders shout their orders above the din ofthe Frankfurt Stock Exchange". 270Bopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.50; Bopt, ZGR 1991, 17 (27); Rider, Insider Trading, S.6. 271 Suter, Insider Dealing, S.37. 272 Dazu B1:~chof, Wi.Jtschaft Wld Recht 1986, 319 (322). 273 Flachmann, ZfgK 1970,593 (594); Schwark, BörsG-Kornrnentar, Anh.II, Rn.5; Dingeldey, Insiderhandel Wld Strafrecht, S.63; Wojtek, Insider Trading, S.42; Klainguti, RegelWlg des Aktienhandels, S.30. 274 Bopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S.lll. 275 Bopt, ZGR 1991, 17 (27).
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Folge des Rückzugs vom Börsenmarkt aufgrund eines Vertrauensschwundes ein überzeugendes Argument gegen die Zulässigkeit von Insider-Handel ist. In einer US-amerikanischen Entscheidung276 wurde das Problem auch auf den Punkt gebracht: "It is hard to imagine that there ever is a buyer or seller who does not rely on market integrity. Who would knowingly roll the dice in a crooked drap game?". Die Gefahr des Vertrauensschwundes potentieller Anleger besteht jedoch nicht nur bei den privaten (Klein-)Anlegern, auf die im Jahre 1990 ohnehin lediglich 17 Prozent des Aktienbesitzes entfielen,277 sondern auch die institutionellen Anleger werden Konsequenzen ziehen. 278 Das gilt insbesondere für ausländische institutionelle Anleger, die sich am deutschen Kapitalmarkt wie zu Hause fühlen und deshalb die vertrauten heimatlichen Standards vorfinden wollen. 279 Konsequenz wäre ein Absinken der Bedeutung des Finanzplatzes in die Zweitrangigkeit. Genau dem soll das "Zweite Finanzmarktfördenmgsgesetz" entgegenwirken, dessen erklärtes Primärziel die Förderung der internationalen Wettbewerbsfahigkeit des Finanzplatzes Deutschland ist280 .
Worms281 bejaht zwar die theoretische Schlüssigkeit dieser Argumentation - das Vertrauen der Anleger als Bindeglied zwischen Individualschutz (Chancengleichheit) und Institutionenschutz -, bezweifelt aber deren prakti-
276 Schlanger v. Four Phase Systems [ne., 582 F.Supp. 128 (S.D.N.Y. 1984), zitiert vom Supreme Court im Insider-Fall Basic [ne. v. Levinson, 485 U.S. 224 (1988). 277 Das entspricht 3,5 Millionen Aktionären; Anfang der siebziger Jahre waren es noch 28 Prozent; vgl. Blick durch die Wirtschaft vom 06.01.1992, S.3. Nach einer neuen Repräsentativurnfrage wird 1992 von 4,21 Millionen Aktionären ausgegangen, der Zuwachs aber auch wesentlich auf Belegschaftsaktionäre ZUlÜckgefiihrt; vgl. Blick durch die Wirtschaft vom 31.03. 1992, S.3. 2780tto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S.65 (80). 279 Kümpel, WM 1992, 381 (383). Nach einem Bericht von Perina/Schumacher, Die Zeit vom 27.11.1992, S.23, stört Auslandskunden die unzureichende Börsenaufsicht sowie das "undurchsichtige Beziehungsgeflecht der Banken", die die deutschen Kapitalmärkte beherrschen. So haben Ausländer 1991 (im Jahr des Börsenskandals) in deutschen Aktien lediglich DM 1,5 Milliarden angelegt nach DM 24,9 Milliarden im Spitzenjalu 1989. 280 So BR-Drucks. 793/93 vom 05.11.1993, S.100 f, und schon das dem Regienmgsentwun des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) zugnmdeliegende Konzept "Finanzplatz Deutschland" vom Januar 1992, WM 1992,420 ff. 281 Anlegerschutz durch Strafrecht, S.260 f; im Anschluß an Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S.2S1 (" ... kann kein akuter Vertrauensschwund bei den deutschen Kapitalanlegem diagnostiziert werden. ").
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sche Relevanz, der er nur eine geringe Bedeutung beimißt, wobei sich hier wiederum das Problem der nicht möglichen empirischen Nachweisbarkeit stellt. Die praktische Relevanz sei deshalb so gering, da ein spürbarer Vertrauensschwund keineswegs den gesamten Kapitalmarkt betreffe, sondern lediglich hinsichtlich einzelner Anlageformen feststellbar sei. Solange der Vertrauensschwund lediglich zum Rückzug aus einer bestimmten Anlageform führe und nicht zum Rückzug aus anderen wichtigen Kapitalanlagen - wie der Effektenanlage allgemein -, bestehe kein Anlaß zur Besorgnis.282 Begründet wird diese Ansicht mit dem Beispiel der Investmentgesellschaft Investment Overseas Services (lOS), deren Zusammenbruch zu einer Krise der Auslandsinvestmentfonds und stattdessen zu einem sprunghaften Anstieg des Absatzes von Immobilienzertifikaten führte,283 nicht jedoch zu einer Krise des gesamten Kapitalmarktes, hervorgerufen durch einen entsprechenden Vertrauensverlust. 284 Diese Ansicht mag zwar für spezielle Anlageformen wie Investmentfonds und Abschreibungsgesellschaften gelten, die praktische Relevanz des Vertrauensarguments läßt sich jedoch für Insider-Fälle so nicht verneinen. Bei Insider-Geschäften sind in der Regel Aktien und entsprechende Optionen betroffen, auf jeden Fall aber Papiere, die an der Börse gehandelt werden, wie beispielsweise Optionsscheine, die Auslöser für den Frankfurter Börsenskandal vom Sommer 1991 waren. Nimmt man hier einen Vertrauensverlust lediglich für eine Anlageform an, so ist damit unweigerlich ein wichtiges Segment der Börse, um deren Schutz es geht, betroffen. Selbst bei Bejahung eines nur unternehmensbezogenen Vertrauensschwundes in der Form, daß die Anleger die Papiere desjenigen Unternehmens meiden, bei dem Insider tätig waren, ist eine Auswirkung auf den gesamten Börsenmarkt anzunehmen. Das Ansehen des betroffenen Unternehmens am Markt kann nämlich durch Insider-Fälle sinken285 mit der Folge, daß sich die Kapitalbeschaffung verteuert, 282 So auch Kübler, Die AG 1977, 85 (88); diese Bedenken räumt auch Hopt, Gutachten 51. DJT, G 54, ein: "Der in einer Anlageform enttäuschte Anleger sucht vielmehr erfahnmgsgemäß nach einer anderen und ist mangels entsprechender Aufklärung den Risiken der neuen Anlage ebenso ausgeliefert wie zuvor den der alten." 283 Nach Feststelhmg der Deutschen Bundesbank haben im Jahre 1970 hauptsächlich aus diesem Grund deutsche Käufer per Saldo keine ausländischen Investmentzertifikate mehr gekauft; Monatsberichte der Deutschen Bundesbank 8/1971, 22 (28). 284 Worms, Anlegerschutz durch Strafrecht, S.261. 285 Die Möglichkeit eines solchen Schadens wurde anerkannt in: Dia mond v. Oreamuno 248 N.E. 2d 910,24 N.Y. 2d 494,301 N.Y.S. 2d 78 (Ct. of Appeals of N.Y. 1969); siehe auch Mendelson, U.Pa.L.Rev. 117 (1969), 470 (477 f.); Hannigan, Insider Dealing, S.10.
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da die Bereitschaft der Anleger, in dieses Unternehmen zu investieren, ab-
nimmt. 286 Die Konsequenz ist, daß Anlageentscheidungen nicht mehr danach getroffen werden, wo der größte Bedarf an Investitionsmitteln die höchste Rendite verspricht, sondern von Vertrauensaspekten wie vor allem der Furcht, Insider-Transaktionen zum Opfer zu fallen, in starkem Maße beeinflußt werden. Damit ist eine optimale Kapitalallokation nicht mehr gewährleistet, die jedoch neben der institutionellen287 und operativen288 Funktionsfähigkeit von zentraler Bedeutung für einen effizienten Kapitalmarkt ist. 289 Dem Aspekt des Vertrauensschutzes wird letztendlich entgegengehalten, daß im Falle des Nichtbestehens eines Insiderhandels-Verbots die Kenntnis des Nicht-Insiders über die Zulässigkeit von Insider-Transaktionen zu einer Antezipation der vermeintlichen Übervorteilungsgefahr führen würde, und zwar dergestalt, daß die Marktteilnehmer bei Transaktionen dieses Moment in ihr Kalkül mit einbezögen. 29o Wie eine solche Antezipation im einzelnen aber erfolgen soll, bleibt im Dunkeln. So wird in diesem Zusammenhang angeführt, daß die Marktteilnehmer versuchen würden, soweit es ihnen sinnvoll erschiene, ein breiteres Informationsspektrum über die zur Disposition stehenden Effekten zu erlangen. 291 Dieses kann nicht überzeugen. Selbst wenn der Erfolg solcher Bemühungen unterstellt wird und man die dabei entstehenden, mit Sicherheit nicht unbeträchtlichen Transaktionskosten nicht in die Beurteilung dieser Argumentation einbezieht, so bleibt festzustellen, daß die Möglichkeit, das vorhandene Spektrum an Informationen über bestimmte Effekten zu verbreitern, gerade denjenigen, deren besondere Schutzwürdigkeit vor der 286Mendelson, U.Pa.L.Rev. 117 (1969), 470 (477 f); Hannigan, Insider Dealing, S.l1. 287 Die institutionelle Funktionsfähigkeit umfaßt die Grundvoraussetzungen eines wirksamen Marktmechanismus, wie z.B. den Zugang von Kapitalanbietern und -nachfragern und Aufuahmefiihigkeit und Stabilität des Marktes; dazu Hopt, Gutachten 5I.DJT, G 49, und Kübler, Gesellschaftsrecht, § 31 II.2.b) aa) (S.393). Nach Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S.49 f, tragen auch anlegerschützende Maßnahmen zur institutionellen Effizienz bei, die das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt verbessern sollen. 288 Die operationale Funktionsfähigkeit betrifft in erster Linie die Transaktionskosten, z.B. die Kosten der Anlagevermittlung; dazu Hopt, Gutachten 5I.DIT, G 48 f, und Kübler, Gesellschaftsrecht, § 31 ll.2.b) bb) (S.393). 289 Hopt, Gutachten, G 48 f; Kübler, Die AG 1977, 85 (89); Kohl/Kübler/Walz/ Wüstrich, ZHR 138 (1974), 1 (16 f). 290 So z.B. Oberender/Daumann, Ordo 43 (1992), 255 (262). 291 Oberender/Daumann, Ordo 43 (1992), 255 (262).
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Ausnutzung von Insider-Informationen bereits oben 292 konstatiert wurde, nämlich der Masse der Anleger, wohl kaum offensteht. Vielmehr können von diesen Bemühungen der Informationserlangung wiederum - vergleichbar der Ad-hoc-Publizität - zumindest zunächst einmal lediglich die sogenannten Marktinsider profitieren. Die Kleinanieger, deren Vertrauen aber wegen fehlender Selbstschutzmöglichkeiten besonders leicht beeinträchtigt wird, bleiben die Benachteiligten. Auch deshalb ist aus Gründen des Funktionenschutzes über das Vertrauensargument ein Verbot der Ausnutzung von Insider-Informationen zu befürworten. c) Ergebnis Es ergibt sich somit, daß das Vertrauen der Anleger in das ordnungsgemäße Funktionieren der Börse durch das Vorkommen von Insider-Geschäften zumindest beeinträchtigt wird. Der damit verbundene Rückzug des Publikums vom Markt hat negative Folgen für die Transformationsfunktion des Kapitalmarktes und dessen Effizienz, die wegen einer Störung der operativen Funktionsfähigkeit gemindert wird. Das Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren meint in erster Linie ein Vertrauen in die Chancengleichheit aller Teilnehmer am Börsengeschehen, verstanden in dem Sinne, daß Informationsgefälle und damit wirtschaftliche Machtungleichgewichte abgebaut werden, um in formeller Hinsicht gleiche Startvoraussetzungen im Wettbewerb zu haben. 293 Wird das Vertrauen der Anleger in diese Chancengleichheit gestört, da sie erfahren müssen, daß andere aufgrund von Informationen handeln, die von ihnen trotz aller Bemühungen nicht auf rechtmäßige Weise erlangt werden können, d.h. ein Informationsmonopol besteht, das freien Wettbewerb verhindert, so sprechen viele Indizien dafür, daß sie sich enttäuscht von der Börse zurückziehen und in anderen Märkten investieren. 294 3. Schädigung der Unternehmen
Als weiteres Schutzgut eines Insiderhandels-Verbots werden neben Individual- und Funktionenschutz noch die Vertraulichkeitssphäre und die Vermö-
292 Siehe oben Erster Teil, C.II.l.b). 293 Siehe ausführlich oben Erster Teil, C.II.l. b). 294 Im Ergebnis auch Branson, Emory L.J. 30 (1981), 263 (296); Bosworth-Davis, Fraud in the City, S.73; Ashe/Murphy, Insider Dealing, S.27; vgl. auch Brudney, Harv.L.Rev. 93 (1979/1980), 322 (354 f).
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gensinteressen der Unternehmen, auf deren Geschäftsbereich sich die InsiderInformation bezieht, genannt. In diesem Bereich - Schutz des Unternehmens zeigt sich die grundsätzliche Zweispurigkeit295 des Insider-Rechts, das thematisch auf der Schnittstelle zwischen Gesellschaftsrecht296 und dem Kapitalmarkt- und Börsenaufsichtsrecht liegt, also von zwei Seiten bearbeitet wird. 297 a) Die Vertraulichkeitssphäre als beeinträchtigtes Interesse Als zu schützendes Interesse kommt die Vertraulichkeitssphäre des betreffenden Unternehmens in Betracht. 298 Sachverhalte, die für Insider-Informationen relevant sein können, können geschäftliche Vorhaben, geschäftspolitische Entscheidungen oder auch Zielsetzungen von Unternehmen sein, d.h. "Angelegenheiten, die zum Schutz der Gesellschaft im Interesse ihrer Wettbewerbsfähigkeit und ihres Ansehens Außenstehenden nicht bekannt werden dürfen"299 oder sollen. Als besonders naheliegende Beispiele seien Übernahmeangebote, Fusionen oder besondere technische Neuerungen und Erfindungen genannt. An der Geheimhaltung solcher kursrelevanter vertraulicher Informationen und Geschäftsgeheimnisse besteht in Unternehmen in den meisten Fällen ein großes Interesse. Nutzt nun ein Insider aus der Gesellschaft derartige Informationen, die er aufgrund seiner Vertrauensstellung in diesem Unternehmen erlangt hat, zu privaten Geschäften an der Börse aus, um sich persönlich zu bereichern, so mißbraucht er dadurch seine Vertrauensstellung im Unternehmen, indem er seine dienstlich erlangten Kenntnisse zur privaten Bereicherung nutzt. Er kommt damit seiner Verpflichtung, das Interesse des 295 Gesellschaftsbezogen mit der VerpflichtlUlg ZW' GeheimhaltlUlg lUld VerwertWlgslUlterlasslUlg von vertraulichen Angaben lUld Geheimnissen, weil die VerpflichtlUlgen von der StelllUlg in der Gesellschaft abhängen; kapitalmarktbezogen mit der VerpflichtlUlg zur EinhaltWlg bestimmter Marktverhaltenspflichten, wie dem Verbot, lUlter Ausnutzung von Insider-Wissen Wertpapiergeschäfte zu tätigen. 296 So [mdet sich in allen englischen Lehrbüchern zum company law ein eigenes Kapitel zu Problemen des insider dealing; siehe z.B nur Gower, Principles of Modem Company Law, chapter 23 (S.607-642); FarrarlFurey/Hannigan, Farrar's Company Law, S.426-438. 297 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn.764 (S.443). 298 So v.a. Brunner, SAG 48 (1976), 179 (194); vgl. auch Forstmoser, SAG 49 (1977), 14 (15); Botschaft des BlUldesrates über die ÄndefWlg des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Insidergeschäfte) vom 01.05.1985, BlUldesblatt 1985 n, S.69 (88, Anm.5): Schutz des Unternehmens gegen "inneren Verrat". Dazu [)ingeldey, Insiderhandel lUld Strafrecht, S.70 f 299 Klug in: Großkommentar zum Aktiengesetz, Bd.4, § 404, Anm.4.
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Erster Teil: Das Phänomen Insiderhandel
Unternehmens an der Geheimhaltung der entsprechenden Information zu respektieren, nicht nach. Durch das Insiderhandeln wird die Vertrauensbeziehung zwischen einem Unternehmen und demjenigen, der dort aufgrund seiner Stellung Zugang zu gesellschaftsinternen Informationen hat, möglicherweise sogar selbst an den entsprechenden Entscheidungsprozessen beteiligt ist, verletzt. Dementsprechend wird als schützenswertes Rechtsgut eines Insiderhandels-Verbots in diesem Zusammenhang diese Vertrauensbeziehung zwischen Unternehmen und Insider genannt,300 wobei es nicht darauf ankommen soll, ob das Geschäftsgeheimnis einem Dritten bekannt wird oder dem Unternehmen ein konkreter Vermögensschaden entsteht. 301 Hinter dem Schutz der Vertraulichkeitssphäre des Unternehmens steht der Gedanke, daß eine Gesellschaft durch Insider-Geschäfte, d.h. durch die Verwertung von Insider-Informationen aus ihrem Geschäftsbereich zu eigenem Vorteil der Insider, in ihren Ertragsaussichten und damit in ver~ögensrechtli eher Hinsicht unmittelbar oder zumindest mittelbar geschädigt wird. 302 Das gerade für die achtziger Jahre bei weitem wichtigste Beispiel hierfür betrifft die Vorbereitungsphase für eine feindliche, d.h. nicht mit der Zielgesellschaft abgestimmte Übernahme einer Aktiengesellschaft, während der das übernehmende Unternehmen heimlich Aktien aufkauft. bis die Pläne öffentlich bekannt gemacht werden, z.B. weil die eingetretene Kurssteigerung allgemein Aufmerksamkeit erregt oder der für eine in einigen Ländern bestehende Meldepflicht vorgeschriebene Anteil erreicht ist. 303 Wird nun in dieser Phase durch Insider, die in Erwartung einer Kurssteigerung nach öffentlicher Be-
300 Siehe v.a. Brnnner, SAG 48 (1976), 179 (194); vgl. auch Forstmoser, SAG 49 (1977), 14 (15). Dazu Dingeldey, Insiderhandel Wld Strafrecht, S.70 f 301 Dingeldey, Insiderhandel Wld Strafrecht, S.70. 302Engel, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1991, 388 (402). Kritisch dazu Gmnewald, ZBB 1990, 128 (129), die die von Insider-Geschäften angeblich bewirkte Vorwegnahme zukünftiger KursentwicklWlgen, die zu einem weniger sprunghaften Kursverlust führten, als von den betroffenen Gesellschaften erwünscht ansieht. Wie oben (Erster Teil, C.I.2.b)) allerdings erörtert, sind solche Kursstabilisierungen eher Wlwahrscheinlich. 303 Z.B. muß in den USA gemäß Williams Ac! bei Erreichen eines Anteils von fiinf Prozent innerhalb von zehn Tagen eine MeldWlg bei der SEC eIfolgen, in der u.a. Identität Wld Absicht des Aufkäufers anzugeben sind. Auch in Großbritannien gibt es nach dem Companies Ac! 1985 eine solche "Fünf-Prozent-KlauseI"; jede Person oder Gruppe, die eine Beteiligwtg von mindestens fiinf Prozent über die Börse erwirbt, muß die betreffende Gesellschaft innerhalb von fiinfWerktagen benachrichtigen.
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kanntgabe der geplanten Übernahme304 auf eigene Rechnung Aktien kaufen, die Kurssteigerung durch die zusätzliche Nachfrage beschleunigt, hat dieses zur Konsequenz, daß sich für das übernehmende Unternehmen die Anteile an der Zielgesellschaft und damit die Übernahme verteuern. 305 Die übernehmende Gesellschaft wird dementsprechend geschädigt. Ein gutes Beispiel ist dafür der schon oben306 erwähnte Fall Anheuser-Busch aus den USA, in dem der geschädigten Gesellschaft ein privates Klagerecht auf Schadensersatz zugestanden wurde.3 07 Eine weitere negative Folge von Insider-Geschäften für das betroffene Unternehmen können Vertrauensverlust und Rufschädigung sein, wenn die jeweilige Gesellschaft im Zusammenhang mit einem InsiderGeschäft in der Öffentlichkeit genannt wird.3 08 So kann ein Unternehmen bei Kunden an Seriösität verlieren, wenn sie annehmen müssen, daß ihre Angelegenheiten nicht vertraulich behandelt werden, was besonders bei Beraterfirmen ein wichtiger Aspekt ist. Hier stellt sich jedoch das Problem, daß sich ein konkreter, tatsächlicher Schaden nicht wird feststellen lassen, da ein evtl. aufgrund eines Vertrauensverlustes eintretender Schaden kaum zu beziffern sein wird.3 09 Das gilt auch für eine Verteuerung der KapitaIbeschaffung, die aufgrund des schlechteren Standings eines Unternehmens am Markt eintreten kann.3 10 Jedenfalls läßt sich aber feststellen, daß die Verletzung der Vertrauensbeziehung zwischen Insider und Unternehmen durch Insider-Geschäfte zu einer
304 In der Phase vor der Bekanntmachung berücksichtigt der Aktienkurs noch nicht den regelmäßig mit der Übernahme verbundenen Wechsel des Managements, der in der Regel zur Ersetzung eines ineffizient arbeitenden Managements fiihrt; H. Schmidt in: Hoptl Wymeersch (Hrsg.), European Insider Dealing, S.21 (22). 305 Engel, Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1991,388 (400 f); H. Schmidt in: Hoptl Wymeersch (Hrsg.), European Insider Dealing, S.21 (21 f); Brodsky/Swanson, Sec. Reg.L.J. 16 (1988), 31 (35). 306 Siehe oben Erster Teil, C.I.l. b). 307 Im FaU FMC Corp. v. Boesky, 86 Civ. 9879 (N.D.lll. 1986), klagte sogar die 2ielgesellschaft gegen den Insider Boesky auf Ersatz der Kosten, um die sich Abwehrmaßnahmen wegen der durch die Insider-Geschäfte gestiegenen eigenen Aktien verteuert hatten. Die Klage wurde jedoch abgewiesen, da das Gericht einen Schaden der Klägerin verneinte. 308 Grunewald, ZBB 1990, 128 (129); Engel, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1991, 388 (401 f). 309 Engel, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1991, 388 (401). 310 Auf diese Folge von Insiderhandel weist Mendelson, U.Pa.L.Rev. 117 (1969),
470 (477 f.), hin.
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unmittelbaren oder durch Rufschädigung mittelbaren Beeinträchtigung der Ertragsaussichten des betroffenen Unternehmens führt,3!! und deshalb die Vertraulichkeitssphäre ein schützenswertes Interesse darstellt. b) Kritik: Kein Schutzzweck eines Insiderhandels-Verbots Ob diese Unrechtskomponente des Insiderhandels ein gesetzliches Verbot mit zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen oder mit strafrechtlichen Sanktionen rechtfertigt, erscheint jedoch höchst zweifelhaft.3!2 Bei den insiderrelevanten Sachverhalten, die sich auf den Geschäftsbereich eines Unternehmens beziehen, handelt es sich nämlich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen,313 so daß schon aufgrund der bestehenden gesetzlichen Vorschriften keine Notwendigkeit bei der Entwicklung einer Insider-Regelung besteht, dieses Schutzgut der Vertrauensbeziehung zwischen Unternehmen und Insider besonders zu berücksichtigen, zumal die oben geschilderten Beispiele einer Beeinträchtigung von Unternehmensinteressen durch Insider-Transaktionen den vom geltenden Recht erfaßten Fällen vergleichbar sind, in denen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zu persönlichem Vorteil mißbraucht werden, ohne die Börse zu berühren, wie Z.B. beim Verkauf von Betriebsgeheimnissen aus dem Bereich der Forschung. Dieses hat gerade für die Sanktionenfrage Bedeutung, denn unter diesem Aspekt erscheint es doch äußerst problematisch, eine Pflicht zur Gewinnabführung an das Unternehmen, in dessen Papieren der Insider gehandelt hat, zu schaffen, wie sie z.B. in § 4 der Insiderhandels-Richtlinien vorgesehen war. Rechtfertigen lassen sich lediglich Schadensersatzansprüche, wenn sich ein konkreter Schaden in kausaler und zurechenbarer Weise auf das Handeln eines Insiders zurückführen läßt. In strafrechtlicher Hinsicht wird die Vertraulichkeitssphäre des Unternehmens über § 17 UWG, § 404 AktG und § 203 Abs.l Nr.3 iV mit § 204 StGB geschützt, vermögensrechtlich - wenn dem Unternehmen aufgrund der Verletzung der Geheimhaltungspflicht ein Schaden entstanden ist - über die Haftungsnormen der § 93 Abs.l Satz 2 i.V. mit Abs.2 AktG, § 116 AktG und in 311 So Engel, Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1991,388 (402). 3!2 So richtig Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.71; Otto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S.65 (70) (in bezug auf einen neu zu schaffenden Straftatbestand gegen Insiderhandel); Stratenwerth in: Festschrift fiir Vischer, S.667 (669). 313 Otto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S.65 (70).
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extensiver Auslegung314 wohl auch des § 43 Abs.l, 2 GmbHG.315 Gerade die genannten strafrechtlichen Vorschriften zeigen, daß allein der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Unternehmen und Insider keine neue gesetzliche Vorschrift gegen Insiderhandel rechtfertigen kann. So ist die Möglichkeit strafrechtlicher Verfolgung nicht auf einen engen Personenkreis beschränkt: § 404 AktG erfaßt die Offenbarung (Abs.l) bzw. unbefugte Verwertung (Abs.2) von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen durch der Aktiengesellschaft besonders verpflichtete Personen, nämlich Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates, Abwickler, Prüfer und Gehilfen eines Prüfers.3 16 Nach § 17 UWG ist der Kreis potentieller Täter bereits sehr weit gezogen, denn nicht nur Angestellte, die ein Geheimnis des Unternehmens offenbaren oder verwerten, werden strafrechtlich erfaßt (§ 17 Abs.l UWG), sondern gemäß § 17 Abs.2 Nr.l i. V. mit Nr.2 auch dritte Personen, die sich den Geheimnisbruch von Angestellten zu nutze machen oder selbst das Geheimnis durch Anwendung technischer Mittel erlangt haben oder ein durch Dritte auf diese Weise erlangtes Geheimnis verwerten.3 17 Schließlich können gemäß § 203 Abs.l Nr.3 i. V. mit § 204 StGB unter anderen Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte sowie Organe oder Organmitglieder einer Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft, die ein ihnen anvertrautes Betriebsgeheimnis verwerten, bestraft werden.3 18 Damit wird von den genannten Strafrechtstatbeständen der gesamte Personenkreis erfaßt, der aufgrund einer bestehenden Vertrauensbeziehung zum betreffenden Unternehmen dessen Vertraulichkeitssphäre verletzen kann.
GmbHG-Kommentar, § 43, Rn.8. 315 AusfiihrIich dazu H. Bruns, Weltpapierhandel von Insidern, S.72-83; Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.24-33; zu den strafrechtlichen Vorschriften Ulsenheimer, NJW 1975, 1999 (2000-2004), und Otto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen S.65 (70 f). 316 Im einzelnen zur Anwendung des § 404 AktG auf Insider-Mißbräuche: von Stebut, DB 1974,613 (613 f); Ulsenheimer, NJW 1975, 1999 (2000 ff); Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.30 ff; Heldmann, ZRP 1990,393 (395). 317 Vgl. dazu Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.33, Ulsenheimer, NJW 1975, 1999 (2002 ff); Otto in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S.65 (70 f) - Zu beachten ist, daß § 17 Abs.2 UWG durch Gesetz vom 15.05.1986 erheblich ausgeweitet worden ist. 318 Vgl. dazu Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.33; von Stebut, DB 1974, 613 (615 f); Ulsenheimer, NJW 1975, 1999 (2004). 314 LutteriHommelhojJ,
g Mennicke
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Weiterhin ist die Ausgestaltung dieser Tatbestände als Antragsdelikte - mit einer Einschränkung bei § 17 UWG, falls ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht - zu berücksichtigen. Antragsberechtigt ist der durch die Geheimnisverletzung unmittelbar Geschädigte; danach könnte die Strafverfolgung durch die Organe des betroffenen Unternehmens veranlaßt werden. Daß es aber bislang in diesem Bereich keine entsprechende Judikatur gibt, und daß auch nicht bekannt geworden ist, daß staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sind,319 ist als ein eindeutiges Indiz dafür zu werten, daß seitens der betroffenen Unternehmen offensichtlich kein Interesse an der Strafverfolgung besteht, weil damit beispielsweise Unternehmensgeheimnisse in die breite Öffentlichkeit oder zur Konkurrenz gelangen könnten oder ein Strafverfahren gegen ein anderes Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates eingeleitet werden müßte.3 20 Wenn jedoch ein solches Interesse seitens der in ihrer Vertraulichkeitssphäre verletzten Unternehmen nicht besteht und vorhandene Möglichkeiten strafrechtlicher Verfolgung und Ahndung nicht genutzt werden, so kann das Schutzgut der Vertrauensbeziehung zwischen Insider und Gesellschaft keine gesetzlichen Vorschriften gegen Insiderhandel rechtfertigen,321 zumal eine solche Vorschrift in der Ausgestaltung gerade der Sanktionenseite möglicherweise - wie die bereits bestehenden wirtschaftsstrafrechtlichen Normen - zu einseitig auf den Rechtsgüterschutz der betroffenen Unternehmen ausgerichtet wäre und den Schutz der Funktionsfahigkeit des Börsenmarktes sowie der Anleger in ihrer Chancengleichheit zu wenig berücksichtigte. 322 Außerdem sind zunächst die potentiell von Insider-Geschäften am Aktienmarkt negativ betroffenen Unternehmen aufgerufen, selbst dafür zu sorgen, daß sie nicht von Mitarbeitern in der beschriebenen Weise in ihren Interessen beeinträchtigt werden, bevor der Gesetzgeber tätig wird. 323 Das folgt aus dem 319 So Otto in: Blamock (Hrsg.), Recht der Unternehmen S.65 (71). 320 Siehe Ulsenheimer, NJW 1975, 1999 (2002 ff); Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.32 f; Heldmann, ZRP 1990,393 (395); Otto in: Blamock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S.65 (71). 3210tto in: Blamock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S.65 (71 f); so auch Stratenwerth in: Festschrift fiir Vischer, S.667 (669); Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.71; ähnlich Grunewald, ZBB 1990, 128 (129 f). 322 Diese Kritik übt zu Recht Dingeldey, Insiderhandel und Strafrecht, S.34, an den oben dargestellten strafrechtlichen Vorschriften zum Schutz der Unternehmensinteressen, die Insiderhandel erfassen können. 323 Das betont Engel, Jahrbuch fiir Sozialwissenschaft 1991, 388 (402).
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Prinzip der Subsidiarität jeglichen staatlichen Handeins, das eine Reduzierung staatlicher Tätigkeit auf das zur Unterstützung individueller und gesellschaftlicher Aktivitäten Notwendige verlangt;324 schlagwortartig formuliert: "soviel Freiheit wie möglich und soviel Staat wie nötig".3 25 So können Unternehmen hausinterne Bestimmungen über den Umgang mit vertraulichen Informationen326 erlassen und durch deren sorgfältige Überwachung sowie durch abgestimmte Vereinbarungen in den Arbeitsverträgen mit nachdrücklichen Sanktionsandrohungen bei Verletzung dieser Bestimmungen327 für deren weitestgehende Befolgung sorgen. Da Unternehmen (auch) in der Bundesrepublik Deutschland bislang nur wenige Anstrengungen erkennen ließen, Insider-Geschäfte zu unterbinden, scheint keine ausgeprägte Sorge vor möglichen Schädigungen durch Insider vorhanden zu sein, die ein besonderes InsiderhandelsVverbot zum Schutz der Unternehmensinteressen rechtfertigen würden, das über die bestehenden gesetzlichen Vorschriften zum Schutz der Vertraulichkeitssphäre hinausgeht. 328 Wenn in jüngster Zeit gerade im Bankenbereich hausinterne Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden, wie beispielsweise die Einrichtung von sogenannten compliance department