Reform als Textstrategie: Untersuchungen zum literarischen Œuvre des Johannes Meyer O.P. 9783110656695, 9783110654561

The Dominican Johannes Meyer (1422/23–1485) left a body of texts that cover a broad range of topics and sources. The stu

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German Pages 391 [392] Year 2020

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Reform als Textstrategie: Untersuchungen zum literarischen Œuvre des Johannes Meyer O.P.
 9783110656695, 9783110654561

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Christian Seebald Reform als Textstrategie

Literatur | Theorie | Geschichte

Beiträge zu einer kulturwissenschaftlichen Mediävistik Herausgegeben von Udo Friedrich, Bruno Quast und Monika Schausten

Band 16

Christian Seebald

Reform als Textstrategie Untersuchungen zum literarischen Œuvre des Johannes Meyer O.P.

Publiziert mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

ISBN 978-3-11-065456-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-065669-5 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-065499-8 ISSN 2363-7978 Library of Congress Control Number: 2019950120 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Titelabbildung: Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Ricketts 198, fol. 215r (Ausschnitt). Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

| Für Jay

Vorwort Die vorliegende Studie wurde im Wintersemester 2017/18 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln als Habilitationsschrift angenommen. Für den Druck wurde sie noch einmal leicht überarbeitet und bibliographisch ergänzt, wobei die Literaturaufnahme Anfang 2019 abgeschlossen war, so dass später erschienene Titel leider nicht mehr berücksichtigt werden konnten.* Dass die Arbeit in dieser Form hat entstehen können, dafür gebührt zunächst der Deutschen Forschungsgemeinschaft mein aufrichtiger Dank, die mein seit 2009 in unterschiedlicher Intensität verfolgtes Forschungsprojekt zum Corpus der deutschen und lateinischen Schriften des Dominikaners Johannes Meyer in den Jahren 2014–2018 substanziell, im Modul ,Eigene Stelle‘, gefördert und am Ende auch die Drucklegung ermöglicht hat. Mein ganz besonderer Dank gilt Hans-Joachim Ziegeler und Monika Schausten für Inspiration, Ermutigung, Rat und Unterstützung nicht nur in fachlichen Zusammenhängen, sondern auch darüber hinaus. Ihnen wie auch Niklaus Largier und Sabine von Heusinger bin ich speziell für Kritik und Anregungen im Rahmen ihrer Habilitationsgutachten zu Dank verpflichtet. Für ihre Bereitschaft zur Diskussion und für wertvolle Hinweise in verschiedenen Stadien der Arbeit danke ich Susanne Bürkle, Udo Friedrich, Ursula Peters und Bruno Quast. Zu danken habe ich ferner all den Bibliotheken und Archiven, die mir entweder bei den Recherchen vor Ort behilflich waren oder Digitalisate von Handschriften aus ihren Beständen zukommen ließen: der Universitätsbibliothek Basel, der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, der Burgerbibliothek Bern, der Lilly Library der Indiana University zu Bloomington, der Universitätsbibliothek Breslau, den Archives Départementales du Haut-Rhin zu Colmar, dem Stadtarchiv Freiburg i.Br., der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, der Universitätsbibliothek Leipzig, dem Bayerischen Nationalmuseum und der Bayerischen Staatsbibliothek München, dem Germanischen Nationalmuseum und der Stadtbibliothek Nürnberg, der Stiftsbibliothek St. Gallen, der National- und Universitätsbibliothek Straßburg, der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, der Universitätsbibliothek Tübingen, der Leopold-Sophien-Bibliothek Überlingen und der Österreichischen Nationalbibliothek Wien. Für die Aufnahme der Monographie in die Reihe Literatur – Theorie – Geschichte danke ich schließlich sehr herzlich den Herausgebern Udo Friedrich, Bruno Quast

|| * Dies betrifft insbesondere die englische Übersetzung von Johannes Meyers Buch der Reformacio Predigerordens (1468), die Claire Taylor Jones jüngst auf der Grundlage des Textes der Straßburger Handschrift Ms. 2934 vorgelegt hat: Women’s History in the Age of Reformation: Johannes Meyer’s Chronicle of the Dominican Observance. Translated by Claire Taylor Jones. Toronto 2019 (Mediaeval Sources in Translation 58). https://doi.org/10.1515/9783110656695

VIII | Vorwort

und Monika Schausten, für ihre Hilfen bei der Drucklegung Anne Rudolph und Laura Burlon vom Verlag De Gruyter sowie für inspirierende Gespräche und Anregungen in vielerlei Hinsicht Christiane Krusenbaum-Verheugen, die mich einst auf Johannes Meyers Schriftenœuvre aufmerksam gemacht und damit gewissermaßen den Anstoß zu dieser Studie gegeben hat. Gewidmet sei sie auch dem Andenken an Peter Lenzen (1936–2008). Köln, im März 2020

C. S.

Inhalt 1

Einleitung | 1

2

Norm und Identität: Zur Komplementarität von Buch der Ämter und Buch der Ersetzung und ihrer Vermittlung monastischer Observanz | 12 Zum dominikanischen Normensystem | 12 Normative Schriften für dominikanische Offiziale: Das Buch der Ämter im Spiegel der Instructiones de officiis Humberts von Romans | 18 Institutionsgeschichtliche Konstellationen und normativer Diskurs | 18 Komposition und Programm | 25 Exemplarische Beobachtungen zu einzelnen Konventsämtern | 34 Priorin | 34 Novizenmeisterin | 37 Buchmeisterin | 42 Übersetzung und Autorschaft | 45 Kongruenz von Regel und Leben: Das Buch der Ersetzung und sein Konnex zum Buch der Ämter | 53 Thematische Diversität und offene Textstruktur | 53 Kohärenz- und Autorisierungseffekte | 57 Das rhetorische Modell der Predigt | 57 Profilierung der Autorrolle | 61 Norm und Identität: Inhaltliche und funktionale Komplemente zum Buch der Ämter | 65 ,Gute Gewohnheiten‘ und exemplarische Frömmigkeitspraktiken | 65 Historie und Exemplum: Die Herkunft des Ordens und das Leben der heiligen Altvorderen | 70 Die Observanz des Ordens und der Weg zum Heil: Aspekte ,normativer Zentrierung‘ | 76 Zu Überlieferung und Distribution von Ämterbuch und Buch der Ersetzung | 80

2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.3.1 2.2.3.2 2.2.3.3 2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.2.1 2.3.2.2 2.3.3 2.3.3.1 2.3.3.2 2.4 2.5

3 3.1 3.2 3.3

Historie und Mythos des zweiten Anfangs: Das Buch der Reformacio als Programmschrift der dominikanischen Observanzbewegung | 89 Vom Opus mixtum der Einzelnarrative zur integralen Geschichte der Reform | 89 Textzeugen und Überlieferungsverhältnisse | 93 Das Schema der Klostergründungsgeschichte und seine Adaptation im Zeichen der Ordens(reform)historie | 108

X | Inhalt

3.4 3.4.1 3.4.2 3.5 3.6 3.7 4 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.2 6.2.1 6.2.2

Biographie und Exemplum im Horizont observanter Heiligkeitskonzeptionen | 120 Das Schönensteinbacher Schwesternbuch | 120 Die Viten der Schönensteinbacher Väter und Brüder und die Anfänge der dominikanischen Ordensreform | 139 Progression und Prosperität der Reform jenseits der Antagonismen der Ereignisgeschichte | 153 Mythisierung von Geschichte und Perpetuierung der Reform | 169 Die ,Urfassung‘ von 1464 | 174 Ordenshistoriographie in universalgeschichtlichen Bezügen: Leben der Brüder, Papst- und Kaiserchronik | 184 Der Überlieferungsverbund als dominikanische Geschichtsenzyklopädie | 184 Reformhagiographie und monastische Tradition: Die Leben der Brüder zwischen Vitas fratrum und Vitas patrum | 188 Orden und ,Welt‘: Institutioneller Wandel im Horizont des Geschichtskompendiums | 201 Papstchronik Predigerordens | 202 Kaiserchronik Predigerordens | 218 Frauenmystische Texte im Zeitalter der Reform: Die Redaktionen dominikanischer Nonnenbücher des 14. Jahrhunderts | 228 Der Überlieferungsverbund des Handschriftenpaares Nürnberg/Breslau | 230 Bearbeitungstendenzen | 232 Töss | 232 St. Katharinental | 248 Ötenbach | 253 Chronik des Inselklosters St. Michael in Bern | 262 Die lateinischen Schriften: Beiträge zur offiziellen Literatur des Ersten Ordens | 271 Memorialbuch und literarisches Pantheon: Der Liber de illustribus viris O.P. | 271 Textschichten | 275 Ordens- und frömmigkeitsgeschichtliche Interessen des Gebweilerer Kreises | 281 Von der Sukzessionschronik zur Geschichte der Observanz: Die Chronica brevis O.P. | 292 Entstehung und Überlieferung | 292 Verfahren der Retextualisierung | 295

Inhalt | XI

7

Schlussüberlegungen: Autor und Œuvre | 306

Anhang | 315 A Katalog der Schriften Johannes Meyers. Überlieferung und Ausgaben | 315 I Deutsche Schriften und Textredaktionen | 315 II Lateinische Schriften | 320 III Collectanea | 321 IV Verschollene Schriften | 323 V Literatur | 324 B Lebensstationen Johannes Meyers und Chronologie der größeren Schriften | 326 Abbildungen | 331 Literaturverzeichnis | 345 Abkürzungen | 345 Handschriften | 346 Archivalien | 347 Texte und Editionen | 347 Forschungsliteratur| 350 Register | 369 Handschriften und Archivalien | 369 Texte | 370 Personen | 375

1 Einleitung ,Reform‘ ist im Verständnis ihrer Propagatoren aus dem Kreis der diversen religiösen Gruppen und Verbände im Europa des ausgehenden 14. und 15. Jahrhunderts nicht Revision bestehender Verhältnisse im Sinne eines emphatischen Fortschrittsgedankens, sondern „Rückwendung zu den ursprünglichen Idealen“.1 Den vielschichtigen, im Zeichen von Niedergang und Verfall gedeuteten Veränderungsprozessen in Kirche und Gesellschaft des Spätmittelalters stellten die Reformer der verschiedenen monastischen Kommunitäten südlich wie nördlich der Alpen die Besinnung auf die unverfälschten Anfänge ihrer Gemeinschaften entgegen. Das ihnen sich entziehende Heil suchten sie durch die Erneuerung der im Wandel der Zeiten verdrängten Kraft der Ursprünge wiederzuerlangen. Der Weg hin zu einer – je nach den unterschiedlichen spirituellen Prägungen und Leitvorstellungen der einzelnen Gruppen je anders akzentuierten – evangelischen Lebensform der Gemeinschaft in Gottesdienst, Armut und Distanz zur Welt setzt dabei Schriftlichkeit bzw. schriftliche Kommunikation voraus: für die Observanz der Regel, d.h. für die penible, hinsichtlich des Programms der Erneuerung als unverzichtbar erachtete Befolgung der spezifischen Gesetzestexte und verbindlichen normativen Vorgaben einer Kommunität, wie für die Orientierung an den exemplarischen Vorbildern ethischer Virtuosität, die die Eigengeschichte bereitstellte. „Verstärkte Schriftlichkeit“ ist vor allem aber auch Resultat der Reform: als „der lesbare Niederschlag klösterlicher Verbandsbildung, deren Ziel es war, mit Hilfe generalisierbarer Lebensgewohnheiten Reform zu einem dauerhaften Merkmal monastischer Lebensführung zu machen“.2 Johannes Meyer ist eine zentrale Figur der dominikanischen Observanzbewegung und Ordenshistoriographie des 15. Jahrhunderts. Geboren 1422 oder 1423 in Zürich, gehört er der dritten oder vierten Generation der Observanten seines Ordens an, die die trotz Rückschlägen fortschreitende Stabilisierung und Konsolidierung der im ausgehenden 14. Jahrhundert unter dem Generalat Raimunds von Capua begonnenen Reform insbesondere nach dem Ende des Abendländischen Schismas erfahren und aktiv mitgestalten konnten, zugleich aber mehr und mehr den Kontakt zu den Initien der Erneuerungsbewegung des

|| 1 Kaspar Elm: Reform- und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen. Ein Überblick. In: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen. Hrsg. von dems. Berlin 1989 (Berliner Historische Studien 14), S. 3–19, hier S. 16. Zum Reformbegriff vor allem auch Dieter Mertens: Klosterreform als Kommunikationsereignis. In: Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter. Hrsg. von Gerd Althoff. Stuttgart 2001 (Vorträge und Forschungen 51), S. 397– 420, hier S. 397–410. 2 Klaus Schreiner: Verschriftlichung als Faktor monastischer Reform. Funktionen von Schriftlichkeit im Ordenswesen des hohen und späten Mittelalters. In: Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen. Hrsg. von Hagen Keller, Klaus Grubmüller und Nikolaus Staubach. München 1992 (MMS 65), S. 37–75, hier S. 42. https://doi.org/10.1515/9783110656695-001

2 | Einleitung

Ordens und ihren Repräsentanten als einer „rezente[n] Vergangenheit“3 abreißen sahen. Beides, die Arbeit an der Institutionalisierung und Perpetuierung der Reform wie die Sorge um den Verlust von deren Ursprüngen, wird man im Falle Johannes Meyers als wesentliche Konstitutionsbedingungen eines literarischen Œuvres ansehen dürfen, das in Umfang und Vielfalt und vor allem hinsichtlich seiner überwiegenden Abfassung in der Volkssprache zum Zweck der Frauenseelsorge in der Ordensliteratur des 15. Jahrhunderts seinesgleichen nicht hat. Meyers Ordenslaufbahn begann 1432 mit dem Eintritt in das konventuale Predigerkloster seiner Heimatstadt Zürich. 1442 wechselte er in den Brüderkonvent von Basel, der 1429 im Vorfeld des Basler Konzils reformiert worden war und fortan eines der Zentren der Observanten in der deutschen Ordensprovinz bildete. Seinem Basler Nativkonvent, wo er offenbar auch das Amt des Prokurators innehatte,4 blieb Meyer bis zuletzt verbunden, wenngleich er 1465 für einige Jahre in den 1461 reformierten Dominikanerkonvent zu Gebweiler übersiedelte, dessen Mitglieder ein Gemeinschaftsleben in besonders strenger Auslegung der Regel und vollkommener Armut anstrebten. Offenbar ohne eine spezifisch theologisch-wissenschaftliche Ausbildung im Rahmen des Studium generale erhalten zu haben, wurde Meyer seit 1454 als Priester und Seelsorger in verschiedenen observanten Frauenklöstern des Ordens im deutschsprachigen Südwesten eingesetzt: zunächst im Kloster St. Michael in der Insel zu Bern, dann seit 10. Januar 1458 (und bis 1465) im Mutterkloster der reformierten Dominikanerinnen der Teutonia in Schönensteinbach, seit 1467 in Silo (Schlettstadt), 1473 zunächst 16 Wochen als Vertreter im Freiburger Kloster St. Maria Magdalena zu den Reuerinnen und seit 19. November als Stelleninhaber in Liebenau bei Worms (vielleicht bis 1481,5 wobei er 1475 temporär bei den Speyerer Dominikanerinnen zu St. Maria Magdalena überm Hasenpfuhl aushalf), dann 1478 noch kurzzeitig im zu reformierenden Kloster Gnadenzell (Offenhausen) und schließlich seit 15. Mai 1482 in Adelhausen bei Freiburg, wo er am 20. Juli 1485 verstarb. Ohne je ein höheres Leitungsamt innerhalb der Administration des Ordens bekleidet zu haben,6 war Meyer indes auch aktiv in die Reformvorgänge der deutschen Provinz eingebunden: So führte er selbst 1465 die drei Freiburger Schwesternklöster Adelhausen, St. Agnes und St. Maria Magdalena der Reform zu, während er 1474 an der Reformierung des Frankfurter Predigerklosters

|| 3 Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München 1992, S. 50. 4 Darauf deutet ein Besitzvermerk (von fremder Hand) im Codex B IX 28 der Universitätsbibliothek Basel hin, der wohl aus dem Basler Dominikanerkloster stammt: Iste libellus est johannis meyger quondam procuratoris nostri Detur sibi (fol. 172v; vgl. Gustav Meyer und Max Burckhardt: Die mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Basel. Abteilung B: Theologische Pergamenthandschriften. Bd. 2. Basel 1966, S. 377; Werner Fechter: Meyer, Johannes. In: 2VL 6 [1987], Sp. 474–489, hier Sp. 476). 5 Vgl. u. S. 295 mit Anm. 96. 6 Engere Kontakte zum Führungspersonal des Ordens, etwa zum langjährigen Provinzial der Teutonia Petrus Wellen, sind jedoch aus Meyers Berichten bzw. Selbstaussagen im Zusammenhang seiner Schriften bekannt.

Einleitung | 3

und 1478 an der Reform einer Reihe von Dominikanerinnenklöstern in der Grafschaft Württemberg persönlich beteiligt war.7 Meyers Wirken und Bedeutung für die dominikanische Reform in Deutschland sowie seine Rolle als Chronist und Gewährsmann der Vorgänge im Predigerorden bis in die 1480er Jahre und darüber hinaus der Reformaktivitäten in verschiedenen religiösen Gruppen und Formationen der abendländischen Kirche im Jahrhundert vor der Reformation waren für die geschichtswissenschaftliche und im engeren Sinne ordensgeschichtliche Forschung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts von herausragendem Interesse. Vor allem seine Hauptschrift, das Buch der Reformacio Predigerordens, hat von jeher als Quellenschrift der Reformereignisse Daten und Fakten bereitgestellt für Rekonstruktionen der historischen Prozesse und Aktionen des darin involvierten Personals. Und insofern bezieht sich auch die einschlägige moderne Ordensforschung, sei sie nun an übergreifenden Zusammenhängen8 oder aber an spezifischen lokalen Verhältnissen9 interessiert, mit Blick auf historische Realien und Grundlagen ihrer Darstellungen und Deutungen zu einem nicht geringen Teil auf die Schriften des Johannes Meyer. Als historische Quellen sind Meyers Schriften weiterhin für eine Reihe neuerer Studien – in je spezifischem Ausmaß – relevant, die jenseits einer engeren ordensreformgeschichtlichen Perspektive zu situieren

|| 7 Die biographischen Daten basieren auf den – die ältere Forschung revidierenden – Angaben bei Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 474–476. Ihnen liegen zu einem großen Teil Selbstaussagen Meyers im Kontext seines Schrifttums und speziell auch der Notatesammlung des Codex E III 13 der Universitätsbibliothek Basel (aus Meyers persönlichem Besitz) zugrunde, die ich im Anhang noch einmal tabellarisch zusammengestellt habe (Anhang B). Vgl. insbesondere auch die älteren Arbeiten von Peter Albert: Johannes Meyer, ein oberdeutscher Chronist des fünfzehnten Jahrhunderts. In: ZGO 52 (1898), S. 255–263; ders.: Zur Lebensgeschichte des Dominikanerchronisten Johannes Meyer. In: ZGO 60 (1906), S. 504–510. Zu Meyers Leben zuletzt noch einmal Sarah Glenn DeMaris in der Einleitung zu ihrer Ausgabe des Buchs der Ämter (MOPH 31, siehe u. Anm. 15), S. 1–11. 8 Annette Barthelmé: La réforme dominicaine au XVe siècle en Alsace et dans l’ensemble de la province de Teutonie. Strasbourg 1931 (Collection d’études sur l’histoire du droit et des institutions de l’Alsace 7); Eugen Hillenbrand: Die Observantenbewegung in der deutschen Ordensprovinz der Dominikaner. In: Elm (Hrsg.): Reformbemühungen, S. 219–271; Bernhard Neidiger: Der Armutsbegriff der Dominikanerobservanten. Zur Diskussion in den Konventen der Provinz Teutonia (1389–1513). In: ZGO 145 (1997), S. 117–158; ders.: Selbstverständnis und Erfolgschancen der Dominikanerobservanten. Beobachtungen zur Entwicklung in der Provinz Teutonia und im Basler Konvent (1388–1510). In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 17 (1998), S. 67–122; Sabine von Heusinger: Johannes Mulberg OP († 1414). Ein Leben im Spannungsfeld von Dominikanerobservanz und Beginenstreit. Berlin 2000 (QF N.F. 9). 9 Franz Egger: Beiträge zur Geschichte des Predigerordens. Die Reform des Basler Konvents 1429 und die Stellung des Ordens am Basler Konzil 1431–1448. Bern [usw.] 1991; weiterhin etwa Birgit Studt: Papst Martin V. (1417–1431) und die Kirchenreform in Deutschland. Köln [usw.] 2004 (Beihefte zu J.F. Böhmer, Regesta Imperii 23), S. 196–229; Joachim Kemper: Klosterreformen im Bistum Worms im späten Mittelalter. Mainz 2006.

4 | Einleitung

sind und deren Fokus sowohl bildungs- bzw. literar- als auch gender-, spiritualitäts- und institutionshistorische Fragestellungen bilden.10 Aus genuin literaturwissenschaftlicher Sicht allerdings besteht eine prekäre Forschungslücke. Zwar hat die ältere Forschung und haben hier vorweg die Herausgeber der vier zu Beginn des 20. Jahrhunderts und in den 1930er Jahren vorgelegten Editionen der größeren Schriften Meyers (seine Redaktionen von Schwesternbüchern ausgenommen), d.h. des Buchs der Reformacio Predigerordens (Benedictus Maria Reichert), des Liber de illustribus viris O.P. (Paulus von Loë), der Chronica brevis O.P. (Heribert Christian Scheeben) und der Leben der Brüder Predigerordens (Placidus Wehbrink, nur Teiledition), für diese Texte detaillierte stoff- bzw. quellengeschichtliche Untersuchungen beigesteuert, die wichtige Traditionslinien und Rezeptionsstränge vor allem hinsichtlich des dominikanischen Ordensschrifttums offenlegen; doch blieben außerhalb dieses Bereiches liegende Fragen und Problemkonstellationen nahezu gänzlich unberücksichtigt. Eine Monographie zu Meyers Schrifttum, die Jakob Gabler, ein Schüler Paul Lehmanns, vorbereitete, kam

|| 10 Zu nennen sind hier etwa Burkhard Hasebrink: Tischlesung und Bildungskultur im Nürnberger Katharinenkloster. Ein Beitrag zu ihrer Rekonstruktion. In: Schule und Schüler im Mittelalter. Beiträge zur europäischen Bildungsgeschichte des 9. bis 15. Jahrhunderts. Hrsg. von Martin Kintzinger, Sönke Lorenz und Michael Walter. Köln [usw.] 1996 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 42), S. 187–216; Marie-Luise Ehrenschwendtner: Die Bildung der Dominikanerinnen in Süddeutschland vom 13. bis 15. Jahrhundert. Stuttgart 2004 (Contubernium 60); Anne Winston-Allen: Rewriting Women’s History. Medieval Nuns’ Vitae by Johannes Meyer. In: Medieval German Voices in the 21st Century. The Paradigmatic Function of Medieval German Studies for German Studies. A Collection of Essays. Hrsg. von Albrecht Classen. Amsterdam/Atlanta 2000, S. 145–154; dies.: Convent Chronicles. Women Writing About Women and Reform in the Late Middle Ages. University Park 2004; Claudia Heimann: Beobachtungen zur Arbeitsweise von Johannes Meyer OP anhand seiner Aussagen über die Reform der Dominikanerkonvente der Teutonia, besonders der Natio Austriae. In: AFP 72 (2002), S. 187–220; Heike Uffmann: Wie in einem Rosengarten. Monastische Reformen des späten Mittelalters in den Vorstellungen von Klosterfrauen. Bielefeld 2008 (Religion in der Geschichte 14); Meri Heinonen: Between Friars and Nuns: The Relationships of Religious Men and Women in Johannes Meyer’s Buch der Reformacio Predigerordens. In: Oxford German Studies 42 (2013), S. 237–258; Gerd Jäkel: …usque in praesentem diem. Kontinuitätskonstruktionen in der Eigengeschichtsschreibung religiöser Orden des Hoch- und Spätmittelalters. Berlin 2013 (Vita regularis. Abhandlungen 52); Stefanie Monika Neidhardt: Autonomie im Gehorsam. Die dominikanische Observanz in Selbstzeugnissen geistlicher Frauen des Spätmittelalters. Berlin 2017 (Vita regularis. Abhandlungen 70); Claire Taylor Jones: Writing History to Make History: Johannes Meyer’s Chronicles of Reform. In: Medieval Cantors and their Craft: Music, Liturgy and the Shaping of History, 800–1500. Hrsg. von Katie Ann-Marie Bugyis, A.B. Kraebel und Margot E. Fassler. York 2017, S. 340–356; zuletzt in spiritualitätshistorischer Perspektive und besonders mit Blick auf die liturgische Praxis des weiblichen Ordenszweiges Claire Taylor Jones: Ruling the Spirit. Women, Liturgy, and Dominican Reform in Late Medieval Germany. Philadelphia 2018; unter institutionsgeschichtlichem Aspekt und im größeren Zusammenhang der observanten dominikanischen Ordenshistoriographie des ausgehenden 14. und 15. Jahrhunderts Anne Huijbers: Zealots for Souls. Dominican Narratives of Self-Understanding during Observant Reforms, c. 1388–1517. Berlin/Boston 2018 (QF N.F. 22).

Einleitung | 5

offenbar nie zum Abschluss.11 Speziell aus überlieferungsgeschichtlicher Perspektive haben erst Werner Fechters Studie zur Nürnberger Handschrift des Buchs der Reformacio und vornehmlich sein Verfasserlexikonartikel von 1987 Entscheidendes nachgeholt12 und mithin den Boden für weitere Erschließungsarbeiten bereitet.13 Größere Aufmerksamkeit hat sodann neben Johannes Meyers normativem Schrifttum,14 dessen editorische Aufbereitung nun mit Sarah Glenn DeMaris’ kritischer Ausgabe und kommentierter englischer Übersetzung des von jeher für bildungsgeschichtliche Fragestellungen herangezogenen Ämterbuchs ein gutes Stück weit vorangekommen ist,15 vor allem auch seine Rolle im Umkreis der spätmittelalterlichen deutschen Mystik erfahren. Meyers Beitrag für die Rezeption und Vermittlung frauenmystischer Texte, insbesondere der dominikanischen Schwesternbücher und Nonnenviten des 14. Jahrhunderts im 15. Jahrhundert, über das ausgebaute Netzwerk der observanten Literaturdistribution, ist zunehmend herausgestellt worden. So haben verschiedene Arbeiten im Anschluss an Joseph Königs und Ferdinand Vetters ältere Editionen (Adelhausen, Töss),16 vornehmlich

|| 11 Hinweise auf Gablers Arbeiten schon bei Gabriel M. Löhr: Die Teutonia im 15. Jahrhundert. Studien und Texte vornehmlich zur Geschichte ihrer Reform. Leipzig 1924 (QF 19), S. V (Vorwort) und dann insbesondere bei Albert Auer: Ein neuaufgefundener Katalog der Dominikaner-Schriftsteller. Paris 1933 (Institutum Historicum Fratrum Praedicatorum. Dissertationes Historicae 2), S. 5f. et passim. Vgl. Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 487. 12 Werner Fechter: Die Nürnberger Handschrift von Johannes Meyers Buch der Reformacio Predigerordens. In: ZfdA 110 (1981), S. 57–69; ders.: Meyer, Johannes. 13 Christian Seebald: Ein Basler Codex mit Schriften des Johannes Meyer. Zugleich ein Beitrag zur Überlieferungs- und Textgeschichte der Vitas fratrum, der Papst- und der Kaiserchronik. In: ZfdA 143 (2014), S. 202–219; ders.: Zu den Handschriftenverhältnissen von Johannes Meyers Buch der Ämter und Buch der Ersetzung. In: ZfdPh 134 (2015), S. 394–430. 14 Darunter etwa die Zusammenstellung der Gesetzestexte und weiterer Bereiche des ius particulare des (reformierten) Zweiten Ordens im Berner Codex A 53, die Claudia Engler Johannes Meyer zugewiesen hat: Regelbuch und Observanz. Der Codex A 53 der Burgerbibliothek Bern als Reformprogramm des Johannes Meyer für die Berner Dominikanerinnen. Diss. masch. Bern 1998; jetzt leicht überarbeitet, aber im Titel unverändert im Druck erschienen: Berlin/Boston 2017 (Kulturtopographie des alemannischen Raums 8) [Zitate und Verweise im Folgenden nach der Druckausgabe]. 15 Johannes Meyer: Das Amptbuch. Hrsg. von Sarah Glenn DeMaris. Rom 2015 (MOPH 31). – Insgesamt aber weist die editorische Erschließung von Meyers Schriften noch immer gravierende Leerstellen auf, denn für das Gros der deutschen Texte fehlen weiter verlässliche Editionen. Reichert hat zwar 1908/09 eine vollständige Ausgabe des Buchs der Reformacio Predigerordens von 1468 besorgt, doch ist diese Ausgabe textkritisch inzwischen obsolet, da sie allein auf der St. Galler Handschrift basiert und damit einen textgeschichtlich späten und zudem fehlerhaften Text präsentiert. Unvollständig ist dagegen Wehbrinks Edition der Vitas fratrum von 1939, deren Text zugleich nur die älteste Berliner Handschrift zugrunde liegt. Von den übrigen größeren Schriften sind bislang, wenn überhaupt, nur kürzere Exzerpte im Druck publiziert (siehe die Nachweise bei Fechter: Meyer, Johannes, sowie im Katalog der Schriften Johannes Meyers in Anhang A). Ich plane eine Ausgabe der Papst- und der Kaiserchronik wie auch eine Neuausgabe des Buchs der Reformacio Predigerordens im Anschluss an die vorliegende Monographie. 16 Besonders etwa Georg Kunze: Studien zu den Nonnenviten des deutschen Mittelalters. Ein Beitrag zur religiösen Literatur im Mittelalter. Diss. masch. Hamburg 1953, S. 142–156.

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aber im Anschluss an Klaus Grubmüllers jüngere Initialstudie17 Meyers Bearbeitungstendenzen anhand einzelner Nonnenvitensammlungen im Detail dokumentieren können. Paradigmatisch ist der Fall des Tösser Schwesternbuchs und des damit eng verwobenen Elsbeth-Stagel-Komplexes der Vita Seuses,18 signifikant das Beispiel des St. Katharinentaler Schwesternbuchs.19 Für die Texte der neuerdings als Fortsetzungsband des Nürnberger Codex Cent. V, 10a identifizierten Breslauer Handschrift IV F 194a20 stehen hingegen umfassendere Detailuntersuchungen noch aus, es fehlt überdies eine Synthese, die die Beobachtungen an den einzelnen Texten zu einem mehr oder minder kohärenten Profil des Redaktors Johannes Meyer vor dem Hintergrund von Ordensreform und MystikRezeption des 15. Jahrhunderts – über vorliegende Ansätze hinaus21 – verdichtete. Doch vor allem für die originär von Meyer verfassten Schriften, zumal für das Buch der Reformacio Predigerordens, ist die literaturwissenschaftliche Forschungslage nach wie vor unbefriedigend, gilt es, die konstatierte Lücke zu schließen.22 Die Richtung, die dabei einzuschlagen ist, haben Thomas Lentes und mehr noch Jeffrey Hamburger in ihren pointierten, auf das Verhältnis von Reform- und Bilddiskurs zielenden Studien zum Buch der Reformacio Predigerordens angedeutet.23 Hamburger hat darauf hingewiesen, dass „Johannes Meyer is usually written off as no more than a compiler. As a result, his writings have received virtually no critical attention. […] Instead of an assemblage of stories interesting

|| 17 Klaus Grubmüller: Die Viten der Schwestern von Töß und Elsbeth Stagel (Überlieferung und literarische Einheit). In: ZfdA 98 (1969), S. 171–204. 18 Grubmüller: Viten der Schwestern von Töß; Ursula Peters: Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum. Zur Vorgeschichte und Genese frauenmystischer Texte des 13. und 14. Jahrhunderts. Tübingen 1988 (Hermaea N.F. 56), S. 133–142, 194; Susanne Bürkle: Literatur im Kloster. Historische Funktion und rhetorische Legitimation frauenmystischer Texte des 14. Jahrhunderts. Tübingen/Basel 1999 (Bibliotheca Germanica 38), S. 237–246. 19 Ruth Meyer: Das St. Katharinentaler Schwesternbuch. Untersuchung, Edition, Kommentar. Tübingen 1995 (MTU 104). 20 Wolfram Schneider-Lastin: Die Fortsetzung des Ötenbacher Schwesternbuchs und andere vermißte Texte in Breslau. In: ZfdA 124 (1995), S. 201–210; ders.: Meyer, Johannes [Nachtr.]. In: 2VL 11 (2004), Sp. 1003f.; ders.: Ötenbacher Schwesternbuch, Fortsetzung. In: 2VL 11 (2004), Sp. 1113–1115. 21 Werner Williams-Krapp: Frauenmystik und Ordensreform im 15. Jahrhundert. In: Literarische Interessenbildung im Mittelalter. DFG-Symposion 1991. Hrsg. von Joachim Heinzle. Stuttgart/Weimar 1993 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 14), S. 301–313; ders.: Observanzbewegungen, monastische Spiritualität und geistliche Literatur im 15. Jahrhundert. In: IASL 20 (1995), S. 1–15. 22 Den Stand der Forschung hat DeMaris jüngst in der Einleitung zu ihrer Ausgabe des Buchs der Ämter noch einmal dokumentiert: Introduction. In: Johannes Meyer: Das Amptbuch (MOPH 31), S. 1–145, hier S. 1–33. 23 Thomas Lentes: Bild, Reform und Cura monialium. Bildverständnis und Bildgebrauch im Buch der Reformacio Predigerordens des Johannes Meyer († 1485). In: Dominicains et dominicaines en Alsace, XIIIe– XXe S. Actes du colloque de Guebwiller 8–9 avril 1994. Hrsg. von Jean-Luc Eichenlaub. Colmar 1996, S. 177– 195; Jeffrey F. Hamburger: The Reformation of Vision. Art and the Dominican Observance in Late Medieval Germany. In: ders.: The Visual and the Visionary. Art and Female Spirituality in Late Medieval Germany. New York 1998, S. 427–467, 578–588.

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only those credulous enough to give them serious consideration, the chronicle [d.h. das Buch der Reformacio Predigerordens] emerges as a work of methodical, if not high, literary art, one that in the context of the Observant’s program of reform offers a cogent and carefully crafted argument. Far from an objective account of events, or even a partisan championing of the Dominican cause, Meyer attempts an ambitious rewriting of one of the most widely read genres of Dominican literature“.24 Die vorliegende Studie wird also die verschiedenen Texte aus Meyers umfangreichem historiographischen und hagiographischen, formativen wie normativen Œuvre jenseits einer rein faktenorientierten Lektüre auf ihre jeweiligen genuinen literarischen Fakturen und Muster und spezifischen Textstrategien hin befragen und ihre Funktionen im Kontext des übergeordneten Ordens- und Reformdiskurses diskutieren müssen. Ihre Ausführungen zielen auf eine umfassende literaturwissenschaftliche Erschließung der deutschen und lateinischen Schriften unter texttypologisch-funktionsgeschichtlichem sowie diskursanalytischem Aspekt. Sie konzentrieren sich dabei auf fünf überlieferungsgeschichtlich fundierte Textbereiche, mit denen das monastische Schrifttum Johannes Meyers repräsentativ und annähernd vollständig erfasst ist:25 1. den Überlieferungsverbund normativer Schriften: das Buch der Ämter und das Buch der Ersetzung; 2. die historiographisch-hagiographische Programmschrift zur Ordensreform: das Buch der Reformacio Predigerordens; 3. den institutionsgeschichtlich perspektivierten Überlieferungsverbund von Leben der Brüder Predigerordens (Vitas fratrum), Papst- und Kaiserchronik; 4. die Redaktionen verschiedener Schwesternbücher des 14. Jahrhunderts (wie sie die Nürnberger und Breslauer Zwillingshandschriften überliefern); 5. die lateinischen Schriften: den Liber de illustribus viris O.P. und die Chronica brevis O.P. Anzustreben ist eine Einordnung des gewichtigen Œuvres nicht allein unter ordens- und kulturgeschichtlicher Perspektive, sondern vor allem mit Blick auf seine Positionierung im Kontext der spätmittelalterlichen ,Frömmigkeitstheologie‘ (Berndt Hamm) im Zeitalter vor der Reformation sowie hinsichtlich seines originären Beitrags für die deutsche Literatur des 15. Jahrhunderts vor dem Horizont „einer volkssprachlichen Popularisierung der lateinischen Schrift-Tradition“.26 Damit wird ein weithin vernachlässigtes Textcorpus in die Mitte und in die ihm zustehende Aufmerksamkeit einer wissenschaftlichen Diskussion zur geistlichen Literatur des 15. Jahrhunderts gerückt, das nicht zuletzt für das Verständnis

|| 24 Hamburger: The Visual and the Visionary, S. 448. 25 Meyers Gesamtœuvre und dessen Überlieferung dokumentiert der Schriftenkatalog in Anhang A. 26 Hugo Kuhn: Versuch über das 15. Jahrhundert in der deutschen Literatur. In: ders.: Liebe und Gesellschaft. Hrsg. von Wolfgang Walliczek. Stuttgart 1980 (Hugo Kuhn: Kleine Schriften 3), S. 135–155, hier S. 136.

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des Verhältnisses von ,Reform‘ und ,Reformation‘ weiterführende Impulse und Akzente zu setzen verspricht. Als Autorœuvre betrachtet, das im Kreuzungspunkt zentraler, insbesondere auch literarischer Diskurse seiner Zeit steht (Ordens-/Reformdiskurs, Frömmigkeitstheologie, Historiographie, Hagiographie/Vitenliteratur, Mystik-Rezeption, Autorschaft/Redaktorschaft, Übersetzungsliteratur, enzyklopädische Literatur), eröffnen die Schriften des Johannes Meyer überdies die Möglichkeit, diese verschiedenen, mitunter ineinandergreifenden diskursiven Felder und Praktiken exemplarisch zu erörtern und darzustellen. Für alle fünf skizzierten Bereiche wird die Analyse der Überlieferungs- und Textgeschichte und somit die Ermittlung des Gebrauchszusammenhanges und Resonanzradius der jeweils betrachteten Schriften die Grundlage bilden, auf der die weiteren Beobachtungen ansetzen. Hier zeichnen sich dann für die einzelnen Schriftenkomplexe je nach Texttypus und -komposition unterschiedliche Fragestellungen, Perspektivierungen und Herangehensweisen ab. Die Studie orientiert sich dabei in ihrer Anlage insgesamt mehr oder minder an der Entstehungschronologie von Meyers Œuvre bzw. seiner diversen Textbereiche und schreitet von den frühesten zu den späteren Schriften voran. Allein die Schwesternbuch-Redaktionen stehen außerhalb dieser chronologischen Ordnung, insofern sie im Anschluss an die Johannes Meyer als Autor zuzuweisenden deutschen Schriften behandelt werden (Kap. 5). Der zeitliche Rahmen erstreckt sich mithin von der Mitte der 1450er Jahre bis zum Anfang der 1470er Jahre und deckt die zentralen Phasen von Meyers literarischer Aktivität ab. Lediglich eine letzte, weniger intensive Schaffensperiode während Meyers Amtszeit als Klosterseelsorger in Adelhausen, die das Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch (1482) und die beiden kürzeren deutschen Ordenschroniken von 1481 und 1484 hervorbrachte, wird im Horizont dieser Untersuchung nicht mehr eigens berücksichtigt. So widmet sich Kap. 2 zunächst den 1454 und 1455 in Bern abgeschlossenen und immer gemeinsam (allerdings in zwei verschiedenen, auf den Autor selbst zurückgehenden Konstellationen) tradierten normativen Schriften für die reformierten Dominikanerinnen, dem Buch der Ämter und dem Buch der Ersetzung. Eine Skizze zum dominikanischen Normensystem sucht das diskurshistorische Feld zu sondieren, dem sich beide Texte einordnen, um ihren je spezifischen Geltungsanspruch bestimmen zu können. Für das Ämterbuch ist sodann das Verhältnis zum lateinischen Prätext, den Instructiones de officiis Humberts von Romans für die Predigerbrüder, und die genuine Übersetzungs- bzw. Adaptationsleistung des deutschen Textes vor dem Hintergrund des neuen Rezeptionsraums und der Mitte des 15. Jahrhunderts virulenten Normendiskussion zu eruieren. Zusammen mit dem Verfahren der Übersetzung rückt die Profilierung der Rolle des Verfassers des deutschen Textes in den Fokus, die gerade auch in ihrer Relation zum Autor des lateinischen Prätexts entworfen wird und die Legitimität des volkssprachigen Textes absichert. Das Buch der Ersetzung ist demgegenüber vor allem als ,Mischtyp‘ zu charakterisieren, insofern es die Darstellung von eingeführten observanten monastischen Gewohnheiten und Lebenspraktiken in Ergänzung der Anleitungen des Ämterbuchs einerseits durchsetzt mit allegorischen Formen unterschiedlicher Provenienz, andererseits kontextualisiert

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durch ordenshistoriographische und hagiographische Formen, die als formative Texte auf die Herkunft, die Identität und das Selbstverständnis des Ordens und speziell seiner weiblichen Religiosen zielen. Der Blick richtet sich hier besonders auf Kohärenz- und Autorisierungseffekte wie das rhetorische Modell der Predigt und die Konturierung der Autorrolle, die die Integration der diversen Texttypen und ihre Funktionalisierung im Zeichen des Reformdiskurses gewährleisten. Sowohl für das Buch der Ämter wie für das Buch der Ersetzung sind Zusammenhänge zum frömmigkeitstheologischen Schrifttum der Zeit zu diskutieren. Kap. 3 stellt Meyers literarisch ambitionierte Haupt- und Programmschrift zur dominikanischen Ordensreform, das Buch der Reformacio Predigerordens, vor. Es liegt, anders als bislang bekannt, in zwei Fassungen vor. Eine erste Version hat Meyer 1464 in und für Schönensteinbach fertiggestellt, eine zweite 1468 vom Straßburger Nikolauskloster aus für die breitere Rezeptionsgemeinschaft der reformierten Dominikanerinnen der deutschen Ordensprovinz in Umlauf gebracht. Ihren Ausgangspunkt nimmt die Diskussion dabei zunächst von der späteren Straßburger Fassung, auf die sich die Forschung bisher ausschließlich hat beziehen können, um die Agglutination des Textes aus verschiedenen historiographischen und biographisch-hagiographischen Narrativen je eigener Tradition in den Blick zu nehmen. Diese spezifische Konzeption des Buchs der Reformacio als eines literarischen Artefaktes mit sehr genau kalkulierten Strategien und Wirkungsintentionen zugunsten des monastischen Reform- und Frömmigkeitsdiskurses bildet das Zentrum der Untersuchungen. Sie sind jeweils für die einzelnen Kombinationselemente oder Werkteile weiter zu präzisieren – etwa hinsichtlich der Spielräume des Erzählens in den rahmenden ereignisgeschichtlichen Teilen von Klostergründungs- und Reformhistorie oder hinsichtlich der Komposition der Biographien-Serien und Viteninserate in den Binnenteilen und der ihnen jeweils inhärenten Heiligkeitskonzepte und Exemplum-Funktionen –, vor allem aber auch mit Blick auf übergeordnete Kohärenzphänomene, die die beiden fundamentalen Bereiche von personen- und institutionsgeschichtlicher Darstellung im Sinne einer integralen Geschichte der Reform korrelieren. Schließlich ist nach den Abweichungen und Eigentümlichkeiten der nur in einer späten Abschrift von 1670 erhaltenen Schönensteinbacher ,Urfassung‘ von 1464 gegenüber der weiter verbreiteten Straßburger Fassung von 1468 zu fragen. Kap. 4 konzentriert sich auf die Textgruppe von Leben der Brüder und Papst-/ Kaiserchronik Predigerordens, die die Eigengeschichte des Dominikanerordens einerseits hinsichtlich seiner heiligen Ursprünge, andererseits hinsichtlich seiner Progression und Veränderung im Spiegel der Herrschaftsentscheidungen der höchsten geistlichen und weltlichen Instanzen profiliert. Für die 1469 abgeschlossenen Leben der Brüder Predigerordens, eine Adaptation der lateinischen Vitas fratrum Gerhards von Frachet, stellt sich die Frage nach dem eigenen Gestaltungspotential und der spezifischen Programmatik, die Meyers deutschsprachiges hagiographisches Sammelwerk auf der Grundlage und in der Neuorganisation der rezipierten Prätexte dominikanischer Provenienz gewinnt. Zu eruieren sind die Akzentuierungen, die sich durch die Verschiebungen für die Wirkungsintention der deutschen Vitenkollektion angesichts von deren Resonanzradius und historischer

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Situierung im Kontext der dominikanischen Ordensreform und der Frömmigkeitstheologie des 15. Jahrhunderts ergeben. Für die 1470 bzw. 1471 vollendete Papst-/Kaiserchronik sind hingegen neben den Bezügen zum traditionellen Geschichtskompendium in der Gestalt der Chronistik Martins von Troppau und seiner Fortsetzer vor allem auch inhaltliche, strukturelle und funktionale Eigenständigkeiten sowie die spezifischen Korrelationen zu erörtern, die zwischen der im Horizont der Papst-Kaiser-Reihe entwickelten Institutionsgeschichte und der Darstellung der heiligmäßigen Anfänge bestehen, wie sie die stets mitüberlieferten Leben der Brüder im Format der Biographienkollektion präsentieren. Kap. 5 diskutiert Meyers Redaktionen älterer Nonnenbücher des 14. Jahrhunderts, wie sie die offenbar noch während Meyers Berner Zeit entstandene umfangreiche Kollektion des um 1460 niedergeschriebenen Nürnberg-Breslauer Handschriftenpaars überliefert. Die von Meyer veranlasste Distribution der älteren Texte unterstreicht die Virulenz, die die Reformer ihnen für das institutionelle Gedächtnis, Selbstverständnis und Frömmigkeitsprofil des Frauenordens zuschrieben. Zugleich sind die Modifikationen und speziell Ergänzungen, die die redaktionellen Eingriffe mit Blick auf Textgestalt und Inhalte der Nonnenviten-Sammlungen zeigen, bedeutsam für das distinkte Verständnis und die Bewertung mystischer Spiritualität von Seiten der Reformer des 15. Jahrhunderts, indizieren sie doch den Stellenwert mystisch-asketischer Erfahrungen im Kontext observanter Modelle weiblicher Frömmigkeit. Und so sind Meyers Umarbeitungen, deren Tendenzen in der Analyse und vor allem auch Synopse der einzelnen Texte herauszupräparieren sind, mit den erkennbaren Verschiebungen insgesamt aufschlussreich für die von den Promulgatoren der Ordensreform propagierten rezenten Formen laikaler Frömmigkeit. Kap. 6 präsentiert die beiden – je nur noch unikal bezeugten – umfangreichen lateinischen Schriften, die sich nicht nur in den Kontext der offiziellen Ordensliteratur, sondern in die großen Traditionslinien des übergreifenden monastischen Schrifttums einordnen. Während für den Liber de illustribus viris O.P. von 1466 einerseits die Verbindungen zur dominikanischen biographischen Katalogliteratur und Biobibliographie im Anschluss an Hieronymus, andererseits aber gerade auch die Innovationen von Meyers Komposition vor dem Hintergrund ihres spezifischen Publikumsbezugs zu konturieren sind, gilt es mit Blick auf die Chronica brevis O.P. von 1470, die Transformationen der konventionellen Sukzessionschronik hin zu einer dichten Beschreibung der Ursprünge und Entwicklungen der dominikanischen Observanzbewegung im Sinne einer für den Kommunikationsraum des Männerordens bestimmten Programmschrift der Ordensreform zu beleuchten. Dabei sind insbesondere auch die intertextuellen Relationen zu den deutschen Schriften Johannes Meyers zu eruieren, die dieser in seinem Epistel brief zG den swesteren prediger ordens selbst angedeutet hat. Kap. 7 schließlich unternimmt auf der Grundlage und in der Synthese der vorausgegangenen Untersuchungen den Versuch einer Gesamtcharakteristik von Johannes Meyers literarischem Œuvre und Autorprofil. In den Blick rücken hier noch einmal die Signifikanz von einschlägigen literarischen Verfahren, von „Retextualisierung“ und „Wieder-

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erzählen“,27 wie auch, unter der Perspektive der systematischen Akkumulation und Vermittlung überkommener materiae und Wissensbestände zum Zweck der seelsorgerlichen Unterweisung und Konsolidierung der Reform, Überschneidungen und Zusammenhänge mit der Tradition der mittelalterlichen enzyklopädischen Literatur.

|| 27 Joachim Bumke und Ursula Peters (Hrsg.): Retextualisierung in der mittelalterlichen Literatur. Berlin 2005 (Sonderheft zur ZfdPh 124); Franz Josef Worstbrock: Wiedererzählen und Übersetzen. In: Mittelalter und frühe Neuzeit. Übergänge, Umbrüche und Neuansätze. Hrsg. von Walter Haug. Tübingen 1999 (Fortuna vitrea 16), S. 128–142.

2 Norm und Identität: Zur Komplementarität von Buch der Ämter und Buch der Ersetzung und ihrer Vermittlung monastischer Observanz 2.1 Zum dominikanischen Normensystem Jan Assmann hat mit Blick auf das „identitätssichernde Wissen“ einer Gemeinschaft oder soziokulturellen Formation grundsätzlich zwischen „Weisheit“ und „Mythos“, zwischen dem Begriff des „Normativen“ und dem des „Formativen“ unterschieden. Das „Normative“ umfasse etwa „die Einübung von Solidarität“, „die Gelingensregeln des alltäglichen Zusammenlebens“ und „die Axiomatik des kommunikativen Handelns“; „normative Texte“ geben demnach Antworten „auf die Frage: ,Was sollen wir tun?‘“, „vermitteln Orientierungswissen“ und „weisen den Weg zum rechten Handeln“. „Formative Texte“ hingegen reagieren „auf die Frage: ,Wer sind wir?‘“. Sie „dienen der Selbstdefinition und Identitätsvergewisserung“, „vermitteln identitätssicherndes Wissen und motivieren gemeinschaftliches Handeln durch Erzählen gemeinsam bewohnter Geschichten“.1 Assmanns kategoriale Unterscheidung bezieht sich zwar im Kontext seiner Studie zum kulturellen Gedächtnis zunächst auf eine konkrete, mehr oder minder fest umgrenzte historisch-kulturelle Konstellation – die der „Alten Welt“ und der „frühen Hochkulturen“ des Mittelmeerraums;2 doch lässt sie sich zumindest in heuristischer Perspektive und unter den Vorzeichen einer allgemeinen Kulturtheorie auch auf andere (vormoderne) Gesellschaftsformen oder soziale Systeme und Institutionen und deren Textproduktion übertragen. Für den Bereich der mittelalterlichen religiösen Orden und Verbände und den hier speziell interessierenden Dominikanerorden wird man die basale Differenzierung von „normativen“ und „formativen“ Wissensbeständen im Sinne einer heuristischen Typologie jedenfalls grundsätzlich übernehmen können. Um das diskurshistorische Feld um Johannes Meyers Ämterbuch und Buch der Ersetzung, die beiden frühen großen Texte aus der Berner Zeit des Autors, abzustecken, will ich denn auch zunächst mit einem Blick auf das spezifische normative Schrifttum des Predigerordens ansetzen. Das Fundament oder den Kern dieses dominikanischen normativen Diskurses bilden die sog. Verfassungstexte,3 d.h. jene vom ius commune der römisch|| 1 Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 141f. 2 Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 18f. 3 Zur Rechtsordnung und zu den Verfassungstexten des Dominikanerordens vgl. besonders die neueren Arbeiten von Florent Cygler: Zur Funktionalität der dominikanischen Verfassung im Mittelalter. In: Die Bettelorden im Aufbau. Beiträge zu Institutionalisierungsprozessen im mittelalterlichen Religiosentum. Hrsg. von Gert Melville und Jörg Oberste. Münster 1999 (Vita regularis. Abhandlungen 11), S. 385–428; Gert Melville: Die Rechtsordnung der Dominikaner in der Spanne von constituciones und admoniciones. Ein Beitrag zum Vergleich mittelalterlicher Ordensverfassungen. In: Grundlagen des Rechts. FS Peter Landau. Hrsg. von Richard H. Helmholz [u.a.]. Paderborn 2000, S. 579–604; Florent Cygler und Gert Melville: https://doi.org/10.1515/9783110656695-002

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katholischen Kirche zu scheidenden und – zusammen mit den verbrieften Privilegien des Ordens – als ius particulare4 bezeichneten Rechtstexte, die das gemeinsame Leben der einzelnen Ordensmitglieder konstitutiv begründen und verbindlich organisieren. Dazu zählt an erster Stelle die Augustinusregel, die der Ordensgründer Dominikus 1216 seiner jungen Predigergemeinschaft in der Gestalt des praeceptum5 zugrunde gelegt hatte.6 Mit der Verpflichtung der Gemeinschaft auf die Mönchsregel des Augustinus erfüllten Dominikus und seine Predigerbrüder eine gerade in Kraft gesetzte kirchenrechtliche Vorgabe des Vierten Laterankonzils, die die Bestätigung einer neuen Ordensgemeinschaft von deren Akzeptanz eines bereits approbierten Regeltextes abhängig machte.7 Dass die Wahl der Ordensväter auf die Augustinusregel fiel, hat sowohl mit deren expliziter Referenz auf das religiös-soziale Vorbild und Gemeinschaftsideal des neutestamentlichen Apostolats und der Jerusalemer Urgemeinde8 wie auch mit den genuinen Ordenszielen der cura animarum und des dafür zentralen Predigtauftrags zu tun, denen die Augustinusregel aufgrund ihrer inhaltlichen und strukturellen Ausrichtung – die angesichts ihrer sehr allgemeinen Bestimmungen genug Raum ließ für die spezifischen programmatischen Konkretisierungen der neuen Predigergemeinschaft – offenbar am ehesten entsprach.9 Jordan von Sachsen, der Nachfolger des Dominikus im Amt des Ordensmeisters, hat denn auch im Rahmen seiner Darstellung der Zusammenhänge im Libellus de principiis ordinis Praedicatorum – „der wichtigsten historiographischen Quelle zur dominikanischen Frühgeschichte“10 – eigens auf das exzeptionelle Wirken des hl. Augustinus als Prediger und

|| Augustinusregel und dominikanische Konstitutionen aus der Sicht Humberts de Romanis. In: Regula Sancti Augustini. Normative Grundlage differenter Verbände im Mittelalter. Hrsg. von Gert Melville und Anne Müller. Paring 2002 (Publikationen der Akademie der Augustiner-Chorherren von Windesheim 3), S. 419– 454; Gert Melville: Die Welt der mittelalterlichen Klöster. Geschichte und Lebensformen. München 2012, S. 206–214, 349–351. 4 Florent Cygler: Ius particulare und Innovation. Eine Skizze. In: Innovation in Klöstern und Orden des Hohen Mittelalters. Aspekte und Pragmatik eines Begriffs. Hrsg. von Mirko Breitenstein, Stefan Burkhardt und Julia Dücker. Berlin 2012 (Vita regularis. Abhandlungen 48), S. 91–104. 5 Ediert bei Luc Verheijen: La règle de Saint Augustin. 2 Bde. Paris 1967, Bd. 1: Tradition manuscrite, S. 417–437. Eine Edition der dominikanischen Version des sog. Codex prototypus aus dem Generalarchiv des Predigerordens in Santa Sabina liegt vor in: Liber Constitutionum et Ordinationum Fratrum Ordinis Praedicatorum iussu Fr. Timothy Radcliffe magistri Ordinis editus. Rom 1998, S. 11–19; danach die deutsche Übersetzung in: Jordan von Sachsen: Von den Anfängen des Predigerordens. Hrsg. von Wolfram Hoyer. Leipzig 22003 (Dominikanische Quellen und Zeugnisse 3), S. 233–243. 6 William A. Hinnebusch: The History of the Dominican Order. Bd. 1: Origins and Growth to 1500. New York 1966, S. 44; Cygler/Melville: Augustinusregel, S. 420. 7 Kanon 13 des Vierten Laterankonzils. Dazu Hinnebusch: History of the Dominican Order 1, S. 43; Cygler: Funktionalität der dominikanischen Verfassung, S. 385f. 8 Vgl. Klaus Schreiner: Ein Herz und eine Seele. Eine urchristliche Lebensform und ihre Institutionalisierung im augustinisch geprägten Mönchtum des hohen und späten Mittelalters. In: Melville/Müller (Hrsg.): Regula Sancti Augustini, S. 1–47, hier S. 8f. 9 Dazu insgesamt Hinnebusch: History of the Dominican Order 1, S. 44. 10 Cygler: Funktionalität der dominikanischen Verfassung, S. 385.

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damit zugleich auf die Opportunität des autoritativen Regeltextes für das Selbstverständnis und spirituelle Profil des Ordens wie auf die Kontinuitäten, in die man sich mit der Annahme der Regel stellte, hingewiesen.11 Das dominikanische Eigenrecht ist dann vor allem in den 1220 verabschiedeten und fortan kontinuierlich (wenn auch moderat) novellierten Konstitutionen kodifiziert.12 Diese Statuten spezifizieren die allgemeineren Vorschriften der Regel im Sinne von „Ausführungsbestimmungen“13 und definieren mithin das programmatische Profil des Ordens in der charakteristischen Interdependenz von Seelsorgedienst, Predigt und Studium und auf der Grundlage von evangelischer Armut und Gemeinschaftlichkeit. Zwei Distinktionen regeln zum einen das Konventsleben der Brüder (auf der Basis prämonstratensischer Satzungen)14 „samt Devianzen- und Sanktionenkatalog“, zum anderen die Organisation und Funktionalität der Ordensinstitution auf den drei Ebenen der Konvente, der Provinzen und des Gesamtordens.15 In der „Rechtsquellenhierarchie“,16 die der fünfte Generalmeister Humbert von Romans in seinem Kommentar zu den Konstitutionen entworfen hat, sind die Konstitutionen dem Basistext der Regel in ihrer rechtlichen Verbindlichkeit nachgeordnet:17 „Dennoch seien aber auch die Konstitutionen“, die im Normgefüge der göttlichen

|| 11 Jordan von Sachsen: Libellus de principiis ordinis Praedicatorum. Hrsg. von Heribert Christian Scheeben. In: Monumenta historica sancti patris nostri Dominici II. Rom 1935 (MOPH 16), S. 1–88, hier S. 46 (§ 42); deutsche Übersetzung in: Jordan von Sachsen: Anfänge des Predigerordens (ed. Hoyer), S. 17–95, hier S. 52 (§ 34). 12 Edition bzw. Rekonstruktion des ältesten greifbaren Konstitutionentextes bei A. H. Thomas: De oudste constituties van de dominicanen. Voorgeschiedenis, tekst, bronnen, ontstaan en ontwikkeling (1215–1237). Leuven 1965 (Bibliothèque de la revue d’histoire ecclésiastique 42), S. 309–369. Siehe auch die Neuedition der zweiten Distinktion bei Simon Tugwell: The Evolution of Dominican Structures in Government, III: The Early Development of the Second Distinction of the Constitutions. In: AFP 71 (2001), S. 5–182; nicht die publizierte, sondern offenbar eine frühere Version Tugwells liegt der deutschen Übersetzung in: Jordan von Sachsen: Anfänge des Predigerordens (ed. Hoyer), S. 244–297 zugrunde. Die späteren Redaktionen Raimunds von Peñafort und Humberts von Romans liegen vor bei Raymond Creytens: Les constitutions des frères prêcheurs dans la rédaction de s. Raymond de Peñafort (1241). In: AFP 18 (1948), S. 5–68, und in AOP 3 (1897), S. 26–60, 98–122, 162–181 (Liber Constitutionum Ordinis Fratrum Praedicatorum [iuxta codicem prototypum B. Humberti in Archivo Generali Ordinis Romae asservatum]). Vgl. dazu Cygler/Melville: Augustinusregel, S. 423. 13 Gert Melville: Regeln – Consuetudines-Texte – Statuten. Positionen für eine Typologie des normativen Schrifttums religiöser Gemeinschaften im Mittelalter. In: Regulae – Consuetudines – Statuta. Studi sulle fonti normative degli ordini religiosi nei secoli centrali del Medioevo. Atti del I e II Seminario internazionale di studio del Centro italo-tedesco di storia comparata degli ordini religiosi. Hrsg. von Cristina Andenna und Gert Melville. Münster 2005 (Vita regularis. Abhandlungen 25), S. 5–38, hier S. 30. 14 Hinnebusch: History of the Dominican Order 1, S. 45f. 15 Melville: Rechtsordnung der Dominikaner, S. 583f. 16 Cygler/Melville: Augustinusregel, S. 438 u. 453. 17 Expositio Magistri Humberti super constitutiones fratrum Praedicatorum. In: B. Humberti de Romanis quinti Praedicatorum Magistri Generalis Opera de vita regulari. 2 Bde. Hrsg. von Joachim Joseph Berthier. Rom 1888/1889, Bd. 2 (1889), S. 1–178, hier S. 16f.

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Gebote, kirchlichen und päpstlichen Dekrete und Regularien der verschiedenen religiösen Kommunitäten „den untersten Platz einnehmen, sorgfältig (diligenter) und streng (stricte) einzuhalten“.18 Dem steht die weitgreifende und durchaus innovative Dispenspraxis19 des Ordens prinzipiell nicht entgegen, vielmehr war sie als pragmatisches Instrument zur vorrangigen Erfüllung der proposita von Predigt und Seelsorge den Konstitutionen von Anfang an eingeschrieben.20 Da Novellierungen des Konstitutionentextes nur nach dreimaliger Lesung in drei aufeinanderfolgenden Generalkapiteln verabschiedet werden konnten, war von vorneherein eine bemerkenswerte Konsistenz und Stabilität dieses Regelwerks garantiert.21 Für kurzfristiges legislatives Handeln oder administrative Akte von nur temporärer Geltung bot freilich dieses aufwendige Novellierungsverfahren keinen rechten Spielraum, und so bildete sich bald eine „zweite regulative Ebene“ heraus,22 die der admonitiones und ordinationes: „Sie erweiterten de facto die Rechtsmaterie des Liber Constitutionum – sei es in wörtlichem oder unausgesprochenem Bezug auf diesen, sei es in Form eines Ausgriffes auf außerhalb stehende Lebensbereiche – oder sie spezifizierten sie bzw. präzisierten sie durch Auslegungen“,23 waren dabei aber hinsichtlich ihrer rechtlichen Verbindlichkeit und ihres Geltungsumfangs gegenüber den Konstitutionen abgestuft. Von den Verfassungstexten, vom gesatzten Recht zu unterscheiden sind nach Gert Melvilles „Typologie des normativen Schrifttums religiöser Gemeinschaften des Mittelalters“ jene Textformen, die Normen nicht als solche vorgeben, sondern sie implizit vermitteln, indem sie anerkannte monastische Lebenspraktiken und Frömmigkeitsformen aufzeichnen: Die consuetudines-Texte referieren auf bereits bewährte Gebräuche, Usancen und ,gute Gewohnheiten‘ einzelner Konvente oder auch des Gesamtverbandes, sie speichern somit Handlungsnormen, „deren Geltung in der Handlung als Gewohnheit selbst liegt“, während Regel und Konstitutionen Normen setzen, „deren Geltung präskriptiv in Texten verankert ist, an denen sich daraufhin Handlungen orientieren sollen“.24 In diesem Sinne verzeichnen die consuetudines habitualisierte Handlungsmuster sozialer Interaktion oder ,Konventionen‘, d.h. „reziproke und komplementäre Gewohnheitsgefüge eines Soziums“, die aufgrund von Rekurrenz von Entscheidungszwängen entlasten, Kontinuität stiften und Kontingenz einhegen und insofern stabilisierend wirken und dabei „Regulierungszusammenhänge sozusagen mittlerer Ebene in den Blick“ rücken: „oberhalb von

|| 18 Schreiner: Ein Herz und eine Seele, S. 46. 19 Vgl. Cygler: Funktionalität der dominikanischen Verfassung, S. 400–405. 20 Vgl. Hinnebusch: History of the Dominican Order 1, S. 131; Gert Melville: Systemrationalität und der dominikanische Erfolg im Mittelalter. In: Norm und Krise von Kommunikation. Inszenierungen literarischer und sozialer Interaktion im Mittelalter. FS Peter von Moos. Hrsg. von Alois Hahn, Gert Melville und Werner Röcke. Berlin 2006, S. 157–171, hier S. 163. 21 Vgl. Cygler: Funktionalität der dominikanischen Verfassung, S. 420. 22 Melville: Rechtsordnung der Dominikaner, S. 592. 23 Melville: Rechtsordnung der Dominikaner, S. 597. 24 Melville: Regeln – Consuetudines-Texte – Statuten, S. 37.

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,einfachen‘ Handlungswiederholungen und unterhalb von strukturierten und explizit präskriptiven oder prohibitiven Formen der Herstellung von Gleichförmigkeit, Erwartungssicherheit und Überschaubarkeit in sozialen Ordnungen“.25 Offen ist, inwieweit ein Differenzierungsansatz, der auf die „beiden fundamentalen Verweisrichtungen von Texten“ des normativen Diskurses, die prospektive und die retrospektive, setzt,26 konvergiert etwa mit – die Dialektik von ,Regel‘ und ,Leben‘ implizierenden – Überlegungen Giorgio Agambens, dass es sich bei den consuetudines-Texten hoch- und spätmittelalterlicher monastischer Kommunitäten „um die Rückführung der Regeln auf ihre ursprüngliche Natur“ handle, „Mitschrift der conversatio oder Lebensweise der Mönche zu sein“.27 Und vermutlich wird man auch für die dominikanischen Statuten nicht ausschließen können, dass sie wenigstens zu einem Teil auf in der Frühzeit des Ordens approbierten Praktiken und Gebräuchen beruhen, die erst im Zuge eines dezidierten Verschriftlichungsprozesses präskriptive Geltung erhielten.28 Entscheidend dürfte aber sein, dass den einmal kodifizierten Verfassungstexten – Regel und Konstitutionen – im dominikanischen Normensystem generell ein höherer Autorisierungsgrad und damit eine größere „rechtliche Bindekraft“29 und „Wirkungskraft“30 zukommt als den consuetudines – sofern diese im Einzelfall überhaupt eine rechtliche Verpflichtung einfordern. Die hier nur angedeutete Klassifikation des normativen Schrifttums des Predigerordens gilt mehr oder minder auch für die dominikanischen Frauen- und für die Laiengemeinschaften, wenngleich die Texte selbst nicht (durchweg) identisch sind. Speziell für die Frauenkonvente ist indes für die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts, für die durch institutionelle Unfestigkeiten und wechselnde Inkorporationsverhältnisse als Folge der inten|| 25 Ludger Lieb und Peter Strohschneider: Zur Konventionalität der Minnerede. Eine Skizze am Beispiel von des Elenden Knaben Minnegericht. In: Literatur und Wandmalerei II. Konventionalität und Konversation. Burgdorfer Colloquium 2001. Hrsg. von Eckart Conrad Lutz, Johanna Thali und René Wetzel. Tübingen 2005, S. 109–138, hier S. 113. 26 Melville: Regeln – Consuetudines-Texte – Statuten, S. 37. 27 „Die aus dem Habitus und der Gewohnheit hervorgegangene Regel, die mit der Zeit im Amt und in der Liturgie aufgegangen war, zeigt sich nun wieder im schlichten Gewand des Gebrauchs und des Lebens“: Giorgio Agamben: Höchste Armut. Ordensregeln und Lebensform (Homo Sacer IV,1). Aus dem Italienischen von Andreas Hiepko. Frankfurt a.M. 2012, S. 192. 28 Der Versuch einer synchronisch und diachronisch adäquaten Typologie der Texte wird also nicht nur erschwert durch die unscharfe Bezeichnung der Texte in den Quellen (besonders mit Blick auf Konstitutionen bzw. Statuten und consuetudines-Texte, vgl. Melville: Regeln – Consuetudines-Texte – Statuten, S. 10f.), sondern auch dadurch, dass die Übergänge zwischen ,Mitschriften‘ von exemplarischen Lebens- und Frömmigkeitspraktiken und ,Gesetzestexten‘ zuweilen fließend und die den Textstatus betreffenden Umschlagspunkte – gerade auch mangels Quellenmaterials – kaum immer eindeutig zu bestimmen sind. Von daher bin ich mir nicht sicher, dass „die Frage, ob Gebräuche vor ihrer Niederschrift tatsächlich schon praktiziert worden sind oder nicht“, hinreichend ist „für eine Zuordnung des entsprechenden Textes zum ,Eckpunkt‘ der consuetudines oder zu dem der Statuten“ (Melville: Regeln – Consuetudines-Texte – Statuten, S. 38). 29 Cygler: Ius particulare, S. 93 Anm. 8. 30 Schreiner: Verschriftlichung als Faktor monastischer Reform, S. 48.

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siven Diskussion um die cura monialium im männlichen Ordenszweig geprägte Frühphase eine „Vielfalt“ von lokalen und auf diversen Traditionen beruhenden Konstitutionentexten zu konstatieren, die erst 1259 mit der umfassenden Redaktion der Statuten durch Humbert von Romans beseitigt wurde.31 Es liegt diesen Konstitutionen im Wesentlichen die erste Distinktion der Konstitutionen der Predigerbrüder mit den Bestimmungen zum Gemeinschaftsleben und zur monastischen Spiritualität zugrunde, die zweite Distinktion ist wegen der für die Frauenkonvente irrelevanten Vorschriften zur Ordensadministration weggefallen. Es fehlen vor allem auch die Vorgaben zu Seelsorge, Predigt und Studium und insofern der für den männlichen Ordenszweig zentrale Aspekt des apostolischen Dienstes in der Welt, an dessen Stelle im Kontext der vita contemplativa der Frauengemeinschaften die Gebetsleistung der klausurierten Schwestern für die Welt tritt.32 Da die vom Generalkapitel approbierten Konstitutionen der Dominikanerinnen fortan unverändert blieben – die Frauenkonvente waren von der legislativen Organisation des Ordens und somit von der konkreten Gesetzgebung und Novellierung der Verfassungstexte ausgeschlossen –,33 etablierten sich insbesondere admonitiones und ordinationes als probates Instrument, um die Vorgaben der Statuten von Seiten der Ordensoberen etwa mit Blick auf „Gottesdienstordnung, Klausurbestimmungen, Kleidung, Nahrung, den Umgang mit den Kranken, Wahl und Vollmachten der Priorin, Ämter und Beschäftigungen, Regelung bzw. Kontrolle der Wirtschaft […] sowie wesentliche Aspekte und personelle Zuständigkeiten der Seelsorge“34 fortlaufend – und gerade auch für lokale Konditionen und Usancen – zu präzisieren oder zu ergänzen.35 Nur umrisshaft sind damit Aspekte des dominikanischen Normensystems, wie es sich seit dem frühen 13. Jahrhundert entfaltet hat, benannt. Wie sich Johannes Meyers Ämterbuch und Buch der Ersetzung als spezifisch normative Texte im Sinne von Assmanns Kategorisierung in diese Umrisse einordnen lassen, welche Geltung sie für sich im Spektrum der dominikanischen Gesetzes- und consuetudines-Texte behaupten, bleibt noch zu klären. Dass beide überlieferungsgeschichtlich eng verbundenen Schriften jedenfalls nicht

|| 31 Martina Wehrli-Johns: Augustinusregel, Konstitutionen und Drittordensregel. Zur Regulierung von Frauengemeinschaften im dominikanischen Umfeld vom 13. bis 15. Jahrhundert. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 27 (2008), S. 7–89, hier S. 77. Zu älteren Konstitutionen unterschiedlicher (regionaler) Provenienz Raymond Creytens: Les constitutions primitives des sœurs dominicaines de Montargis (1250). In: AFP 17 (1947), S. 41–84; Vera Sack: Bruchstücke von Regel und Konstitutionen südwestdeutscher Dominikanerinnen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts (um 1241/42). In: ZGO 123 (1975), S. 115–167. Zu Humberts Redaktion Edward Tracy Brett: Humbert of Romans. His Life and Views of Thirteenth-Century Society. Toronto 1984 (Pontifical Institute of Mediaeval Studies. Studies and Texts 67), S. 73; Hinnebusch: History of the Dominican Order 1, S. 381. Humberts Text ist ediert in: AOP 3 (1897), S. 337–348 (Liber Constitutionum Sororum Ordinis Praedicatorum). 32 Vgl. Hinnebusch: History of the Dominican Order 1, S. 382; Brett: Humbert of Romans, S. 77–79. 33 Vgl. Engler: Regelbuch, S. 169. 34 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 75. 35 Vgl. Hinnebusch: History of the Dominican Order 1, S. 381f.; Engler: Regelbuch, S. 174f., 203–206.

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nur hinsichtlich ihrer konkreten Faktur und Textstrategie, sondern auch hinsichtlich des Grades ihrer normativen Verbindlichkeit differieren, dabei aber gerade mit Blick auf ihre jeweilige Funktion und Vermittlung monastischer Observanz komplementär aufeinander bezogen sind, werden die folgenden Überlegungen zu plausibilisieren suchen.

2.2 Normative Schriften für dominikanische Offiziale: Das Buch der Ämter im Spiegel der Instructiones de officiis Humberts von Romans 2.2.1 Institutionsgeschichtliche Konstellationen und normativer Diskurs Das Ämterbuch steht mit am Beginn der uns bekannten literarischen Aktivitäten Johannes Meyers. Der Text wurde 1454 vollendet und war zunächst für die Schwestern des reformierten Berner Dominikanerinnenklosters St. Michael in der Insel bestimmt, wo Meyer zu jener Zeit als Beichtiger amtierte.36 Vorlage und Modell des Textes sind die Instructiones de officiis ordinis des Humbert von Romans,37 die Meyer „teils wörtlich, teils frei“38 übersetzt und für die spezifischen Interessen seiner Adressatinnen, der observanten Dominikanerinnen der Ordensprovinz Teutonia, adaptiert hat. Der Prätext Humberts von Romans war um die Mitte des 13. Jahrhunderts – vermutlich nach 125739 – entstanden und hatte somit etwa vier Dekaden nach der Ordensgründung Aufgaben- und Verantwortungsbereiche der dann institutionalisierten Ordensämter für die Predigerbrüder definiert. Humberts Instructiones markieren – wie das gesamte ordens-

|| 36 Dazu genauer u. S. 80–83. Das Jahr der Fertigstellung wird sowohl im Explicit der ersten Vorrede wie auch im Explicit zum Schluss des gesamten Buchs – hier noch mit dem genauen Tagesdatum – genannt (ich zitiere oder verweise auf den Text des Ämterbuchs, wenn nicht anders vermerkt, nach der ältesten erhaltenen, aus dem Nürnberger Katharinenkloster stammenden Abschrift im Codex Ricketts 198 der Lilly Library, Indiana University, Bloomington: fol. 1ra–116rb, und gebe jeweils die entsprechenden Stellen in der jetzt von Sarah Glenn DeMaris auf der Basis von Ricketts 198 besorgten Edition [MOPH 31] mit an: hier also fol. 3va u. 116rb; ed. DeMaris, S. 157,146 u. 350,17f.). Die Berner Provenienz des Textes zeigen verschiedene Selbstaussagen des Verfassers – gegen Ende der ersten Vorrede (fol. 3rb; ed. DeMaris, S. 157,132f.) und auch im Prolog zum Buch der Ersetzung (fol. 135vb) – an. Vgl. auch Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 477. 37 Ediert in: Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 179–371; die folgenden Analysen auf der Grundlage dieser Ausgabe. Einen Überblick über den Text gibt Brett: Humbert of Romans, S. 134–150. Vgl. weiterhin auch die ältere Studie von Fritz Heintke: Humbert von Romans, der fünfte Ordensmeister der Dominikaner. Berlin 1933 (Historische Studien 222), S. 82–84. 38 Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 478. Zum Verhältnis des deutschen zum lateinischen Text vgl. die Skizze bei DeMaris: Introduction (MOPH 31), S. 33–37 sowie die Kapitelsynopse S. XXX–XXXII. 39 Brett: Humbert of Romans, S. 134, Heintke: Humbert von Romans, S. 83f. Für eine engere Datierung zwischen 1260 und 1263, d.h. gegen Ende von Humberts Amtszeit als Generalmeister des Ordens, votiert neuerdings Simon Tugwell: Introduction. In: Humberti de Romanis Legendae Sancti Dominici. Hrsg. von Simon Tugwell. Rom 2008 (MOPH 30), S. 1–422, hier S. 22f. Anm. 52.

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bezogene Schrifttum des fünften Generalmeisters (1254–1263) – eine Art Abschluss und Arrondierung der auf die Gründungsjahre folgenden Stabilisierungsphase40 (einschließlich der krisenhaften Ereignisse des Pariser Mendikantenstreits).41 Im Kontext seiner umfassenden Bemühungen zur Vereinheitlichung der dominikanischen Liturgie und Gesetzestexte sowie zur Absicherung von deren Geltung insbesondere durch breite Kommentierung zielen sie auf „institutionelle Dauerhaftigkeit“,42 auf die Persistenz des Ordens entsprechend den ursprünglichen Idealen des Ordensgründers und im „gemeinsame[n] Bemühen“ der Nachkommen „um die dauerhafte Verwirklichung der Ordensziele“.43 Die wachsende Distanz zu den heiligen Anfängen zeitigt vermehrte Anstrengungen, dem Vergessen entgegenzuwirken44 und die Errungenschaften jener Anfänge nicht nur zu behaupten, sondern auch an die Erfordernisse neuer Situationen anzupassen. Welches Potential dem Medium der Schrift und der Verschriftlichung von Normen und Handlungsanweisungen für den Bestand und das mit Blick auf zukünftige Entwicklungen gerüstete Fortleben des Ordensinstituts zukommt, war Humbert nur allzu bewusst, wie seine detaillierten Ausführungen zu diesem Aspekt in seinem Kommentar zu den Konstitutionen der Predigerbrüder erkennen lassen:45 „Schriftlichkeit verbürgt“ für ihn, um es mit Klaus Schreiner zu formulieren, „Handlungssicherheit, Reform und sittlichen Fortschritt“.46

|| 40 Vgl. Guy Bedouelle: Geschichte und Identität. In: William A. Hinnebusch: Kleine Geschichte des Dominikanerordens. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Christophe Holzer OP und Winfried Locher. Mit einem Geleitwort von Guy Bedouelle OP. Leipzig 2004 (Dominikanische Quellen und Zeugnisse 4), S. 9–21, hier S. 16f.: „Die Anfangsphase [der Geschichte des Ordens, C.S.] reicht von Dominikus selbst bis zu Humbert von Romans, das heißt bis zur Zeit Alberts des Großen und Thomasʼ von Aquin.“ 41 Zu Humberts Schriften wie zu seinem ordenspolitischen Wirken insgesamt besonders Brett: Humbert of Romans; Heintke: Humbert von Romans; zuletzt Tugwell: Introduction (MOPH 30). Zur Rezeption in der deutschen Literatur des Spätmittelalters Klaus Grubmüller: Humbert von Romans. In: 2VL 4 (1983), Sp. 298– 301. 42 Melville: Systemrationalität, S. 158. 43 Melville: Systemrationalität. S. 165. 44 Es zeigt sich dies Bemühen gerade auch im Bereich der ,formativen‘ Texte des Ordens; so haben die Generalkapitel von 1255 und 1256 die Predigerbrüder dezidiert dazu aufgefordert, Berichte über wunderbare und denkwürdige Ereignisse im Orden (von Anfang an) und über die Angehörigen der Gründergeneration zusammenzutragen, um sie an zentraler Stelle zu sammeln und ordensintern zu publizieren, und damit die Grundlage gelegt für die ,Eigengeschichten‘ und Exempla sowohl des Bonum universale de apibus des Thomas von Cantimpré wie der Vitas fratrum Gerhards von Frachet (vgl. Bürkle: Literatur im Kloster, S. 163f.; Thomas Füser: Vom exemplum Christi über das exemplum sanctorum zum ,Jedermannbeispiel‘. Überlegungen zur Normativität exemplarischer Verhaltensmuster im institutionellen Gefüge der Bettelorden des 13. Jahrhunderts. In: Melville/Oberste [Hrsg.]: Die Bettelorden im Aufbau, S. 27–105, hier S. 65f., 102; Markus Schürer: Das Exemplum oder die erzählte Institution. Studien zum Beispielgebrauch bei den Dominikanern und Franziskanern des 13. Jahrhunderts. Berlin 2005 [Vita regularis. Abhandlungen 23], S. 103–117). 45 Expositio super constitutiones. In: Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 8f. Dazu Schreiner: Verschriftlichung als Faktor monastischer Reform, S. 40–42. 46 Schreiner: Verschriftlichung als Faktor monastischer Reform, S. 41.

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Im Prolog zu den Instructiones de officiis ordinis stellt Humbert diesen Text nachdrücklich in die (Schrift-)Tradition der religiones approbatae, der anerkannten Orden und monastischen Gemeinschaften, die von alters her und beinahe allesamt in ihren Konstitutionen verschiedene Ämter unterschieden und mithin schriftlich überliefert hätten, was einem jeden Amtsträger bestimmt wäre: damit keiner aus Unwissenheit in den Amtsbereich eines anderen hineinregierte und dadurch seine eigenen Pflichten vernachlässigte, und so alles ordentlicher und vollständiger ausgeführt würde.47 Diese Legitimation des normativen Textes durch die Referenz auf die Tradition der älteren Kommunitäten wird am Ende der Vorrede, mit Blick auf die vorausgegangene Differenzierung von 36 Ämtern auf den drei institutionell konstitutiven Ebenen des Gesamtordens, der Provinzen und der Konvente, vom Generalmeister bis zum Pfleger des Konventsgartens, noch ergänzt durch den Hinweis, dass eine solche administrative Organisation des Ordens zugleich aus Gründen der Vernunft (ex ratione) wie auch angesichts der eigenen bewährten Gewohnheiten der Predigerbrüder (ex consuetudinibus nostris) evident sei.48 In den Rang der consuetudines weist den Text denn auch die abschließende Bemerkung Humberts, dass dessen Angaben zu den einzelnen Ordensämtern keinerlei Verpflichtung (necessitatem) auferlegen: Lediglich als Leitfaden und Orientierungshilfe seien die (in diesem Sinne so bezeichneten) Instructiones zu verstehen – für diejenigen, die mit Ämtern betraut werden, aber darin nicht vollends unterrichtet sind; wenn sie im Text etwas fänden, das ihnen vernünftig erscheine, könnten sie es übernehmen.49 Trotz der hier erkennbaren Bemühungen, die Instructiones hinsichtlich ihrer normativen Geltung und Verbindlichkeit deutlich von den dominikanischen Verfassungstexten abzustufen, rückt Humberts Traktat inhaltlich und vor allem auch aufgrund der ihm eingeschriebenen rekurrenten Verweise auf die Gesetzestexte, d.h. auf die Bestimmungen der Augustinusregel, der Konstitutionen sowie auch des Ordinariums (für die Vorschriften bei gottesdienstlichen Handlungen),50 doch nahe an diese für alle Ordensmitglieder normativ bindenden Schriften heran. Und so überrascht es nicht, dass Humberts Instructiones in späteren Zeiten, seit der Editio princeps der Konsti|| 47 Religiones approbatae, sicut in constitutionibus fere omnium religionum diligenter perlectis vidimus, distinxerunt antiquitus officia, tradentes in scriptis quid cuilibet competeret officiali, ut dum haec sciret quilibet, nullus alterius occuparet officium, nec suum negligeret: et sic ordinatius et completius fierent universa: Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 179. 48 Videtur autem tam ex ratione, et ex consuetudinibus nostris, quam ex scriptis quae religiones praedictae super hujusmodi ediderunt, quod officia possunt apud nos distingui et assignari modo praedicto: Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 181. 49 Ista (autem) quae subscripta sunt de officiis Ordinis, non sunt scripta ad hoc quod inferant aliquam necessitatem: sed ad hoc tantum ut fratres quibus imponuntur aliqua officia, et non sunt in illis plene instructi, possint hic respicere, si velint; et si aliquid ibi inveniunt quod eis rationabile videatur possunt acceptare, si volunt: alioquin in nullo tenentur ex vi hujusmodi scripturae, propter quod dicuntur Instructiones: Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 181. 50 So etwa am Ende von Kap. I (Generalmeister [S. 194]), zu Beginn von Kap. V (Novizenmeister [S. 213]) oder im Kontext der viele Ämter betreffenden allgemeinen Hinweise von Kap. XXXVII (wo auch admonitiones und ordinationes genannt werden [S. 337]).

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tutionen von 1505, in den Druckausgaben der dominikanischen Verfassungstexte „meist den Platz unmittelbar hinter diesen“ 51 erhielten.52 Meyers zwei Jahrhunderte später abgefasstes Ämterbuch für die Dominikanerinnen der Provinz Teutonia steht indes ganz im Zeichen der spätmittelalterlichen Ordensreformbewegung, die „seit dem Ende des 14. Jahrhunderts auch den Dominikanerorden erfaßt“ hatte.53 Der Text ist, wie das literarische Œuvre seines Verfassers insgesamt, ein genuines Produkt des Reformdiskurses des 15. Jahrhunderts und dokumentiert beispielhaft die Strategien der Observanten, durch „bewußt angestrebte Verschriftlichung […] Reformen institutionalisierbar zu machen“.54 Das Ziel einer „Erneuerung der ursprünglichen Ideale“ unter den Auspizien einer „Beachtung der alten Regeln und Konstitutionen“ und Intensivierung traditioneller monastischer Frömmigkeits- und Askesepraktiken,55 eines gemeinsamen Lebens in Armut (d.h. frei von individuellem Besitz) und strikter Klausur (dies letztgenannte nun im Ordo Praedicatorum allein für den weiblichen Zweig), setzt dabei eine Erfahrung historischer Distanz und Diskontinuität voraus, auf die die Normendiskussion des 15. Jahrhunderts reagiert. Im Ämterbuch ist diese Distanz – und damit verbunden das Problem der Devianz – zunächst nur latent vorhanden. Sie lässt sich aber dort als latente wahrnehmen, wo bewusste Kontinuitäten hergestellt werden mit den ,heiligen Anfängen‘, so etwa programmatisch in der Salutatio56 der den Text eröffnenden Vorrede Johannes Meyers, die die Adressatinnen – die da mit gutem willen vnd begirigem herczen · halten löblich vnd genczlichen den heiligen prediger orden nach inhaltung der regel vnd vff saczung der Constitucion – explizit verpflichtet auf die heilsamen lere vnd guten exempel · vnser heiligen alt forderen · die vns mit aller heilikeit sint vor gangen in vnserm heiligen pre-

|| 51 Heintke: Humbert von Romans, S. 82. 52 Marie-Dominique Chapotin: Histoire des dominicains de la province de France. Le Siècle des Fondations. Rouen 1898, S. 557. – Und auch immerhin zwei der mir bekannten Handschriften überliefern die lateinischen Instructiones de officiis im Verbund mit den Konstitutionen der Predigerbrüder (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 1507; Nürnberg, Stadtbibliothek, Cod. Cent. VI, 94; eine umfassende Erschließung der erhaltenen Überlieferungszeugen wie auch deren textgeschichtliche Einordnung ist noch zu leisten, 15 Handschriften – bisweilen nur mit Exzerpten des Textes und ohne den genannten Nürnberger Codex Cent. VI, 94 – verzeichnet Thomas Kaeppeli: Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi. 4 Bde. Rom 1970–1993, Bd. 2 (1975), S. 290f. [Nr. 2020]). 53 Hasebrink: Tischlesung, S. 197. 54 Schreiner: Verschriftlichung als Faktor monastischer Reform, S. 42 (hier nicht spezifisch zu den Verhältnissen des 15. Jahrhunderts, sondern generell zum Reformstreben der großen Orden des Hoch- und Spätmittelalters). 55 Elm: Reform- und Observanzbestrebungen, S. 16f. 56 Zum Formtypus der Salutatio im Kontext der Prologrhetorik der lateinischen Historiographie und Hagiographie vgl. Gertrud Simon: Untersuchungen zur Topik der Widmungsbriefe mittelalterlicher Geschichtsschreiber bis zum Ende des 12. Jahrhunderts. In: Archiv für Diplomatik 4 (1958), S. 52–119 (1. Teil), 5/6 (1959/1960), S. 73–153 (2. Teil), hier S. 140–142.

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diger orden.57 Die anschließende Aufzählung beginnt mit dem heiligen Ordensgründer Dominikus und führt über den zweiten Generalmeister Jordan von Sachsen, über die – bis zur Zeit der Entstehung des Ämterbuchs einzigen weiteren – Ordensheiligen Petrus von Verona und Thomas von Aquin58 zum dritten Generalmeister Raimund von Peñafort und schließlich zu meister Humbertus, dessen Leben und Wirken für die heilige[] kristenheit59 und für den Orden im Folgenden besonders gewürdigt werden. Sie alle – vnd ander gar vil heiliger vetter vnd prüder · vnd auch swestern – fungieren als Modelle und Identifikationsfiguren aus der Zeit des Anfangs, an denen die Späteren mit Blick auf ein heiliges · geistliches · vnd Cristformiges leben Maß zu nehmen haben.60 Speziell von Humbert wird alsdann berichtet, dass er den ganczen orden zu einem rechten stat bracht · vnd vil nüczer pücher von im gemacht [hat] im ze trost · hilff · vnd fürdrung, darunter vor allem auch jene Schrift, die davon handelt, wie ein iglicher ampt pruder sich halten · vnd regiren vnd sin ampt noch gewonheit des ordens volpringen sol · also das es got ze lob · vnd im selben vnd der gemeind ze nucz · ordenlich volbracht werde. Sie habe der Verfasser nun für die Schwestern ins Deutsche übersetzt, ihnen ze nucz · vnd ze furdrung des geistlichen lebens · vnd das ir nun wren orden dester redlicher vnd dester volkumener vnd auch dester pas mögen in allen dingen halten.61 Die rechte monastische Lebensform, die Observanz des Ordens, die zu spiritueller Perfektionierung des Einzelnen in Gemeinschaft und zum Ziel der Christförmigkeit anspornt, ist verbürgt durch die Kontinuität der Schrift, die im dezidierten Rekurs auf die Regeln der idealen Ursprünge und der heiligen Vorgänger deren Geltung und spirituelle Kraft perpetuiert. Meyer hat den Anschluss an Humbert auch im frühesten Überlieferungsverbund des Textes, der auf ihn selbst zurückgehen dürfte, betont.62 Denn er hat wohl dem Text des Buchs der Ämter bereits auf der Ausgangsstufe der Überlieferung vier lateinische Episteln vorangestellt,63 wovon zwei Sendschreiben Humberts an die Schwestern sub cura ordinis fratrum predicatorum sind.64 Im ersten (Valenciennes, 1259) informiert Humbert über seine || 57 Ricketts 198, fol. 1ra–rb (Abbreviaturen des Handschriftentextes sind, wenn nicht anders angegeben, aufgelöst, zwischen s und ſ wird nicht unterschieden, ÿ wird als y wiedergegeben, bei lateinischem Wortlaut wird zusätzlich u/v-Ausgleich durchgeführt); ed. DeMaris, S. 153,13–19. 58 Die beiden nächsten Heiligsprechungen sind die von Vinzenz Ferrer (1455) und Katharina von Siena (1461). Vgl. Hinnebusch: Kleine Geschichte des Dominikanerordens, S. 251. 59 Ricketts 198, fol. 1va; ed. DeMaris, S. 153,24 u. 154,36. 60 Ricketts 198, fol. 1rb; ed. DeMaris, S. 153,24–27. 61 Ricketts 198, fol. 2ra–va; ed. DeMaris, S. 155,64–84. 62 Zur Überlieferungs- und Textgeschichte Seebald: Handschriftenverhältnisse. Siehe auch u. S. 80–88. 63 Dazu Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 398f., 421. 64 Beide Episteln Humberts sind gedruckt in: Litterae Encyclicae Magistrorum Generalium Ordinis Praedicatorum ab Anno 1233 usque ad Annum 1376. Hrsg. von Benedictus Maria Reichert, Rom 1900 (MOPH 5), S. 50–52 und 56f.; die zweite (Straßburg, 1260) ist nach Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 1166 davor schon ediert bei Benedictus M[aria] Reichert: Zur Geschichte der deutschen Dominikaner und ihrer Reform. In: Römische Quartalschrift für christliche Alterthumskunde und für Kirchengeschichte 10 (1896), S. 299–311, hier S. 305f. (Zitat S. 305).

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Neuredaktion und Vereinheitlichung ihrer Konstitutionen – die Meyer auch in seinem Prolog zum Ämterbuch herausstellt65 – und verpflichtet die Dominikanerinnen auf deren Einhaltung; im zweiten (Straßburg, 1260) entwirft Humbert für seine Adressatinnen (wie auch schon im ersten) Grundzüge des normativen Leitbildes einer dominikanischen Konventualin, mahnt die Schwestern angesichts einer Reihe von Privilegien und Gnaden seitens der römischen Kirche zu einer ihrem Status adäquaten geistlichen Lebensweise und verfügt eine Regulierung der Aufnahme neuer Konventsmitglieder (aus wirtschaftlichen Gründen).66 Diese Vorgaben und admonitiones Humberts hat Meyer ergänzt vor allem um eine Epistel des Generalmeisters Raimund von Capua (Rom, 7. Februar [1397?]) an die observanten Predigerbrüder zur Bestärkung der Reformbewegung im Orden (bei gleichzeitiger Mahnung der Brüder zur humilitas).67 Er hat somit nicht nur die über der originären handschriftlichen Textsammlung stehenden Leitgedanken ,Normativität einer einheitlichen monastischen Lebensform‘ und ,Erneuerung der ursprünglichen Ideale‘ an exponierter Stelle zusammengeführt, sondern auch deren Geltung für seine Rezipientinnen mit der „Form der authentisch-autoritativen Rede der charismatischen Ordenslenker Humbert und Raimund“ bekräftigt,68 die doch gleichsam in ihrer Person jene eminenten Positionen des Anfangs und der Erneuerung in der Geschichte des Ordens und seiner Spiritualität repräsentieren. Für Meyers Buch der Ämter gilt prinzipiell dasselbe wie für Humberts Instructiones de officiis: Es steht hinsichtlich seines Inhalts und Geltungsanspruchs nahe bei den Konstitutionen der Dominikanerinnen, wenn es ihnen auch mit Blick auf seine normative Verbindlichkeit nachgeordnet bleibt und sich unter diesem Aspekt in das Corpus der consuetudines-Texte einreiht: wand da nit anders geschriben ist denn die gutten gewonheiten vnser alt

|| 65 Des gelich must er [= Humbert] auch wer Constitucion zu einer rechten form machen · von geheiß wegen bapst Alexander des virden in dem namen: Ricketts 198, fol. 1vb; ed. DeMaris, S. 154,47–49. 66 Dazu Hinnebusch: History of the Dominican Order 1, S. 383: „The number of new members the nuns might receive depended on the quota the master general or provincial established for the community in relation to its economic resources. In 1260 Humbert forbade monasteries which did not yet have an established quota to receive postulants until one had been determined.“ 67 Gedruckt in: B. Raymundi Capuani XXIII Magistri Generalis Ordinis Praedicatorum Opuscula et Litterae. Rom 1895, S. 112f. – Die vierte Epistel eines unbekannten Dominikaners (ohne Ort und Jahr [jedenfalls nach dem im Text erwähnten Tod Johannes Niders 1438], zur Entsendung von Predigerbrüdern in andere Konvente zur Propagierung der Ordensreform) nach der Nürnberger Hs. 1166 ebenfalls bei Reichert: Geschichte der deutschen Dominikaner, S. 308–311. Diese vierte Epistel charakterisiert ein in der Handschrift Ms. 1548 der Universitätsbibliothek Leipzig tradiertes (womöglich schon auf der Ausgangsstufe der Überlieferung vorhandenes und im ehemals Nürnberger Codex Ricketts 198, der Vorlage von Ms. 1548, verlorengegangenes) ,kommentiertes Inhaltsverzeichnis‘ zum Textverbund von Ämterbuch und Buch der Ersetzung wie folgt: ein epistel eins bruders die er schreib zu dem lesmeister von basel do er d[as] prior ampt nit geren willichen auf wolt nemen jn einem andern Conuent der obseruancz (fol. 3va–vb). Dass es sich beim Verfasser der Epistel um Johannes Meyer handeln sollte, wie DeMaris: Introduction (MOPH 31), S. 45 suggeriert, ist nicht gesichert. 68 Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 421.

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forderen nach inhaltung vnser heilligen prediger ordens.69 Und so hat denn Meyer den abschließenden Passus aus Humberts Prolog zum Status des Textes als Richtlinie ohne rechtliche Verpflichtung (necessitatem) in deutscher Übersetzung im Epilogteil des Ämterbuchs übernommen und dort diese Prämisse deutlich benannt.70 Gleichwohl – ungeachtet dessen, dass dis buch ze behalten kein nott in treitt noch zu keiner schulde verbint [,]71 so ist doch gut daz man nit dester minder liebe habe zu halten dis buch als verre daz jemer müglichen ist/ wand do sint och wol etliche puncten jnn/ die man von recht schuldig ist ze halten/ doch daz selbe statt och in der Constitucio.72 Worauf Johannes Meyer hier abhebt, ist die Differenz zwischen der Form des durch die dazu legitimierten Instanzen autorisierten und mithin als Ganzes normativ bindend gewordenen Gesetzestexts und der Normativität einzelner Textinhalte: Zwar ist das Ämterbuch formaliter kein dominikanischer Rechtstext, da aber verschiedene seiner Inhalte mit denen der Konstitutionen übereinstimmen, kommt ihm zumindest für diese Inhalte spezifische Geltungskraft zu. Indes beruft sich Meyer insbesondere mit Blick auf seine Modifikationen und Zusätze gegenüber dem Prätext Humberts nicht nur auf die Konstitutionen bzw. deren Inhalt (synn), sondern auch auf das Ordinarium der Schwestern mit den Vorschriften für die liturgischen Handlungen (nottel) sowie die bewerten freiheiten des ordens vß den pebstlichen bullen · oder vß ettlichen ordinacioen [sic] etlicher meister des ordens oder provincial vnd ander prelaten des ordens die sie gemacht hand etlichen provincen · oder Couenten der pruder · vnd besunder ettlichen Clöstern der swester. All diese zum dominikanischen ius particulare zählenden Texte und Texttypen, do von man den orden ze halten aller bast geleren mag, sichern die Legitimation des Buchs der Ämter speziell in seinen vom Prätext divergierenden Partien ab. Hinzu kommen jene güten bewerten gewonheitten des Ordens, für deren Authentizität sich der Verfasser auf bewerte[] personen des ordens und auf sein eigenes Zeugnis stützt.73 In seiner Vorrede zum Buch der Ersetzung, das unmittelbar nach dem Ämterbuch als Ergänzungs- bzw. Fortsetzungsschrift entstanden ist und von Anfang an mit jenem verbreitet wurde, lenkt Meyer noch einmal den Blick zurück auf den Text des Ämterbuchs und

|| 69 Ricketts 198, fol. 115va; ed. DeMaris, S. 349,14–16. 70 Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 181; Ricketts 198, fol. 115rb–va; ed. DeMaris, S. 349,4–13. 71 An anderer Stelle, im ,kommentierten Inhaltsverzeichnis‘ der Leipziger Handschrift Ms. 1548, findet sich eingangs die Formulierung: Es ist zu mercken was hie an disem buch geschriben ist verbindet nyeman weder zu pein noch zu schuld (fol. 3ra; vgl. Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 401f.). – Nicht ad culpam (zu Sünde oder gar Todsünde), aber ad penam (zu einer Strafe gemäß den Konditionen einer ,diesseitigen‘ Rechtsordnung) verpflichten dagegen die Konstitutionen der Dominikanerinnen (entsprechend dem – in dieser Hinsicht innovativen – Vorbild der Predigerkonstitutionen, siehe Cygler: Funktionalität der dominikanischen Verfassung, S. 405–410; Lars-Arne Dannenberg: Das Recht der Religiosen in der Kanonistik des 12. und 13. Jahrhunderts. Berlin 2008 [Vita regularis. Abhandlungen 39], S. 389–394). Zu den Implikationen der Kategorien ad poenam und ad culpam im Kontext monastischer Normativität auch Agamben: Höchste Armut, S. 59f. 72 Ricketts 198, fol. 115va–vb; ed. DeMaris, S. 349,16–21. 73 Alle Zitate Ricketts 198, fol. 3ra–rb; ed. DeMaris, S. 156,120–157,131.

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dessen Verbindlichkeitsgrad. Es heißt dort vom Ämterbuch: das gab ich ze vber sehen vnserem wirdigen vater provincial Meister peter wellen/ götlicher künst ein lerer der enpfieng es gütlichen vnd bewert es von gewalt seines amptz/ vnd vermant die swestern in sant Michels Insel do er in Capitel hielt/ das si vnd ander swestren sich dar nach richten möchten.74 Die Approbation des Textes durch den Provinzial der Teutonia, Petrus Wellen,75 affirmiert dessen normativen Status im Umfeld der dominikanischen Gesetzestexte.76 Vor allem aber hat Meyer die zunächst an die Berner Dominikanerinnen ergangene offizielle (mündliche) admonitio zur Befolgung der Bestimmungen des Textes, indem er sie in der Vorrede des Buchs der Ersetzung referiert, zugleich in ihrer Geltung festgeschrieben für die Distribution und den Gebrauch des Ämterbuchs jenseits seines ursprünglichen Resonanzraumes.

2.2.2 Komposition und Programm Humbert unterscheidet in seinen Instructiones zunächst 36 Ämter für den Predigerorden.77 Das Spektrum umgreift Aufgaben und Funktionen auf allen drei ordensspezifischen institutionellen Ebenen, d.h. des Gesamtverbandes, der Provinzen und der Konvente. Die Anordnung der einzelnen Ämter folgt zum einen dem Prinzip der hierarchisch – und von universaler zu partikularer Zuständigkeit – absteigenden Reihung, zum anderen einer Typologie, die Humbert im Prolog explizit darlegt: So verbinde die (Leitungs-)Ämter des Generalmeisters des Ordens, des Provinzialpriors und des Konventspriors, die am Beginn der Darstellung stehen, dass sie ordentlich und eigentlich für die ihnen anbefohlenen Seelen Sorge tragen (habent ordinarie curam pertinentem ad animas), während die nachfolgenden vier Amtsträger: Subprior, Novizenmeister, Konversenmeister und der Vorsteher der Konventsfamilie oder Gesindemeister (corrector familiae) diese Sorge im Auftrag wahrnehmen (habent hujusmodi curam ex commissione), und zwar der erste von ihnen für den ganzen Konvent, die übrigen drei für den ihnen jeweils zugewiesenen Personen-

|| 74 Ricketts 198, fol. 135vb. 75 Zu ihm Löhr: Teutonia im 15. Jahrhundert, S. 20. – Ganz analog stellt auch die Ankündigung des Ämterbuchs im ,kommentierten Inhaltsverzeichnis‘ der Leipziger Handschrift Ms. 1548 die Autorisierung des Textes durch den Provinzial heraus: daz ampt buch prediger ordens zu tüczsch nach dem als es mit wissen willen vnd vrlaub des provincials ein bruder von basel allen swestren zu trost von latein zu teuczsche gekert hat (fol. 3vb). 76 Diesen Status indizieren freilich auch die im ursprünglichen Textverbund im Anschluss an das Ämterbuch überlieferten Gesetzestexte (allesamt in deutscher Übersetzung), d.h. die Regeltexte und Konstitutionen für Laienbrüder und -schwestern auf den Höfen der Dominikanerinnen sowie die Regel für die Angehörigen des Dritten Ordens von der Buße des hl. Dominikus einschließlich der ihr vorangestellten Approbationsbulle Innozenzʼ VII. (vgl. Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 397f., 420; dazu im Einzelnen u. S. 80–83). 77 Zusammenfassende Charakterisierung der einzelnen Ämter bei Brett: Humbert of Romans, S. 135–150.

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kreis.78 Eine dritte Gruppe von Konventsämtern ist für den cultum divinum zuständig (cantor, succentor, sacrista),79 eine vierte mit dem Studium befasst (lector, magister studentium, librarius, procurator scriptorum) – wobei gerade diese spezifische Kategorisierung der ,Studienämter‘ wie auch ihre Positionierung innerhalb der Reihe die gegenüber der monastischen Tradition „neue[] Gewichtung des Studienwesens“80 im Ordo Praedicatorum anzeigt.81 An fünfter Stelle führt Humbert Funktionen zusammen, die die Obhut (custodia) über verschiedene Dinge (konkrete Gegenstände, Lokalitäten, aber auch abstrakte Prinzipien wie den Orden, d.h. die ordensgemäße geistliche Lebensform, und den Zugang dazu) kennzeichnet (examinator, circator, custos dormitorii, portarius, depositarius),82 an sechster Stelle diejenigen Ämter, die für unterschiedliche necessitates (Bedürfnisse) der Brüder zuständig sind, und auch hier differenziert Humbert generales (procurator, consiliarius, eleemosynarius)83 und particulares, und weiter noch quotidianas (alltägliche), sowohl leibliche (refectorarius, servitor mensae) wie spirituelle (lector mensae, corrector in mensa);84 den Bedürfnissen der Kranken widmen sich infirmarius und servitor infirmorum,

|| 78 Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 179. 79 Der cantor und sein Vertreter, der succentor, achten auf die korrekte Ausführung des officium divinum und sind dafür verantwortlich, dass die liturgischen Schriften des Ordens vollständig und auf dem jeweils gültigen Stand, frei von Irrtümern, im Konvent vorliegen. Der sacrista betreut die Ausstattung des Kircheninnenraums und trifft die nötigen Vorbereitungen für den Vollzug des Gottesdienstes und der liturgischen Handlungen. 80 Burkhard Hasebrink: Latinität als Bildungsfundament. Spuren subsidiärer Grammatikunterweisung im Dominikanerorden. In: Schulliteratur im späten Mittelalter. Hrsg. von Klaus Grubmüller. München 2000 (MMS 69), S. 49–76, hier S. 53. Zum dominikanischen Studiensystem des 13. Jahrhunderts und seinen Voraussetzungen vor allem auch Dieter Berg: Armut und Wissenschaft. Beiträge zur Geschichte des Studienwesens der Bettelorden im 13. Jahrhundert. Düsseldorf 1977 (Geschichte und Gesellschaft 15). 81 Während der lector das Konventsstudium leitet und den Unterricht im Rahmen der theologischen Ausbildung der angehenden Prediger erteilt, ist der magister studentium „insgesamt für die Durchführung und Organisation der Studien verantwortlich“ (Hasebrink: Latinität, S. 73). Der librarius verwaltet den Bestand und Betrieb der Konventsbibliothek, der procurator scriptorum besorgt die Produktion neuer Handschriften sowohl für einzelne Brüder wie für den Konvent insgesamt und steht der Schreibstube (mit externen Kopisten) des Konvents vor. 82 Der examinator (bzw. die Gruppe der examinatores) prüft Fähigkeiten und Qualitäten von Kandidaten, die in den Orden einzutreten gewillt sind, der circator – als Konventsamt erst 1254 während Humberts Generalat institutionalisiert (vgl. Brett: Humbert of Romans, S. 145) – überwacht die Einhaltung der rechten, ordensgemäßen geistlichen Lebensform durch die Brüder. Dem custos dormitorii ist die Aufsicht über die gemeinschaftliche Schlafstätte übertragen, dem portarius die Kontrolle über die Konventspforte. Dem depositarius (bzw. den beiden depositarii) sind Wertgegenstände und Einlagen im Konventsdepot anbefohlen. 83 Dem procurator, Schaffner, obliegt die Wirtschaftsführung und Verwaltung der zeitlichen Güter des Konvents, die consiliarii stehen dem Prior bei bestimmten den Konvent betreffenden Entscheidungen beratend zur Seite. Der eleemosynarius ist mit dem Empfang oder mit der Verteilung von Almosen betraut. 84 Der refectorarius ist zuständig für die Organisation und Durchführung der gemeinsamen Mahlzeiten, der servitor mensae dient den Brüdern bei Tisch. Der lector mensae versieht die Tischlesungen, die der

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denen der Gäste der receptor hospitum, allen dienen coquinarius und custos cellarii. Es folgen noch die Konventsämter, die die Kleidung der Brüder (vestiarius, sartor, sutor), Baumaßnahmen im Bereich der Konventsgebäude (praefectus operum) und die Pflege des Konventsgartens (hortulanus) betreffen. Von den genannten 36 Offizialen (Kap. I–XXXVI) hat Humbert eine Reihe von Funktionsträgern im Bereich der Leitungsgremien und des Verfassungssystems des Gesamtordens und der Provinzen separiert, die ihre Ämter nicht continue, sondern in casibus et ad tempus ausüben wie die Mitglieder des jährlich tagenden Generalkapitels und der Provinzkapitel, Diffinitoren und ihre socii, Wähler des Generalmeisters und des jeweiligen Provinzialpriors, Visitatoren, Generalprediger und Beichtiger. Sie werden im Anschluss an ein Kapitel (XXXVII) mit einigen übergreifenden Bemerkungen zur Gruppe der permanenten Konventsämter beschrieben (Kap. XXXVIII–XLVI).85 Eine dritte Gruppe von Amtsträgern, die im wöchentlichen Turnus liturgische Dienste gemäß den Vorschriften des Ordinariums versehen, hat Humbert hingegen nicht eigens in seine Instructiones aufgenommen.86 Das Buch der Ämter87 setzt zwar die skizzierte Struktur der lateinischen Instructiones und deren hierarchische Stufung in Grundzügen voraus, hat sie aber mit Blick auf die neue Zielgruppe und deren „von der Ordenshierarchie auf die konventionellen monastischen Organisationsformen von Klausur und vita contemplativa festgelegt[e]“88 geistliche Lebensform in verschiedener Hinsicht deutlich modifiziert.89 Den Text konstituiert jetzt eine Serie von 23 Ämtern, die die „spezifisch monastische[] Tradition“90 der Dominikanerinnengemeinschaften entsprechend den Vorgaben der normativen Grundtexte, von Augustinusregel und Konstitutionen, widerspiegelt. Es entfallen mithin gegenüber Humberts Instructiones alle Amtsfunktionen jenseits der Konventsebene, d.h. die für den männlichen Zweig konstitutiven Leitungs- und Verfassungsämter des Ordens und der Provinzen. Die Anfangs- und Endpunkte der Reihe der Konventsämter stimmen freilich mit dem Modell Humberts von Romans überein: Im Ämterbuch führen die Ämter der Priorin (Kap. I) und der Subpriorin (Kap. II) die Reihe der Offiziale an, sie wird beschlossen

|| corrector in mensa zugleich „auf ihre sprachlich-formale Richtigkeit hin“ kontrolliert (Hasebrink: Latinität, S. 71). 85 Ein abschließendes Kapitel mit dem Amt des praedicator communis (XLVII) hat Berthier im Anhang zu seiner Ausgabe der Instructiones ediert, da es sich wohl um einen späteren Zusatz zu Humberts Text handelt (dazu Opera de vita regulari 2, S. 369 Anm. 1; Brett: Humbert of Romans, S. 149 Anm. 91). 86 Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 180. 87 Text in: Ricketts 198, fol. 1ra–116rb; ed. DeMaris, S. 153–350. 88 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 44. 89 Siehe hierzu und zum Folgenden die Synopse des lateinischen und des deutschen Textes u. S. 30–32. – Eine Übersicht über die 23 Hauptkapitel des Ämterbuchs (einschließlich der Zahl der jeweiligen Unterkapitel und kurzen Erläuterungen zum Aufgabenbereich) auch bei Ekkehard Borries: Schwesternspiegel im 15. Jahrhundert. Gattungskonstitution – Editionen – Untersuchungen. Berlin/New York 2008, S. 420. 90 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 44.

28 | Buch der Ämter und Buch der Ersetzung

vom Amt der Gartenmeisterin (Kap. XXIII).91 Erhalten sind ebenfalls – ungefähr an identischer Position – einzelne ,Cluster‘ aus Humberts Serie wie die typologische Kategorie der für den cultum divinum zuständigen Funktionen (wobei die beiden Kapitel von cantor und succentor bei Meyer zu einem Kapitel [VII] vereinigt werden, dem hier das Amt der Küsterin [Kap. VI] vorausgeht) und die Sequenz der vier ,Tischämter‘, je zwei den necessitatibus corporalibus und spiritualibus vorbehalten.92 Ausgelassen hat das Ämterbuch dagegen – neben den übergeordneten konstitutionellen und Leitungsfunktionen des Ordens – insbesondere auch die genuinen ,Studienämter‘ der Instructiones (beibehalten ist allein das Amt der Buchmeisterin [Kap. XIV]), die die Bedeutung und Innovation der aufeinander bezogenen proposita von Predigt, Seelsorge und Studium für den Ersten Orden akzentuieren, für das spirituelle Profil der Dominikanerinnen aber gerade nicht vorgesehen sind. Johannes Meyer hat diese elementaren Divergenzen zwischen den beiden Ordenszweigen im Prolog zum Ämterbuch, mit Blick auf die Unterschiede zwischen den jeweiligen Konstitutionentexten, explizit gemacht: Aber von dem studi[um] vnd Capitelen profincial vnd general · vnd predigen hand wir prüder prediger ordens in vnser Constitucion · das ir swester nit hand in wr Co[n]stitucion noch bedörffent · da gegen hand ir von der beschlüß vnd des gelich das wir prüder nit enhand noch bedörffent.93 Es sind denn auch die im Zuge der spätmittelalterlichen Observanzbewegung immer wieder als entscheidendes Instrument für die spirituelle Erneuerung reklamierten Klausurvorschriften für die Frauenklöster und die Forderung nach deren Geltung,94 die sich in der Faktur und Konzeption des Ämterbuchs in besonderer Weise niedergeschlagen haben. An erster Stelle ist hier das Amt der Raderin oder vielmehr die Ämtergruppe aller raderin, fenstrin vnd horerin (Kap. VIII) zu nennen – also derjenigen, die an Rad oder Drehlade und am Redfenster des Konvents Verkehr und Kommunikation mit der Außenwelt außerhalb der Klausur unterhalten und überwachen –,95 die prinzipiell jenes des portarius der Instructiones ersetzt. Allein die Ausdifferenzierung der Position des Konventspförtners der Predigerbrüder in drei Funktionen bei den Schwestern (die dritte, die Hörerin, dabei interne Kontrollfunktion der beiden anderen), wie sie schon die Kapitelüberschrift des Ämterbuchs anzeigt, kann die Gewichtung und den Stellenwert dieser Amtsfunktion(en) für

|| 91 Die Zählung der Großkapitel zu den einzelnen Ämtern folgt der des vorangestellten Registers in Ricketts 198, fol. 4ra–rb; ed. DeMaris, S. 159f. 92 Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 180. 93 Ricketts 198, fol. 1vb–2ra; ed. DeMaris, S. 154,52–57. Eingriffe in den hs. Text sind durch eckige Klammern angezeigt. Speziell für die Lesart studium, die das in Ricketts 198 wohl verlesene studirn ersetzt, folge ich der parallelen Überlieferung der Handschriften Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, K 1177, fol. 3r, und Freiburg i.Br., Stadtarchiv, B 1 Nr. 147, fol. 3v sowie B 1 Nr. 108, fol. 22r (vgl. Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 410). 94 Vgl. etwa Barbara Steinke: Paradiesgarten oder Gefängnis? Das Nürnberger Katharinenkloster zwischen Klosterreform und Reformation. Tübingen 2006 (Spätmittelalter und Reformation N.R. 30), S. 45–54; Uffmann: Wie in einem Rosengarten, S. 202–220. 95 Ricketts 198, fol. 34ra; ed. DeMaris, S. 213,2.

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das normative geistliche Leben der Frauengemeinschaften – nach den Präskriptionen der Konstitutionen und aus der Perspektive der Ordensautoritäten bzw. ihrer observanten Repräsentanten – verdeutlichen (entsprechend charakterisiert Meyer dies Amt eingangs als gross vnd furnem […] in dem closter).96 Hinzu kommt, dass einige weitere der in Humberts Instructiones beschriebenen Ämter, die einen Kontakt mit der ,Welt‘ voraussetzen, unter den spezifischen Klausurbedingungen der Schwestern nicht operabel sind und daher in Meyers Konzeption des Ämterbuchs an die zentrale Schaltstelle zwischen Innenund Außenbereich des Klosters, eben zum Amt der gros raderin als der primären Bezugsperson für die limitierte Kommunikation zwischen Innen und Außen, verschoben oder dort gebündelt werden. Dies betrifft das Almosenamt (Kap. VIII,8) ebenso wie die Funktionen der Gast- (Kap. VIII,10), Gesinde- (Kap. VIII,12) und Konversenmeisterin (Kap. VIII,13), die bisweilen von der Raderin, die do an dem grossen gemeinen rad ist/ do si öch me red vnd antwurt geben müs aller hand personen von geistlichen vnd zitlichen sachen,97 ausgeübt werden, vff daz dester minder zu gang sige zu dem rad von den swestren.98 Umgekehrt erfordern dieselben Konditionen eines streng limitierten ,Weltzugangs‘ mitunter, gewisse Amtsfunktionen doppelt zu installieren außerhalb des Klausurbereichs der Schwestern und zur Bewirtschaftung und Verwaltung der Höfe und Liegenschaften des Klosters. Von daher enthält das Buch der Ämter etwa im Kapitel zum Amt aller raderin, fenstrin und horerin jeweils Unterkapitel zu den Ämtern des Pförtners des Klosterhofs (Kap. VIII,6/7), des vssern almusners (Kap. VIII,9) und des Gesinde- und Hofmeisters (Kap. VIII,12). Gleiches gilt für das Amt der Küsterin (Kap. VI), wo zugleich Ämter der Hüter und der Küsterin der äußeren Kirche (außerhalb der Konventsklausur) aufgeführt sind (Kap.VI,4/5).

|| 96 Ricketts 198, fol. 34vb; ed. DeMaris, S. 214,33. Meyer übernimmt freilich den dann folgenden Katalog von spezifischen Anforderungen an die jeweiligen Amtsträgerinnen im Sinne vorbildlicher geistlicher Lebensführung und untadeliger sozialer Umgangsformen genau von Humbert (Opera de vita regulari 2, S. 274f.) – denn schon für Humbert ist die Kontaktzone zwischen Konvent und ,Welt‘ sowohl für das Selbstverständnis wie für die Außenwahrnehmung des Predigerordens von eminenter Bedeutung. 97 Ricketts 198, fol. 44vb; ed. DeMaris, S. 227,449–451. 98 So Meyers Begründung dafür, dass das Amt der für die Konversen auf den Höfen der Dominikanerinnen Verantwortlichen eher von der Raderin als von der Meisterin der (klausurierten) Laienschwestern ausgeübt werden solle, wenn es die Priorin nicht selbst übernehmen könne (Ricketts 198, fol. 49rb–va; ed. DeMaris, S. 233,636–644).

30 | Buch der Ämter und Buch der Ersetzung

Tab. 1: Synopse99 Humbert von Romans: Instructiones de officiis ordinis

Johannes Meyer: Buch der Ämter



Vorrede Johannes Meyers

Prologus

Vorrede Humberts (Exzerpte) und kommentiertes Inhaltsverzeichnis (Register)

I: De officio magistri ordinis (15)



II: De officio prioris provincialis (8)



III: De officio prioris conventualis (10)

I: Von dem ampt einer priorin (10)

IV: De officio supprioris (4)

II: Von dem ampt der suppriorin (4)

V: De officio magistri novitiorum (20)

X: Von dem ampt der nouitzen meistrin (26) X,2: Von dem ampt der swestren, die di berhören sind, die personen, die man zu dem orden enphahen sol

VI: De officio magistri conversorum (1)

XI: Von dem ampt einer ley swester meistrin (3)

VII: De officio correctoris familiae (1)

VIII,12: Von dem ampt des gesindes vnd hofs meisters vnd von dem ampt der gesind meistrin, daz der schaffnerin oder gros raderin enpfolen mag werden

VIII: De officio cantoris (5)

VII: Von dem ampt der tzweyger sengerin (3) VII,2: Von dem grossen fliss den die sengerin des rechten chors zu maniualtigen dingen haben sol

IX: De officio succentoris (1)

VII: Von dem ampt der tzweyger sengerin VII,3: Von der sengerin des lincken chors vnd von den vnder sengerin der beden choren

X: De officio sacristae (8)

VI: Von dem ampt der küsterin (9) VI,4: Von dem ampt der kirch hutter der außern kirchen VI,5: Von dem ampt vnd flis der kustrin vnd kilchwartin der vssern kilchen

XI: De officio lectoris (2)



XII: De officio magistri studentium (6)



XIII: De officio librarii (4)

XIV: Von dem ampt der buch meistrin (3)

|| 99 Die Tabelle verzeichnet für Meyers Ämterbuch in Petitsatz und nach der Gliederung des Textes in Ricketts 198 zusätzlich Differenzierungen oder Unterfunktionen zu den ,Hauptämtern‘, soweit sie in den Überschriften der jeweiligen Unterkapitel benannt werden und Abweichungen gegenüber den ihnen synoptisch zugeordneten Kapiteln des lateinischen Prätexts (ed. Berthier) erkennen lassen. Sofern es sich dabei um Äquivalente oder Adaptationen von Ämtern der Instructiones handelt, die in der Tabelle an anderer Stelle erscheinen, ordnet die Synopse sie diesen Ämtern Humberts noch einmal eigens zu. Nicht berücksichtigt sind verschiedene Wochenämter, die Meyer im Kontext des Amts der Novizenmeisterin speziell für die jungen Schwestern beschreibt. Die Gesamtzahl der Unterkapitel zu den Hauptkapiteln der Instructiones und des Ämterbuchs ist jeweils in runden Klammern angegeben (wo es keine Unterkapitel gibt, steht die Angabe „1“).

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Humbert von Romans: Instructiones de officiis ordinis

Johannes Meyer: Buch der Ämter

XIV: De officio gerentis curam scriptorum (2)



XV: De officio examinatorum (1)

X,2: Von dem ampt der swestren, die di berhören sind, die personen, die man zu dem orden enphahen sol

XVI: De officio circatoris (1)

III: Von dem ampt der beden Cirkarin (2)

XVII: De officio custodis dormitorii (1)

XXII: Von dem ampt der dormiterin (2)

XVIII: De officio portarii (2)

VIII: Von dem ampt aller raderin, fenstrin vnd horerin (13) VIII,6: Von dem ampt des portners des hoffs VIII,8: Von dem ampt der almusnerin VIII,9: Von dem ampt des vssern almusners VIII,10: Raderin zugleich erste Gehilfin der Schaffnerin, zugleich auch gastmeisterin

VIII,11: Von dem ampt des gast meisters VIII,12: Von dem ampt des gesindes vnd hofs meisters vnd von dem ampt der gesind meistrin, daz der schaffnerin oder gros raderin enpfolen mag werden VIII,13: Von dem ampt der conuersen oder leyg bruder meistrin oder meister

XIX: De officio depositariorum (1)

XXI: Von dem ampt der depositarien oder brieff meistrin (2) XXI,2: Von dem ampt der prouisatrices oder verseherin

XX: De officio procuratoris (2)

IV: Von dem ampt der schaffnerin (4)

XXI: De officio consiliariorum (1)

XII: Von dem ampt der rat swestren (2)

XXII: De officio eleemosynarii (2)

VIII,8: Von dem ampt der almusnerin VIII,9: Von dem ampt des vssern almusners

XXIII: De officio refectorarii (4)

XVII: Von dem ampt der refecterin (4)

XXIV: De officio servitoris mensae (3)

XVIII: Von dem ampt der tisch dienerin (3)

XXV: De officio lectoris mensae (1)

XIX: Von dem ampt der tisch leserin (2)

XXVI: De officio correctoris in mensa (1)

XX: Von dem ampt der Correctrix mense (2)

XXVII: De officio infirmarii (3)

IX: Von dem ampt der siechmeistrin (7) IX,4: Von dem ampt der vnder siechmeistrin IX,5: Von dem ampt der siechen dienerin

XXVIII: De officio servitoris infirmorum (5)

IX,4: Von dem ampt der vnder siechmeistrin IX,5: Von dem ampt der siechen dienerin

XXIX: De officio receptoris hospitum (4)

VIII,11: Von dem ampt des gast meisters

XXX: De officio coquinarii (4)

XVI: Von dem ampt der kuchin meistrin (4)

XXXI: De officio custodis cellarii (1)

V: Von dem ampt der kellerin (5)

XXXII: De officio vestiarii (1)

XV: Von dem ampt aller gewand meistrin (3)

XXXIII: De officio sartoris (2)



XXXIV: De officio sutoris (1)



32 | Buch der Ämter und Buch der Ersetzung

Humbert von Romans: Instructiones de officiis ordinis

Johannes Meyer: Buch der Ämter

XXXV: De officio praefecti operum (1)

XIII: Von dem ampt der bu meistrin vnd bu meister (2)

XXXVI: De officio hortulani (3)

XXIII: Von dem ampt der gartnerin (1)

XXXVII: De quibusdam communibus ad officiales multos spectantibus (1)

XXIV: Ein gemein lere vnd vnder wisung zu allen ampt swestren (3)



XXV: Von dem namen dis buches (1)



XXVI: Des buchs besliessung (Explicit) (1)

XXXVIII: De officio diffinitoris capituli generalis (4)



XXXIX: De officio socii diffinitoris capituli generalis (4)



XL: De officio electoris magistri (1)



XLI: De officio electoris prioris provincialis (1)



XLII: De officio diffinitoris capituli Provincialis (1)



XLIII: De officio visitatoris (4)



XLIV: De officio praedicatoris generalis (1)



XLV: De officio socii prioris conventualis euntis ad capitulum provinciale (3)



XLVI: De officio confessoris (12)



(XLVII: De officio praedicatoris communis [7])



Ähnliche Verschiebungen wie die hier angedeuteten hat Meyer auch andernorts vorgenommen, wenn er beispielsweise Funktionen, die bei Humbert dem Amt des Generalmeisters zugewiesen waren, der Konventspriorin zugeschrieben hat.100 Größere Umstellungen im Vergleich zur Anordnung der Ämter im Prätext Humberts liegen insbesondere vor bei den Ämtern der Schaffnerin und der Zirkarin bzw. der zwei Zirkarinnen, deren Aufgabe darin besteht, die verschiedenen Aktivitäten der einzelnen Konventsmitglieder zu unterschiedlichen Zeiten zu beobachten und das regelkonforme Verhalten der Nonnen zu überwachen „by carrying out inspections that amounted to a continual internal visitation“.101 Beide Ämter, das der Zirkarinnen (Kap. III) und das der Schaffnerin (Kap. IV), hat Meyer nun direkt nach den Leitungsämtern der Priorin und Subpriorin platziert. Er ist damit der Vorlage der Dominikanerinnenkonstitutionen gefolgt, wo beide Ämter (De circatricibus, De cellararia) in derselben Reihenfolge und im Anschluss an Ausführungen zu

|| 100 Dazu genauer u. S. 34–36. 101 Jeffrey F. Hamburger: Nuns as Artists. The Visual Culture of a Medieval Convent. Berkeley [usw.] 1997 (California Studies in the History of Art 37), S. 51.

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den Funktionen der Priorin und der Subpriorin behandelt werden.102 Speziell für das Amt der älteren oder höherrangigen der beiden Zirkarinnen betont das Ämterbuch, wie sehr es von Bedeutung ist für die Observanz der normativen monastischen Lebensweise nach Maßgabe der Gesetze des Ordens, und dass die Zirkarin die dritt genant wirt mit leben fürnemikeit · vnd gewalt · in dem closter und als Vertreterin von Priorin und Subpriorin fungiert – sollten beide übergeordneten Positionen zur gleichen Zeit aufgrund von Krankheit eingeschränkt sein.103 Das Amt der Kellermeisterin (Kap. V) ist im Ämterbuch dann wohl vor allem wegen inhaltlicher und funktionaler Zusammenhänge unmittelbar an das Schaffneramt als das für die Wirtschaftsführung und Güterverwaltung des Konvents zentrale Amt angeschlossen worden. Und auch bei diesen beiden Ämtern sind Abweichungen gegenüber Humberts Text speziell wieder vor dem Hintergrund der Bemühungen um Einhaltung der strengen Klausur zu konstatieren: etwa wenn zu Beginn des Kapitels zur Kellermeisterin bauliche und einrichtungstechnische Details der Kellerräume beschrieben werden, die – ähnlich wie die diffizilen Vorgaben zur Beschaffenheit von Rad, Fenstern und Zugängen (samt Schlössern) zum inneren Kloster beim Amt der Raderin104 – die Sicherung des Klausurbereichs betreffen,105 oder im Rahmen der Erläuterungen zum Amt der Schaffnerin eine auf das Notwendige beschränkte Kommunikation mit den auswendigen schaffenern des closters angemahnt wird.106 Zumindest in Teilen hat Johannes Meyer jene beiden Partien des Prätexts (Prolog, Kap. XXXVII) für sein Ämterbuch übernommen, die die Serie der Konventsämter einfassen. Von Humberts Prolog bringt der deutsche Text, unter der Überschrift vorred des seligen meister humberti,107 den einleitenden Passus, der den Texttyp des Ämterbuchs aus der Tradition der Schriften der anerkannten monastischen Kommunitäten ableitet und seine Funktionen benennt – nämlich den jeweiligen Amtsträgern Orientierungswissen zum Umfang und Inhalt der ihnen befohlenen Aufgabenbereiche bereitzustellen, damit alle ding dester ördenlicher vnd dester volkumelicher volbracht würden –,108 sowie zwei kürzere Passagen vom Ende zur Differenzierung und Zuteilung von entsprechenden Amtsfunktionen im Dominikanerorden. Den Schlussteil des lateinischen Prologs, wo der Unterweisungscharakter der Instructiones gegenüber einer (nicht gegebenen) rechtlichen Verpflichtung betont wird, hat Meyer hingegen ans Ende seines Textes transferiert (Kap. XXV: Von dem namen dis buches) und um den geltungssichernden Hinweis auf die inhaltlichen Übereinstimmungen des Textes mit den Dominikanerinnenkonstitutionen ergänzt.109 Es folgt dieser Prologschluss auf Humberts Kap. XXXVII mit abschließenden allgemeinen || 102 Liber Constitutionum Sororum Ordinis Praedicatorum, S. 346. 103 Ricketts 198, fol. 15ra–rb; ed. DeMaris, S. 179,27f. 104 Ricketts 198, fol. 34rb–vb, 38va–40vb; ed. DeMaris, S. 213,4–214,32, 219,189–222,281. 105 Ricketts 198, fol. 21ra–rb; ed. DeMaris, S. 191,15–192,30. 106 Ricketts 198, fol. 19va; ed. DeMaris, S. 188,96–98. 107 Ricketts 198, fol. 3va; ed. DeMaris, S. 158,3f. 108 Ricketts 198, fol. 3vb; ed. DeMaris, S. 158,6–12. 109 Vgl. o. S. 23f.

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Erläuterungen zu verschiedenen Konventsämtern,110 die Meyer mehr oder minder unverändert beibehalten hat (Kap. XXIV: Ein gemein lere vnd vnder wisung zu allen ampt swestren). Das Resultat dieser einzelnen Umstellungen und Neugruppierungen ist eine charakteristische rhetorische Abrundung des Ämterbuchs, zu der neben dem Schlussgebet des Autors und Explicit (Kap. XXVI: Des buchs besliessung) vor allem auch dessen große programmatische Vorrede beiträgt,111 die den Exzerpten aus Humberts Prolog vorgeordnet ist und die Rezeption des deutschen Textes steuert – auf dass die Adressatinnen dem ihnen gewiesenen Weg zur rechten monastischen Lebensform folgen und ihren orden dester redlicher vnd dester volkumener vnd auch dester pas mögen in allen dingen halten.112

2.2.3 Exemplarische Beobachtungen zu einzelnen Konventsämtern Um Meyers Verfahren der Adaptation des Prätexts etwas präziser zu fassen, seien im Folgenden die Ämter der Priorin, der Novizenmeisterin und der Buchmeisterin als mehr oder minder repräsentative Fälle herausgegriffen. Speziell die Funktionen der Novizenmeisterin und der Buchmeisterin sind von der Forschung nicht zuletzt wegen ihrer bildungsgeschichtlichen Implikationen im Kontext der dominikanischen Ordensreform verschiedentlich in den Blick genommen worden.113 Dagegen geht es mir hier zunächst um die textuelle Faktur und inhaltliche Konzeption der einzelnen Kapitel auf der Grundlage und in Abgrenzung von Humberts Instructiones. 2.2.3.1 Priorin Für seine Darstellung des Amts der Priorin hat Johannes Meyer die Struktur von Humberts Kapitel zum Konventsprior im Wesentlichen beibehalten. Diesem Grundgerüst hat er

|| 110 Es geht hier im Einzelnen um die gehorsame Ausübung des übertragenen Amtes, um Dispens, Helfer und Vertreter, Beachtung einschlägiger schriftlicher Vorgaben und ordinationes, Rechenschaft über die materielle Ausstattung des Amtes und Ausgaben, Entscheidungsfindung bei Kompetenzstreitigkeiten, Verhalten gegenüber Untergebenen, Kumulation oder Delegation von Funktionen, sorgsame Erfüllung aller erforderlichen Aufgaben und Einweisung in das Tätigkeitsfeld bei Antritt eines Amtes. 111 Dazu siehe im Einzelnen u. S. 46–49. 112 Ricketts 198, fol. 2va; ed. DeMaris, S. 155,83f. Vgl. o. S. 22. 113 Hasebrink: Tischlesung, S. 193–196 (Novizenmeisterin); Ehrenschwendtner: Bildung der Dominikanerinnen, S. 99–118 (Novizenmeisterin), S. 290f., 302–307 (Buchmeisterin); Eva Schlotheuber: Bücher und Bildung in den Frauengemeinschaften der Bettelorden. In: Nonnen, Kanonissen und Mystikerinnen. Religiöse Frauengemeinschaften in Süddeutschland. Beiträge zur interdisziplinären Tagung vom 21. bis 23. September 2005 in Frauenchiemsee. Hrsg. von Eva Schlotheuber, Helmut Flachenecker und Ingrid Gardill. Göttingen 2008 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 235), S. 241–262, hier S. 246f. (Novizenmeisterin), 257f. (Buchmeisterin).

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allerdings – darauf weist er in der Vorrede eigens hin114 – an mehreren Stellen Partien aus Humberts Kapitel zum Generalmeister des Ordens eingefügt und so der Dominikanerinnenpriorin spezifische Funktionen dieses Leitungsamts des Ordens zugewiesen. Das Verfahren ist einerseits vielleicht bedingt durch Humberts Vorgehensweise, bei Aufgabenbereichen, die für zwei oder mehrere Ämter relevant sind, explizite Rückverweise zu geben (so auch allgemein vom Amt des Konventspriors auf das des Generalmeisters);115 andererseits mag es den besonderen Status der von der Verbandsbildung des Ordo Praedicatorum distanzierten und daher in mancher Hinsicht, vornehmlich ökonomisch, stärker nach dem älteren Paradigma des „autonome[n] Monasterium[s]“116 organisierten Frauengemeinschaften widerspiegeln,117 das für die jeweiligen Vorsteher des Einzelhauses andere und mitunter weiter reichende rechtliche und administrative Befugnisse und Verpflichtungen impliziert als für den Leiter eines Verbandsklosters oder einer Dependance. Konkret geht es bei diesen Inseraten um die Präsenz und Handlungen der Priorin beim Officium divinum innerhalb und außerhalb des Chores (Buch der Ämter, Kap. I,1: Teile aus Humberts Kap. I,9, die sich an die thematisch analogen Schlusssätze von Humberts Kap. III,1 anschließen bzw. diese als Scharnierstelle nutzen),118 bei den gemeinsamen Mahlzeiten

|| 114 Ricketts 198, fol. 3ra; ed. DeMaris, S. 156,113–115. Meyers Hinweis (ebd.) auf eine analoge Übertragung von Funktionen des Provinzialpriors kann ich – jedenfalls für größere Textpartien und auf der Grundlage von Berthiers Ausgabe der Instructiones – vorerst nicht verifizieren (es sei denn, es ginge um implizit auch für den Provinzial geltende Bestimmungen aus dem Generalmeister-Kapitel der Instructiones). 115 Officium prioris conventualis est diligent[e]r notare ea quae de supradictis officiis magistri et prioris provincialis sibi competunt, secundum suum statum, et ea adimplere: Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 201. 116 Kaspar Elm: Orden, I. Begriff und Geschichte des Ordenswesens. In: TRE 25 (1995), S. 315–330, hier S. 317. – Am Beispiel der Schwestern von Adelhausen (Freiburg i.Br.) hat Ulrike Denne deutlich gemacht, „wie sich die Dominikanerinnen im 14. Jahrhundert in der cura in temporalibus eine Eigenständigkeit gegenüber ihrem Orden bewahrten“: Die Frauenklöster im spätmittelalterlichen Freiburg im Breisgau. Ihre Einbindung in den Orden und in die städtische Kommunität. Freiburg i.Br./München 1997 (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 39), S. 91f. 117 Dem steht die rechtliche und spirituelle Subordination der inkorporierten Dominikanerinnenklöster unter den Predigerorden und die Gehorsamspflicht ihrer Leiterinnen gegenüber den Ordensoberen und ihren Vertretern nicht entgegen (vgl. Hinnebusch: History of the Dominican Order 1, S. 382). 118 Instructiones, Kap. III,1: Non autem debet de facili unquam deesse a completorio. Cum autem est in choro, stare in dextra parte debet; Kap. I,9: Non convenit magistro libenter se absentare a divinis officiis, et maxime a completorio: nisi forte propter impotentiam corporalem, aut occupationes circa majorem utilitatem. Cum autem praesens fuerit in choro, debet primum locum in dextro choro tenere (Opera de vita regulari 2 [ed. Berthier], S. 202 u. 189). Meyer übersetzt die Version von Kap. I,9 anstelle der unspezifischeren Formulierung von Kap. III,1 und lässt weitere Passus von I,9 folgen (Ricketts 198, fol. 5rb–va, ed. DeMaris, S. 161,17– 28), und zwar zur Verrichtung des Offiziums an Festtagen (Zusatz bei Meyer: in Vesper und Matutin sowie beim Tischsegen und Gratias bei der gemeinsamen Mahlzeit im Falle eines höchsten Festtages des dominikanischen Ordinariums [totum duplex]), außerhalb des Chores (wenn es die Priorin allein spricht), und noch zum Totenoffizium (zu dem die Priorin zwar nicht verpflichtet ist, das sie aber versehen soll, wenn sie es kann).

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(Kap. I,2: weitgehend nach Humberts Kap. I,10) und im Umgang mit den einzelnen Schwestern (hier führt Meyer inhaltlich konvergente Ausführungen Humberts aus dessen Kap. III,5 und I,5 zusammen). Meyers letztes Unterkapitel I,10 kombiniert dann einzelne Passus der Instructiones zur Briefkommunikation des Generalmeisters (aus Kap. I,13) und zu dessen Verhalten gegenüber externen Personen und Gästen (aus Kap. I,8) und beendet das Kapitel zur Priorin mit Humberts Schlusspartie zum Amt des Generalmeisters (aus Kap. I,15), wo auf weiter zu beachtende Vorgaben der normativen Grundtexte wie auch der üblichen Praxis verwiesen wird und allgemeine Ratschläge für ein wünschenswertes, vernunftgeleitetes Handeln des Amtsträgers gegeben werden. Zu notieren ist aber auch, was Meyer im Zusammenhang dieser Inserate auslässt oder offenbar aus eigenen Stücken hinzusetzt: So übergeht Meyer bei seinem Rückgriff auf Humberts Kap. I,9 speziell diejenigen Partien, die von den priesterlich-sakramentalen Funktionen des Generalmeisters für die Predigerbrüder handeln (Erteilen der Absolution im Kapitel vor der Kommunion, Feier der Konventsmesse, Kommunion und Letzte Ölung für die Kranken), während in Kap. I,2, das Kap. I,10 der Instructiones adaptiert, die Anwesenheit von externen Personen im Refektorium nicht erwähnt und mit Blick auf die Abwesenheit der Priorin vom Refektorium betont wird, dass dies ohne gewichtige Gründe doch selten geschehen sol;119 Kap. I,10 des Ämterbuchs, das vor allem auf Humberts Kap. I,13 referiert, zeigt Erweiterungen und Spezifizierungen insbesondere zu den Modalitäten des Briefverkehrs, wenn etwa eingefordert wird, dass die Priorin alle ausgehenden Briefe, auch die ,private‘ Kommunikation einzelner Schwestern, vorher prüft und sicher verschließt, und dass die Raderinnen keine Briefe ohne Wissen und Erlaubnis der Priorin ausgeben; ferner seien eingehende Schreiben, an denen weder große frucht noch großer nücz liege, nicht zu beantworten, ja solle man nit zu gemein [,mitteilsam‘] sein mit prieff schriben.120 Die hier erkennbaren Tendenzen lassen sich auch sonst für Meyers Adaptation des lateinischen Prätexts im Priorin-Kapitel beschreiben. Das Ämterbuch nimmt freilich gerade dort Änderungen am Text der Instructiones vor, wo es mit Blick auf die Leitungsämter von Orden und Konvent um die grundsätzlichen Differenzen im Konzept der religiösen Lebensführung zwischen den Predigerbrüdern und den Dominikanerinnen geht: bei der vita activa der Brüder im Dienst der cura animarum und bei den dafür – über die basalen pastoralen Aufgaben und sakramentalen Handlungen hinaus – essenziellen Funktionen von Predigt und Studium, denen die vita communis und der Gebetsdienst der klausurierten Nonnen gegenüberstehen, wie auch speziell bei den ordensadministrativen Tätigkeiten, von denen die Schwestern bekanntlich ebenfalls ausgenommen sind. Programmatisch ist in diesem Sinne schon der Einleitungssatz des Priorin-Kapitels bei Meyer: Einer priorin vnd irem ampt gehört zu · das sie vor allen dingen fliß hab daz das geistlich leben zu nem · vnd ze einem sölchen sol sie me vff sehen haben den zu allen andern sachen, der die bei Humbert an identischer (exponierter) Stelle formulierten „Neuansätze“ im Selbstverständnis des || 119 Ricketts 198, fol. 5vb; ed. DeMaris, S. 162,48. 120 Ricketts 198, fol. 11ra; ed. DeMaris, S. 171,320–322.

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Predigerordens, konkret die Bedeutung des propositum des Studiums, gegenüber der „Verankerung in der monastischen Tradition“121 gerade zurücknimmt: Item, pro religione primo, et pro studio secundo, plus quam pro ali[i]s quibuscumque zelare.122 Bezeichnend ist dann etwa auch, dass Humberts Kap. III,8, das sich mit dem fructus animarum befasst und vom Prior diffizile Kenntnis der Vollmachten des Ordens und des jeweiligen Konvents in den Bereichen des Beichtwesens und der Predigt, der Dispensation, der Absolutions- und der Ablasspraxis verlangt, im Ämterbuch ersetzt ist durch einen kurzen Abschnitt (am Ende von Kap. I,8), der der Priorin auferlegt, darüber informiert zu sein, was friheit vnd genad die Clöster der swestern des ordens hand in geistlichen vnd zittlichen sachen · vnd auch irs closters in sunderheit.123 An die Stelle der potestas in verschiedenen Sektoren der cura animarum treten mithin die für Bestand, Rechtssicherung und geistliches Leben der Frauenklöster virulenten Privilegien und Freiheiten vor allem auch seitens der römischen Kurie. Die besonderen Konditionen der Frauenkommunitäten und ihres ,Weltzugangs‘ reflektiert schließlich Kap. I,9 des Ämterbuchs, wo die Ausführungen der Instructiones zu den Angehörigen der Klosterfamilie erweitert werden, indem zwischen Laienbrüdern und -schwestern von vssen und Laienschwestern von jnnen und Mitgliedern des Dritten Ordens differenziert wird, die wie alle anderen nur begrenzt und zu des closters nücz vnd ere auf den Höfen der Dominikanerinnen aufzunehmen seien.124 Genuinen Einfluss des Reformdiskurses zeigen wohl nicht zuletzt die Reserven des Ämterbuchs gegenüber jeglicher Präsenz von Dienerschaft im Klausurbereich: Wenn man denn gar nicht ohne Gesinde auskomme, die Priorin nicht alles Nötige durch ir swestren srichten könne, solle man Gesinde aber doch nur mit Lizenz des Provinzialpriors und unter der Voraussetzung annehmen, das daz closter noch die swesteren nicht verkürczet werdent an keinen dingen geistlich noch zittlich · vnd besunder das da von die ff saczung des ordens · vnd das geistlich leben · da von in kein wis geminert noch geschwechet werde · besunder gemeret.125 2.2.3.2 Novizenmeisterin Für die Bedeutung, die Humbert von Romans wie auch Johannes Meyer dem Aufgabenbereich des Novizenmeisters bzw. der Novizenmeisterin im Kontext der Ordens- bzw. Konventsämter beimessen, ist vielleicht nicht zuletzt der Platz ein Indiz, den sie ihm im Rahmen ihrer Kompendien eingeräumt haben: In beiden Fällen handelt es sich um die umfangreichste Darstellung eines Amtes. Während das Amt jedoch bei Humbert „im Zusammenhang mit der dominikanischen Studienreform von 1259“ zu sehen ist, die für die Predigerbrüder „ein dreiphasiges ordensinternes Studiensystem etablierte und die Ämter des Magister novitiorum und des Magister studentium in den Vordergrund stell|| 121 Hasebrink: Latinität, S. 52. 122 Ricketts 198, fol. 5ra; ed. DeMaris, S. 161,5–7; Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 202. 123 Ricketts 198, fol. 9rb; ed. DeMaris, S. 168,223–228; Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 208. 124 Ricketts 198, fol. 9va–vb; ed. DeMaris, S. 169,244–260; Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 209. 125 Ricketts 198, fol. 10ra; ed. DeMaris, S. 169,260–170,271.

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te“,126 sind die Gewichte bei Meyer freilich verlagert, da für die Schwestern eine Partizipation an einem elaborierten Studiensystem niemals vorgesehen war. Die Vermittlung teils elementarer, überwiegend aber wohl erweiterter mentaler und besonders auch ethischer Bildung und die Einübung in die spezifischen spirituellen und liturgischen Anforderungen monastischen Lebens stehen hier ganz im Mittelpunkt (wohingegen sie im männlichen Ordenszweig eher das Fundament darstellen, auf dem das Studienwesen aufruht). Für beides ist, gemäß den Regularien der überkommenen monastischen Praxis im Sinne des Konzepts der „inneren Klosterschule“,127 in erster Linie die Novizenmeisterin verantwortlich.128 Die prinzipiellen Verschiebungen des Buchs der Ämter gegenüber den Instructiones betreffen denn auch die Reduktion derjenigen Anteile des lateinischen Texts, die auf das spezifische Studium der Brüder bezogen sind. So löst Meyer Humberts Kap. V,18: Circa studium als eigenständigen Textteil auf und integriert Partien davon in sein Kap. X,14, dem zunächst Humberts Kap. V,13: Circa tempus (zum nützlichen Umgang mit der individuell verfügbaren Zeit) zugrunde liegt. Den Anschluss ermöglicht ein Passus von Kap. V,13, der den Novizen vorschreibt, zuweilen aliqua mechanica quae nesciunt, ut scribere, vel similia zu erlernen.129 Meyers Übersetzung ergänzt, ganz im Zeichen des Nachdrucks, den die Observanzbewegung auf ein erneuertes Gemeinschaftsideal legt, den Zweck des kollektiven Nutzens und macht zugleich eine Einschränkung, die auf den Primat des Officium divinum und die dafür notwendigen Verpflichtungen der Schwestern zielt: Item daz si mit fliß sigen leren do mit si der gemein mögen nütz vnd tröstlichen werden/ als schriben negen/ vnd anders des gelich daz man in einem Closter tün muß doch sol man si nit sollichs leren/ si haben denn vor wol gelert daz götlich ampt der siben zitten vnd alles daz zu dem orden hort.130 Die dann folgenden Inserate aus Kap. V,18 der Instructiones markiert das Ämterbuch dezidiert als optionale Bildungsinhalte für die Novizinnen – wenn sich nämlich geeignete und begabte Lehrende und Lernende finden –, und relevant sind zunächst auch nicht die bei Humbert zuvorderst genannten divinas [scientias] (,theologische Studien‘),131 sondern der Bereich der freyen künste[] und besonders die künst gramatticka, d.h. die für das Verständnis des Latein nötigen Grammatikkenntnisse. Ausdrücklich fordert das Ämterbuch – und es folgt darin Humbert132 –, dass durch solches Studium geistliches leben nicht geschwächt werde, vielmehr sich die geistlicheit mit der kunst mehre.133 Ebenso

|| 126 Hasebrink: Tischlesung, S. 193. 127 Hasebrink: Latinität, S. 76. 128 Zu Bildungswesen und Unterrichtspraxis der Dominikanerinnen umfassend Ehrenschwendtner: Bildung der Dominikanerinnen; weiterhin Schlotheuber: Bücher und Bildung. 129 Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 226. 130 Ricketts 198, fol. 73ra; ed. DeMaris, S. 270,662–666. 131 Siehe u. Anm. 134. 132 Item, quod nunquam sic sint ardentes circa scientiam, quod propter studium negligant ea quae sunt religionis, vel virtutum, vel charitatis: Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 230f. 133 Ricketts 198, fol. 73ra–rb; ed. DeMaris, S. 270,672–271,676.

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ist Humberts Position134 gewahrt, wenn für Bildungsinteressen jenseits der Latinität – so es were daz si in solicher maß gelert hetten/ daz si verstünden waz si ze latin lesend – auf das Feld der gotlichen kunst und der slechten nützen dinge[] verwiesen, vor weltlicher kunst und subtilen dingen aber gewarnt wird.135 Die Lektüreempfehlungen, die das Ämterbuch dann gibt, rekurrieren im Wesentlichen auf die der Instructiones, einige der älteren Texte aber sind – womöglich speziell im Hinblick auf das von Meyer im Zeichen des Reformdiskurses anvisierte spirituelle Profil der dominikanischen Novizinnen – ersetzt durch „Titel des 14. und 15. Jahrhunderts“:136 Es fehlen jetzt Augustins Confessiones, der Liber Florigerus137 sowie Bernhards von Clairvaux De gradibus superbiae und Wilhelms von St-Thierry Epistola ad fratres de Monte Dei; hinzugekommen sind stattdessen Heinrich Seuses Horologium Sapientiae,138 die Imitatio Christi des Thomas von Kempen sowie der Stimulus amoris139 – || 134 Item, instruendi sunt ab ipso circa studium quod saecularibus scientiis neglectis, se totos transferant ad divinas: et inter illas a principio magis vacent utilibus et planis, quam subtilioribus et obscurioribus: Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 230. Es zeigen sich hier wohl grundsätzliche Vorbehalte Humberts gegenüber dem Studium der säkularen Wissenschaften und insbesondere der Philosophie. Gleichwohl öffnete sich der Orden mit der Studienreform von 1259 – in Humberts Generalat – doch der Aristoteles-Rezeption und definierte die „Grundlinie des Gesamtstudiengangs“ in der „Abfolge von Logik, Naturphilosophie und Theologie“ (Hasebrink: Latinität, S. 56; vgl. auch Berg: Armut und Wissenschaft, S. 62f.; Brett: Humbert of Romans, S. 46–51). 135 Ricketts 198, fol. 73rb; ed. DeMaris, S. 271,676–680. 136 Hasebrink, Tischlesung, S. 195f. (mit Zitat des Ämterbuch-Textes), wo allerdings die Reduktion der Titel Humberts nicht eigens erörtert wird. 137 Nicht ganz eindeutig ist, was die bei Humbert zuvor genannten Abbreviata bezeichnen (Abbreviata et Florigerus ejusdem [= Augustini], siehe u. Anm. 139). Vermutlich aber sind Abbreviaturen oder Florilegien mit Augustinus zugeschriebenen Texten wie der Liber Florigerus gemeint. 138 Meyer spricht zwar vom buchlin der wisheit daz do heist horologium eterne sapiencie (Ricketts 198, fol. 73rb–va; ed. DeMaris, S. 271,686f.) und könnte sich damit wohl auch auf das Büchlein der ewigen Weisheit beziehen – dessen „erweiterte Neuredaktion“ in lateinischer Sprache das Horologium Sapientiae darstellt (Alois M. Haas/Kurt Ruh: Seuse, Heinrich. In: 2VL 8 [1992], Sp.1109–1129, hier Sp. 1123; zum Verhältnis beider Texte im Einzelnen Pius Künzle: Heinrich Seuses Horologium Sapientiae. Erste kritische Ausgabe unter Benützung der Vorarbeiten von Dominikus Planzer OP. Freiburg Schweiz 1977 [Spicilegium Friburgense 23], S. 28–54) –, doch da es im Kontext seiner Ausführungen zur Latinität der Schwestern gerade um lateinische Texte geht, wird das Horologium Sapientiae gemeint sein (für das Büchlein der ewigen Weisheit plädiert Falk Eisermann: Stimulus amoris. Inhalt, lateinische Überlieferung, deutsche Übersetzungen, Rezeption. Tübingen 2001 [MTU 118], S. 508). 139 Meyers Katalog beinhaltet im Ganzen daz buch hugonis von der zücht [wohl Hugo von St. Viktor: De institutione novitiorum (vgl. Brett: Humbert of Romans, S. 140f. Anm. 40; Eisermann: Stimulus amoris, S. 508)] Daz buch von dem Closter der sel [Hugo von Fouilloy: De claustro animae (vgl. Künzle: Seuses Horologium Sapientiae, S. 87; Brett: Humbert of Romans, S. 140)] Die betrachtung sancti Bernhardi [Ps.Bernhard von Clairvaux: Meditationes piissimae de cognitione humanae conditionis] Die betrachtung vnd gepet Anselmi [(Ps.-)Anselm von Canterbury: Orationes et meditationes (vgl. Brett: Humbert of Romans, S. 140)] Collaciones patrum daz ist die red der altveter/ vnd der altveter leben [Johannes Cassian: Collationes patrum; Vitas patrum] daz leben/ vnd die marter der heilgen [nicht näher bezeichnete Märtyrer-/Heiligenlegenden] Daz buchlin der wisheit daz do heist horologium eterne sapientie [Heinrich Seuses] vnd daz büchlin daz da heist Stimulus amoris vnd daz büchlin daz do heist von dem nach volgen Christi [Thomas von Kempen:

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wobei vielleicht mehr oder minder für alle drei Schriften zutrifft, was Falk Eisermann explizit für den Stimulus amoris festgehalten hat: dass er „aufgrund der Überlieferungs- und Rezeptionsbefunde als ein Reformtext spezieller Ausprägung zu gelten [hat], als ein essentieller Bestandteil der geistlichen Bildungsideale observanter Bewegungen im späten Mittelalter“.140 Bemerkenswert ist schließlich, dass das Ämterbuch Aussagen und Anleitungen in Kap. V,18 der Instructiones zu ersten Ansätzen der Predigtaktivität der Brüder nicht, wie man es vielleicht zunächst erwarten würde, übergeht, sondern adaptiert mit Blick auf die in manchen Konventen übliche Praxis, daz man enpfilt etwan etlichen swestren das si colacio tün sond zu den hohzitten/ so man von alter gewonheit des ordens zu dem heilligen sacrament sol gan. Und zur Vorbereitung dieser collacio daz ist ir predige die si dem conuent in dem Capitel oder refental ist tun, rät das Ämterbuch, das durch Studium Angeeignete und darauf schriftlich Fixierte von den Priestern des Klosters korrigieren zu lassen.141 Dass eine solche Kooperation zwischen den Klosterseelsorgern142 und den Schwestern hinsichtlich spezifischer Fragen der Produktion rhetorischer Texte bzw. konventsinterner Predig|| Imitatio Christi]/ daz buch von der mynn gotz [Bernhard von Clairvaux: Liber de diligendo Deo; Hasebrink: Tischlesung, S. 196 Anm. 26 verweist auf Thomas Peuntners Büchlein von der Liebhabung Gottes, doch scheint mir Meyers Angabe exakt auf den bei Humbert genannten liber De diligendo Deo bezogen (vgl. Brett: Humbert of Romans, S. 140)]/ daz buch barlaam [Barlaam und Josaphat]/ daz buch von den tugenden/ vnd vntugenden [Wilhelm Peraldus: Summa de vitiis et virtutibus (vgl. Künzle: Seuses Horologium Sapientiae, S. 87; Brett: Humbert of Romans, S. 140)]: Ricketts 198, fol. 73rb–va; ed. DeMaris, S. 271,682–690. – Zum Vergleich Humberts Liste: liber Ugonis De Disciplina, liber De Claustro animae, Meditationes beati Bernardi, Meditationes et Orationes Anselmi, liber Confessionum Augustini, Abbreviata et Florigerus ejusdem, Collationes et Vitae et Dicta Patrum, Passiones et Legendae Sanctorum, Epistola ad Fratres de Monte Dei D. Bernardi [d.h. Wilhelms von St-Thierry], De gradibus superbiae [Bernhards von Clairvaux (vgl. Brett: Humbert of Romans, S. 140)], liber De diligendo Deo, liber Balaam, Tractatus de vitiis et virtutibus: Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 230. Zur Verwendung bzw. Zitation mehrerer der bei Humbert aufgeführten Schriften im anonymen dominikanischen Libellus de instructione et consolatione novitiorum (von 1282/83) siehe Raymond Creytens: L’instruction des novices dominicains au XIIIe siècle d’après le ms. Toulouse 418. In: AFP 20 (1950), S. 114–193, hier S. 131–133; vgl. Künzle: Seuses Horologium Sapientiae, S. 87f. 140 Falk Eisermann: Diversae et plurimae materiae in diversis capitulis. Der Stimulus amoris als literarisches Dokument der normativen Zentrierung. In: Frühmittelalterliche Studien 31 (1997), S. 214–232, hier S. 229; siehe weiterhin Eisermann: Stimulus amoris, S. 506–511. 141 Ricketts 198, fol. 73vb; ed. DeMaris, S. 271,701–272,708. – Meyer kommt im Buch der Ersetzung erneut auf diese Praxis der Kollation bei den Dominikanerinnen zu sprechen, für die man, wie es auch bei den Predigerbrüdern üblich sei, verstärkt die jüngeren Konventsmitglieder heranziehen solle, daz si gevbt werden vnd do by sich selbs vnd die andren leren (Ricketts 198, fol. 231va). Er rekurriert dabei dezidiert auf das Vorbild und Bildungsideal jener grossen swestren clöster, wo man vor alten Zeiten so gelert weis swestren hatt die von den freyen künsten als gelert waren von lattein ze teutzsch predigen vnd collacio ze tün/ daz sich die gelerten veter dar ab wünderten (fol. 231va–vb). 142 Für die Seelsorge und geistliche Betreuung der Dominikanerinnen waren entweder die Predigerkonvente zuständig, in deren Terminbezirk das Frauenkloster lag, oder von der Ordensleitung speziell autorisierte Predigerbrüder oder ordensfremde Priester, Kapläne, „die beim Kloster residierten“ (Bürkle: Literatur im Kloster, S. 74; weiterhin Ehrenschwendtner: Bildung der Dominikanerinnen, S. 238–248).

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ten von Seiten der Schwestern gleichwohl nicht die Regel darstellte, insofern deren Tätigkeit nicht prinzipiell von den Ordensautoritäten lizensiert war, verdeutlichen die einschränkenden Formulierungen am Ende des Kapitels, wo die entsprechenden Aufgaben allein den Seelsorgern und Beichtigern zugewiesen sind: doch wo man in etlichen clöstern solliches von den obren nit erloben oder verhengen ist/ von des wegen daz sich die swestren in söllichem studieren nit ze sere krencken sige[n]/ oder von ander sach wegen daz ab geslagen wirt wie daz genant ist so mögent solliches ir priester vnd aller meist die bchter erfüllen so es füg vnd zitt hat an der stat do man den swestren predigen ist.143 Immerhin lassen Meyers Ausführungen – lokal je unterschiedlich bemessene – Freiräume erkennen, die nun Burkhard Hasebrinks auf die Verhältnisse des 15. Jahrhunderts und besonders des reformierten Nürnberger Katharinenklosters bezogenes Diktum von der „unübersehbare[n] Schriftkundigkeit der Schwestern“ bei einer „weitgehenden Abstinenz von eigener Literaturproduktion“144 nicht grundsätzlich aufheben, aber doch anders perspektivieren. Jenseits der Modifikationen im Bereich des Studiums145 unterscheidet sich Meyers Text vom lateinischen Text Humberts gerade auch durch eine Reihe von Zusätzen, die die Bedeutung und eminente Position der Novizenmeisterin im Kreis der monastischen Ämter akzentuieren. Es sind dies die Einleitung zum Amt in Kap. X,1, die Ergänzungen in den mittleren Kapiteln X,12 und X,13 und die Schlusserweiterung in Kap. X,26. Während X,1 die Vorgaben der Konstitutionen für das Profil des Amtes und seine Pflichten herausstellt und anschließend vier Sonderfunktionen neben der Novizenmeisterin im engeren Sinne, d.h. der Chorschwestern, differenziert (1.: Meisterin der jungen Schwestern bis zum Alter von 24 Jahren, die bereits die Profess abgelegt haben; 2.: Kindermeisterin, zuständig für sehr junge Novizinnen; 3.: Novizenmeisterin der Laienschwestern; 4.: Novizenmeisterin der Konversen auf den Höfen), verlangt X,12 zu disem großen ampt/ do des ordens vnd closters trost vnd zunemen mercklichen ligen ist/ in manger hand wß/ wt vnd ferr fur daz merteil der andren empter eine überaus erfahrene und verständige Amtsträgerin, die die Novizinnen speziell auch in die rechte Kommunikation mit der ,Außenwelt‘ am Redfenster

|| 143 Ricketts 198, fol. 74ra; ed. DeMaris, S. 272,716–722. 144 Hasebrink: Tischlesung, S. 196. 145 Zu erwähnen wäre hier auch noch Kap. X,2 des Ämterbuchs, das Humberts Kap. XV: De officio examinatorum in den Zusammenhang des Amts der Novizenmeisterin integriert. Wiederum sind die Bezüge auf das Studienwesen und dessen Status für die Predigerbrüder bei Meyer zurückgenommen, wenn angesichts der examinatio geeigneter Kandidatinnen, die in den Orden einzutreten wünschen, die bei Humbert empfohlene Prüfung lateinischer Bildung (loquuntur latine cum eo) und vor allem literaler Kompetenzen (Schreiben, Lesen, Singen) übergangen ist – während in den Instructiones betont wird, dass herausragende Qualifikationen in den genannten Bereichen Schwächen in anderen Gebieten, alia insufficientia, ausgleichen könnten. Erst recht ignoriert das Ämterbuch Humberts Vorschläge zu einer weitergehenden Einschätzung der intellektuellen Fähigkeiten der Eintrittswilligen hinsichtlich einer potenziellen ,Karriere‘ in den theologischen Wissenschaften und Eignung für spezifische Ordensfunktionen wie praedicator oder confessor (Opera de vita regulari 2, S. 268f.).

42 | Buch der Ämter und Buch der Ersetzung

oder Rad einweist.146 Kap. X,13 wiederum appelliert abschließend an alle, die mit der Erziehung und Bildung der Jüngeren betraut sind, dass sie, die Älteren, vrsach inen sigen zu allem dem das si ewicklichen niessen sond/ und sie lieber vs den genaden gottes/ vnd vs des heilligen geistes gaben, für die sie, die Erfahrenen, empfänglich sein sollen, regieren mögen denn vs der geschrifft der pücher. Gleichwohl – verlassen solle man sich nicht auf seine eigenen Fähigkeiten, sondern unablässig zu flucht nehmen zu den bücheren, die einen selbst möchten wsen, wie man leben sölte nach snem stat.147 X,26 pointiert zuletzt die Geltung und Verbindlichkeit der obgenanten heilsamen gutte[n] gewonheit vnd ler und all dessen, daz zu dem heilligen prediger orden hört vnd zu geistlichem tugenrichen leben, nicht nur für die Novizinnen und jungen Schwestern, sondern auch für solche Älteren, die noch nit als getriben werend/ daz si och hie von werent ze wlen lernen,148 und mahnt eindringlich, dass man die in jungen Jahren vermittelten monastischen Lebensregeln niemer me gelassen vnd sich alweg dar nach halten möge.149 Mit dieser Schlussvermahnung erfährt das Kapitel zum Amt der Novizenmeisterin bei Meyer eine signifikante rhetorische Abrundung im Gestus der Predigt, die dessen Bedeutung für die individuelle Lebensführung der Monialen noch einmal unterstreicht, indem ein Bogen von der Jugend der Schwestern bis zu ihrem Tod gespannt und der Blick geöffnet wird auf ein sicheres und gutes Sterben in der Vorahnung des ewigen Lebens, in der Hoffnung, himelische fröid ze niessen ewicklichen mit allen englen vnd vserwelten heilgen vor dem wunneklichen anblick gottes. Den Weg dorthin bahnt den Schwestern der heillige[] orden – so sie ihn bis ans Ende mit gütten willen hand gehalten.150 2.2.3.3 Buchmeisterin Das Amt des Bibliothekars bzw. der Bibliothekarin ist das einzige der vier ,Studienämter‘ Humberts, das das Buch der Ämter auch für die Dominikanerinnen vorgesehen hat. Das hat einerseits schlicht damit zu tun, dass die Pflege der Konventsbibliothek von jeher zum

|| 146 Ricketts 198, fol. 70rb–va; ed. DeMaris, S. 265,518–266,532. 147 Ricketts 198, fol. 72ra–rb; ed. DeMaris, S. 269,610–629. 148 Ebenfalls nicht nur zur Einübung der unerprobten Novizinnen, sondern auch zur Unterweisung und Anleitung älterer Schwestern, die zuweilen bestimmte Wochenämter übernehmen, hat Meyer über die Vorgaben seines lateinischen Prätexts hinaus nach Kap. X,15 Dienste und Aufgaben im Rahmen einiger dieser Wochenämter, die man in dem kor in dem götlichen ampt oder in dem refental zu volbringen hatt (Ricketts 198, fol. 74vb; ed. DeMaris, S. 273,750f.), näher beschrieben (Kap. X,16–18: Ämter der Kalendaria, Versicularia, Ceroferaria; die Ämter der Küsterin des Altars der Novizenschule, X,19, und der Hüterin der Schule, X,20, betreffen dagegen allein die Novizinnen). Diese Ergänzungen sowie auch das abschließende Unterkapitel zum Gebet der Novizenschule (X,21) deuten einmal mehr auf die tendenziell verschobene Gewichtung hin, die das Ämterbuch mit Blick auf das Officium divinum und die damit verbundenen monastischen Usancen gegenüber Humberts Instructiones indiziert. 149 Ricketts 198, fol. 84ra; ed. DeMaris, S. 289,1264–290,1273. 150 Ricketts 198, fol. 84ra–rb; ed. DeMaris, S. 290,1273–1278.

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Grundbestand monastischen Gemeinschaftslebens gehört151 und bei den Schwestern auch jenseits der besonderen Funktionalisierung des Instituts für den Studienbetrieb der Predigerbrüder in der hergebrachten Weise etabliert ist. Die Erweiterungen Meyers gegenüber dem Text der Instructiones152 zeigen andererseits aber auch, welche Bedeutung dem traditionellen Institut offenbar gerade in Zeiten der Ordensreform und von Seiten der Observanten beigemessen wurde, da „die Neuorientierung […] auf schriftliche Überlieferung angewiesen [ist], die als Grundlage der klösterlichen Praxis unverzichtbar ist“.153 Nicht von ungefähr hat man einen Zusammenhang gesehen zwischen Meyers Bestimmungen zum Amt der Buchmeisterin und der Anlage des alten Bibliothekskatalogs des Nürnberger Katharinenklosters durch die Bibliothekarin Kunigunde Niklasin in den Jahren 1455 bis 1457.154 Die Zusätze des Ämterbuchs betreffen zunächst die spezifischen Verhältnisse der dominikanischen Nonnenklöster im Allgemeinen, wenn lateinische und deutsche Texte differenziert werden und eine grundsätzlich separate Aufstellung beider Gruppen empfohlen wird. Als Option wird genannt, die lateinischen Bücher, wie in manchen Frauenklöstern üblich, in die Bibliothek des Priesterhauses auf dem Hof des Konvents, in die Obhut der Klosterseelsorger, zu geben – was vorderhand unterschiedliche Leser- und Benutzerkreise für die deutschen und lateinischen (theologischen) Handschriften (die von den lateinischen liturgischen Codices der Schwestern zu unterscheiden sind) impliziert.155

|| 151 Vgl. etwa Klaus Schreiner: „Nimm, lies“. Augustinus als Vorbild (exemplar) und Regel (regula) klösterlicher Buch- und Lesekultur im späten Mittelalter. Paring 1998 (Schriftenreihe der Akademie der Augustiner-Chorherren von Windesheim 3). 152 Vgl. dazu bereits Karl Christ: Mittelalterliche Bibliotheksordnungen für Frauenklöster. In: ZfB 59 (1942), S. 1–29, hier S. 21–23 (mit Edition des Buchmeisterin-Kapitels aus dem Ämterbuch nach der Handschrift B 1 Nr. 147 des Stadtarchivs Freiburg i.Br.; unbrauchbar ist dagegen die Ausgabe von Ernst Kelchner: Eine Bibliotheksordnung aus dem Jahre 1259. Ein Beitrag zum Bibliothekswesen des Mittelalters. In: ZfB 1 [1884], S. 307–313, wegen zahlreicher und z.T. schwerwiegender Lesefehler, die entweder auf Kelchner selbst oder seine Vorlage, eine Transkription der Handschrift Ricketts 198 durch den Frankfurter Bibliophilen und Sammler Georg Franz Burkhard Kloß, zurückgehen). 153 Hasebrink: Tischlesung, S. 197f. Zum „Konnex zwischen Reform und Bibliothekswachstum“ besonders auch Williams-Krapp: Observanzbewegungen, S. 3 (der S. 5 zitierte Passus: Wann dy diern gotz soll stetigklich lesen […] stammt allerdings nicht aus Meyers Ämterbuch, sondern ist bei Anton Hauber: Deutsche Handschriften in Frauenklöstern des späteren Mittelalters. In: ZfB 31 [1914], S. 341–373, hier S. 348 als Zitat einer deutschen Übertragung von Humberts von Romans Auslegung der Augustinusregel [nach dem Inkunabeldruck von Konrad Dinckmut] nachgewiesen). 154 MBK III/3, S. 598; Antje Willing: Literatur und Ordensreform im 15. Jahrhundert. Deutsche Abendmahlsschriften im Nürnberger Katharinenkloster. Münster 2004 (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 4), S. 32. 155 Vgl. dazu Werner Fechter: Deutsche Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts aus der Bibliothek des ehemaligen Augustinerchorfrauenstifts Inzigkofen. Sigmaringen 1997 (Arbeiten zur Landeskunde Hohenzollerns 15), S. 43, der für das Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen „drei Bibliotheken“ unterscheidet: „eine für den Vollzug der Liturgie, die sich, ihrer Benutzung entsprechend, teils in der Sakristei, teils auf dem Schwesternchor befand; eine zweite, mit überwiegend lateinischen theologischen Texten, für den

44 | Buch der Ämter und Buch der Ersetzung

Mindestens ein Verzeichnis über den Bestand dieser ausgelagerten Codices soll dann aber bei den Schwestern verbleiben, damit sie ihren Bücherbesitz dokumentieren und nachweisen können. Am deutlichsten geht Meyer über Humbert hinaus, wo er von der Inventarisierung des vorhandenen Buchbestands und der Vergabe von Signaturen handelt. Er entwirft ein zweistufiges Ordnungssystem und exemplifiziert es an konkreten Texten, wählt dabei, offensichtlich der seinerzeit gängigen Praxis vor allem der „lateinischen Bibliotheken“ folgend,156 Großbuchstaben für unterschiedliche thematische Bereiche und römische Ziffern für eine fortlaufende Nummerierung der Titel eines Bereichs. Unterschieden werden so A: materien der bibel, B: die glose vnd vslegung der heilligen vber die bibel, C: die bucher der heilligen lerer als Sant Gregorius Augustinus Jeronimus Ambrosius Beda vnd Bernhardus vnd der andren die da sagen von Cristenlicher lere, D: die Collaciones patrum vnd daz leben der altveter[,] buch der heilligen martrer vnd leben, und E: die bucher der hystorien vnd Cronicen.157 Da der Bibliothekskatalog des Nürnberger Katharinenklosters eine prinzipiell analoge Systematik zugrunde legt, hat man eine Anregung durch das Ämterbuch erwogen. Das scheint plausibel, und das „zeitliche Zusammentreffen ist sicher nicht zu übersehen“,158 letzte Gewissheit erreicht man aber nicht.159 Entscheidend dürfte jedoch sein, was Karl Christ mit dem Stichwort „Rat für die Praxis“ charakterisiert hat: Indem Meyer detaillierte Vorschläge zur systematischen Erfassung und Organisation des Buchbestands macht und diese durch Beispiele, „die bei Humbert fehlen“, illustriert,160 zielt er auf eine praktikable autonome Verwaltung des Bücherbesitzes in den einzelnen Klöstern, die den Dominikanerinnen eine systematische Benutzung in liturgischen Zusammenhängen wie auch in gemeinsamer Lesung und in privater Lektüre erlaubt, den Bestand des Vorhandenen sichert und zugleich beständige Erweiterung und Zuwachs anstrebt. Die „Bibliothek eines Klosters“ wird bei Meyer so – wie bei vielen Reformern des

|| Beichtvater und seinen Kaplan (die ihrerseits eigene oder, wenn sie Ordensleute waren, aus ihrem Heimatstift mitgebrachte Bücher besitzen konnten), aufgestellt in deren Wohnung außerhalb der Klausur; eine dritte innerhalb der Klausur für die Schwestern, bestimmt zur Tischlesung und zur persönlichen Lektüre, mit überwiegend oder ausschließlich deutschen Texten“. 156 Willing: Literatur und Ordensreform, S. 34; vgl. Christ: Mittelalterliche Bibliotheksordnungen, S. 22 Anm. 2, wo auf das Beispiel der Mainzer Kartause hingewiesen wird, sowie, mit weiteren Parallelfällen verschiedener Ordensgemeinschaften des 15. Jahrhunderts, Karin Schneider: Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. Eine Einführung. Tübingen 1999 (Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte B. Ergänzungsreihe 8), S. 202f. 157 Ricketts 198, fol. 90va–91ra; ed. DeMaris, S. 303,43–304,67. 158 Christ: Mittelalterliche Bibliotheksordnungen, S. 23. 159 Einige Unstimmigkeiten ergeben sich daraus, dass der Codex Ricketts 198 des Nürnberger Katharinenklosters zwar nach Ausweis des lateinischen Explicits zum Ämterbuch 1458 geschrieben bzw. als Abschrift einer Vorlage aus Bern fertiggestellt wurde (vgl. Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 398), der Nürnberger Katalog aber wohl schon 1455 begonnen worden war. Das schließt nun allerdings, andersherum, eine Kenntnis des 1454 entstandenen Textes des Ämterbuchs im Nürnberger Katharinenkloster vor 1458 nicht aus. 160 Christ: Mittelalterliche Bibliotheksordnungen, S. 22.

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15. Jahrhunderts – „zum Gradmesser für dessen geistige und geistliche Verfassung“.161 Denn über das götlich wort der predige und das wirdig heillig sacrament hinaus sind es Meyers Worten zufolge insbesondere vil gutter bewerter bücher/ die von der heilligen geschrifft sint/ vnd von andechtigen matterien[,] da von si, die klausurierten Schwestern, dick geistlichen trost richlichen enphahen mögen/ vnd fürderung vnd stür zu einem selligen andechtigen leben.162

2.2.4 Übersetzung und Autorschaft Nachdem die bisherigen Beobachtungen unterschiedliche Aspekte und Facetten im Verhältnis des Ämterbuchs zu Humberts Instructiones de officiis beleuchtet haben, muss es nun noch um das Verfahren der Übersetzung an sich gehen. Inwieweit thematisiert der deutsche Text dies Verfahren selbst, legt er Rechenschaft ab über seine Bearbeitungspraxis und leistet mithin einen Beitrag zum literarischen Übersetzungsdiskurs des 15. Jahrhunderts? Auch wäre zu fragen nach Reflexionen von Autorschaft: Wie stellt das Ämterbuch die Rolle Humberts für den lateinischen ,Urtext‘ dar, welche Position kommt dem Übersetzer und Verfasser des deutschen Textes zu? Für beides sieht man sich vor allem auf die Paratexte, auf die Vorrede Johannes Meyers und sein Gebet am Ende des Ämterbuchs, verwiesen. Franz Josef Worstbrock hat im Kontext „literarischen Erzählens“163 an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert zwei Möglichkeiten der „Verdeutschung“ unterschieden: einerseits ein „auf strikte Treue zum Text und auf Unantastbarkeit“ der Vorlage pochendes methodisches, ,humanistisches‘ Übersetzen, andererseits einen „generisch ältere[n] Typ der Verdeutschung“, dem es nicht so sehr auf den „Werkcharakter der Vorlage“ ankomme und der daher eine gewisse Freiheit im Umgang mit dem Ausgangstext erkennen lasse, sei es, dass „entschieden auswählend und frei paraphrasierend“ vorgegangen werde, sei es, dass der Ausgangstext mit anderem Material kompiliert oder auch „mit eigenen Kommentaren“ angereichert werde.164 Auch wenn mit dem Ämterbuch kein literarisch-narrativer Texttyp vorliegt und von daher eine Parallelisierung mit den Texten (von Niklas von Wyle und Matthias Ringmann auf der einen und von Bernhard Schöfferlin auf der anderen Seite), an denen Worstbrock seine Kategorien spezifiziert hat, schwierig ist, so zeichnet sich doch ab, dass Meyers Vorgehensweise prinzipiell jenem „generisch ältere[n] Typ der Verdeutschung“ weitaus nähersteht als dem Konzept eines ,humanistischen‘ Übersetzens, das den Ausgangstext

|| 161 Schreiner: „Nimm, lies“, S. 57. 162 Ricketts 198, fol. 92ra; ed. DeMaris, S. 305,120–306,125. 163 Worstbrock: Wiedererzählen, S. 130. 164 Worstbrock: Wiedererzählen, S. 132f.

46 | Buch der Ämter und Buch der Ersetzung

möglichst unversehrt zu transponieren sucht.165 Es wird jedenfalls noch zu zeigen sein, dass Johannes Meyer auch im Falle genuin narrativer Texte wie der Vitas fratrum dem Modell des adaptierenden Übersetzens, des „Wiedererzählens“ (Worstbrock) folgt,166 das die Autorität der lateinischen Vorlage zwar voraussetzt, dabei aber weniger auf ,Werktreue‘ bedacht ist als auf eine Anpassung des Ausgangstexts an die spezifischen Gegebenheiten und Anforderungen der vom Übersetzer intendierten Rezeptions- und Gebrauchssituation des Zieltexts. Markieren ,Übersetzung‘ und ,Adaptation‘ diametrale „Endpunkte einer Skala“167 von Translationsmethoden in typologisch-systematischer Hinsicht, dann wird man Meyers Übertragungsmodus eindeutig eher auf der Seite der ,Adaptation‘ verorten.168 In seiner Vorrede zum Ämterbuch erläutert Johannes Meyer sein Vorgehen sehr genau und berührt insbesondere das „Problem[] der sprachlichen und stilistischen Äquivalenz von Ausgangstext und Zieltext“,169 wenn er gegenüber seinen Adressatinnen betont, dass

|| 165 Auf eine mit Worstbrocks Kategorisierung im Ansatz vergleichbare Polarität von Übersetzungstypen hat Bernd Bastert jetzt für die deutschen Übertragungen von Boethiusʼ Consolatio Philosophiae aus dem 15. Jahrhundert (die jüngste davon eine verschollene Übersetzung ebenfalls von Niklas von Wyle) hingewiesen: Kontinuitäten eines ,Klassikers‘. Zur spätmittelalterlichen deutschen Rezeption der Consolatio Philosophiae des Boethius. In: Praktiken europäischer Traditionsbildung im Mittelalter. Wissen – Literatur – Mythos. Hrsg. von Manfred Eikelmann und Udo Friedrich. Berlin 2013, S. 117–139, hier S. 129–134. Und auch in diesem Fall scheinen die ,werkgetreuen‘ Translationen tendenziell im „gelehrt-wissenschaftliche[n]“ (S. 130) und – zumindest wohl im Falle von Wyle – humanistischen Umfeld anzusiedeln zu sein, während sich die stärker adaptierenden Übertragungen gerade auch monastisch-laikalen Gebrauchszusammenhängen zuordnen (hier ergäben sich in gewisser Weise Überschneidungen mit den Verhältnissen des Ämterbuchs, geht es Meyer doch nicht um eine gelehrt-wissenschaftliche Erschließung des lateinischen Textes des 13. Jahrhunderts, sondern um eine gebrauchsfunktionale Aneignung für die Dominikanerinnen des 15. Jahrhunderts). 166 Dazu u. S. 188–201. 167 Christina Schäffner: Systematische Übersetzungsdefinitionen. In: Übersetzung/Translation/Traduction. Ein internationales Handbuch zur Übersetzungsforschung/An International Encyclopedia of Translation Studies/Encyclopédie internationale de la recherche sur la traduction. 1. Teilbd. Hrsg. von Harald Kittel [u.a.]. Berlin/New York 2004 (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 26.1), S. 101–117, hier S. 108. 168 Andreas Kraß: Spielräume mittelalterlichen Übersetzens. Zu Bearbeitungen der Mariensequenz Stabat mater dolorosa. In: Übersetzen im Mittelalter. Cambridger Kolloquium 1994. Hrsg. von Joachim Heinzle, L. Peter Johnson und Gisela Vollmann-Profe. Berlin 1996 (Wolfram-Studien 14), S. 87–108, betont, „daß sich Übersetzen im volkssprachlichen Mittelalter [grundsätzlich, C.S.] als Adaptation vollzieht“ (S. 88). Kraß unterscheidet am Beispiel deutscher Stabat-mater-Übertragungen aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert zwei Gruppen „gebrauchsbedingter Adaptationstypen“ (S. 100) mit jeweils mehreren Subtypen (zum einen die „freieren Adaptationstypen, die sich von der Vorlage emanzipieren“, zum anderen „solche, die sich ihr subordinieren“ und die man auch „als glossierende Adaptationen bezeichnen kann“ [S. 104]) und stellt ihnen allen, „die als typisch ,mittelalterlich‘ gebucht werden dürfen“ (S. 105), eine „eher humanistisch“ geprägte Übersetzungshaltung gegenüber, die „sowohl dem Anspruch authentischer Übersetzung als auch volkssprachlicher und stilistischer Integrität genügt“ (S. 105f.). 169 Worstbrock: Wiedererzählen, S. 130.

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er ihnen das selb puch, die lateinischen Instructiones, welle schriben ze tüchß [,auf Deutsch‘] · nit gancz in sölcher maß · als der selbig heilig vatter meister Humbertus es geschriben hat.170 Denn Humberts Schrift betreffe die Predigerbrüder und ihre Amtsfunktionen, nicht aber die der Schwestern. Und entscheidende Kategorien, die Meyers Arbeit am Prätext leiten, sind der geistliche ,Nutz‘ und ,Trost‘ der Adressatinnen: Dar vmb so wer es ch nit als nücz fürderlich vnd als füclich vnd auch nüczlich vnd tröstlich vnd stünde ch nüt also wol · solte ich es volkumenlichen nach dem puchstaben des texten schriben. Nicht Wort für Wort habe er also den lateinischen Text übertragen, sunder aber das mer teil nach dem synn vnd nach der meinung der synnen,171 d.h. gemäß dem Inhalt und seiner Bedeutung, dem Sinngehalt.172 Das impliziert zugleich Änderungen am Ausgangstext, Umstellungen, Erweiterungen und Kürzungen, die aus der Bestimmung des Zieltexts für die reformierten Dominikanerinnen unter den Vorzeichen des normativen Diskurses des 15. Jahrhunderts resultieren: Vnd auch etwen muß ich dar zu tun · von gelegenheit [,Beschaffenheit‘] wegen wer Clöstern · gegen den Conuenten der prüder · die gar vngelich sint in beschlüß · vnd in etlichen gebẅen [,baulichen Vorkehrungen‘] · als der redfenster vnd der winden oder rad · das die Conuenten der prüder nit enhand von ordens wegen · das doch ir von recht der gelübt des ordens schuldig sint · Dar vmb das ampt das einem pruder portner wirt zu geschriben · das muß ich wandeln vnd zu legen der swester die da raderin ist vnd der fenstrin vnd des gelich auch in etlichen andern emptern vnd etwan so ist not das ich in etlichen swesteren empter wandel oder dar von neme vnd vnter züch [,auslasse‘] von dem lattin von gelegenheit vnd vmstend der sach vnd matery daz sich ze wilen also ergibt · Auch muß ich etwen materien nemen von einem geschriben ampt vnd in daz ander seczen von der synnen vnd materien volkumenheit wegen.173

|| 170 Ricketts 198, fol. 2va; ed. DeMaris, S. 155,84–86. 171 Ricketts 198, fol. 2vb; ed. DeMaris, S. 156,95–99. 172 Grundsätzlich zur überzeitlichen Diskussion der Opposition von „wörtlicher und freier bzw. wörtlicher und sinngemäßer Übersetzung“ in unterschiedlichen (literarischen, philosophischen, theologischen) Diskursen Schäffner: Systematische Übersetzungsdefinitionen, S. 107f. – Für das 15. Jahrhundert und den Bereich deutschsprachiger Übertragungen lateinischer Vorlagen sind immer wieder auch Niklas von Wyle und Heinrich Steinhöwel als exemplarische Antipoden genannt worden, wenn es um den „Gegensatz wort uz wort oder sin uz sin“ geht: Christa Bertelsmeier-Kierst: Übersetzungsliteratur im Umkreis des deutschen Frühhumanismus: Das Beispiel Griseldis. In: Heinzle/Johnson/Vollmann-Profe (Hrsg.): Übersetzen im Mittelalter, S. 323–343, hier S. 324; Gerd Dicke: Heinrich Steinhöwels Esopus und seine Fortsetzer. Untersuchungen zu einem Bucherfolg der Frühdruckzeit. Tübingen 1994 (MTU 103), S. 77–83; Nikolaus Henkel: Übersetzen im Mittelalter. Konstituenten sprachlichen Transfers: Adressaten – Ziele – Gattungsgebundenheit. In: Geschichte der Übersetzung. Beiträge zur Geschichte der neuzeitlichen, mittelalterlichen und antiken Übersetzung. Hrsg. von Bogdan Kovtyk, Gerhard Meiser und Hans-Joachim Solms. Berlin 2002 (Angewandte Sprach- und Übersetzungswissenschaft 3), S. 191–214, hier S. 207–210; grundlegend schon Franz Josef Worstbrock: Zur Einbürgerung der Übersetzung antiker Autoren im deutschen Humanismus. In: ZfdA 99 (1970), S. 45–81, hier S. 49f. (wo neben Steinhöwel auch Albrecht von Eyb angeführt wird); Kuhn: Versuch über das 15. Jahrhundert, S. 137. 173 Ricketts 198, fol. 2vb–3ra; ed. DeMaris, S. 156,99–113.

48 | Buch der Ämter und Buch der Ersetzung

Gerade für die Zusätze zum lateinischen Ausgangstext in wort vnd synn zerstreut Meyer jeden Gedanken an eine eigenwillige Zutat des deutschen Übersetzers. Das aus diversen Quellen und Prätexten kompilierte Material ist vielmehr dadurch legitimiert und in seiner Geltung abgesichert, dass es in seiner Gesamtheit auf das ius particulare des Ordens zurückgeht, auf Konstitutionen und Liber ordinarius (notell) der Dominikanerinnen, päpstliche Privilegien und Ordinationen der Ordensoberen: Auch so muß ich vnterwilen wort vnd synn zulegen · was ich aber pin zulegen · das tün noch nim ich nit von mir selbs auß meinem eygen synn · sunder von dem synn der Constitucion · oder der notell · oder von den bewerten freiheiten des ordens vß den pebstlichen bullen · oder vß ettlichen ordinacioen [sic] etlicher meister des ordens oder provincial vnd ander prelaten des ordens.174

Nicht nur aus den zuletzt genannten Ordinationen der Ordensautoritäten für verschiedene Provinzen und Predigerkonvente und vor allem Schwesternklöster habe er freilich ze wilen das best vnd das tapfferst vs gezogen do von man den orden ze halten aller bast geleren mag, sondern überdies auch vs des ordens güten bewerten gewonheitten, die ihm von einer Reihe von Klöstern besunder vnsers prediger orden und speziell in seiner Funktion als Seelsorger und Beichtvater der Berner Dominikanerinnen bekannt geworden und von den elttern vnd bewerten personen des ordens berichtet worden seien.175 Authentisiert und autorisiert ist die neu hinzugekommene Materia somit zumindest in Teilen auch durch die ausgewiesene Zeugen- und Kennerschaft des Verfassers des deutschen Textes. Dessen ungeachtet ist Meyers modernisierende Adaptation oder, genereller gefasst, „Retextualisierung“176 der Instructiones de officiis für die Dominikanerinnen des 15. Jahrhunderts weit davon entfernt, Humberts Autorschaft am Prätext in Frage zu stellen. Im Gegenteil führt Meyer Humbert von Romans in der Vorrede nicht nur als einen vnser heiligen alt forderen und als Exemplum für ein heiligmäßiges und christförmiges Leben ein,177 das auf „admirative Identifikation“ zielt,178 er profiliert ihn vor allem auch als göttlich begnadeten Autor und durch päpstliche Gewalt legitimierten Verfasser von normativen || 174 Ricketts 198, fol. 3ra–rb; ed. DeMaris, S. 156,117–123. Zu diesem Passus bereits o. S. 24. 175 Ricketts 198, fol. 3rb; ed. DeMaris, S. 157,125–131. 176 Das von Joachim Bumke und Ursula Peters in die literaturwissenschaftlich-mediävistische Diskussion eingebrachte Konzept gilt der „mittelalterlichen Textproduktion als literarischer Umschreibepraxis“ und „[faßt] die verschiedensten Ebenen und Aspekte vormoderner ,Arbeit am Text‘ als eine Interaktion von Präund Re-Text“: Bumke/Peters: Einleitung. In: dies. (Hrsg.): Retextualisierung in der mittelalterlichen Literatur, S. 1–5, hier S. 2. 177 Ricketts 198, fol. 1rb; ed. DeMaris, S. 153,17f. 178 Hans Robert Jauß: Ästhetische Erfahrung und literarische Hermeneutik. Frankfurt a.M. 1991 (stw 955), S. 264–270. Zur Differenzierung zwischen „admirativer und sympathetischer Identifikation“ in Jaußʼ Sinne im Bereich des hagiographischen Exemplums und analog zu „den zwei Exempla-Typen des außergewöhnlichen, überragenden Helden oder Heiligen und des ,alltäglichen Helden‘ oder ,mittleren Menschen‘, dem Besonderes, Wunderbares zustößt“, siehe Peter von Moos: Geschichte als Topik. Das rhetorische Exemplum von der Antike zur Neuzeit und die historiae im Policraticus Johanns von Salisbury. 2. Auflage. Hildesheim [usw.] 1996 (Ordo 2), S. 117.

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Grundtexten, von Ordensregeln und Statuten, sowohl im Bereich des Ordo Praedicatorum (Konstitutionen der Dominikanerinnen) wie auch darüber hinaus (Kartäuser, Klarissen). Zum Wohl der Christenheit insgesamt habe Humbert gewirkt mit dichten vnd machen der pücher vnd mit sinem wisen rat, am meisten aber habe der Predigerorden profitiert, insofern er ihn zu einem rechten stat bracht · vnd vil nüczer pücher von im gemacht habe im ze trost · hilf · vnd fürdrung. Unter der Vielzahl der für den Orden entstandenen Bücher lenkt Meyer den Blick des Lesers dann allein auf die Instructiones de officiis, die er als ein nüczliches puch für all diejenigen beschreibt, die do lebent in prediger orden besunder die in emptern von der gehorsame des ordens müssen sein.179 Hinter „Humberts Autorität und Präzedenz“ tritt freilich der Verfasser des deutschen Textes nicht völlig zurück. Johannes Meyer stellt in gewisser Weise vielmehr eine Parallelität her „zwischen ihrer beider Autorrolle und deren jeweiliger pragmatischer Positionierung gegenüber der je anderen der beiden (komplementären) Rezipientengruppen“.180 Da Humberts puch allein den prudren des ordens nücz mag sin · von des wegen wan es ze latein den prüderen geschriben ist, fehlt ein deutschsprachiges Äquivalent für die Dominikanerinnen, das ihnen Hilfe und Richtschnur bieten könnte für die Verrichtung ihrer Konventsämter entsprechend den Regularitäten des Ordens. Dem will Meyer mit seiner deutschen Übertragung begegnen. Den „resonanzförderlichen Innovationsgrad“181 des deutschen Textes akzentuiert er dabei nicht zuletzt mit dem Hinweis auf seine Motivation, Humberts Schrift zum ersten Mal ins Deutsche zu übertragen:182 dar vmb so hab ich lang zit ein triben in mir gehebt von des wegen das ich nie kond noch mocht vernemen · das es [Humberts ,Buch‘] ie von dem lattin ze tüchß wer gekert · ch ze einem trost vnd wren empteren ze hilf vnd vnterweißung noch des ordens gewonheit.183

|| 179 Ricketts 198, fol. 2ra–rb; ed. DeMaris, S. 154,59–155,70. 180 Christian Seebald: Schreiben für die Reform. Reflexionen von Autorschaft in den Schriften des Dominikaners Johannes Meyer. In: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken – Typologie und Geschichte. Hrsg. von Christoph Jürgensen und Gerhard Kaiser. Heidelberg 2011 (Beihefte zum Euphorion 62), S. 33–53, hier S. 45. 181 Christoph Jürgensen und Gerhard Kaiser: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken – Heuristische Typologie und Genese. In: dies. (Hrsg.): Schriftstellerische Inszenierungspraktiken – Typologie und Geschichte, S. 9–30, hier S. 18. 182 Zumindest dieser Fall stünde also, mit der prägnanten Selbstaussage des Verfassers, gegen die allgemeinere Beobachtung von Klaus Grubmüller, wonach die geistliche Übersetzungsliteratur des 15. Jahrhunderts besonders dadurch charakterisiert ist, dass „eher noch einmal und immer wieder das schon Bekannte und vom Neuen das Erbauliche und das Kontemplativ-Aszetische“ übersetzt werde: Geistliche Übersetzungsliteratur im 15. Jahrhundert. Überlegungen zu ihrem literaturgeschichtlichen Ort. In: Kirche und Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich des 15. und 16. Jahrhunderts. Hrsg. von Hartmut Boockmann. Göttingen 1994 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse. Dritte Folge 206), S. 59–74, hier S. 69. 183 Ricketts 198, fol. 2rb; ed. DeMaris, S. 155,75–80. – Offenbar unbekannt geblieben ist Meyer eine deutschsprachige Adaptation der lateinischen Instructiones, die der aus dem Nürnberger Katharinenkloster stammende Codex Cent. VI, 43h (fol. 263v–334v, dort in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts geschrieben)

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Die eigene schriftstellerische Leistung des Autors des deutschen Textes reflektiert schließlich auch dessen Epiloggebet, das an den Duktus der Ich-Aussagen vom Ende der Vorrede anknüpft: Dort war den Schwestern die angekündigte Schrift als ein geistlich gab der lieb in got dediziert und als Gegengabe, zu wider gelt diser prüderlicher trw · die ich zu wren selen hab, ihre Fürbitte zu Lebzeiten und nach dem Tod des Verfassers begehrt worden.184 Hier nun, im Epiloggebet, preist das Ich die Ewige wisheit, Jesus Christus, dankt für die Vollendung des ,Buchs‘ und äußert zugleich den Wunsch, dass das Vollendete sowohl Gott ein lob vnd ein ere sy wie auch der eigenen Seele fruchtbar, derart dass sie an all dem Guten partizipiere, daz von vrsach wegen dis buch[s] geschehen mag – wie es allen denen nütz vnd fruchtbar werde/ […] die sich hienach richten wend.185 In den Blick gerät somit zum Schluss noch einmal die durch göttliche Hilfe erhoffte heilsfördernde Wirkung des norma-

|| der Stadtbibliothek Nürnberg überliefert: Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg. Bd. 1: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften. Bearb. von Karin Schneider, Beschreibung des Buchschmucks von Heinz Zirnbauer. Wiesbaden 1965, S. 102–105; dazu auch Grubmüller: Humbert von Romans, Sp. 300; Die Bibliothek des Klosters St. Katharina zu Nürnberg. Synoptische Darstellung der Bücherverzeichnisse. 2 Bde. Hrsg. von Antje Willing. Berlin 2012, Bd. 1, S. 499–501. Diese deutsche Übersetzung unbekannter Herkunft folgt Humberts Text sehr genau (vgl. Ehrenschwendtner: Bildung der Dominikanerinnen, S. 100 Anm. 156) und macht dies auch im Vorspann deutlich (ohne jedoch die Vorlage zu nennen): Dise noch geschribenen ding/ alle sint genomen oder gemachet/ von worte zü worte vß dem latin zu tutzsche (fol. 263v). Sie wählt aus Humberts Instructiones 13 Ämter für die Schwestern aus (Priorin, Subpriorin, Zirkarin, Dormitorin, Schaffnerin, Ratschwestern, Novizenmeisterin, Obersängerin, Untersängerin, Küsterin, Raderin, Siechenmeisterin, Siechendienerin) und stellt diesen die ebenfalls übertragene Schlusspassage des lateinischen Prologs voran (wo darauf hingewiesen wird, dass die Ausführungen keinerlei Verpflichtung auferlegen, sondern als Orientierungshilfe zu verstehen und entsprechend als Instructiones bezeichnet seien), eingeleitet vom Beginn des lateinischen Textes: Ista que subscripta sunt de officiis ordinis · non sunt · etc. (vgl. Opera de vita regulari 2 [ed. Berthier], S. 181). Die tendenziell enge Orientierung am Wortlaut des Ausgangstexts, die Übertragung von worte zü worte, die den Typus der ,subordinierenden Adaptation‘ nahelegt (Kraß: Spielräume mittelalterlichen Übersetzens, S. 104), bringt es wohl mit sich, dass sich die Änderungen am Ausgangstext mit Blick auf die monastische Lebensform der Dominikanerinnen auf das Nötigste beschränken (am deutlichsten sind sie noch beim Amt der Raderin). Dies führt dann allerdings bisweilen zu Unstimmigkeiten etwa im Verhältnis des Textes zu den normativen Grundtexten der Dominikanerinnen, so beim Amt der Zirkarin, das gemäß den Vorgaben der lateinischen Vorlage grundsätzlich e i n e Zirkarin vorsieht, während doch in den Dominikanerinnenkonstitutionen ausdrücklich z w e i Amtsträgerinnen erwähnt werden. Johannes Meyer macht dagegen in seiner Anmerkung zum Inhaltsverzeichnis des Ämterbuchs auf die Modifikation seines Textes gegenüber Humberts Vorlage in diesem Punkt eigens aufmerksam: aber nach dem als ich in der vor red auch gesprochen hab so han ich einem ampt zwu ampt swester zu gerechent als der Cirkarin ampt da stat in dem lattin von einem Circer wan die Constitucio der prüder verpint nit das wir prüder habent dis amt · aber das ampt puch ze lattin seit wol das wir nun einen circator habend · aber der swestern constitucion seit gar eigenlich das die swesteren zwo Circarin sond haben Capitulo ·xxv· de Ci[r]catricibus · vnd dar vmb so must ich es also wandeln vnd zwu Circarin seczen (Ricketts 198, fol. 4va; ed. DeMaris, S. 160,34–41). 184 Ricketts 198, fol. 3va; ed. DeMaris, S. 157,135–140. 185 Ricketts 198, fol. 116ra; ed. DeMaris, S. 350,5–10.

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tiven Textes nicht nur für die ihm folgenden regeltreuen Leserinnen bzw. Hörerinnen,186 sondern auch als spezifischer Lohn für dessen Urheber, der an dieser Stelle als Ich zwar wiederum anonym bleibt,187 aber gleichwohl vernehmlich mit der mehr oder weniger topischen „Betonung des um der Seligkeit willen Geleisteten“188 hervortritt. Bemerkenswerterweise hat die im Nürnberger Katharinenkloster hergestellte Handschrift Ricketts 198 die hier greifbare Konturierung der Autorrolle im Rahmen ihres Illustrationsprogramms189 auch piktorial umgesetzt: So zeigt die das Schlussgebet einleitende

|| 186 Über entsprechende Tendenzen seiner Vorlage hinaus hat Meyer die Bedeutung des Ämterbuchs für die monastische Observanz der Adressatinnen dem Text selbst verschiedentlich durch autoreferenzielle Verweise eingeschrieben: etwa Ricketts 198, fol. 29vb–30ra (ed. DeMaris, S. 206,25–27) zum Amt der beiden Sängerinnen: vnd jn aller sunderheit daz si wissent die ding die hie von irem ampt geschriben sint die doch an der nottel vnd an andren bücheren nit als volkomenlichen geschriben stand (wie Opera de vita regulari 2 [ed. Berthier], S. 239: et in notula praesenti, quae continet multa, quae alibi minus plene sunt notata); fol. 107ra– rb (ed. DeMaris, S. 333,29–34) zum Amt der Correctrix mense und zur Berücksichtigung des Ämterbuchs bei der Tischlesung: öch ist es nütz vnd gut/ das man zu dem minsten alle jar einist dis gegenwürtig buch der emtteren in dem refectal den swestren lesen sige/ also daz si sich dester ordenlicher halten vnd reigieren können/ das mag man tun bysunder so man etlichen swestren von nüwen empter befelhen were (ohne Parallele bei Humbert); fol. 72rb (ed. DeMaris, S. 269,626f.) zum Amt der Novizenmeisterin und allgemeiner zur Unverzichtbarkeit der bücher vnd der geschrifft für die Anleitung und verantwortliche Führung Untergebener (auch dies ohne Parallele bei Humbert). 187 Der Verfassername wird weder im Ämterbuch noch im Buch der Ersetzung genannt (jedenfalls nicht in den erhaltenen Handschriften, mit einer Ausnahme: In der späten, 1481 im Freiburger Dominikanerinnenkloster St. Agnes fertiggestellten Handschrift B 1 Nr. 147 des Stadtarchivs Freiburg i.Br. ist im Incipit der ersten Vorrede zum Ämterbuch am Rand bei der Erwähnung des Verfassers, des anonymen Basler Predigerbruders, nachgetragen: genant brůder iohannes meyer [fol. 2r]). Hier wie dort finden sich aber, zuvorderst in den Paratexten, für die Zeit der Entstehung beider Schriften relevante biographische Details und Ich-Aussagen zur Herkunft des Autors aus dem Basler Predigerkonvent (Meyer gehörte dem Konvent seit 1442 an) und zu seiner Tätigkeit als Beichtiger und Klosterseelsorger der Berner Dominikanerinnen (von 1454 an bis spätestens 1458; vgl. Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 474f. sowie die Zusammenstellung der Quellen in Anhang B). Erst der Epistel brief zů den swesteren prediger ordens, ein 1471 oder wenig später von Meyer verfertigter Katalog samt Beschreibungen seiner bis dahin entstandenen größeren Schriften, macht die wohl ursprünglich in demütiger Geste kaschierte Autorschaft Meyers für das Buch der Ämter und das Buch der Ersetzung explizit (dazu Seebald: Schreiben für die Reform). 188 Paul Klopsch: Anonymität und Selbstnennung mittellateinischer Autoren. In: Mittellateinisches Jahrbuch 4 (1967), S. 9–25, hier S. 25. 189 Zur Zuweisung der Ausstattung der Handschrift an die Nürnberger Nonne und Buchmalerin Barbara Gewichtmacherin siehe Christine Sauer: Zwischen Kloster und Welt. Illuminierte Handschriften aus dem Dominikanerinnenkonvent St. Katharina in Nürnberg. In: Frauen – Kloster – Kunst. Neue Forschungen zur Kulturgeschichte des Mittelalters. Beiträge zum Internationalen Kolloquium vom 13. bis 16. Mai 2005 anlässlich der Ausstellung ,Krone und Schleier‘. Hrsg. von Jeffrey F. Hamburger [u.a.]. Turnhout 2007, S. 113– 129 und S. 428, 483–487, hier S. 119f., 127 und 485 (Tafel 8); Helga Butzer Felleisen: Instructiones de Officiis Ordinis, Constitutiones, Papal Bull, and Buch der Ersetzung. Rules and Regulations for the Dominican Nuns and Supplement with History of the Order. In: The Indiana University Bookman 17 (1988), S. 69–75, hier S. 72f. – Die Illustrationen und figürlichen Darstellungen der Initialen von Ricketts 198 sind dokumentiert und inhaltlich erläutert bei Christopher de Hamel: Gilding the Lilly. A Hundred Medieval and Illuminated

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historisierte O-Initiale (fol. 116ra) einen knienden Predigerbruder in der Szenerie eines Blumengartens, der dem rechts erhöht und mit Nimbus dargestellten Jesusknaben „in der ,himmlischen Audienz‘“190 einen geschlossenen Codex präsentiert, während ihm Christus mit der Rechten eine Frucht, einen Apfel als „Symb[ol] der Erlösung v[on] der Sünde“191 darreicht (Abb. 1).192 Etwas verändert erscheint die Autorfiguration in der schlichteren Darstellung der Leipziger Handschrift Ms. 1548 (Abb. 2),193 einer Abschrift von Ricketts 198 für den Dominikanerinnenkonvent Medlingen (Obermedlingen). Sie ersetzt das Jesuskind durch eine rechts in die Bildtiefe gerückte Kreuzigungsgruppe (der Gekreuzigte mit Maria und Johannes) auf einem Altar, vor der der Predigerbruder (ohne ,Buch‘) links im Vordergrund im Gebet kniet (fol. 111va). Damit aber werden die Akzente verschoben von der Illustration der Dedikation des ,Buchs‘ und des dafür gewährten göttlichen Lohns hin zu einer weniger konkret auf die Ich-Aussagen des Textes als auf den religiösen Kommunikationsakt an sich bezogenen Darstellung der devotionalen Gebetshaltung des namenlosen dominikanischen Autors gegenüber dem Christus der Passion,194 die freilich zugleich den traditionellen „Figurentypus der betenden Stifterfigur“ aufnimmt und von daher die Autorschaft des Verfassers wie das Dedikations- und Stifterbild der Vorlage Ricketts 198 „in den auratischen Anspruch einer gottgewollten und heilsgewissen Stiftung“ einbindet.195

|| Manuscripts in the Lilly Library. Bloomington 2010, S. 148f.; DeMaris: Introduction (MOPH 31), S. 107–123 (mit Abbildungen). 190 Christel Meier: Ecce auctor. Beiträge zur Ikonographie literarischer Urheberschaft im Mittelalter. In: Frühmittelalterliche Studien 34 (2000), S. 338–392, hier S. 372 (zum Typus des Dedikationsbildes). 191 H. W. van Os: Apfel. In: LCI 1 (1968), Sp. 123f., hier Sp. 123. 192 Vergleichbare Darstellungen des Jesuskindes sind von Andachtsbildern in Form von Skulpturen und Zeichnungen aus Frauenklöstern des 15. Jahrhunderts bekannt. Siehe etwa die Abbildung eines Andachtsblattes, das den segnenden, mit einem geblümten Mantel nur halb bekleideten Jesusknaben mit Nimbus und Apfel in der linken Hand und auf einer grünen Rasenfläche sitzend zeigt, in: Krone und Schleier. Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern. Ruhrlandmuseum: Die frühen Klöster und Stifte 500–1200. Kunstund Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland: Die Zeit der Orden 1200–1500. Hrsg. von der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn und dem Ruhrlandmuseum Essen. München 2005, S. 448f. (Nr. 370). 193 Beschreibung (einschließlich der Illustrationen) in: Verzeichnis der deutschen mittelalterlichen Handschriften in der Universitätsbibliothek Leipzig. Bearb. von Franzjosef Pensel, zum Druck gebracht von Irene Stahl. Berlin 1998 (Verzeichnis altdeutscher Handschriften 3), S. 211–216; DeMaris: Introduction (MOPH 31), S. 128–133 u. 107–120 (Abbildungen). 194 Vgl. Meier: Ecce auctor, S. 381–383 zum Typus des Devotionsbildes. 195 Ursula Peters: Autorbilder in volkssprachigen Handschriften des Mittelalters. Eine Problemskizze. In: ZfdPh 119 (2000), S. 321–368, hier S. 345 (zu dem in anderen Aspekten deutlich divergierenden Initialenbild fol. 421r des Wiener Rennewart-Codex Ser. nova 2643); siehe besonders auch dies.: Das Ich im Bild. Die Figur des Autors in volkssprachigen Bilderhandschriften des 13. bis 16. Jahrhunderts. Köln [usw.] 2008 (pictura et poesis 22), S. 200 zu einem den Verhältnissen des Ämterbuchs vergleichbaren Changieren der Autorikonographie zwischen „Stiftergebet-Bildtypus“ und „Buchübergabe-Inszenierung“ in der Überlieferung der Oraison nostre Dame der Christine de Pizan.

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2.3 Kongruenz von Regel und Leben: Das Buch der Ersetzung und sein Konnex zum Buch der Ämter 2.3.1 Thematische Diversität und offene Textstruktur Im Anschluss an das Ämterbuch ist 1455 ebenfalls in Bern und zunächst für die Dominikanerinnen des Inselklosters das Buch der Ersetzung entstanden. Sein Titel referiert auf den engen Zusammenhang zum Ämterbuch und qualifiziert den Text als dessen Fortsetzungsund Ergänzungsschrift, die, wie der Verfasser in der Vorrede erläutert, alle nottürfftige sachen enthält, die im Ämterbuch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Wesentlichen aber biete der Text, so heißt es weiter, nit anders denn die gutten gewonheitten des ordens, also das, was man in den clöstern halten ist/ wie wol es nit geschriben ist in der constitucion/ vnd och nit in dem ampt buch begriffen ist [,] so ist es doch aber hie mit fleiß erfult vnd ersetzet [,] was die constitucio vnd daz ampt buch nit als volkommenlichen sagend.196 Neben diesen thematischen Kern der consuetudines bzw. ,guten Gewohnheiten‘ treten freilich in insgesamt zehn Kapiteln verschiedene andere Materien nicht nur normativer oder paränetisch-didaktischer Prägung im Sinne von güt vermanung vnd vnderweisung wie sich ein swester prediger ordens halten söl,197 sondern gerade auch formativen Charakters,198 d.h. Texte, die die Herkunft, die Identität und das Selbstverständnis der Adressatinnen, der observanten Dominikanerinnen der Ordensprovinz Teutonia, anvisieren.199 Zu ihnen rechnen zuvorderst die Kapitel III, IV und IX, die die kollektive Identität und die Dignität der Dominikanerinnen historisch fundieren, einmal mit Blick auf Ursprung und Genese ihrer monastischen Gemeinschaften, ein andermal hinsichtlich der Geschichte und Progression des Gesamtordens, dem diese Gemeinschaften integriert sind: Während Kap. III den Stand der weiblichen Monialen im Ganzen auf das Urbild der Gottesmutter sowie auf die konkrete Initiative der Königstochter Ephigenia der Matthäus-Legende zurückführt und Keuschheit als zentrales Merkmal der sponsae Christi postuliert, Kap. IV dann die Perspektive auf den Dominikanerorden einengt, mit der Stiftung des weiblichen Zweiges durch den Ordensgründer Dominikus ansetzt und insbesondere aufgrund der Darstellung der wechselnden Auseinandersetzungen um die cura monialium im Orden unter seinen Nachfolgern bis hin zum Generalat des Niccolò Boccassini Züge einer Ordenschronik annimmt, präsentiert Kap. IX eine großangelegte Geschichte des Predigerordens, die auf der Reihe der Generalmeister und ihrer Viten basiert und diese mit Sequenzen von Elogien und Exempla herausragender Brüder und Schwestern anreichert, die zu den Zeiten der jeweiligen Ordensgeneräle gelebt haben.

|| 196 Buch der Ersetzung, in: Ricketts 198, fol. 135ra–244vb, hier fol. 135vb–136ra. 197 Ricketts 198, fol. 136ra. 198 Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 142. Dazu o. S. 12. 199 Eine Inhaltsübersicht zum Buch der Ersetzung bietet Tab. 2 (S. 56). Vgl. weiterhin die detaillierte Zusammenfassung bei DeMaris: Introduction (MOPH 31), S. 53–79.

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Auf die spezifische Identität und Dignität der Dominikanerinnen als originärer weiblicher Kommunitäten und zugleich integralen Teiles des Gesamtordens zielen weiterhin die Kapitel I, V, VI und VII. So stellt Kap. I an prominenter Stelle, zu Beginn des Buchs der Ersetzung, das im Vergleich mit anderen Gemeinschaften besonders begnadete geistliche Leben der klausurierten Dominikanerschwestern heraus und fordert vice versa einen diesem exponierten Status adäquaten Lebensvollzug der einzelnen Monialen ein. Kap. V informiert im Anschluss an den historischen Überblick der Kapitel III und IV über das durch ,Disparität in Einheit‘ geprägte Verhältnis des Zweiten Ordens zum Ersten Orden der Dominikaner und leitet daraus die sich wandelnden historischen Benennungen und Selbstbezeichnungen des weiblichen Ordenszweiges ab. Kap. VI lässt dem Ausführungen zum Ordenskleid der Dominikanerinnen und seinen einzelnen Bestandteilen folgen, die wiederum allegorisch auf innere Haltungen und Tugenden bezogen werden. Kap. VII gibt hierauf ein Repertorium aller Schwesternklöster der Ordensprovinz Teutonia (einschließlich der separat aufgeführten Kategorien der nicht mehr existenten sowie der dem Orden nicht mehr bzw. niemals förmlich inkorporierten Häuser), das nach den vier nationes Alsatia, Suevia, Brabantia, Bavaria/Austria200 und den Terminbezirken der Konvente der Predigerbrüder geordnet ist und den Zweck hat, zur Stärkung der geistlichen Verbundenheit, Liebe und Freundschaft der einzelnen Klöster untereinander, vornehmlich im wechselseitigen Gebet füreinander, beizutragen und damit die Kohäsion, Integration und Solidarität des Gesamtverbandes auf den diversen lokalen, regionalen und überregionalen Ebenen zu intensivieren. Die Berner Provenienz und einen entsprechenden primären Resonanzradius des Textes indizieren dabei sowohl die Initialstellung des Inselklosters wie auch rekurrente Referenzen auf die dortigen Verhältnisse geistlichen (observanten) Lebens in der Textgestalt der ältesten Überlieferung. Nach Kap. I bringt das Buch der Ersetzung in Kap. II eine deutsche Version der Herzklosterallegorie,201 die das für Kap. I bestimmende Thema der äußeren ,Beschließung‘ aus|| 200 Zur Binnenorganisation der Teutonia nach den vier nationes vgl. Paulus von Loë: Statistisches über die Ordensprovinz Teutonia. Leipzig 1907 (QF 1), S. 5f.; Romain Jurot und Petra Zimmer: Einleitung. II. Die Provinz Francia und die Kongregation Hollandia sowie die Provinzen Teutonia und Saxonia (Süddeutsche Provinz). In: Die Dominikaner und Dominikanerinnen in der Schweiz. Bearb. von Urs Amacher [u.a.], redigiert von Petra Zimmer unter Mitarbeit von Brigitte Degler-Spengler. 2 Tle. Basel 1999 (Helvetia Sacra IV/5), Tl. 1, S. 96–142, hier S. 113–124 und zuletzt, S. 121–124, mit einer Übersicht der „Dominikaner- und Dominikanerinnenklöster der Teutonia um 1468/1473 nach Johannes Meyer“, d.h. nach Kap. VII des Buchs der Ersetzung in der aktualisierenden Redaktion der Freiburger Handschrift B 1 Nr. 147, allerdings vermittelt über die Meyers Text nicht vollständig abbildenden Angaben bei Joseph König (FDA 13 [1880], S. 129–236, hier S. 207–209) sowie die bei Benedikt Maria Reichert (Römische Quartalschrift 15 [1901], S. 124–152, hier S. 126f.) abgedruckte Teiltranskription Peter Alberts und mit dem irrigen Quellennachweis: „Ämterbuch des Klosters Adelhausen in Freiburg von 1481“ (S. 120f.). 201 Zu diesem letztlich wohl auf Hugos von Fouilloy De claustro animae (nach 1152) zurückgehenden Komplex lateinischer und volkssprachiger Texte Gerhard Bauer: Claustrum Animae. Untersuchungen zur Geschichte der Metapher vom Herzen als Kloster. Bd. 1: Entstehungsgeschichte. München 1973; ders.: Herzklosterallegorien. In: 2VL 3 (1981), Sp. 1153–1167; vgl. auch Hamburger: Nuns as Artists, S. 157f. Speziell

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gehend von Ct 4,12 potenziert und ergänzt um das der inneren, spirituellen Klausur und die observanten Monialen des Predigerordens nicht nur zur beschliessung des closters/ bysunder auch der sel des hertzen des gemttes des mündes der funff sinnen202 und insofern zur „Ausfüllung des durch die Regel Gebotenen von innen“ mahnt.203 Auf die Kapitel VIII und X verteilen sich schließlich die in der Vorrede angekündigten ,guten Gewohnheiten‘ des Ordens und einzelner, vornehmlich reformierter Klöster, darunter auch exemplarische Frömmigkeitspraktiken und Andachtsformen wie die Passionsprozession der Berner Dominikanerinnen oder die Geistliche Meerfahrt der Basler Priorin Margareta Ursula von Masmünster,204 die Meyer in Kap. X inseriert hat. Speziell Kap. X hat er auch eine Aufstellung (in der Art einer Summe) der dem Ordenskollektiv im Ganzen wie den Schwestern im Besonderen von der römischen Kurie und den Generalmeistern des Ordens verliehenen Privilegien und Freiheiten beigegeben, die vorweg als ,erquickendes‘ Kompensat zu den Anforderungen der normativen Vorgaben und Tugendübungen angepriesen werden.205 Das Arrangement verschiedener Materien und Textformen unterschiedlicher Herkunft zu einer integrativen Gesamtkomposition verleiht dem Buch der Ersetzung einen heterogeneren Charakter und eine offenere Textstruktur, als dies beim Ämterbuch der Fall ist. Und während dessen gerade auch durch den mehr oder minder singulären Rekurs auf den Prätext Humberts fixierte spezifische Homogenität und Geschlossenheit wohl dafür gesorgt hat, dass der Text immer als ganzer tradiert und in kaum modifizierter Gestalt rezipiert worden ist, lässt sich für das Buch der Ersetzung gelegentlich eine isolierte Überlieferung einzelner kompakter Partien und in sich geschlossener Texteinheiten, etwa der Chronik der Generalmeister oder der Geistlichen Meerfahrt, nachweisen.206 Der Verfasser hat diesen ,zentrifugalen‘ Tendenzen auch dadurch entgegenzuwirken gesucht, dass er der Vorrede zu Kap. X die folgende auktoriale Verfügung eingeschrieben hat: vnd [ich] wil auch wo man dis büch wil abschriben daz man es volkommenlichen abschreibe vnd nit sun-

|| zur Version des Buchs der Ersetzung Dietrich Schmidtke: Rezension zu Gerhard Bauer: Claustrum Animae. Untersuchungen zur Geschichte der Metapher vom Herzen als Kloster. Bd. 1: Entstehungsgeschichte. München 1973. In: PBB (Tüb.) 97 (1975), S. 451–459, hier S. 458f. 202 Ricketts 198, fol. 142rb. 203 Schmidtke: Rezension zu Bauer, S. 458. 204 Dietrich Schmidtke: Margareta Ursula von Masmünster. In: 2VL 5 (1985), Sp. 1250f.; ders.: Geistliche Schiffahrt. Zum Thema des Schiffes der Buße im Spätmittelalter. In: PBB (Tüb.) 91 (1969), S. 357–385, hier S. 367–369, und PBB (Tüb.) 92 (1970), S. 115–177, hier S. 116 Anm.*; Florenz Landmann: Zwei Andachtsübungen von Strassburger Klosterfrauen am Ende des Mittelalters. In: Archiv für elsässische Kirchengeschichte 6 (1931), S. 217–228, hier S. 222–228. 205 Ricketts 198, fol. 216vb–217ra. 206 Die Chronik der Generalmeister überliefern isoliert – neben anderen Exzerpten aus dem Buch der Ersetzung – die Handschriften Md 456 der Universitätsbibliothek Tübingen und St. Peter pap. 43 der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe (dazu Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 415–419). Inwieweit die breitere Streuüberlieferung der Geistlichen Meerfahrt außerhalb des Buchs der Ersetzung auf dieses selbst zurückgeht, ist im Einzelnen noch zu untersuchen (vgl. Schmidtke: Geistliche Schiffahrt, S. 367f., 116 Anm.*; Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 397 Anm. 8, 422).

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ders da von neme.207 Zugleich aber werden die Leserinnen verschiedentlich zum aktualisierenden und komplettierenden Fortschreiben der offenen Texturen der Kapitel VII (Katalog der Schwesternklöster), IX (Chronik der Generalmeister) und X (Summe der Privilegien; ,gute Gewohnheiten‘) ermutigt. Und so heißt es denn am Ende derselben Einleitung zu Kap. X: vnd auch so sol man alwegen an dem ende dis letzten Capitel dis buchs lassend ledig ein leren vngeschriben sexternen/ auf daz daz man hernach auch ander ordenüng vnd freyheitten vnd matery dar zu setzen müge die mir vnerkant sint/ oder die da von neüen gegeben oder gemachet möchten werden.208 Tab. 2: Buch der Ersetzung, Inhaltsübersicht Kapitel

Inhalt

Vorrede

Initium Audi filia et vide (Ps 44,11)

I

Begnadetes geistliches Leben der klausurierten Schwestern des Predigerordens

Querantur regi virgines puelleque speciose (Est 2,2)

II

Äußere und innere Klausur: Herzklosterallegorie

Ortus conclusus soror mea (Ct 4,12)

III

Geschichte des Standes der weiblichen Monialen Adducentur regi virgines (Ps 44,14)

IV

Geschichte des weiblichen Zweiges des Dominikanerordens

Soror nostra es (Gn 24,60)

V

Namen des Zweiten Ordens und sein Verhältnis zum Ersten Orden

Nomen suum inposuit ei (Tb 1,9)

VI

Ordenskleid der Dominikanerinnen und seine Bedeutung

Qui vicerit sic vestietur vestimentis albis (Apc 3,5)

VII

Verzeichnis der Schwesternklöster und Brüderkonvente der Provinz Teutonia

Obsecro vos ut digne ambuletis (Eph 4,1)

VIII

,Gute Gewohnheitenʻ des Ordens und einzelner Konvente

Cum feceritis omnia que precepta sunt vobis (Lc 17,10)

IX

Chronik der Generalmeister

Laudemus viros gloriosos (Sir 44,1)

X

Privilegien und ,gute Gewohnheiten‘ des Ordens, Colligite fragmenta que superaverunt darunter die Geistliche Meerfahrt der Margareta (Io 6,12) Ursula von Masmünster

|| 207 Ricketts 198, fol. 216va. 208 Das ,kommentierte Inhaltsverzeichnis‘ des Leipziger Codex Ms. 1548 bringt beide Aspekte zusammen und spezifiziert (am Beispiel von Kap. VII): vnd wie wol da [in der Vorrede zu Kap. X, C.S.] geschriben ist das nyeman do von sol schreiben er schreibe denn das buch gancz ab/ das ist also zu verstan das man wol hin vnd her dar auß schreiben mag dar von oder dar zu legen die namen der provinczen/ naciones/ vnd clöster/ fur oder nach seczen oder wandlen mag mit der warheit nach gelegenheit vnd vmb stende der sachen: Doch also daz daz buch jn seinem wesen nit genczlichen verfurt vnd zerstöret werde (fol. 3ra–rb).

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2.3.2 Kohärenz- und Autorisierungseffekte 2.3.2.1 Das rhetorische Modell der Predigt Die Kohärenz und Integrationsleistung der Gesamtkomposition des Buchs der Ersetzung wird aber auch von anderer Seite gestützt. Den Text im Ganzen fundiert eine spezifische literarische Struktur, die sich aus der homogenisierten Faktur jedes der zehn Kapitel einschließlich der Vorrede ergibt. Alle Einzelkapitel wie auch der Prolog folgen zumindest in ihren rahmenden Partien dem kommunikativen und rhetorischen Modell der Predigt und fügen sich mithin zu einem Zyklus von elf thematischen Sermones209 oder predigtartigen Traktaten, der die mitunter disparaten Inhalte und Textformen der jeweiligen Segmente zu einer Einheit zusammenschließt. Charakteristische Merkmale sind dabei neben Signalen „inszenierte[r] Mündlichkeit“ und „persuasiver Rede“210 (wie die „Hörerapostrophe“, „rhetor[ische] Fragen“, das „Prediger-Ich“)211 insbesondere die jeweiligen lateinischen Kapitelinitien (,Themata‘), d.h. prägnante Schriftworte des Alten und Neuen Testaments, die in programmatischer Kürze und in allegorischer Verhüllung Kernaussagen und Leitgedanken des folgenden Textes exponieren und die Argumentation im Modus der freieren Auslegung und allegorischen Deutung in Gang setzen oder deren Zielpunkt bilden.212 Im Verlauf werden weitere Bibelzitate beigezogen und zuweilen auch umfangreiche, in sich geschlossene Textformen inseriert, bevor spätestens am Kapitelschluss der Predigtduktus zurückkehrt und das Schriftwort vom Anfang resümierend wieder aufgenommen wird. Meyer rekurriert hier, wie er in der Vorrede pauschal anzeigt, speziell auch auf Humberts von Romans Sermones circa omne hominum genus,213 eine Sammlung von 100 Musterpredigten oder Predigtskizzen für Rezipienten verschiedener Stände und sozialer Gruppen aus dem zweiten Buch von Humberts großer Predigtlehre De eruditione praedicatorum,214 die „in ihrer strengen Publikumsbezogenheit […] die funktionale Ausrichtung der dominikanischen Predigtkonzeption“ reflektieren.215 || 209 Zur grundsätzlichen texttypologischen Unterscheidung zwischen Homilie, „welche wesentlich Texterklärung ist“, und Sermo, der „mit oder ohne Text einen besonderen Gegenstand behandelt“, Rudolf Cruel: Geschichte der deutschen Predigt im Mittelalter. Detmold 1879, S. 2–4 (Zitat S. 2); Jean Longère: Predigt. A. Ursprünge und Recht. In: LexMA 7 (1995), Sp. 171–174, hier Sp. 171. 210 Burkhard Hasebrink und Hans-Jochen Schiewer: Predigt. In: RLW 3 (2003), S. 151–156, hier S. 151f. 211 Hans-Jochen Schiewer: Predigt. B. Volkssprachliche Literaturen des Westens. I. Deutsche Literatur. In: LexMA 7 (1995), Sp. 174–176, hier Sp. 174. 212 Alle Initien verzeichnet Tab. 2 (S. 56). 213 Ediert in: Maxima Bibliotheca Veterum Patrum, Et Antiquorum Scriptorum Ecclesiasticorum. Bd. 25: Continens Scriptores ab ann. Christi 1200. ad ann. 1300. Lyon 1677, S. 456–506. 214 Dazu Brett: Humbert of Romans, S. 151–166; Jörg Oberste: Zwischen Heiligkeit und Häresie. Religiosität und sozialer Aufstieg in der Stadt des hohen Mittelalters. 2 Bde. Köln [usw.] 2003 (Norm und Struktur 17), Bd. 1, S. 228–239; Hughes Oliphant Old: The Reading and Preaching of the Scriptures in the Worship of the Christian Church. Bd. 3: The Medieval Church. Grand Rapids 1999, S. 398–408. 215 Hasebrink: Latinität, S. 53 Anm. 31.

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Meyers Verfahren lässt sich am Beispiel der Kapitel I und II illustrieren. Kap. I beginnt zunächst mit Est. 2,2–3: Querantur regi virgines puelleque speciose et mittantur qui considerent per universas provincias puellas speciosas et virgines et ducant eas ad civitatem regis · in domum feminarum · sub manu egei eunuchi · qui est prepositus et custos puellarum regiarum. Darauf setzt der Text neu an und betont den gnadenreichen Status des Menschen, der die Welt verlässt und in einen religiösen Orden eintritt, wobei aber doch nicht alle Orden und Kommunitäten das spirituelle Leben ihrer Mitglieder in gleicher Weise förderten, sondern es durchaus Gemeinschaften gebe, die dem Einzelnen den Weg zum Heil besser beschreiten helfen als andere – und dazu rechneten bysunder die beschlossen swester closter prediger ordens.216 Dieser Partie, die vermutlich den Eingangspassus von Humberts Modellpredigt Ad Conversos de ordine Praedicatorum modifiziert,217 folgt die zweite Hälfte von Humberts Sermo Ad Sorores Praedicatorum (in deutscher Übertragung),218 die nahtlos anschließen kann und als spezifische Qualitäten der dominikanischen Frauengemeinschaften die strenge Einhaltung der aktiven wie passiven Klausur, die cura animarum und geistliche Lenkung durch erfahrene und weise Brüder, Visitatoren und Obere, die Existenz schriftlicher Norm- und Gesetzestexte sowie den gänzlichen Verzicht auf individuelles Eigentum preist. Dieser besonderen göttlichen Begnadung ihres Standes müssten sich die weiblichen Religiosen des Ordens, so die Mahnung des Textes im Rekurs auf das Pauluswort II Cor 6,1, durch Dankbarkeit und einen Lebensvollzug, der die empfangene Gnade got ze einem lob vnd euch selbs ze nütz gebraucht, würdig erweisen. Mit dem Verweis auf den Beitrag gerade auch eines sollichen/ furnemen loblichen/ heilligen Ordens, do man so sicherlichen jnnen leben mag, zu diesem Zustand der Gnadenhaftigkeit kehrt Meyer zuletzt zurück zum Kapitelinitium aus Est 2,2–3, das nun auf Deutsch wiedergegeben und parallel mit Blick auf seinen geistlichen sinn ausgelegt wird.219 Die Klausur der Hester am Hof des Königs Asuerus hatte bereits Humbert im Sermo Ad Mulieres religiosas inclusas quascunque als Exemplum für die Lebensform der weiblichen Monialen in toto angeführt;220 im Buch der Ersetzung erfährt die Stelle indes eine spezifische, auf die heilsgeschichtliche Position und Destination des Predigerordens zielende allegorische Interpretation in der Weise, dass der König als Christus, die megt vnd schöne töchter als gut willige hertzen, die nach ihnen durch alle lender daz ist durch die gantz Cristenheit ausgesandten Boten als brediger, die Königsstadt als geistlicher Stand und Lebenswandel, das hus der frawen als swester Clöster prediger ordens und dessen Hüter als priester vnd peich-

|| 216 Ricketts 198, fol. 136vb–137rb. 217 Maxima Bibliotheca Veterum Patrum, S. 470f. (Nr. XXXII). 218 Maxima Bibliotheca Veterum Patrum, S. 480f. (Nr. XLVIII), beginnend mit: Item notandum, quod multa sunt genera religiosarum mulierum, quae per mundum discurrunt interdum, ex quo oriuntur innumerabilia pericula, hae autem sorores sunt sub clausura perpetua. 219 Ricketts 198, fol. 138rb–va. 220 Maxima Bibliotheca Veterum Patrum, S. 478f. (Nr. XLV).

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tiger der geistlichen swestren prediger ordens einschließlich der Ordensoberen gedeutet werden.221 Kap. II lässt das Selbstverständnis und die Panegyrik des Ordens vorerst zurücktreten. Es bringt als Initium Ct 4,12: Ortus conclusus soror mea sponsa ortus conclusus und greift damit das in Humberts Modellpredigt Ad Mulieres religiosas inclusas quascunque abschließend unter Materia genannte Thema222 auf.223 Der Text inszeniert sodann eine mündliche Kommunikationssituation, indem sich das Sprecher-Ich an die Adressatinnen wendet und den Ausgangspunkt der weiteren Erörterungen als Antwort auf die imaginäre Frage aus dem Kreis seiner ,Zuhörerinnen‘ definiert, wie ein gut willige swester mit ir selbs in sünderheit leben sölte/ jn allen dingen zu dem daz si von ordens wegen tun sol daz es got loblichen genem vnd auch gefellig were, da nun doch genug und ordenlichen wol beschriben sei, wie wir in der gemein [,Gemeinschaft‘] beslossen in dem closter leben sond.224 Die Responsion des sich in topischer humilitas-Gebärde als (an Verstandeskräften) armer bruder gerierenden ,Predigers‘ betont, in der Tradition der „für die Via moderna repräsentativen“ Theologie,225 die Reziprozität der in freiem Willen erfolgten Zuwendung des tugendhaften Individuums zu Gott und von dessen Heilshandeln am glaubenden Menschen: Wie sich der Einzelne mit seinem freyen willen, mit Vernunft und Einsicht und mit Tugenden zu Gott hinwende, so wende sich Gott mit genaden zu ihm, minder oder me nach der bereitschafft deines freien willen/ den du mit manigfaltigen tügenden zu got bereytten bist. Entscheidend ist dabei mit Blick auf die Adressatinnen nicht allein die äußere, sondern auch die innere Lebensform, der Maßstab die Einhaltung des heiligen orden[s] in allen dingen, sowohl in kollektiven wie individuellen Lebensbezügen: dar nach so macht du dein person regieren/ nach dem aller besten in tügenden/ als dich beduncket daz es got aller löblichest vnd genemest sey/ dir aller nützlichest [,] der gemein aller tröstlichest vnd fridsamlichest.226 Das den Monialen abverlangte Selbstregiment, die Disziplinierung des ynneren menschen, verdeutlicht Meyer am in den Text montierten traditionellen Bild des Herzklosters, das die Metapher vom Herzen als Kloster zu einer umfassenden geistlichen Allegorie ausbaut, indem verschiedene Amtsfunktionen, Gebäudeteile und Gegenstände des Klosters als historischer Institution tropologisch, im Horizont des Verhältnisses des einzelnen Menschen zu Gott, gedeutet werden: Dis closter sol sein ein fridsames rüwiges gut williges hertz/

|| 221 Ricketts 198, fol. 138va–vb. 222 Vgl. Cruel: Geschichte der deutschen Predigt, S. 4: „Während der längere Abschnitt oder die Perikope von der homiletischen Terminologie des Mittelalters als t e x t u s bezeichnet wird, nennt sie den einzelnen Satz oder Vers, welcher dem Sermon als Textspruch vorangeht, t h e m a .“ 223 Maxima Bibliotheca Veterum Patrum, S. 479. 224 Ricketts 198, fol. 138vb–139ra. 225 Otto Hermann Pesch: Wille/Willensfreiheit. III. Dogmen- und theologiegeschichtlich. In: TRE 36 (2004), S. 76–97, hier S. 87. 226 Ricketts 198, fol. 139ra–rb.

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In disem closter sol got der herr selber apt sein.227 Der Allegorie liegt das Verfahren der ,Potenzierung‘ oder ,gestuften Iteration‘ zugrunde.228 Das individuelle Konventsmitglied figuriert als Verwalter, Hüter und Reformer seines eigenen internen Klosters, externe Kontroll- und Überwachungsmechanismen fungieren als Paradigmen mentaler Selbstdisziplinierung, die die äußere Klausur durch eine analoge innere Haltung fundiert: Nun liebe swester nim eben war diss beslossens closters vnd gartten/ vnd regiers wol/ vnd halt es in gutten eren/ vnd so du icht guttes oder sümiges sichst oder merckest an dem eusserlichen materlichen [,materiellen‘] closter/ oder an den emptren/ So gedenk auch an dein geistliches closter/ ob es zu oder ab neme vnd biß geflissen es alles zu besseren.229 Mit dieser Paränese rekapituliert der Text das einleitende Thema Ct 4,12 und bezieht es in moralischer und nuptialer Exegese auf die Schwester, die das innere Kloster und den verschlossenen Garten ihrer Seele wohl bewahre und also mit Recht, von manigfaltigkeit wegen deiner tügenden, eine Braut Christi genannt werden könne.230 Johannes Meyer übernimmt hier grundsätzlich Humberts Vorgabe am Ende von Ad Mulieres religiosas inclusas quascunque (Nr. XLV),231 übergeht aber, sicher nicht beiläufig, das Moment des castus amor zugunsten des Aspekts der Gottgefälligkeit durch Tugendhaftigkeit. Dass Ortus conclusus im Schriftwort zweimal erwähnt werde, bezeichne – so der Text weiter nach Humbert – die innere und die äußere Klausur der Monialen, die geistliche und leipliche besliessung.232 Es folgt – nur wenig adaptiert und jetzt von Anfang an – der Hauptteil von Humberts Predigtentwurf (Nr. XLV), wo die Notwendigkeit beider Formen der Klausurierung im Rückgriff auf ver-

|| 227 Ricketts 198, fol. 139va. – Meyers Variante der Herzklosterallegorie lässt sich prinzipiell jener größeren Gruppe deutscher Herzkloster-Versionen (überwiegend hochdeutscher Überlieferung) zuordnen, die charakteristische Erweiterungen gegenüber dem Grundtext zeigt, und zwar vor allem mit einem Fortsatz am wohl ursprünglichen Textende, der das Bild des Klostergartens weiter ausbaut und Bäume sowie deren Blätter, Blüten und Früchte in die Allegorie mit einbezieht (dazu Bauer: Claustrum Animae, S. 23f., 327f.; ders.: Herzklosterallegorien, Sp. 1162f. [V.3.]): Begird ewiger vnd himelischer freude vnd frid des hertzen daz sind die paum gartten [,] in den got der herr sein wonung haben wil/ Sweigen halten zu rechter zeit vnd stat sind die paume/ Vnder gan mit gedült sind die bletter/ Die manigfaltigen frücht der loblichen beslossen garten sind manigfaltigkeit der tugend/ bysunder der dreien gotlichen tugenden/ der vier angel tugend/ vnd der sibend tugenden vnd gaben des heilligen geistes/ der acht seligkeit/ der zwolff retten vnsers lieben herren Jesu Christo [sic] (Textschluss in Ricketts 198, fol. 140ra–rb). Die vegetabile Metaphorik dieses Typs der Herzklosterallegorie und die damit verbundene Akzentuierung des Gartenthemas ermöglicht freilich einen spezifischen Anschluss an das für Kap. II bestimmende Schriftwort Ct 4,12. 228 Harald Fricke: Potenzierung. In: RLW 3 (2003), S. 144–147, hier S. 144. 229 Ricketts 198, fol. 140rb–va. 230 Zur Auslegungsgeschichte des Hoheliedes und zur besonderen Bedeutung der Theologie Bernhards von Clairvaux für die brautmystische Interpretation siehe etwa Ulrich Köpf: Hoheslied III/1. In: TRE 15 (1986), S. 508–513; Kurt Ruh: Geschichte der abendländischen Mystik. Bd. 1: Die Grundlegung durch die Kirchenväter und die Mönchstheologie des 12. Jahrhunderts. München 22001, S. 253f. 231 Maxima Bibliotheca Veterum Patrum, S. 479: Nota quod mulier religiosa dici potest soror Christi & sponsa propter castum amorem qui est inter eos. 232 Ricketts 198, fol. 140va–vb; Maxima Bibliotheca Veterum Patrum, S. 479: Haec autem dicitur hortus conclusus bis propter duas clausuras, scilicet, corporalem, & spiritualem supradictas.

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schiedene Exempla und Schriftzitate – darunter das schon aus Kap. I bekannte und mithin kohärenzstiftende Beispiel der Hester – begründet, die spirituelle aber als die essenziellere und noch dazu als eine dreifache ,Beschließung‘, scilicet cordis, oris, & sensuum, klassifiziert wird.233 Ans Ende von Kap. II hat Johannes Meyer nochmals das übergreifende Thema Ct 4,12 gestellt, dessen brautmystische Deutung die ,Predigt‘ zuletzt kulminieren lässt in der potenziellen Anrede Christi an diejenigen Predigerschwestern, die nicht nur die beschliessung des closters einhalten, sondern auch die wesentlichere Klausur der sel des hertzen des gemttes des mündes der funff sinnen. Zu ihnen nämlich könne Christus, ihr Bruder und Bräutigam, sprechen: Ortus conclusus soror mea sponsa ortus conclusus.234 2.3.2.2 Profilierung der Autorrolle Die literarische Modellierung der Einzelkapitel des Buchs der Ersetzung nach dem Muster der Predigt impliziert – wie gesehen – die Profilierung eines Sprecher-Ichs im kommunikativen Modus des Predigers, dessen geistliche Autorität die Authentizität und Geltung des Textes verbürgt. Insbesondere in den rahmenden Partien des Buchs der Ersetzung, in der Vorrede und in der Einleitung zu Kap. X, wird diese Predigerfunktion indes verschmolzen mit der Rolle des (in Ansätzen) biographisch und literarisch konturierten Autors, die den Adressatenkreis und die Intentionalität des Textes anvisiert und zugleich dessen Einheit und Kohärenz unterstreicht. Zunächst zur Vorrede: Sie stellt Ps 44,11 als Motto voran, dessen Verwendung und Kontextualisierung das Ineinander von Prediger- und Autorfunktion mitsamt der Verschränkung der ihnen jeweils zugeordneten Rezipientenrollen paradigmatisch vergegenwärtigt: Audi filia et vide et inclina aurem tuam et obliviscere populum tuum et domum patris tui. Das Psalmwort rechnet zu den zentralen biblischen Aussagen zum Thema der geistlichen Jungfrauenschaft und war „den weiblichen Religiosen aus der Liturgie bestens vertraut“ (vor allem Fest der hl. Cäcilie, Mariä Himmelfahrt und Jungfrauenweihe235).236

|| 233 Maxima Bibliotheca Veterum Patrum, S. 478f. (Zitat S. 479). 234 Ricketts 198, fol. 142rb. 235 Das Fest der Jungfrauenweihe (Consecratio virginum) ist allerdings bei den Dominikanerinnen nicht in der sonst, bei anderen monastischen und kanonikalen Frauengemeinschaften, üblichen Weise eingeführt. Meyer beschreibt das traditionelle Ritual in Kap. III des Buchs der Ersetzung und erläutert dann den abweichenden Usus der Dominikanerschwestern: Doch sölliches ist nit gewonheit in vnserem orden vnder euch swestren/ wann vnser heilliger vater Sant Dominicus in seinem leben verpot es den swestren des ordens/ als geschriben ist in eur Constitucion In dem xvj Capitel/ daz keine von den byschoffen solte gesegent werden noch der megten weil von jnen enpfahen/ wand es jnen ein vrsach möchte sein daz si sich vber die andren möchten erheben/ aber es ist genung das die swestren prediger ordens geweilet werden mit dem weil der professio vnd gehorsamkeit [,] es were denn sach das man von rat günst/ vnd vrlob es meisters ordens anders tün müste (Ricketts 198, fol. 143va–vb). Vgl. Steinke: Paradiesgarten, S. 179. 236 Christa Bertelsmeier-Kierst: Rezension zu Tanja Mattern: Literatur der Zisterzienserinnen. Edition und Untersuchung einer Wienhäuser Legendenhandschrift. Tübingen/Basel 2011. In: ZfdPh 133 (2014), S. 454– 460, hier S. 459.

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Gedeutet wird es dann aber nicht allein im Sinne des Rückzugs des gottgeweihten Lebens von der Welt unter den Auspizien seiner umso sichereren Vereinigung mit Christus.237 Hinzu kommt eine Lesart, die auf das rechte Wahrnehmen und Betrachten von Worten und Dingen, dessen, was zu hören und zu sehen ist, zielt, wie es Humbert in seiner Predigtskizze Ad Moniales nigras (Nr. XLVI) unter dem Aspekt der plenitudo membrorum (,Vollständigkeit der Glieder und ihrer Funktion‘) und im Rekurs auf Ps 44,11 als eines der Merkmale der ,spirituellen Schönheit‘ der mulier sancta benannt hat.238 Der Beginn des Psalmverses wird in dieser Weise bei Meyer bezogen auf die adäquate Rezeptionshaltung der ,geistlichen Töchter‘ hinsichtlich diser gegenwurtigen geschribenen dingen239 und mithin zur topischen Captatio benevolentiae umfunktioniert: Der Autor als Prediger, der sich in der Salutatio seinen Adressatinnen, den observanten Dominikanerinnen der Provinz Teutonia, als armer bruder in got von brediger orden von dem huß Sancti Dominici der brüder ze basel vorstellt, mahnt seine ,Zuhörerinnen‘ zur gebührenden Aufmerksamkeit für seine ,Verkündigung‘ des Wortes Gottes, d.h. für den folgenden Text des Buchs der Ersetzung: Ich beger daz ir vnseren lieben herren wellend hören mit fliß durch sinen armen vnnützen knecht vnd eür oren zu disen heilsamen vnder wisung wellent neygen/ daz ist daz ir si mit demütigkeit wellent enpfohen vnd si minsamklichen mit aller danckperkeit wellent vff nemen.240 Die heilsfördernde Wirkung des normativen Textes macht das Autor-Ich gleichwohl abhängig von der Materialität des Geschriebenen, die wiederum als besonderes Kennzeichen des normativen Diskurses des Ordo Praedicatorum gegenüber anderen religiösen Gemeinschaften ins Feld geführt wird. In diese originäre Schrifttradition des Ordens mit ihrem Anspruch auf Heilssicherung reiht sich das Ich am Ende dezidiert ein, wenn es Humberts von Romans auf die Existenz schriftlicher Normtexte gründende Panegyrik des Ordens anzitiert,241 um das initiale Psalmwort für die Situation seiner Leserinnen zu präzisieren und ihre Lektüre seines vnderwislich[en] büchlein[s] zur Progression ihres durch Abkehr von der Welt im gnadenreichen Status des Ordens allererst ermöglichten Weges zum Heil zu propagieren.242 Der Prolog zu Kap. X nimmt hingegen seinen Ausgangspunkt von Io 6,12: Colligite fragmenta que superaverunt ne pereant,243 worauf sich das Autor-Ich als Nachfolger der selligen frawen Ruth inszeniert, die im Feld des Boas die von den Schnittern zurückgelassenen Ähren aufgelesen hat. Das Bild ist im Kontext des Autorschaftsdiskurses freilich

|| 237 Vgl. dazu etwa Steinke: Paradiesgarten, S. 51–53. 238 Maxima Bibliotheca Veterum Patrum, S. 479: Aliud est plenitudo membrorum. Defectus enim cuiuslibet membri deturpat totum corpus, & ideo ad pulchritudinem sanctae mulieris requiritur, vt habeat aures ad audiendum audienda, & oculos ad videndum videnda, iuxta illud Psalm. Audi filia, & vide. 239 Ricketts 198, fol. 135va. 240 Ricketts 198, fol. 135ra–rb. 241 Dies dann ausführlicher in Kap. I (vgl. o. S. 58). 242 Ricketts 198, fol. 136va. 243 Ricketts 198, fol. 215ra (hs. peterant ist o. gebessert zu pereant).

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nicht neu. Philipp der Kanzler etwa bezieht es im Prolog der Summa de bono244 programmatisch auf seine „theologische Arbeit“, nämlich „die von den Vätern und Doktoren auf dem Acker der Heiligen Schrift der Nachwelt zur Diskussion überlassenen Fragen“ aufzugreifen.245 Thomas von Cantimpré bedient sich seiner im Prolog des Supplementum zur Vita der Marie von Oignies, wenn er seine Tätigkeit als Hagiograph auf dem weiten Feld des Lebens dieser ancilla Christi als Nachlese zur Arbeit des ,großen Schnitters‘ Jakob von Vitry darstellt.246 Johannes Meyer nun legt die Episode des Buches Ruth (2,1–23) in der Weise aus, dass er, im Grundsatz vergleichbar dem Ansatz Philipps des Kanzlers in der Summa de bono, die Schnitter allegorisch als vnser heilligen altforderen und ihre Garben als vil schöner bücher vnd ler deutet, die sie vom weiten acker der gantzen heilligen geschrifft genommen und vns ir armen nach kummen zum Nutzen hinterlassen haben. Genannt werden dann die Urheber und Autoren der für die dominikanischen Ordensangehörigen zentralen normativen Texte: Augustinus und die nach ihm benannte Regel, Dominikus als Stifter der Konstitutionen, sowie summarisch und ohne namentliche Erwähnung weitere Ordensmeister und Provinziale, die den Konstitutionentext ze rechter form gebracht, das buch der nottel und das – von Meyer bereits für die Schwestern übersetzte – büch der empteren und weiterhin ordinacionen und schöne brieff büchlein verfasst und verschiedene Privilegien verliehen haben.247 Der Autor des Buchs der Ersetzung reiht sich selbst als armes brüderlein am Ende der Kette ein: Ihm ist es, mit der demüttigen frawen Ruth, um die Reste, um die stücklin vnd die kleinen abgerisen kornlin von den Garben und Ähren des normativen Schrifttums des Ordens vom Acker der Heiligen Schrift zu tun – um die bislang nicht oder nicht in der rechten Form verschriftlichten gütten loblichen gewonheitten die wir von gütter herkommenheit halten sind/ vnd auch halten sönd.248 Das Profil und Selbstverständnis des Autors gründen sich mithin auf das Vervollständigen und Sichern des normativen Textspektrums des Ordens: auf das Sichten, Sammeln, Kompilieren und zweckdienliche Redigieren von traditionell als wertvoll, nützlich und in diesem – wenn auch nicht im rechtlichen – Sinne als verbindlich erachteten normativen || 244 „Vadam in agrum et colligam spicas que fugerunt manus metentium, ubicumque clementis in me patris familias reperero gratiam“, Ruth II. Ruth interpretatur videns. Utinam essem Ruth et dicere possem: „Vadam in agrum“, id est in sacram Scripturam, „et colligam spicas que fugerunt manus metentium“. Metentes sunt antiqui patres et doctores qui agrum sacre Scripture falce ingenii latius messuerunt et forsitan spicas, id est aliqua discutienda, posteris reliquerunt: Philippi Cancellarii Parisiensis Summa de bono, ad fidem codicum primum edita studio et cura Nicolai Wicki. 2 Bde. Bern 1985, Bd. 1, S. 3. 245 Niklaus Wicki: Philipp der Kanzler. In: TRE 26 (1996), S. 498–500, hier S. 499f.; ders.: Die Philosophie Philipps des Kanzlers. Ein philosophierender Theologe des frühen 13. Jahrhunderts. Freiburg Schweiz 2005 (Dokimion 29), S. 9f. 246 Cum Ruth igitur festinante, ea colligere festinanter aggrediar, quae in lato campo Vitae Ancillae Christi magni messoris illius industrias manus effugerunt: B. Maria Oigniacensis, in Belgio, Supplementum auctore coaevo Fr. Nicolao, Canonico Regulari coenobii Campratani. In: AASS Jun. IV, S. 666–678 (BHL 5517), hier S. 666. 247 Ricketts 198, fol. 215rb–vb. 248 Ricketts 198, fol. 216ra–rb.

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Usancen und Praktiken (observanten) dominikanischen Gemeinschaftslebens. Zwar signalisiert die Demutsgeste des Autor-Ichs eine grundlegende Distanz zu den heiligen Lehrern und Autoritäten, doch artikulieren sowohl die Suggestion einer Nachfolge der verehrungswürdigen Altvorderen wie speziell die Ruth-Reminiszenz mit ihren poetologischen Implikationen ein spezifisches literarisches Selbstbewusstsein, das dann besonders auch in der Sorge des Autors um die Einheit und Kohärenz seiner Schrift und um deren Verbreitung und Wirkung innerhalb der Ordensgemeinschaft zum Ausdruck kommt: und zwar in der auktorialen Verfügung, dass man den Text des Buchs der Ersetzung stets vollständig abschreiben solle vnd nit sunders da von neme, sowie in der Bitte, daz je die closter die dis buch hand daz si es mit gemeinsament den andren clöstern.249 Die Figurationen des Autors als Predigers und Produzenten des schriftlichen Textes, wie sie die Vorrede zum Buch der Ersetzung und der Prolog zu Kap. X in jeweils unterschiedlicher Akzentuierung vorführen, haben die illustrierten Handschriften auch piktorial gestaltet. Ricketts 198 stellt der Vorrede eine ganzseitige Miniatur voran (fol. 134v, Abb. 3), die links einen predigenden Dominikaner auf einer Kanzel zeigt, wobei ein von seiner linken Hand ausgehendes Spruchband den Text, das Psalmwort des Initiums der Vorrede enthält: Audi filia et vide et inclina aurem tuam et cetera.250 Ihm zu Füßen sitzen die wesentlich kleiner dimensionierten Mitglieder eines Dominikanerinnenkonvents in zwei Gruppen, links die Novizinnen mit ihrer Meisterin, rechts die Chorschwestern. Zwischen beiden ist eine einzelne Chorschwester auf den zur Kanzel führenden Stufen zu sehen, in kontemplativer Haltung mit geschlossenen Augen und mit der linken Hand auf ihr Ohr deutend, die die Blicke der anderen auf sich zu ziehen scheint. Es wird sich bei ihr um die Imagination der im Text von Ps 44,11 apostrophierten filia und mithin der den Worten des ,Predigers‘ lauschenden idealen Rezipientin handeln. Die Leipziger Handschrift Ms. 1548 übernimmt diese Illustration der Predigtszene und – durch den Kontext der Vorrede vereindeutigte – Figuration des Autors als Predigers, wie sie das Eingangsbild von Ricketts 198 vorgibt, integriert sie aber in die den Text eröffnende historisierte AInitiale und vereinfacht bzw. typisiert stark (fol. 133ra, Abb. 4): Der Prediger auf der Kanzel ist links in den Hintergrund gerückt, und ihm fehlt jetzt das Spruchband; vor ihm sitzen, in etwa gleicher Größe dargestellt, sechs Dominikanerinnen, eine davon eine Novizin (ganz links, mit weißem Schleier). Die historisierte C-Initiale zu Beginn von Kap. X (fol. 215ra, Abb. 5) – deren Autorbild nur in Ricketts 198, nicht aber in Ms. 1548 ausgeführt wurde, obwohl es dort sicher vorgesehen war (fol. 217ra, Abb. 6) – präsentiert demgegenüber einen vor einem Schreibpult auf einem thronartigen Stuhl sitzenden Dominikaner, wobei seine Hände auf den unbeschriebenen Seiten eines geöffneten Codex oder Lagenbündels ruhen. Diese Ikonographie des Autors, der das noch unbegonnene „Buch vor sich auf dem Pult aufgeschlagen hat“, re-

|| 249 Ricketts 198, fol. 216va. 250 Vgl. Hamburger: The Visual and the Visionary, S. 19, 21f., 594 (Color Plate I).

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kurriert auf den traditionellen Bildtypus des Autors als Schreibers seines eigenen Werks.251 Und wie der folgende Text des Kapitelprologs profiliert sie die Rolle des Textproduzenten, während die des Predigers ganz zurücktritt. Der Verfasser des Buchs der Ersetzung wird somit „als ein vollgültiger Autor, als auctor des Buchs oder Werks, verstanden“. Seine „Bescheidenheitsäußerungen“ mit Blick auf die eigene literarische Leistung bzw. sein Selbstverständnis vor allem als Sammler, Kompilator und Redaktor tangieren offensichtlich in den Augen der Illustratorinnen den „Umfang der Autorschaft“ nicht.252

2.3.3 Norm und Identität: Inhaltliche und funktionale Komplemente zum Buch der Ämter 2.3.3.1 ,Gute Gewohnheiten‘ und exemplarische Frömmigkeitspraktiken Es ist bereits von den grundsätzlichen Abstufungen die Rede gewesen, die im dominikanischen Normensystem zwischen den kodifizierten Gesetzes- und den consuetudines-Texten bestehen.253 Aufgrund ihrer Autorisierung durch den Ordensgründer und spezifisch legitimierte verfassungsgebende Instanzen und Gremien kommt den Konstitutionen im Ordo Praedicatorum ein höherer Stellenwert zu als den ,Gewohnheiten‘, den „durch die Praxis approbiert[en]“254 monastischen Lebens- und Frömmigkeitsformen, und es fehlt diesen daher auch prinzipiell der Charakter rechtlicher Verpflichtung, der jenen eignet. In diesem Sinne war schon das Ämterbuch sowohl in der lateinischen ,Urschrift‘ des fünften Generalmeisters Humbert von Romans wie auch in der – vom Provinzial Petrus Wellen beglaubigten – deutschen Übersetzung Johannes Meyers für die Dominikanerinnen, trotz seiner tendenziellen Nähe zu den Konstitutionen, eine rechtlich nicht bindende Instruktionsschrift. Und noch mehr trifft dies zu für das Buch der Ersetzung und speziell für die in den Kapiteln VIII und X mitgeteilten ,guten Gewohnheiten‘, die das ergänzen und ausfüllen, was die constitucio vnd daz ampt buch nit als volkommenlichen sagend.255 Gleichwohl reklamiert Johannes Meyer die Bedeutung und normative Verbindlichkeit gerade der gutten löblichen alten herkommenen gewonheit, wenn er zu Beginn von Kap. VIII die skizzierte Hierarchie der Normtexte und die abgestufte Geltung der consuetudines aufruft, um das Schriftwort Cum feceritis omnia que precepta sunt vobis dicite servi inutiles sumus (Lc 17,10) auf solche Ordensangehörigen zu applizieren, die sich allein auf die Einhaltung dessen, was die Konstitutionen vorgeben, konzentrierten und darüber || 251 Meier: Ecce auctor, S. 347–351 (Zitat S. 351). 252 Meier: Ecce auctor, S. 351. 253 Dazu o. S. 12–16. 254 Melville: Regeln – Consuetudines-Texte – Statuten, S. 15. 255 Ricketts 198, fol. 136ra. – Dass es sich bei den Vorgaben des Ämterbuchs wie auch des Buchs der Ersetzung um rechtlich nicht bindende Normen handelt, stellt denn auch die Vorbemerkung zum Verbund beider Texte, die die Leipziger Handschrift Ms. 1548 überliefert, deutlich heraus: Es ist zu mercken was hie an diesem buch geschriben ist verbindet nyeman weder zu pein noch zu schuld (fol. 3ra, vgl. dazu bereits o. S. 23f. mit Anm. 71).

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nicht viel nach den kleinen dingen fragten, die sie gemäß den Vorgaben der Tradition ihres Ordens und Konvents auch zu erfüllen hätten. Tatsächlich aber seien die Schwestern an die approbierten Lebenspraktiken der Altvorderen gebunden, die joch nit in geschrift gesetzet vnd geschriben sind/ vnd doch als ich gesprochen hab gehalten sind oder gehalten werden. Aus diesem Grund informiere das vorliegende Kapitel die Schwestern darüber, weles aber die ding sein die da nit geschriben sint in eur Constitucio der gesetzte vnd ir si doch sond halten/ vnd war vmb es euch nit geschriben ist in der constitucio.256 In einem Exkurs erläutert Meyer sodann die Praxis der kontinuierlichen Novellierung der für die Predigerbrüder gültigen Gesetzestexte durch die Generalkapitel des Ordens bis in die unmittelbare Gegenwart der Abfassungszeit des Textes, bis zum Jahr 1455, um darauf hinzuweisen, dass die Konstitutionen der Dominikanerinnen seit der Zeit, als sie von Humbert von Romans zuletzt redigiert und den Predigerkonstitutionen gleich formig257 gemacht worden waren, unverändert geblieben sind. Es geht mithin darum, die aufgrund der beständigen legislativen Aktualisierungen im Bereich des Ersten Ordens ,ungleichförmig‘ gewordenen normativen Grundtexte beider Ordenszweige wieder ein Stück weit einander anzunähern und in Einklang zu bringen. Diesem Ziel dienen die im Anschluss als Nachträge zu den Dominikanerinnenstatuten zusammengestellten Exzerpte derjenigen Novellierungen der Predigerkonstitutionen, die Meyer auch für die monastische Lebensweise und das Officium divinum der Dominikanerinnen, unter dem Aspekt einer geistlichen furderung der Schwestern, als relevant erachtet: Als denn ist von gottes dienst/ von dem neigen/ von dem fasten/ von der speis/ vnd von andren des geleich sachen.258 Dazu kommen weit umfangreichere Auszüge aus den acten/ vnd ordinaciones/ der grossen general Capitelen, wovon Meyer nach eigener Aussage vor etlichen jaren […] ein gefuges büchlein gemacht hat. Aus diesem (heute nicht mehr erhaltenen) lateinischen büchlein sind die aller nützten stuck vnd ordinaciones vnd gutte gewonheit in Deutsch verzeichnet, die auch die Dominikanerinnen betreffen.259 Die dargebotenen Exzerpte aus den Ordinationen, die von den ersten heilligen vetteren des ordens, zur Zeit der sechs ersten Meistren des ordens nach Dominikus, erlassen wurden, sind mitunter grob systematisiert nach den fünf Rubriken ,Gottesdienst‘, ,Fasten und Schweigen‘, ,Ausstattung der Klöster‘, ,Amtsgewalt der Oberen und Ordinationen des Ordens‘ und ,Klöster der Dominikanerinnen‘. Das schriftliche Verzeichnis der verschiedenen normativen Vorgaben unterschiedlicher Kontexte und Provenienzen für die Dominikanerinnen setzt eo ipso eine dieser Vorgaben, die die Kodifizierung und ,Publikation‘ der admonitiones und ordinationes der

|| 256 Ricketts 198, fol. 165rb–166ra. 257 Ricketts 198, fol. 166ra. 258 Ricketts 198, fol. 166va. 259 Vnd ist nit not daz ich hie die jar zal von der geburt Christi schreib/ vnd d[ie] namen der Conuenten da die selben grossen Capitteln sind gehalten/ als ich in dem selben lateinischen büchlein gemachet hab/ Aber vor einem jecklichem stücklein wil ich vor laßen gan das wort/ Item/ auf daz ir ein jeckliches stuck in sunderheit wissent (Ricketts 198, fol. 167rb).

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General- und Provinzkapitel in den einzelnen Konventen fordert, mustergültig um.260 Intendiert ist hier offensichtlich, unter dem Signum der Identität des Ordens und seiner „institutionelle[n] Dauerhaftigkeit“,261 eine Annäherung der monastischen Gebräuche und Frömmigkeitsformen des – von der Gesetzgebung und Administration des Gesamtordens ausgeschlossenen – weiblichen Ordenszweiges an die im Laufe der Zeit modifizierten Traditionen des männlichen Ordenszweiges. Die Verschriftlichung und Distribution allgemein anerkannter Normen auch unterhalb der Ebene der rechtlich bindenden Gesetzesund Verfassungstexte des Ordens zielt so letztlich auf die Rückkehr zu einer umfassenden uniformitas religioser Lebensform, die als ein Kennzeichen der idealen Anfänge gilt. Eine Integration speziell des weiblichen Ordenszweiges und Vereinheitlichung der Spiritualität und Lebenspraktiken in den einzelnen Schwesternklöstern impliziert eine Reihe von paradigmatischen, besonders auch genuin observanten consuetudines, Frömmigkeitsformen und Andachtsübungen, die das Buch der Ersetzung aus verschiedenen Konventen zusammenträgt und zur Nachahmung empfiehlt. Unter ihnen finden sich sowohl eine Passionsprozession der Berner Dominikanerinnen wie etwa auch, in Kap. X, die Geistliche Meerfahrt der Margareta Ursula (Gredursula) von Masmünster. Von der Prozession der reformierten Schwestern des Inselklosters kann Meyer, der während der Abfassung des Buchs der Ersetzung Beichtvater in Bern war, aus eigener Erfahrung berichten. Auf seine Vermittlung hin wurde die Prozession, bei der die Schwestern alljährlich in den letzten Tagen der Vorfastenzeit, am süntag quinquagesima und am darauffolgenden Montag und Dienstag,262 die einzelnen Stationen des Leidensweges Christi mit Gesang, Lesung und Gebet nachvollzogen und die memorative wie imaginäre Betrachtung der Passion zum Zweck der Compassio und Imitatio263 dadurch intensivierten, dass sie die Arma Christi mit sich führten, offenbar auch einmal vor einer öffentlichen Gemeinde, im Anschluss an die Predigt, begangen. Indem Meyer nachdrücklich die affektive Wirkung dieses performativen Aktes der Buße auf das Kollektiv der Anwesenden, darunter neben ihm selbst etlich || 260 Item des ordens gemeine vermanüng die da gemachet werden in den acten der grossen generalen Capitelen/ vnd auch die gemachet werden in den acten der provincialen Capitelen Sol man in allen Clöstren abschreiben/ vnd daz man si in etwan in dem Couenten lesen sige/ vnd hie zu sol ein sunder buch sein (Ricketts 198, fol. 168va). 261 Melville: Systemrationalität, S. 158. 262 Der Zeitpunkt ist bewusst gewählt: Die Prozession soll einen Kontrapunkt setzen zum parallelen Kontext des Fastnachtsfestes, indem sie den Aspekt der Buße hervorkehrt: vnd tünd dis alles die obgenanten swestren/ in der meinung/ als denn auf die selben zeit got der herr mit manigfaltigen sünden gesmecht vnd erzürnet wird/ vnd sein heilliges leiden grosslichen enteret wirt/ von mangen menschen mit vncristenlichen weisen vnd groben sünden/ daz er dar vmb seinen zorn vnd strenge herte gerechtigkeit nit vber vns sende vnd die selbe processio vnd gebette auf neme fur alle die sünd die da auf die zeit geschihet durch die gantze welt/ vnd sein Cristenheit beschirme vnd behütte (Ricketts 198, fol. 171ra). 263 Zu Compassio und Imitatio im Kontext der spätmittelalterlichen Passionsbetrachtung und Imaginationspraxis Thomas Lentes: Gebetbuch und Gebärde. Religiöses Ausdrucksverhalten in Gebetbüchern aus dem Dominikanerinnen-Kloster St. Nikolaus in undis zu Straßburg (1350–1550). Diss. masch. Münster 1996, S. 446–459.

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die da grob leut schinent, wie auch dessen vorgängige Approbation seitens des wirdigen vaters provincials von teutzschem land herausstellt, affirmiert er die Legitimität und Verbindlichkeit der Berner ,Gewohnheit‘ als einer in allen swestren Clostren wünschenswerten normativen Praxis.264 Als Autorin der Geistlichen Meerfahrt nennt das Buch der Ersetzung in der vorangestellten Rubrik Margred vrsel von masmunster die do ein wirdige priorin in dem orden gewesen ist. Die 1447 oder 1448 verstorbene andechtige tugentreiche selige swester war als Kind, im Alter von vier Jahren, dem Schönensteinbacher Konvent, dem Stammkloster der observanten Dominikanerinnen in der deutschen Ordensprovinz, anvertraut worden und wirkte später mit an der Reform des Colmarer Unterlindenklosters (1419) und des Basler Steinenklosters (1423), wo sie zweimal als Priorin amtierte.265 Da die Berner Dominikanerinnen 1439 von Basel aus reformiert wurden und von da an engere Kontakte zwischen beiden Konventen bestanden,266 könnte der Text der Geistlichen Meerfahrt zur Entstehungszeit des Buchs der Ersetzung in Bern kursiert sein, wenn er Johannes Meyer nicht schon aus Basel, vom Steinenkloster selbst, bekannt war, das ebenso wie der Berner Konvent von den Brüdern des Basler Predigerkonvents seelsorgerisch betreut wurde.267 Dem eigentlichen Text scheint im Buch der Ersetzung ein einleitendes Narrativ mitgegeben, das vom zeitlichen Kontext, den von den Basler Schwestern und ihrer Priorin getroffenen Vorbereitungen und den intentionalen Implikationen der Andachtsübung berichtet, nämlich alte bose gewonheit vnd vnordenliches leben ze lassen vnd den vntügenden ze wider sten.268 Die Geistliche Meerfahrt selbst, der Text der Margareta Ursula von Masmünster, wird dann als jene direkt an die Schwestern gerichtete Handlungsanweisung zu identifizieren sein,269 deren Verfas-

|| 264 Ricketts 198, fol. 170vb–171rb. 265 Zu den biographischen Daten siehe Schmidtke: Margareta Ursula von Masmünster, Sp. 1250; Petra Zimmer: Basel, St. Maria Magdalena an den Steinen. In: Helvetia Sacra IV/5,2, S. 584–609, hier S. 606. – Der Kern der bekannten Details zum Leben der Basler Priorin findet sich wiederum bereits bei Johannes Meyer, der ihr im Buch der Reformacio Predigerordens, im Kontext der Schönensteinbacher Nonnenviten, eine eigene Vita gewidmet hat (IV,41 der ,Urfassung‘: Colmar, Archives Départementales du Haut-Rhin, Fonds Herzog, 1f22, S. 598f.; III,24 der Straßburger Fassung: Straßburg, National- und Universitätsbibliothek, Ms. 2934, fol. 85v). Dort ist als Todesjahr 1448 mitgeteilt, während ein Eintrag im Codex E III 13 der Universitätsbibliothek Basel (vgl. Schmidtke: Geistliche Schiffahrt, S. 367 Anm. 37), einem Sammelband aus Johannes Meyers Besitz, das Jahr 1447 angibt: ·S· gretlin von masmvnster · [dann Nachtrag:] que obijt 1447 ad lapides in basilea [zuletzt vermutlich von der Hand Meyers zugesetzt:] priorissa (fol. 113v, aus einem Verzeichnis der 1417 in Schönensteinbach lebenden Schwestern: Infra scriptas sorores numero ·xl· inveni hic 1417 […], wohl angelegt von der Hand Heinrich Fabris, der von 1417 bis 1452 Seelsorger in Schönensteinbach war; siehe dazu auch die unpublizierte Beschreibung des Codex von Martin Steinmann in der Basler Universitätsbibliothek, S. 25). 266 Vgl. Claudia Engler: Bern, St. Michael in der Insel. In: Helvetia Sacra IV/5,2, S. 610–630, hier S. 615. 267 Zimmer: Basel, St. Maria Magdalena an den Steinen, S. 588. 268 Ricketts 198, fol. 237rb–238va. 269 Unter der Überschrift: Dis sint die stuck vnd ordenung vnd die weg do hin die bilger faren sond (Ricketts 198, fol. 238va). Zur Differenzierung der beiden Textschichten auch Landmann: Andachtsübungen, S. 224

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serin allein an einer Stelle, in der abschließenden Bitte um Fürbitte einer anonymen IchSprecherin, und in der Rolle der einstigen Gefährtin auf der imaginären bilgerfart hervortritt: bitten auch got fur mich wond ich auch eür gesellenen eine bin gesein.270 Diese normative Anleitung expliziert zunächst die Voraussetzungen und Verpflichtungen der einzelnen Konventualinnen (Gehorsam, Schweigen, Demut) für dis heilig zeit, die weil ir auf der mervart sind, und entwirft darauf für die neun Wochen von Septuagesima bis zum Osterfest, für die Dauer der allegorischen Bußfahrt, eine Serie von neun Meditationsstationen bzw. -objekten, auf die sich die devotionale Praxis mentaler Selbstdisziplinierung im Horizont der Passionsbetrachtung jeweils beziehen soll.271 Das metaphorische „Schiff der Buße“,272 seine Bestandteile und Requisiten werden schließlich moralisch, „in einer an alte Ausdeutungen des Schiffes der Kirche anknüpfenden Weise“,273 auf den Sinnzusammenhang des monastischen Ordo und der Spiritualität der Schwestern hin ausgelegt, wenn etwa das Schiff allein als ihr heilliger orden vnd sein gesetzte, der schiff man als der Heilige Geist, der Mast als das kreutz Christi, der mersterne als die rein zarte maria und der Anker als die götliche hilff gedeutet werden. Am Ende stehen die Freude derer, die ir bilgerfart in der Osterwoche mit fleiß vnd ernst volbracht hand/ vnd ir alten bosen gewonheiten wider standen hand, und ihr Erbarmen über diejenigen, die unter der Perspektive der „Sühneleistung und Tugendschulung“274 wol hand angefangen, aber vbel hand geendet.275 Wenn das Buch der Ersetzung dem Text der Geistlichen Meerfahrt eine Sammlung der – wie die Konstitutionen zum ius particulare des Ordens rechnenden – Privilegien und Freiheiten der Dominikanerinnen und ihrer Klöster unmittelbar folgen lässt, so mag auch dieser Kotext, der zusammen mit den Privilegien des Gesamtordens am Beginn des Kapitels einen Rahmen bildet, den Status der allegorischen Buß- und Tugendübung observanter Provenienz als einer gutten loblichen gewonheit und exemplarischen Frömmigkeitspraxis unterstreichen, deren Geltungskraft ohnehin dadurch gesichert ist, dass man sie – wie die Rubrik zum Text hervorhebt – in etlichen swestren clostren jerlichen halten ist.276 Indem das Buch der Ersetzung ihre Verbreitung wie die aller anderen hier schriftlich fixierten

|| (zum Text der Handschrift Straßburg, Stadtbibliothek, Ms. 559); Schmidtke: Margareta Ursula von Masmünster, Sp. 1250. 270 Ricketts 198, fol. 240va–vb. 271 Die Erste wochen/ sond ir die vorgenanten stuck halten ze eren dem jnnerlichen leiden der edlen sel vnsers lieben herren Jesu Christo [sic]/ Die ander wochen ze eren dem eusserlichen smertzen vnd peinlichen enpfinden der menscheit Jesu Christi/ Die dritte wochen allen dem mitleiden daz der lieb Jesus hat mit seiner zarten mütter vnd mit allem menschlichen künn/ Die iiij wochen allen seinen wünden/ [usw.] (fol. 238vb– 239ra). 272 Die spätmittelalterliche Tradition behandelt Schmidtke: Geistliche Schiffahrt. 273 Schmidtke: Geistliche Schiffahrt, S. 368. 274 Lentes: Gebetbuch und Gebärde, S. 404 mit Blick auf grundsätzliche funktionale Akzentsetzungen der „Passionsandacht im späteren Mittelalter“. 275 Ricketts 198, fol. 240va–vb. 276 Ricketts 198, fol. 237rb.

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consuetudines propagiert,277 verdichtet es das Spektrum der von den basalen Gesetzestexten des Ordens und den dort direkt anschließenden Instruktionen des Ämterbuchs vermittelten Normen durch mehr und mehr feinmaschige Vorgaben für verschiedene konkrete Situationen und Zeiten des monastischen Lebens. Dahinter wird die Tendenz einer alle Zusammenhänge religiosen Lebens erfassenden Strategie der Vereinheitlichung und Uniformierung im Zeichen monastischer Observanz erkennbar, die man mit einer von Berndt Hamm für das 15. und 16. Jahrhundert und unterschiedliche Bereiche von Religion und Gesellschaft herausgearbeiteten „Dynamik der Vereinfachung, Verdichtung und regulierenden wie normierenden Zentrierung“278 wird in Verbindung bringen können. 2.3.3.2 Historie und Exemplum: Die Herkunft des Ordens und das Leben der heiligen Altvorderen Zu Beginn des Buchs der Ämter, in der Salutatio der ersten Vorrede, hatte Johannes Meyer die Adressatinnen hinsichtlich ihrer monastischen Lebensführung auf die normativen Leitbilder und guten exempel der ersten Ordensväter verpflichtet und sich dabei explizit auf den heiligen Ordensgründer Dominikus, seine unmittelbaren Nachfolger in der Ordensleitung Jordan von Sachsen, Raimund von Peñafort, Humbert von Romans sowie die beiden heiligen Brüder Petrus von Verona und Thomas von Aquin bezogen.279 Diese Referenz wird nun am Ende des Buchs der Ersetzung wieder aufgenommen, und es schließt sich gewissermaßen der Kreis mit der umfangreichen Chronik der Generalmeister in Kap. IX, die die Leben und Taten jener heiligen Altvorderen im und für den Orden und damit zugleich die Historie der Institution von ihren Anfängen bis in die Zeit der Textentstehung als narratives Kontinuum gestaltet. Das formale Gerüst dieses ordenshistoriographisch-hagiographischen Narrativs bildet die Serie der Generalmeister des Ordens von Dominikus bis zu Martial Auribelli (jedenfalls in der Urversion des Textes, die mit dem Jahr 1455 endet).280 Ihre Biographien und res gestae werden zwar je unterschiedlich dicht erzählt, immer aber stehen das Ereignis der Wahl mit Angabe des Jahres und Versammlungsortes des Generalkapitels sowie Name und Positionierung (Zählung) des Gewählten in der Sukzession der Funktionsträger stereotyp || 277 Speziell die Geistliche Meerfahrt hat eine breitere Distribution auch außerhalb des Buchs der Ersetzung erfahren, deren näherer überlieferungsgeschichtlicher Zusammenhang zum Buch der Ersetzung noch zu untersuchen ist (dazu Schmidtke: Geistliche Schiffahrt, S. 367f., 116 Anm. *; Schmidtke: Margareta Ursula von Masmünster, Sp. 1250; Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 397 Anm. 8, 422). 278 Berndt Hamm: Normative Zentrierung im 15. und 16. Jahrhundert. Beobachtungen zu Religiosität, Theologie und Ikonologie. In: Zeitschrift für historische Forschung 26 (1999), S. 163–202, hier S. 169. – Ich komme darauf im Einzelnen u. S. 76–79 zurück. 279 Ricketts 198, fol. 1ra–rb; ed. DeMaris, S. 153,11–30. Siehe dazu o. S. 21f. 280 Spätere Erweiterungen führen die Reihe der Generalmeister bis hin zu Salvo Cassetta, d.h. bis zum Jahr 1481 (Redaktion der Handschrift Freiburg i.Br., Stadtarchiv, B 1 Nr. 108) und bis zum Jahr 1483 (Redaktion der Handschrift Karlsruhe, Landesbibliothek, St. Peter pap. 43; Nachtrag von der Hand Meyers). Siehe dazu Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 414, 416f.

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an ihrem Anfang und die Nachricht vom Tod (zuweilen einschließlich postmortaler Wunder und Zeichen) oder vom Ausscheiden aus dem Amt sowie die Kalkulation der exakten Dauer der Regierungszeit und der folgenden Sedisvakanz an ihrem Ende.281 Und auch im Falle des Ordensstifters Dominikus, von dem die „quasi-genealogische[]“282 Reihe ihren Ursprung nimmt und auf den sie immer bezogen bleibt, dominiert dieses chronographische283 institutionsgeschichtliche Schema, wenn die Erzählung zwar zunächst mit der Geburt des Heiligen im Sinne einer individualgeschichtlichen Konturierung beginnt, gleich darauf aber umschwenkt zu den chronologisch fixierbaren Anfängen des Predigerordens und dem Jahr von dessen Bestätigung durch Papst Honorius III. In die überaus selektiven Darstellungen der Generalmeister, ihrer bemerkenswerten Amtshandlungen (mitunter auch ihrer literarischen Aktivitäten) und der für ihre Amtszeiten repräsentativen Geschehnisse284 sind weiterhin nicht nur annalistische Notizen zur Verbandsgeschichte, zur Gründung und Inkorporation einzelner Brüder- und Schwesternkonvente insbesondere der deutschen Ordensprovinz inseriert, sondern vor allem auch Exempla und prosopographische Nachrichten (wiederum unterschiedlichen Umfangs) vom Leben und Wirken zeitgenössischer heiligmäßiger Brüder und Schwestern, die sich jeweils zu mehr oder minder eigenständigen Reihen ausfalten können.285

|| 281 Zurückführen lässt sich das hier erkennbare, dem Modell der Gesta abbatum verwandte Schema letzten Endes wohl auf die Papst- und Bischofschronistik und speziell auf den römischen Liber pontificalis (dazu Gert Melville: …de gestis sive statutis Romanorum pontificum… Rechtssätze in Papstgeschichtswerken. In: Archivum Historiae Pontificiae 9 [1971], S. 377–400; Michel Sot: Gesta episcoporum. Gesta abbatum. Turnhout 1981 [Typologie des sources du Moyen Age occidental 37], S. 32f.; zum Liber pontificalis als „Progenitor ekklesialer Institutionengeschichtsschreibung und damit auch der Ordenschronistik“ besonders Jäkel: Kontinuitätskonstruktionen, S. 219–224 [Zitat S. 224]). 282 Jäkel: Kontinuitätskonstruktionen, S. 209. 283 Vgl. Franz-Josef Schmale: Funktion und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung. Eine Einführung. Mit einem Beitrag von Hans-Werner Goetz. Darmstadt 21993, S. 109f.; Gert Melville: Chronik. In: RLW 1 (1997), S. 304–307. 284 Der Tendenz nach wird man die auf den Liber pontificalis bezogene Einschätzung von Schmale: Funktion und Formen, S. 116, wonach die dort vorliegenden „kurzen Lebensbeschreibungen“ weniger als „echte Viten“ denn „als Gesta zu klassifizieren“ seien, auch für Meyers Chronik der Generalmeister übernehmen können. Bei aller Varianz der einzelnen Lebensbilder in Umfang und Darstellungsdichte stehen auch hier prinzipiell das Wirken der Amtsträger für die Institution des Ordens und deren historischer Wandel im Vordergrund. Gleichwohl sind bisweilen, etwa im Falle des 4. Generalmeisters und Bischofs Johannes Teutonicus, Strukturmuster und Topoi einer hagiographischen Vita deutlicher konturiert. Vgl. unter diesem Aspekt noch einmal zum Liber pontificalis Walter Berschin: Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter. Bd. 2: Merowingische Biographie. Italien, Spanien und die Inseln im frühen Mittelalter. Stuttgart 1988 (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 9), S. 171f.: „Die Hagiographie wirkt auf die Papstdarstellung ein, aber keine Vita ist ein Heiligenleben. In einem erstaunlichen Maß bleibt der Liber pontificalis bei allen Wandlungen dem Gesetz treu, unter dem er angetreten ist: nicht der Papst ist der Gegenstand, sondern das Papsttum, nicht das Leben, sondern das Amt.“ 285 Dies ein für die spätmittelalterliche Ordenschronistik offensichtlich nicht untypisches Gestaltungsmoment, wie Jäkel: Kontinuitätskonstruktionen, S. 210 darlegt.

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Das auf diese Weise von der Chronographie der Generalmeister als Nachfolger des Dominikus, von der „Sukzessionschronik“286 tendenziell zur Historie des Gesamtordens aufgeschwellte Narrativ zeigt indes eine übergreifende Organisations- oder Deutungsstruktur mit Ansätzen einer „dramaturgischen Durchformung des geschilderten Geschehens“.287 An spezifischen Punkten leisten Erzählerkommentare oder auch größere Exkurse eine Interpretation der series gestorum, die die Geschichte des Ordenskollektivs im Gestus topischer Reformrhetorik288 als Abfolge der antithetischen Perioden (1.) des idealen Anfangs und der Blüte, (2.) des Verfalls und (3.) der Erneuerung darstellt. In diesem Sinne treten die breiter erzählten Lebens- und Tatenberichte der ersten fünf Nachfolger des Dominikus – dessen eigene Vita äußerst knapp gehalten ist289 – zu einer Einheit, einer Epoche der heiligen Ursprünge und der Prosperität, zusammen, deren Ende durch eine paränetische Apostrophe an die impliziten Leserinnen markiert ist.290 Hier werden den Dominikanerschwestern summarisch nochmals der tugendhafte und mit Blick auf die Observanz des Ordens vorbildliche Lebenswandel und heiligmäßige Status der ersten alten Väter und Mütter vor Augen geführt, um sie selbst zur Nachfolge anzuspornen oder aber, falls die Imitabilität des Vorbilds mangels eigener Kräfte in Frage steht, sie auf den

|| 286 Jäkel: Kontinuitätskonstruktionen, S. 90 (zu Johannes Meyers Chronica brevis O.P.). 287 Melville: Chronik, S. 304 (zur Abgrenzung der ,Historie‘ von der ,Chronik‘). 288 Vgl. Klaus Schreiner: Observantia regularis. Normbildung, Normkontrolle und Normwandel im Mönchtum des hohen und späten Mittelalters. In: ders.: Gemeinsam leben. Spiritualität, Lebens- und Verfassungsformen klösterlicher Gemeinschaften in Kirche und Gesellschaft des Mittelalters. Hrsg. von Gert Melville. Berlin 2013 (Vita regularis. Abhandlungen 53), S. 331–371, hier S. 356f. (zu Bonaventura); Bertram Lesser: Johannes Busch. Chronist der Devotio moderna. Werkstruktur, Überlieferung, Rezeption. Frankfurt a.M. [usw.] 2005 (Tradition – Reform – Innovation 10), S. 223f. (zu Johannes Busch); Egger: Beiträge zur Geschichte des Predigerordens, S. 40–42 (zu Johannes von Mainz); vergleichend mit Blick auf die spätmittelalterliche Klosterchronistik Constance Proksch: Klosterreform und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter. Köln [usw.] 1994 (Kollektive Einstellungen und sozialer Wandel im Mittelalter. N.F. 2), S. 103, 274 et passim. 289 Auf die Daten zur Geburt des Heiligen, zur Ordensgründung und -bestätigung folgen lediglich noch Notizen zu den ersten heiligen Brüdern und Schwestern, die zu Dominikusʼ Zeiten lebten, sowie schließlich die Angaben seines Todesjahres und der Dauer seiner Amtszeit (nach der Bestätigung des Ordens) wie der anschließenden Sedisvakanz. Für alles Übrige, wie prediger orden zu nam/ auf gieng/ vnd wüchs/ in manigfaltigen clostren vnd personen, werden die Leser(innen) an die legende Sancti Dominici verwiesen (Ricketts 198, fol. 173va). 290 Für die die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts betreffenden Zeitabschnitte und ihre Exempla hat Meyer – so deutet bereits die Vorrede zum Buch der Ersetzung an – gerade auch auf das Material der beiden frühen Viten- und Exempelsammlungen dominikanischer Provenienz, der Vitas fratrum Gerhards von Frachet und des Bonum universale de apibus des Thomas von Cantimpré, zurückgegriffen. Für die detaillierte Vita des 2. Ordensmeisters Jordan von Sachsen, die sie selbst nicht bietet, verweist die Chronik der Generalmeister dann nochmals ausdrücklich auf beide Texte: Sein heilliges leben stet geschriben in dem buch daz do heist/ vitas fratrum/ daz buch des lebens der brüder prediger orden/ vnd in dem buch de apibus/ von de[n] binlin/ vnd ist sein leben schon vnd lang (Ricketts 198, fol. 174ra).

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Weg „admirativer Identifikation“291 und hin zur Bitte um Fürbitte der heiligen Altvorderen bei Gott zur Sicherung des individuellen Heils zu weisen.292 Dagegen steht bereits das Generalat des 8. Meisters Stephan von Besançon (1292–1294) unter dem Schatten eines Generationswechsels, der dazu geführt hat, daz die erste andacht vnd heilligkeit waz vergangen zu einem teil in dem orden, da die alten veter vnd swestren fast von todes wegen warent abgangen/ vnd die nach kommenden den vorderen nit in allen dingen in gleicheit lebten.293 Bemühungen um eine Persistenz der spirituellen Errungenschaften der Anfänge bleiben für den Gesamtorden in der Folge unwirksam, und der Niedergang setzt sich fort, wenn etwa für die Amtszeit des 14. Ordensmeisters Hervé von Nédellec (1318–1323) konstatiert wird, dass bei vielen Ordensmitgliedern mittlerweile Eigenbesitz üblich geworden war, wogegen die Ordensleitung – entgegen ihren eigenen Vorsätzen – nichts bewirken konnte. Der Versuch einer Wiederaufrichtung des Ordens qua Reform und Ausrichtung auf seinen ersten vrsprüng294 scheitert während des 15. Generalats des Barnabas Cagnoli von Vercelli (1324–1333) vor allem an der Uneinigkeit der Prälaten und den widrigen politischen Verhältnissen, der Feindschaft Kaiser Ludwigs des Bayern gegenüber dem Orden, so daz der orden vast ab nam von seinem ersten vrsprüng der volkomenheit.295 Als die durch schadhafftige gewonheit296 geprägten Verfallserscheinungen einen Höhepunkt erreicht haben, leitet schließlich der 23. Ordensmeister Raimund von Capua (1380–1399) mit der Einrichtung einzelner Konvente für diejenigen Brüder, die streng nach den Regeln und Gesetzen der Gründergeneration zu leben streben, die Erneuerung des Ordens ein. Speziell diesen Anfängen und Wurzeln der dominikanischen Ordensreform sowie ihren Urhebern ist in der Chronik der Generalmeister breiter Raum gewidmet, und so erreicht denn die Vita Raimunds als einzige der späteren Viten annähernd wieder den Umfang der Porträts der ersten Nachfolger des Dominikus. Doch lässt die Geschichte des Ordenskollektivs von nun an keinen einsträngigen Verlauf mehr erkennen, denn das historiographische Narrativ beschreibt zwei unterschiedliche Entwicklungen: Während die Geistlichkeit der Reformunwilligen gemeinhin weiter nachlässt – so wird für die Zeiten des 24. Meisters Thomas de Firmo (1401–1414) berichtet –, nament fast zu an personen vnd an tügentreichem geistlichen

|| 291 Jauß: Ästhetische Erfahrung, S. 264; von Moos: Geschichte als Topik, S. 117. 292 Nemet war andechtigen lieben geswistrigeten/ wie löblich mit aller andacht der heilligkeit/ jnhaltung des ordens vnd der tügenden vns vorgangen hand vnser heiligen alt forderen veter vnd müter/ vnd dar vmb so werden wir wol von irem heiligen leben wöl auch vermant jnen nach ze folgen jn behaltüng des ordens vnd in gnaden der tügenden wollent wir jnen acht [,nun‘] nach folgen zu ewigem leben/ Och sönd wir haben ein groß güt getrawen in vnser heilig alt forderen/ also was vnser kraft nit vermag daz ir heilliges furbitten vor got daz ersetze vnd erfülle/ also daz wir auch mit jnen erfolgen [,erlangen‘] daz ewig leben [,] zu niessen den frewdenreichen anplick gottes des herren [,] daz verleih vns vnser herr Jesus Christus der mit dem vater vnd heilligen geist lebt vnd regnieret/ Per omnia secula seculorum amen (Ricketts 198, fol. 194ra–rb). 293 Ricketts 198, fol. 196rb. 294 Ricketts 198, fol. 201rb. 295 Ricketts 198, fol. 201vb. 296 Ricketts 198, fol. 207vb.

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leben die Conuenten vnd clostren der brüder vnd swestren allenthalben in den provintzen die do sich hielten vnd lebten in der gemeind vnd besliessung noch gewonheit der ersten heilligen vetteren vnd müttren des ordens vnd nach weisung vnser heilligen Regel vnd constitucio. Die Geschichte der Observanten wird mithin als Erfolgs- und Wiederaufstiegsgeschichte erzählt, die des übrigen Ordensteils bestenfalls als Stagnationsgeschichte dargestellt – trotz einzelner Brüder und Schwestern, die da nach ir vermüglicheit sich wol hielten.297 Dem übergreifenden Deutungsmuster von Blüte, Verfall und Erneuerung ordnen sich freilich die Kurzbiographien, Elogien und Exempla herausragender Brüder und Schwestern unterschiedlicher Zeiten nicht ein.298 Sie fungieren vielmehr, und dies gilt in der Regel auch für die einzelnen Generalmeister an der Spitze des Ordens, als Demonstrationsfiguren für die überzeitlich gültigen Normen, ihre Exempla sind „Illustration und Beleg für etablierte übergeordnete Ideen“,299 die dem Ordenskollektiv in der Gestalt der Mehrzahl seiner namenlos bleibenden Angehörigen bisweilen abhandengekommen scheinen oder ihm abgesprochen werden. Als „Tugendvirtuose[n]“300 verkörpern sie je verschieden und exemplarisch die kardinalen moralischen Anforderungen und spirituellen Werte, die aus observanter Perspektive die Identität des Ordens und seiner Frömmigkeitskultur ausmachen und die Kontinuität mit den heiligen Anfängen und der vollkommenen Lebensweise der alten Väter und Mütter verbürgen. Während also das verlaufsgeschichtliche Narrativ den Adressatinnen das Moment des historischen Wandels, der „Andersheit der Zeiten“,301 und auf diese Weise gerade die Erfahrung geschichtlicher Distanz und Devianz vermittelt, die zwischen der Gemeinschaft der Späteren und den Repräsentanten der mythisch-sakralen Ursprünge liegt und die Bemühungen um Erneuerung umso dringlicher erscheinen lässt, generieren die Lebenszeugnisse und Exempla der außergewöhnlichen Einzelnen Kontinuität und demonstrieren

|| 297 Ricketts 198, fol. 211ra. 298 So heißt es etwa im Kontext des 15. Generalats des Barnabas Cagnoli von Vercelli: vnd wie daz waz daz der orden vast ab nam von seinem ersten vrsprüng der volkomenheit so fand man doch durch den orden in allen provintzen gar vil heilliger brüder vnd swestren die in heilligem leben den ersten vetren vnd müttren nit minder warend als man von ir vil geschriben fint (Ricketts 198, fol. 201vb). 299 Von Moos: Geschichte als Topik, S. 24 (zum Typus des illustrativen Exemplums). 300 Hans Ulrich Gumbrecht: Faszinationstyp Hagiographie. Ein historisches Experiment zur Gattungstheorie. In: Deutsche Literatur im Mittelalter. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum Gedenken. Hrsg. von Christoph Cormeau. Stuttgart 1979, S. 37–84, hier S. 64. Zum Begriff des „religiösen Virtuosen“ grundsätzlich Max Weber: Religiöse Heilsmethodik und Systematisierung der Lebensführung. In: ders.: Die protestantische Ethik. 1. Eine Aufsatzsammlung. Hrsg. von Johannes Winckelmann. 6., durchgesehene Aufl. Gütersloh 1981, S. 318–357, hier S. 318–321; Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. Besorgt von Johannes Winckelmann. 5., rev. Aufl. Studienausgabe. Tübingen 1980, S. 327–330. 301 Klaus Schreiner: Erneuerung durch Erinnerung. Reformstreben, Geschichtsbewußtsein und Geschichtsschreibung im benediktinischen Mönchtum Südwestdeutschlands an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert. In: Historiographie am Oberrhein im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Hrsg. von Kurt Andermann. Sigmaringen 1988 (Oberrheinische Studien 7), S. 35–87, hier S. 87.

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die Identität des Ordensinstituts und seiner Ideale über die Zeiten hinweg.302 Sie sind die normativen Modelle, das „imitabile“,303 woran sich die Nachkommenden für das eigene spirituelle Leben und Tugendstreben zu orientieren haben, um „sich gegen drohenden Kontinuitätsverlust zu behaupten“.304 Als illustrative Beispiele stehen sie für die sanctitas des Ordens und für die Wirksamkeit einer auf den dominikanischen Norm- und Gesetzestexten basierten Lebensform für das Ziel der individuellen Heilssicherung. Das Formative, der Mythos, tritt so funktional komplementär an die Seite des Normativen, verbindet sich mit ihm,305 indem „gemeinschaftliches Handeln durch Erzählen gemeinsam bewohnter Geschichten“ motiviert wird.306 Für die Erneuerung und prospektive Stabilisierung des Ordens durch dauerhafte Rückkehr zur observanten Lebensform propagiert der Reformdiskurs die Erinnerung an die ethische Perfektion der glorreichen Vorgänger, an die ursprüngliche Einheit von Regel und Leben, und fordert damit zugleich die aktive Partizipation der gegenwärtigen und künftigen Nachfahren im Sinne der tätigen Nachfolge ein.307

|| 302 Man wird beide, in gewisser Hinsicht komplementäre Tendenzen mit den „scheinbar entgegengesetzte[n] Funktionen“ des ,Kontrapräsentischen‘ und des ,Fundierenden‘ in Verbindung bringen können, die Jan Assmann unter dem Stichwort „Mythomotorik der Erinnerung“ nun „nicht dem Mythos als solchem“, „sondern vielmehr der selbstbildformenden und handlungsleitenden Bedeutung, die er für eine Gegenwart hat, der orientierenden Kraft, die er für eine Gruppe in einer bestimmten Situation besitzt“, zugewiesen hat (Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 78–80). 303 André Jolles: Einfache Formen. Legende, Sage, Mythe, Rätsel, Spruch, Kasus, Memorabile, Märchen, Witz. Halle a.d. Saale 1930. Tübingen 82006 (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 15), S. 36. 304 Schreiner: Erneuerung durch Erinnerung, S. 35. 305 Vgl. dazu Schreiner: Observantia regularis, S. 364–366; siehe insbesondere auch die Hinweise von Nikolaus Staubach: Pragmatische Schriftlichkeit im Bereich der Devotio moderna. In: Frühmittelalterliche Studien 25 (1991), S. 418–461, hier S. 448 zum „Ideal der völligen Integration von Verhaltensnorm und Lebenswirklichkeit, von verbum und exemplum“ bzw. zur Konvergenz von „Mustervita und Statutencodex“ in Schrifttum und Biographik der Devotio moderna; Lesser: Johannes Busch, S. 152 führt den Gedanken der „Komplementarität von Vita und Regel“ bis auf Gregor von Nazianz zurück, „der in seinem Enkomion auf Athanasius dessen Antoniusvita als ,Gesetz für das Mönchsleben in Gestalt einer (historiographischen) Erzählung‘ charakterisierte“. 306 Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 142. Siehe o. S. 12. 307 Auf die Chronik der Generalmeister wird noch einmal zurückzukommen sein u. S. 295–305 im Zusammenhang mit Meyers Chronica brevis O.P.

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2.4 Die Observanz des Ordens und der Weg zum Heil: Aspekte ,normativer Zentrierung‘ Berndt Hamm hat für verschiedene Diskurse von Religion und Gesellschaft des 15. und 16. Jahrhunderts Aspekte einer „normativen Zentrierung“ beschrieben, die die Epoche der spätmittelalterlichen religiösen Reformbewegungen und das Zeitalter der Reformation miteinander verbinde und als Segmente eines historischen Kontinuums erscheinen lasse, wenngleich beide Phasen aufgrund eines Umbruchs und einer „neuen Qualität“ der Zentrierungsvorgänge des 16. Jahrhunderts deutlich voneinander geschieden seien.308 Unter „normativer Zentrierung“ versteht Hamm „die Ausrichtung von Religion und Gesellschaft auf eine orientierende und maßgebende, regulierende und legitimierende Mitte hin“. Sie konstituiere ein „Bezugsfeld, das man mit Begriffen wie Verdichtung und Konzentration, Vereinfachung und Vereinheitlichung oder ,Reduktion von Komplexität‘ abstecken kann, vor allem aber mit dem zeitgenössischen Quellenbegriff der ,Reform‘“.309 Was uns in den Quellen als ,reformatio‘ entgegentritt, als Kirchenreform, Frömmigkeitsreform, Ordensreform, humanistische Reform, Rechtsreform, Reichsreform usw., sind in hohem Maße Erwartungen, Konzeptionen und Vorgänge von zentrierender und normierender Verdichtung. Sie sind ohne die Schübe einer expandierenden Verschriftlichung und Verbildlichung, Druckproduktion und Laienbildung, Rationalisierung und Bürokratisierung nicht zu denken. Die normative Zentrierung als Intention und Wirklichkeit bildet sozusagen die Zuspitzung dieser kulturellen Innovationen; sie bedient sich ihrer, um eine neue Sicherheit und Legitimierung, Klarheit und Ordnung im Blick auf das irdische und jenseitige Leben zu gewinnen. Sie antwortet damit auf irritierende Vorgänge der Differenzierung, Multiplizierung, Individualisierung und Verdiesseitigung.310

Eine spezifische Ausprägung solcher Zentrierungssymptome im Hinblick auf religiöse und frömmigkeitspraktische Lebensvollzüge erkennt Hamm insbesondere in einem Bereich der spätmittelalterlichen Theologie, für den er den Terminus „Frömmigkeitstheologie“ eingeführt und verschiedentlich präzisiert hat.311 Bezeichnet ist damit „eine für Predigt und

|| 308 Hamm: Normative Zentrierung, S. 201; ders.: Von der spätmittelalterlichen reformatio zur Reformation: der Prozeß normativer Zentrierung von Religion und Gesellschaft in Deutschland. In: Archiv für Reformationsgeschichte 84 (1993), S. 7–82. – Vgl. dazu Dieter Mertens: Monastische Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts: Ideen – Ziele – Resultate. In: Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449). Konstanz-Prager Historisches Kolloquium (11.–17. Oktober 1993). Hrsg. von Ivan Hlaváček und Alexander Patschovsky. Konstanz 1996, S. 157–181, hier S. 159 Anm. 8: „Hamm verknüpft die Reformationsgeschichte mit der des Spätmittelalters deutlicher, als es vielfach geschieht, jedoch in der Absicht, die Reformation Luthers als normengeschichtliche Wende und Systembruch zu beschreiben und gegen die Kontinuitätsargumente abzusichern.“ 309 Hamm: Normative Zentrierung, S. 164f. 310 Hamm: Normative Zentrierung, S. 165. 311 Dazu zusammenfassend Berndt Hamm: Was ist Frömmigkeitstheologie? Überlegungen zum 14. bis 16. Jahrhundert. In: ders.: Religiosität im späten Mittelalter. Spannungspole, Neuaufbrüche, Normierungen. Hrsg. von Reinhold Friedrich und Wolfgang Simon. Tübingen 2011 (Spätmittelalter, Humanismus, Reforma-

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Seelsorge konzipierte und in Predigt und Seelsorge umgesetzte Theologie, die ganz und gar dem rechten Vollzug eines christlichen Lebens, seiner geistlichen Vertiefung und ordnenden Gestaltung, dienen will. Die seelsorgerliche Ausrichtung, d.h. die angstvolle, sicherungsbedürftige ,Sorge‘ für das eigene Seelenheil und das der Mitchristen, ist der treibende Impuls dieser Frömmigkeitstheologie.“312 Sie ist gekennzeichnet durch „vereinfachende Konzentration im Sinne einer zielstrebigen Anleitung zum Frömmigkeitsdienlichen und Heilsamen“.313 Als einer ihrer Wegbereiter und führenden Repräsentanten gilt Berndt Hamm insbesondere Johannes Gerson (1363–1429), der Kanzler der Pariser Universität.314 Vor allem auf seinen theologisch-konzeptuellen Ansatz rekurriere die programmatische Ausrichtung der ,Frömmigkeitstheologie‘ „auf das unmittelbar Frucht- und Nutzbringende, d.h. auf Erbauung der Seelen im Sinne der Wegweisung zu Gnade und Heil“, verbunden mit der „Bemühung um stärkende Tröstung (consolatio) der Schwachen und Angefochtenen, besonders im Blick auf ihre Sterbestunde“.315 Die ,Frömmigkeitstheologie‘ ziele zwar in weiten Teilen auf die „Lebensgestaltung von Laien und Weltpriestern“,316 könne aber dort die Gestalt einer spezifischen „monastischen Theologie“ annehmen,317 wo sie sich „mit ihrer theologischen Ausrichtung, ihrer Spiritualität und ihren Anleitungen auf die besondere Lebensform von Mönchen (Gelübde, vita regularis, observantia usw.) bezieht“.318 Sie wende sich schließlich gerade auch an weibliche Adressatinnen, und besonders an diejenigen, „die eine geistlich verbindliche Lebensform gewählt haben: Ordensfrauen, Tertiarinnen, Beginen, Schwestern vom gemeinsamen Leben, d.h. Frauen, die im Blick auf Bildung und religiöse Lebensgestaltung besonders interessiert und ansprechbar sind“.319

|| tion 54), S. 116–153 (zuerst in: Praxis Pietatis. Beiträge zu Theologie und Frömmigkeit in der Frühen Neuzeit. FS Wolfgang Sommer. Hrsg. von Hans-Jörg Nieden und Marcel Nieden. Stuttgart [usw.] 1999, S. 9–45). 312 Hamm: Von der spätmittelalterlichen reformatio zur Reformation, S. 20. 313 Hamm: Normative Zentrierung, S. 178. 314 Vgl. Christoph Burger: Aedificatio, Fructus, Utilitas. Johannes Gerson als Professor der Theologie und Kanzler der Universität Paris. Tübingen 1986 (Beiträge zur historischen Theologie 70); weiterhin Sven Grosse: Heilsungewißheit und Scrupulositas im späten Mittelalter. Studien zu Johannes Gerson und Gattungen der Frömmigkeitstheologie seiner Zeit. Tübingen 1994 (Beiträge zur historischen Theologie 85). 315 Hamm: Von der spätmittelalterlichen reformatio zur Reformation, S. 20f. 316 Hamm: Von der spätmittelalterlichen reformatio zur Reformation, S. 19 Anm. 26. 317 Zum Typus der ,monastischen Theologie‘ des 15. Jahrhunderts, „deren Sitz im Leben das Kloster ist“, und ihren Zusammenhängen mit der ,monastischen Theologie‘ des 12. Jahrhunderts wie auch mit der ,scholastischen Theologie‘ des 13. und 14. Jahrhunderts siehe Ulrich Köpf: Monastische Theologie im 15. Jahrhundert. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 11 (1992), S. 117–135 (Zitat S. 134). 318 Hamm: Von der spätmittelalterlichen reformatio zur Reformation, S. 34 Anm. 73. „Dem ,Pathos des Laien‘ […] kann in den Jahrzehnten vor der Reformation innerhalb einer monastischen Theologie somit das hohe ,Pathos der vita regularis‘ gegenübertreten: Frömmigkeitstheologen wie beispielsweise den Augustinereremiten Andreas Proles und Johannes von Paltz gilt das regelstrenge Leben des observanten Mönchtums als der sicherste Weg zu Gnade und Heil“ (ebd., S. 28 Anm. 57). 319 Hamm: Was ist Frömmigkeitstheologie?, S. 121.

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Man wird nun weder Johannes Meyers Ämterbuch noch sein Buch der Ersetzung unmittelbar mit Johannes Gerson in Verbindung bringen wollen. Gleichwohl aber lassen beide Texte hinsichtlich ihres Funktionsrahmens charakteristische Züge des von Hamm beschriebenen Typus der ,Frömmigkeits-ʻ oder ,Reformtheologie‘ des 15. Jahrhunderts erkennen,320 die es nahelegen, sie in den weiteren Umkreis des frömmigkeitstheologischen Schrifttums einzuordnen. Allein die basale Kommunikationssituation, die in beiden Schriften entworfen und gerade auch in den paratextuellen Elementen als Rede des anonymen Verfasser-Ichs an die impliziten Rezipientinnen konturiert wird, evoziert den Funktionszusammenhang der Seelsorge bzw. der cura monialium. Immer wieder weist das Sprecher-Ich in der Rolle des geistlichen Betreuers seine Adressatinnen hin auf die Grundfunktionen des Ämterbuchs und des Buchs der Ersetzung und ihrer normativen Inhalte, die man mit Christoph Burger in der Formel „Aedificatio, Fructus, Utilitas“321 pointiert zusammenfassen könnte, zielt doch das Gesamt des schriftlich Vermittelten auf die geistliche ,Förderung‘ und ,Tröstung‘ der Dominikanerinnen,322 auf ,Nutz‘ und ,Fruchtbarkeit‘ und das Heil ihrer Seelen.323 Die Texte empfehlen den weiblichen Religiosen, im Sinne ,normativer Zentrierung‘, die Konzentration auf das Wesentliche, propagieren die strenge Observanz der Regel als d e n e i n e n ihnen möglichen, privilegierten Weg zum Heil und fordern dafür die strikte äußere Befolgung der erprobten Normen und Gesetze dominikanischer Lebensform und Spiritualität und mehr noch die rechte, von ,Tugenden‘ geleitete innere Haltung ein. Sie offerieren ,Trost‘ auch dadurch, dass sie, durchaus nicht frei von Eigenpanegyrik, den || 320 „Frömmigkeitstheologie versteht sich im 15. Jahrhundert – besonders da, wo sie an die Programmatik Gersons anknüpft – als Reformtheologie, die zu einer Reform der Theologie, der Kirche und des Lebens der einzelnen Christen führen soll: zu einer ,reformatio‘ im Sinne von konsequenter Frömmigkeitsorientierung und Frömmigkeitsformung“: Hamm: Was ist Frömmigkeitstheologie?, S. 129. 321 Burger: Aedificatio, Fructus, Utilitas. 322 Die Rubrik zum Ämterbuch umreißt die Funktion des Textes mit den Worten: […] ze trost vnd ze fürdrung allen swestern in tüczschem land (Ricketts 198, fol. 1ra; ed. DeMaris, S. 153,8f.). 323 Es sei hier nur noch einmal hingewiesen auf die Salutatio der Vorrede und das Schlussgebet des Ämterbuchs: In dem almechtigen ewigen güttigen got meinen aller liebsten geswistrigeten allen geistlichen gütwilligen · gehorsamen swestren vnter der phlicht prediger ordens · die da mit gutem willen vnd begirigem herczen · halten löblich vnd genczlichen den heiligen prediger orden nach inhaltung der regel vnd vff saczung der Constitucion · vnd mit ganczem ernst vnd gutem fleiß sint nach volgen der heilsamen lere vnd guten exempel · vnser heiligen alt forderen · die vns mit aller heilikeit sint vor gangen in vnserm heiligen prediger orden […] Wünschen ich ch allen ein solches heiliges · geistliches · vnd Cristformiges leben ze füren · als vnser heiligen vorfaren gefürt hand Also daz es gott genem sey gefellig vnd enpfencklich · eüch selben nüczlich · vnd auch fruchtpar · den engeln frölich · vnd den teüfeln forchtsam · vnd aller welt pesserlich (Salutatio, Ricketts 198, fol. 1ra–rb, ed. DeMaris, S. 153,11–30); O Ewige wisheit herr Jesu Christe/ jch sag dir lob vnd dank/ daz du durch din genad/ mich dis buch hast lassen zu end pringen vnd beger daz es dir ein lob vnd ein ere sy/ vnd meiner sel fruchtbar/ also daz ich och teilhafftig werde/ als d[e]z gut[s] daz von vrsach wegen dis buch[s] geschehen mag/ vnd pit dich herr das es nütz vnd fruchtbar werde/ denen die sich hie nach richten wend/ vnd jnen verlihest in diser zit din gotliche genad/ vnd nach disem ellend daz ewig leben AMEN (Schlussgebet, Ricketts 198, fol. 116ra; ed. DeMaris, S. 350,5–12).

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gnadenhaften Status des Ordens und derjenigen, die zu ihm berufen worden sind, reflektieren und die besonderen Möglichkeiten der Heilsvorsorge im und durch den Orden betonen. Die Sicherheit, die das Ordensinstitut mit Blick auf die individuelle Heilsvorsorge bietet, verlangt als Gegenleistung ein tugendhaftes, gottgefälliges Leben gemäß den Ordensregularien im Zeichen tätiger Buße, das in der Nachfolge der heiligen Altvorderen die Conformitas Christi anstrebt und damit vorzudringen sucht „zu den höchsten Graden des Verdienstes, sicherheitsspendend für die […] Nonnen selbst und zugleich stellvertretendschützend, seelenführend-anleitend und vorbildhaft-anziehend für das ganze corpus christianum“.324 Und so stellt Johannes Meyer zu Beginn seiner – chronologisch nach der Reihe der Päpste geordneten und zuletzt in die spezifischen Freiheiten der Observanten und insbesondere der reformierten Schwestern mündenden – Sammlung von Privilegien des Gesamtordens in Kap. X des Buchs der Ersetzung, im Anschluss an das Psalmwort 22,4 (virga tua et baculus tuus ipsa me consolata sunt), der rutte teglicher straffe disciplin buß vnd besserung, die vor künfftiger ewiger straffung schütze und dadurch tröste[], den stab der feyheit gnaden/ vnd aplas vnd priuileygien des heilligen vnsers ordens gegenüber, der wiederum Trost spende gegen die hertikeit, die die Leserinnen bzw. Hörerinnen von der rutten enpfünden hetten oder noch villeicht enpfinden werden.325 ,Rute‘ und ,Stab‘, die gehorsame und beschwerliche individuelle Aneignung und Erfüllung der normativen Vorgaben und Gebote einerseits und die fundamentale Heilsperspektive des Ordens andererseits schaffen die Voraussetzungen für den Weg „zur wahren Vollkommenheit“326 und zu den himmlischen Gnaden. Meyers Schriften offerieren ,Tröstung‘, indem sie diesen Weg aufzeigen, und sie mahnen die Dominikanerinnen zur Observanz der Regel, auch um die Geltung des Heilsangebots und -privilegs des Ordensinstituts mit dem Programm der Erneuerung der ursprünglichen Frömmigkeit qua Reform dauerhaft zu sichern. Von daher reihen sie sich ein in das Spektrum einer auf „Regulierung“ fokussierten Ordens- und Reformliteratur327 wie auch in das umfassendere Feld einer „eminent seelsorgerlichen und lebenspraktischen Theologie“,328 die damit befasst ist, „was der Seele auf ihrem Wege Heil und Nutzen bringt“.329

|| 324 Hamm: Normative Zentrierung, S. 175. 325 Ricketts 198, fol. 216vb–217ra. 326 Werner Williams-Krapp: Praxis pietatis: Heilsverkündigung und Frömmigkeit der illiterati im 15. Jahrhundert. In: Die Literatur im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit (Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart 1). Hrsg. von Werner Röcke und Marina Münkler. München/Wien 2004, S. 139–165, hier S. 158. 327 Williams-Krapp: Observanzbewegungen, S. 14. 328 Hamm: Was ist Frömmigkeitstheologie?, S. 128. 329 Hamm: Was ist Frömmigkeitstheologie?, S. 141.

80 | Buch der Ämter und Buch der Ersetzung

2.5 Zu Überlieferung und Distribution von Ämterbuch und Buch der Ersetzung Sowohl das Buch der Ämter wie auch das Buch der Ersetzung richten sich in ihrer ursprünglichen Gestalt zunächst an die Dominikanerinnen des Berner Inselklosters als Adressatinnen, die Johannes Meyer zur Zeit der Abfassung beider Schriften als Seelsorger betreute (das Ämterbuch war 1454, das Buch der Ersetzung 1455 abgeschlossen).330 In der ältesten Überlieferung finden sich immer wieder Markierungen und Spuren dieser originären Rezeptionssituation, sei es in Reflexionen, die sich auf diesen Gebrauchshorizont selbst beziehen, sei es in Hinweisen zur Biographie des Verfassers, sei es in Anmerkungen zur Struktur und Gliederung einzelner Textpartien oder sei es in inhaltlichen Konkretisierungen oder Referenzen, die den Berner Konvent und seine Perspektive betreffen.331 Von Anfang an hat der Autor beide Texte wohl überdies in einen Textverbund integriert,332 dessen Sammlungskonzept unter den „Leitthemen ,Notwendigkeit einer normativen, einheitlich geregelten und einheitsstiftenden monastischen Lebensform‘ und ,Erneuerung der ursprünglichen Ideale‘“ steht.333 Bereits die den Verbund eröffnenden Episteln der charismatischen Ordensmeister Humbert von Romans und Raimund von Capua334 evolvie-

|| 330 Entsprechend den Angaben der Explicits beider Texte: Buch der Ämter (Ricketts 198, fol. 116rb; ed. DeMaris, S. 350,14–18): Hie hat ein ende das ampt buch der swestren von prediger orden · geendet von einem bruder des selben orden · von dem Conuente von basel · Do man zalt von der geburt Christi ·M°·cccc°·liiij°· An sant Petri vnd sant Paulus oben der heilligen tzwelfbotten Deo gratias Alleluja AMEN; Buch der Ersetzung (Ricketts 198, fol. 244vb): Explicit hat ein ende das buch der ersetzung vnd ist gemachet vnd volbracht worden jn dem jar der geburt vnsers herren Jesu Christi M CCCC lv An dem abent Sant Thomas von aquin des edlen leres vnsers [in Leipzig, Ms. 1548, fol. 251rb danach noch: heilligen ordens got sey gelobt AMEN]. 331 Vgl. nur Buch der Ämter, Vorrede Johannes Meyers: Auch so kumpt mir ze hilf vnd ze fürdrung an disen arbetten [gemeint ist die Komposition des Ämterbuchs, C.S.] das ich bichter müß sein der swestren in sant Michels insel die do lebent in geistlicher zücht nach haltung des ordens da von ich die gewonheit der swestren des pas solte wissen (Ricketts 198, fol. 3rb; ed. DeMaris, S. 157,131–135, dazu o. S. 48); Buch der Ersetzung, Vorrede: Nün sond ir wissen daz ich got ze lob vnd euch ze einer vnder weissung des ordens vnd eürer empter/ hab von latin in tutzsch das buch der empter gekert/ vnd das gab ich ze vber sehen vnserem wirdigen vater provincial Meister peter wellen/ götlicher künst ein lerer der enpfieng es gütlichen vnd bewert es von gewalt seines amptz/ vnd vermant die swestren in sant Michels jnsel do er in Capitel hielt/ das si vnd ander swestren sich dar nach richten möchten (fol. 135vb, dazu o. S. 25); ,Kommentiertes Inhaltsverzeichnis‘ des Leipziger Ms. 1548 (in Ricketts 198 wohl verloren): auch das die closter zu bern in der provincz hie [im Klosterkatalog von Kap. VII des Buchs der Ersetzung, C.S.] zu dem ersten genant werden jst da von wand dis buch da geschriben ist vnd auch dar gehort (fol. 3rb). 332 Vgl. die Synopse der Handschriften Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Ricketts 198 (mit Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 1166), Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms. 1548, Überlingen, Leopold-Sophien-Bibliothek, Ms. 5 und Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, K 1177 und ihrer Inhalte u. S. 86f. (so auch in Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 428f.). 333 Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 421. 334 Dazu o. S. 22f. Die deutsche Version der Dominikus-Legende, die der Textreihe allein in Überlingen, Ms. 5 vorangestellt ist, dürfte „in den Textverbund des ursprünglichen Meyer-Codex insbesondere aufgrund

Überlieferung und Distribution | 81

ren einen solchen programmatischen Ansatz. Hinzu kommen, zwischen dem Ämterbuch und dem Buch der Ersetzung, eine Reihe von Gesetzestexten, jeweils Regel und Konstitutionen, in deutscher Übertragung für die Laienbrüder und -schwestern auf den Höfen der Dominikanerinnen sowie die Regel für die Mitglieder des Dritten Ordens von der Buße des hl. Dominikus samt der Approbationsbulle des Papstes Innozenz VII.335 Am Ende der Sammlung, im Anschluss an das Buch der Ersetzung, folgt noch ein Verzeichnis der Provinziale der Teutonia, das in Analogie zur Chronik der Generalmeister, nur weitaus knapper, die Namen und Amtszeiten der Prioren der Ordensprovinz Teutonia von anegenge bis auf dis zeitte auflistet (nur in wenigen Fällen einschließlich kurzer Charakterisierungen oder Elogien der Amtsträger und mit Hinweisen auf herausragende Begebenheiten).336

|| der Bestimmung“ von Ms. 5 „als mehr oder minder programmatische Gabe“ (der St. Galler Dominikanerinnen) an das von St. Gallen aus reformierte Dominikanerinnenkloster Zoffingen (Konstanz) inseriert worden sein (Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 407). 335 Ob die deutsche Übersetzung der Gesetzestexte und der Papstbulle von Johannes Meyer stammt, ist nicht abschließend geklärt (vgl. Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 486). Die Zusammenstellung der Texte im Verbund mit dem Ämterbuch und Buch der Ersetzung geht aber auf ihn zurück (siehe u. Anm. 338). Zu einer möglichen Verfasserschaft Meyers an der deutschen Übertragung der Drittordensregel vgl. Wehrli-Johns: Augustinusregel, S. 86f.; DeMaris: Introduction (MOPH 31), S. 31 u. 46–53 vermutet Meyer als Übersetzer bzw. Bearbeiter aller vier in Ricketts 198 versammelten Gesetzestexte. 336 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 1166, fol. 1ra–3vb, hier fol. 1ra. Dieser älteste Zeuge des Verzeichnisses der Provinziale der Teutonia (weitere Überlieferung: Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms. 1548, fol. 253ra–257ra, Überlingen, Leopold-Sophien-Bibliothek, Ms. 5, fol. 369ra–371ra, Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. hist. 4° 237, S. 268–275, Freiburg i.Br., Stadtarchiv, B 1 Nr. 108, fol. 215r–219r; dazu Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 399, 404; Druck des Textes nach der Stuttgarter und nach der Nürnberger Handschrift bei von Loë: Ordensprovinz Teutonia, S. 26–30) besteht aus zwei ursprünglich separaten Blattfolgen des Codex Ricketts 198 (neben fol. 1–3 noch fol. 4–7 mit den vier lateinischen Episteln Humberts von Romans [die erste von zwei Episteln Humberts unvollständig], Raimunds von Capua und eines unbekannten Dominikaners, dazu DeMaris: Introduction [MOPH 31], S. 127f.). Das Verzeichnis der Provinziale beginnt mit Berthold Dracho (1233–1240) und endet in der ,Urschrift‘ in dem neünden jar (fol. 3rb) des ersten Provinzialats des Petrus Wellen (1446–1455), bereits Nachtrag ist die Nachricht von der Wahl Heinrichs von Rübenach zum Provinzialprior 1455 an Sant Marthen der heilligen junckfrawen tag (= 27. Juli; fol. 3va). Über das basale Format (Name des Amtsträgers, Jahr der Wahl, Dauer der Amtszeit und eventuell weitere Funktionen jenseits des Provinzialats) deutlicher hinausgehende Notizen finden sich lediglich zu Hermann von Minden (1286–1290, erwirbt der Provinz eine Reihe päpstlicher Privilegien, entsendet Dominikanerinnen aus Ötenbach ins neu gegründete Kloster Brunnadern, das spätere Berner Inselkloster), zu Heinrich de Cigno (1326–1331, steht den Reformbestrebungen des Ordensmeisters Barnabas Cagnoli von Vercelli ablehnend gegenüber, worauf Papst Johannes XXII. Bernhard Carrerius als Vikar der Teutonia installiert), zu Bartholomäus von Bolsenheim (1354–1362, ist Heinrich Seuse freundschaftlich eng verbunden und approbiert dessen deutsche Schriften, während der Generalmeister des Ordens die lateinischen bücher autorisiert, in der Meinung, es were ein kerne der geschrifft vnd tügenreiches guttes lebens, fol. 2vb) und schließlich zu Petrus Wellen (1446–1455, fördert das geistliche Leben der Provinz, der Konvente der Brüder und der Schwestern, insbesondere durch eine beharrliche Visitationstätigkeit).

82 | Buch der Ämter und Buch der Ersetzung

Es sind vor allem die „normativen Basistexte“337 für die Konversen und Angehörigen des Dritten Ordens, die den Status und Geltungsanspruch von Ämterbuch und Buch der Ersetzung als normativer Schriften im Umfeld der dominikanischen Gesetzestexte untermauern. Die Relationen zwischen beiden Textgruppen oder Kotexten erschöpfen sich dabei nicht in einer rein äußerlichen Koordination, sondern es sind gerade auch interne Verbindungen zu konstatieren, wenn etwa im Ämterbuch hinsichtlich des adäquaten Umgangs mit den Drittordensangehörigen und den Konversen auf den Höfen der Dominikanerinnen und hinsichtlich deren Anleitung und Unterweisung an verschiedenen Stellen explizit auf die Inhalte der mitüberlieferten Regel- und Konstitutionentexte verwiesen wird.338 Als „Corpus normativer Grundtexte“ lässt sich der älteste Textverbund, wie ihn Ricketts 198, die von ihm abhängigen Zeugen Leipzig, Ms. 1548 und Überlingen, Ms. 5 sowie auch die Karlsruher Handschrift K 1177 überliefern,339 überdies an die Seite des Codex A 53 der Burgerbibliothek Bern stellen, der die Verfassungstexte der Dominikanerinnen, Augustinusregel (dt. und lat.) und Konstitutionen (dt.), die Expositio in regulam beati Augustini Ps.-Hugos von St. Viktor (dt.),340 eine für das Berner Inselkloster zusammengestellte Urkunden- und Briefsammlung (Freiheiten und Privilegien), Ordinationen für die reformierten Dominikanerinnen (dt.) und zuletzt ein Verzeichnis der Schwestern und Beichtväter des Inselklosters (Liber vitae, dt.) enthält.341 Mit guten Gründen hat Claudia Engler Johannes Meyer als Redaktor dieses Berner ,Regelbuchs‘ und Urheber des dann wohl von der Priorin Anna von Sissach weitergeführten Liber vitae vermutet.342 Die Sammlung mit den Gesetzestexten für die Konversen und Drittordensangehörigen und mit Meyers Ämterbuch und Buch der Ersetzung, deren – vielleicht von der Priorin Anna von

|| 337 Tobias Tanneberger: …usz latin in tutsch gebracht… Normative Basistexte religiöser Gemeinschaften in volkssprachlichen Übertragungen. Katalog – Untersuchung – Fallstudie. Berlin 2014 (Vita regularis. Abhandlungen 59); der hier vorgelegte Handschriftenkatalog S. 191–200 („Katalog der Codices dominikanischer Provenienz“) mit vier Zeugen von Meyers Ämterbuch und Buch der Ersetzung (Leipzig, Ms. 1548, Überlingen, Ms. 5, Freiburg i.Br., B 1 Nr. 147 und B 1 Nr. 108), aber ohne den ältesten Zeugen Ricketts 198. 338 Ricketts 198, fol. 49ra–rb (ed. DeMaris, S. 233,632–636): vnd dar vmb so hab ich [Johannes Meyer, C.S.] lossen schriben an daz end diß buches [d.h. des Ämterbuchs]/ die constitucion der selben conuersen die da den orden enphahen in der kilchen der swestren/ vff daz daz man si lere vnd vnder wisen sige noch in haltung der selben bewerten constitucio; ebenso fol. 49vb (ed. DeMaris, S. 233,653–655): vnd dar vmb daz man si [d.h. die Angehörigen des Dritten Ordens] möge reygieren noch der selben ordenung so hab ich och lassen schriben die selbe regel der ordenung an das end diß büchs. Vgl. Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 420. 339 Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 420. 340 Vgl. Igna Marion Kramp: Renovamini spiritu/ Ernüwent den geist üwers gemütes. Deutsche Übersetzungen als Modernisierung im späten Mittelalter. Münster 2009 (Corpus Victorinum. Instrumenta 2), die den Text der Expositio in regulam beati Augustini des Berner Codex A 53 der sog. ,Katharinentaler Übersetzung‘ zuordnet (S. 102–104, 131f.). 341 Beschreibung bei Engler: Regelbuch, S. 9–21. 342 Engler: Regelbuch, S. 21–38; Claudia Engler: Anna von Sissach. In: 2VL 11 (2004), Sp. 107f.; SchneiderLastin: Meyer, Johannes [Nachtr.], Sp. 1003f.

Überlieferung und Distribution | 83

Sissach oder unter ihrer Beteiligung angefertigte343 – Berner ,Urschrift‘ zwar verloren, aber über die für das Nürnberger Katharinenkloster hergestellte Abschrift des Codex Ricketts 198 zu erschließen ist, war wohl ein Pendant oder Komplement zum ,Regelbuch‘ des Berner Codex A 53.344 Anders aber als der inhaltlich in weiten Teilen dezidiert auf die Verhältnisse des Berner Inselklosters zugeschnittene Codex A 53 war dieses Pendant von Anfang an auch für einen weiteren Rezipientenkreis, die observanten Dominikanerinnen der deutschen Ordensprovinz, vorgesehen.345 Und so steht denn der unikalen Überlieferung des Berner ,Regel-‘ bzw. ,Konvents-‘ und ,Hausbuchs‘ des Codex A 53 die überregionale Verbreitung des ältesten Überlieferungsverbundes von Meyers Ämterbuch und Buch der Ersetzung im Kontext des etablierten „Netzwerk[s]“346 observanter Textdistribution und unter den Auspizien einer Forcierung des dominikanischen Reformdiskurses gegenüber: zu belegen oder zu erschließen sind über die Berner ,Urschrift‘ hinaus Abschriften für die Klöster St. Katharina in Nürnberg (Bloomington, Ricketts 198, von 1458, dazu Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 1166 mit dem Verzeichnis der Provinziale der Teutonia und den vier lateinischen Episteln), Pforzheim (Karlsruhe, K 1177, von 1475), Medlingen (Leipzig, Ms. 1548, von 1483), St. Katharina in St. Gallen (verloren, von 1483) und Zoffingen (Überlingen, Ms. 5, 2. Hälfte der 1490er Jahre).347 Eine im Vergleich mit dem Berner Verbund sekundäre Textkonstellation bezeugen hingegen die Handschriften B 1 Nr. 147 und B 1 Nr. 108 des Stadtarchivs Freiburg i.Br.348 In diesen beiden jüngeren Codices aus den Freiburger Dominikanerinnenklöstern St. Agnes (Nr. 147, von 1481) und St. Maria Magdalena zu den Reuerinnen (Nr. 108, für die parallel tradierten Texte Abschrift von Nr. 147, nicht vor 1483) fehlen die dominikanischen Geset|| 343 In Kap. 42 der ebenfalls von Johannes Meyer in Bern verfassten Chronik des Inselklosters St. Michael in Bern (dazu im Einzelnen u. S. 262–270) heißt es mit Blick auf die Bemühungen der zweiten ,Reformpriorin‘ Anna von Sissach (amt. 1445–1461) um die Vermehrung des Buchbestandes des 1439 der Observanz zugeführten Inselklosters: do was sy gar geflissen daz sy verrichte dem Conuenten vil guter bücher […]/ Einen newen Collectarium/ vnd ander latinsche bücher die dem chor fürderlichen worent Auch die nottel oder ruberick des ordens ze teutzsche/ Das ampt buch der swestern ze teutzsche/ Daz buch der swestern leben ze teutzsche/ Die regel/ die Constitucio/ Die exposicio ze tutzsch vnd ander vil die den swestern tröstlichen vnd hilflichen sind zu der behaltung der heiligen obseruancz (Breslau, Universitätsbibliothek, Ms. IV F 194a, fol. 131ra; vgl. Engler: Regelbuch, S. 26f., Engler: Anna von Sissach, Sp. 107f.). 344 Vgl. Engler: Regelbuch, S. 301–306. 345 Dazu stimmt denn auch der im Prolog zu Kap. X des Buchs der Ersetzung geäußerte Wunsch des Verfassers, daz je die closter die dis buch hand daz si es mit gemeinsament den andren clöstern (Ricketts 198, fol. 216va, vgl. o. S. 64). 346 Williams-Krapp: Frauenmystik und Ordensreform, S. 301. 347 Vgl. Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 397–410 sowie die Stemmata S. 419. 348 Vgl. die Synopse u. S. 86–88. Dort bleiben zwei weitere Zeugen, die nur Exzerpte aus dem Buch der Ersetzung überliefern, unberücksichtigt: die Codices Tübingen, Universitätsbibliothek, Md 456 (Geschenk der Dominikanerinnen des St. Galler Katharinenklosters an die Augustinerchorfrauen in Inzigkofen, von 1484) und Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, St. Peter pap. 43 (aus dem Dominikanerinnenkloster Adelhausen, wohl vom Ende der 1460er Jahre); dazu im Einzelnen Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 415–419.

84 | Buch der Ämter und Buch der Ersetzung

zestexte wie auch die Episteln der Ordensmeister. An ihrer Stelle wurden die Ordinationen Konrads von Preußen aus dem Jahre 1397 für das Kloster Schönensteinbach, den ,Mutterkonvent‘ der observanten Dominikanerinnen, als Einlage im Buch der Ersetzung (zwischen Kap. VII und Kap. VIII) aufgenommen.349 Auch in diesem Fall lässt sich das Textarrangement auf Johannes Meyer selbst zurückführen, ist das Inserat durch einen textinternen Hinweis mit dem Kotext, mit dem vorangehenden Klosterkatalog von Kap. VII verwoben.350 Die ,Publikation‘ der Schönensteinbacher Reformordinationen steht nun allerdings nicht unter dem Postulat rechtsnormativer Verbindlichkeit und strikter Befolgung, „es geht vielmehr darum, die exemplarischen Anstrengungen und Rigorosität (insbesondere mit Blick auf die Klausurierung) zu dokumentieren, mit denen die ersten Reformer die Ideale der heiligen Anfänge des Ordens wiederzubeleben suchten, und ihren Nachfolgern zum Vorbild für ihre eigenen Bemühungen zu setzen“.351 Als historisches Zeugnis reflek-

|| 349 Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 411, 413, 421. Zudem fehlt in den Freiburger Zeugen das umfängliche ,kommentierte Inhaltsverzeichnis‘ der Codices des älteren Berner Textverbunds. Stattdessen bringt die Freiburger Handschrift B 1 Nr. 147 eine kurze Vorbemerkung zum Gebrauch von Ämterbuch und Buch der Ersetzung (fol. 1v). Hier wird das Buch der Ersetzung für die Tischlesung empfohlen, das Ämterbuch aber gerade nicht (dies im Gegensatz zu der dem Text selbst, im Kontext des Amts der Correctrix mense [Kap. XX,1], eingeschriebenen Forderung, das Ämterbuch mindestens einmal pro Jahr gemeinsam bei Tisch zu lesen, dazu o. S. 51 Anm. 186); und zwar einerseits um niemand Anlass zu verirrunge · beswerung vnfrid oder vnrůw, d.h. zu Scrupulositas zu geben (zu diesem Phänomen in der frömmigkeitstheologischen Diskussion des 15. Jahrhunderts Grosse: Heilsungewißheit und Scrupulositas, S. 8–34), da doch seine Inhalte keine rechtliche Verpflichtung einforderten und man demnach nicht gezwungen sei, eine abweichende etablierte gewonheit wis vnd ordnung [,] die och gůt vnd recht ist, aufzugeben, andererseits um vnernsthaftikeit zu vermeiden, zu der etliches lesen vnderwilen verleiten könnte. Angeraten wird die Benutzung des Ämterbuchs in privater Lektüre zur Instruktion und Orientierung vornehmlich der Amtsträgerinnen. 350 Freiburg, B 1 Nr. 147, fol. 170r: vnd dis ist daz erst closter gewesen in diser provincie/ dorinn die obseruancie vnd beslútzte angefangen wart/ anno domini Mccc lxxxxvij vnd die andren clöster diser prouintzie die och söliche beslútzte haltent/ die hant es von disem closter schönensteinbach gelert vnd enpfangen/ vnd [danach am Rand ergänzt: am fúnften blat] har noch an disem bůch findet man geschriben ein ernstliche strenge ordinacion von der beslútz vnd behůtsamkeit/ wie die solt gehalten werden. 351 Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 421. So geht dem Text der Ordinationen die Vorbemerkung voraus: Dise ordinacion ist dorum hie geschriben · ze merken mit waz ernste vnd strengheit angeben vnd angehebt ist die beslútzte vnd behůtsamkeit der heilgen obseruancie · Si bringt nit verbund [,Verpflichtung‘] oder sunder beswerunge (Freiburg, B 1 Nr. 147, fol. 174v). Womöglich ist der Text der Freiburger Handschrift – über eine Zwischenstufe – Abschrift des Ordinationentextes der Basler Sammelhandschrift E III 13 (fol. 29v–31v) aus Johannes Meyers Besitz. Die Ordinationen Konrads von Preußen sind dort Teil des von Heinrich Fabri O.P., 1417–1452 Seelsorger in Schönensteinbach, niedergeschriebenen und wohl auch verfassten Buchs von Schönensteinbach (fol. 27r–33v, vgl. die unpublizierte Handschriftenbeschreibung von Martin Steinmann, Universitätsbibliothek Basel, S. 2f.; kein Hinweis darauf bei Dagmar Ladisch-Grube: Fabri, Heinrich. In: 2VL 2 [1980], Sp. 689–691). Ein abschließender Zusatz von der Hand Meyers, fol. 31v (Abb. 11), informiert indes über eine 1464 vollendete Neuredaktion der Schönensteinbacher Ordinationen, an der er zusammen mit dem Provinzial Petrus Wellen und dem Prior der Basler Dominikaner, Heinrich Schretz, im Auftrag des Ordensgenerals Konrad von Asti mitgewirkt habe. Insbesondere seien dabei alle gebot vnd banne, also Formeln, die rechtliche Verpflichtung und Sanktion bei Nichtbeachtung signalisie-

Überlieferung und Distribution | 85

tiert der normative Text die zunehmende Distanz zwischen den Gründerfiguren der dominikanischen Observanzbewegung und ihren Nachfahren und zielt mit der Verpflichtung der Späteren auf die Memoria der Repräsentanten jenes ,zweiten‘ idealen Anfangs und ihre Errungenschaften auf die Institutionalisierung und Verstetigung der Reform.

|| ren, getilgt worden: Dise obgenante ordinacio vatter ·C· von prüssen des ersten anvaher der obseruantz vnd beschlütz mit iren gebotten vnd bannen als ers gab/ hatt der meister des ordens genant Cunrad von [a]st heyssen alle gebott vnd banne vs tilgen vnd ab tůn vnd wolt daz man die ordinacio hielt aber die gebott vnd banne lies er ab gentzlich vnd wolt nit daz sy kein krafft iemer me haben sölten Hiervm nam der hochgelert wis vatter Meister peter wellen prouincial zů im vatter ·H· Schercz [sic] prior ze basel vnd mich brůder Johans Meiger vnd richt sy als ein recht bescheiden ordinacio sin sol vnd durchstreich des ze vil waz vnd daz bestet der obgenant Meister des ordens Cůnrad von ast der heiligen geschrifft lerer Mcccclxiiij (der Text der Basler Handschrift einschließlich der späteren Zusätze auch abgedruckt bei Engler: Regelbuch, S. 308–312). In Freiburg, B 1 Nr. 147 sind die unter diesem Aspekt inkriminierten Passus, die im Text der Ordinationen im Codex E III 13 z.T. rot durchgestrichen sind, gleichwohl enthalten, ihre Geltung aber wird durch die o. zitierte allgemeine Vorbemerkung aufgehoben und als überholt markiert.

86 | Buch der Ämter und Buch der Ersetzung

Synopse: Die Codices des Ämterbuchs und des Buchs der Ersetzung und ihre Inhalte Bloomington, Lilly Libr., Ricketts 198

Leipzig, Universitätsbibl., Ms. 1548







Kommentiertes Inhaltsverzeichnis (3ra–4ra)

– (siehe Nürnberg, Nationalmuseum, Hs.1166, 4ra–7rb)

Vier Episteln (lat.): zwei von Humbert von Romans, eine von Raimund von Capua und eine eines unbekannten Verfassers (4va–9va)

Johannes Meyer: Buch der Ämter (1ra–116rb)

Johannes Meyer: Buch der Ämter (14ra–111vb)

Regel für die Laienbrüder auf den Höfen der Dominikanerinnen (116va–118ra)

Regel für die Laienbrüder auf den Höfen der Dominikanerinnen (112ra–113rb)

Konstitutionen für die Laienbrüder auf den Höfen der Dominikanerinnen (118ra–125ra)

Konstitutionen für die Laienbrüder auf den Höfen der Dominikanerinnen (113rb–120rb)

Regel und Konstitutionen für die Laienschwestern auf den Höfen der Dominikanerinnen (125rb–vb)

Regel und Konstitutionen für die Laienschwestern auf den Höfen der Dominikanerinnen (120rb–vb)

Bulle Innozenzʼ VII. und Regel für die Mitglieder des Dritten Ordens (126ra–133va)

Bulle Innozenzʼ VII. und Regel für die Mitglieder des Dritten Ordens (121ra–128va)

Johannes Meyer: Buch der Ersetzung (135ra–244vb)

Johannes Meyer: Buch der Ersetzung (133ra–251rb)









– (siehe Nürnberg, Nationalmuseum, Hs.1166, 1ra–3vb)

Johannes Meyer: Verzeichnis der Provinziale der Teutonia (253ra–257ra)

Überlieferung und Distribution | 87

Überlingen, Leopold-Soph.-Bibl., Ms. 5

Karlsruhe, Landesbibl., K 1177

Dietrich von Apolda: Vita S. Dominici (dt.) (2ra–111vb)



Kommentiertes Inhaltsverzeichnis (120ra–vb) –

Johannes Meyer: Buch der Ämter (120vb–239va)

Johannes Meyer: Buch der Ämter (2r–120v) Kommentiertes Inhaltsverzeichnis (4v–5r, eingeschoben zwischen 2. Vorrede und Register des Buchs der Ämter)

Kommentiertes Inhaltsverzeichnis II (241ra–vb, wiederholt und ergänzt 120ra–vb) Vier Episteln (dt.): zwei von Humbert von Romans, eine von Raimund von Capua und eine eines unbekannten Verfassers (241vb–246vb) Regel für die Laienbrüder auf den Höfen der Dominikanerinnen (246vb–248va)

Regel für die Laienbrüder auf den Höfen der Dominikanerinnen (122r–123r)

Konstitutionen für die Laienbrüder auf den Höfen der Dominikanerinnen (248va–257rb)

Konstitutionen für die Laienbrüder auf den Höfen der Dominikanerinnen (123r–129r)

Regel und Konstitutionen für die Laienschwestern auf den Höfen der Dominikanerinnen (257rb–258ra)

Regel und Konstitutionen für die Laienschwestern auf den Höfen der Dominikanerinnen (129rv)



Bulle Innozenzʼ VII. und Regel für die Mitglieder des Dritten Ordens (130r–136r)

Johannes Meyer: Buch der Ersetzung (261ra–362vb)











Johannes Meyer: Verzeichnis der Provinziale der Teutonia (369ra–371ra)



88 | Buch der Ämter und Buch der Ersetzung

Freiburg i.Br., Stadtarchiv, B 1 Nr. 147

Freiburg i.Br., Stadtarchiv, B 1 Nr. 108





Anleitung zur Benutzung der Schriften (1v)







Johannes Meyer: Buch der Ämter (2r–144r)

Johannes Meyer: Buch der Ämter (21r–145v)

















Johannes Meyer: Buch der Ersetzung, Kap.1–8 (145r–184r)

Johannes Meyer: Buch der Ersetzung, Kap.1–8; Kap.9 und 10 nur in Teilen (146r–161v, 1r–10v, 165v–194v, 220rv, 195r–198r)

Konrad von Preußen: Ordinationen für reformierte Dominikanerinnen (174v–177v, inseriert nach Kap.7 des Buchs der Ersetzung)

Konrad von Preußen: Ordinationen für reformierte Dominikanerinnen (10v, 161v–165r, nach Kap.7 des Buchs der Ersetzung)



Johannes Meyer: Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch (199r–214v)



Johannes Meyer: Verzeichnis der Provinziale der Teutonia (215r–219r)

3 Historie und Mythos des zweiten Anfangs: Das Buch der Reformacio als Programmschrift der dominikanischen Observanzbewegung 3.1 Vom Opus mixtum der Einzelnarrative zur integralen Geschichte der Reform Im literarischen Œuvre Johannes Meyers nimmt das Buch der Reformacio Predigerordens eine herausgehobene Stellung ein. Der in der Volkssprache verfassten ambitionierten „Programmschrift“1 zur dominikanischen Ordensreform, dem umfangreichsten von Meyers Texten, kommt eine exponierte Position zu sowohl im Bereich der dominikanischen Ordensliteratur des 15. Jahrhunderts wie auch darüber hinaus im übergreifenden Kontext der Reformliteratur der spätmittelalterlichen Observanzbewegungen. Die überwiegend lateinische monastische Historiographie des 15. und frühen 16. Jahrhunderts kennt indes zahlreiche Schriften und programmatische Stellungnahmen observanter Ordensleute zur Kloster- und Ordensreform, wovon hier nur einige der bei Dieter Mertens genannten „bedeutenden Ordenshistoriographen“ erwähnt seien: die Benediktiner Nikolaus von Siegen und Johannes Trithemius, der Windesheimer Chorherr Johannes Busch, die Franziskaner Nikolaus Glasberger und Bernhardin von Fossa, der Karmeliter Arnold Bostius oder der Augustinereremit Ambrosius Massarius von Cori.2 Ihnen allen stellt sich Johannes Meyer zur Seite, und doch steht sein deutschsprachiges Buch der Reformacio Predigerordens als umfassende – für die Angehörigen des Zweiten Ordens bestimmte – historiographische Darstellung der dominikanischen Ordensreform von den Anfängen bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts und aus der Perspektive eines an den Ereignissen zuweilen selbst Beteiligten ein Stück weit für sich, in dieser letztgenannten Hinsicht ten-

|| 1 Lentes: Bild, Reform und Cura monialium, S. 177. 2 Mertens: Monastische Reformbewegungen, S. 157. Zur monastischen Reformhistoriographie im Kontext der spätmittelalterlichen Observanzbewegungen im deutschen Raum weiterhin Proksch: Klosterreform, hier S. 286–289 ein nach den Gemeinschaften der Kanoniker, Benediktiner und Mendikanten gegliedertes „Verzeichnis spätmittelalterlicher Reformchronisten und ihrer Werke (1350–1517)“; zur spätmittelalterlichen lateinischen Ordenschronistik vor allem franziskanischer und dominikanischer Provenienz, aber unter komparatistischer Einbeziehung anderer Kommunitäten Jäkel: Kontinuitätskonstruktionen; speziell zum Schrifttum der Mendikantenorden siehe auch den Überblick bei Bert Roest: Later Medieval Institutional History. In: Historiography in the Middle Ages. Hrsg. von Deborah Mauskopf Deliyannis. Leiden/Boston 2003, S. 277–315, sowie neuerdings die Darstellung von Anne Huijbers: ,Observance‘ as Paradigm in Mendicant and Monastic Order Chronicles. In: A Companion to Observant Reform in the Late Middle Ages and Beyond. Hrsg. von James D. Mixson und Bert Roest. Leiden/Boston 2015 (Brill’s Companions to the Christian Tradition 59), S. 111–143. https://doi.org/10.1515/9783110656695-003

90 | Das Buch der Reformacio als Programmschrift

denziell vergleichbar dem Liber de reformatione monasteriorum des Johannes Busch, des „Chronist[en] der Devotio moderna“.3 Es ist der spezifische Beitrag der Schrift zur Faktizität der Geschichte der Reform im Dominikanerorden (freilich aus observanter Sicht), sein Status als „wertvolle Quelle für die Regional-, Ordens- und Kulturgeschichte“,4 der schon immer das besondere Augenmerk der historischen Ordensforschung auf sich gezogen hat.5 Dabei blieb aber dem vorrangigen Interesse am Text als einer der Hauptreferenzen6 für die verschiedenen Ereignisse und Vorgänge im Predigerorden – für die Anfänge der dominikanischen Observanzbewegung, für die Reform einzelner Brüder- und Schwesternkonvente, für die Auseinandersetzungen zwischen Observanten und Konventualen und für das „Bündnis der dominikanischen Reformbewegung mit dem brachium saeculare“7 – der Blick auf dessen genuin literarische Faktur und Strategien stets nachgeordnet.8 Insofern trifft es zu, dass das Potential des Buchs der Reformacio Predigerordens „as a work of methodical, if not high, literary art, one that in the context of the Observant’s program of reform offers a cogent and carefully crafted argument“, wie Jeffrey F. Hamburger pointiert formuliert hat,9 noch im Einzelnen aufzuschließen ist. Gerade hier werden die folgenden Analysen anzusetzen haben.

|| 3 Vgl. Lesser: Johannes Busch, S. 260 (das Zitat aus dem Titel der Studie). Vergleichende Beobachtungen zu Meyer und Busch bei Gabriela Signori: Gehorsam wider Eigensinn. Wertekonflikte in Frauenklöstern und -stiften des 15. Jahrhunderts. In: Hahn/Melville/Röcke (Hrsg.): Norm und Krise von Kommunikation, S. 291–309; Uffmann: Wie in einem Rosengarten, S. 62–76. 4 Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 481. 5 Vgl. nur die einschlägigen Arbeiten zur dominikanischen Ordensreform von Löhr: Teutonia im 15. Jahrhundert, Barthelmé: La réforme dominicaine, und Hillenbrand: Observantenbewegung. Speziell mit Blick auf die Frühphase der Reform und die Biographie des Johannes Mulberg siehe von Heusinger: Johannes Mulberg OP, S. 11–38. 6 Vgl. Egger: Beiträge zur Geschichte des Predigerordens, S. 21 Anm. 7: „Meyers Chronik ist bei weitem die wichtigste und in vielen Fällen die einzige Quelle für die Reformvorgänge in den einzelnen Klöstern.“ Weiterhin Heimann: Arbeitsweise von Johannes Meyer, S. 187f.; Neidiger: Armutsbegriff der Dominikanerobservanten, S. 156. 7 Mertens: Monastische Reformbewegungen, S. 164. 8 Einige einführende Bemerkungen zur Struktur und Intention des Textes gibt Benedictus Maria Reichert im Vorwort zu seiner Edition: Johannes Meyer: Buch der Reformacio Predigerordens. I., II. und III. Buch. Hrsg. von B.M.R. Leipzig 1909 (QF 2), IV. und V. Buch. Hrsg. von B.M.R. Leipzig 1908 (QF 3), hier I–III, S. VII–X; ebenso Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 480f.; zuletzt DeMaris: Introduction (MOPH 31), S. 15–20. Kaum mehr als eine koordinierende Zusammenschau der Inhalte der Schwesternviten von Buch III (z.T. auch von Buch V) bietet Carl Pfaff: Bild und Exempel. Die observante Dominikanerin in der Sicht des Johannes Meyer O.P. In: Personen der Geschichte, Geschichte der Personen. Studien zur Kreuzzugs-, Sozialund Bildungsgeschichte. FS Christoph Schwinges. Hrsg. von Christian Hesse [u.a.]. Basel 2003, S. 221–235; zu einigen der Schwesternviten aus Buch III jetzt auch Neidhardt: Autonomie im Gehorsam, S. 365–370. 9 Hamburger: The Visual and the Visionary, S. 448.

Vom Opus mixtum der Einzelnarrative zur integralen Geschichte der Reform | 91

Vom Buch der Reformacio sind zwei verschiedene Fassungen erhalten. Eine bislang unbekannte, vollständig nur in einer Abschrift von 1670 überlieferte ,Urfassung‘10 hat Johannes Meyer noch während seiner Amtszeit als Beichtvater im Dominikanerinnenkonvent Schönensteinbach, von dem die Darstellung inhaltlich ausgeht, im Jahr 1464 vollendet.11 Eine zweite Version, die Reicherts Edition zugrunde liegt und auf die sich die Forschung bisher ausschließlich hat beziehen können, war in der Grundgestalt 1468 abgeschlossen, wobei spätere Nachträge in der ältesten, aus dem Skriptorium des Straßburger Dominikanerinnenklosters St. Nikolaus in undis stammenden Handschrift Ms. 2934 der National- und Universitätsbibliothek Straßburg den Zeitraum bis 1477 umfassen.12 Der Text selbst ist in dieser jüngeren, offensichtlich auf einen größeren Resonanzraum hin angelegten und breiter tradierten Fassung von 1468, auf die sich die folgenden Analysen zunächst konzentrieren werden, in fünf Teile oder Bücher gegliedert.13 Er kombiniert die Gründungs-, Verfalls- und – unter der Ägide des Predigerordens eingeleitete – Wiederaufstiegsgeschichte des elsässischen Klosters Schönensteinbach, d.h. die Historie des Mutterhauses der reformierten Dominikanerinnen einschließlich seiner nicht dominikanischen Ur- und Frühgeschichte (Buch I/II) zunächst mit einer Serie von Viten der ersten Reformschwestern, die eine „eindrückliche Vorstellung von der spirituellen Atmosphäre“14 des neu initiierten observanten Konvents im Ganzen vermitteln sollen (Buch III: Schönensteinbacher Schwesternbuch), sodann mit einem Bericht von den Anfängen der dominikanischen Ordensreform und einer Reihe von Lebensbeschreibungen der herausragenden Reformer in der Provinz Teutonia, die dem Schönensteinbacher Konvent zugleich durch Vikariat und Beichtvateramt verbunden waren (Buch IV), und schließlich mit einer weit ausgreifenden Darstellung der Ausbreitung der Reformbewegung, einer Erzählung von Erfolgen und Widerständen, die vom Mutterkloster zu den nach und nach der Observanz

|| 10 Colmar, Archives Départementales du Haut-Rhin, Fonds Herzog, 1f22; die Handschrift m.W. zuerst (und nur sporadisch) genannt bei Jean Charles Winnlen: Schönensteinbach. Une communauté religieuse féminine 1138–1792. Contribution à l’étude de l’Alsace monastique. Altkirch 1993, S. 29 Anm. 12, S. 81 (Abb. der Titelseite) und S. 432, hier bleibt aber der besondere Status des Textes als ,Urfassung‘ des Buchs der Reformacio unbemerkt. 11 Die Vorarbeiten dazu reichen offenbar weiter, wohl zumindest bis in Meyers Berner Zeit, zurück. Denn in der Chronik der Generalmeister des Buchs der Ersetzung (1455) vermerkt er im Kontext seiner Darstellung der Errichtung des dominikanischen Reformkonvents Schönensteinbach: von disen dingen wie dis swester clöster vnd die andren die ir besliessung von i[m] enpfangen hand [hier wohl zu ergänzen: ,ihren Anfang nahmen‘, C.S.] hab ich ein sunder buch gemachet do von ist nit not daz ich vil da von hie schreibe (Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Ricketts 198, fol. 209rb). 12 Dazu im Einzelnen u. S. 94–98. 13 Die Vorrede zum Gesamttext expliziert diese Disposition und gibt für jedes der fünf Bücher eine knappe Inhaltsübersicht (ich zitiere – oder verweise auf – den Text des Buchs der Reformacio auf der Grundlage der Straßburger Handschrift Ms. 2934 und zeige zusätzlich die entsprechende Stelle in Reicherts Edition an, die freilich auf der – über die ehemals Nürnberger Handschrift Cgm 8081 vermittelten – Abschrift des Codex 1916 der Stiftsbibliothek St. Gallen beruht): Ms. 2934, fol. 11rv; Reichert I–III, S. 1f. 14 Peters: Religiöse Erfahrung, S. 130 (hier generell zum Texttypus ,Nonnenbuch‘ und seinen Funktionen).

92 | Das Buch der Reformacio als Programmschrift

zugeführten Tochterklöstern fortschreitet und dabei die reformierten Brüderkonvente mit einschließt (Buch V). In dieser Gestalt präsentiert sich das Buch der Reformacio Predigerordens vorderhand als Opus mixtum, das historiographische und hagiographische Narrative unterschiedlicher Tradition und Provenienz zusammenführt und miteinander verschränkt. Signifikant ist die Verbindung von eröffnender Klostergründungsgeschichte (Buch I/II) und Vitensammlung (Buch III), wie sie genau so etwa auch für die Nonnenbücher süddeutscher Dominikanerinnen in Grundzügen schon im 14., vorzugsweise aber „im 15. Jahrhundert typenspezifisch konstitutiv“ scheint.15 Nur ist der Fundationsbericht im Buch der Reformacio aufgrund seines zweifachen Ansatzes: einerseits bei der Geschichte der ersten Stiftung, andererseits bei der Gründung des Reformkonvents, vergleichsweise umfangreich geraten. Speziell unter dem letztgenannten Aspekt ergeben sich für Meyers Text der Bücher I–III indes auch Überschneidungen mit spezifisch reformchronistischer Klosterliteratur: etwa den Vitas fratrum praedicatorum conventus Basiliensis des Johannes von Mainz, wo einer Darstellung der Gründung und Frühgeschichte und dann vor allem der (infolge der Ruina prime obseruancie notwendig gewordenen) Reform des Basler Predigerkonvents, d.h. von Meyers Heimatkonvent, sowie der Anfänge des observanten Gemeinschaftslebens eine Reihe von Viten der ersten Väter und Brüder der Basler Observanz folgt.16 Vom Modell des Konvents- bzw. Nonnenbuchs, das die Bücher I–III der Fassung von 1468 unzweideutig aufnehmen,17 sind die Bücher IV/V zunächst separiert. Sie erweitern den Berichtshorizont und öffnen den Blick vom Kloster auf die Reformvorgänge im Orden und insbesondere in der Ordensprovinz Teutonia. Gleichwohl bleiben beide Bücher IV und V stets auf die Keimzelle der Darstellung bezogen, einerseits indem sich die abschließende Vitenreihe von Buch IV (Vikare und Beichtväter von Schönensteinbach) inhaltlich und strukturell dem Schema der kollektiven Hagiographie der Reformschwestern in Buch III zuordnet, andererseits indem die Ereignisgeschichte von Buch V, die auf die Ex-

|| 15 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 180; dazu auch Gertrud Jaron Lewis: By Women, for Women, about Women. The Sister-Books of Fourteenth-Century Germany. Toronto 1996 (Pontifical Institute of Mediaeval Studies. Studies and Texts 125), S. 43–45; Winston-Allen: Convent Chronicles, S. 68 mit Anm. 17, 252. – Eine der elaboriertesten Gründungsgeschichten der bekannten Schwesternbücher überliefert das Ötenbacher Corpus (vgl. Lewis: Sister-Books, S. 28), das Meyer um die Mitte der 1450er Jahre selbst redigiert hat (dazu u. S. 253–261). 16 Der von 1442 bis 1444 abgefasste lateinische Text ist unikal überliefert im Codex Basel, Universitätsbibliothek, A XI 42, fol. 97r–119r (das Zitat fol. 98r). Siehe dazu vor allem die Studie von Egger: Beiträge zur Geschichte des Predigerordens, S. 32–62 u. 217f. (Inhaltsübersicht). Meyer selbst erwähnt die Schrift des Johannes von Mainz in V,24 des Buchs der Reformacio von 1468 im Kontext seines Berichts von der Reform des Basler Konvents im Jahr 1429: Doch wie der selbe brder convent der prediger z basel reformiert ist worden vnd von dem seligen andehtigen leben etlicher brder hat z latin ein schn bchelin geschriben der andehtige vatter brder Johannes von mentze (Ms. 2934, fol. 172r; Reichert IV/V, S. 75). 17 Vgl. Heinonen: Between Friars and Nuns, S. 242.

Textzeugen und Überlieferungsverhältnisse | 93

pansion der Reform im Raum zielt,18 ihren Ausgang nimmt vom Stammkonvent Schönensteinbach. In diesem Sinne formieren sich die Einzelnarrative zu einer integralen Geschichte der Reform, die freilich die genuinen Interessen der intendierten Adressatinnen zugrunde legt und die Geschicke der dominikanischen Observanzbewegung zuvorderst aus der Perspektive des weiblichen Ordenszweiges erzählt, dadurch dass sie die Herkunft und das Selbstverständnis der reformierten Dominikanerinnen akzentuiert. Eine genauere Untersuchung des Buchs der Reformacio Predigerordens muss daher ansetzen bei den spezifischen Texttypen der einzelnen Bücher und ihren narrativen Schemata und Strukturen. Sie wird zu fragen haben nach den angedeuteten traditionellen historiographischen und hagiographischen Modellen sowie nach deren Adaptation im Zeichen einer bestimmten Funktionsbestimmung, schließlich nach übergeordneten Prinzipien der Kohärenzstiftung und Korrelation der einzelnen Teile im Sinne einer integralen Geschichte der Reform. Da Reicherts Edition des Buchs der Reformacio auf einer Redaktion basiert, die offensichtlich nicht den Ausgangstext der Fassung von 1468 oder die ihm am nächsten stehende Textstufe repräsentiert, kommt man nicht umhin, die überlieferungsgeschichtlichen Relationen der vorhandenen Textzeugen (beider Fassungen) zu klären, um eine adäquate Textgrundlage für die anschließenden Analysen zu gewinnen. Dabei wird auch die Verbreitung und Rezeption des Textes im Zusammenhang der dominikanischen Ordensreform zu dokumentieren sein, wie sie die bekannten Zeugen erkennen lassen. Im Anschluss an die Diskussion des Textes von 1468 sind schließlich die konzeptuellen und inhaltlichen Abweichungen der ,Urfassung‘ von 1464 zu erörtern, und zwar auf der Grundlage der bislang einzig vollständig erhaltenen späten und den ursprünglichen Wortlaut mitunter modernisierenden Abschrift des 17. Jahrhunderts.

3.2 Textzeugen und Überlieferungsverhältnisse Den Text des Buchs der Reformacio Predigerordens in der Fassung von 1468 überliefern insgesamt vier Zeugen. Das vollständige Opus mit allen fünf Büchern bieten die Handschriften Ms. 2934 der National- und Universitätsbibliothek Straßburg, Cgm 8081 der Bayerischen Staatsbibliothek München und Cod. 1916 der Stiftsbibliothek St. Gallen. Nur Buch III sowie weitere Exzerpte, Brüder- und Schwesternviten, aus Buch IV und Buch V teilt dagegen der Codex Md 456 der Universitätsbibliothek Tübingen mit. Zuletzt hat Werner Fechter mit seinen Beobachtungen zum ehemals Nürnberger Codex Cgm 8081 und insbesondere zu dessen Verhältnis zur St. Galler Handschrift 1916, auf der Reicherts Edition basiert, wesentliche überlieferungsgeschichtliche Zusammenhänge aufgedeckt.19 An || 18 Zum Moment der räumlichen Expansion als einem charakteristischen Strukturprinzip der spätmittelalterlichen Ordenschronistik, im Sinne der „chronologischen Darstellung des Erwerbs von Niederlassungen im Raum“, siehe Jäkel: Kontinuitätskonstruktionen, S. 205f. u. 211 (Zitat S. 206). 19 Fechter: Nürnberger Handschrift; auf dieser Grundlage dann die Übersicht bei Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 480.

94 | Das Buch der Reformacio als Programmschrift

seine grundlegenden Analysen schließen sich meine Bemerkungen an, denen es im Detail vor allem um die Straßburger Handschrift und deren noch nicht vollends geklärte Position gegenüber dem Cgm 8081 und der St. Galler Handschrift 1916 zu tun ist. Fechter hat zeigen können, dass der 1967 von der Bayerischen Staatsbibliothek aus Nürnberger Privatbesitz erworbene Cgm 8081, der aus dem Nürnberger Dominikanerinnenkloster St. Katharina stammt (alte Signatur: N XXI),20 unmittelbare Vorlage war für die 1483 im Dominikanerinnenkloster St. Katharina zu St. Gallen hergestellte Handschrift 1916. Eine Reihe von Fehlern des St. Galler Codex, insbesondere aber „die gestörte Kapitelfolge in Teil V“ kann auf die Nürnberger Vorlage zurückgeführt werden.21 Die Nürnberger Handschrift, die gleichwohl „an vielen Stellen zuverlässiger [ist] als ihre St. Galler Abschrift“,22 erweist sich nun selbst wiederum als eine direkte Abschrift des Straßburger Ms. 2934. Das ist im Folgenden zu explizieren. Ms. 293423 stammt aus dem Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis (alte Signatur: N N lxij) und könnte dort im Grundstock 1470 oder aber bald danach fertiggestellt worden sein, wie die Jahresangaben jeweils zu Beginn der Verzeichnisse der Generalmeister und der Provinziale der Teutonia nahelegen.24 Spätere Nachträge reichen

|| 20 Vgl. MBK III/3, S. 633; Willing (Hrsg.): Bibliothek des Klosters St. Katharina 1, S. XCIX u. 782f. 21 Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 68. 22 Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 68. 23 Beschreibungen der Handschrift bei Robert Priebsch: Deutsche Handschriften in England. Bd. 1: Ashburnham-Place, Cambridge, Cheltenham, Oxford, Wigan. Mit einem Anhang ungedruckter Stücke. Erlangen 1896, S. 82–84 (Nr. 87); weiterhin in: Die deutschen Handschriften der Kaiserlichen Universitätsund Landesbibliothek zu Straßburg. Beschrieben von Adolf Becker. Straßburg 1914, S. 120; Catalogue général des manuscrits des bibliothèques publiques de France. Départements. Bd. 47: Strasbourg. Par Ernest Wickersheimer. Paris 1923, S. 577f.; Catalogue des manuscrits en écriture latine portant des indications de date, de lieu ou de copiste. Bd. 5: Est de la France. Par Charles Samaran et Robert Marichal. Paris 1965, S. 439. Zur Handschrift dann vor allem Barthelmé: La réforme dominicaine, S. 166–178; Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 58f.; neuerdings auch Heimann: Arbeitsweise von Johannes Meyer, S. 189–197, 211; Balázs J. Nemes: Der ,entstellte‘ Eckhart. Eckhart-Handschriften im Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis. In: Schreiben und Lesen in der Stadt. Literaturbetrieb im spätmittelalterlichen Straßburg. Hrsg. von Stephen Mossman, Nigel F. Palmer und Felix Heinzer. Berlin/Boston 2012 (Kulturtopographie des alemannischen Raums 4), S. 39–98, hier S. 55f. Anm. 66f., 60, 84f. 24 Dis sind die namen der meistern predier ordens/ vnd mit kurtzen worten begriffen der statt des ordens wie der vnder in gestanden ist/ von sinem anvang bis vf dise zitt des iars Christi M cccclxx (Verzeichnis der Generalmeister, fol. 4r); Dis sind die namen der prouincialen die in vnser tutzschen prouintz gereygiert hand von angang bis ietz daz ist Anno domini M cccclxx (danach später zugesetzt: vij) (Verzeichnis der Provinziale, fol. 7r). Wenn man annimmt, dass Meyer die beiden Verzeichnisse, die er eigenhändig niedergeschrieben hat (Hand 1), eigens im Zusammenhang mit der Herstellung des Straßburger Codex und als Begleittexte für das nachfolgende Buch der Reformacio verfasst hat (die Lagenstruktur [(V+1)11 + 23VI286] offenbart jedenfalls mit Blick auf die von Meyer selbst beschriebene erste Lage eine originäre Verbindung zwischen dem Buch der Reformacio bzw. dessen allgemeiner Vorrede und den voranstehenden Verzeichnissen), erscheint eine Entstehung der Handschrift um das Jahr 1470 plausibel. Nemes: Der ,entstellte‘ Eckhart, übernimmt die Datierung des Textes des Buchs der Reformacio (1468) für die Datierung der Handschrift (S. 60) und vermutet daher eine Entstehung des Codex „Ende der sechziger Jahre“ des 15. Jahrhunderts (S. 84).

Textzeugen und Überlieferungsverhältnisse | 95

bis 1477 bzw., beim Verzeichnis der Generalmeister, bis 1481 (fol. 6v). Sie ist der älteste erhaltene Zeuge der Fassung von 1468 und kann als autornah gelten.25 Sowohl die einleitenden Listen und Verzeichnisse der reformierten Dominikanerinnenklöster der Teutonia, der Sitzordnung der Generalkapitel des Ordens, der Brüderkonvente der Teutonia, der Generalmeister und der Provinziale der Teutonia (fol. 1r–8v, mit Ausnahme von fol. 6v26) wie auch Teile des Textes des Buchs der Reformacio – die allgemeine Vorrede mit Angabe des Fertigstellungsdatums Anno domini M cccclxviij In vigilia Sancte katherine virginis et martiris (fol. 10v–11v, Abb. 7), der Prolog zu Buch IV (fol. 107v), das Explicit zum Gesamttext von 1468 (fol. 258r) und Nachträge zu Buch V (fol. 258v–261v) – sind der Hand Johannes Meyers zuzuweisen (dazu kommen verschiedene, über den Text des Buchs der Reformacio verstreute Korrekturen und kleinere Ergänzungen27 sowie der Besitzeintrag fol. 263v unten: Dis bůch ist der swestern des closters zů Sant Nicolaus jn vndis ze Strasburg predier ordens).28 Die Nachträge zu Buch V setzen nach einer kurzen Vorbemerkung (Ein kurtz vorrede), die dazu auffordert, die vorliegenden Notate zur Reformierung bislang nicht observanter Klöster fortzuführen, mit Nachrichten zur Reform des Dominikanerinnenklosters Medlingen (Obermedlingen) und des Brüderkonvents Chur im Jahr 1468 ein. Möglicherweise wurden diese beiden Berichte von der Hand Johannes Meyers bereits im Zuge der Herstellung der Straßburger Handschrift, d.h. um 1470, dem Grundstock hinzugefügt. Der nächste Eintrag zur Reform des Straßburger Schwesternklosters St. Margareta, Anno domini M cccclxxv/ vff Sancta lucien dag vor winnahten (fol. 260r), kann dann frühestens um die Jahreswende 1475/76 von Hand 3 (bzw. Hand 2 des Grundstocks) niedergeschrieben worden sein, ihm folgen, wieder von der Hand Johannes Meyers, ein ausführlicherer Bericht zur Einführung der Observanz im Frankfurter Predigerkonvent im Jahr 1474, an der Meyer selbst beteiligt war, und schließlich zwei kürzere Einträge zur Reformierung der Brüderkonvente zu Regensburg (1475) und Esslingen (1477). Allen drei abschließenden Einträgen fehlt die sonst übliche Rubrizierung, und vermutlich sind sie allesamt zum selben Zeitpunkt, während eines Straßburger Aufenthalts Meyers im Jahr 1478,29 ergänzt

|| 25 Um dieselbe Zeit, wenn auch etwas später, dürfte auch ein zweiter Meyer-Codex, die Handschrift Mgq 195 der Staatsbibliothek zu Berlin mit Meyers Vitas fratrum, der Papst- und der Kaiserchronik sowie einer Vita des Albertus Magnus und dem Epistel brief zů den swesteren prediger ordens, in St. Nikolaus in undis hergestellt worden sein. Auch in diesem Fall handelt es sich um eine autornahe Handschrift und den ältesten bekannten Zeugen für die hier überlieferten Texte. Die Liste der reformierten Dominikanerinnenklöster zu Beginn des Codex stimmt mit der in Ms. 2934 überein (sie auch in Mgq 195 ein Autograph Meyers), die beiden Haupthände von Mgq 195 (Hand 2 und 3) sind identisch mit den Händen 3 und 2 (bzw. 2 und 3 des Grundstocks) von Ms. 2934. Dazu Seebald: Basler Codex, S. 205–207. 26 Nachtrag zum Verzeichnis der Generalmeister bis zum Jahr 1481 (Wahl des Salvo Cassetta) von Hand 2 (= Hand 3 des Grundstocks, zuerst fol. 12r unten). 27 Fol. 27v, 52v, 53r, 144r, 173v, 174r, 197r, 203r, 205v, 206r, 213v, 214r, 218v, 247r, 252v. 28 Vgl. Barthelmé: La réforme dominicaine, S. 175f.; Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 59. 29 Zu diesem Aufenthalt Meyers, „als er im Auftrag seines Provinzials nach Straßburg und Schlettstadt reiste, um für die Reformierung der württembergischen Klöster Weiler bei Esslingen und Kirchheim/Teck geeignete Schwestern auszuwählen“, siehe Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 59.

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worden.30 Die vorausgehende Nachricht zur Reform von St. Margareta zu Straßburg weist den Leser für Einzelheiten indes zurück an die breite Erzählung von der an Wechselfällen reichen Reformierung des Straßburger Klosters St. Agnes im Jahr 1465, die gegen Ende von Buch V erscheint (von V,67 an).31 Dort sind wiederum von derselben Hand zuletzt drei Kapitel hinzugefügt worden (V,80–82, fol. 243v–248v), die von der geistlichen Blüte des observant gewordenen Klosters St. Agnes in der Dekade nach der Reform und schließlich vom Abbruch des Klostergebäudes im Jahr 1475 und von der Übersiedlung des Konvents in das zunächst konventuale, dann aber unter den Vorzeichen der Vereinigung mit St. Agnes reformierte Kloster St. Margareta berichten.32 Da Johannes Meyer an anderer Stelle, im Kontext des Schriftenverzeichnisses seines Epistel brief zů den swesteren prediger ordens, die Mitwirkung der Priorin von St. Nikolaus in undis am Text des Buchs der Reformacio herausstellt, insofern sie dort zů letzste ein gůt teil zůgesetz habe,33 wäre es denkbar, die drei Zusatzkapitel zum Straßburger Agneskloster jenem nicht näher spezifizierten Anteil der Priorin von St. Nikolaus am Buch der Reformacio zuzuweisen.34 In Stil und Darstellung zeichnet die nur in der Straßburger Handschrift tradierten drei Zusatzkapitel freilich eine gewisse Eigenständigkeit aus.35 Als Verfasserin käme Barbara von Benfelden in Frage,36 die vermutlich zu jener Zeit als Priorin von St. Nikolaus amtierte37 und ein Stück weit auch || 30 Alle drei Nachträge sind abgedruckt bei Barthelmé: La réforme dominicaine, S. 192f. 31 Anno domini M cccclxxv/ vff Sancta lucien dag vor winnahten wart daz frowen closter Sancte Margreden reformiert/ wie vnd jn wellicher wise vnd ordenunge daz zu gegangen ist/ daz stot do vor by dem closter Sancte Agnesen clerlichen/ geschriben (fol. 260r). 32 Zum historisch-politischen und sozialen Kontext Sigrid Hirbodian: Dominikanerinnenreform und Familienpolitik. Die Einführung der Observanz im Kontext städtischer Sozialgeschichte. In: Mossman/Palmer/ Heinzer (Hrsg.): Schreiben und Lesen in der Stadt, S. 1–16. 33 Mgq 195, fol. 255v; Abdruck bei Heribert Christian Scheeben: Handschriften I. In: ADD 1 (1937), S. 149– 202, hier S. 188. Vgl. Seebald: Schreiben für die Reform, S. 47. 34 Dass sich Meyer im Epistel brief speziell oder gar ausschließlich auf die drei Zusatzkapitel (V,80–82) bezieht, ist gerade auch mit Blick auf dessen Abfassungszeit (wohl 1471 oder etwas später) unwahrscheinlich. Da der sehr detaillierten, im Grundstock insgesamt 13 Kapitel umfassenden Reformgeschichte des Straßburger Agnesklosters (von 1465 bis 1468) in der Fassung des Buchs der Reformacio von 1468 (V,67–79) lediglich ein kürzerer, summarischer Bericht (ein Kapitel: III,73, so auch bei Dietler [siehe u. Anm. 79], S. 482f.) der ,Urfassung‘ des Textes von 1464 gegenübersteht, liegt es nahe, Meyers Aussage im Epistel brief zur Mitarbeit der Priorin von St. Nikolaus auf jene im Text von 1468 erheblich ausgeweitete Darstellung zu St. Agnes (V,67–79) insgesamt zu beziehen (dazu auch Winston-Allen: Convent Chronicles, S. 116). 35 Siehe bereits Barthelmé: La réforme dominicaine, die für die drei Nachtragskapitel „un autre personnage que Jean Meyer“ (S. 174) bzw. „une Prêcheresse strasbourgeoise“ (S. 188) als Verfasserin vermutet hat (S. 189–192, mit Abdruck des Textes). 36 Auf Barbara von Benfelden bezieht Meyers Aussage (Epistel brief) schon Hans Hornung: Daniel Sudermann als Handschriftensammler. Ein Beitrag zur Straßburger Bibliotheksgeschichte. Diss. masch. Tübingen 1956, S. 110a+f.; Winston-Allen: Convent Chronicles, S. 115f. identifiziert Barbara dann im Rekurs auf Meyer und Barthelmés Hinweis („une Prêcheresse strasbourgeoise“, S. 188) als Verfasserin der drei Zusatzkapitel. 37 Als Priorin 1465 und 1467 belegt, so Hornung: Daniel Sudermann als Handschriftensammler, S. 110a+, 280.

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in die Vorgänge und Auseinandersetzungen um die Reformierung des Agnesklosters involviert war und mithin, in Meyers Worten, selber in der arbeit der reformacio bekúmeret gewesen ist.38 Sollten die drei Kapitel tatsächlich Barbara von Benfelden zuzuordnen und von ihr selbst niedergeschrieben worden sein, hätte dies Konsequenzen nicht nur für die Identifizierung dieser Schreibhand (Hand 3 bzw. Hand 2 des Grundstocks, zuerst fol. 12r mit dem Beginn von Buch I des Buchs der Reformacio) in Ms. 2934.39 Tangiert wären Fragen der Herstellung und Provenienz einer Reihe anderer Codices,40 und es ergäben sich, „aufgrund eines systematisch durchgeführten Schriftvergleichs“,41 möglicherweise wiederum Optionen für eine weitergehende Rekonstruktion des historischen Profils von Bibliothek und Skriptorium von St. Nikolaus,42 dem als einer der wichtigen „Relaisstationen der Ordensreform“, so Thomas Lentes, wohl „eine nicht zu unterschätzende Funktion im

|| 38 Mgq 195, fol. 255v; Scheeben: Handschriften I, S. 188. 39 Weiterhin fol. 29v (Beginn von Buch II), 30v, 58v (Beginn von Buch III), 61v, 144r (Beginn von Buch V), 222r (Beginn des Berichts von der Reform des Agnesklosters), 243v–248v, 260r. Von dieser Hand in der Regel, bis auf wenige Ausnahmen, auch die rubrizierten Kapitelüberschriften sowie der Besitzeintrag unterhalb der Signatur N N lxij auf der Verso-Seite des letzten Blattes (fol. 263v Mitte): Dis büch gehrt in der Swestren closter zü Sancte Matheus vnd zü Sancte nicolaus in vndis zů stroßburg brediger ordens. 40 Dieselbe Hand etwa auch in Berlin, Staatsbibliothek, Mgq 158 (Hand 1: Inhaltsverzeichnis fol. 2r–3r sowie Text fol. 5r–6r u.ö.), Mgq 179 (Hand 1: Inhaltsverzeichnis fol. 3r–5r u.ö.; zu beiden Codices Seebald: Basler Codex, S. 206f. mit Anm. 25, Balázs J. Nemes: Das lyrische Œuvre von Heinrich von Laufenberg in der Überlieferung des 15. Jahrhunderts. Untersuchungen und Editionen. Stuttgart 2015 [ZfdA. Beiheft 22], S. 28), Mgq 22 (Hand 3: zuerst fol. 6v–8r), Mgq 167 (Hand 1: Inhaltsverzeichnis fol. Ir; Textbeginn MatthäusEvangelium, fol.1r), Mgq 171 (Hand 1: Inhaltsverzeichnis fol. IIrv; Textbeginn Konrad Bömlin: Gulden Buch, fol. 1r–2v), Mgq 182 (Hand 1: rote Überschrift fol. 1r), Mgq 188 (Hand 1: Inhaltsverzeichnis fol. 1v, wohl nur die oberste Zeile), Mgq 189 (Hand 1: Inhaltsverzeichnis fol. IIr–IVr; auch rote Überschriften, etwa fol. 322v– 349v), Mgq 190 (Hand 1: Inhaltsverzeichnis fol. 2rv; Überschrift fol. 13r), Mgq 191 (Hand 1 in Faszikel II, fol. 10r: Überschrift zum Pater-noster-Traktat Heinrich Fabris; dann Hand 1 in Faszikel V: fol. 219r, 231r– 237v „sowie sämtliche Überschriften“, so Nemes: Der ,entstellte‘ Eckhart, S. 60f. [vgl. dort auch S. 96f. Abb. 3 (o.) und Abb. 4]), Mgq 195 (Hand 2, siehe o. S. 95 Anm. 25), Mgq 199 (Hand 1: Inhaltsverzeichnis fol. IIr–IIIr), Mgo 30 (Hand 2: fol. 1r [Überschrift], 145v–174r, 197v–198v: Nemes, S. 61 und 88); Brüssel, Königliche Bibliothek, Ms. 8507–09 (Hand 3: fol. 1r–3v, 264r, 276r, 288r, 300r, 312r, 348r, Mehrzahl der Überschriften sowie Besitzvermerk fol. 363v: Nemes, S. 61 und 85); Paris, Nationalbibliothek, Ms. allem. 222 (Besitzeintrag fol. Av: Nemes, S. 61 und 85). 41 Nemes: Der ,entstellte‘ Eckhart, S. 68. 42 Dazu Hornung: Daniel Sudermann als Handschriftensammler; Andreas Rüther und Hans-Jochen Schiewer: Die Predigthandschriften des Straßburger Dominikanerinnenklosters St. Nikolaus in undis. Historischer Bestand, Geschichte, Vergleich. In: Die deutsche Predigt im Mittelalter. Internationales Symposium am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin vom 3.–6. Oktober 1989. Hrsg. von Volker Mertens und Hans-Jochen Schiewer. Tübingen 1992, S. 169–193; Lentes: Gebetbuch und Gebärde; zuletzt speziell mit Blick auf die Eckhart-Überlieferung Nemes: Der ,entstellte‘ Eckhart, mit Blick auf die ,Gottesfreundliteratur‘ Christiane Krusenbaum-Verheugen: Figuren der Referenz. Untersuchungen zu Überlieferung und Komposition der ,Gottesfreundliteratur‘ in der Straßburger Johanniterkomturei zum ,Grünen Wörth‘. Tübingen/Basel 2013 (Bibliotheca Germanica 58), S. 308–317.

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Kopieren und Verbreiten von Reformschriften“ zukam.43 Zumindest für die um 1470 entstandenen deutschen Schriften Johannes Meyers dürfte dieser Befund zutreffen, insofern neben Ms. 2934 mit dem Buch der Reformacio Predigerordens in der Fassung von 1468 auch die Berliner Handschrift Mgq 195 mit den Vitas fratrum, der Papst- und der Kaiserchronik dem Skriptorium von St. Nikolaus in undis und speziell auch der möglicherweise als Barbara von Benfelden zu identifizierenden Schreiberin zugewiesen werden kann und beide Codices offenbar primäre Abschriften oder Reinschriften der jeweiligen ,Urschriften‘ oder Handexemplare Johannes Meyers überliefern, auf die wiederum alle übrigen heute noch existenten Zeugen ausschließlich bezogen sind.44 Signifikant ist jedenfalls, dass für die ,Urfassung‘ des Buchs der Reformacio von 1464 keine Verbreitung jenseits ihres primären Rezeptionsraums Schönensteinbach bezeugt ist, während die zweite Fassung von 1468, die verschiedene spezifische Bezüge auf diesen primären Rezeptionsraum systematisch zurücknimmt, zusammen mit den vorangestellten Listen und Verzeichnissen von St. Nikolaus in undis aus für den Zweiten Orden, für das Kollektiv der reformierten Dominikanerinnen der Provinz Teutonia in Umlauf gesetzt worden ist. Der Cgm 8081 stammt aus dem Nürnberger Katharinenkloster und ist dort wohl in der Hauptsache von den Schwestern Klara Keiperin (Hand 4) und Kunigunde Hirschvogel (vermutlich Hand 2) geschrieben worden.45 Wie Fechter gezeigt hat, war der Codex „direkte Vorlage“ der 1483 entstandenen St. Galler Handschrift 1916.46 Ein eingehender Vergleich der Nürnberger Handschrift mit dem Straßburger Ms. 2934 offenbart nun zugleich, dass es sich bei dem Nürnberger Zeugen seinerseits um eine unmittelbare Abschrift der Straßburger Handschrift handelt, die frühestens 1474 hergestellt worden sein dürfte.47 Der

|| 43 Lentes: Gebetbuch und Gebärde, S. 130; weiterhin Nemes: Der ,entstellte‘ Eckhart, S. 69; KrusenbaumVerheugen: Figuren der Referenz, S. 309f. 44 Im Prolog zu den Vitas fratrum wendet sich Meyer an die Priorin und Schwestern von St. Nikolaus in undis als Initiatorinnen dieser Schrift und bittet zuletzt um die Verbreitung des Textes jenseits des engeren Rezeptionsraums der Straßburger Dominikanerinnenklöster: Aber ersammen mter wissen daz min meinung nit ist daz ir dis bůch nit me solten gemeinsammen dann den anderen clsteren vnsern swesteren zů strosburg Sunder allen clsteren vnsers ordens die dútsche sproch verstont do ir wissent oder gedenckent daz gottes lop vnd der mnschen nutz vnd heil von kummen mag/ wenn umb ein solliches so habe ich dis bůch zů dem ersten in die hende uwers flisses hin geben (Mgq 195, fol. 13v). Ganz analog heißt es am Ende des (mit einer an Alle[] Andehtigen gütwilligen Swestren prediger ordens adressierten Salutatio eröffnenden) Prologs zur Papstchronik Predigerordens: vnd wenn vnser erwúrdige müter priorin des wúrdigen closters zü Sancte Nicolaus jn vndis zü Stroßburg Sunder gnode vnd liebe het zü dem orden/ Hier vmb so sende ich mit gunst/ willen/ vnd vrlop vnser bren/ jrme fliß dis bchlin/ Daz do genant sol sin/ Daz büch der bpstlichen Cronicken prediger ordens/ Vnd bitte sú daz sú es ch allen mit teil/ Do sú bekennt daz es geneme syge/ vnd beger daz ir got fúr mich bitten (Mgq 195, fol. 170v). – Zusammenfassend zu Johannes Meyers Beziehungen zum Straßburger Nikolauskloster Hornung: Daniel Sudermann als Handschriftensammler, S. 108+–112+. 45 Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 60f.; Willing (Hrsg.): Bibliothek des Klosters St. Katharina 1, S. 782. 46 Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 63. 47 Aufgrund einer Reihe von spezifischen „dialektgeographische[n]“ Merkmalen, die der Nürnberger Codex offensichtlich von seiner Vorlage übernommen und konserviert hat („alemannische Langvokale“

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Cgm 8081 enthält grundsätzlich dieselben Texte wie Ms. 2934, zusätzlich aber noch zu Beginn, vor dem alten Besitzvermerk des Katharinenklosters und kurzen Angaben zum Inhalt des Codex von der Hand der Klara Keiperin (fol. 10v), ein Verzeichnis der einem eigenen Generalvikar unterstellten reformierten Brüderkonvente der Teutonia (fol. 9r, mit Hinweis auf die Bestätigung dieses Generalvikariats durch das Römer Generalkapitel von 1468). Die Abhängigkeit von Ms. 2934 indiziert schon die in Grundzügen identische Einrichtung und Mise en page der Nürnberger Handschrift,48 weitere Kriterien ergeben sich dann aus der Kollation der Texte beider Zeugen. So sind nicht nur einige kleinere Marginalien, Korrekturen und Nachträge, von der Hand Meyers aus Ms. 2934 im Cgm 8081 in den Fließtext übernommen,49 vorhanden sind hier ebenso die frühesten autographen Nachträge zu Teil V des Buchs der Reformacio (einschließlich der kurzen Vorrede), die Meyer womöglich im Zuge der Niederschrift von Ms. 2934 dem Grundstock des Textes hinzugefügt hat (Reform der Klöster Medlingen und Chur im Jahr 1468).50 Bewahrt ist auch die Jahreszahl M cccclxx in der Vorbemerkung zum Verzeichnis der Provinziale der Teutonia, die Meyer im Straßburger Codex später selbst geändert hat zu M cccclxxvij. Da diese Korrektur wie auch alle anderen späteren, wohl um 1478 anzusetzenden Ergänzungen und Nachträge Meyers wie auch die drei Zusatzkapitel zur Reform des Straßburger Agnesklosters fehlen, wird man eine Entstehung des Cgm 8081 vor 1478 bzw. vor 1475/76 (frühestmögliche Datierung der Zusätze zur Geschichte des Agnesklosters) vermuten können. Tatsächlich könnte die Nürnberger Handschrift bereits um 1474 geschrieben worden sein, denn in der Reihe der neu gegründeten observanten Konvente, die im Cgm 8081 das Buch der Reformacio abschließt, wird im Fließtext (Hand der Klara Keiperin) zuletzt der

|| und „elsässische ô“), hat bereits Fechter eine elsässische Provenienz dieser Vorlage vermutet (Nürnberger Handschrift, S. 61f.). 48 So ist etwa die Rubrik zur Vorrede des Buchs der Reformacio auch im Nürnberger Codex auf einer (sonst unbeschriebenen) Verso-Seite unten platziert (fol. 24v), während die Vorrede selbst auf der nachfolgenden Recto-Seite oben links mit einer ornamentalen A-Eingangsinitiale (blau, mit zwei ausgesparten Tieren und rotem Fleuronnée, über sechs Textzeilen) einsetzt (Abb. 8), die im Cgm 8081 freilich einige für die Werkstatt des Katharinenklosters charakteristische Gestaltungselemente aufweist (vielleicht Barbara Gewichtmacherin oder Umkreis, zu den Spezifika des entsprechenden Darstellungsstils Sauer: Zwischen Kloster und Welt, S. 119–121). 49 Ms. 2934/Cgm 8081: fol. 27v/43v, 52v/68r, 205v/223v, 213v/228rv, 214r/229r, 218v/233r. 50 Auf den Straßburger Codex als unmittelbare Vorlage weist zudem eine Reihe von durch Zeilen- bzw. Augensprung verursachten Textauslassungen in der Nürnberger Handschrift, wovon manche mitunter bemerkt und nachträglich ausgeglichen wurden, so etwa Cgm 8081, fol. 17r Z. 6 (dz mer teil gestrichen), fol. 90r (Nachtrag am rechten Rand), fol. 102v (Nachtrag am linken Rand), fol. 127v (es fehlt der Passus Der vnder schreip sich selbs als Ich brüder peter Engerlin ein verieher der heiligē geschrifft: Ms. 2934, fol. 114v Z. 23–25). Fol. 126v wurde überdies aus Ms. 2934 zunächst fehlerhaftes doppeltes auf übernommen, der Irrtum dann aber bemerkt und das erste auf durchgestrichen (Z. 5); ähnlich fol. 143v unten rechts, wo die defekte Syntax aus Ms. 2934 durch über der Zeile eingefügtes er korrigiert wurde. Übersehen hat die Nürnberger Schreiberin hingegen die Korrektur Ms. 2934, fol. 131v Z. 6 (durchgestrichenes in) und folglich den älteren Fehler weitertradiert (Cgm 8081, fol. 145r Z. 8; so auch St. Gallen, Hs. 1916, S. 385 Z. 17: in hier zunächst übernommen und dann expungiert sowie rot durchgestrichen).

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1474 gestiftete Stuttgarter Predigerkonvent genannt.51 Die Nürnberger Handschrift zeigt indes speziell in Teil V des Buchs der Reformacio größere Abweichungen von der Straßburger Vorlage, insofern sie vor allem die chronologisch organisierte Gesamtreihe der reformierten Klöster aufbricht und die Brüderkonvente nun en bloc am Ende von Buch V zusammenstellt und dabei zugleich die beiden frühesten Nachträge in Ms. 2934 in das binäre Schema integriert, so dass Medlingen die Serie der Frauenklöster und Chur die der Männerklöster beschließt. Meyers kurze Vorbemerkung zu den Nachträgen ist ganz ans Textende gerückt, davor erscheint noch der Passus zu den neu gegründeten observanten Brüderkonventen, der in Ms. 2934 am Ende der Klosterreihe des Grundstocks gestanden hatte. Die diesem Passus in Ms. 2934 folgenden „fünf nicht numerierte[n] Kapitel über teuflischen und menschlichen Widerstand gegen die Reformierung“,52 die den Abschluss von Teil V gebildet hatten, wurden im Cgm 8081 dagegen ans Ende von Teil IV versetzt, vermutlich um die Kohärenz der Klosterreihe und die offene Textstruktur von Teil V, die „Fortsetzungen vorsieht“,53 zu akzentuieren. Auf die mit dieser Neuorganisation des Textes von Buch V einhergehenden Brüche und Inkonsistenzen, die z.T. durch Marginalien, die die ursprüngliche Ordnung des Textes transparent machen, aufzufangen versucht wurden, hat Werner Fechter im Detail hingewiesen.54 Insbesondere musste auch die Kapitelzählung der Vorlage adaptiert werden. Dass freilich die Straßburger Handschrift von Kap. 40 an Ungenauigkeiten in der Zählung aufweist (weil Nr. 39 ausgelassen und im Weiteren u.a. Nr. 76 zweimal vorhanden, dafür aber Nr. 78 übergangen ist) und die entsprechenden Korrekturen bzw. Radierungen im Cgm 8081 diese Irregularitäten hin und wieder noch durchscheinen lassen,55 wird man als ein weiteres gewichtiges Argument für die direkte Abhängigkeit der ehemals Nürnberger Handschrift von Ms. 2934 verbuchen dürfen.

|| 51 Es handelt sich dabei nicht um einen Zusatz (so Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 61), sondern um einen Passus, der in der Vorlage an früherer Stelle, am Ende der Serie der reformierten Klöster in Buch V, erscheint. In der Straßburger Handschrift bricht der Fließtext allerdings mitten im Satz ab, ohne dass der Stuttgarter Konvent erwähnt worden ist (fol. 252v). Dies holt der Nachtrag Meyers am oberen Seitenrand nach, der außerdem noch von den Neugründungen der Konvente zu Heidelberg (M cccclxxv) und Steyr berichtet. Offenbar war dieser umfangreichere Nachtrag Meyers der Nürnberger Schreiberin unbekannt, denn sie ergänzt die in Ms. 2934 (im Fließtext) unvollständig gebliebene Syntax knapp mit den Worten: einer [d.h. ein Konvent] zu stockgarten (fol. 274v). 52 Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 59. 53 Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 62. 54 Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 62f. 55 Besonders deutlich etwa Cgm 8081, fol. 233r: lv korrigiert aus lxiiij (wie Ms. 2934, fol. 219r), fol. 234r: lvj korrigiert aus lxv (wie Ms. 2934, fol. 219v), fol. 239v: lxj korrigiert aus lxx (wie Ms. 2934, fol. 224v), fol. 246v: lxvj korrigiert aus lxxv (wie Ms. 2934, fol. 231v), fol. 250v: lxix korrigiert aus lxxvij (wie Ms. 2934, fol. 235r), fol. 252v: lxx korrigiert aus lxxix (wie Ms. 2934, fol. 237r).

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Die Hauptschreiberin der St. Galler Handschrift 191656 hat den Text des Buchs der Reformacio aus der Nürnberger Handschrift bezogen, „beim Abschreiben“ allerdings „ins Ostalemannische umgesetzt“. Gleichwohl folgt die St. Galler Handschrift „ihrer Vorlage bisweilen übergenau“.57 Sie bewahrt nicht nur die auf Nürnberg zurückgehende Umstellung der fünf abschließenden Kapitel von Teil V ans Ende von Teil IV und die Neustrukturierung der Klosterserie in Teil V, sie hat auch die Korrekturen der Nürnberger Handschrift mehrheitlich übernommen und vor allem die Marginalien, die im Cgm 8081 die originäre strikt chronologische Anlage von Teil V anzeigen, schlichtweg in den Fließtext inseriert – was dann noch in Reicherts Edition für einige Irritationen sorgt.58 Ferner sind alle Texte, Listen und Verzeichnisse, die im Cgm 8081 dem Buch der Reformacio vorangehen, in derselben Reihenfolge auch in der St. Galler Handschrift überliefert, einschließlich eines knappen Nachtrags zum Verzeichnis der Generalmeister (zur Ablösung Konrads von Asti durch Martial Auribelli und zuletzt zur Wahl des Leonhard de Mansuetis 1474), der im Jahr 1483, zum Zeitpunkt der Herstellung des Codex 1916, bereits vorgelegen haben muss (andere, in St. Gallen fehlende Nachträge des Cgm 8081 werden dagegen aus späterer Zeit stammen). Wie in der Nürnberger Handschrift reicht der Text des Buchs der Reformacio auch im Codex 1916 nicht über die frühesten Nachträge Meyers zur Reform der Konvente Medlingen – in beiden Zeugen am Ende der Reihe der Frauenklöster – und Chur im Jahr 1468 hinaus. Nachdem die St. Galler Schwestern 1483 den gesamten Text des Buchs der Reformacio abgeschrieben hatten, stellten sie 1484 einen weiteren Codex mit Auszügen fertig, den sie dem Konvent der Augustinerchorfrauen in Inzigkofen übersandten. Ihm war das St. Galler Katharinenkloster gerade auch aufgrund naher Verwandtschaftsbeziehungen zwischen einzelnen Konventualinnen beider Häuser besonders verbunden (St. Gallen: Elisabeth Muntprat d.Ä.; Inzigkofen: Veronika Muntprat, Elisabeth Muntprat d.J.). Es handelt sich bei diesem Geschenk um den Codex Md 456 der Universitätsbibliothek Tübingen, der neben den Auszügen aus dem Buch der Reformacio auch Teile von Johannes Meyers Buch der Ersetzung59 sowie zuletzt ein ,Historisches Lied‘ des St. Galler Beichtvaters Johannes

|| 56 Neben der Haupthand war eine zweite Hand (Elisabeth Muntprat d.Ä.) beteiligt, die allerdings nur zwei kurze Partien S. 339 (so M. Thoma [Katharina] Vogler: Geschichte des Dominikanerinnen-Klosters St. Katharina in St. Gallen 1228–1607. Freiburg Schweiz 1938, S. 244; Simone Mengis: Schreibende Frauen um 1500. Scriptorium und Bibliothek des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen. Berlin/Boston 2013 [Scrinium Friburgense 28], S. 360) u. 534f. geschrieben hat. Von einer dritten Hand stammen wohl allein die Zeilen 13–17 auf S. 598. 57 Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 66. Eine detaillierte Beschreibung der Handschrift zuletzt bei Mengis: Schreibende Frauen, S. 359–362. 58 Dazu und zum Folgenden im Einzelnen Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 63–66. 59 Fol. 3r–52v zunächst eine gekürzte Version der Chronik der Generalmeister aus Kap. IX, der am Ende ein Bericht über die Erhebung der Gebeine des hl. Vinzenz Ferrer in Vannes im Jahr 1456 beigegeben ist (fol. 51v–52v), dann fol. 52v–62r Exzerpte aus den Kapiteln VIII und X (,gute Gewohnheiten‘ der Dominikanerinnen, Geistliche Meerfahrt) und schließlich fol. 62r–76r jeweils vollständig die Kapitel II (Herzkloster-

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Scherl O.P.60 über die 1482 von den Schwestern selbst initiierte strenge Klausur des Katharinenklosters enthält.61 Das Spektrum der zusammengestellten Texte impliziert wohl nicht zuletzt repräsentative Funktionen: „Man wollte den Predigerorden vorstellen, seine Geschichte, seine Spiritualität und die Ziele seiner Reformbewegung, der man sich i.J. 1482 durch die Klausurierung selbst angeschlossen hatte.“62 Die Auszüge aus dem Buch der Reformacio umfassen den vollständigen Teil III mit 19 Viten der ersten Schönensteinbacher Dominikanerinnen (Vorrede und 45 Kapitel),63 sodann, aus Teil IV, Lebensbeschreibungen der Schönensteinbach als Vikare oder Beichtväter verbundenen Predigerbrüder Konrad von Preußen, Thomas von Preußen, Johannes von Witten, Johannes Nider und Johannes von Mainz (Kap. 6–25)64 und schließlich, aus Teil V, ausgewählte Viten und Exempla von Schwestern der reformierten Konvente Westeroyen (Kap. 5), St. Maria Magdalena an den Steinen zu Basel (Kap. 10–14, vor allem Vita der Margareta von Kentzingen), St. Nikolaus in undis zu Straßburg (Kap. 33–35, 37, 38), Pforzheim (Kap. 46, 47) und St. Katharina zu Colmar (Kap. 43).65 Der Schwerpunkt, den die Tübinger Handschrift mit den umfangreichen Vitenserien sowohl aus dem Buch der Reformacio wie auch aus der Chronik der Generalmeister des Buchs der Ersetzung erkennbar auf das HistorischBiographische legt, bezeugt ein Interesse am Individuum zuvorderst als Modell einer exemplarischen monastischen Frömmigkeitspraxis und Spiritualität, wobei jedes einzelne Modell und erst recht die sich aus den diversen Beispielen ergebende Summe zugleich das Selbstverständnis und die programmatische Identität des Ordens, d.h. insbesondere seiner observanten Partei, verbürgt. Und so empfiehlt denn der Widmungsbrief an die Augustinerchorfrauen von Inzigkofen, den die St. Galler Schwestern ihrer Gabe eingangs mitgegeben haben, den Tübinger Codex als ein bůch das da sait von den hailgen väter vnd hailgen salgen můtren in prediger orden die den selben vnsern wirdigen hailgen orden hand geziert als daz schinend gestirn den klaren himel vnd als das edel gestain das guldin veld (fol. 2v). Abgeschrieben haben die St. Galler Schwestern die Exzerpte des Buchs der Reformacio Predigerordens aus der St. Galler Handschrift 1916. Elisabeth Muntprat d.Ä. hat den Text am Anfang (fol. 2v–86r: Widmungsbrief, Exzerpte aus dem Buch der Ersetzung,66 Be-

|| allegorie), III (Geschichte des Standes der weiblichen Monialen) und VI (Ordenskleid der Dominikanerinnen und seine Bedeutung). 60 Dazu zuletzt Nigel F. Palmer: Vorwort. In: Mengis: Schreibende Frauen, S. 11–23. 61 Zur Handschrift, ihrer Provenienz und den Kontakten zwischen St. Gallen und Inzigkofen besonders Fechter: Deutsche Handschriften, S. 118–120; weiterhin Mengis: Schreibende Frauen, S. 220–222. 62 Fechter: Deutsche Handschriften, S. 120. 63 Md 456, fol. 81r–169v. 64 Md 456, fol. 169v–206r. 65 Md 456, fol. 206r–245r. Ich zähle die Kapitel zu Pforzheim und Colmar hier nach der ursprünglichen Reihung der Straßburger Handschrift Ms. 2934 (und korrigiere dabei stillschweigend die irrtümliche Zählung in den Kapitelüberschriften, wo Nr. 39 ausgelassen ist). 66 Die Auszüge aus dem Buch der Ersetzung haben die St. Galler Schwestern einer heute verlorenen Handschrift des Katharinenklosters entnommen, die u.a. Meyers Ämterbuch und Buch der Ersetzung enthalten

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ginn von Teil III des Buchs der Reformacio) und am Ende von Md 456 (fol. 245v–249v: Lied des Johannes Scherl) sowie die rubrizierten Kapitelüberschriften fol. 192v, 194v, 196v aufgezeichnet, eine zweite, namentlich nicht bekannte Schreiberin die umfangreichere mittlere Partie fol. 86v–245r mit dem Großteil der Stücke aus dem Buch der Reformacio.67 Die Hände beider Schreiberinnen finden sich als Nebenhände auch im Codex 1916.68 Die ,Urfassung‘ des Buchs der Reformacio von 1464 ist demgegenüber in ihrer ursprünglichen Gestalt allein in der späten Abschrift69 bezeugt, die der damalige Schönensteinbacher Beichtiger Dominicus Ranckenthall (oder Ranckendall) O.P. 1670 von einer heute verschollenen Schönensteinbacher Handschrift angefertigt hat.70 Ranckenthall hat zwar den originären Wortlaut, wie er in seiner Vorrede selbst bekundet, bisweilen modernisiert und in dem, zu ietziger zeit, gewonlichem charactere vnd buchstaben, auch gebrauchlicher sprach umgesetzt, dabei aber an gemachter ordnung der Büecher vnd Capitteln, in welche der author dise Chronica verfasst vnd zertheillt, nichst geendert, sondern allein etliche frembde vnd vngebräuchliche wort, vnd so vill möglich, bey deß authoris eignen worten, sensu vnd verstandt, allweil verblieben, auch seine Einfallt in modo scribendi gehalten vnd

|| haben muss und auch Vorlage für den Überlinger Codex Ms. 5 war (dazu im Einzelnen Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 408f. sowie die Stemmata S. 419). 67 Von einer dritten Hand (der Reihenfolge nach Hand 2) stammen lediglich die rubrizierten Kapitelüberschriften 62r, 68rv, 73r, 141v, 143v, 144v, 146v. Es ist diese Hand identisch mit der Schreibhand des Cod. 991 der Stiftsbibliothek St. Gallen (vgl. die Abb. 21 bei Mengis: Schreibende Frauen, S. 389; dass es sich dabei um die Hand der Angela Varnbühler handelt, wie Mengis, S. 342 konstatiert hat, scheint mir nicht gesichert). Wohl eine vierte Hand hat fol. 245v die Melodie und den Text der ersten Strophe des Liedes von Johannes Scherl notiert. 68 Md 456: Hand 1 (Elisabeth Muntprat d.Ä.) = Hs. 1916: Hand 2 (S. 339 und 534f.); Md. 456: Hand 3 (d.h. die zweite Hauptschreiberin, fol. 86v–245r) = Hs. 1916: Hand 3 (S. 598 Z. 13–17). 69 Fonds Herzog, 1f22. Papier; 1 Vorsatzblatt, 354 Blätter (651 gezählte Textseiten), 1 Nachsatzblatt; 20,3 cm x 16,2 cm; 1670; eine Schreibhand (Dominicus Ranckenthall, Verfassersignatur am Ende von dessen Vorrede). Titelseite [unpaginiert]: Kurtze Chronica. | daß ist, | Wahrhaffter Bericht | Von Vrsprung, Erster vnd an-| der stifftung, vnd auffnahm, deß Frawen-| Closters vnd Gottshauses, prediger Ordens, | zue Schönenstein-| bach | So dan | Historische beschreibung | Manns vnd Weibs personen Clöster | deß Selben Ordens, so in diser zeit re-| formiert, vndt zue Erster Ordens obseruantz | gebracht seindt worden.| Item | Von Etlicher Beichtvättern, vnd Schwestern deß | gemelten Closters Schönensteinbach, Exemplarischen,| tugendreichen, vnd Gottseeligen leben.| Mit sonderlichem Fleiß beschriben | Durch den Ehrwürdigen Pater Joannes Meyer, prediger | ordens. Anno Salutis 1.4.64. (Abb. 12). 70 Reichert zitiert im Vorwort zu seiner Edition aus einer 1672 verfassten lateinischen Schrift Ranckenthalls, den Fasti fratrum Luxemburgensium (nach einer „Handschrift im Besitze des historischen Vereins von Luxemburg f. 127“, d.h. jetzt: Luxembourg, Bibliothèque de lʼInstitut Grand-Ducal, Section historique, Ms. N° 47, vgl. Un Roi à Luxembourg. Édition commentée du Journal du voyage de Sa Majesté a Luxembourg, Mercure Galant, Juin 1687, II [Seconde Partie]. Introduction, notes, bibliographie et index par Raymond Baustert. Tübingen 2015, S. 221 Anm. 650, S. 421). Dort weist Ranckenthall auf seine Abschrift des Buchs der Reformacio hin, denn er „erwähnt unter seinen Quellen die Chronica praefati (des Schönensteinbacher) monasterii, quam P. Joannes Meyer composuit, quamque ego, fährt er fort, dum ibidem confessarium egi, in novum methodum et correctius idioma germanicum reduxi“ (Reichert I–III, S. VII). Die Colmarer Handschrift Fonds Herzog, 1f22 selbst ist Reichert unbekannt.

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gelassen.71 Die hier skizzierte Bearbeitungstendenz – die gelegentliche Erweiterungen des Ausgangstextes in Form von narrativer Verbreiterung bzw. Explikation und motivationaler Verdichtung wohl ebenso einschließt wie punktuelle Reduktionen und Verknappungen – lässt sich anhand eines Abgleichs von Ranckenthalls Text mit den parallelen Teilen des Straßburger Ms. 2934 grosso modo bestätigen, und man wird daher Entsprechendes auch für die nur unikal in der Handschrift Fonds Herzog, 1f22 tradierten Partien vermuten können. Johannes Meyer hat den in nur vier Bücher (mit einer im Vergleich zur Fassung von 1468 divergierenden Organisation des Stoffes)72 eingeteilten Text der ,Urfassung‘ des Buchs der Reformacio gemäß dem Explicit des vorangestellten Sendbriefs im Jahr 1464, an dem hochzeitlichen tag vnsers würdigen heiligen vatters Sancti DOMINICI Translation [24. Mai], fertiggestellt,73 wobei verschiedene interne Referenzen im Text diese Datierung stützen.74 Der Grundstock dieser ,Urfassung‘ reicht mit Blick auf die Klosterreihe in Buch III womöglich bis zur Reform des Speyerer Dominikanerinnenklosters St. Maria Magdalena überm Hasenpfuhl im Jahr 1463 (Kap. 59/60). Kap. 61 zur Reform des Dominikanerinnenkonvents Silo zu Schlettstadt könnte schon ein Nachtrag sein, begegnet hier doch einleitend eine Formulierung (Anno Domini 1.4.64. in welchem Jahr auch diß buch ist geschriben worden, ward reformiert daß Ehrw. Gottshauß deß Closters der Schwestern zu Silo […]),75 die sich nahezu identisch auch zu Beginn der Reihe der Nachträge im Straßburger Ms. 2934

|| 71 Fonds Herzog, 1f22, Vorred An den Gutthertzigen Leser [unpaginiert]. 72 Dazu im Einzelnen u. S. 174–183. Der früheste Zeuge der Fassung von 1468, die Straßburger Handschrift 2934, lässt diese ältere Bucheinteilung der ,Urfassung‘ zu Beginn von Buch V noch durchscheinen. Denn in der Vorrede wird das nachfolgende Buch V (dem das Buch III der ,Urfassung‘ entspricht) irrigerweise zweimal, zunächst fol. 144r in der ersten Zeile einer später (wohl von der Hand Johannes Meyers) durchgestrichenen und am Rand mit vacat gekennzeichneten Dittographie des Textanfangs und dann auch fol. 144v Z. 6f., als das drite büch angekündigt, was kein zufälliges Versehen der Schreiberin sein kann, sondern auf die ältere Buchkonzeption der ,Urfassung‘ verweisen muss. Ähnliche Spuren der ,Urfassung‘, die wohl auf Unachtsamkeiten der Straßburger Schreiberin zurückzuführen sind, zeigt Ms. 2934 schließlich auch in Kap. 40 (in der Rubrik falsch gezählt als xlj) von Buch V, wo erst, wie in III,44 der ,Urfassung‘, zwei Briefe aus Nürnberg an den Schönensteinbacher Konvent angekündigt, dann aber die irrtümlich übernommenen Formulierungen der ,Urfassung‘ korrigiert und getilgt werden, da in der Vorlage, vielleicht Meyers Handexemplar des revidierten Textes von 1468, offensichtlich nur der zweite Brief, jener der Priorin von St. Katharina in Nürnberg, vorgesehen war (dessen Salutatio in Ms. 2934 aber wiederum dem sonst fehlenden ersten Brief der ,Urfassung‘ entnommen ist). 73 Fonds Herzog, 1f22, S. 8. 74 So lässt etwa eine Formulierung wiederum aus dem Sendbrief Meyers (S. 3) erkennen, dass die Anfänge der Klosterreform in der Teutonia zum Zeitpunkt der Textabfassung 75 Jahre zurückliegen (der erste Konvent, das Predigerkloster Colmar, wurde 1389 reformiert); S. 257 (III,7) heißt es, dass die Nürnberger Reformpriorin Gertraud Gewichtmacherin nun mehr in dem 35. Jahr ihres prioraths sei (sie wurde Anfang 1429 als Priorin eingesetzt); S. 383 (III,48) wird von Schwester Adelheid von Owe mitgeteilt, sie sei in der Nachfolge der 1441 verstorbenen Kunigunde von Sponheim ietzt in dem 23. iahr Priorin des Katharinenklosters zu Colmar; im Prolog zu Buch IV, S. 482, wird darauf hingewiesen, dass die (1397 initiierte) Observanz in Schönensteinbach ietzt 67. iahr bestehe. 75 Fonds Herzog, 1f22, S. 427.

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findet (In dem jar als dis bůch geschriben waz daz ist Anno domini M cccclxviij/ Do ward daz closter genant Medlingen in dem bistům ögspurg reformiert […]).76 Zu den Nachträgen wäre dann jedenfalls auch jene kurze Nachricht zur Reform des Straßburger Agnesklosters in Kap. 73 von Ranckenthalls Abschrift zu rechnen, die im Grundstock der jüngeren Fassung von 1468 durch eine 13 Kapitel umfassende detaillierte Reformgeschichte dieses Konvents ersetzt wurde.77 Während die Reihe der Nachträge in Ms. 2934 den Zeitraum von 1468 bis 1477 umschließt, reichen die Ergänzungen in Fonds Herzog, 1f22 zuletzt bis zum Jahr 1483. Tatsächlich weichen die Nachrichten, die Ranckenthalls Abschrift zu den auch in Ms. 2934 nachgetragenen Konventen Medlingen, Frankfurt a.M., Regensburg und Esslingen bringt, deutlich von den umfangreicheren Einträgen der Straßburger Handschrift ab. Gar keine Entsprechung in Ms. 2934 haben die Mitteilungen zur Reform des Aachener Brüderkonvents im Jahr 1470 (Kap. 81) und zur Neustiftung der observanten Brüderkonvente von Steyr und Heidelberg in den Jahren 1470 bzw. 1473 (Kap. 82 und 83),78 zur Reform des Brüderkonvents Schwäbisch Gmünd (Kap. 87) sowie des Schwesternklosters Gotteszell und vier weiterer Schwesternklöster im Territorium der Grafen von Württemberg im Jahr 1478 (Kap. 88) und schließlich zur Reform der Konvente Gnadenzell zu Offenhausen 1480 (Kap. 89), ʼs-Hertogenbosch 1482 (Kap. 90) und Heilig Kreuz zu Regensburg 1483 (Kap. 91). Auf die ,Urfassung‘ von 1464 greift sodann auch Seraphin Dietler O.P. für seine Chronik des Klosters Schönensteinbach zurück, die er als Nachfolger Johannes Meyers und Dominicus Ranckenthalls im Amt des Beichtvaters der Schönensteinbacher Dominikanerinnen 1707 fertiggestellt und den Schwestern dediziert hat.79 Dietler benutzt dabei sowohl die – seinerzeit offensichtlich noch vorhandene – Schönensteinbacher Handschrift wie auch Ranckenthalls Abschrift,80 folgt aber mehr dem von Ranckenthall modernisierten || 76 Ms. 2934, fol. 258v. 77 Dazu o. S. 96 Anm. 34. 78 In Ms. 2934, fol. 252v sind beide Konvente lediglich in einer Marginalie von der Hand Meyers (am oberen Seitenrand) kurz aufgeführt (vgl. o. S. 100 Anm. 51). 79 Seraphin Dietlerʼs Chronik des Klosters Schönensteinbach. Auf Wunsch mehrerer Altertumsfreunde hrsg. von Joh. v. Schlumberger. Gebweiler 1897. 80 So kann etwa der Passus: Wie es sich aber mit disem allerheiligsten bluet zugetragen habe, oder wie es nacher Basel kumen, findet man es ausführlich beschriben in denen geschrifften des hochen thumb Capitels zu Basel bei Dietler (ed. Schlumberger), S. 44f. nur auf die verlorene Schönensteinbacher Handschrift rekurrieren, denn er fehlt bei Ranckenthall, ist aber aus Ms. 2934 bekannt (fol. 21r). Die dann S. 45 folgende Partie: Die erste seelige vätter vnd Müeter dises Closters Steinbachs schreiben seinen tag der verscheidung in allen ihren seelbiecheren an den tag des Heiligen Agapiti also: Sanctus Ortliebus Episcopus Basiliensis er starb Anno 1162 hat dagegen allein in Ranckenthalls Abschrift, S. 57 eine Entsprechung (was indes nicht ausschließt, dass sie schon in der Schönensteinbacher Handschrift vorhanden war). Um schließlich nur wenige Beispiele für eindeutige Übernahmen von Ranckenthalls sprachlich modernisiertem Text bei Dietler zu nennen, sei auf die folgenden Lesarten hingewiesen: Also daz sú es mit keiner gte wolten vf nemen Ms. 2934 (fol. 195r), also daß mit keiner güte Sie mögten darzu disponiert vnd beredt werden Fonds Herzog, 1f22 (S. 380)/Dietler (S. 412); Er schreip ch einen offenen absage brf Ms. 2934 (fol. 208r), Er schreib auch einen offnen (eine offentliche Dietler) protestation vnd absag brieff Fonds Herzog, 1f22 (S. 413)/Dietler (S. 451); so wolte er doch sin ere do mit bewaret haben Ms. 2934 (fol. 208r), damit sein Ehr vnd reputation zu

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Wortlaut. Dietler hat indes die alte Bucheinteilung und Anlage des Buchs der Reformacio zugunsten einer strikt chronologischen Ordnung seines in zwei Büchern (deren Trennlinie entlang der Neuformierung des Konvents unter dominikanischer Ägide verläuft)81 organisierten und den Zeitraum von 1123 bis 1483 umfassenden Opus aufgegeben. Zugleich hat er den Text des Buchs der Reformacio von 1464 (einschließlich der späteren Ergänzungen) verändert, indem er ihn einerseits – insbesondere etwa mit Blick auf die Paratexte und die Brüder- und Schwesternviten aus Buch IV der ,Urfassung‘ – verkürzt hat, andererseits durch weiteres ihm zugängliches Material in Form von narrativen Quellen, konventsinternen Verzeichnissen sowie Rechtsdokumenten und Urkunden, die er mitunter wörtlich und in vollem Umfang wiedergibt, und wohl auch durch eigene Beigaben stark angereichert hat, so dass die ,Urfassung‘ allein anhand von Dietlers Text82 nicht mehr zu rekonstruieren ist. Vermisst ist schließlich eine Handschrift des Buchs der Reformacio aus dem Freiburger Dominikanerinnenkloster St. Agnes, die der Freiburger Kartäuser Matthias Thanner († 1648) für seine lateinische Übersetzung der Vita der Margareta von Kentzingen benutzt hat und die vielleicht Bernhard Pez, dem späteren Herausgeber dieser lateinischen Vita, 1725 noch bekannt war.83 Dass der lateinische Text zumindest an zwei Stellen eine größere Nähe zum deutschen Text der ,Urfassung‘ (in Ranckenthalls Abschrift) als zum Text der Fassung von 1468 (der Straßburger Handschrift) erkennen lässt,84 könnte für eine Zuord-

|| erhalten Fonds Herzog, 1f22 (S. 413)/Dietler (S. 451f.); ein fúrst des huses von sterich mit sinem her vnd adel Ms. 2934 (fol. 216v), Ein Furst des haußs (haupts Dietler) von östreich mit seinem Comitat vnd begleidt Fonds Herzog, 1f22 (S. 437)/Dietler (S. 471); Dar vmb kam er in ein so gros triben Ms. 2934 (fol. 216v), als sprech ich, einsmals (Als eins mals (sage ich) Dietler) sich dises erinnert gedachter Gottseeliger Vatter (gedachter gottseliger vatter sich dises erinnert Dietler), bekamme Er ein solchen eyffer, begierd, vnd ernst Fonds Herzog, 1f22 (S. 437)/Dietler (S. 471). 81 Buch I: Von der Ersten Stüfftung dises Gotshaus Schönensteinbach (ed. Schlumberger, S. 1–179); Buch II: Wie das Closter Steinbach so gantz verwildet vnd ruiniert, wiederum gebauwen, gestifftet, bevohnet ist worden vnd zu dem Prediger Orden kummen (ed. Schlumberger, S. 181–502). 82 Zu Dietlers Chronik vgl. Schlumbergers Vorwort zur Edition, S. III–XIX; Reichert I–III, S. VII f., XVII– XXI; Barthelmé: La réforme dominicaine, S. 171f., 177f.; Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 59f. 83 Bernhard Pez: Bibliotheca ascetica antiquo-nova, hoc est: Collectio veterum quorundam et recentiorum opusculorum asceticorum, quae hucusque in variis mss. codicibus et bibliothecis delituerunt. Bd. 8. Ratisbonae 1725, S. 400–412. Hier zu Beginn, S. 400 die Anm.*: Exstat Germanicè in MS. Codice Coenobii S. Agnetis, Friburgi Brisgoiae. Vgl. dazu Fechter: Nürnberger Handschrift, S. 60. 84 1. Zu Beginn von III,18 heißt es in Fonds Herzog, 1f22, dass Margareta von Kentzingen – nach ihrer Rückkehr vom Gottesfreund – bei den Dominikanerinnen von Unterlinden zu Colmar um Aufnahme in den Orden ersucht habe und daraufhin als Laienschwester aufgenommen worden sei (S. 283). Während nun Thanners lateinische Version gleichermaßen berichtet, dass Margareta in praedicto Monasterio sub Tilia Soror laica facta est (dabei indes – vielleicht im Rekurs auf den Bericht Johannes Niders in III,8 des Formicarius, dazu u. S. 160 Anm. 320 – noch hinzufügt: anno aetatis suae quadragesimo, ed. Pez, S. 407f.), übergeht Ms. 2934 alle diese Angaben und bringt nur das auch bei Ranckenthall und Thanner vorhandene knappe Fazit: Do nün dise selige swester Margretha etliche jor zü vnderlinden gewesen waz (V,14, fol. 157v), dem schließlich der Bericht von ihrer Erwählung als Reformschwester und Übersiedlung ins Basler

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nung des verlorenen Freiburger Codex zur Schönensteinbacher Überlieferung sprechen. Doch reicht die erhaltene Textmenge letztlich nicht hin, um eine verlässliche Aussage treffen zu können. Denkbar wäre immerhin auch, dass es sich mit Blick auf die Abweichungen, die Fonds Herzog, 1f22 und Ms. 2934 an beiden (vor allem an der zweiten der beiden) Stellen zeigen, nicht um Fassungsdivergenzen handelt, sondern um redaktionelle Eigenheiten (oder, im zweiten Fall, spezieller: Fehler) der Straßburger Handschrift gegenüber ihrer Vorlage. Das folgende vorläufige Stemma führt die bisherigen Überlegungen zu den Relationen der Überlieferungsträger der beiden Fassungen zusammen.85 Während mit der Straßburger Handschrift 2934 (S) ein nahe bei der Ausgangsstufe der Überlieferung situierter Zeuge der Textfassung von 1468 vorliegt, von dem alle anderen bekannten Zeugen des 15. Jahrhunderts abhängen, ist die ,Urfassung‘ von 1464 vollständig (aber ohne die den Text von 1468 in der Straßburger Handschrift begleitenden Listen und Verzeichnisse) allein in der späten Ab- und Umschrift des Dominicus Ranckenthall (C) bewahrt, deren Vorlage wiederum ein verschollener, nicht vor 1464 im Kloster Schönensteinbach hergestellter Codex (*C) gewesen sein muss: x1 x2 *C S C M D G T

|| Steinenkloster folgt. – 2. Im selben Kapitel V,14 findet sich in Ms. 2934 dann eine Formulierung, die Margaretas Tätigkeit als Amtsschwester betrifft, dabei aber inhaltlich irritiert: Sy hette die gehorsam des amptes/ daz sú raderin vnd vnderschaffnerin solt helffen rechen schreiben vnd anders des glichen/ daz sú daz von ir grossen ingezogenheit vnd andaht nit wol möhte getün/ wen sú dor ber verzucket wart Also daz man ir dise vswendigen empter abnemen müste (fol. 157v). Unverständlich bleibt, welche vswendigen empter Margareta denn nun eigentlich ausgeübt hat, die Positionen von raderin vnd vnderschaffnerin, an die das Demonstrativum dise denken ließe, können jedenfalls nicht gemeint sein, ihnen soll Margareta, der Satzlogik nach, ja gerade zuarbeiten. Ranckenthalls Abschrift offenbart, dass Ms. 2934 aufgrund einer Auslassung (vermutlich durch einen Augensprung bedingt) fehlerhaft ist: Sie hatte die gehorsam deß ambts, daß Sie Raderin vnd Vnderschaffnerin war, also geschahe es villmahl, da Sie der Oberschaffnerin solte helffen rechnen, schreiben, vnd anders der gleichen thuen, daß Sie bey der arbeit durch innerliche andächtige betrachtungen verzuckt ward, dermassen daß man Ihr dise außwendige ämbter abnemmen müsste (Fonds Herzog, 1f22, S. 284). Zu Ranckenthall stellt sich Thanners lateinische Übertragung: Officia Rotulariae & Vice-Procuratricis illi demandata sunt. At cùm saepius, quando Procuratricem in computis, scriptionibus & aliis hujusmodi externis operibus juvare debebat, ex fortissima sui introversione & Spiritûs mirabili devotione à sensibus corporis abstraheretur, ea illi officia iterum adempta sunt (ed. Pez, S. 408). 85 Siglen: *C = verschollene Hs. des 15. Jh. (nicht vor 1464) aus dem Dominikanerinnenkonvent Schönensteinbach; C = Colmar, Archives Départementales, Fonds Herzog, 1f22; D = Dietler (ed. Schlumberger); S = Straßburg, National- und Universitätsbibl., Ms. 2934; M = München, Staatsbibl., Cgm 8081; G = St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 1916; T = Tübingen, Universitätsbibl., Md 456. Die vermisste Freiburger Handschrift, die Vorlage für Thanners lateinische Übersetzung, bleibt hier wegen der genannten Unsicherheiten unberücksichtigt.

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Die weiteren Analysen zunächst zur Fassung von 1468 und dann auch zu den Spezifika der ,Urfassung‘ werden sich daher vornehmlich auf die Redaktionen dieser beiden Versionen in S und C zu stützen haben.

3.3 Das Schema der Klostergründungsgeschichte und seine Adaptation im Zeichen der Ordens(reform)historie Am Beginn des Buchs der Reformacio in der Fassung von 1468 steht die Gründungsgeschichte des Klosters Schönensteinbach, deren zwei separate basale Phasen mit der Aufteilung auf die Bücher I und II deutlich markiert sind. Während Buch I die allererste Stiftung und Frühgeschichte zunächst des Zisterzienserinnen- und dann Augustinerinnenklosters seit 1138 dokumentiert, ist Buch II der Wiedererrichtung des untergegangenen Konvents unter der Ägide des Predigerordens im Jahr 1397, als Mutterkloster der observanten Dominikanerinnen der Teutonia, gewidmet. Für seine Darstellung oder Teile davon hat Johannes Meyer vermutlich speziell auch auf ein heute verschollenes Buch von Schönensteinbach des Johannes von Mainz, seines Vorgängers im Amt des Beichtigers der Schönensteinbacher Dominikanerinnen (1447–1457), zurückgreifen können.86 Welche spezifischen intertextuellen Relationen hier im Einzelnen bestehen, muss freilich einstweilen offenbleiben, ebenso, inwieweit oder in welchem Umfang sich Meyer zudem – und über mündliche Aussagen seiner Zeitgenoss(inn)en hinaus – auf ältere schriftliche Fundationserzählungen hat stützen können, von denen wir keine Kenntnis mehr haben.87 Vergleichbare Fälle aus der Schriftüberlieferung dominikanischer Nonnenklöster legen aber nahe, dass auch in Schönensteinbach entsprechende Aufzeichnungen „an den für diesen historiographischen Typus charakteristischen Text-Orten“, d.h. – so Susanne Bürkle – zunächst im Umfeld der „klösterlichen (Gründungs)Urkunden, die in aller Regel den Anfang dieses historischen Diskurses markieren“, und „auf der zweiten Stufe dann im ,Verwaltungsschrifttum‘ wie dem Traditionscodex, Urbar beziehungsweise Salbuch oder Seel(geräts)buch des Klosters“ vorhanden waren.88 Dass Meyer durchaus Zugang zu ein|| 86 Meyer erwähnt jenes bchelin, das Johannes von Mainz vor xv joren geschriben vnd gemaht het von dem closter schnensteinbach, allein in Kap. 22 von Buch II (Ms. 2934, fol. 51r; Reichert I–III, S. 50), wenn er es als Referenz für die Ereignisse während der langen Abwesenheit der Schwestern vom Konvent (1444–1446) aufgrund der Kampfhandlungen und Gefährdungen im Zusammenhang des Alten Zürichkrieges anführt (siehe u. S. 119 mit Anm. 135). Da sich der Hinweis auf die Abfassungszeit des Textes des Johannes von Mainz so schon in der ,Urfassung‘ von 1464 findet (hier II,34: Fonds Herzog, 1f22, S. 231), wäre eine Entstehung um 1449 zu vermuten. Vgl. zum Text und seinem Verfasser Hans Neumann: Johannes von Mainz. In: 2 VL 4 (1983), Sp. 675–677, hier Sp. 677; weiterhin Egger: Beiträge zur Geschichte des Predigerordens, S. 33. 87 Tatsächlich liegt mit Meyers Bericht im Buch der Reformacio die älteste bekannte Fundationserzählung von Schönensteinbach vor, vgl. dazu Winnlen: Schönensteinbach, S. 8, 12 sowie das Quellenverzeichnis S. 430–433. 88 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 181. Grundsätzlich zu den diversen ,Text-Orten‘, Verzeichnungsformen und „Ausprägungsstufen der Fundationes“ Jörg Kastner: Historiae fundationum monasteriorum. Früh-

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schlägigen offiziellen Rechtsdokumenten des Klosterarchivs, zu Urkunden, päpstlichen Bullen und Briefen hatte, zeigen wiederum verschiedene Exzerpte oder Referate dieser Quellentexte an, die er dem Text des Buchs der Reformacio als authentische Zeugnisse – durchweg in deutscher Übertragung – inseriert hat, gerade auch um die ,Wahrheit‘ und Geltung des Berichteten abzusichern.89 Buch I entwickelt die Ursprünge und Frühgeschichte des Schönensteinbacher Klosters im 12. Jahrhundert aus der Familiengeschichte des Stifters und lässt dabei mehr oder minder die für den Texttyp der fundatio charakteristischen Inhaltsmomente und Motive erkennen.90 Es geht aus von dem gotfrhtige[n] ritter genant her nocherus von wittenheim,

|| formen monastischer Institutionsgeschichtsschreibung im Mittelalter. München 1974 (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung 18), Zitat S. 10. – Von einem biechlin, das Elisabeth Meringerin, eine der Gründungsschwestern des Dominikanerinnenkonvents Schönensteinbach und später dort auch Priorin, von der stifftung vnd widerbringung dises Closters schönensteinbachs verfasst habe, berichtet Seraphin Dietlers Chronik des Klosters Schönensteinbach (ed. Schlumberger, S. 422; vgl. Winston-Allen: Convent Chronicles, S. 99). Meyer bringt zwar in Buch III des Buchs der Reformacio eine Vita Elisabeths (Kap. 6), gibt aber keinen Hinweis auf jenes (heute nicht mehr erhaltene) biechlin. – Eine kürzere Fundationserzählung, die die Ereignisse der ersten Stiftung Schönensteinbachs durch Notker von Wittenheim referiert und bis zur Neugründung Ende des 14. Jahrhunderts unter der Protektion Leopolds von Österreich und Katharinas von Burgund reicht (und dabei vielleicht auch auf Meyers Narration rekurriert), tradiert eine Petition des Schönensteinbacher Konvents an die für Vorderösterreich zuständigen habsburgischen Hofbehörden in Innsbruck wohl frühestens vom Jahr 1518, worin die Dominikanerinnen Klage führen vor allem gegen die Herren von Andlau und deren Versuche, die althergebrachten Rechte und Freiheiten des Klosters verschiedentlich zu ihren Gunsten zu beschneiden. Hier wird auf eine latinische[] und eine tuczsche[] fundacion als Quellen hingewiesen: Diss ist ein wenig von vil vs gezogen noch der vs wysung der latinischen vnd tuczschen fundacion (Colmar, Archives Départementales du Haut-Rhin, 27 H 1/2, o. Sign., fol. 1v; der Text dieses Hilfegesuchs ist vollständig abgedruckt in: Curiosités dʼAlsace 2 [1863], S. 240–259, das Zitat hier S. 242; vgl. Winnlen: Schönensteinbach, S. 82–92). 89 Darauf weist denn auch schon die allgemeine Vorrede zum Buch der Reformacio ausdrücklich hin, wenn mit Blick auf die Genese des Gesamttextes die Rekurrenz auf einschlägige schriftliche Quellen und Zeugnisse besonders betont wird, die gleichwohl ergänzt werden durch mündliche Berichte vertrauenswürdiger Personen und speziell auch die eigenen Erfahrungen der am Produktionsprozess Beteiligten: Dise bücher sind mit arbeit in söliche ordenung zesamen bracht vnd gemachet von semlichen personen die mit svnderem fliß vil gelesen hand bullen vnd brieff vnd ander geschrifft die von der reformacio des ordens sagen/ oder öch als sy semlichs von erwirdigen personen gewarlich vernomen hand/ ja öch offt vnd vil sölichs selber befvnden hand vnd darum vil erlitten (Ms. 2934, fol. 11v; Reichert I–III, S. 2). – Es hat sich überdies ein Schriftstück aus dem Schönensteinbacher Klosterarchiv erhalten, ein Indulgenzbrief dreier römischer Kardinäle vom Jahr 1463 für die Klosterkirche, auf dessen Rückseite sich ein eigenhändiger Vermerk Johannes Meyers – seinerzeit Beichtvater des Konvents – findet, der den Inhalt der Urkunde auf Deutsch zusammenfasst (Colmar, Archives Départementales du Haut-Rhin, 27 H 1/3, o. Sign.). 90 Zum Texttyp der Klostergründungsgeschichte im Kontext von Schrifttum und Literaturproduktion der Dominikanerinnen siehe insbesondere Bürkle: Literatur im Kloster, S. 179–192. Generell mit Blick auf die Klosterchronistik unterschiedlicher Mönchsgemeinschaften Karl Münzel: Mittelhochdeutsche Klostergründungsgeschichten des 14. Jahrhunderts (Schottenkloster St. Jakob in Regensburg, Waldsassen, Kastl, Zwettl, St. Bernhard). Diss. Berlin 1933; Kastner: Historiae fundationum monasteriorum; Hans Patze: Klostergründung und Klosterchronik. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 113 (1977), S. 89–121;

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einem elsässischen Landadligen,91 und seinen beiden Töchtern, die sich in jungen Jahren und unter dem Einfluss des tugendhaften und frommen Wandels der Eltern dazu entschließen, ihr Leben Gott zu weihen und in die geistliche Kommunität zu kleinlútzel einzutreten, die einst vom Grafen delhard von pfirt gestiftet worden war.92 Als sich diese Frauengemeinschaft in ihrer Existenzweise aufgrund ungezügelter Jagdaktivitäten und weltlicher Vergnügungen der Nachkommen ihres gräflichen Stifters in der unmittelbaren Nachbarschaft zunehmend bedroht sieht, gelingt es den Töchtern des Nocherus, vom Vater eine neue Klosterstätte zu erhalten, ein wite grosse hofstat vnd ein schúr by dem bach genant steinbach die gantz lidig sin eigen wer, auf dass sie von der welt vnd den lúten in dem walde der wste der einikeit got dem herren in aller geistlicheit on irrung wol dienen mhten.93 Und so überträgt Nocherus im Beisein und mit Zustimmung seiner Verwandten und Erben sein Allod, die Hofstätte am Steinbach mit allem zugehörigen Besitz, den Klosterfrauen von Kleinlützel. Er fördert seine Stiftung auch weiterhin nach Kräften, indem er den Bau der Konventsgebäude unterstützt, den Nonnen angesichts ihrer großen Armut seine Besitzrechte an der Margaretenkapelle zu Wittenheim mit ihren Einkünften übereignet und schließlich auch eine Gesandtschaftsreise zunächst zum Bischof von Basel und dann nach Rom auf sich nimmt, um zuletzt zu erreichen, dass die Augustinerchorherren von Marbach fortan die geistliche Leitung und Betreuung der Schönensteinbacher Nonnen übernehmen, nachdem sich die Zisterzienser von Großlützel (Lucelle) aufgrund eines Generalkapitelbeschlusses des Ordens von der cura monialium zurückgezogen haben.94 In den folgenden Zeiten wächst das Renommee des Konvents nah und fern angesichts des heiligmäßigen Lebens der Monialen, das auf der Einhaltung der geistlicheit ires ordens gründet, während es an zeitlichen Gütern Mangel hat.95 Stets neue Besitzübertragungen und Schenkungen, die dem Kloster aufgrund seiner Fama zukommen, lenken indes die Kräfte und Energien der Nonnen zusehends auf die Verwaltung des sich kontinuierlich mehrenden Klostergutes, so dass die einst vorbildliche Spiritualität Schaden nimmt.96 Der Zenit der ersten Blüte ist schließlich überschritten, beginnende Auseinander-

|| Volker Honemann: Klostergründungsgeschichten. In: 2VL 4 (1983), Sp. 1239–1247; Hans-Werner Goetz: Zum Geschichtsbewußtsein in der alamannisch-schweizerischen Klosterchronistik des hohen Mittelalters (11.– 13. Jahrhundert). In: DA 44 (1988), S. 455–488. Speziell zum topischen Inventar der Texte Goetz, S. 471–474, Münzel, S. 48f., und (jeweils mit Verweis auf Münzel) Kastner, S. 91f., Bürkle, S. 181 mit Anm. 67. 91 Winnlen: Schönensteinbach, S. 8–12 erwägt eine Zuordnung des Stifters Notker von Wittenheim zum Haus der Grafen von Frohburg. 92 Ms. 2934, fol. 12v; Reichert I–III, S. 3. 93 Ms. 2934, fol. 14rv; Reichert I–III, S. 5. 94 Meyer macht hier keine genaueren Angaben, ordnet die Vorgänge im Zisterzienserorden, auf die sich der Apt und Konvent von Großlützel berufen, aber ein nach dem Tod Bernhards von Clairvaux im Jahr 1153 (Ms. 2934, fol. 16r; Reichert I–III, S. 7). 95 Ms. 2934, fol. 20r; Reichert I–III, S. 12. 96 Zur hier demonstrierten, auch sonst für die Kloster- und Ordenshistoriographie gut belegten, topischen These vom Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Prosperität und spirituellem Niedergang klösterlicher Gemeinschaften („langfristig zerstört Reichtum die Beobachtung der Regel“) vgl. Klaus Schreiner: Dauer,

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setzungen mit lokalen Adelsfamilien um die Besitzrechte des Klosters sind erste Anzeichen des Niedergangs, weitere mitunter interdependente Etappen die wiederkehrende wirtschaftliche Not, der sich etablierende Eigenbesitz und Eigenwille der Schwestern, die ,Verrohung‘ des Konventslebens und die Verheerungen des Klosters im Zuge der Einfälle der Wilden Engländer, „eine[r] im englisch-französischen Krieg arbeitslos gewordene[n] Söldnertruppe“, ins Elsass 1365 und 1375.97 Das Schicksal des alten Schönensteinbacher Konvents ist besiegelt, als am Ende nur noch fünf Nonnen übrig sind, die nacheinander dahinsterben. Die letzte von ihnen verunglückt, als sie durch die Klosterruinen wandelt, stürzt in den Steinbach und ertrinkt. Die verbliebenen Güter des öden Klosters ziehen benachbarte Herren, Städte und Dörfer an sich, die fahrende Habe und Heiltümer gelangen zu den Augustinern von Marbach. Sechs Jahre lang, von 1391 an, versucht daraufhin der Prämonstratenser Andreas von Zweibrücken mit Billigung des Bischofs von Straßburg, den verlassenen Konvent wiederzubeleben. Als er dabei nicht vorankommt, bitten etliche güte mönschen die Predigerbrüder, Schönensteinbach für Dominikanerinnen wiederzuerrichten, die den Orden halten noch ordens reht, und gewinnen für diese Aufgabe Konrad von Preußen, den Prior des observanten Predigerkonvents zu Colmar.98 Das ist, kurz gefasst, die Geschichte vom ersten Aufstieg und Untergang Schönensteinbachs, das – so wird zu Beginn des Textes herausgestellt – ein Alt wúrdig closter ist gesin.99 Ganz so einsträngig präsentiert Meyer diese Geschichte indes nicht. Zwar liegt der Narration das skizzierte Verlaufsschema zugrunde, das von der Stiftung im Jahr 1138 bis zu den Plänen einer dominikanischen Neugründung im Jahr 1397 reicht und die einzelnen Stationen der Konventshistorie unter den Auspizien von Wachstum, Blüte und Verfall in chronologischer Ordnung abschreitet. Doch korreliert Meyer die Institutionsgeschichte im engeren Sinne immer wieder mit Nachrichten von parallelen Ereignissen außerhalb der Welt des Klosters oder vom Leben herausragender zeitgenössischer Personen, die die Urund Frühgeschichte Schönensteinbachs, die Historie der allerersten Gründung, in übergreifende Zusammenhänge und Konstellationen stellen. Diese Kontextualisierungen implizieren nicht nur die für den Texttyp der fundatio durchaus geläufige „chronologische Anbindung“ der Klostergründung „an die Reichsgeschichte“100 – etwa indem zu Beginn des Textes zunächst die Regierungszeit König Konrads III. angegeben wird, innerhalb derer Schönensteinbach gestiftet worden sei, oder bezüglich einer vorhandenen Bulle des

|| Niedergang und Erneuerung klösterlicher Observanz im hoch- und spätmittelalterlichen Mönchtum. Krisen, Reform- und Institutionalisierungsprobleme in der Sicht und Deutung betroffener Zeitgenossen. In: Institutionen und Geschichte. Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde. Hrsg. von Gert Melville. Köln [usw.] 1992 (Norm und Struktur 1), S. 295–341, hier S. 301–304 (Zitat S. 302). 97 Meinrad Schaab: Spätmittelalter (1250–1500). In: Handbuch der baden-württembergischen Geschichte. Bd. 1: Allgemeine Geschichte. Teil 2: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. Hrsg. von dems. und Hansmartin Schwarzmaier. Stuttgart 2000, S. 1–143, hier S. 62. 98 Ms. 2934, fol. 29rv; Reichert I–III, S. 25. 99 Ms. 2934, fol. 12r; Reichert I–III, S. 3. 100 Goetz: Geschichtsbewußtsein, S. 467.

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Gegenpapstes Viktor IV. für Schönensteinbach die Auseinandersetzungen zwischen Friedrich I. Barbarossa und Papst Alexander III. in den Blick rücken –, sondern sie evozieren insbesondere einen heilsgeschichtlichen Rahmen, wenn z.B. bedeutende Figuren der zeitgenössischen Theologie- oder Frömmigkeitsgeschichte anzitiert werden, deren Lebensund Wirkungsdaten verschiedene Episoden der Institutionsgeschichte flankieren. So nennt der Text etwa gleich im Anschluss an König Konrad III. die beiden grosse[n] lerer der heilgen cristenheit Bernhard von Clairvaux und Richard von St. Viktor und damit zwei führende Repräsentanten sowohl der beiden Ordensfamilien, denen der junge Schönensteinbacher Konvent nacheinander angehören wird, wie auch einer Schar von gottes diener[n] in geistlichem vnd weltlichem stot jener alten Zeiten, der auch der gleich darauf vorgestellte Stifter Notker von Wittenheim zugerechnet wird.101 Speziell in Kap. 9 von Buch I, das von den intensivierten Bauaktivitäten im Zusammenhang mit dem Übertritt des Konvents in die Obhut des Ordo canonicorum regularium handelt, informiert der Chronist nicht nur über einige gleichzeitige denkwürdige Ereignisse von zeichenhafter Bedeutung wie die Überführung der Reliquien der Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln durch Rainald von Dassel oder die wundersame Himmelserscheinung dreier Sonnen und dreier Monde, er exponiert auch eine längere Reihe berühmter Zeitgenossen und ihrer Schriften, die vom Decretum Gratiani über die Sentenzen des Petrus Lombardus und die Historia scholastica des Petrus Comestor bis zu Theobald von Canterbury, Joachim von Fiore und schließlich zur heilige[n] closterfrowe Elisabeth von Schönau führt, die vil heimelicher offenbarung von got vnd siner lieben müter hette gehöbet. Die Funktion dieses Panoramas der gottes frúnde, die do zü mol in grosser heilikeit [lebten], legt das nachfolgende, den Einschub legitimierende Räsonnement des Verfasser-Ichs den Leserinnen offen, mit dem Hinweis, dass man daran doch die erwúrdikeit des alters dis löblichen closters ermessen könne, daz es by den alten ziten disser ob genanten herren vnd gottes frúnden gestifftet vnd gebuwen ist worden.102 Es dient demnach dieser Exkurs vor allen Dingen auch dazu, in der Überhöhung der Frühgeschichte durch solcherart Synchronisierungen die Anciennität und Dignität jenes ersten Schönensteinbacher Konvents herauszustellen. Zugleich wird an dieser Stelle eine Linie sichtbar, die Meyer im Fortgang der Konventsgeschichte stets deutlicher konturieren und als distinkten Strang einer sich gleichzeitig vollziehenden Entwicklung hervortreten lassen wird: die Historie des Ordo Praedicatorum. Auf sie hin zielt bereits die kurze Notiz von den Prophetien Joachims von Fiore und besonders die ausdrückliche Deutung einer dieser Prophetien auf die Ankunft der Mendikantenorden,103 daz prediger vnd barfüsser orden der welt kúfftig werden vnd daz es heilige

|| 101 Ms. 2934, fol. 12v; Reichert I–III, S. 3. 102 Ms. 2934, fol. 19v; Reichert I–III, S. 12. 103 Zur Rezeption der joachimischen Geschichtsspekulation im Predigerorden und zur Tradition entsprechender Deutungsmuster, die auf die Ankunft und künftige Rolle der Mendikanten und speziell der Dominikaner zielen, siehe Marjorie Reeves: The Influence of Prophecy in the Later Middle Ages. A Study in Joachimism. Oxford 1969 (Nachdruck 2000), S. 161–174; speziell zur Bedeutung der Vitas fratrum Gerhards

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güten mönschen wúrdent werden.104 Dem folgen dann die eingestreuten Nachrichten von der Geburt des Dominikus (Kap. 12), von der Bestätigung des Predigerordens durch Papst Innozenz III. (Kap. 14), vom Tod des Dominikus und von Aufstieg und Blüte seines Ordens (Kap. 15, hier kurz auch zur Gründung des Predigerkonvents zu Basel im Jahr 1233 und des Schwesternklosters Unterlinden zu Colmar im Jahr 1232, wobei gleichzeitig, in Kap. 16, auf den Niedergang der regulierten Augustinergemeinschaften, darunter Marbach und Schönensteinbach, hingewiesen wird), vom Eintritt einer ehemaligen Schönensteinbacher Nonne in den Dominikanerinnenkonvent Unterlinden (Kap. 17), vom Nachlassen der ursprünglichen Observanz in den Mendikantenorden und vom Beginn der Ordensreform (Kap. 21), bis schließlich in Kap. 23 beide Linien, die der Geschichte des Klosters Schönensteinbach und die der Historie des Dominikanerordens, miteinander vereinigt werden. Auf diese Weise bindet Meyer die Gründungs-, Aufstiegs- und Verfallsgeschichte des alten Schönensteinbacher Konvents ein nicht nur in die Geschichte seiner Renovatio unter dominikanischen Vorzeichen,105 von der Buch II berichten wird, sondern auch in den übergreifenden Zusammenhang der Geschichte der dominikanischen Reformbewegung, die das Buch der Reformacio insgesamt und dann speziell seine Bücher IV und V anvisieren und für die das Mutterhaus der observanten Dominikanerinnen, vorweg in der Perspektive des Zweiten Ordens, eine entscheidende Keimzelle bildet. Es geht allerdings nicht allein um Traditionslinien und Kontinuitäten. Vornehmlich die Narration vom Niedergang der alten Schönensteinbacher Gemeinschaft setzt dezidiert auf Distanzierungseffekte und die Wirkungen des abschreckenden Exemplums. Sie malt den fortschreitenden Verfall der einst weit ausstrahlenden Sakralität des Konvents und des heiligmäßigen Lebens der ersten Schwestern in zunehmend düsteren Farben106 und

|| von Frachet, der Joachim offenbar als erster „explizit als Propheten, als Künder des Kommens seiner Gemeinschaft reklamiert“, siehe Schürer: Exemplum, S. 196–199 (Zitat S. 196). 104 Ms. 2934, fol. 19r; Reichert I–III, S. 11. 105 Denselben Zweck verfolgen die jeweils kurzen Notate zum heiligmäßigen Leben und zu den Offenbarungen der Birgitta von Schweden (Kap. 19), zu ihrem Tod in Rom im Jahr 1373 (Kap. 20) und zu ihrer Kanonisation durch Papst Bonifaz IX. (Kap. 22). Dem Patrozinium der Birgitta wird dann nämlich, entsprechend Bonifazʼ Vorgabe, die dominikanische Neugründung Schönensteinbach unterstellt werden (Buch II, Kap. 5). 106 Etwa wenn berichtet wird, dass die Beichtiger zuweilen an Festtagen auf ihrem Weg zum Kloster Jagden veranstalteten oder die Schwestern im Freien, in Wannen hoch oben in den Eichbäumen des Klosterhofs ,Maienbäder‘ (vgl. HDA 1 [1927], Sp. 812–818) nahmen (Kap. 19), schließlich das Hinsterben der letzten Schwesterngeneration, der genodelosen closterfrowen, nach dem verheerenden Einfall der Wilden Engländer im Jahr 1365 vom Chronisten als göttliches Strafgericht gedeutet wird (Kap. 20): Do disser swerer stürm fúr kam vnd daz land zü friden kam/ vnd die swesteren wider in ir armes closter kamen Do vinde ich nit daz besserunge do noch ging Dor vmb got der herre/ einen sterbot/ vnder sú sante daz wenig me der swesteren leben blibent/ noch fúnde ich nit besserunge von den die do lebendig bliben (Ms. 2934, fol. 26v–27r; Reichert I–III, S. 22).

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kulminiert zuletzt im Bild des locus terribilis,107 in der Beschreibung der menschen- und gottverlassenen Klosterruinen im wüsten Wald, wo Hecken und Dornen wuchern und Gewürm, Schlangen und wilde Tiere hausen.108 Als Ursachen für den Untergang werden gerade auch jene allgemeinen und individuellen Dispositionen herausgestellt, gegen die der dominikanische Reform-Diskurs des 15. Jahrhunderts immer wieder mit Vehemenz angeht: die mangelnde Observanz des Ordens, Besitzstreben statt Leben in Armut, Individual- statt Gemeinschaftsbesitz, Eigenwille (etwa bei der Wahl der Beichtiger) statt Gehorsam gegenüber den Ordensregeln und Vorgaben der Oberen für die Gemeinschaft. Die Historie wird insofern funktionalisiert als Projektionsfläche der Gegenwart, als Gegenbild und warnendes Beispiel, das den Rezipientinnen den Konnex zwischen dem Verhalten des Einzelnen in Gemeinschaft und dem Wohl und Wehe dieser spirituellen Gemeinschaft im Ganzen unmissverständlich vor Augen führt und damit zugleich die rechten, den Weg zur Seligkeit ebnenden Lebensregeln einfordert. Buch II setzt dann ein mit einer Vorrede, die das zuvor gezeichnete warnende Beispiel latent hält und vor seinem Hintergrund das gnadenhafte Heilshandeln Gottes proklamiert, wie es im Wiederaufbau des versunkenen Klosters unter der Ägide des Dominikanerordens manifest geworden sei.109 Im Predigtduktus wird zunächst das Schriftwort Tit 2,11f. Apparuit gratia dei salvatoris nostri exponiert, um die impliziten Adressatinnen des Textes hie in disem geistlichen stot des closters/ dar zů vns got durch sin gnode berffet hat von der welt, auf jenes maßvolle, gerechte und gottgefällige geistliche Leben zu verpflichten, woran es den alten Schönensteinbacher Nonnen zuletzt mangelte.110 Verbunden ist damit zugleich die Mahnung des sich im ,wir‘ mit den Angesprochenen zusammenschließenden ,Predigers‘, die empfangene Gnade nicht der eigenen Werkgerechtigkeit zuzuschreiben, sondern sie mit Paulus als Geschenk der voraussetzungslosen göttlichen Barmherzigkeit || 107 Zu den Konstituentien dieses Darstellungsparadigmas mit Blick auf die frühneuzeitliche Literatur Klaus Garber: Der locus amoenus und der locus terribilis. Bild und Funktion der Natur in der deutschen Schäfer- und Landlebendichtung des 17. Jahrhunderts. Köln [usw.] 1974, S. 240–264. 108 Also in dissem triben do noment die herren von Marpach daz farende güt daz zü Steinbach waz gewessen […] vnd liessent daz closter gancz enplösset von aller súner hab öde stonde/ Also daz do kein mönschliche heim wonung do waz/ weder götlicher dienst noch mesß vnd verfiel daz closter vnd verwildet jemerlich daz húrsten vnd dorn vnd vnkr[u]t allenhalben vf der hoffstat des closters gewassen waz jn dem chor [der] kirchen in grosser höhe/ Vnd waz so vnnrein von gewúrme der slangen notteren/ vnd ander vnreinigkeit daz es ein ellende sach waz Man sach die alten müren des closters in dem wilden walde jemerlichen vf ragen/ vnd waz ein wonunge der wilden tieren die do och in dem chor nústen woren Also stunde es vil jor (Ms. 2934, fol. 28r; Reichert I–III, S. 23). 109 So die der Vorrede vorangestellte Rubrik: Wie vnsers lieben herren gnode/ So rilichen erschinnen ist jn dem wúderbringen des zerstörten steinbaches (Ms. 2934, fol. 29v; Reichert I–III, S. 26.). – Zu Tendenzen topischer Schematisierung im Zeichen reformerischer Rhetorik, wie sie hier in der antithetischen Verlaufsstruktur der Konventsgeschichte von Buch I und II, im Nacheinander von (1.) idealem Anfang, (2.) Verfall und (3.) Erneuerung zum Ausdruck kommen, siehe o. S. 72 mit Anm. 288. Speziell mit Blick auf die „opposition of decline and reform as a structuring narrative principle“ im Buch der Reformacio vgl. Huijbers: ,Observance‘ as Paradigm, S. 119–121 (Zitat S. 119); dies.: Zealots for Souls, S. 232f. 110 Ms. 2934, fol. 29v–30r; Reichert I–III, S. 26.

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zu begreifen, der sich der Einzelne dadurch würdig zu erweisen hat, dass er sie mit der angemessenen inneren Haltung empfängt, mit dem Vorsatz, sie zu Gottes Ruhm und zu seinem eigenen spirituellen ,Nutzen‘ zu gebrauchen. Meyer nutzt mithin das Entree zu Buch II dazu, den gnadenhaften Status des neu errichteten observanten Dominikanerinnenklosters und seiner spirituellen Gemeinschaft – gerade auch in Abgrenzung von den zuletzt ,unheiligen‘ Verhältnissen der Vorgängerinstitution – zu akzentuieren, um damit gleichzeitig an die individuelle Sorge seiner Adressatinnen für den Fortbestand des im und durch den Orden göttlich initiierten Heilswerkes zu appellieren und ihnen den Weg zu weisen zu einer mit dem Heilsangebot von Orden und Kloster resonierenden, auf die ewige Seligkeit hin orientierten geistlichen Lebensform, die fundiert ist in der volkummenheit der beslússede noch in haltung der gantzen observancie des heilgen prediger ordens.111 Von den einzelnen Ereignissen dieser zweiten Gründung bzw. Wiederaufrichtung Schönensteinbachs zů dem gnodenrichen stot der behaltung der geistlicheit,112 die am Ende von Buch I angekündigt worden war, von ihrer Vorgeschichte und ihren Begleitumständen berichten die anschließenden Kapitel. Sie beginnen mit den weiter zurückreichenden Plänen Konrads von Preußen113 zur Einrichtung eines Konvents innerhalb der deutschen Ordensprovinz für Dominikanerinnen unterschiedlicher Herkunft, aber vereint im Streben nach einem idealen monastischen Leben in strenger Klausur, in Armut, Keuschheit und Gehorsamkeit unter den Vorzeichen der volkummenheit der regel [,] also man lebte by sancte dominicus ziten, und mit den wunderbaren Zeichen und Offenbarungen, die etlichen heiligen mnschen die künftige Renovatio Schönensteinbachs anzeigen und Konrad für sein Vorhaben auf die „Hierophanie“114 dieses Ortes weisen (Kap. 2). Detailliert werden die politischen und (kirchen)juristischen Prozesse im Vorfeld der dominikanischen Neugründung beschrieben, wie Konrad neben dem Bischof von Basel insbesondere den Landesherrn und weltlichen Erben Schönensteinbachs, Herzog Leopold IV. von Österreich, und dessen Gemahlin Katharina von Burgund als Stifter für seine Pläne gewinnt, wie im Einverständnis mit dem Landesherrn mit den Augustinerchorherren von Marbach über eine Abtretung Schönensteinbachs an die Dominikaner verhandelt und schließlich auch der Prämonstratenser Andreas von Zweibrücken angesichts seiner älteren Ansprüche entschädigt wird, bevor endlich auch Papst Bonifaz IX. von Herzog Leopold um sinen gunst und willen gebeten wird, damit die Wiedererrichtung des Konvents noch rehter ordenung vollzogen werden kann.115 Ihren Abschluss findet die akribische Darstellung des

|| 111 Ms. 2934, fol. 30v; Reichert I–III, S. 27. 112 Ms. 2934, fol. 30v; Reichert I–III, S. 27. 113 Konrad war seit 1389 Prior und Vikar des ersten observanten Predigerkonvents der deutschen Ordensprovinz zu Colmar und unmittelbarer Bevollmächtigter des Ordensgenerals Raimund von Capua für die Reform in der Teutonia (vgl. Hillenbrand: Observantenbewegung, S. 226–229; Egger: Beiträge zur Geschichte des Predigerordens, S. 18f.). 114 Mircea Eliade: Die Religionen und das Heilige. Elemente der Religionsgeschichte. Frankfurt a.M. 31994, S. 426; vgl. Kastner: Historiae fundationum monasteriorum, S. 90–130. 115 Ms. 2934, fol. 33v; Reichert I–III, S. 30.

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Gründungsaktes in Kap. 5 mit dem Referat der päpstlichen Entscheidung, Schönensteinbach als neu errichteten Reformkonvent zu bestätigen, dem Predigerorden zu inkorporieren, mit allen Privilegien der übrigen Schwesternkonvente des Ordens auszustatten und dem Patrozinium der Birgitta von Schweden zu unterstellen,116 sowie mit einem längeren Auszug aus dem Brief und den Direktiven des Ordensmeisters Raimund von Capua (vom Generalkapitel zu Frankfurt a.M. zu Pfingsten 1397) an Konrad von Preußen, als sein Bevollmächtigter den neuen Konvent entsprechend der Observanz der Dominikanerinnen von Corpus Christi zu Venedig117 zu konstituieren und eine Priorin zu wählen und einzusetzen.118 Wenn Meyers Darstellung die Zusammenhänge hier derart penibel wiedergibt, dann ist es ihr damit wohl auch um eine Glorifikation und historische Überhöhung der ersten observanten Dominikanerinnengemeinschaft der Teutonia zu tun, dokumentiert am Zusammenwirken und an der Gunst hoher und höchster weltlicher und geistlicher Herrschaftsinstanzen, nicht weniger aber um eine für den Texttyp der fundatio schon immer konstitutive „juristisch-besitzgeschichtliche[] Argumentation“,119 die auf die Rechtssicherung der Stiftung und die Legitimation und Selbstvergewisserung der monastischen Gemeinschaft und in diesem Fall mehr noch der dominikanischen Observanzbewegung im Ganzen bedacht ist. Der Text selbst reflektiert diesen letztgenannten Aspekt ex negativo am Beispiel der Verhandlungen der Dominikaner mit den Augustinerchorherren von Marbach, die ihren Anspruch auf Schönensteinbach am Ende verlieren, weil sie vor dem Landesherrn keinerlei schriftliche Zeugnisse beibringen können, die ihre älteren Besitzrechte dokumentieren.120 Ausführlich schildert der Text sodann die Konstitution des ,Urkonvents‘ durch Konrad von Preußen mit der Auswahl von 13 geeigneten Schwestern – die Zahl soll das Vorbild der Gemeinschaft Christi und der zwölf Apostel vergegenwärtigen121 – aus einer viel größe|| 116 Meyer stützt sich hier besonders auf eine Bulle Bonifazʼ IX. (aus der er auch zitiert) an den päpstlichen Delegaten in dieser Sache, den Abt Wilhelm von Murbach. Den lateinischen Text dieser Urkunde hat Seraphin Dietler inseriert in seine Chronik des Klosters Schönensteinbach (ed. Schlumberger, S. 223–226). 117 Corpus Christi war 1393/94 als erstes observantes Dominikanerinnenkloster der Lombardei von Johannes Dominici gegründet worden (dazu Neidiger: Selbstverständnis und Erfolgschancen, S. 83; William A. Hinnebusch: The History of the Dominican Order. Bd. 2: Intellectual and Cultural Life to 1500. New York 1973, S. 370). 118 Der originale lateinische Wortlaut dieses Briefes wiederum in Dietlers Chronik des Klosters Schönensteinbach (ed. Schlumberger, S. 219–222). 119 Ursula Peters: Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder. Die Adelsfamilie in der volkssprachigen Literatur des Mittelalters. Tübingen 1999 (Hermaea N.F. 85), S. 81; dazu vor allem auch Kastner: Historiae fundationum monasteriorum; Patze: Klostergründung und Klosterchronik. 120 Aber der edele fúrst hertzog lupold sante einen ritter gon marpach genant her johannes von masmúnster zů dem apt daz er fúr in brehte waz rehtes er vnd sin gotteshus hette an daz closter schnensteinbach Do santen die von marpach einen herren ires closters zů dem selben hertzogen do kunde er kein redeliche sache in geschrift fúrbringen waz rehtes der apt vnd daz closter von marpach hetten ber daz zerstrte closter steinbach (Ms. 2934, fol. 32v; Reichert I–III, S. 29). 121 Überdies wird vermerkt, dass Konrad vs den geistlichen rehten bekannt gewesen sei, daz ein ober mit xij vndertonen einen gantzen convent machent vnd nit miner/ Dar vmb wolte er den Anvang dis closters nit be-

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ren Schar von Aspirantinnen und gibt vor allem die Namen und Herkunft jener ersten Konventualinnen an (Kap. 6/7), damit man ihrer gedenke, die nit allein des wúrdigen closters steinbach/ Sunder aller reformierten swester clster prediger ordens in tútschen landen heilges fundament vnd gruntfest vnd kospar edel lebendige stein gewesen sint.122 Die alten Mütter werden weiter aufgrund ihrer Bedeutung nicht nur für den von ihnen initial formierten Konvent, sondern für die Geschichte des dominikanischen Ordens und seiner Reform insgesamt in den Rang jener fúrnemen heilgen vetter emporgehoben, von denen in der bewerten gtlichen geschrift festgehalten sei, dass ihrer mit Lob gedacht werde.123 Besonderes Gewicht legt Meyer auf die Solennität der Konventseröffnung am Martinstag des Jahres 1397 (Kap. 8/9), auf die feierliche Prozession und den Einzug der Schwestern in Schönensteinbach in Gegenwart einer großen Zuschauermenge, Säkular- und Ordenspriesterschaft und vor allem der Landesherrin, Katharina von Burgund, die diesem heilgen anvang124 als große Förderin und Wohltäterin selbst beiwohnt und durch ihre Anwesenheit Glanz und Nachdruck verleiht, ferner auf die von Konrad von Preußen zelebrierte Stiftungs- und Konsekrationsmesse und die zeremoniellen Akte der Einkleidung der Schwestern, der Verlesung aller offiziellen Rechtsdokumente, der außergewöhnlichen Wahl und Bestätigung der ersten Priorin durch Konrad selbst und der Unterweisung der Schwestern, daz sú vnd ir noch kummen zů ewigen kúnftigen ziten sich in der beslútzede solten halten vnd leben noch der form der ersten heilgen in dem orden.125 Am Ende steht ein Bildwunder, das die Gottgefälligkeit und Sakralität dieses Anfangs anzeigt: Als Konrad die Schwestern zuletzt mit jeweils gleicher Gabe beschenken will, verfügt er nur über einander ungleiche Darstellungen der Passion Christi: Do verwandelt vnser lieber herre, so fährt der Chronist fort, mit einem grossen zeichen die bildelin alle Also daz sú alle glich frmig crutzifix wurden vnd maria vnd johannes vnder dem crútz stunden.126 Thomas Lentes hat die Programmatik dieses Mirakels betont und darauf hingewiesen, dass mit der „Angleichung des Bildinhaltes“ eine „deutliche Absage an die vita privata“ impliziert sei, „die die Reformer sowohl in temporalibus als auch in spiritualibus immer wieder beklagten“, und stattdessen die „Identität einer observanten Gemeinschaft“ beschworen werde.127 Für Jeffrey Hamburger be|| laden mit merer personen noch ch nit mit miner (Ms. 2934, fol. 35v; Reichert I–III, S. 32). Eine „Begrenzung der Konventsgröße auf 13 Vollmönche und 16 Conversen“ kennen etwa auch die Consuetudines Guigos I. für die Kartäuser: „Der Konvent soll so klein bleiben, damit seine Mitglieder nicht, durch Gastlichkeit zu größeren Ausgaben oder Almosen genötigt, als der Ort sie hergibt, zu Bittgängen und zu dem verabscheuten Umherziehen gezwungen sind“ (Ulrich Köpf: Zur Spiritualität der frühen Kartäuser und Zisterzienser. In: Bücher, Bibliotheken und Schriftkultur der Kartäuser. FS Edward Potkowski. Hrsg. von Sönke Lorenz. Stuttgart 2002 [Contubernium 59], S. 215–231, hier S. 226). 122 Ms. 2934, fol. 36v; Reichert I–III, S. 33. 123 Ms. 2934, fol. 36v; Reichert I–III, S. 33. Der Text nennt keine spezifische Stelle, vgl. aber etwa Sir 44,1– 15. 124 Ms. 2934, fol. 37v; Reichert I–III, S. 34. 125 Ms. 2934, fol. 38r; Reichert I–III, S. 35. 126 Ms. 2934, fol. 38v; Reichert I–III, S. 35. 127 Lentes: Bild, Reform und Cura monialium, S. 181.

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zeichnet die wunderbare Uniformierung der Bilder zugleich „the transfiguration of persons embodied by the act of entering enclosure. Christ, in altering all the images – and by implication, all of the nuns – imposes a higher degree of Christiformitas than expected by the reformers themselves.“128 Im Zusammenhang der Konventsgeschichte, wie sie Buch I und Buch II gemeinsam kontinuierlich entfalten, markiert das Bildwunder freilich ein Schlüsselereignis, und da es sich um das bislang erste und einzige Mirakel handelt, von dem das Buch der Reformacio explizit erzählt, tritt hier die spezifische heilsgeschichtliche Überhöhung des dominikanischen Neubeginns im Zeichen der Reform umso deutlicher hervor. Tendenzen der Glorifizierung und Sakralisierung des ersten observanten Konvents und Modellklosters des Zweiten Ordens lassen mehr oder minder auch die folgenden Kapitel erkennen. Sie akzentuieren die Exemplarizität und Intensität des beginnenden klausurierten geistlichen Lebens in Schönensteinbach und den der Gemeinschaft daraus erwachsenden heiligmäßigen Ruf in aller Welt, bis hinauf in die höchsten weltlichen und geistlichen Stände (Kap. 10), dazu den durch die überallhin ausstrahlende Attraktivität des neu etablierten observanten Lebens entfachten Zustrom an vortrefflichen Neuzugängen, Chor- und Laienschwestern, aus fern und nah (Kap. 11), und schließlich die vielfältigen Anfechtungen und Bekümmernisse (Kap. 12/13), die den Schönensteinbacher Dominikanerinnen von Anfang an – und durch wunderbare Zeichen angekündigt129 – widerfahren und die der Chronist im Sinne einer Auszeichnung durch Gott, „als Ausdruck des heilvollen Umgangs Gottes“130 mit der Gemeinschaft kommentiert: wol dem der es, d.h. das Leiden, von der milten hant gottes mit dangberer gedultikeit gtlich entpfohen kan.131 Breiten Raum nehmen schließlich jene besonderen Prüfungen und Leiden ein, die mit der äußeren Bedrohung des einsam und ungeschützt gelegenen Klosters durch Kriegsgefahr und marodierende Soldateska einhergehen. Und so sind den verschiedenen, die Identität der Gemeinschaft zunehmend prägenden Fluchten und Ausfahrten der Schwestern – über je kürzere oder längere Zeiträume132 – die verbleibenden Kapitel von Buch II

|| 128 Hamburger: The Visual and the Visionary, S. 428. 129 Dar vmb in dem anvang der widerbringung des selben closters do sach ein selig mnsch vnsers heilgen prediger ordens ein swert hangen ob dem closter in den lúften zů einem vrkúnde daz liden in schnensteinbach niemer gantz gebresten solte (Ms. 2934, fol. 42r; Reichert I–III, S. 39). 130 Ernst Haag: Leid, Leiden. III. Biblisch-theologisch. In: 3LThK 6 (1997), Sp. 782f., hier Sp. 783; ebenso Michael Wolter: Leiden. III. Neues Testament. In: TRE 20 (1990), S. 677–688, hier S. 679f. 131 Ms. 2934, fol. 42r; Reichert I–III, S. 39. Mit diesem Verständnishorizont, der das gemeinschaftlich unschuldig erlittene Leid unter den Aspekt der göttlichen Begnadung stellt, konvergieren die beiden Strafmirakel, von denen der Text in Kap. 13 berichtet: Während einer der lokalen Edelleute, die das Kloster um sein zeitliches Gut betrogen und ihm schweren Schaden zugefügt haben, nach seinem Tod etwen heiters tages gesehen [wart] wie er in marterlicher grosser pin ellendiklich vmb daz closter fůr in einem fúrenen wagen, dann aber, nachdem das Kloster von den frúnden dis ritters für den ihm entzogenen Besitz entschädigt worden war, für immer verschwand, erkrankte ein anderer an sancte Anthonien roch, d.h. Ergotismus, vnd starp eines ellenden todes (Ms. 2934, fol. 42v; Reichert I–III, S. 40). 132 Vgl. dazu Winnlen: Schönensteinbach, S. 70–74.

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gewidmet, deren Berichtshorizont von der ersten Exilierung im Jahr 1415 (Kap. 14) bis ins Jahr 1468 reicht, als der Konvent zum fünften und vorläufig letzten Mal Schönensteinbach verlassen und vor den Auswirkungen des Waldshuterkrieges nach Gebweiler fliehen musste (Kap. 23/24, danach sind in der Straßburger Handschrift sieben Leerseiten, fol. 53v–56v, wohl für Nachträge reserviert).133 Am ausführlichsten schildert der Text die vierte und längste Evakuierung des Klosters von 1444 bis 1446 während der Verwüstungen und Plünderungen der das Elsass und den Sundgau durchstreifenden Armagnaken im Zuge des Alten Zürichkrieges (Kap. 15–22).134 Sehr genau werden, wohl auf der Grundlage des Prätexts des Johannes von Mainz, die einzelnen Stationen dieses Exils und Leidensweges nachgezeichnet, zunächst die fortschreitende Auflösung der Konventsgemeinschaft, deren einzelne Angehörige mit Hilfe eines Netzwerks von (hoch)adeligen und städtischen Unterstützern und Wohltätern und vor allem befreundeter Ordensklöster – zumeist Heimatklöster der jeweils dort Aufgenommenen – auf mehr und mehr Zufluchtsorte z.T. über weite Distanzen hinweg verteilt werden, dann die nach und nach gelingende Rückkehr der Verstreuten und zuletzt die lange ersehnte Wiedervereinigung des gesamten Konvents. Am Ende steht auch hier das Lob Gottes für seine wunderbare Errettung und Erhaltung der Gemeinschaft der Schönensteinbacher Dominikanerinnen, deren allen äußeren Bekümmernissen standhaltende ethische Virtuosität die Zeitgenossen, wo immer man ihr begegnet, zur sittlichen Besserung bewegt.135 Vor allem aber beschreibt und demonstriert der Text immer wieder die strikte Einhaltung der Regularien des observanten Lebens und der strengen Klausur in allen Wechselfällen, auch und gerade während der Ausfahrten und Abwesenheiten der Schwestern vom Schönensteinbacher Kloster – damit denn diejenigen Rezipientinnen, so der Verfasser am Ende seines Berichts, die vff dem velde ligen, d.h. in den Landklöstern leben, angesichts des Exemplums der Vorgängerinnen wissen desterbaß sich zü halten so von solicher sach sy och vs müsten/ bysunder die in

|| 133 Die beiden Kapitel zur Ausfahrt von 1468 (II,23/24) werden im Zuge der Herstellung der Straßburger Textfassung entstanden sein. Da sie so auch in Ranckenthalls Abschrift des verlorenen Schönensteinbacher Codex (*C) vorliegen (II,35/36), muss es sich dort um Nachträge zum Text der ,Urfassung‘ von 1464 handeln. Dazu stimmt, dass in der Vorrede zu Buch II der ,Urfassung‘ lediglich 35 Kapitel angekündigt werden (Fonds Herzog, 1f22, S. 119), während der Text von Buch II selbst dann tatsächlich 37 durchgezählte Kapitel umfasst. 134 Vgl. Guy P. Marchal: Armagnaken. In: LexMA 1 (1980), Sp. 963f.; Alois Niederstätter: Der Alte Zürichkrieg. Studien zum österreichisch-eidgenössischen Konflikt sowie zur Politik König Friedrichs III. in den Jahren 1440 bis 1446. Wien [usw.] 1995 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 14), S. 257–299. 135 Vnd dis ist wol ein gros wunder von got gesin daz so vil frowelicher geistlicher personen so wit vnd so verre in frmde lant zerteilet sint gewesen/ vnd hin/ vnd herwider/ mit so grosser behůtsamkeit vnd geistlicheit durch so vil landes gefaren sint/ vnd got der herre sú mit essen trincken herberge vnd mit aller notdurft so vetterlich fúrsehen hat vnd so vil lúte von in gebessert worden sint Also solliches der erwúrdige wise andehtige vatter brůder johannes von mentze clerlicher beschribet in sinem bchelin daz er vor xv joren geschriben vnd gemaht het von dem closter schnensteinbach (Ms. 2934, fol. 50v–51r; Reichert I–III, S. 49f.).

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reformierten clösteren sint, die anderen aber, die jn den stetten lygen [,] danckbar sygen got vnd den lúten vnd deste geflyssener got dem herren zü dyenen jn aller gestlicheit.136 Im Schlusskapitel von Buch II kehrt der Predigerton der Vorrede zurück: mit einer brderlichen getruwen vermanunge,137 die den besonderen, exklusiven Status der Schwestern von der Observanz im Sinne einer von Gott berufenen Gemeinschaft zum Anlass nimmt, die Adressatinnen des Textes allseits auf einen gottgefälligen und ihrem Renommee förderlichen geistlichen Lebenswandel einzuschwören. Dem dient speziell ein Katalog mit acht Punkten oder Verhaltensregeln, die die Aufsichts- und Sanktionierungspflicht der Oberen, die Sorge für ein einträchtiges Miteinander des Konvents, die stets genaue Einhaltung des Officium divinum, den Widerstand gegen den Müßiggang, die besondere individuelle Andacht und Devotion in den Zeiten des Sakramentempfangs, die Kontrolle der äußeren Haltung und Gebärden sowie das Verhältnis der Generationen, d.h. die Vorbildwirkung der Älteren und die Ehrerbietigkeit der Jüngeren betreffen. Wenn der normative Text die bis in die Gegenwart der ersten Rezipientinnen der ausgehenden 1460er Jahre fortgeschriebene, de facto unabgeschlossene Konventsgeschichte auf diese Weise einfasst und den Modus der Paränese der Vorrede wiederaufnimmt, dann setzt er mit Nachdruck darauf, den mit der dominikanischen Neugründung gestifteten heiligen Anfängen Kontinuität zu verleihen und aus dem in Schönensteinbach begonnenen Werk der Reform mit Blick auf den Zweiten Orden insgesamt „eine dauerhafte Denk- und Handlungsorientierung, eine Institution [zu] machen“138 – auf dass die Angehörigen jener im Streben nach der Observanz des Ordens vereinten Gemeinschaft im Dienst Gottes also seliklich vnd wol leben, dass sie auf das ewige Heil hoffen können.139

3.4 Biographie und Exemplum im Horizont observanter Heiligkeitskonzeptionen 3.4.1 Das Schönensteinbacher Schwesternbuch Im Text von 1468 tritt neben die Klostergründungsgeschichte von Buch I und II, als ihr Komplement, die Vitensammlung von Buch III, die die Lebensbeschreibungen von 19 ausgewählten Schwestern des Dominikanerinnenkonvents Schönensteinbach umfasst. Der Berichtshorizont dieser Serie von 19 „Kurzviten verstorbener Schwestern“140 reicht von den allerersten Dominikanerinnen, mit denen Konrad von Preußen 1397 den Konvent begründete, über ihre nächsten Nachfolgerinnen bis hin zu einigen ferneren Konventualin|| 136 Ms. 2934, fol. 53r; Reichert I–III, S. 52. 137 Ms. 2934, fol. 57r; Reichert I–III, S. 52. 138 Schreiner: Erneuerung durch Erinnerung, S. 87. 139 Ms. 2934, fol. 58r; Reichert I–III, S. 53. 140 Siegfried Ringler: Viten- und Offenbarungsliteratur in Frauenklöstern des Mittelalters. Quellen und Studien. München 1980 (MTU 72), S. 4 (zu einer Definition des Texttyps ,Schwesternbuch‘).

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nen, zuletzt der 1450er Jahre. Der Schwerpunkt liegt aber gleichwohl auf den älteren Zeiten. Dem Vitencorpus ist ein aus der so bezeichneten Vorrede und den Kapiteln 1–3 von Buch III bestehendes Ensemble auktorialer Paratexte vorangestellt, ein Exordium, das die Modalitäten und Gründe des eigenen Schreibens reflektiert, die Intentionalität und Funktionalität der nachfolgenden Biographien benennt und zugleich das ihnen und der Reihe im Ganzen vorausliegende programmatische Paradigma heiligen oder heiligmäßigen Lebens im Zeichen observanter Hagiographie umreißt. An den Anfang des Räsonnements dieser Paratexte – genauer der Vorrede – hat Johannes Meyer das Schriftwort Ec 1,4 gesetzt: Generacio preterit/ et generacio venit/ terra autem in eternum stat.141 Das Kommen und Gehen, der Wechsel der Generationen der vortrefflichen Altvorderen steht prinzipiell unter dem Signum der Vergänglichkeit und des Verlusts an Wissen, an Erinnerung. Dem Vergessen entgegenzuwirken, dem gerade auch der vorbildliche geistliche Lebenswandel der ersten Schönensteinbacher Ordensschwestern besonders wegen deren – dem Christuswort Mt 6,1142 folgender – demütiger Verschwiegenheit anheimzufallen droht, habe er, so der in dieser Partie hervortretende Autor, zů nutz vnd geistlicher ergetzlicheit allen swesteren der heilgen observancien prediger ordens dis bchelin gemaht. Es soll den geistlichen adel vnd die fúrnemikeit vnsers vergangenen heilgen edelen geslehtes dem Gedächtnis der Nachkommen einschreiben und als Imitabile, als exempel der noch volgung, bewahren, damit denn das ertrich des closters in Ewigkeit Bestand habe mit siner geistlicheit.143 Der im Medium der Schrift konservierten Memoria, dem schriftlich überlieferten Wissen von den heiligen Anfängen kommt es mithin zu, die durch den Wechsel der Generationen bedingten Diskontinuitäten und Brüche zu überwinden und das Fortbestehen des fundamentalen Werks der Reform und des mit ihm verbundenen Heilsangebots dauerhaft zu sichern. Kap. 1 dämpft gleichwohl die Erwartungen an das zu Berichtende, indem es auf die topische Formel der Unsagbarkeit rekurriert, die hier freilich vice versa eine Eloge der übergroßen Fülle der göttlichen Gnadengaben impliziert,144 die der blühenden spirituellen Gemeinschaft, den ganz dem Ruhm Gottes und der ewige[n] selikeit lebenden Schwestern, im Hier und Jetzt und von dem ersten Anvange bitz vf dise zit geschehen sint.145 Der Gestus der Unsagbarkeit, d.h. das Eingeständnis, aufgrund der Insuffizienz des eigenen Wissens unmöglich vom tatsächlich Geschehenen umfassend und vollständig Nachricht geben zu können, ist dabei eng verflochten mit dem schon in der Vorrede exponierten Motiv der ,Heimlichkeit der Gnaden‘, das in der monastischen Viten- und Offenbarungsliteratur und speziell in den Schwesternbüchern als „Variante des Topos vom ,Ruhm in der Verborgen-

|| 141 Ms. 2934, fol. 58v; Reichert I–III, S. 54. 142 Sehent daz ir uwer gerehtikeit nit volbringen vor den lúten daz es von in gesehen werde oder ir gewinnen keinen lon by uwerem vatter der in dem himmel ist (Ms. 2934, fol. 59r; Reichert I–III, S. 54). 143 Ms. 2934, fol. 59r; Reichert I–III, S. 54f. 144 Vgl. Ringler: Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 194. 145 Ms. 2934, fol. 59v; Reichert I–III, S. 55.

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heit‘“146 immer wieder begegnet.147 Die dezidierte Interiorität der Gottesbegegnung der Schwestern, ihr jnnerlicher zů ker zů got den sú doten mit sel gemt vnd hertz, steht dem Bedürfnis der Zeitgenossen und Nachkommen entgegen, Kenntnis zu erlangen von der „Wirkmächtigkeit der Gnade Gottes im auserwählten Menschen“.148 Angesichts dessen spricht Meyer denn auch von vnbescheidener demtikeit, die dazu geführt habe, dass vil grosser gnoden vnd wunderzeichen die der almehtige got manigvaltiklich vntz vf dise zit gewúrcket hat in disem closter verschinen [sint] von vergessenheit, da die alten Mütter selbst solliches vil vnder gedrucket hätten.149 Immerhin sei es aber vorgekommen – hier antizipiert der Text jene in den einzelnen Viten dann gelegentlich angedeuteten Wege der Vermittlung exklusiven Wissens, das die Grundlage der schriftlichen Berichte bildet –, daz ein swester von sicherheit wegen150 etwen/ etwaz irem bihter in einer heimlichi geoffent hette/ oder villiht einer sicheren alten swester in truwen kunt geton hette.151 Den besonderen Gnadenstand des Klosters demonstrieren schließlich auch die erfolglosen Anfechtungen der Schwestern durch das Böse, von denen danach erzählt wird. Hier wird das Lob der vorbildlichen Spiritualität Schönensteinbachs vom Kapitelanfang unter umgekehrten Vorzeichen wiederaufgenommen, wenn der bse geist selbst gegenüber einer Schwester die Heiligkeit des Konvents bezeugt: do benyde ich in minem zorn daz noch nie kein sel vns zů teil ist worden noch verdampnet hie von diser stat. Als Gründe dafür führt der Text insbesondere die grosse liebe zů got, den unermüdlichen Gebetsdienst und unverbrüchlichen Gemeinschaftssinn der Schwestern im Sinne des Ideals observanten geistlichen Lebens an.152 Kap. 2 vertieft den Aspekt der göttlichen Begnadung des dominikanischen Reformkonvents und unterstreicht zugleich noch einmal das observante Gemeinschaftsideal mit dem Mirakel vom ,Bild Unserer Lieben Frau jenseits des Bachs‘. Ein Vogel entführte einer Schwester eine kaum fingergroße elfenbeinerne Figur der Gottesmutter mit dem Jesuskind, die ihr als Geschenk und zur privaten Devotion übersandt worden war. Aufmerksam geworden durch den wundersamen Gesang der Vögel, fanden die Schwestern das Bild im Kreis der Tiere wieder und brachten es in ihr Kloster, wo es, eingefasst in einen kostbaren Schrein, der kollektiven Andacht zugänglich gemacht wurde und fortan seine magische Wirkung und Heilskraft entfaltete. Die Wundergeschichte proklamiert nicht nur das nun-

|| 146 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 171. 147 Ringler: Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 173f. 148 Ringler: Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 173. 149 Ms. 2934, fol. 59v; Reichert I–III, S. 55. 150 Die Formulierung von sicherheit wegen meint: um sich der Authentizität der empfangenen Gnaden zu vergewissern (dazu Ringler: Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 265f.). 151 Ms. 2934, fol. 59v; Reichert I–III, S. 55. Zu den hier angedeuteten Vermittlungen zwischen den spirituellen Erfahrungen und Erlebnissen einzelner Schwestern und deren Verschriftlichung, wie sie die bekannten dominikanischen Nonnenbücher insgesamt darstellen, siehe Peters: Religiöse Erfahrung, S. 130–135. 152 Ms. 2934, fol. 60r; Reichert I–III, S. 56.

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mehr „öffentliche Kultbild“153 als „figurehead of the convent“154 und fordert die emphatische Verehrung der Gottesmutter ein, deren besonderer Gunst und Protektion der Konvent versichert ist, sondern stellt einmal mehr den programmatischen Gemeinschaftsgedanken der Observanten heraus, indem sie genau davon berichtet, so resümiert Jeffrey F. Hamburger, wie „a typical object of private devotion is transformed by means of a miracle into a communal cult image“.155 Die Erzählung war ursprünglich, zusammen mit dem durchaus auch narrativ geprägten Kap. 1, Teil der Klostergeschichte von Buch II und in deren Verlaufsschema integriert, wie die ,Urfassung‘ von 1464 offenbart.156 Im Zuge der Textrevision von 1468 hat Meyer indes beide Kapitel zum Exordium von Buch III verschoben und aufgrund dieser Positionierung die Programmatik ihrer Aussagen zur spirituellen Aura, Lebensform und Identität der Schönensteinbacher Schwesternkommunität im Ganzen gebündelt und in ein helleres Licht gerückt in der Weise, dass sie als Entree fungieren zu den nachfolgenden Viten, die die individuellen Repräsentantinnen dieser Gemeinschaft jeweils für sich in den Blick nehmen. Kap. 3, das das Exordium abschließt, nimmt dagegen zunächst die Überlegungen der Vorrede unter dem Gesichtspunkt ,Schreiben gegen das Vergessen‘ wieder auf. Das hier neuerlich hervortretende Autor-Ich parallelisiert das eigene Schreiben von den tugenden/ vnd von dem güten seligen leben etlicher personen vnd Swestren des closters schnensteinbach (so das einleitende Resümee zum Inhalt von Buch III) mit der Ährenlese der Moabitin Ruth, also sú vs ging vf den schnen acker des richen mannes boos.157 Das alttestamentliche Bild hatte Meyer bereits im Prolog zu Kap. X des Buchs der Ersetzung mit Blick auf das normative Schrifttum des Dominikanerordens und seine eigene Nachlese dazu gebraucht.158 Hier nun verwendet er es eher im Sinne des Thomas von Cantimpré, der sich im Prolog des (ihm zugeschriebenen) Supplementum zur Vita der Marie von Oignies in der Rolle des Nachgängers des ersten Hagiographen und ,großen Schnitters‘ Jakob von Vitry gesehen hat.159 Doch Meyer allegorisiert anders, insofern er das Feld des Boas mit dem breiten witen zierlichen acker der observantzlichen geistlicheit Schönensteinbachs und die Frucht mit den gůten ebenbilde[n] der heilgen exempelen des tugentrichen lebens der verstorbenen Schwestern gleichsetzt, die er – der Autor – habe schneiden und zů schnen || 153 Hans Belting: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München 72011, S. 458. 154 Hamburger: The Visual and the Visionary, S. 440. 155 Hamburger: The Visual and the Visionary, S. 440. 156 Ms. 2934: III,1 = Fonds Herzog, 1f22: II,21; Ms. 2934: III,2 = Fonds Herzog, 1f22: II,23. 157 Ms. 2934, fol. 61v; Reichert I–III, S. 57. 158 Siehe o. S. 62–64. 159 AASS Jun. IV, S. 666; dazu o. S. 63; auf dieselbe Metaphorik rekurriert, freilich ohne expliziten Hinweis auf das Buch Ruth, auch die Verfasserrede zu Beginn des Dominikus-Teils der Vitas fratrum (II,1): Non debet videri superfluum, si ea, que ab ipsis compilatoribus legende beati patris nostri Dominici fuerunt obmissa, vel ignorata, quasi spicas elapsas de manu metencium colligamus (Fratris Gerardi de Fracheto O.P. Vitae Fratrum Ordinis Preadicatorum necnon Cronica Ordinis ab Anno MCCIII usque ad MCCLIV. Hrsg. von Benedictus Maria Reichert. Leuven 1896 [MOPH 1], S. 66f.; vgl. Schürer: Exemplum, S. 181).

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grossen garben habe machen wollen, die die diener des hochwúrdigen himmelschen herren aber längst abgeerntet und in die himmelsche schúr ewiger selikeit geführt hätten, so dass den späten Nachkommen mit den Seelen der alten Mütter zugleich auch ihr Tugendleben und die ihnen widerfahrenen göttlichen Gnaden großenteils entzogen worden seien.160 Im Unterschied zum Supplementum-Autor präsentiert sich der Verfasser des Buchs der Reformacio als initialer Hagiograph, der mit der seligen frowen Ruth die von den göttlichen Sendboten zurückgelassenen Überreste und Fragmente der exemplarischen, heiligmäßigen Leben und Gnaden der hingeschiedenen Schönensteinbacher Schwestern, die er worhaftiklichen fúnden mag, demütig zusammenliest, mit dem Ziel, diese gemeinen nútzlich vnd gůte besserlich matterie dem Vergessen zu entreißen und jenen Nachkommen zů einer ewigen besserung zu hinterlassen, die ir leben ch also vf tugende vnd vf geistlicheit rihten sigent/ vnd die heilge observancie vnsers ordens mit gůtwilligem hertzen vnd andehtigem flis frlich halten sigent.161 Als Quellen für das ihm verfügbare Wissen benennt das Autor-Ich insbesondere die Angehörigen der ältesten noch lebenden Schwesterngeneration (vnser alten), die manches wiederum von iren elteren gehrt hätten oder aber selbst Zeugen gewesen seien.162 Doch ist nicht alles überlieferte und dem Autor zugetragene Material für die Vitensammlung berücksichtigt worden. Vielmehr habe er, so der Verfasser weiter, das ausgelassen, was halbwegs vergessen war oder zweifelhaft erschien, und vornehmlich von Visionen (der trime gesúht) und Offenbarungen habe er wenig t schriben wollen.163 Meyer begründet diese seine Zurückhaltung auf zweierlei Weise. Das erste Argument betrifft den Nutzen für die individuelle Lebensführung, den er für Schilderungen von solcherart persönlichen spirituellen Erfahrungen weit geringer einschätzt als für die Darstellung von tugenden also von gtlicher liebe/ von demtikeit/ gedult/ armůt/ gelosenheit/ fridsamkeit/ gehorsamkeit/ reinikeit/ senftmtikeit/ Andaht/ vnd bescheidenheit/ vnd von anderen sollichen tugenden.164 Das zweite Argument berührt die für den spätmittelalterlichen theologischen Diskurs – verstärkt seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert – virulente Debatte der Discretio spirituum,165 d.h. die Frage, wie zwischen übernatürlichen Sinneswahrnehmungen göttlichen und solchen diabolischen Ursprungs unterschieden und somit die Authentizität von inneren Sinneseindrücken überprüft werden kann. Meyer beruft sich auf Paulus (II Cor 11,14),

|| 160 Ms. 2934, fol. 62r; Reichert I–III, S. 58. 161 Ms. 2934, fol. 62v; Reichert I–III, S. 58. 162 Ms. 2934, fol. 62v; Reichert I–III, S. 58. 163 Ms. 2934, fol. 63r; Reichert I–III, S. 59. 164 Ms. 2934, fol. 63r; Reichert I–III, S. 59. 165 Siehe dazu den Überblick von François Vandenbroucke: Discernement des esprits. III. Au moyen âge. In: Dict. Spir. 3 (1957), Sp. 1254–1266; ebenso Günter Switek: Discretio spirituum. Ein Beitrag zur Geschichte der Spiritualität. In: Theologie und Philosophie 47 (1972), S. 36–76, hier S. 54–70; weiterhin etwa auch Niklaus Largier: Die Kunst des Begehrens. Dekadenz, Sinnlichkeit und Askese. München 2007, S. 146–153; Stephen Mossman: Marquard von Lindau and the Challenges of Religious Life in Late Medieval Germany. The Passion, the Eucharist, the Virgin Mary. Oxford 2010, S. 215f.

Biographie und Exemplum im Horizont observanter Heiligkeitskonzeptionen | 125

wenn er darauf hinweist, dass sich der bse engel durchaus in die gestalt des gůten engels verwandeln könne und somit viele in sollichen sachen swerlich betrogen würden.166 Dem abzuhelfen, lässt er im Anschluss einen präzise in sieben Hauptpunkten mit jeweils bis zu vier Unterpunkten systematisierten Kriterienkatalog noch ler der heilgen vetter folgen,167 der zur Verifizierung betroffener Personen, die mit sollicher gesúht vnd offenborung bekúmert werent, herangezogen werden kann, indem er „Kennzeichen legitimer Wahrnehmungsformen“168 liefert, vf daz man dester bas daz vnsicher von dem sicheren bekennen múge.169 Dieses Vademecum, das sich einer ganzen Reihe von lateinischen und volkssprachigen Traktaten der Zeit zu „Praktiken der Evaluation innerer Erfahrung“170 zuordnet, an einer Stelle aber nur Thomas von Aquin als konkreten Gewährsmann nennt, lässt sich zumindest in Teilen, vor allem für die sieben Hauptmerkmale, als Übersetzung einer lateinischen Vorlage identifizieren: und zwar des Zeichenkatalogs, den Alfons von Jaén Kap. 6 seiner Epistola Solitarii ad Reges (um 1375/76) zum Liber Celestis Imperatoris ad Reges als Apologie mitgegeben hat,171 um die Authentizität der Offenbarungen der Birgitta von Schweden und damit des von ihm redigierten VIII. Buchs der Revelationes zu erweisen.172 Mit seiner unverhohlenen Skepsis gegenüber Visions- und Offenbarungsberichten, gegenüber der Imagination der äußeren und inneren Sinne reiht sich Meyer freilich ein in eine Phalanx von Autoren und Akteuren aus dem Umkreis der Kloster- und Ordensreform des 15. Jahrhunderts, denen es allen darum zu tun ist, individuellen spirituellen Tendenzen speziell auch im Zeichen „[frauen]mystischer Erfahrungssuche“ das Konzept einer „Moralisierung der Frömmigkeit, die auf Tugendschulung, Bußgesinnung und Jenseitssicherung abgestimmt ist“,173 entgegenzustellen.174 Und doch kann Meyer, jenseits der

|| 166 Ms. 2934, fol. 63r; Reichert I–III, S. 59. 167 Ms. 2934, fol. 63r; Reichert I–III, S. 59. 168 Largier: Kunst des Begehrens, S. 147. 169 Ms. 2934, fol. 65r; Reichert I–III, S. 61. 170 Largier: Kunst des Begehrens, S. 149. 171 Die Epistola Solitarii ist ediert bei Arne Jönsson: Alfonso of Jaén. His Life and Works with Critical Editions of the Epistola Solitarii, the Informaciones and the Epistola Serui Christi. Lund 1989 (Studia Graeca et Latina Lundensia 1), S. 109–171, Kap. 6 hier S. 152–166. Zur Datierung der Epistola Solitarii S. 83–108. 172 Eine lateinische Kurzfassung dieses Textes, die dem deutschen Text im Buch der Reformacio tendenziell nähersteht, könnte Johannes Meyer aus einer theologischen Sammelhandschrift aus dem Basler Predigerkloster, seinem Heimatkonvent, bekannt gewesen sein: Der Codex A VIII 8 der Universitätsbibliothek Basel (1443 mit der Handschriftensammlung des Kardinals Johannes von Ragusa in den Basler Konvent gelangt) überliefert die Kurzversion fol. 269v–271v als allgemein gültigen Evaluationskatalog unter der Überschrift Signa divinarum reuelacionum und ohne Hinweis auf den apologetischen Ausgangstext des Alfons von Jaén (zur Handschrift Gustav Binz: Die deutschen Handschriften der Öffentlichen Bibliothek der Universität Basel. Bd. 1: Die Handschriften der Abteilung A. Basel 1907, S. 85–93). Am Ende, fol. 271rv, ist hier noch Kap. 7 (Recapitulacio omnium predictorum) der Epistola Solitarii (ed. Jönsson, S. 167) hinzugefügt, das bei Meyer indes fehlt. 173 Thomas Lentes: ,Tauler im Fegefeuer‘ oder der Mystiker als Exempel. Formen der Mystik-Rezeption im 15. Jahrhundert. Mit einem Anhang zum Sterbeort Taulers und Textabdruck. In: Contemplata aliis tradere. Studien zum Verhältnis von Literatur und Spiritualität. FS Alois M. Haas. Hrsg. von Claudia Brinker [u.a.].

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„Mystikkritik“ des 15. Jahrhunderts,175 gerade auch an ältere (ordensinterne) Traditionen bis etwa hin zu Humbert von Romans anknüpfen, der schon Mitte des 13. Jahrhunderts in seinen Instructiones de officiis mit Blick auf die Ausbildung der Novizen (im hier abschließenden Kap. V,20 unter der Rubrik Circa alia exercitia multa) allgemein empfohlen hatte, sie von visionibus videndis, et miraculis faciendis abzubringen und stattdessen zu den virtutum operibus hinzulenken, in quibus salus consistit.176 Wenn Meyer in Bezug auf seine Adressatinnen dem Exemplum ethischer Virtuosität gegenüber der Kraft des Faszino-

|| Bern [usw.] 1995, S. 111–155, hier S. 140; ebenso, speziell mit Blick auf das Buch der Reformacio und Meyers Kriterienkatalog, Lentes: Bild, Reform und Cura monialium, S. 187: „Gegen die visionär-visuell ausgerichtete Praxis der Nonnen wird hier im Rahmen der cura monialium rechtes Tugendstreben und ein der Observanz konformes Verhalten eingefordert. Der mystischen, visionär-visuell geschulten Erfahrung der Frauen stellt er ein anderes, der Reformbewegung gemäßes Frömmigkeitsmodell entgegen: statt Mystik fordert Meyer Moral ein und wendet sich dadurch gegen einen Grundzug der weiblichen Frömmigkeitspraxis.“ 174 Diesen Zusammenhang erhellen vor allem auch die Studien von Werner Williams-Krapp: Dise ding sint dennoch nit ware zeichen der heiligkeit. Zur Bewertung mystischer Erfahrungen im 15. Jahrhundert. In: LiLi 80 (1990), S. 61–71; ders.: Frauenmystik und Ordensreform; ders.: Observanzbewegungen, sowie die gemeinsam mit Ulla Williams besorgten Editionen einschlägiger volkssprachiger Texte, unter ihnen der – wie Meyer – auf die Epistola Solitarii ad Reges (allerdings auf deren Kap. 2 und 5) zurückgreifende anonym tradierte Sendbrief zur wahren Heiligkeit Birgittas von Schweden: Ulla Williams und Werner Williams-Krapp: Expertis crede! Birgitta von Schweden als Maßstab für wahre Heiligkeit. In: Studien zur deutschen Sprache und Literatur. FS Konrad Kunze. Hrsg. von Václav Bok, Ulla Williams und Werner Williams-Krapp. Hamburg 2004, S. 211–232; Ulla Williams und Werner Williams-Krapp: Eine Warnung an alle, dy sych etwaz duncken. Der Sendbrief vom Betrug teuflischer Erscheinungen (mit einer Edition). In: Forschungen zur deutschen Literatur des Spätmittelalters. FS Johannes Janota. Hrsg. von Horst Brunner und Werner WilliamsKrapp. Tübingen 2003, S. 167–189; Ulla Williams und Werner Williams-Krapp: Die Dominikaner im Kampf gegen weibliche Irrtümer. Eberhard Mardachs Sendbrief von wahrer Andacht (mit einer Textedition). In: Deutsch-böhmische Literaturbeziehungen – Germano-Bohemica. FS Václav Bok. Hrsg. von Hans-Joachim Behr, Igor Lisový und Werner Williams-Krapp. Hamburg 2004, S. 427–446; weiterhin etwa auch HansJochen Schiewer: Auditionen und Visionen einer Begine. Die Selige Schererin, Johannes Mulberg und der Basler Beginenstreit. Mit einem Textabdruck. In: Die Vermittlung geistlicher Inhalte im deutschen Mittelalter. Internationales Symposium, Roscrea 1994. Hrsg. von Timothy R. Jackson, Nigel F. Palmer und Almut Suerbaum. Tübingen 1996, S. 289–317; mit Blick auf die Vertreter der Devotio moderna und speziell Thomas von Kempen siehe Nikolaus Staubach: Von der persönlichen Erfahrung zur Gemeinschaftsliteratur. Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen geistlicher Reformtexte im Spätmittelalter. In: Ons Geestelijk Erf 68 (1994), S. 200–227, hier S. 216–218. 175 Susanne Köbele: heilicheit durchbrechen. Grenzfälle von Heiligkeit in der mittelalterlichen Mystik. In: Sakralität zwischen Antike und Neuzeit. Hrsg. von Berndt Hamm, Klaus Herbers und Heidrun Stein-Kecks. Stuttgart 2007 (Beiträge zur Hagiographie 6), S. 147–169, hier S. 165. 176 Item, instruendi sunt quod de visionibus videndis, et miraculis faciendis non curent, cum haec parum valeant ad salutem, et interdum in iis hominibus illudatur: sed potius curent de virtutum operibus, in quibus salus consistit: Opera de vita regulari 2 (ed. Berthier), S. 232. Ähnlich wiederum bereits Cassian in der Einleitung zu seinen Institutiones, wo der Funktion der instructio perfectae vitae der Vorrang vor den Effekten der admiratio eingeräumt wird, die mit den Nachrichten von Gottes Wunderwerken einhergehen (von Moos: Geschichte als Topik, S. 96f. mit Anm. 244; Staubach: Von der persönlichen Erfahrung zur Gemeinschaftsliteratur, S. 217).

Biographie und Exemplum im Horizont observanter Heiligkeitskonzeptionen | 127

sums177 den Vorzug gibt, übernimmt er also durchaus Humberts Position178 und rekurriert speziell auch in diesem Punkt einmal mehr auf das frömmigkeitsgeschichtliche Vermächtnis der Gründungsepoche des Ordens. Er lässt dabei ganz und gar keinen Zweifel aufkommen an der Wahrhaftigkeit der Offenbarungen einzelner besonders begnadeter frúnde gottes, zu denen er neben den heilgen propheten speziell auch die beiden prominenten, den Schönensteinbacher Dominikanerinnen in besonderer Weise vertrauten Visionärinnen des ausgehenden 14. Jahrhunderts, Katharina von Siena (die dominikanische Ordensheilige) und Birgitta von Schweden (die Patronin Schönensteinbachs), zählt, die alle dise zeichen an in hant gehebet,179 soll heißen: in deren Fall jeweils sämtliche Kennzeichen (einschließlich der postmortalen Wunder), die der Evaluationskatalog auflistet, vorlagen. Und doch dient dieser der folgenden Serie der Nonnenviten so unmittelbar vorausgeschickte Katalog genau dem Zweck, die Exklusivität und Hermetik solcherart authentischer visionärer oder mystischer Gotteserfahrungen herauszustellen, von denen sich Meyers in den einzelnen Viten der Schönensteinbacher Schwestern in unterschiedlichen Konfigurationen immer wieder realisiertes Modell einer Heilsvorsorge durch Tugendübung dezidiert abhebt. Denn anders als die von ihm Mitte der 1450er Jahre redigierte Kollektion älterer Nonnenviten (des 14. Jahrhunderts) verschiedener hochalemannischschweizerischer Dominikanerinnenkonvente (Töss, St. Katharinental, Ötenbach), wo die dominierenden Formen eines sehr subjektiven Gottesbezuges unter den Auspizien mystischer Begegnung zwar „in redaktionellen Zusätzen nachdrücklich an programmatische Vorstellungen der Ordensreform“ angebunden,180 gleichwohl aber bewahrt sind,181 propagieren Meyers ,eigene‘ Biographien der Schönensteinbacher Reformschwestern durchweg jenes für das Zeitalter der Observanzbewegung prägnante Paradigma heiligmäßigen Lebens, das auf eine Frömmigkeitspraxis im Zeichen ethischer Perfektionierung durch Selbstdisziplinierung auf der Grundlage reformmonastischer Verhaltensideale setzt. In diesem Sinne definiert die Reihe der präsentierten Exempla der observanten Tugendvirtuosinnen ein Imitabile, das für die späteren Nachkommen mit Blick sowohl auf die eigene Heilssorge wie auch auf die Prolongation der Errungenschaften der Reform auf breiter Basis verbindlich sein soll. Und so konstituiert die nachfolgende Kollektion der 19 Schwesternviten ein Kaleidoskop des heiligmäßigen Tugendlebens der ersten Schönensteinbacher Dominikanerinnen, das von der Gründungsphase des Reformkonvents bis in die Anfänge der Amtszeit des Verfassers als Beichtvater der Schwestern reicht und mithin eine Zeitspanne von etwa 60

|| 177 Zum Begriff des Faszinosums in religionsgeschichtlicher Perspektive Rudolf Otto: Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen. Breslau 1917, S. 33–43. – Zum Konzept ,ethischer Virtuosität‘ hingegen Weber: Heilsmethodik, S. 318–321 (siehe o. S. 74 Anm. 300). 178 Vgl. dazu Hamburger: The Visual and the Visionary, S. 457f. 179 Ms. 2934, fol. 65r; Reichert I–III, S. 61. 180 Peters: Religiöse Erfahrung, S. 194. 181 Dazu im Einzelnen u. S. 228–261.

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Jahren (1397–1458) abdeckt.182 Die Vitenreihe ist dabei in zweifacher Hinsicht organisiert: Zu einer primären Unterteilung des Corpus in eine Chorschwestern- (elf Viten, Kap. 4–30) und eine Laienschwesternreihe (acht Viten, Kap. 31–45) kommt eine der Tendenz nach chronologische Anordnung jeder der beiden Reihen, d.h. an der Spitze der Lebensbeschreibungen der Chorschwestern steht die erste Priorin des Konvents, Clara Anna von Hohenburg (Kap. 4/5), gefolgt von drei weiteren Gründungsschwestern, an der Spitze der Konversinnen die erste Laienschwester Margareta von Clingental (Kap. 31/32). Weitere interne Gruppenbildungen entstehen etwa durch die Zusammenstellung (1.) der drei aus St. Katharinental bei Dießenhofen nach Schönensteinbach gekommenen Schwestern, Clara Anna von Hohenburg, Elisabeth Meringerin (Kap. 6) und Elisabeth Goltsmidin (Kap. 7/8), (2.) der beiden nach Basel, ins Steinenkloster, entsandten Reformschwestern Dorothea von Ostren und Margareta Ursula von Masmünster (Kap. 24), oder (3.) von Tochter (Elisabeth) und Mutter (Anna) Grissin (Kap. 34–37, 38), die miteinander in Schönensteinbach, im Konvent und auf dem Hof, aufgenommen wurden. Tab. 3: Schönensteinbacher Schwesternviten183 Vita

Name

Kap. (BdR, Buch III)

1

Clara Anna von Hohenburg

4/5

2

Elisabeth Meringerin

6

3

Elisabeth Goltsmidin

7/8

4

Clara von Ostren

9–16

5

Sophia von Velde

17–19

6

Margareta Schanffingin

20/21

7

Clara Foltzin

22/23

8

Dorothea von Ostren

24

9

Margareta Ursula von Masmünster

24

10

Lukardis von Ingen

25–27

11

Katharina Langmentlin

28–30

|| 182 Im Fall der ältesten Schwestern greift die Narration von deren Vorgeschichte jenseits des Eintritts in Schönensteinbach bisweilen indes auch auf die Jahre vor 1397 aus. 183 Die Namen von 18 der 19 Schwestern (es fehlt allein Anna Grissin) finden sich auch im Basler Codex E III 13 auf einer Liste mit den Namen von 79 Schönensteinbacher Schwestern von Meyers Hand, zu der er abschließend angemerkt hat: Nota quod prescripte sorores omnes fuerunt aut mortue aut ad alia monasteria reformanda emisse ante adventum meum fratris scilicet Johanis Meyger qui huc veni ad Schönensteinbach Anno M cccclviij in die pauli primi heremite Numerus autem predictarum sororum est lxxix (fol. 96v, Abbreviaturen sind aufgelöst). Der Name der Anna Grissin erscheint dann (mit dem Zusatz Obijt M cccclviij) fol. 98r, unter der Rubrik Converse sorores, im folgenden Verzeichnis jener 52 Schwestern, die Meyer bei seinem Amtsantritt in Schönensteinbach vorgefunden hat: quas recepi hic cum ad hunc monasterium primo veni missus pro confessore (fol. 96v).

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Vita

Name

Kap. (BdR, Buch III)

12

Margareta von Clingental

31/32

13

Katharina von Bruck

33

14

Elisabeth Grissin

34–37

15

Anna Grissin

38

16

Magdalena Bechererin

39

17

Adelheid Vögtin

40/41

18

Katharina Holtzhuserin

42/43

19

Margareta Schellerin

44/45

Die Komposition und programmatische hagiographische Ausrichtung der einzelnen Lebensbilder wie der Sammlung insgesamt mag bereits ein Blick auf die ersten vier Viten, die den Gründungsschwestern des Reformkonvents gewidmet sind, verdeutlichen. Die Reihe beginnt mit Clara Anna von Hohenburg, die von Konrad von Preußen vom Dominikanerinnenkloster St. Katharinental nach Schönensteinbach geholt und als Priorin der neuen Schwesterngemeinschaft installiert wurde. Meyer eröffnet die Vita in Kap. 4 zunächst mit kurzen Angaben zur adeligen Herkunft Clara Annas und ihrem Eintritt in St. Katharinental noch im Kindes- oder Jugendalter. Seine Aufmerksamkeit richtet sich dann aber ganz auf eine einzige Episode, die den seinerzeitigen Streit der St. Katharinentaler Schwestern um die Verehrung der beiden neutestamentlichen Johannsen und die Zweiung des Konvents in dieser Frage betrifft.184 Narrativ entfaltet wird speziell jene Szene, als Clara Anna, die sich Johannes den Evangelisten erwählt hatte, am Festtag des Johannes Baptista diesen Heiligen vor seinem Bildnis185 mit verächtlicher Rede herabsetzt. Sie wird darauf, wie einst auch Saulus, unsúhtberlich nider geslagen vf die erde vnd lange lag sú mit witen vf getonen gen vnd sach noch sprach noch verstunt nút.186 Der göttliche Fingerzeig verfehlt seine Wirkung nicht, denn sobald Clara Anna wieder zu Sinnen gekom|| 184 Vgl. dazu Hans-Jochen Schiewer: Die beiden Sankt Johannsen, ein dominikanischer Johannes-Libellus und das literarische Leben im Bodenseeraum um 1300. In: Oxford German Studies 22 (1993), S. 21–54, hier S. 48, und vor allem Jochen Conzelmann: Die Johannsen-Devotion im Dominikanerinnenkonvent St. Katharinental bei Dießenhofen. Ein Modellfall für Literaturrezeption und -produktion in oberrheinischen Frauenklöstern zu Beginn des 14. Jahrhunderts? In: Predigt im Kontext. Hrsg. von Volker Mertens [u.a.]. Berlin/Boston 2013, S. 299–331, hier S. 302–304; Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 329f. 185 Conzelmann: Johannsen-Devotion, S. 302 weist generell hin auf eine dem St. Katharinentaler Konvent „gestiftete lebensgroße Johannes-der-Täufer-Plastik“ (heute im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, Inv.Nr. L10), die der „Werkstatt Heinrichs von Konstanz“ entstammt und ins „frühe[] 14. Jahrhundert“ datiert wird. Eine Abbildung dieser Skulptur aus Nussbaumholz im Ausstellungskatalog: Krone und Schleier, S. 409 (Nr. 309, hier unter Vorbehalt datiert „um 1280/1290“); ebenso bei Hamburger: The Visual and the Visionary, S. 442 (Abb. 9.13). Es ist diese Skulptur aber wohl nicht mit dem bei Meyer erwähnten bilde daz do, im Kreuzgang des Klosters, gemolet waz (Ms. 2934, fol. 66r; Reichert I–III, S. 62), identisch. 186 Ms. 2934, fol. 66r; Reichert I–III, S. 62.

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men ist, korrigiert sie ihre frühere Verfehlung und hat fortan den Täufer genauso lieb wie den Evangelisten. Charakteristisch ist die normative Applikation, die Meyer aus der Narration des besonderen Falles, der „conversion from corruption to purity“,187 induziert. Sie zielt nachdrücklich auf den observanten Verhaltenscodex, der die Ideale der Gleichheit und Gleichbehandlung und des gemeinschaftlichen Zusammenlebens in Einmütigkeit individuellen Präferenzsetzungen vorordnet, und besonders – über die Heiligenverehrung hinaus – auch auf den Umgang der Konventualinnen mit den Klosterseelsorgern,188 wenn alle swestren ermahnt werden, sie sollten hierbei ein gůt ebenbilde entpfohen und nicht nur den heilgen in dem ewigen leben die gebotene Ehre und Devotion erweisen, sondern auch alle frúnde gottes die vf erden sint mit glicher liebe eren on alle versmehde/ besunder die beden bihtvetter des closters in glicher gnode haben.189 Der zweite Teil der Vita, Kap. 5, bringt dann eine knappe, auf spezifische Akzente reduzierte Zusammenschau von Clara Annas Tugendleben im Reformkonvent Schönensteinbach, wohin die edele creatur Konrad von Preußen, der sie als eine der Gründungsschwestern auserwählt hatte, nach ihrem St. Katharinentaler Konversionserlebnis mit hertzklicher andaht gefolgt war. Betont wird ihre mit Blick auf die Einhaltung und Prosperität observanten monastischen Lebens pflichtbewusste Ausübung des Priorinnenamtes in vollkommener Demut, die besonders auch das von ihr überlieferte Diktum illustriert (bei dem die literarische Tradition der Verba seniorum190 mitschwingt): ich solte billicher vnder allen swestren fsse[n] ligen denn ein sollich ampt volbringen.191 Gelobt werden ferner ihr Bildungsstand bzw. speziell ihr Verständnis der Heiligen Schrift und ihre Lateinkenntnisse, die sich in adäquaten Übersetzungen diffiziler lateinischer Texte ins Deutsche manifestieren. Am Ende habe Gott, so heißt es sinngemäß weiter, ihr ihm gefälliges Leben mit einer über zwölf Jahre sich erstreckenden Krankheits- und Leidensgeschichte erprobt,192 || 187 Hamburger: The Visual and the Visionary, S. 440. 188 Hamburger geht in seiner Interpretation der Szene noch einen Schritt weiter, wenn er das Exemplum speziell auch auf die adäquate Bildandacht im Rahmen observanter Frömmigkeitspraxis bezieht und als Plädoyer gegen eine Vernachlässigung der Vermittlungsfunktion der Klosterseelsorger für die individuelle Heilssorge vor dem Hintergrund einer konkurrierenden Bildandacht liest (The Visual and the Visionary, S. 441f.). 189 Ms. 2934, fol. 66r; Reichert I–III, S. 62. – Entsprechende Forderungen, was speziell das Verhältnis der Schwestern zu ihren Beichtigern angeht, sind freilich per se kein Novum. So finden sich vergleichbare Bestimmungen, die sich gegen „jede Auswahl und persönlich motivierte Bevorzugung der Beichtväter“ richten, etwa schon in den Admonitiones pro sororibus aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, die verschiedentlich die Vorgaben der Dominikanerinnenkonstitutionen von 1259 präzisieren und erweitern (dazu Bürkle: Literatur im Kloster, S. 80f.). 190 Zum hagiographischen Genre im Kontext der Vitas patrum etwa Aimé Solignac: Verba seniorum. In: Dict. Spir. 16 (1994), Sp. 383–392; ders.: Vitae Patrum. In: ebd., Sp. 1029–1035; Ulla Williams: Die Alemannischen Vitaspatrum. Untersuchungen und Edition. Tübingen 1996 (TTG 45), S. 4*. 191 Ms. 2934, fol. 66v; Reichert I–III, S. 63. 192 In Meyers Formulierung: Sú waz got genem dar vmb waz er sú beweren also er sinen vsserwelten důt/ vnd sante ir solliche krangheit zů/ daz sú me denn xij jor vor irem tode lam wart an henden vnd an fssen, klingt, wie immer wieder im Kontext der Nonnenviten (vgl. Lewis: Sister-Books, S. 159–161), ein Verständ-

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die sie mit grosser gedult angenommen habe – ohne dass doch ihr Eifer, am gemeinschaftlichen Gottesdienst des Konvents teilzunehmen und das Sakrament zu empfangen, nachgelassen hätte. Zuletzt vermerkt der Text Clara Annas selig ende für das Jahr 1426, noch dem also sú in dem closter schnensteinbach ein selig andehtig leben hatte gefrt xxix jor.193 Wie Clara Anna von Hohenburg kam auch Elisabeth Meringerin (Kap. 6) ganz zu Anfang im Gefolge Konrads von Preußen von St. Katharinental nach Schönensteinbach, und auch sie hatte das Amt der Priorin inne und übte es 25 Jahre sehr zum Nutzen des Konvents und der Schwestern aus, indem sie ihre Untergebenen auf die umfassende Erfüllung der Normen der observanten Lebensform verpflichtete. Besonderes Licht wirft der Text in ihrem Fall auf die strikte Befolgung der Regularien des monastischen Schweigens und des Stillegebots und eine – ungeachtet der administrativen und sozialen Verpflichtungen des Priorinnenamtes – entschieden verinnerlichte Spiritualität: Sú waz ein in gekerter andehtiger mnsch. Und entsprechend überliefert die Vita einen Ausspruch der Priorin, der sich gegen die unbedachte ungezügelte Rede und die ihr unliebsame vnstilheit wendet: swesteren gedenckent daz ir geistlich lúte sint, bevor eine Kette von sich steigernden Preismetaphern das vortreffliche Leben Elisabeths noch einmal pointiert zusammenfasst und den Rezipientinnen als Paradigma vorhält: Dise priorin ist gesin ein spgel der tugent Ein forme der geistlicheit Ein clore súl der selikeit/ vnd ein lbeliches wol geziertes vas der gtlichen gnoden.194 Prägnante Konturen erhält die Vita Elisabeths vor allem durch zwei Exempel, in deren Zentrum jeweils eine Vision steht, ohne dass es Meyer aber um den Aspekt der Imagination der inneren Sinne ginge. Das erste Exempel erzählt davon, wie die Küsterin des Konvents von der Gottesmutter Hilfe erlangt, als ihr die Mittel fehlen, um die von den Schwestern intendierte Neuausstattung eines kollektiven Andachtsbildes, der Skulptur der ,Maria im Wochenbett‘,195 zu realisieren. Maria selbst erscheint der Küsterin nämlich alsbald im Traum und heißt sie, der Priorin Elisabeth auszurichten, sie möge ihr, Maria, eine Borte herstellen aus den Silberfäden, die sie heimlich in ihrem Besitz hat. Als Elisabeth die Botschaft verwundert empfängt, da ihr der Zusammenhang der Offenbarung verschwiegen wird, findet sie sich aber doch sogleich bereit, der Bitte nachzukommen, und || nis an, das individuelles physisches Leiden im Zeichen göttlicher Erwähltheit als „vervollkommnendes Leiden“ begreift: „Wie Leiden Strafe für die Ursünde ist, so kann in deren Folge dem Menschen wiederum nur durch Leiden geholfen werden, nämlich als Medizin, die vor künftigen Sünden bewahrt und die bislang entwickelten Tugenden läutert und mehrt, indem es die fromme Disziplinierung der passiones animae unterstützt“ (Walter Sparn: Leiden. IV. Historisch/Systematisch/Ethisch. In: TRE 20 [1990], S. 689–707, hier S. 690f.; zur verbreiteten christlich-theologischen Deutung des Leidens als „probatio“ oder „heilsame[] Bewährungsprobe“ vgl. etwa auch die Belegsammlung bei Peter von Moos: Consolatio. Studien zur mittellateinischen Trostliteratur über den Tod und zum Problem der christlichen Trauer. Testimonienband. München 1972 [MMS 3/3], S. 274–276 [T 1293–1301]). 193 Ms. 2934, fol. 67r; Reichert I–III, S. 63. 194 Ms. 2934, fol. 67v; Reichert I–III, S. 64. 195 Zum Bildtypus und seinen frömmigkeitsgeschichtlichen Hintergründen Joseph Schewe: Wochenbett Mariens. In: LCI 4 (1972), Sp. 535f.; Klaus Schreiner: Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin. München/Wien 1994, S. 68–73; Krone und Schleier, S. 454f. (Nr. 380).

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verfertigt einen schnen porten den man noch bruchet zů vnser lieben frowen kintheit.196 Die Erzählung mag vorderhand eine ätiologische Komponente haben, insofern sie die Memoria der Elisabeth Meringerin verknüpft mit einem zur Zeit der Textherstellung noch vorhandenen kostbaren Accessoire eines ,populären‘ konventsinternen gemeinschaftlichen Devotionsbildes zu Ehren der Gottesmutter, dessen Kultstatus die Narration auch dadurch bestärkt, dass sie Maria selbst in seine Herstellung involviert sein lässt.197 Doch das ist nur die eine Seite. Zugleich ist das Exemplum ein Lehrstück gegen Eigenbesitz und propagiert eines der Kernanliegen observanter Lebensordnung: die – im konkreten Fall durch numinose Verfügung legitimierte und bekräftigte – Überführung persönlicher Güter in die Gemeinschaft zum Nutzen aller. Diesen letztgenannten Aspekt, das Postulat individueller Armut, fokussiert auch das zweite Exemplum, das – wie Hamburger in seiner Analyse gezeigt hat198 – aus der entgegengesetzten Perspektive mit der ersten Beispielgeschichte zusammenspielt und deren Darstellung eines positiven Falles mit einem argumentum ex negativo komplettiert: Nach ihrem Tod erscheint Elisabeth Meringerin einer Schwester, die ihre einst mit grosser armůt gezierte Schlafstätte übernommen und dort nun ein hoch elterlin mit heilgen bildelin aufgeschichtet hat.199 Die Verstorbene schilt die Lebende wegen dieses Fehlverhaltens mit harten Worten, packt sie mit der einen Hand derart fest beim Arm, daz sú die zeichen der vinger lange an irem arm hette, und stößt mit der anderen das Bettaltärlein um, daz ein gros gerummel do wart. Das postmortale (Straf-)Mirakel figuriert so als Plädoyer gegen den exklusiven privaten Besitz insbesondere auch von Devotionalien und verwirft damit gerade auch Formen individualistischer Andacht jenseits des gemeinschaftlich Üblichen und Sanktionierten, wie es freilich zugleich noch einmal das tugendhafte, heiligmäßige Leben der Meringerin bezeugt, die gar noch irem tode bewisen habe, daz geistlich personen die heilge armůt in eren haben solten daz sú in irem leben so liep hat.200 Aus St. Katharinental kam schließlich auch Elisabeth Goltsmidin im Alter von 34 Jahren nach Schönensteinbach, um unter der geistlichen Leitung Konrads von Preußen den Reformkonvent zu konstituieren. An ihr hebt Meyer vorweg ihre Liebe zur hohen tugent der heilgen gehorsamkeit201 sowie ihre innere Reinheit hervor, etwa wenn er berichtet, wie sie einmal ihrem Seelsorger in der Beichte auf seine Frage, warum sie immer nur eine Sache

|| 196 Ms. 2934, fol. 68rv; Reichert I–III, S. 64f. 197 Diesen Aspekt wird man freilich gegen Hamburger: The Visual and the Visionary, S. 446 anführen dürfen, der zu dem Ergebnis kommt: „Rather than investing either Elisabeth or the image with charismatic or cult authority, the dream enhances the authority of the custos, or custodian, who was responsible for ensuring that nuns hoarded no private goods.“ 198 Hamburger: The Visual and the Visonary, S. 446f.; ähnlich auch Lentes: Bild, Reform und Cura monialium, S. 183. 199 Ms. 2934, fol. 68v; Reichert I–III, S. 65. 200 Ms. 2934, fol. 69r; Reichert I–III, S. 65. 201 Ms. 2934, fol. 69r; Reichert I–III, S. 65.

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vorbringe, entgegnet habe: lieber vatter ich weis nút nuwes zů sagen.202 Hinzu kommt ihre übergroße caritas, die sie den Schwestern vornehmlich im Amt der Krankenmeisterin bewiesen hat und die speziell auch eine kurze Erzählung illustriert, die Meyer am Ende von Kap. 7 inseriert hat: Als die Goltsmidin im Klostergarten einmal einen Totenschädel in der Erde findet, wäscht sie ihn im Bach rein und bringt ihn mit andaht vnd gebet in den Karner. In der folgenden Nacht zeigt sich ihr ein erber alte closterfrowe und dankt für die mit der Umbettung der Gebeine an den geweihten Ort erwiesenen truwen: wissest ich bin der alten swestren eine gesin die vor ch vnd uwerem orden hie gewesen sint.203 Es demonstriert dies Exemplum mithin nicht nur Elisabeths Tugendadel, sondern schlägt gleichzeitig einen Bogen zurück zur Vorgeschichte Schönensteinbachs, wobei die ,Errettung‘ der alten Schönensteinbacher Nonne durch die neue eine heilsgeschichtlich-typologische Überhöhung andeutet, die Meyer auch sonst dem Verhältnis der beiden Klostergeschichten eingeschrieben hat. Die Geschichte der Fluchten und Ausfahrten des Schönensteinbacher Konvents aus Buch II ruft hingegen der Bericht von Elisabeths Tod in Erinnerung (Kap. 8): Nachdem sie im Neuenburger Exil der Schwestern krank geworden war und iren smertzen mit gedult ertragen hatte, nahm sie ein selig vernúnftig ende und wurde 1445 im Kreuzgang des Basler Predigerklosters in gegenwúrtikeit etlicher brder bestattet.204 Die Vita der Clara von Ostren (Ostein), die alle anderen zwölf Gründungsschwestern überlebt und insofern – in den fünfzig Jahren ihres Lebens in Schönensteinbach – die Kontinuität des Anfangs am längsten für die nachfolgende Schwesterngeneration bewahrt hat, ist mit acht Kapiteln (9–16) bei weitem die umfangreichste der gesamten Kollektion. Hier erscheint das prägnante biographische Motiv des Klosterwechsels auf der Suche nach dem ,wahren‘ Weg zur Seligkeit, wie es für die drei vorangehenden Viten konstitutiv ist, nochmals potenziert. Denn die aus adeliger Familie stammende Clara hatte ihre monastische ,Laufbahn‘ zunächst im Damenstift Masmünster begonnen, dann aber die dort vorherrschende Lebensform mit ihren spezifischen Kontiguitäten zum Weltleben und seinen Annehmlichkeiten hinter sich gelassen und war ins Dominikanerinnenkloster St. Katharina zu Colmar eingetreten, dessen geistliches Leben seinerzeit vor allem durch Armut, aber noch nicht durch die Prinzipien der Observanz und strengen Klausur bestimmt war, weshalb sie Konrad von Preußen zuletzt nach Schönensteinbach folgte, wo sie, so Meyer im Rückgriff auf die bekannte biblische Metapher, ein sunderlicher ortstein der selben ersten geistlicheit wurde (Kap. 9).205 Dieser für Claras institutionellen monastischen Lebensweg charakteristische Wandel hin zu einer weltabgewandten, ganz auf den Dienst Gottes fokussierten Spiritualität erfährt eine bemerkenswerte Spiegelung auf der persönlich|| 202 Ms. 2934, fol. 69v; Reichert I–III, S. 66. 203 Ms. 2934, fol. 70r; Reichert I–III, S. 66. 204 Ms. 2934, fol. 70v; Reichert I–III, S. 67. 205 Ms. 2934, fol. 71v; Reichert I–III, S. 68. Auf der Folie dieses biographischen Werdegangs wird hier freilich erneut der Vorrang der observanten dominikanischen Lebensform des Schönensteinbacher Modells hinsichtlich der Sicherheit des Heilsversprechens sowohl vor den nicht in diesem Maße regulierten Klöstern des eigenen Ordens wie auch vor den Häusern anderer geistlicher Kommunitäten propagiert.

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biographischen Ebene. In Schönensteinbach war Clara von Ostren nämlich anfangs als Raderin vor allem für die Kommunikation mit der Welt außerhalb des Konvents zuständig. Vom Chordienst, nach dem sie sich so sehr sehnte, war sie ausgenommen, wenn sú nit stim zů singen hat.206 In ihrer Not wandte sich Clara daher mit grossem ernst und andehtigem gebette an die Gottesmutter und erwirkte am Ende, daz ir ein gůte stimme wart [,] daz sú ber sengerin gemaht vnd daz selbe ampt vil jor flisseklich mit grosser andaht vnd truwen lbelichen volbroht (Kap. 10).207 Die an dieser Stelle demonstrierte wundersame Kraft des Gebets der Clara von Ostren ist ein hervorragendes Merkmal ihres ethischen Virtuosentums und ein zentrales Motiv ihrer Vita. Meyer kommt noch zweimal, jeweils im Rahmen eines Rettungsmirakels, darauf zurück: zum einen wenn er das exempel eines schwer angefochtenen Laienbruders erzählt, der aufgrund von Claras Fürbitte bei Christus und Maria durch die Interzession der Gottesmutter aus dem Gefängnis befreit wurde, um danach zu berichten, wie ihm kundgetan worden sei, daz im solliches swester clor von ostern vmb vnser liebe frowe erworben het (Kap. 12);208 zum anderen wenn er schildert, wie Claras jüngere Schwester, die den Freuden der Welt zugetane Dorothea von Ostren, endlich durch Claras flehentliches Gebet dazu bewogen wurde, das Frauenstift zu Masmünster zu verlassen und ebenfalls in Schönensteinbach einzutreten (Kap. 13). Meyer parallelisiert dies zweite ber grosse wunder explizit mit dem Exemplum der Klarissin Coleta aus Johannes Niders Formicarius (Buch IV, Kap. 9),209 die durch ihr Gebet einen weltlichen lihtvertigen júngeling zum geistlichen Leben in einem reformierten Minoritenkloster bekehrt habe.210 Und er übernimmt die abschließende Bewertung bei Nider, daz ein grsser mirackel wunder sy geschehen den ob ein dot zů dem liplichen leben were durch dise selige jungfrowe erstanden,211 genauso auch für Clara von Ostren, um deren heiligmäßiges Wirken im Gebet für den Nächsten – auf der Grundlage der spezifischen Analogie beider Fälle und im Rekurs auf die theologische Autorität Niders – umso deutlicher herauszustellen und gleichzeitig erneut den besonderen Primat der reformierten Ordens- bzw. Mendikantengemeinschaften für die Sicherung des individuellen Heils zu reklamieren. Einen zweiten Schwerpunkt der Vita bildet Claras Engagement für die Ausbildung der jüngeren Schwestern insbesondere für den Chordienst, aber gerade auch darüber hinaus mit Blick auf deren geistliches Leben und Frömmigkeitspraktiken insgesamt, die Clara von

|| 206 Ms. 2934, fol. 71v; Reichert I–III, S. 69. 207 Ms. 2934, fol. 72r; Reichert I–III, S. 69. 208 Ms. 2934, fol. 73v–74r; Reichert I–III, S. 71. 209 Gemeint ist sicher Coletta von Corbie (1381–1447), Reformerin einer Reihe von Klarissenklöstern besonders im Territorium der Herzöge von Burgund und Begründerin der nach ihr benannten Colettinnen. Vgl. Werner Tschacher: Der Formicarius des Johannes Nider von 1437/38. Studien zu den Anfängen der europäischen Hexenverfolgungen im Spätmittelalter. Aachen 2000, S. 526; Peter Dinzelbacher: Colet(t)a v. Corbie. In: LexMA 3 (1986), Sp. 30; Kaspar Elm: Colettinen. In: ebd., Sp. 31. 210 Vgl. Johannes Nider: Formicarius. Douai: Balthasar Bellerus 1602, S. 310f. 211 Ms. 2934, fol. 75r; Reichert I–III, S. 72f. Vgl. Nider: Formicarius, S. 311: In quo procul dubio maius miraculum factum est, quàm si corporaliter defunctus resuscitari per virginem meruisset.

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Ostren im Sinne der observanten Normen und Leitvorstellungen ihres Ordens zu disziplinieren und zu festigen suchte. Die von ihr überlieferten Imaginationsübungen wird man daher durchaus als „Techniken der Schulung der Binnenmoral“212 des Reformkonvents begreifen können, die Meyer, indem er sie weitertradiert, seinen Rezipientinnen zur fruchtbaren Nachahmung und Aneignung überlässt und insofern zur Stabilisierung einer konventsübergreifenden paradigmatischen observanten Frömmigkeitshaltung nutzt. So beschreibt Meyer in Kap. 11 eingehend Claras Methode zur Vermittlung der Vorstellung musikalischer Tonhöhen, die bei ihren Schülerinnen einen so starken Eindruck hinterlassen hat, dass sie ihm, Meyer, die Details noch gar wol kunden gesagen me den xvij jor noch irem tode.213 Das Verfahren der Solmisation erscheint dabei modifiziert in der Weise, dass die sechs Tonstufen und die ihnen zugeordneten Silben zusätzlich allegorisch auf sechs kardinale Tugenden – vorweg die „virtutes purae des homo interior“:214 humilitas, oboedientia, caritas, patientia – und ihre exemplarischen Konkretisierungen im Zusammenhang der Stationen der Passions- und Erlösungsgeschichte Christi gedeutet werden und somit die musikalische Praxis mit einer spezifischen Imaginations- und Andachtsübung zur Vergegenwärtigung des Leidens und der Heilstat Christi verquickt wird. Hinzu kommt eine Reihe weiterer spiritueller Exerzitien und kontemplativer Praktiken, die Clara den jungen Schwestern vermittelt hat (darunter etwa ihre allegorische Auslegung des Ordenskleides der Schwestern wiederum im Kontext der Passion Christi oder ihre Verehrung der ,Sechs betrübten Augen‘), damit sie von sollichem gůte vnderwisung noment ir leben zů rihten vf tugent vnd andaht (Kap. 14), und die Meyer seinerseits durch die Aufnahme ins Buch der Reformacio einem breiteren ,Publikum‘ zugänglich macht.215 Claras besondere Gabe der zur innigen Andacht hinführenden Imagination und meditativen Versenkung, wie sie in diesen Übungen und Anleitungen zum Ausdruck kommt, unterstreicht schließlich auch der Bericht von ihrem heiligen andehtigen ende (Kap. 16):216 Als Clara am Weihnachtstag bettlägerig wird, imaginiert sie an verschiedenen Orten ihres Krankenzimmers die einzelnen Figuren und Ereignisse der Geburt Christi und des voranschreitenden Weihnachtsfestkreises in ihrer zeitlichen Folge. Die andächtige innerliche Partizipation am und Identifikation mit dem erinnerten Heilsgeschehen im Zeichen der || 212 Lentes: Gebetbuch und Gebärde, S. 496; zur Akzentuierung der Lehrerinnen-Rolle Claras von Ostren in Meyers Vita vgl. Jones: Ruling the Spirit, S. 156–158. 213 Ms. 2934, fol. 72v; Reichert I–III, S. 69. Da Meyer 1447 als Claras Todesjahr angibt, ließe sich die Aussage des Verfasser-Ichs, mehr als 17 Jahre nach Claras Tod durch ihre Schülerinnen von ihrer Lehrmethode erfahren zu haben, auf das Jahr 1464 beziehen – das Jahr der Abfassung der ,Urfassung‘ des Buchs der Reformacio. 214 Lentes: Gebetbuch und Gebärde, S. 357. 215 Ms. 2934, fol. 76r; Reichert I–III, S. 74. 216 Ms. 2934, fol. 77v; Reichert I–III, S. 75. Es enthält dieser Bericht selbst – seine Authentizität absichernde – Informationen zu seiner Genese und darüber hinaus wohl auch der Vita, wenn hinsichtlich der Schwester, die die kranke Clara von Ostren pflegt, angemerkt wird: Nůn die swester die ir pflag waz ir sunder geheim vnd liep [;] die wuste vil ires dinges also wir noch ir beder dot gemercket hant in etlicher geschrift die noch der selben swester dot die ir pflag funden wart (ebd., fol. 77v–78r; S. 75).

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Compassio und Imitatio Christi geht so weit, Clara „eignet sich dieses Geschehen so stark an“,217 dass sie den Zeitpunkt ihres Todes um das Fest der Taufe Jesu erwartet,218 die traditionell als „Antizipation des Kreuzestodes“ und „Todesannahme für die Sünden der Menschheit“ gedeutet wird,219 und sich von den Schwestern mit den Worten verabschiedet: lieben kinder irren mich nit/ es ist zit daz ich von hinnan far/ hilfet mir got do hin daz ich bitten mag ich wil uwer nit vergessen.220 Die Betrachtung der einzelnen Viten des Schönensteinbacher Schwesternbuchs ließe sich fortsetzen, ohne dass doch substanzielle Verschiebungen hinsichtlich der Tendenzen der bislang sichtbar gewordenen Konzeption zu konstatieren wären. Um seinen Leserinnen die spirituelle Aura des Urkonvents der reformierten Dominikanerinnen nahezubringen, entwirft Johannes Meyer ein Panorama des ganz den Idealen monastischer Observanz verpflichteten ethischen Virtuosentums der alten Mütter. Die einzelnen Lebensbilder divergieren durchaus, was die jeweils relevanten biographischen Stationen, was die Herkunft und Jugendgeschichte der Porträtierten, ihren Weg nach Schönensteinbach und auch was die Details des Konventslebens selbst angeht, jenseits des für die geistliche Vitenliteratur immer konstitutiven Moments des „Lebensgang[s] zum Tode hin als dem eigentlichen Geburtstag (dies natalis) in das wahre Leben hinein“.221 Es geht aber doch wohl darum aufzuzeigen, wie sich die individuellen Lebensentwürfe mit ihren jeweils ganz unterschiedlichen Hintergründen und Prägungen, die wiederum die Diversität der historisch-sozialen Verhältnisse der Zeit widerspiegeln, zusammenfinden und vereinen im Ziel der Suche nach einem sicheren Weg zum Heil, für den das Leben in einer geistlichen Frauengemeinschaft dominikanischer Prägung auf der Grundlage observanter Lebensregeln und Verhaltensmaximen am Ende mehr Gewähr bietet – so die Kernthese der Sammlung – als die meisten anderen Lebensmodelle. Bei aller Selektivität ist indes die Akzentuierung einer oder mehrerer kardinaler Tugenden des observanten ethischen Kanons im Profil der einzelnen Biographien, über die sämtlichen Viten mehr oder minder gemeine Aktualisierung eines gewissen Standards oder Grundrepertoires vorbildlicher reformmonastischer Verhaltensformen hinaus, ein verbindendes Merkmal aller Lebensbeschreibungen, so dass die jeweils vorgestellten Schwestern gleichsam als Personifikationen spezifischer Tugenden oder idealer Frömmigkeitshaltungen figurieren. So erscheint Sophia von Velde – um nur unter diesem Aspekt noch einmal kursorisch auf einige der nicht im Detail besprochenen Viten einzugehen – vor allem als barmherzige Fürbitterin

|| 217 Lentes: Gebetbuch und Gebärde, S. 443. 218 Dar noch nam sú den tf Christi fúr sich vnd nam vast ab an kreften vnd welle swester zů ir kam der seite sú etwaz gůter vermanung vnd do mit bereitete sú sich zů dem tode zů dem sú willig waz (Ms. 2934, fol. 78rv; Reichert I–III, S. 76). 219 Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.): Jesus von Nazareth. Erster Teil: Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung. Freiburg i.Br. 2008, S. 45. 220 Ms. 2934, fol. 78v; Reichert I–III, S. 76. 221 Dieter von der Nahmer: Die lateinische Heiligenvita. Eine Einführung in die lateinische Hagiographie. Darmstadt 1994, S. 75.

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und exzeptionelle Helferin angefochtener Seelen, während sich die ebenfalls aus den Niederlanden stammende Lukardis von Ingen im Amt der Schaffnerin insbesondere durch humilitas und caritas auszeichnet und trotz der Beschwernisse des tätigen Lebens, die das Wirtschaftsamt mit sich bringt, die Anforderungen einer genuin verinnerlichten, immer auf Gott bezogenen Spiritualität nicht preisgibt und mithin das Ideal einer Integration von ,Martha-‘ und ,Marien-Leben‘ verkörpert.222 Die gegen alle Anfechtungen verteidigte castitas und innere Reinheit bildet einen Schwerpunkt der Vita der am Hochzeitstag aus der ,Welt‘ geflohenen Margareta Schellerin. Zwei fundamentale Devotionsformen, einerseits die innige Andacht zum Altarsakrament, andererseits die Verehrung des Herzen Jesu, stehen im Zentrum der Viten der Margareta Schanffingin und der Clara Foltzin. Eine eminente, kaum zu übertreffende Gebetsleistung ist Kennmal der Vita der Elisabeth Grissin, ein anderes ein Makel in Gestalt einer eigenwilligen, wohl zu sehr dem Vorbild der Spiritualität der Wüstenväter nacheifernden radikalen Askese in jungen Jahren, die gegen das Gebot der modestia und die Prinzipien der humilitas, oboedientia und patientia verstößt und vor deren ,unheiligen‘, selbstzerstörerischen und am Ende zu Lasten der Gemeinschaft gehenden Effekten die Leserinnen ausdrücklich gewarnt werden.223 In der Vita von Elisabeths Mutter, Anna Grissin, ist das konsequente Bußleben im Zeichen einer regelmäßigen und umfassenden Beichte das Gegengewicht zu den Bekümmernissen, die die vita activa ihr tagtäglich als Aufseherin des Hofgesindes bereitet. Auf dem Sterbebett empfängt

|| 222 Dise selige swester lukart wie daz waz daz sú an der schaffener ampt vil jor sancte marthen leben ben mst/ so hatte su doch so grosse andaht daz sú dar vmb nit lies vnderwegen daz schowende leben sancte maria magdalenen (Ms. 2934, fol. 86v; Reichert I–III, S. 85). Zur traditionellen „Lehre von den zwei Lebensformen, der kontemplativen und der aktiven, mit den Modellfiguren Maria und Martha“ im Kontext des christlich-theologischen Diskurses vgl. nur Kurt Ruh: Geschichte der abendländischen Mystik. Bd. 3: Die Mystik des deutschen Predigerordens und ihre Grundlegung durch die Hochscholastik. München 1996, S. 156f. (vor allem zu Thomas von Aquin); besonders mit Blick auf Meister Eckhart Alois M. Haas: Gottleiden – Gottlieben. Zur volkssprachlichen Mystik im Mittelalter. Frankfurt a.M. 1989, S. 97–108; speziell zur weiblichen Frömmigkeitspraxis Martina Wehrli-Johns: Maria und Martha in der religiösen Frauenbewegung. In: Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster Engelberg 1984. Hrsg. von Kurt Ruh. Stuttgart 1986 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 7), S. 354–367, dazu der Diskussionsbericht von Klaus Kirchert, ebd., S. 466–468; zur Darstellung der Schwesternbücher Walter Blank: Die Nonnenviten des 14. Jahrhunderts. Eine Studie zur hagiographischen Literatur des Mittelalters unter besonderer Berücksichtigung der Visionen und ihrer Lichtphänomene. Diss. Freiburg i.Br. 1962, S. 40–44, der aber, wenn er „bei den Dominikanerinnen unserer Viten“ ein generelles „Bewußtsein der Höherbewertung der contemplatio über die actio“ konstatiert (S. 40), nicht deutlich genug zwischen den individuellen Motivationen der in den Viten jeweils porträtierten Konventualinnen und den Intentionen der Darstellung des literarischen bzw. hagiographischen Textes an sich unterscheidet, die auf einer anderen Ebene liegen. 223 Hie merck daz ein vfsehen ist zů haben zů den jungen vnd nuwen brderen vnd swesteren die do in irem ersten anvang zů vil went ir andaht genůg mit vnbescheiden vast[en] vnd wachen/ vnd ander hertikeit vnd sol man sú wisen vf gewore demtikeit vnd gehorsam vnd gedult vnd ander tugen[t] also daz sú sich nit ver[der]ben vnd dem orden vnnútz werden/ wenn wir wissent daz nieman gottes gen rehte wol gevallen mag mit vil vasten wachen vnd mit grosser herttikeit on rehte demůt gedult gehorsam senftmtikeit fridelicheit vnd ander solliche tugent (Ms. 2934, fol. 95v; Reichert I–III, S. 95f.).

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sie von Johannes Meyer selbst – im Januar 1458, in der ersten Woche seiner Amtszeit als Beichtiger in Schönensteinbach224 – die Sakramente; er überliefert von ihr die Worte: keinen tag habe ich mit friden nie also gelebet also ich mich frowe dis tages mines todes.225 Das von Meyer favorisierte Modell weiblicher Spiritualität im Sinne einer Jenseitssorge durch ethische Perfektionierung und Selbstdisziplinierung sowohl im Blick auf das äußere Wirken und Tun wie auch hinsichtlich der Formen verinnerlichter Frömmigkeit stellt sich zwar, nun auf der Basis einer rigiden observanten Normativität, in die Kontinuität der tugendhaften Einzelleben und „Verhaltensprogramme[] dominikanischen Zusammenlebens“,226 wie sie schon die Nonnenviten des 14. Jahrhunderts bieten, entfernt sich aber von deren signifikantem Konzept der intimen, mystischen Gottesbegegnung wie auch von den damit bisweilen kontiguitären Formen extremer Askese. Visionen und Offenbarungen, „Blicke durch den Spalt der Transzendenz“227 und Erfahrungen der inneren Sinne, sind zunächst nicht um ihrer selbst willen, als Faszinosum eines spezifischen, gnadenhaften Gottesbezugs des schauenden Subjekts, von Belang,228 sondern erscheinen primär funktional eingebunden in den narrativen Zusammenhang, etwa eines argumentativen oder illustrativen Exemplums oder des genretypischen postmortalen Mirakels. Sie dienen von daher überwiegend als Indizien des seligen, gottgefälligen Lebens und verdienstvollen Wirkens der verstorbenen Tugendheroinnen, das das Buch der Reformacio seinen Rezipientinnen zur Memoria der heiligen dominikanischen Anfänge Schönensteinbachs und damit der Reform des Zweiten Ordens, zur Selbstvergewisserung und Intensivierung observanter Identität und schließlich als Imitabile – mitunter auch unter den Vorzeichen des abschreckenden Exemplums – zur Vervollkommnung ihrer eigenen Lebens- und Frömmigkeitspraxis sub specie aeternitatis weitergibt.

|| 224 Vgl. o. S. 128 Anm. 183. 225 Ms. 2934, fol. 97v; Reichert I–III, S. 98. 226 Peters: Religiöse Erfahrung, S. 194. 227 Hans Blumenberg: Arbeit am Mythos. Frankfurt a.M. 42014 (stw 1805), S. 245. 228 Dazu gehört denn auch, dass Zustände kontemplativer Entrückung allein aus der Beobachterperspektive, im Modus der externen Fokalisierung, geschildert werden, um die Intensität inniger Andacht zu vergegenwärtigen, und mithin die jeweiligen subjektiven Erfahrungen und Eindrücke gerade nicht zur Sprache kommen. So heißt es etwa zu Margareta Schanffingin: Sollicher hoher grosser andehtiger beschowelicheit waz dise selige swester daz sú dick von ir selbes kam jo ch etwen in dem kor daz man sú ein mol dar vs trůg zů irem bette vnd do lange also in dem selben zuge [,Zustand der Verzückung‘] bleip eb [,ehe‘] sú wider zů ir selbes gelossen wart/ Etwan kam sú solliche jnnikeit ob tisch an daz sú von ir selbes kam/ so lies man sú do sitzen bitz sú zů ir selber kam (Ms. 2934, fol. 81v–82r; Reichert I–III, S. 80).

Biographie und Exemplum im Horizont observanter Heiligkeitskonzeptionen | 139

3.4.2 Die Viten der Schönensteinbacher Väter und Brüder und die Anfänge der dominikanischen Ordensreform Buch IV verlässt ein Stück weit den engeren Rahmen des Nonnenbuchs, den die Klosterhistorie der ersten beiden Bücher sowie die komplementäre Kollektion der Schwesternviten von Buch III mit ihrer Konzentration auf die Geschicke Schönensteinbachs und seiner Konventualinnen abgesteckt haben. Denn zu Beginn greift der Text aus auf die Anfänge der dominikanischen Observanzbewegung unter dem Generalat Raimunds von Capua und bezieht darüber hinaus auch deren nähere und fernere Vorgeschichte mit ein. Die Perspektive verschiebt sich hin zur Geschichte des Ersten Ordens und zugleich zur Identität des Gesamtordens, wenn nun, wie der Prolog ankündigt, die Rede sein soll von vnseren seligen vetteren die erfvnden hand von der gnad gottes die wis vnd forme des heiligen grossen gůtten wercks der reformacio des ordens.229 Gleichwohl bleibt der Nexus zum ,Buch von Schönensteinbach‘ gewahrt, indem die Kapitel 7–24 eine Reihe von Viten der dem ersten observanten Dominikanerinnenkonvent der Teutonia durch Vikariat oder Beichtigeramt verbundenen vortrefflichen Ordensreformer und Väter präsentieren, die ein Pendant bilden zu den Schwesternviten von Buch III. Meyers Darstellung der Ursprünge der von ihm als göttliches Gnadenwerk definierten dominikanischen Ordensreform setzt an mit dem Generalat des Elias Raymond (1367– 1380), des Vorgängers Raimunds von Capua (Kap. 1). Im Zeichen von – genau so etwa schon aus der Chronik der Generalmeister des Buchs der Ersetzung bekannten – spezifisch reformrhetorischen, den Geschichtsverlauf polarisierenden Deutungsmustern230 konstatiert sie für die Amtszeit dieses Generals einen besonderen Tiefpunkt in der Verfallsgeschichte des Ordens, der dadurch gekennzeichnet ist, dass sich mittlerweile die große Mehrheit der Mitglieder von den Normen und Leitideen der Lebensführung, wie sie in der Zeit der heiligen Anfänge um und nach 1200 gültig waren, weit distanziert hat. Ihnen steht die kleine Schar der Versprengten und Durchächteten gegenüber, die die Kontinuität mit den heiligen Ursprüngen zu behaupten suchen und im Einzelfall in gnoden vnd leben die ersten vetter ber treffen mögen, sich aber gegenüber dem Gros der vnvolkümnen brüder mit ihrer Forderung nach einer Erneuerung durch Rückkehr zu den Ursprüngen, daz man durch den ganczen orden geistlichen wer leben mit rehter obseruanczie Als man lebte by den ziten Sant Dominicus, nicht durchsetzen können.231 Um die Aktivitäten, Anstrengungen und Verdienste dieses Zirkels der gottes frinden, der Propagatoren und Initiatoren der Ordensreform, näher zu beleuchten, lässt Meyer eine Serie von Biogrammen bzw. Elogien einiger herausragender Väter und Brüder folgen (Kap. 2), wie sie sich z.T. ähnlich auch in

|| 229 Ms. 2934, fol. 107v; Reichert IV/V, S. 1. 230 Siehe o. S. 72–74. 231 Ms. 2934, fol. 108v; Reichert IV/V, S. 3.

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Teil V seines Liber de illustribus viris O.P. von 1466 finden:232 angefangen mit Raimund von Capua, dem spirituellen Betreuer und Vertrauten der Katharina von Siena, über seinen Freund Bartholomäus Dominici von Siena, über Johannes Dominici, der die Reform in Italien vorangetrieben und vor allem auch an der Seite König Sigmunds an der Auflösung des Schismas gearbeitet hat, über Elias Petit, der im Auftrag Gregors XI. die Mission in Armenien und bei den Tartaren angeführt hat, bis schließlich hin zu dem 1455 kanonisierten Vinzenz Ferrer und seinen Weggefährten Raphael von Cardona und Manfred von Vercelli, dem grosse[n] land predier.233 Am Ende wird auch Konrad von Preußen erwähnt als einer derjenigen heilige[n] brüder allenthalben in dem orden, die schon immer eigene Konvente für Brüder und Schwestern gefordert haben, die strikt nach den althergebrachten Regeln und Gesetzen des Ordens zu leben trachten.234 Die Umsetzung dieser Kernforderung der Observanten rückt näher – damit kehrt Meyer zum Narrativ der Ereignisgeschichte der dominikanischen Ordensreform zurück –, als Elias Raymond sich zu Beginn des Großen Schismas der Obödienz Clemensʼ VII. anschließt, ihm jedoch daz merer teil des ordens die Gefolgschaft verweigert und, so das Urteil des Chronisten, bei der gehorsam des rehten bapst zü rome, Urbans VI., verbleibt (Kap. 3).235 Dadurch ist der Weg frei für die Wahl Raimunds von Capua, die Meyer explizit der güti gottes zuschreibt, zum General der legitimen, römischen Ordensobödienz.236 Als

|| 232 Basel, Universitätsbibliothek, Cod. E III 12, fol. 36r–38v; Johannes Meyer: Liber de Viris Illustribus Ordinis Praedicatorum. Hrsg. von Paulus von Loë. Leipzig 1918 (QF 12), S. 55–60. Siehe dort V,1: Vinzenz Ferrer, V,2: Raimund von Capua, V,5: Elias Petit, V,8: Johannes Dominici, V,9: Manfred von Vercelli (vgl. den Hinweis des Herausgebers in der Edition S. 55 Anm. 1). Die größte Übereinstimmung zeigt noch das Elogium des Elias Petit. Ansonsten unterscheiden sich die Elogien im Buch der Reformacio inhaltlich und/oder umfangsmäßig deutlicher von ihren Pendants im Liber de illustribus viris. Signifikant ist etwa die Umakzentuierung beim Elogium Vinzenz Ferrers: Das Buch der Reformacio verweist insbesondere auf ein güt nüczlich büchelin des Heiligen, den Tractatus de vita spirituali, worin er die Predigerbrüder mit Anleitungen zum regelkonformen observanten Leben versehen habe, die von den basalen Verpflichtungen der evangelischen Räte bis zu einer detaillierten Kleiderordnung nach Maßgabe der Konstitutionen reichen, und insofern schöne regel vnd lere git/ wie man mit fliß die obseruanczie vnd den orden halten sol noch der vf stifftung Sanctus Dominicus (Ms. 2934, fol. 110v; Reichert IV/V, S. 5f.). Gegenüber diesem – primär für die Angehörigen des reformierten Zweiten Ordens gezeichneten – Porträt des Heiligen vor allem als Lehrers der Observanz in der Nachfolge des Ordensgründers entwirft der Liber de illustribus viris als Memorialbuch und literarisches ,Pantheon‘ der durch heiligmäßiges Leben ausgezeichneten Ordensmitglieder aller Zeiten ein ,offizielleres‘, repräsentatives Lebensbild des heiligen Vinzenz Ferrer, das die vita activa des Bußpredigers als eines exemplarischen Observanten und seine übergroße Wirkung hinsichtlich der Rettung gefährdeter Seelen in den Mittelpunkt rückt (dazu u. S. 286). 233 Zum Wirken Vinzenz Ferrers und Manfreds von Vercelli als Bußprediger vgl. etwa Jean Delumeau: Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14. bis 18. Jahrhunderts. Deutsch von Monika Hübner, Gabriele Konder und Martina Roters-Burck. 2 Bde. Reinbek bei Hamburg 1985, Bd. 2, S. 325–327, 332f. 234 Ms. 2934, fol. 111v; Reichert IV/V, S. 7. 235 Ms. 2934, fol. 112r; Reichert IV/V, S. 8. 236 Ms. 2934, fol. 112v; Reichert IV/V, S. 8.

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eigentliches Initialmoment des Reformprozesses exponiert Meyer dann aber das Wiener Generalkapitel von 1388237 und insbesondere die inszenatorische Geste Konrads von Preußen, der vor den versammelten Ordensvätern mit einem Strick um den Hals seine Schuld und Bußfertigkeit eingesteht hinsichtlich seines Unvermögens, die Gesetze und Lebensvorschriften des Ordens zu erfüllen, und bekennt, daz er biß vf die zit sinen heiligen predier orden nit gehalten hette – womit freilich das „drängende Problem“ zum Ausdruck gebracht werden soll, so Dieter Mertens, „daß einem einzelnen Mönch das regeltreue Leben in einem Orden, der insgesamt die Regel nicht befolge, unmöglich sei. Er stellte also nicht eigentlich sich selbst an den Pranger, sondern beschuldigte den gesamten Orden der permanenten Regelverletzung und der Verhinderung regeltreuen Lebens.“238 In Meyers Deutung geht das Kalkül dieses symbolischen Aktes auf, er schildert die emotionale Wirkung auf die Anwesenden als so stark, daz manig andehtiges hercz beweget wart und man bald Rat hält und den Entschluss fasst, den Observanten einen eigenen Konvent zu überlassen.239 Raimund von Capua weist den Anhängern des observanten Lebens in der Provinz Teutonia daraufhin den Colmarer Konvent zu und setzt Konrad von Preußen als Prior ein. Die Evidenz der Heiligmäßigkeit dieses ersten Anfangs gemeinschaftlichen observanten Lebens, dass nämlich die ere gottes vnd des ordens vnd der selen heil so gröslichen zü nam, führt bald dazu, dass der Generalmeister den Provinzialprioren mit päpstlichem Plazet die für die Institutionalisierung und Konsolidierung der dominikanischen Observanzbewegung entscheidende Direktive vorgibt, in allen Ordensprovinzen zumindest einen Konvent für die Anhänger der Reform einzurichten, sofern sich nicht weniger als zwölf Brüder finden, die einen solchen Konvent konstituieren können (Kap. 4).240 Diesem Erfolg und Aufschwung der Reformpartei stellt Meyer indes die beständigen Feindseligkeiten und Angriffe ihrer Gegner innerhalb des Ordens gegenüber, um im Licht dieser fundamentalen „Dichotomie“ den „Anspruch der Reformierten auf moralische Überlegenheit“241 und mehr noch die göttliche Initiation und heilsgeschichtliche Dimension des Reformwerks zu postulieren, wenn er die Verfolgten mit den kinde[n] von Israhel und ihre Antagonisten mit den vnglöibigen hertten lútte[n] von egipten gleichsetzt und mithin die dominikanische

|| 237 Ms. 2934, fol. 112v ohne Angabe des Ortes und mit der unvollständigen Jahreszahl M ccc, die im Cgm 8081, fol. 125r so übernommen wurde und erst in der St. Galler Handschrift 1916, S. 323 korrigiert wurde zu M ccc 88 (daneben am rechten Rand von späterer Hand ergänzt: aut circa); Ranckenthalls Abschrift der ,Urfassung‘, Fonds Herzog, 1f22, S. 142 lokalisiert das Generalkapitel dagegen zu Franckfurth im Jahr 1.3.89., was mit den bekannten Daten der dominikanischen Generalkapitel nicht in Einklang zu bringen ist (siehe Acta Capitulorum Generalium Ordinis Praedicatorum. Bd. 3: Ab Anno 1380 usque ad Annum 1498. Hrsg. von Benedictus Maria Reichert. Rom 1900 [MOPH 8], S. VI). Der historische Kontext lässt freilich keinen Zweifel daran, dass es sich um das Wiener Kapitel zu Pfingsten 1388 handeln muss (dazu Hillenbrand: Observantenbewegung, S. 226f.). 238 Mertens: Monastische Reformbewegungen, S. 164. 239 Ms. 2934, fol. 113r; Reichert IV/V, S. 8. 240 Ms. 2934, fol. 113v; Reichert IV/V, S. 9. 241 Mertens: Monastische Reformbewegungen, S. 168.

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Erneuerungsbewegung in den Rang des alttestamentlichen Bundes emporhebt.242 Im Kreis der irdischen Unterstützer der Observanten situiert Meyer hingegen neben Papst Bonifaz IX. speziell auch die ehrwürdigen Väter des Speyerer Provinzialkapitels der deutschen Ordensprovinz von 1392, die die zu Colmar unter Konrad von Preußen begonnene Observanz im Auftrag des Ordensmeisters Raimund in ihren besonderen Schutz stellen und deren Legitimation als Unterzeichner einer entsprechenden Ordination an alle Predigerbrüder der Teutonia garantieren.243 Die Widerstände, auf die die Reformer im eigenen Orden stoßen, beschreibt Meyer am Ende der ereignisgeschichtlichen Darstellung sehr konkret am Beispiel eines ersten Versuchs, die strikte Klausur in einem Schwesternkonvent, im Nürnberger Katharinenkloster, zu installieren, und zwar nachdem 1396 der Nürnberger Brüderkonvent von Colmar aus erfolgreich reformiert worden war (Kap. 5). Die pointiert und nicht ohne Gespür für narrative Dramatik dargebotene Episode figuriert als ein exaktes Gegenstück zur (Reform-) Gründung Schönensteinbachs und dokumentiert, im Modus des negativen Exemplums, daz der böse geist do selbes, in St. Katharina, vil gewines hette wen es waz kein rehte beschlúcz nit Die geistlicheit erschein wenig an in vnd hetten ein bösse herkümende gewonheit.244 Nur mit großer Mühsal, bei Gefahr für Leib und Leben und durch den Einsatz von List wird die diabolische Gegenwehr der ungehörigen Schwestern schließlich gebrochen und das – von einer umfassenden Reform, von der erst Buch V berichten wird, freilich weit entfernte – Ziel einer Limitation des Verkehrs des Konvents mit der Außenwelt durchgesetzt: Nur knapp entgeht Konrad von Preußen dem Martyrium, als die ihn begleitenden Nürnberger Bürger einen Schlag, den zwei Schwestern mit einem großen Kruzifix ausführen, gerade noch abfangen können. Kap. 6 vermittelt zwischen der vorausliegenden Ereignisgeschichte mit ihrer Akzentuierung der Beschwernisse und Leiden der ersten Ordensreformer und der anschließenden Vitenreihe der Schönensteinbacher Väter mit einer Ermahnung im Duktus einer Predigt, die von Is 51,1f.: Attendite ad petram vnde excisi estis ihren Ausgang nimmt und sicher den Wortlaut der prominenten Apologie der Reform des Predigerordens im Dekret Raimunds von Capua vom 1. November 1390 voraussetzt.245 Sie verpflichtet die Brüder und Schwestern in den observanten Ordensklöstern nicht nur auf die idealen Konditionen des ersten

|| 242 Ms. 2934, fol. 114r; Reichert IV/V, S. 10. 243 Dass die Einmütigkeit unter den namentlich genannten Unterzeichnern der Ordination hinsichtlich der Bewertung der Bestrebungen der Observanten wohl nicht ganz so groß war, wie Meyers Schilderung suggeriert, deutet die Analyse von Hillenbrand: Observantenbewegung, S. 228 an. 244 Ms. 2934, fol. 115v; Reichert IV/V, S. 12. 245 Sane, cum reformationis vocabulum proprie dicat primae formae reassumptionem, nullam viam invenio meliorem ipsum Ordinem reformandi quam si mentis oculis respicimus ad Petram, unde excisi sumus, et ad Cavernam laci, de qua praecisi sumus, ad Abraham scilicet multarum gentium Patrem, Beatum Dominicum, qui virtute Spiritus genuit nos, et ad Saram, videlicet Sacram Religionem, per Sanctos Patres ordinatam, quae peperit nos: Raymundi Capuani Opuscula et Litterae, S. 54; vgl. Huijbers: ,Observance‘ as Paradigm, S. 114.

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Anfangs, auf die erste grünt veste vnsers ordens,246 wenn die im Initium genannten Erzeltern Abraham und Sara auf Dominikus und die erste[] obseruanczlúche[] geistlicheit bezogen werden, sondern fordert speziell auch die andächtige Memoria der Erneuerer der ursprünglichen Lebensform, d.h. jener gnoderichen brüder vnd swesteren Die in dissen nehsten vergangen sibentzig joren mit grosser arbeit reformiert vnd widerbroht hand die abgegane geistlicheit. Indem die Paränese der sich im ,wir‘ mit den Rezipienten zusammenschließenden Predigerinstanz diesen explizit die Rolle der nochvolger der ersten Reformer und Repräsentanten des zweiten Anfangs zuspricht, besonders der im Bereich der deutschen Ordensprovinz wirkenden und hier speziell der ersten vetteren [vnd] müteren des closters Schönensteinbachs von den do künt [,kommt‘] der erste vrsprung aller reformierten closteren/ der swesteren,247 nimmt sie den Gebrauchszusammenhang der folgenden Väterviten vorweg und zielt vor allem auf eine Identifikation der nachkommenden Generationen mit dem Erbe der Erneuerer des Ordens, auf eine die Grenzen des eigenen Konvents transzendierende observante Mentalität und damit wiederum auf eine Institutionalisierung und Perpetuierung des heiligen Werks der Wiedergewinnung der idealen Uranfänge für das Ordensganze. Die Reihe der Brüderviten ist weit weniger umfangreich als die der Schwesternviten in Buch III. An ihrer Spitze steht die Lebensbeschreibung des Initiators und ersten Vikars Schönensteinbachs, Konrads von Preußen (Kap. 7–14),248 die durch die wesentlich kürzeren Viten (1.) von Konrads Bruder, Thomas von Preußen (Kap. 15), und (2.) von Konrads Vertrautem, Johannes von Witten (Kap. 16), abgerundet wird (beide Beichtiger in Schönensteinbach, die wie Konrad von Preußen dort auch ihre letzte Ruhestätte fanden und im Martirilogium249 der Schwestern verzeichnet wurden). Detailliertere Biographien bringt Meyer dann noch von Johannes Nider, dem zweiten Vikar nach Konrad von Preußen und herausragenden Ordensreformer (Kap. 17–21), und schließlich von Johannes von Mainz, seinem Basler Lehrer und unmittelbaren Vorgänger als Seelsorger der Schönensteinbacher Schwestern (Kap. 22–24). Der Beginn der Vita Konrads von Preußen stellt das dominikanische Reformwerk von Neuem in dezidiert heilsgeschichtliche Bahnen, und er offenbart zugleich den Urimpuls für Konrads beharrliche vita activa zugunsten der Reform. Der Text vergleicht den jungen, durch ein nicht näher erläutertes Konversionserlebnis zur wahren Liebe seines Ordens entzündeten Bruder mit Mattatias, dem Stammvater der Makkabäer, denn wie der alttestamentliche prophete250 habe auch Konrad bekümmert die Entfernung der geistlichen Lebensform seiner Mitbrüder und Nächsten vom heiligen Wandel und den Gesetzen der || 246 Ms. 2934, fol. 117v; Reichert IV/V, S. 15. 247 Ms. 2934, fol. 118r; Reichert IV/V, S. 15. 248 Der Sprung von Nr. 8 zu Nr. 10, den die Kapitelzählung in Ms. 2934 wie auch in Reicherts Edition zeigt (weil in Ms. 2934 Nr. 9 ausgelassen ist, siehe dazu auch u. S. 176f. Anm. 403), ist hier und im Folgenden stillschweigend korrigiert. 249 Ms. 2934, fol. 126v; Reichert IV/V, S. 25. 250 Ms. 2934, fol. 118v; Reichert IV/V, S. 16.

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alten Väter diagnostiziert, wie sie die normativen Texte des Ordens und die hagiographischen Quellen vermittelten (Kap. 7). Die Überwindung der Differenz, die Wiederherstellung der Identität von Gesetz und Leben werden fortan das bestimmende Movens seines Handelns. Er geht nach Rom, wo man ihn wegen seines heiligen Eifers und seligen Lebens bald schätzt, wirbt im Umfeld des Papstes für seine Pläne und entwickelt schließlich auf einer Pilgerfahrt nach Jerusalem, zum Heiligen Grab, mit einem Kardinal der Kurie die Idee einer progressiven, von Konvent zu Konvent voranschreitenden Reform (wie sie Meyer dann vor allem in Buch V als wirksames Instrument dokumentieren wird), da die Möglichkeit einer umfassenden Erneuerung des Ordens in einem Zug aufgrund der Überzahl der Reformunwilligen als aussichtslos gilt. Der primäre und entscheidende Schritt ist freilich die Zusammenführung einer observanten ,Urgemeinde‘ in einem ersten eigenen Konvent, worauf sich Konrads Bemühungen zuvorderst richten (Kap. 8). Die Legitimität und Sakrosanktitas des Reformwerks und das heilig leben251 seines Propagators Konrad indizieren zwei Mirakel, die das biographische Verlaufsschema aufbrechen und die beiden großen Tätigkeitsfelder von Konrads Wirken, die Reform des Ersten Ordens wie auch die Erneuerung des Zweiten Ordens speziell durch die Errichtung der Modellkonvente Colmar und Schönensteinbach, exemplarisch nebeneinanderstellen: Das erste berichtet, wie dem über die Begründung eines observanten ,Urkonvents‘ nachsinnenden Konrad einmal auf seinem Weg über Land drei alte Ordensväter erscheinen, die ihm die Wiederbelebung des spirituellen Lebens des Brüderkonvents zu Colmar prophezeien, ihn über Details der Umsetzung der Reform belehren und sich ihm schließlich als die Heiligen Dominikus, Petrus von Verona und Thomas von Aquin zu erkennen geben, woraufhin Konrad gewahrt, dass das, wonach er strebt, ein güt heilig werck von got vnd von sinen lieben heiligen ist, vnd daz vil nücz vnd früht do von solte komen (Kap. 9).252 Das zweite Mirakel rückt Konrad selbst in den Mittelpunkt einer Vision: Ein befreundeter Edelmann sucht Konrad in Schönensteinbach auf, als dieser sich der Wiedererrichtung des untergegangenen Konvents angenommen hat, um ihn von seinem mühevollen und in der Sicht des Ritters aussichtslosen Vorhaben abzubringen. Er trifft Konrad an, als dieser gerade die Messe zelebriert, und nimmt plötzlich ein strahlend helles Licht wahr, das von Konrads Angesicht ausgeht und ihn, den Ritter, dermaßen blendet, dass er ihn nicht anzusehen vermag, in glicher wiß als och Moyses geschach dem grossen frúnt gotes. Dies numinose Zeichen lässt den Ritter erkennen, dass er sich getäuscht hat und daz es der wil gottes waz daz es ein fúrgang solte haben vnd daz es nit ein mönschlich werck waz/ sunder gottes (Kap. 10).253 Um die Evidenz der himmlischen Zeichen für Konrads gottgefälliges und heiligmäßiges Leben für die Reform durch eine Evaluation de vita zu stützen, wie sie auch für den spätmittelalterlichen Kanonisationsprozess mehr und mehr an Bedeutung gewonnen

|| 251 Ms. 2934, fol. 120r; Reichert IV/V, S. 17. 252 Ms. 2934, fol. 120v; Reichert IV/V, S. 18. 253 Ms. 2934, fol. 121r; Reichert IV/V, S. 19.

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hat,254 ergänzt Meyer noch die schriftlich tradierten Zeugnisse dreier herausragender Autoritäten der lateinischen Kirche und des Ordens, d.h. des Papstes, des Generalmeisters und des Ordensgelehrten Johannes Nider, die Konrad allesamt ein vorbildliches und verdienstvolles Leben in der Nachfolge des Ordensgründers Dominikus attestieren (Kap. 11). Speziell den Aspekt der Christusnachfolge akzentuiert der summarische Bericht von Konrads drei Reisen nach Palästina und seinen Besuchen der heiligen Stätten in Begleitung seines Gefährten Johannes von Witten, wobei die beiden für Christi Erlösungswerk zentralen Stationen, die Kreuzigung auf Golgatha und deren Antizipation in der Taufe im Jordan, in den Mittelpunkt gestellt sind (Kap. 12). In diesen Zusammenhang gehört denn auch Konrads besonderes Verlangen nach „der je neuen Teilhabe am priesterlichen Geheimnis Jesu Christi“,255 das darin zum Ausdruck kommt, dass er auf seinen Fahrten alle die ding [,] die zü der heiligen messe gehörent,256 stets mit sich führt, um das Offizium zu vollziehen, wann und wo immer er möchte. Die spezifischen Gnaden, die Konrad gerade bei der Feier der Eucharistie von Gott erfahren habe (und die schon das zweite der oben mitgeteilten Mirakel vorausnimmt), deutet Meyer freilich wiederum nur an, wenn er lediglich knapp von den heiligen engelen spricht, die jm gesihteklichen erschinen sint in der heiligen messe.257 Das Moment der Christusanalogie, das in der ehemals Nürnberger Handschrift Cgm 8081 noch durch die Marginalie: Er ist auch mit trucken füßen ber waßer gegangen bekräftigt worden ist,258 vermittelt auch das dann folgende Exemplum (Kap. 13). Es erzählt davon, wie Konrad großen Schmähungen und Verfolgungen ausgesetzt war, besunder so er ettliche clöster solte reformieren Oder so er ppige mönsch von súnden zog/ vnd des glich so müste er es gar sur erarnen/ mit bitterem liden truck vnd kumer. Im konkreten Fall widersetzte sich Konrad als Vikar des Klosters Wijk bij Duurstede, einer Observanzgründung nach dem Vorbild Schönensteinbachs in der Provinz Saxonia, der Forderung eines mehtige[n] panerherre[n] genant der von breitenrot, ihm seine in Wijk eingetretene Ehefrau zurückzugeben, nachdem er, vom bösen geist getrieben, einseitig den einst gemeinsam mit ihr gefassten Entschluss zu einem monastischen Leben revidiert und den Kartäuserorden mit freffelichem gewalt wieder verlassen hatte.259 Bei einer öffent|| 254 Vgl. André Vauchez: La sainteté en Occident aux derniers siècles du Moyen Âge d’après les procès de canonisation et les documents hagiographiques. Édition revue et mise à jour: Deuxième tirage. Rom 1988 (Bibliothèque des Écoles françaises dʼAthènes et de Rome 241), S. 55f. 255 Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.): Jesus von Nazareth. Zweiter Teil: Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung. Freiburg i.Br. 2013, S. 262. 256 Ms. 2934, fol. 122v; Reichert IV/V, S. 21. 257 Ms. 2934, fol. 123r; Reichert IV/V, S. 21. 258 Cgm 8081, fol. 136r (oberer Seitenrand). Der Passus fehlt sowohl in Ms. 2934 wie auch in Fonds Herzog, 1f22, d.h. er dürfte erst in Nürnberg hinzugesetzt worden sein, von einer späteren Hand, der wohl auch die Marginalien bzw. Ergänzungen fol. 75r (Rubrik zum Kriterienkatalog), 113r (zur aus Nürnberg stammenden Schönensteinbacher Schwester Magdalena Bechererin) und 136v (noch zu Konrad von Preußen) zuzuweisen sind. Die St. Galler Handschrift 1916 hat den Nachtrag S. 355, am Kapitelende, in den Fließtext integriert, und entsprechend ist er auch in Reicherts Ausgabe gelangt (IV/V, S. 21). 259 Ms. 2934, fol. 123rv; Reichert IV/V, S. 21f.

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lichen Anhörung, die der Bischof von Utrecht zur Beilegung der dem Kloster und der Stadt Wijk vom Ehemann angetragenen Fehde anberaumte, verharrte seine Gattin aus freien Stücken bei ihrem Bekenntnis zur obseruanczie des heiligen predier ordens. Und so nam der getruwe hirte vatter Cünrad wider sin liebes scheffelin dem der vigentlich wolff so gever waz/ Vnd det daz mit fröiden in den schoffstal des closters, während der vnselige tiranne bald darauf in einem Kampf auf Seiten des Königs von England getötet wurde, nachdem der König von Frankreich seine Waffenhilfe wegen des gebrochenen Ordensgelübdes und des davon zu erwartenden Unglücks abgelehnt hatte.260 Damit lenkt die Narration den Blick hier insbesondere noch auf Konrads Dienst am Nächsten, seine Meriten als Seelsorger und speziell sein Engagement für die cura monialium unter den Auspizien der Ordensreform. Konrad wird auch hier als wahrer Nachfolger des Dominikus profiliert, denn er folgt ganz dem „Zweckgedanken seines Ordens“: „dem Seelenheil des Nächsten nützlich sein“.261 Das Schlusskapitel der Vita behält diese Perspektive bei, indem es von Konrads letzten Jahren in Schönensteinbach berichtet, von der kontinuierlichen Ausübung seines priesterlich-sakramentalen Amtes in Predigt und Beichte (dies zumal gegenüber den leigen, wozu ihn eine päpstliche Lizenz berechtigt) trotz schwerer Krankheit und von

|| 260 Ms. 2934, fol. 124r; Reichert IV/V, S. 23. – Es handelt sich hierbei um den Kasus des Jan van Brederode, der auch der Pariser theologischen Fakultät um das Jahr 1411 zur Klärung vorgelegt worden war und zu dem speziell eine Stellungnahme von Johannes Gerson existiert (dazu ausführlich Burger: Aedificatio, Fructus, Utilitas, S. 173–176). Jan van Brederode „hatte im Jahr 1402 seinem Bruder seine Güter abgetreten mit der Auflage, davon seine Gläubiger zufriedenzustellen“, und war in einen Kartäuserkonvent eingetreten (ebd., S. 173). Als 1407 sein Schwiegervater Willem van Abcoude starb, entschloss er sich jedoch, dessen Erbe im Namen seiner bei den Dominikanerinnen in Wijk lebenden Gemahlin Johanna van Abcoude anzutreten und in die Welt zurückzukehren. Er entführte seine Frau im April 1410 gewaltsam aus ihrem Konvent, wurde darauf aber durch den Bischof von Utrecht, Friedrich von Blankenheim, aufgehalten und gefangengesetzt. Johanna starb im Januar 1411 im Kloster zu Wijk, Jan vier Jahre später in der Schlacht von Azincourt (vgl. auch Servatius Petrus Wolfs: Middeleeuwse dominicanessenkloosters in Nederland. Assen/ Maastricht 1988, S. 99). In seinem Gutachten zur „Pflichtenkollision zwischen unbezahlten Schulden und dem Klostergelübde“ (Burger: Aedificatio, Fructus, Utilitas, S. 173) war Gerson dagegen zu dem Schluss gekommen, Jan „solle zunächst seine Schulden tilgen. Auch während dieser Zeit soll er nach Kräften und Möglichkeiten seine Gelübde erfüllen – so soll er beispielsweise keusch leben. Wenn er erst seinen Schuldnern Genüge getan hat, ist er von den Anforderungen der ,Welt‘ frei und soll wieder in seine Kartause eintreten“ (ebd., S. 176). Johannes Meyer – oder auch schon seine Quelle(n) aus dominikanischem Umfeld (?) – funktionalisiert die Geschehnisse wiederum in einem sehr eigentümlichen Sinne, im Modus des Exemplums, wenn er insbesondere die ökonomische und erbrechtliche Motivation ganz beiseitelässt und stattdessen Jans – offenbar zudem durch eine päpstliche Dispens lizensierten (dazu J. Peter Gumbert: Jan van Brederode: een beetje nieuw licht uit Nieuwlicht. In: Codex in context. Studies over codicologie, kartuizergeschiedenis en laatmiddeleeuws geestesleven. FS Albert Gruijs. Hrsg. von Christian de Backer, A.J. Geurts und A.G. Weiler. Nijmegen/Grave 1985, S. 161–174) – Austritt aus dem Kartäuserorden und vor allem sein Vorgehen gegen die observante Klostergemeinschaft von Wijk allein im Licht einer fundamentalen dämonischen Opposition gegen die von Konrad von Preußen und seiner geistlichen Tochter Johanna standhaft verteidigte Geltung der heilsverheißenden monastischen Lebensordnung und Observanz des Ordens darstellt. 261 Künzle: Seuses Horologium Sapientiae, S. 92.

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der geistlichen Leitung der Schwestern hin zur tugent der er vol waz, ehe denn sein Leben am Sonntag Laetare des Jahres 1426 endete (Kap. 14).262 Den Schwerpunkt, den der hagiographische Text im Falle Konrads auf die vita activa, auf seinen kaum zu übertreffenden Einsatz für die Ordensreform und dabei, entsprechend den programmatischen proposita seines Ordens, für die cura animarum und das gesamte Corpus Christianum legt, und zugleich die Martha/Maria-Konstellation reflektiert auch die Vita von Konrads Bruder Thomas von Preußen (Kap. 15), indem sie genau das andere, das Konzept der vita contemplativa und Gottesliebe akzentuiert und gegen das tätige Leben Konrads abgrenzt,263 um dann im Anschluss an Johannes Niders Urteil264 über Thomas zu konstatieren: Der hette ein sölichs behütsam sicher leben gefüret/ Daz er den andren ein spiegel der tugen gewesen ist biß an den vß gang sins lebens. Tatsächlich schwingt die Polarität beider Lebensformen auch in der Erzählung vom plötzlichen Tod265 des Thomas von Preußen mit, die das Kernstück der kurzen Biographie bildet: Als Beichtvater der Schönensteinbacher Schwestern ließ Thomas einen der beiden alten Glockentürme der Klosterkirche abbrechen, daz daz closter nit so weltlich stund mit zweien solichen túrnen. Vnd do er eines tages sin gebet vnd andaht het volbroht/ vnd mesß gelesen hette mit grosser andaht/ So wil er och helffen arbeiten. Er steigt hinauf auf das Dach des Chors, tut einen falschen Schritt und fällt kopfüber in den Chor hinunter. Die Haltung und Gebärde, in der die Schwestern den Sterbenden unten auffinden, in solichem tötlichen smerczen, die Arme vs gespannen in krúcz wiß, mit drei Nägeln in der einen Hand und einem Hammer in der anderen, verwandelt sich der Figuration des gekreuzigten Christus an und signalisiert das im Tod erlangte höchste Maß der Gottverähnlichung.266 Nachdem sein Bruder ihn noch mit den Sterbesakramenten hatte versehen können, schied sin selige sele – so versichert der Text im Vertrauen auf die erbermde Gottes und mit Hinweis auf bald bekannt gewordene

|| 262 Ms. 2934, fol. 124v; Reichert IV/V, S. 23. 263 Vnd ist ein gemein red gesin von vnseren elteren die dise zwen heiligen vetter bekant hand/ Daz disser brüder Thoma in andaht vnd heilikeit vnd in kunst hab bertroffen sinen brüder Cünrad/ Wie daz ist daz doch vatter Cünrad me früht vnd nücz an fremden selen vnd mönschen geschaffet möge haben So ist aber diser vatter Thoma gar in gezogen vnd gar eins beschowenlichen lebens gewesen/ Vnd eins minerichen brinenden herczen zü got (Ms. 2934, fol. 125r; Reichert IV/V, S. 24). 264 Nider: Formicarius, S. 327f. (IV,12). 265 Wie Nider neutralisiert auch Meyer die sonst mit dem Ereignis des jähen Todes verbundene Irritation hinsichtlich des Heilsstandes des Verstorbenen durch den Verweis auf die sittliche Vollkommenheit zu Lebzeiten. 266 Ms. 2934, fol. 125v; Reichert IV/V, S. 24f. – Man wird die hier gezeichnete Möglichkeit religiösen Lebens vielleicht in eine Tradition einordnen können, die bis auf Klemens von Alexandrien und dessen Unterscheidung eines ,theoretischen‘ und ,praktischen Lebens‘ unter frühchristlichen Vorzeichen zurückreicht: „Im theoretischen Leben also sorgt man, indem man Gott ehrt, für sich selbst und schaut durch eigene fleckenlose Reinigung den heiligen Gott in heiliger Weise; denn die Sittsamkeit, wenn sie zur Seelenverfassung geworden ist, wird, indem sie sich selbst unablässig bewacht und beschaut, zur möglichsten Gottähnlichkeit“ (Stromata IV,23, die deutsche Übersetzung von Franz Overbeck zit. nach Haas: Gottleiden, S. 98).

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postmortale Zeichen – in aller swesteren angesiht vnd gegenwúrtikeit von zit in ewiges leben.267 Einen Ausgleich beider Lebensformen führt die Vita Johannes Niders vor, für die Meyer – das deuten signifikante Parallelen bis in einzelne Formulierungen hinein an – gerade auch auf das Porträt Niders in den Vitas fratrum praedicatorum conventus Basiliensis des Johannes von Mainz zurückgegriffen hat.268 Nider war nach Konrad von Preußen Vikar des Schönensteinbacher Klosters und wird von daher, obgleich er seine letzte Ruhestätte im Nürnberger Predigerkonvent gefunden hat, den drei ersten Klosterseelsorgern, Konrad und Thomas von Preußen sowie Johannes von Witten, an die Seite gestellt und der seligen gedehtnisß vnser nochkomen anbefohlen. An ihm preist Meyer vorweg seine bescheidenheit vnd gnoden in leben vnd lere sowie seine großen Verdienste für die Ordensreform und insbesondere die in seiner Person manifeste normative Orientierung, und zwar in Gestalt des von ihm in Wort und Werk vermittelten und auch nach seinem Tod für alle reformierten Klöster der Teutonia verbindlich gebliebenen Leitbildes observanten Lebens (Kap. 17).269 Obwohl nun Nider in vielerlei Bereichen der vita activa zum Nutzen des Corpus Christianum bekümmert gewesen sei – von seiner Teilnahme an den Konzilien von Konstanz und Basel und der Mission zu den Hussiten über die Reformierung einer Vielzahl von Ordensklöstern und verschiedene ordensadministrative Aufgaben bis hin zu den Verpflichtungen der Seelsorge und vielfältigen pastoralen Beratung von Klerikern und Laien –,270 habe ihn dies weltzugewandte und rastlose Leben im Zeichen manigfaltige[r] vsserliche[r] gehorsam abgehalten weder von der Möglichkeit jnnerlicher beschöwelicheit vnd herczeklicher andaht vnd gebette zü gott noch von seinen literarischen Arbeiten und schönen bücheren die er zü troste der kristenheit gemaht het (Kap. 18).271 Neben die vita contemplativa tritt hier als Komplement zur vita activa somit die für das spirituelle Profil des Predigerordens immer schon konstitutive Tätigkeit des Schriftgelehrten und Literaten, dessen erlühte kunst, nun im Zeichen observanter Ideale (so wird man ergänzen dürfen), vil heilsamer núcz güter kristlicher lere vß gegossen habe.272 Und so widmet Meyer ein Kapi-

|| 267 Ms. 2934, fol. 126r; Reichert IV/V, S. 25. 268 Basel, Universitätsbibliothek, A XI 42, fol. 97r–119r, die Vita Niders hier fol. 106v–108v (zur Abhängigkeit von Meyers Nider-Vita von der Darstellung des Johannes von Mainz schon Egger: Beiträge zur Geschichte des Predigerordens, S. 230, detailliert zuletzt Huijbers: Zealots for Souls, S. 44–46). Zu dieser lateinischen Schrift des Johannes von Mainz zur Reform des Basler Predigerkonvents und zum Leben der ersten observanten Brüder, die spezifische Strukturparallelen zu den Büchern I–III des Buchs der Reformacio erkennen lässt und die Meyer selbst in V,24 erwähnt, siehe o. S. 92 mit Anm. 16. 269 Ms. 2934, fol. 127r; Reichert IV/V, S. 26. 270 Zu Niders Biographie vgl. Margit Brand: Studien zu Johannes Niders deutschen Schriften. Rom 1998 (Institutum Historicum Fratrum Praedicatorum. Dissertationes Historicae 23), S. 11–31; Tschacher: Der Formicarius des Johannes Nider, S. 31–80. 271 Ms. 2934, fol. 127v–128r; Reichert IV/V, S. 27. 272 Von daher mögen sich hier gewisse Parallelen zu Thomasʼ Konzept der vita mixta bzw. des contemplata aliis tradere andeuten (vgl. dazu Ruh: Geschichte der abendländischen Mystik 3, S. 162f.; Haas: Gottleiden, S. 100f.; Hinnebusch: History of the Dominican Order 1, S. 124).

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tel der Vita allein einem extensiven Katalog der lateinischen Schriften des überragenden und auf breiter Basis für das Wohl der heiligen kirchen fruchtbaren Reformtheologen, die jeweils mit Blick auf ihren Inhalt und Gebrauchszusammenhang charakterisiert und erläutert werden (Kap. 20).273 Die anschließende Narration von Niders Tod kontrastiert deutlich mit der Erzählung vom Ableben des Thomas von Preußen. Denn hier wird gerade, im Rekurs auf den Bericht des Johannes von Mainz,274 die sich in mehreren Stufen vollziehende wohlgeordnete Vorbereitung auf den nahenden Tod und mithin ein Exemplum sicheren, seligen Sterbens vorgeführt, das ganz im Einklang mit der vorherigen Lebensführung steht. Dieser Prozess setzt mit Niders Widerruf möglicher Verfehlungen in Predigt und Lehre in Gegenwart der an seinem Sterbelager versammelten Nürnberger Väter und Brüder als Zeugen an und führt über das Bekenntnis der worheit des kristlichen glöbens, über die Vermahnung der Anwesenden zur Kontinuierung der ,heiligen Observanz‘, über die Lektüre von der bücher eim Sanctus Bernhardus wider den kampff des todes275 und den im festen Vertrauen auf Gott angesichts der eigenen lebenslangen Heilssorge und Läuterungspraxis ausgesprochenen Verzicht auf eine ,ganze Beichte‘ in der Todesstunde schließlich hin zum Empfang der Sterbesakramente und einem letzten Bekenntnis des Glaubens an Christus, den behalter der welt (Kap. 21).276 Die Reihe der Väterviten beschließt die Lebensbeschreibung des Johannes von Mainz, die als einzige mit der Geburt des Bruders einsetzt und das biographische Verlaufsschema von da aus entfaltet. Doch steht das lineare Modell ganz im Dienst des übergeordneten Ziels, Johannesʼ besondere Verehrung Marias zu profilieren, die er so herczlichen liep hette gehöbet von sinen kintlichen tagen biß an sin ende. Diese enge Beziehung wird mit dem Läuten des Ave Maria in der Geburtsstunde etabliert und durch das Gelübde der Mutter des Knaben gefestigt, er solle Marias ewiger diener sein, wenn sie ihn denn mit ihrer Für-

|| 273 Ms. 2934, fol. 129r; Reichert IV/V, S. 29. Für die bei Meyer genannten Schriften Niders sei verwiesen auf die Zusammenstellungen bei Kaeppeli: Scriptores Ordinis Praedicatorum 2, S. 500–515 und bei Eugen Hillenbrand: Nider, Johannes. In: 2VL 6 (1987), Sp. 971–977 (Meyer erwähnt, in dieser Reihenfolge, die Nr. 10, 11, 9, 14, 7, 17, 6, 1, 18, 13, 15, 8, 16, 12 in Hillenbrands Verzeichnis, dazu noch summarisch, als v büch, Niders Predigten). Bereits Johannes von Mainz verweist – abgesehen von den Predigten – auf die bei Hillenbrand als Nr. 9, 11, 14, 10, 13, 17, 6, 18 gezählten Schriften, ohne aber eine Kurzcharakteristik zu geben (A XI 42, fol. 108r). Vgl. zu Niders Schriften weiterhin die Übersichten bei Brand: Niders deutsche Schriften, S. 33–39 (lat. Schriften) und 157–177 (dt. Predigten und Sendbriefe); Stefan Abel: Johannes Nider, Die vierundzwanzig goldenen Harfen. Edition und Kommentar. Tübingen 2011 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 60), S. 31–42. 274 A XI 42, fol. 108v. 275 Ich kann die Angabe nicht eindeutig zuordnen. Johannes von Mainz spricht hingegen von einem tractatulus Bernhardi de Meditacione (A XI 42, fol. 108v). Generell zum Einfluss Bernhards von Clairvaux und speziell seiner Epistola 105 ad Romanum Romanae Curiae Subdiaconum auf die Ars-moriendi-Literatur siehe Rainer Rudolf: Ars moriendi. Von der Kunst des heilsamen Lebens und Sterbens. Köln/Graz 1957 (Forschungen zur Volkskunde 39), S. 12–14. 276 Ms. 2934, fol. 130v; Reichert IV/V, S. 30f.

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bitte bei Gott vor der grassierenden Pest bewahre.277 Sie setzt sich fort mit der Ausbildung des Heranwachsenden in dem tempel der müter gottes des múnsters zü Mencze278 und schließlich im Erwachsenenalter mit dem Eintritt in den gerade reformierten Konvent der Basler Prediger – als ihn nämlich got der herre von der welt zü einem geistlichen stot berüffen wolt jm vnd siner lieben müter zü dienen und er im Gefolge des Mainzer Erzbischofs am Konzil zu Basel teilnahm und dort daz tügentriche leben der brüder predier ordens erkannte.279 In Basel nahm Johannes so grösßlichen zü an leben vnd kunst/ daz er der erste lese meister wart der selben observanczien/ Vnd in der natúrlichen vnd götlichen kunst wol getriben waz vnd ein gnodenricher predier vnd dichter vil schöner bücher280 (Kap. 22).281 Die an Johannes von Mainz exemplifizierte individuelle Mariendevotion, die Johannes übrigens selbst in seinen Vitas fratrum praedicatorum conventus Basiliensis als ein Charakteristikum der intensiven Spiritualität der ersten Väter der Basler Observanz akzentuiert hat,282 zielt als Paradigma freilich zugleich auf die (einst von den Zisterziensern übernommene) exklusive Marienfrömmigkeit des Ordens und speziell nun der Repräsentanten seines observanten Zweiges, die sich gerade auch dadurch auf die Anfänge der Kommunität zurückbesinnen – man denke etwa an die Gründungsgeschichte des Ordens, wie sie in den Vitas fratrum Gerhards von Frachet um die Mitte des 13. Jahrhunderts entworfen wird und wo Maria eine herausgehobene Position zukommt –,283 dass sie sich mit Nachdruck der Verehrung der Gottesmutter zuwenden und sich ihrer besonderen Protektion versichern.284 Insofern ist der Weg des ,ewigen Dieners‘ Marias in den Orden von der Providenz vorgezeichnet, die damit nicht nur – so das Credo des Textes – den Einzelnen, sondern auch die observante Ordensgemeinschaft insgesamt in spezifischer Weise ausgezeichnet hat. Um die Authentizität des heiligmäßigen Lebens des Johannes von Mainz zu verbürgen, tritt der Verfasser, Johannes Meyer, sodann selbst in der Ich-Form hervor. Er legt dar, wie er sich den älteren Bruder in jungen Jahren zum geistlichen Mentor und Beichtiger

|| 277 Zur traditionellen Verehrung der Gottesmutter als „Geburtshelferin“ siehe Schreiner: Maria, S. 57–60, zur „Retterin in Zeiten der Pest“ ebd., S. 260–262. 278 Gemeint ist wohl das unmittelbar östlich des Doms gelegene Kollegiatstift St. Maria ad gradus, das Anfang des 19. Jahrhunderts abgebrochen wurde. 279 Vgl. auch die biographischen Angaben bei Egger: Beiträge zur Geschichte des Predigerordens, S. 32– 35. 280 Zu den Schriften des Johannes von Mainz siehe Kaeppeli: Scriptores Ordinis Praedicatorum 2, S. 480f.; Neumann: Johannes von Mainz, Sp. 676f.; Neidiger: Selbstverständnis und Erfolgschancen, S. 103. 281 Ms. 2934, fol. 131rv; Reichert IV/V, S. 32. 282 A XI 42, fol. 99v–100r (II,1: Primum capitulum de jntenso amore eorum ad beatissimam virginem). Vgl. Egger: Beiträge zur Geschichte des Predigerordens, S. 43f. 283 Vitae Fratrum (ed. Reichert), S. 6–64 (Teil 1). Vgl. dazu Füser: Exemplum Christi, S. 70f., 78–80; Schürer: Exemplum, S. 148–150, 199–203. 284 So wird von Johannes von Mainz weiter berichtet, dass er in schlaflosen Nächten die müter gottes angerufen habe, daz sú in och bespre[n]gen und gesegenen wer/ Also sú den ersten heilgen vetteren des ordens hette geton (Ms. 2934, fol. 133r; Reichert IV/V, S. 34).

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erwählte, als er sein vortreffliches Leben wahrnahm, um durch ihn zu einem besseren Lebenswandel angespornt zu werden, und wie er speziell im Beichtgespräch von den Tugenden und Gnaden seines Mentors Kenntnis erlangte – obgleich dieser sie ganz im Verborgenen zu halten suchte.285 Meyer deutet damit indirekt auch die Hintergründe der Entstehung der Lebensbeschreibung im Ganzen an, die zu einem gewissen Teil, so wird suggeriert, auf dem im Lehrer-Schüler-Verhältnis bzw. in der Konstellation Beichtvater/ geistlicher Sohn begründeten engen persönlichen Kontakt zwischen dem Biographen und dem Porträtierten fußt.286 Er berichtet im Detail von Johannesʼ inniger Andacht zu vnser lieben frowen mettin, ferner von seinem Eifer zum Studium und insbesondere von der ihm eigenen Gabe der Kontemplation, die etwa die Betrachtung der vnczeliche[n] grösse der berwúrdigen müter gottes Maria oder der ewigen wißheit287 genauso einschließt wie vor allem auch die identifikatorische Imagination des Leidens Christi und des Mitleidens seiner Mutter und deren Intensität bisweilen körperliche Sensationen hervorruft (Kap. 23). In besonderem Maße verkörperte Johannes die Tugend der demüt, die ihn alle ere vnd wúrdikeit, die ihm als kústeriche[n] leß meister entgegengebracht wurden, meiden ließ.288 Daneben zeichnete er sich durch die Sorge um das Seelenheil seiner Mitmenschen aus, die sich bisweilen auch darin offenbarte, daz er fúr sin eigen [súnd] vnd sins nehsten sich selbes mit strenger disciplinen geislen waz noch dem exempel vnsers heilgen vatters Sante Dominicus.289 Zehn Jahre amtierte er zuletzt als Beichtvater (und Vorgänger Johannes Meyers) in Schönensteinbach, do er bleib bis an sinen tod/ Vnd vil truwen waz er den kinden des closters bewisen (Kap. 24).290 Im Kontext der bekannten dominikanischen Schwesternbücher hat das Corpus der Viten der Schönensteinbacher Väter kein Äquivalent. Zwar haben auch die Nonnenbücher in zwei Fällen jeweils eine Kurzvita eines Klosterseelsorgers in ihre Kollektionen von Schwesternviten aufgenommen – nämlich das Kirchberger Schwesternbuch die Biographie des Kaplans Walther und das Engelthaler Schwesternbuch die des Kaplans Friedrich Sunder –,291 doch wird man mit Susanne Bürkle zurecht von „Ausnahme[n]“ sprechen

|| 285 Zum Topos der ,Heimlichkeit der Gnaden‘ vgl. o. S. 121f. 286 Es liegt hier eine für die Vitenliteratur nicht untypische Konstellation vor. So schildert etwa auch Johannes von Mainz in den Vitas fratrum praedicatorum conventus Basiliensis die Vorbildwirkung seines Mentors und Beichtvaters Frater Luczmannus für ihn selbst in der Biographie, die er ihm gewidmet hat: A XI 42, fol. 108v–109r; vgl. Egger: Beiträge zur Geschichte des Predigerordens, S. 32, 229; auch Meyer erwähnt diesen lutzman in V,23 des Buchs der Reformacio unter den 13 aus Nürnberg nach Basel gesandten Reformbrüdern (Ms. 2934, fol. 171v; der Name im Cgm 8081, fol. 190v, verlesen zu wiczman und so dann auch bei Reichert IV/V, S. 74). 287 Ms. 2934, fol. 132r; Reichert IV/V, S. 33. 288 Ms. 2934, fol. 132v; Reichert IV/V, S. 33f. 289 Ms. 2934, fol. 132v–133r; Reichert IV/V, S. 34 (das in Ms. 2934 fehlende súnd wurde nach dem Text von Ranckenthalls Abschrift der ,Urfassung‘, Fonds Herzog, 1f22, S. 541 ergänzt). 290 Ms. 2934, fol. 133r; Reichert IV/V, S. 34. 291 Ferner überliefert der Codex 164.1 Extravagantes (W) der Wolfenbütteler Herzog August Bibliothek einen Appendix zu den Vitae sororum des Colmarer Unterlindenklosters mit Nachrichten zu den ersten

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können, die die grundsätzliche Tendenz bestätigen, dass die Seelsorger und Kapläne „kein Thema der frauenmystischen Literatur des 14. Jahrhunderts“ sind, insofern es hier vorrangig um die Darstellung der „hailig bunge und ussgenommen gnaden des Nonnenkonvents“ geht.292 Darüber hinaus passen sich diese Ausnahmen „in das Konzept der Nonnenbücher“ ein, denn gerade mit den Kaplänen als Angehörigen der jeweiligen monastischen Gemeinschaft „kann die Heiligkeit des g e s a m t e n Konvents demonstriert, gegenüber dem Orden in gewisser Weise sogar die seelsorgerische ,Autonomie‘ des Klosters akzentuiert werden“.293 Indem Johannes Meyer nun seine Sammlung von Viten der ersten Schönensteinbacher Schwestern ergänzt um die Viten ihrer Vikare und Beichtväter, ist es ihm einerseits um die Memoria dieser herausragenden Seelsorger und veritablen Nachfolger des Dominikus zu tun, die dem Kloster in truwe/ liebe/ vnd frintschafft294 so sehr verbunden waren und deren fruchtbares Wirken zugunsten des Reformkonvents gerade auch in den Obituarien der Schönensteinbacher Dominikanerinnen bezeugt ist. Andererseits zielt das Nebeneinander von Frauen- und Männerviten dezidiert auf die Identität, Integration und Kohäsion des Gesamtordens und zuvorderst seiner observanten Fraktion, und es markiert die bedeutende Rolle nicht nur der Reformer des Ersten Ordens für die Konstitution der observanten Schönensteinbacher Kommunität, sondern auch der Schönensteinbacher Schwestern für das ,heilige Werk‘ der Reform des Zweiten Ordens im Bereich der Teutonia: Im Kollektiv der ,alten Väter und Mütter‘ treten die Schönensteinbacher Tugendvirtuosinnen neben die charismatischen Reformer, Theologen und Seelsorger des Ersten Ordens. Die Perspektive des Konvents, auf die sich das Genre der Nonnenviten sonst mehr oder minder konzentriert, öffnet sich demnach auf die des Ordens hin. Die ,Urfassung‘ von 1464 hat diesen Konnex freilich noch stärker zum Ausdruck gebracht, denn hier füllen die Schwesternviten zusammen mit den Brüderviten, d.h. im Anschluss an sie, den abschließenden IV. Teil. Zugleich profilieren gerade auch die Brüderviten die fundamentalen Aspekte observanter Spiritualität. Indes stehen hier nun im Sinne einer „geschlechtsspezifischen Ausdifferenzierung“295 die für den Männerorden typischen Frömmigkeitsmodelle296 im Vorder|| Beichtvätern des Konvents. Diese Kompilation eines Bruders Johannes ist allein im Zusammenhang der von der Priorin Elisabeth Kempf verantworteten und womöglich zwischen 1470 und 1480 entstandenen deutschen Übersetzung (des lateinischen Schwesternbuchs der Katharina von Gueberschwihr) der Wolfenbütteler Handschrift erhalten. Dazu im Einzelnen Karl-Ernst Geith: Elisabeth Kempfs Übersetzung und Fortsetzung der Vitae Sororum der Katharina von Gueberschwihr. In: Annuaire de la Société d’Histoire et d’Archéologie de Colmar 32 (1984), S. 27–42, hier S. 32–34, 37f. 292 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 132f. 293 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 136 (Hervorhebung im Original). 294 Ms. 2934, fol. 126r; Reichert IV/V, S. 25. 295 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 144f. 296 Grundsätzlich zu den spezifischen Frömmigkeitsprofilen der männlichen und weiblichen Heiligen des Dominikanerordens Vauchez: La sainteté en Occident, S. 388–410. Wenn Vauchez darauf hinweist, dass sich vom Ende des 13. Jahrhunderts an ein Graben auftue „entre un modèle essentiellement masculin, qui

Progression und Prosperität der Reform | 153

grund, die durch das apostolische (Reform-)Leben der Brüder in der Welt und die Ordensziele der cura animarum, der Predigt und des Studiums gekennzeichnet sind, im Falle des Johannes von Mainz speziell noch durch die den Predigerbrüdern eigene Mariendevotion. Gleichwohl fungieren die Exempla der Väter und Brüder als ein Imitabile, das im Zeichen der Identität des Ordensganzen und seiner spirituellen Leitgedanken und vor allem des überwölbenden Ideals der monastischen Observanz die Frömmigkeitsformen der Viten der Schönensteinbacher Mütter ergänzt.

3.5 Progression und Prosperität der Reform jenseits der Antagonismen der Ereignisgeschichte Die ordensgeschichtliche Perspektive dominiert dann vor allem im weitaus umfangreichsten V. Buch, dessen Narrativ die Ereignisgeschichte der Erneuerung des Ordens, wie sie sich aus der Sicht der Propagatoren der dominikanischen Observanzbewegung darstellt, in der Sequenz der Reformgeschichten der einzelnen Konvente entfaltet. Das Grundgerüst bildet demnach die Chronologie der Reform der dominikanischen Männer- und Frauenklöster der deutschen Ordensprovinz, auf die sich Meyers Bericht im Wesentlichen beschränkt. In jeweils unterschiedlicher Dichte und detailrealistischer Konturierung schildert der Text die Vorbereitung, Durchführung und Wirkung oder auch Komplikation der individuellen Reformvorgänge, wobei im Falle einiger Nonnenklöster auch Viten oder Exempla der beteiligten Reformschwestern oder ersten Insassinnen des observanten Konvents inseriert sind.297 Wenngleich Buch V die von Konvent zu Konvent fortschreitende Reform des Ordens und mithin zunehmende Institutionalisierung der dominikanischen Observanzbewegung dokumentiert, die nun gegenüber dem in den Zeiten der Gründung und initialen Ausbreitung des Ordens vorherrschenden „Prinzip der Flächenaufteilung“

|| fait une large place à lʼactivité intellectuelle et doctrinale, et un courant ascétique et mystique auquel se rattachent toutes les saintes du temps, beaucoup plus fascinées par la ,magie des extrêmes‘ que par la science ou la théologie“ (S. 409), dann wird man dem wohl hinzufügen dürfen, dass gerade die Ordensreformer des 15. Jahrhunderts auf eine Wiederannäherung beider Formen unter den Vorzeichen des Leitprinzips der monastischen Observanz setzen. 297 Als mögliches Modell ließe sich hier Bernard Guis historiographische Darstellung De fundatione et prioribus conventuum provinciarum Tolosanae et Provinciae ordinis Praedicatorum (so der in MOPH 24 gewählte Titel) anführen, die die Geschichte der beiden südfranzösischen Ordensprovinzen entlang der chronologisch organisierten Sequenz der Gründungserzählungen der ihnen jeweils zugehörenden (Männerund Frauen-)Konvente entwickelt und dabei ihren Ausgang nimmt von der allerersten, vom Ordensstifter Dominikus selbst initiieren Gründung Prouille. Den verschiedenen Fundationsgeschichten (oder auch nur Notizen zur Klostergründung) folgen jeweils die entsprechend der Amtssukzession ebenfalls chronologisch angeordneten Reihen von Biogrammen der einzelnen Prioren: Bernardus Guidonis: De fundatione et prioribus conventuum provinciarum Tolosanae et Provinciae ordinis Praedicatorum. Hrsg. von P.A. Amargier. Rom 1961 (MOPH 24). Zum Text – auf der Grundlage der älteren Edition von Martène/Durand – vgl. Jäkel: Kontinuitätskonstruktionen, S. 54–58.

154 | Das Buch der Reformacio als Programmschrift

gerade auf das traditionelle monastische „Filiationssystem“ zurückgreift,298 bleibt der Bezug zur Klostergeschichte Schönensteinbachs gewahrt. Denn Johannes Meyers Beschreibung des Prozesses setzt nicht etwa mit der Reform der Predigerkonvente zu Colmar (1389) und Nürnberg (1396) an – wenn sie auch vorweg, in der Vorrede, als früheste Konvente und Modellklöster der observanten Predigerbrüder in der Teutonia herausgestellt werden –, sondern mit den ersten Filiationen Schönensteinbachs, den Konventen zu Wijk bij Duurstede und Westeroyen in der Provinz Saxonia. Die Erzählung priorisiert die Perspektive des Zweiten Ordens. Vor allem auch mit den bisweilen integrierten Viten der ersten observanten Schwestern iterieren die verschiedenen Reformgeschichten der Filialklöster das literarische Muster der Chronik von Schönensteinbach in komprimierter Form und schlagen somit im Sinne einer zyklischen Komposition immer wieder einen Bogen zurück zu den Anfangsteilen des Buchs der Reformacio Predigerordens, so dass trotz der „Linearität“ des Erzählverlaufs in toto ein Eindruck „kreishafter Geschlossenheit“ entsteht.299 Tab. 4: Reform der dominikanischen Ordensklöster300 Nr.

Konvent

Jahr

Kap. (BdR, Buch V)

1

Wijk bij Duurstede

Dominikanerinnen

o. A.

2/3

2 3

Westeroyen

Dominikanerinnen

o. A.

4/5

Colmar, Unterlinden

Dominikanerinnen

1419

5 (Ende)

4

Bern

Dominikaner

1419

6

5

Basel, St. Maria Magdalena

Dominikanerinnen

1423

7–14

6

Nürnberg, St. Katharina

Dominikanerinnen

1428

15–19

7

Basel

Dominikaner

1429

20–24

8

Pforzheim

Dominikaner

1429

25

9

Liebenau

Dominikanerinnen

1425

26

10

Hochheim, Maria Himmelskron

Dominikanerinnen

1429

27

11

Straßburg, St. Nikolaus in undis

Dominikanerinnen

1431

28–38

12

Wien

Dominikaner

1434

39

13

Tulln

Doppelkloster

1436

40

|| 298 Melville: Welt der mittelalterlichen Klöster, S. 204 (zur Gründungsphase des Predigerordens). 299 Claus-Michael Ort: Zyklus. In: RLW 3 (2003), S. 899–901, hier S. 899. 300 In der Tabelle sind die Unstimmigkeiten der Kapitelzählung von Ms. 2934 stillschweigend korrigiert, zudem wurde die am Ende, ab fol. 251r (beginnend mit Weißenburg 1466) fehlende Zählung ergänzt. Im Anschluss an Wien 1434 (Kap. 39) verweist der Text summarisch noch auf die von Wien aus reformierten Konvente Krems, Bozen, Retz, Pettau, Wiener Neustadt, Vallis Senarum (die Neugründung Neukloster im Sanntal), im Anschluss an Mainz 1468 (Kap. 87) auf observante Neugründungen in Graz, Stuttgart, Heidelberg, Steyr sowie auch, ohne nähere Spezifizierung, in Brabant, die alle in der Tabelle nicht berücksichtigt sind.

Progression und Prosperität der Reform | 155

Jahr

Kap. (BdR, Buch V)

Dominikanerinnen

1438

41–43 (41)

Bern, St. Michael in der Insel

Dominikanerinnen

1439

44

Pforzheim

Dominikanerinnen

1442

45–47

17

Worms

Dominikaner

1447

48

18

Eichstätt

Dominikaner

1447

48

19

Bamberg

Dominikaner

1451

49

20

Würzburg (Reformversuch)

Dominikaner

1451

49/50

21

Bamberg, Heilig Grab

Dominikanerinnen

1457

50

22

Wimpfen

Dominikaner

1459

51

23

Landshut

Dominikaner

1461

51

24

Gebweiler

Dominikaner

1461

52/53

25

Speyer, St. Maria Magdalena

Dominikanerinnen

1463

54/55

26

Schlettstadt, Silo

Dominikanerinnen

1464

56

27

Köln

Dominikaner

1464

57

28

Ulm

Dominikaner

1465

58

29 30 31

Freiburger Klöster: Adelhausen, St. Agnes, St. Maria Magdalena z. d. Reuerinnen

Dominikanerinnen

1465

59–65

32

Altenhohenau

Dominikanerinnen

1465

66

33

Straßburg, St. Agnes

Dominikanerinnen

1465

67–82 (80–82: Nachtrag)

34

Weißenburg

Dominikaner

1466

83

35

Engelport

Dominikanerinnen

1466

84

36

Köln, St. Gertrud

Dominikanerinnen

1466

85

37

Maria Medingen

Dominikanerinnen

1467

86

38

Mainz

Dominikaner

1468

87

39

Medlingen

Dominikanerinnen

1468

Nachtrag 1

40

Chur

Dominikaner

1468

Nachtrag 2

41

Straßburg, St. Margareta

Dominikanerinnen

1475

Nachtrag 3

42

Frankfurt a.M.

Dominikaner

1474

Nachtrag 4

43

Regensburg

Dominikaner

1475

Nachtrag 5

44

Esslingen

Dominikaner

1477

Nachtrag 6

Nr.

Konvent

14

Colmar, St. Katharina (vorab gescheiterte Reform des Straßburger Reuerinnenklosters)

15 16

156 | Das Buch der Reformacio als Programmschrift

Die Vorrede zu Buch V führt zunächst, wie angedeutet, den singulären Rang Schönensteinbachs im Kreis der Reformklöster des Ordens vor Augen, indem sie es den beiden observanten ,Urkonventen‘ des Ersten Ordens, den Predigerklöstern zu Colmar und Nürnberg, an die Seite stellt und seine äquivalente Funktion und Dignität als Modellkonvent und Keimzelle für alle reformierten Schwesternklöster der Teutonia unterstreicht, von denen Buch V berichten wird. Zugleich legt Meyer im Rahmen einer Captatio benevolentiae die Konditionen und Limitationen seines eigenen Schreibens offen. Als Grundlage für die Reformgeschichten der einzelnen Klöster – wie vnd wenn vnd durch wellige personen sú worden sint reformiert – und als Garant für deren Authentizität werden offizielle Dokumente und Urkunden wie auch weitere schriftliche Quellen genannt, aus deren Materia die Darstellung kompiliert worden sei. Darüber hinaus verweist Meyer sowohl auf seine eigenen, auf Augenzeugenschaft oder persönlicher Beteiligung beruhenden Erfahrungen wie auch auf die mündlichen Mitteilungen von ihm bekannten worhafftigen personen und aller meist von solichen gotförhtigen mönschen/ die by solichen sachen vil gewesen sint/ vnd in solich dingen gröslich gebet hant.301 Dennoch bleibe die Beschreibung, trotz aller Anstrengungen, unvollständig. Das topische Eingeständnis, unmöglich umfassend vom Geschehenen berichten zu können, zielt hier indes, umgekehrt, vor allem wieder auf die Größe und Vehemenz des Widerstands gegen das göttliche Heilswerk der Reform und auf das Unmaß der Leiden und Verfolgungen seiner irdischen Anhänger und Unterstützer. Und erneut stellt Meyer die Observanzbewegung seines Ordens in heilsgeschichtliche Zusammenhänge, indem er die Verwerfungen bei der Reformierung einzelner Klöster, die so viel weniger fridlicheit vnd rüwe erkennen ließen als die Vorgänge ihrer allerersten Stiftung, vergleicht mit der Situation beim Wiederaufbau des Salomonischen Tempels in den Zeiten des Serubbabel. Die Klage kulminiert in dem von Meyer übermittelten Diktum eines namentlich nicht genannten Reformers und bewerte[n] meister[s] der heiligen geschrifft.302 Hier wird das Werk der Reform in den Antagonismus einer scheinbar dualistischen Konstellation hineingenommen, wenn der anonyme Zeuge mit den Worten zitiert wird, Daz er befunden hette etwann so man ein closter solt beschliessen vnd die geistlicheit jeczen solt angevangen werden/ daz sich den beweget die gantze hellsche krafft/ zü hindren die gütikeit/ Vnd do von grosß jomer vnd liden vf stunt von den vnertigen hertspenigen mönschen/ wider die milten gütwilligen geistlichen personen die mit getult vnd verharrung die kron irs verdien[en]s gröslichen meren woren.303 Die Propagatoren der Observanzbewegung sehen sich demnach offenbar selbst, ganz ähnlich wie dies dann etwa auch noch für Luther zutrifft, als Partizipanten an einem „kosmische[n] Kampf zwischen Christus und Satan um

|| 301 Ms. 2934, fol. 144v; Reichert IV/V, S. 42. 302 Ms. 2934, fol. 145r; Reichert IV/V, S. 43. 303 Ms. 2934, fol. 145v; Reichert IV/V, S. 43.

Progression und Prosperität der Reform | 157

den Besitz von Kirche und Welt“,304 bei dem es für jeden Einzelnen die ,Krone des Verdienstes‘ zu erwerben gilt. Mit dem Hinweis auf den Nutzen einer Verschriftlichung dieser Ereignisse im Sinne einer lere und eines Exempels (ebenbilde) für die nachkommenden Generationen wendet sich der Verfasser schließlich an seine Adressatinnen, die do sint versamelt in disen geistlichen nochgeschriben reformierten clöster[n]. Zum Ruhm Gottes und aus trüwe und lieb zu ihrer geistlicheit habe er das vorliegende büchelin niedergeschrieben, daz do seit wie vwer wúrdige clöster vnd gottes húser von der fúr komen gnoden des heiligen geistes sint zü einem solichen sicheren stot der geistlicheit reformiert worden. Als Resultat des von der göttlichen Gnade bewirkten Reformwerkes proklamiert Meyer eine spezifische Sicherheit der individuellen Heilsperspektive, die die mithin in den Status einer exklusiven Heilsgemeinschaft berufenen Monialen der observanten Ordensklöster vice versa und mehr als andere Menschen zu einem besonderen Dienst an Gott verpflichte, nämlich jm allein mit selen vnd mit herczen zü leben.305 Es folgen dieser Ermahnung Angaben zur Konstitution und Disposition des Textes, die gelegentliche Abweichungen vom Ordo naturalis des basalen chronologischen Schemas, von zierunge wegen der rede, legitimieren und darüber hinaus die Unterschiede hinsichtlich des Umfangs der Reformberichte zu den einzelnen Klöstern mit dem je nach Lage der Quellen divergierenden Wissensstand des Verfassers begründen.306 Am Ende steht die Aufforderung des Autors an den Leser, nicht nur etwaige Fehler zu korrigieren, sondern vor allem die Klosterreihe am Schluss um künftig reformierte Konvente zu ergänzen und somit die supponierte weitere Progression und Prosperität der dominikanischen Observanzbewegung „mit neuen Erfolgsmeldungen“307 fortlaufend zu dokumentieren. Bevor sich Meyer nun aber den Reformgeschichten der einzelnen Klöster zuwendet, profiliert er in Kap. 1 noch einmal die eminente Rolle Schönensteinbachs als Ursprung und Modell des observanten geistlichen Lebens der reformierten Frauenklöster der deutschen Provinz. Seine Eloge gründet sich auf das Christuswort Mt 7,16–20: A fructibus eorum cognoscetis eos etc. und die dort exponierte Baummetaphorik und identifiziert die arbor bona mit Schönensteinbach, dessen Vortrefflichkeit sich in den heiligen güten núczlichen frühten der vom ihm herstammenden Reformklöster fortgepflanzt habe, während wiederum die güte des vrspru[n]ges vnd der wurczel an eben diesen Früchten der noch geschriben swester clöster erkannt werden könne.308 Damit freilich lenkt Meyer den Blick gerade auch auf die für seine Konzeption des Buchs der Reformacio charakteristische latente Reziprozität zwischen der Geschichte des reformierten Zweiten Ordens im Spiegel der Eigen|| 304 Heiko A. Oberman: Luther. Mensch zwischen Gott und Teufel. 2., durchgesehene Auflage. Berlin 1983, S. 109; vgl. auch Bernhard Lohse: Luthers Theologie in ihrer historischen Entwicklung und in ihrem systematischen Zusammenhang. Göttingen 1995, S. 270–272. 305 Ms. 2934, fol. 145v; Reichert IV/V, S. 43f. 306 Ms. 2934, fol. 146r; Reichert IV/V, S. 44. 307 Hillenbrand: Observantenbewegung, S. 224. 308 Ms. 2934, fol. 146v; Reichert IV/V, S. 45.

158 | Das Buch der Reformacio als Programmschrift

geschichten seiner Klöster und der Konventshistorie Schönensteinbachs. Dahinter wird der programmatische Imperativ des urchristlichen, in der Augustinusregel zur „normgebenden Leitidee“ erhobenen ,ein Herz und eine Seele‘309 sichtbar. Schönensteinbach ist das identitätsstiftende, allzeit gültige Muster, das im Sinne einer Stabilisierung des Verbandes auf alle observanten Frauenkommunitäten der Teutonia ausstrahlen soll. Deren geistliche Lebensform muss sich, um der unitas und uniformitas der observanten Heilsgemeinschaft willen, stets auf das Modell der müter und des anfang[s] hin ausrichten.310 Eine umfassende und detaillierte Analyse der dann folgenden Chronik der dominikanischen Observanzbewegung im Horizont der Reformgeschichten der Einzelklöster kann die vorliegende Untersuchung nicht leisten. Einige spezifische Tendenzen der Darstellung mögen aber erkennbar werden anhand wenigstens exemplarischer Beobachtungen zu den Narrationen von St. Maria Magdalena an den Steinen zu Basel (V,7–14), St. Katharina zu Nürnberg (V,15–19) und St. Maria Magdalena überm Hasenpfuhl zu Speyer (V,54/55), zum Bericht von der Reformierung der drei Freiburger Dominikanerinnenklöster durch Johannes Meyer selbst (V,59–65) und abschließend zur weit ausgreifenden Reformhistorie des Straßburger Klosters St. Agnes (V,67–82). Der Fall des Basler Steinenklosters311 soll vorweg das wachsende Interesse weltlicher Obrigkeiten, hier konkret des Rates der Stadt Basel, am regelkonformen und besserlichen,312 d.h. aufgrund seiner ethischen Vorbildlichkeit für die Laien heilsamen Leben observanter Kommunitäten und mithin an der Reformierung der in ihrem Territorium und politischen Einflussbereich gelegenen Ordensklöster verdeutlichen. Zu diesem Zweck ist dem Text von Kap. 7 der vollständige Wortlaut eines Briefes der Basler Ratsherren an den Provinzial der deutschen Ordensprovinz inseriert. Er dokumentiert die Initiative der städtischen Obrigkeit mit Blick auf die Reformierung des Steinenklosters und benennt die positiven Effekte für die städtische Gemeinschaft im Ganzen, die man vor allem von der größeren Wirksamkeit des fürbittenden Gebets observanter Klosterleute gegen die Übel und Missstände der Weltläufte erwartet. Als Modelle stehen den Basler Räten dabei die Dominikanerinnenklöster Schönensteinbach und das von dort aus reformierte Unterlinden zu Colmar klar vor Augen. Und so sind es denn am Ende 13 Schwestern aus Unterlinden, von denen fünf ursprünglich wiederum aus Schönensteinbach nach Unterlinden gekommen waren, die von gewalt der meisterschafft im Jahr 1423 nach Basel entsandt werden, um ein sicher güt grünt feste der geistlicheit in dis closter an den Steinen zu legen.313 In seinem knapp gehaltenen Bericht über die Durchführung der Reform nennt Johannes

|| 309 Schreiner: Ein Herz und eine Seele, S. 2. 310 Ms. 2934, fol. 147r; Reichert IV/V, S. 45. 311 Vgl. zur Geschichte des Konvents und seiner Reform Angelus M. Walz: Das Basler Steinenkloster und der Predigerorden. In: ZSchwKG 25 (1931), S. 161–184; Emil A. Erdin: Das Kloster der Reuerinnen Sancta Maria Magdalena an den Steinen zu Basel von den Anfängen bis zur Reformation (ca. 1230–1529). Diss. Freiburg Schweiz 1956, S. 49–120; Zimmer: Basel, St. Maria Magdalena an den Steinen. 312 Ms. 2934, fol. 150v; Reichert IV/V, S. 50. 313 Ms. 2934, fol. 152v; Reichert IV/V, S. 52f.

Progression und Prosperität der Reform | 159

Meyer alle mit Namen und überantwortet sie somit der Memoria des Ordenskollektivs (Kap. 8). Kap. 9 stellt dann die geistliche und ökonomische Prosperität des Basler Klosters in den Jahren nach der Reform heraus und verweist vor allem auch auf die neue Attraktivität, die der in st[re]nger beschlicz der obseruancz lebende Konvent nun bei vil mercklicher richer personen genießt, die mit irem güt in daz closter koment und dessen wirtschaftliche Lage stabilisieren.314 Der institutionsgeschichtlichen Darstellung folgen schließlich die Lebensbeschreibungen von vier Schwestern des reformierten Steinenklosters, von denen die Vita der Margareta von Kentzingen allein schon hinsichtlich ihres beträchtlichen Umfangs eine Sonderstellung einnimmt (Kap. 11–14). Der Vitenreihe selbst geht ein kurzer Vorspann voraus, der auf die Authentizität des im Anschluss Berichteten zielt: Der Verfasser tritt in der Ich-Form hervor und offenbart seine intime Kenntnis vil mercklicher andehtiger dingen/ vnd och gottes gnoden/ die etlichen seligen swesteren in dem leben vnd in dem tode wider faren sint, weil sie ihm in einer geheimde von den personen des closters zü den Steinen zü Basel die mir kunt worent, übermittelt worden seien.315 Informationen aus ,erster Hand‘, d.h. aus der Überlieferung des Basler Steinenklosters, scheinen dieser Aussage zufolge also auch der großen Vita der Margareta von Kentzingen zugrunde zu liegen, die Meyer am Ende der Reihe der Schwesternbiographien platziert hat. Da diese Vita eine signifikante Verbindung zum Textkomplex der ,Gottesfreundliteratur‘ aus der Straßburger Johanniterkomturei zum ,Grünen Wörth‘ erkennen lässt, insofern sie von einer Begegnung Margaretas mit der für die Straßburger Texte zentralen Figur des ,Gottesfreundes aus dem Oberland‘ erzählt, hat sie in der einschlägigen Forschung schon immer besondere Aufmerksamkeit erfahren.316 Die Biographie beginnt mit Margaretas Herkunft aus wohlhabender Familie und ihrer Vermählung in jungen Jahren mit einem reichen Kaufmann und Rat der Stadt Kentzingen, nach dessen frühem Tod sie ihre gemeinsame Tochter in ein Klarissenkloster gibt und, der Direktive Christi gemäß, all ihren Besitz hinter sich lässt und ein Leben in Armut führt. Sie kommt nach Marburg, widmet sich der Krankenpflege im Spital der heiligen Elisabeth, wird aber eines Tages zu Unrecht als Diebin bezichtigt und zum Tode durch Ertränken verurteilt. Durch göttlichen Ratschluss aus höchster Not errettet und öffentlich rehabilitiert, ja zu Ansehen gekom|| 314 Ms. 2934, fol. 153r; Reichert IV/V, S. 53. 315 Ms. 2934, fol. 153v; Reichert IV/V, S. 53f. 316 Heinrich Denifle: Das Leben der Margaretha von Kentzingen. Ein Beitrag zur Geschichte des Gottesfreundes im Oberland. In: ZfdA 19 (1875), S. 478–491, apostrophiert die Vita im Zeichen seiner gegen Charles (Karl) Schmidt gerichteten Argumentation als „hauptactenstück […] in der geschichte des gottesfreundes im oberlande, weil es die verwechslung des letztern mit Nicolaus vBasel einfach unmöglich macht“ (S. 479), und bringt S. 481–486 eine Transkription des Textes von Meyers Vita nach der St. Galler Handschrift 1916; Karl Rieder: Der Gottesfreund vom Oberland. Eine Erfindung des Straßburger Johanniterbruders Nikolaus von Löwen. Innsbruck 1905, konstatiert S. 7, Johannes Meyer verwandle aufgrund seiner Kenntnis der Straßburger Überlieferung „den Verkehr Margaretas mit ,Gottesfreunden‘ zu einem solchen mit ,dem Gottesfreunde‘, von dem die Straßburger Urkundenbücher so vieles erzählen“; zur ,Gottesfreundliteratur‘ umfassend jetzt Krusenbaum-Verheugen: Figuren der Referenz, hier S. 8f., 242f. zur Vita der Margareta von Kentzingen.

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men, verlässt Margareta aus Furcht vor dem Ruhm, den ihr ihre Mitmenschen bereiten könnten, Marburg und macht sich auf die Suche nach dem Gottesfreund aus dem Oberland, von dem sú nün gar vs der mossen vil gütes gehöret hatte, um von ihm Auskunft zu erhalten über ihren weiteren Weg hin zu Gott. Sie trifft ihn – Rülman Merswins heimliche[n] frúnd, der diesem mit rot vnd tod behilfflich ist gewesen daz daz geistliche leben zü Sancte Johannes zü dem grünenwerde zü Strosbürg gestifftet wart – von gottes sunder gnoden in seiner Unterkunft an und erhält auf die Frage, waz lebens sú nün solte fúr sich nemen daz got dem herren alle genemst wer, von ihm den Rat, in das von Schönensteinbach aus reformierte Dominikanerinnenkloster Unterlinden zu Colmar einzutreten und dort als Konversin vnder gehorsam zu leben.317 Margareta wird daraufhin als Laienschwester im observanten Konvent von Unterlinden empfangen. Nach einigen Jahren wird sie aus Unterlinden als Reformschwester ins Basler Steinenkloster entsandt und führt dort ein solch tugendhaftes, von grosse[r] ingezogenheit vnd andaht geprägtes Leben, dass die übrigen Konventualinnen wol an irem leben gebessert wurdent.318 Nach schwerer und geduldig erlittener Krankheit nimmt sie ein selige[s] ende am Vorabend des Weihnachtsabends des Jahres 1428.319 Diese Lebensbeschreibung profiliert Margareta von Kentzingen zunächst als exemplarische dominikanische Reformschwester, die in demütigem Gehorsam gegenüber den Postulaten des Ordens ihren spezifischen Beitrag zur Umsetzung der Observanz im Basler Steinenkloster geleistet hat, wobei mit Blick auf die Vita insgesamt besonders die Tugenden oboedienta, humilitas und patientia und die konsequente Heilssuche im Zeichen eines gottgefälligen Lebens in Armut in der Nachfolge Christi akzentuiert werden. Hinzu kommt eine stark verinnerlichte Spiritualität und Gottesliebe, deren Intensität sich immer wieder in außergewöhnlichen Zuständen kontemplativer Entrückung niederschlägt, die aber in Meyers Darstellung das Bild der ethischen Virtuosin nicht unterlaufen, sondern komplementieren.320 Es bleibt dabei vorerst – solange keine weiteren Quellen Auskunft geben – offen, ob die für die Vita so entscheidende Begegnung mit dem ,Gottesfreund aus dem Oberland‘ schon in entsprechenden Prätexten der „Basler Klostertradition“ vorhan-

|| 317 Ms. 2934, fol. 156v–157r; Reichert IV/V, S. 58. 318 Ms. 2934, fol. 157v; Reichert IV/V, S. 59. 319 Ms. 2934, fol. 158v; Reichert IV/V, S. 60. 320 Vgl. zu Meyers Vita der Margareta von Kentzingen Williams-Krapp: Frauenmystik und Ordensreform, S. 306f.; Peter Dinzelbacher und Kurt Ruh: Magdalena von Freiburg. In: 2VL 5 (1985), Sp. 1117–1121, hier Sp. 1117. Speziell auf Margaretas mystische Neigungen bezieht sich Johannes Nider, auf den Meyer wiederum verweist, in III,8 des Formicarius, wenn er sie als positives Gegenbeispiel zum Fall ihrer Tochter Magdalena Beutlerin von Freiburg anführt, „die als Ekstatikerin zu Berühmtheit gelangt war, sich aber als angebliche Prophetin öffentlich blamiert hatte. Einst hatte sie nämlich ihren Todestag vorausgesagt, konnte aber im Beisein zahlreicher herbeigereister hoher Personen nur zu einer Entrückung gelangen“ (Williams-Krapp: Frauenmystik und Ordensreform, S. 307). Im Gegensatz dazu habe ihre Mutter sich der Kompetenz der litteratorum, ihrer erfahrenen Seelsorger, anvertraut, um die Authentizität ihrer Eingebungen überprüfen zu lassen, und habe sich vor allem auch durch Demut und Verschwiegenheit ausgezeichnet (Nider: Formicarius, S. 234f.).

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den war oder aber erst von Johannes Meyer in die Biographie eingeführt wurde.321 Eher unwahrscheinlich ist, dass Meyer die Zusammenkunft Margaretas mit dem Gottesfreund eigens mit Blick auf die offensichtlich intensivere Rezeption der ,Gottesfreundliteratur‘ im Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis322 hinzugefügt hat, denn die Episode ist bereits in der Schönensteinbacher ,Urfassung‘ des Buchs der Reformacio von 1464 enthalten (III,17).323 Bei den Adressatinnen des Buchs der Reformacio, zunächst den Schwestern von Schönensteinbach und dann auch den Konventualinnen der übrigen observanten Klöster im Bereich der Teutonia und zuvorderst der Alsatia, konnte Meyer demnach wohl eine gewisse Bekanntheit zumindest der Figur des ,Gottesfreundes aus dem Oberland‘, wenn nicht auch von Teilen des Schrifttums aus dem ,Grünen Wörth‘ voraussetzen. Die Funktion der Episode ist jedenfalls deutlich: Sie zielt auf die Legitimation und Glorifikation der dominikanischen Observanzbewegung und ihrer spezifischen Errungenschaften für die Heilssorge des Einzelnen durch die gerade auch in monastischen Reformkreisen „als vorbildlich geltende Gemeinschaft der Gottesfreunde“324 und ihre spirituelle Leitfigur. Auch dem dann unmittelbar anschließenden Bericht über die ,vollständige‘ Reform des Nürnberger Katharinenklosters im Jahr 1428325 (V,15–19) ist der Wortlaut eines Briefs vorangestellt: und zwar des Sendschreibens des Nürnberger Predigerpriors Johannes Nider an den Konvent von Schönensteinbach vom 25. Oktober desselben Jahres.326 Darin informiert Nider die Schönensteinbacher Schwestern, deren Vikar er zugleich ist, über die bevorstehende Reformierung des Nürnberger Katharinenklosters (dessen Konventualinnen biß her ein leben gefüret hätten, in dem ir vngern sterben wolten) und ermahnt die Angeschriebenen eindringlich, zehn Schwestern zur Durchführung des Reformwerks nach Nürnberg zu überstellen, damit denn diser heiliger anfang einen lieplichen fúr gang nehme (V,15).327 Die acht Punkte oder Argumente, die Nider darauf im Detail ausführt, sollen die Schönensteinbacher Schwestern mit Nachdruck von der Notwendigkeit überzeugen und dazu bewegen, seiner Bitte zu folgen und geeignete Personen aus ihren Reihen zur Unterstützung des Reformvorhabens und insbesondere zur Besetzung der Amtsfunktionen im || 321 Krusenbaum-Verheugen: Figuren der Referenz, S. 242f. – In Niders Formicarius wird eine Begegnung Margaretas mit dem Gottesfreund vor ihrem Eintritt ins Unterlindenkloster nicht erwähnt. 322 Krusenbaum-Verheugen: Figuren der Referenz, S. 242f., 308–317. 323 Fonds Herzog, 1f22, S. 280–283. 324 Krusenbaum-Verheugen: Figuren der Referenz, S. 243. 325 Einem ersten Reformversuch unter der Ägide Konrads von Preußen war 1396 kein durchgreifender Erfolg beschieden gewesen, siehe dazu o. S. 142. Vgl. zu beiden Reformunternehmungen Theodor von Kern: Die Reformation des Katharinenklosters zu Nürnberg im Jahre 1428. In: Jahresbericht des historischen Vereins in Mittelfranken 31 (1863), Beilage I, S. 1–20; Walter Fries: Kirche und Kloster zu St. Katharina in Nürnberg. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 25 (1924), S. 1–143, hier S. 22–26; Willing: Literatur und Ordensreform, S. 19–25; Steinke: Paradiesgarten, S. 19–28. 326 Das Tages- und Monatsdatum fehlt in Ms. 2934, ist aber in Ranckenthalls Abschrift der ,Urfassung‘ von 1464 bewahrt (Fonds Herzog, 1f22, S. 299). 327 Ms. 2934, fol. 159rv; Reichert IV/V, S. 61.

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Nürnberger Reformkonvent zu entsenden. Diese Rhetorik der Persuasio dringt nacheinander auf die besondere Verantwortung der Schwestern für die grosse merunge götlicher eren (indem sie etliche vnwissende swesteren die jeczen hie im closter zü Sant katherinen sint von ihrem falschen Weg und von vil súnden abbringen)328 und für das Wohl der Laien wie auch für das von der ,Ketzerei‘ der Hussiten bedrängte Corpus Christianum insgesamt und fordert gleichzeitig die Solidarität der Schönensteinbacher Nonnen gegenüber Nider selbst und den mit der Reform befassten Nürnberger Predigerbrüdern ein. Sie erinnert an das Vorbild des Dominikus, der die Angehörigen seines Ordens in die Welt ,ausgestreut‘ habe, auf dass sie ,Frucht brächten‘, geißelt die etwaige Sorge vor ökonomischen Einbußen, die mit der Übersiedelung eines Konventsmitglieds in einen anderen Konvent verbunden sein könnten, und stellt die ewigen Verdienste in Aussicht, die bei der Reformierung der Klöster zu erwerben seien. Indem Meyer Niders Brief integriert, überliefert er nicht nur ein authentisches Zeugnis zur Reform des Katharinenklosters, das verschiedene Informationen zu den Hintergründen der Geschehnisse bereithält und mithin ein historisches Interesse befriedigt, sondern er vermittelt zugleich einen aufgrund seiner Normativität auch künftig für die Adressatinnen des Buchs der Reformacio verbindlichen Appell zur Beförderung der Ordensreform auf der Grundlage einer diesem Ziel angemessenen Haltung und Bereitschaft der Gemeinschaft wie des Einzelnen (insbesondere auch mit Blick auf die Versetzung in andere Konvente) und somit zur Ausbildung einer die Grenzen des eigenen Konvents transzendierenden observanten Identität.329

|| 328 Ms. 2934, fol. 160r; Reichert IV/V, S. 62. 329 Die ,Urfassung‘ des Buchs der Reformacio von 1464 überliefert neben Niders Brief fünf weitere lateinische und deutsche Sendschreiben an die Schwestern von Schönensteinbach und ihre Seelsorger (Fonds Herzog, 1f22, S. 289–300): 1. einen lat. Brief des Ordensgenerals Bartholomäus Texerius an die Schwestern vom 25. Oktober 1428 (Bitte um Beförderung der Nürnberger Reform durch Übersendung geeigneter Schwestern, vgl. Dietler [ed. Schlumberger], S. 358f.), 2. einen dt. Brief des Provinzials Nikolaus Notel von Gmünd an die Schwestern, Geben zu Nürenberg deß montags vor omnium Sanctorum [25. Oktober] 1428 (in derselben Sache, vgl. Dietler, S. 350f.), 3. einen lat. Brief des Ordensgenerals Bartholomäus Texerius an die Klosterseelsorger vom 25. Oktober 1428 (in derselben Sache, vgl. Dietler, S. 359f.), 4. einen dt. Brief des Rats der Stadt Nürnberg an die Schwestern, Datum Feria 2. post Vndecim millium Virginum [25. Oktober] 1428 (in derselben Sache, vgl. Dietler, S. 360f.; dieser Brief auch abgedruckt bei von Kern: Reformation, S. 13, nach dem Konzept im „Briefbuch Nr. 8 [XVI], Bl. 80 des k. Archiv-conserv. [jetzt: Staatsarchiv] zu Nürnb.“), 5. den dt. Brief Johannes Niders wie in Ms. 2934, Datum zu Nürenberg, Feria 2a post 11000. Virginum [25. Oktober] 1428 (vgl. Dietler, S. 362–367), 6. einen lat. Brief Johannes Niders an die Klosterseelsorger vom 25. Oktober 1428 (in derselben Sache, vgl. Dietler, S. 367). Die Fassung von 1468 hat die Dokumentation dieses intensiven Schriftverkehrs zwischen den Ordensoberen bzw. dem Rat der Stadt Nürnberg einerseits und Schönensteinbach andererseits dann wohl vor allem mit Blick auf den erweiterten Resonanzradius des Textes von 1468 und dessen primäre Rezeption jenseits von Schönensteinbach deutlich zurückgenommen und nur noch den umfangreichsten Brief Niders beibehalten. Gleichwohl lässt die Straßburger Handschrift Ms. 2934 die ursprüngliche Konzeption noch erkennen, denn Kap. 16 bezieht sich zu Beginn auf den vorausgehenden Brief Niders (fol. 162r), indem – wie auch in Rackenthalls Abschrift (Fonds Herzog, 1f22, S. 300) – von disen obgeschriben Copien der brieffen die von der sach der reformacio des closters Sancta katherinen zü Nürenberg den von Schönensteinbach geschriben wordent (im Plural!) die Rede ist.

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Die eigentliche Umsetzung der Reform war der Darstellung in V,16/17 zufolge in Nürnberg von größeren Schwierigkeiten begleitet als im Basler Steinenkloster. Anders als in Basel sei es nämlich im Zuge der Einführung der Schönensteinbacher Reformschwestern ins Katharinenkloster zu solchen Widerständen von Seiten der unreformierten Nürnberger Nonnen und ihrer Parteigänger gekommen, dass die Schönensteinbacher Gesandtschaft zunächst außerhalb des Katharinenklosters Zuflucht nehmen musste und der Nürnberger Rat seine Reforminitiative revidierte. Erst das beherzte Eingreifen des vom Heiligen Geist erfüllten Ordensgenerals Bartholomäus Texerius, der die neuen Schwestern persönlich in aller Stille ins Katharinenkloster geleitete und sie mit Umsicht in den bestehenden Konvent integrierte, um dann die Ämter zu besetzen, habe am Ende den Erfolg der Reform gesichert. Die Gründe für den Widerstand, die wohl die Frage der „Rigidität“330 betrafen, mit der die observanten Lebensregeln eingehalten werden sollten, „ob die Aenderungen der erneuerten Klosterregel größere oder geringere sein, ob dieselben in strengerer oder milderer Weise zur Ausführung gebracht werden sollten“,331 erwähnt Meyer freilich nicht, vielmehr entzieht er ihnen jegliche Legitimation, indem er die Auseinandersetzung auf die Ebene einer fundamentalen dämonischen Opposition gegen das göttliche Heilswerk hebt: Nement war do rü[r]ten sich die vigentlichen bösen geist die do alle güten werck vnd vnser selen heil so gröslichen benúdent.332 Wie im Falle des Nürnberger Katharinenklosters brauchte es auch beim Kloster der Speyerer Dominikanerinnen, St. Maria Magdalena überm Hasenpfuhl, zwei Anläufe, um die Reform durchzusetzen. Ein erster Reformversuch, den Peter von Gengenbach mit der Unterstützung der geistlichen und weltlichen Autoritäten initiiert hatte, war 1442 gescheitert.333 In aller Ausführlichkeit, Plastizität und Dramatik schildert Kap. 54 dieses misslungene Unternehmen, dem dann Kap. 55 mit der Erzählung von der 1463 erfolgreich installierten Observanz als positives Kontrastbild gegenübergestellt wird. Dabei scheinen für die Reforminitiative von 1442 zunächst alle Möglichkeiten für einen guten Abschluss des Vorhabens gegeben. Als aber Peter von Gengenbach eigenmächtig und ohne Wissen der städtischen Oberen entscheidet, die Reformschwestern aus dem Kloster Maria Himmelskron in Hochheim bei Worms, deren Vikar er ist, in dem ersten schloff der naht statt am nächsten Morgen in den Speyerer Konvent zu überführen, um also in einer stille vnd heimlicheit daz closter [zu] reformiren und so kümer und geschreid der unwilligen Schwestern zu vermeiden,334 erreicht er genau das Gegenteil: Die überrumpelten Nonnen und die mit ihnen verbündeten Weltgeistlichen (die die Klosterkirche versehen) wecken die schlafenden

|| 330 Steinke: Paradiesgarten, S. 22. 331 Von Kern: Reformation, S. 5. 332 Ms. 2934, fol. 162v; Reichert IV/V, S. 64. 333 Dazu detailliert und mit weiteren Quellen Martin Armgart: Ein fehlgeschlagener Reformversuch des Speyerer Dominikanerinnen-Klosters im Jahre 1442. In: Palatia Historica. FS Ludwig Anton Doll. Hrsg. von Pirmin Spieß. Mainz 1994 (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 75), S. 247–277. 334 Ms. 2934, fol. 210rv; Reichert IV/V, S. 109.

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Bürger und lösen in der Stadt einen Großalarm aus. Der der Reform wohlgesinnte Bürgermeister wird vom Amt absolviert, Peter von Gengenbach (zusammen mit den ihn begleitenden Gesandten und Dienern des Pfalzgrafen bei Rhein) gefangengesetzt und von einem zum anderen Amtsträger gefüret mit vacklen vnd lüczernen vnd schlegen vnd stossen vnd waz by glich ein solich wiß vnd form als man vnseren lieben herren gebunden gefüret von einem rihter zü dem andren. Die zielstrebig und zuletzt beinahe atemlos, so möchte man meinen, auf diese Pointe hin erzählte Geschichte lässt durchaus Parallelen zum Bericht von der fehlgeschlagenen Reform des Nürnberger Katharinenklosters im Jahr 1396 erkennen.335 Die Analogie zur Passion Christi, die die heilsgeschichtliche Dimension des Reformwerks signalisieren soll und die wiederum von Ferne an jenen Moment erinnert, als Konrad von Preußen ums Haar von zwei reformunwilligen Schwestern mit einem Kruzifix erschlagen worden wäre, überdeckt freilich nicht die Funktion der Episode als negatives Exemplum. Sie ist offensichtlich anhand der Bewertung, die der Erzähler dem Resultat der nächtlichen Ereignisse, dass nämlich der Speyerer Konvent fortan vngereformiert geblieben sei, mitgegeben hat: daz nit geschehen were hette man mit rot zü rehter zit die sach ordenlich fúr genomen.336 Tatsächlich entwirft Kap. 55 das exakte Gegenbild und mithin ein Modell vorbildlicher und erstrebenswerter reformerischer Praxis: Als Johannes Hohenloch, Prior der Wormser Predigerbrüder und Beauftragter des Ordensmeisters, 21 Jahre später den zweiten, erfolgreichen Reformversuch wiederum mit Schwestern aus Maria Himmelskron unternimmt, geschieht dies am selben Tag wie beim ersten Mal, nur nicht in der naht, sondern heiters tages, und es gehen diesmal auch alle die zü diser sach geordent woren, Ordensobere und städtische Autoritäten, miteinander in den Speyerer Dominikanerinnenkonvent hinein, um die Konventualinnen einmütig und gütlichen von der bevorstehenden Reformierung zu unterrichten, ohne ihnen aber zunächst die Ankunft der Reformschwestern zu signalisieren. Und demgemäß kommt es nun nicht zu Renitenzen und Attacken seitens der Speyerer Konventualinnen, sondern sie empfangen die neuen Schwestern frintlich und demütiklichen und empfehlen sich so getrüwelich vnd erbermklichen daz man ein mitteliden mit in hette/ Vnd doch och gnod vnd fröide do von enpfangen wart/ daz sú sich so lieplichen vnd fridelich dar in ergoben.337 Als Priorin wird Margareta Regensteinin eingesetzt, die von ihrem Nativkonvent Unterlinden, der kurz vor ihrem Eintritt von Schönensteinbach aus reformiert worden war, als Reformschwester zunächst ins Basler Steinenkloster und von dort weiter nach Maria Himmelskron und nun zuletzt nach Speyer gesandt worden ist und auf diese Weise in ihrer Person den Speyerer Konvent mit den Traditionen der alten Reformklöster des Zweiten Ordens verbindet. Institutionenund Personengeschichte verschmelzen, wenn Meyer die Baummetaphorik, die er in Kap. 1 von Buch V mit Blick auf die Relation Schönensteinbachs zu den von ihm herstammenden Reformklöstern gebraucht hatte, hier abschließend auf Margareta Regensteinin appliziert

|| 335 Vgl. o. S. 142. 336 Ms. 2934, fol. 211rv; Reichert IV/V, S. 110f. 337 Ms. 2934, fol. 212rv; Reichert IV/V, S. 111f.

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und sie als güte[n] berhafftige[n] bm manigvaltiger tugend preist, der zu guter Letzt jn Sant Maria Magdalenen edelen würczegarten gepflanzt worden sei.338 Als ein Beispiel gelingender reformerischer Kommunikation und Praxis figuriert vor allem auch der Bericht von der Reform der drei Freiburger Dominikanerinnenklöster339 im Jahr 1465 durch Johannes Meyer selbst (V,59–65). Viel Raum widmet Meyer dabei den umfangreichen Vorarbeiten und Vorbereitungen der eigentlichen Reformvorgänge. Er schildert zunächst seine autonome Motivation und Initiative zur Reformierung der drei – jedes auf seine Weise – traditionsreichen, altehrwürdigen Klöster Adelhausen, St. Agnes und St. Maria Magdalena zu den Reuerinnen, deren ursprüngliches andehtig selig leben und alte heillikeit zwischenzeitlich so vast verschinen waz.340 Nicht nur die Authentizität der subjektiv empfundenen Impulse und Eingebungen, sondern die Legitimität des Vorhabens per se sichern eigene Gebete wie auch die von nahestehenden gůten gottes frúnden ab, die einen Fortgang der Ereignisse nur erbitten, falls es sich um ein gewares gtliches in sprechen handle, do von sin ere vnd der selen heil gemeret solte werden.341 Meyers Selbstzeugnis erscheint an dieser Stelle in der Straßburger Handschrift nach einer Überarbeitung zwar fast durchgängig in der Er-Form, doch ist die in Ms. 2934 zunächst übernommene originäre Ich-Erzählung der Vorlage aufgrund der dann zahlreichen, konsequent durchgeführten Schreiberkorrekturen noch sichtbar.342 Speziell erläutert Meyer die diffizilen politisch-juristischen und kirchenrechtlichen Verhandlungen im Vorfeld der Reform einerseits mit den für die Freiburger Klöster zuständigen weltlichen Autoritäten, dem Habsburger Landesherrn und seinen Repräsentanten in Vorderösterreich und dem Rat der Stadt Freiburg, andererseits mit den Ordensoberen und mit der römischen Kurie, bis dem Reformer am Ende mit dem Einverständnis aller involvierten Parteien vom Papst und vom Orden die nötigen Vollmachten vorliegen, d.h. gantzer gewalt gegeben ist, die selben clster zů reformieren Also ob der meister des ordens persnlich do selbes gegenwúrtig wer.343 Eingehend werden im Anschluss für jedes der drei Klöster der konkrete Prozess der Reformierung, der eigentliche actus reformationis im Sinne einer „Art initiierender, gestei-

|| 338 Ms. 2934, fol. 213r; Reichert IV/V, S. 112. 339 Dazu neuerdings mit zusätzlichem, wenn auch im Vergleich zu Meyers Bericht eher „spärliche[m]“ Quellenmaterial Madlen Doerr: Klarissen und Dominikanerinnen in Freiburg im 15. Jahrhundert. Sozialstruktur und Reform. Diss. masch. Freiburg i.Br. 2015, S. 200–335 (Zitat S. 297). 340 Ms. 2934, fol. 216rv; Reichert IV/V, S. 115. 341 Ms. 2934, fol. 216v–217r; Reichert IV/V, S. 116. 342 Ms. 2934, fol. 221r Z. 3 etwa ist ursprüngliches ich im Fließtext unkorrigiert stehengeblieben. Auch Ranckenthalls Abschrift der ,Urfassung‘ von 1464 hat in III,71 (= Ms. 2934, V,65) einen kompletten Teil von Meyers Bericht expressis verbis in der Ich-Form bewahrt (Fonds Herzog, 1f22, S. 449f.). 343 Ms. 2934, fol. 218r; Reichert IV/V, S. 117. – Abschriften (überwiegend von Meyers Hand) von Teilen des offiziellen lateinischen Schriftverkehrs im Kontext der Reformierung der drei Klöster, zuletzt ein Brief Meyers aus Gebweiler Anno domini M cccclxv jn crastino beati dominici [6. August], worin er als vicarius et executor reformacionis allen drei Konventen nach der Durchführung der Reform die Privilegien der observanten Ordensklöster gewährt, sind tradiert in der Basler Handschrift E III 13, fol. 66r–74v (diese Quelle nicht erwähnt bei Doerr: Klarissen und Dominikanerinnen).

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gerter Visitation“,344 die spirituelle Vorbereitung der teils mehr, teils weniger unwilligen Freiburger Nonnen durch Meyer selbst und die feierliche Prozession und Introduktion der auswärtigen Reformschwestern (sechs Konventualinnen aus St. Katharina zu Colmar für Adelhausen, fünf aus St. Maria Magdalena an den Steinen zu Basel für St. Agnes und drei aus Schönensteinbach für St. Maria Magdalena zu den Reuerinnen) in die bestehenden Konvente im Rahmen des liturgischen Zeremoniells als Signum des wohlgeordneten Neubeginns beschrieben,345 wobei sich hier besonders auch Reminiszenzen an den Bericht von der Installation des Schönensteinbacher ,Urkonvents‘ durch Konrad von Preußen in II,8 einstellen. Die Darstellung schließt ab mit Bemerkungen zu einem dezidiert strategischen, den Erfolg der Reform sichernden Vorgehen in allen drei Fällen, wozu zuvorderst die intensive Einbindung und Partizipation der lokalen, weltlichen wie geistlichen Autoritäten im Zuge der konkreten Umsetzung diser grossen heilgen sach der reformacio gerechnet werden. Denn in den ersten zwegen monoten, als der Reformer in die Konvente gon mste cappittel halten, habe er stets darauf geachtet, neben einem dominikanischen Laienbruder und seinem Vertrauten Johannes Kreutzer346 verschiedene Vertreter der Landesherrschaft, der Stadt, der Universität und der observanten Freiburger Kartäuser und Augustinereremiten bei sich zu haben und die Schwestern in Gegenwart dieser etwan xxx oder xl Personen in bittender wise vnd in vermanender wisse zu instruieren.347 Das beharrliche einmütige Insistieren des Kollektivs der versammelten gewaltigen und Eliten, das „Bündnis der dominikanischen Reformbewegung mit dem brachium saeculare“348 hat, trotz mancherlei Gegenwehr der widersachen gerade auch aus den Reihen der eigenen Freiburger Ordensbrüder, die nit reformieret sint, die gewünschten Folgen: Also von tage zů tag vingen sich die swesteren an zů lossen vnd sich der geistlicheit [zů] ergeben. Und so lautet die Schlussfolgerung im Sinne einer Handlungsanleitung für vergleichbare prospektive Fälle: Dar vmb ist gar not daz man gar wislich vnd mit grosser dapferheit gar fúrsúhtiklich solliche sache fúr handen neme/ vnd besunder got empziklich mit grossem ernst anrffe[],349 um mit seiner Hilfe „die begonnenen Reformen zu seinem Lobe und zum Heil vieler Seelen glücklich abzuschließen“.350 In der Gestalt des – im Straßburger Codex freilich in die Er-Form transformierten – Selbstzeugnisses nimmt der Text des Buchs der Reformacio vorweg in || 344 Mertens: Klosterreform als Kommunikationsereignis, S. 410. 345 Vgl. dazu im Einzelnen Jones: Ruling the Spirit, S. 138–140. 346 Zu ihm Volker Honemann: Kreutzer, Johannes. In: 2VL 5 (1985), Sp. 358–363; Neidiger: Armutsbegriff der Dominikanerobservanten, S. 130–140; Neidiger: Selbstverständnis und Erfolgschancen, S. 91f.; ausführlich zu Kreutzers Leben, Schrifttum und Frömmigkeitskonzeption Elisabeth Vogelpohl: Lassen, Tun und Leiden als Grundmuster zur Einübung geistlichen Lebens. Studien zu Johannes Kreutzer. Altenberge 1997 (Münsteraner Theologische Abhandlungen 50); zuletzt Natalija Ganina: ,Bräute Christi‘. Legenden und Traktate aus dem Straßburger Magdalenenkloster. Edition und Untersuchungen. Berlin/Boston 2016, S. 113–141. 347 Ms. 2934, fol. 221r; Reichert IV/V, S. 121. 348 Mertens: Monastische Reformbewegungen, S. 164. 349 Ms. 2934, fol. 221v; Reichert IV/V, S. 121. 350 Lesser: Johannes Busch, S. 263.

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dieser Partie Züge eines „exemplarische[n] Reformhandbuch[s] und missionarische[n] Tatenbericht[s]“ an, wie sie Bertram Lesser genuin für den Liber de reformatione monasteriorum des Windesheimer Chorherrn Johannes Busch als dominante Merkmale beschrieben hat.351 Der mit Abstand umfangreichste Einzelbericht ist der konfliktären Reformgeschichte des Straßburger Dominikanerinnenklosters St. Agnes gewidmet (Kap. 67–82). Er beginnt mit einer Beschreibung der Topographie des Klosters, die auf Versatzstücke der Locusamoenus-Tradition rekurriert, um von hier aus – unter der Prämisse, dass die Präsenz irdischer ergtzlichen trstlicheit zu sündhafter Weltverfallenheit verleitet – die Reformbedürftigkeit jenes ,Lust-‘ oder ,Rückzugsorts‘ zu erweisen.352 Die Initiative zur Reform des Klosters353 geht dann aber von einem Teil der Konventualinnen selbst aus, die ihre Bemühungen um eine Observanz nach dem Vorbild des benachbarten Konvents St. Nikolaus in undis intensivieren, als eine Schwester aus ihren Reihen das Priorinnenamt übernommen hat. Durch Vermittlung der Klosterpfleger und einflussreicher städtischer Amtsträger, ritter/ stet meister vnd rotes herren, die mit den Schwestern der Reformpartei verwandtschaftlich verbunden sind, erwirbt man die Reformzusage zunächst des Provinzials und schließlich auch des Ordensgenerals. Mit der Einführung der Observanz wird der Prior des observanten Ulmer Predigerkonvents, Heinrich Schretz,354 betraut, wobei das closter zů sancte nicolaus grosse stúr mit rot vnd hilf in disem heilgen werg geton het.355 Die Narration stellt Schretz freilich Johannes Wolfhart,356 den Prior der nichtreformierten Straßburger Prediger und bislang zugleich Vikar von St. Agnes, als Antagonisten gegenüber, der die Reform mit allen Mitteln zu hintertreiben sucht und die reformunwilligen Nonnen auf seiner Seite hat. Unter den Vorzeichen der spezifischen dichotomischen Perspektive der || 351 Lesser: Johannes Busch, S. 51, 259, 276. 352 Zů stroßburg/ vß wendig der ring muren ist ein closter gelegen vff der wen genant sancte Agnesen welliches closter gar ein erlich rich closter ist vnd in húbscheit/ wite/ vnd schne lústlicheit des gebuwes/ fliessenden wassers vnd ander ergtzlichen trstlicheit ander clster bertreffende/ vnd wenn dise ding on die vorht gottes me dienent zů súnden denn zů tugenden Also wart ch an diser stat von ir vilen inwoner dis closters/ die vorht gottes/ der tugenden vnd geistlicheit vergessen/ Also daz sú me lebeten noch libes lust denn noch ir selen heil (Ms. 2934, fol. 222rv; Reichert IV/V, S. 122). Vgl. zum Konzept des ,Rückzugsorts‘ und mit Blick auf die spezifische Opposition von medizinischem und theologischem Diskurs am Beispiel des Decameron Caroline Emmelius: Gesellige Ordnung. Literarische Konzeptionen von geselliger Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit. Berlin/New York 2010 (Frühe Neuzeit 139), S. 245: „Die Rückzugsorte erscheinen damit in doppelter Weise kodiert: Aus der Perspektive weltlicher Medizin ermöglichen sie wenigstens für eine gewisse Zeit Heilung an Körper und Geist, aus der Perspektive der Theologie ist gerade diese Reduktion des Heilsgedankens auf diesseitiges, körperbezogenes Wohlergehen anstößig und provoziert die Mahnung zu Buße und Umkehr und zur Sorge für das Seelenheil im Jenseits.“ 353 Vgl. zu den politischen und sozialgeschichtlichen Hintergründen Hirbodian: Dominikanerinnenreform. 354 Vgl. zu ihm Löhr: Teutonia im 15. Jahrhundert, S. 130. 355 Ms. 2934, fol. 223rv; Reichert IV/V, S. 123. 356 Vgl. zu ihm Löhr: Teutonia im 15. Jahrhundert, S. 21, 25, 31; Hans-Jochen Schiewer: Wolfhard(i), Johannes. In: 2VL 10 (1999), Sp. 1360f.

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Observanten und ihrer strikten Scheidung der Religiosen und ihrer jeweiligen Unterstützer in Anhänger oder Widersacher der Reform357 charakterisiert ihn der Text als einen abtrinnige[n] vs der observancien, der gantz wider alle geistlicheit war: vnd sine werg glichformierten sich sinem namen. Wolfhart erscheint als Personifikation des Gegenprinzips, hinter ihm agiert Satan, der vigent alles gůten.358 Mit List und Tücke führt er einen beharrlichen, immer neue Volten nehmenden Kampf gegen die Repräsentanten der Observanz, wobei er in dessen Verlauf nicht nur den Straßburger Bischof und seine Bevollmächtigten, sondern auch den Ordensgeneral Martial Auribelli für seine Zwecke zu instrumentalisieren und gegen die Pläne der Reformpartei in Stellung zu bringen vermag. Sein Gegenspieler Heinrich Schretz, der als untadelig vorgestellte und mit allen Sympathien versehene Reformator von St. Agnes, fällt hingegen zuletzt unverschuldet nicht nur beim Bischof, sondern auch beim Ordensgeneral in Ungnade und wird aller seiner Ämter und Funktionen im Orden enthoben. Seine Demütigungen und Leiden, deren Schilderung auf Effekte mitfühlender Identifikation zielt, deutet der Text freilich im Sinne einer Vermehrung des Verdienstes vor Gott. Nach drei Jahren mündet die Auseinandersetzung mit der vorläufigen Absetzung Auribellis und der Bestätigung der strengen Klausurierung von St. Agnes durch das Römer Generalkapitel von 1468 endlich doch noch in einen Triumph der Observantenpartei (Kap. 79). Auch und gerade aufgrund dieser ihrer extremen Polarisierungen und dramatischen Zuspitzungen figuriert die Reformgeschichte des Straßburger Agnesklosters als exemplarisches Lehrstück, dessen Handlungsmaxime im abschließenden Kommentar formuliert wird: Aber dise ding sint geschriben allen noch kummenden zů einer vermanung der beharlichen bestendikeit/ wenn von allen clsteren vntz har ist nit grsser widerstant kumber vnd arbeit in sollichem werg funden. Beharrungsvermögen und Leidensfähigkeit werden auch künftig, mehr denn je, vonnöten sein, um das Heilswerk der Ordensreform voranzutreiben. An sie appelliert das Beispiel von St. Agnes, dessen spezifische Violenz im Horizont eschatologischer Erwartungen, mit dem Nahen des Endes der Heilsgeschichte begründet wird: Do by wol gemercket mag werden ie neher dem ende der welt/ ie grsser widerstant der gerehtikeit. Für die ,Gerechten‘, die Repräsentanten des Reformwerks, muss es darum gehen, „die Abwehrkräfte zu alarmieren“359 in der Zeit gesteigerter Anfechtung vor dem Ende aller Dinge, auf dass sie die Intensität ihrer auf Heilssicherung und göttlichen Lohn gerichteten Anstrengungen erhöhen: dar vmb woffent sich alle die mit gedult den fúr bas solliches entpfolhen wurt daz sú nit miner sunder me liden mssen.360

|| 357 Mertens: Monastische Reformbewegungen, S. 168. 358 Ms. 2934, fol. 224r; Reichert IV/V, S. 124. 359 Oberman: Luther, S. 77. 360 Ms. 2934, fol. 243v; Reichert IV/V, S. 145. Die Amen-Formel am Kapitelschluss (V,79) signalisiert das ursprüngliche Ende des Berichts zur Reform von St. Agnes. Es folgen noch drei nachgetragene, womöglich von der in die Reformgeschehnisse involvierten Priorin des Nikolausklosters, Barbara von Benfelden, verfasste und niedergeschriebene Kapitel (V,80–82, vgl. o. S. 96f.), die zunächst (80) eine Eloge auf das spirituelle Leben in St. Agnes in den Jahren nach der Einführung der Observanz bringen, dann (81) einen

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3.6 Mythisierung von Geschichte und Perpetuierung der Reform Wenn die Reformgeschichte von St. Agnes zu Straßburg die Anstrengungen und Nöte der Observanten im Licht eines fundamentalen Kampfes der ,Gerechten‘ gegen das Prinzip des Bösen und seine dämonischen Agenten darstellt, zieht sie damit eine Linie weiter, die im Buch der Reformacio Predigerordens bereits zuvor verschiedentlich profiliert worden ist und in der Überschau als integrales Element des Textes hervortritt: etwa in II,12 mit den maliziösen Ansprüchen des neuen Abts von Marbach gegen die junge Gemeinschaft der Dominikanerinnen von Schönensteinbach,361 in III,1 mit den mannigfachen Anfechtungen der observanten Schwestern durch den ,bösen Geist‘, in IV,5 im Kontext des ersten Versuchs einer Reformierung des Nürnberger Katharinenklosters (und dann auch in V,16 und V,19 im Zusammenhang der endgültigen Reform), in IV,13 mit dem Kasus des Jan van Brederode, in der Vorrede zu Buch V mit dem Diktum des (unbenannten) erfahrenen Ordensreformers vom Aufruhr der höllischen Mächte unter den Auspizien der Einführung der Observanz,362 in V,20 mit der wörtlichen Wiederaufnahme dieses Ausspruchs, hier nun konkret im Blick auf die Widerstände bei der Reformierung des Basler Predigerkonvents, oder in V,46, wo von den Versuchungen der Pforzheimer Reformschwester Ursula Muntigin berichtet wird.363 Ein letztes Mal thematisieren auch die ersten beiden der fünf adhortativen Schlusskapitel (des Grundstocks) des Buchs der Reformacio (V,88–92) diesen Konnex, um vor dem Hintergrund der exorbitanten diabolischen Opposition um so mehr die Dringlichkeit der geistlichen Erneuerung der Klöster für die Heilssicherung des Corpus Christianum zu proklamieren. Das erste dieser beiden Kapitel (V,88) bringt ein Exemplum aus Johannes Niders Formicarius (I,10),364 um daran, an der physische Evidenz annehmenden Gegen|| detaillierten Bericht über den 1475 erfolgten Abbruch der Klostergebäude im Zuge der Expansionskriege Karls des Kühnen und die Übersiedelung der Nonnen in das innerhalb der Stadtmauer gelegene und zur selben Zeit reformierte Kloster St. Margareta geben und zuletzt (82) die aus der beklagenswürdigen Zerstörung von St. Agnes resultierenden fruchtbaren Wirkungen für den mit der Zusammenlegung neu konstituierten Konvent von St. Margareta reflektieren (Ms. 2934, fol. 243v–248v). 361 Eigenschaft des bsen geistes ist wo er weis daz man got dienet mit fridelicher růwe do důt er waz er mag mit siner schalkheit wie er múge entpfriden solliche gemt daz sú von irem gůten leben ablessig werdent vnd mag er solliches durch sich selbes nit gantz zů wege bringen so wurffet er aller hande sachen zů (Ms. 2934, fol. 41r; Reichert I–III, S. 38). 362 Vgl. o. S. 122 (III,1), 142 (IV,5), 145f. mit Anm. 260 (IV,13), 156f. (Vorrede zu V), 163 (V,16) sowie u. S. 170 Anm. 365 (V,19). 363 Der benider alles güten der böse geist hette ein groß vertrissen an irem seligen leben/ daz er gern hette gehindert an ir/ Dor vmb det er ir vnsegelichen vil zü leide/ etwann gesihteklichen waz er sú bekúmeren vnd betrüben/ Aber sú waz ein von den starcken frowen von den Salamon schribet die sich mit der gnoden götlicher stercke vnd mit tugent sich gevestenet vnd gegúrtet het/ daz sú in mit der hilf gottes berwand/ Er ist etwen zü ir komen als ein erschröckliches tier/ vnd det als ob er sú von dem bette zúehen wolte (Ms. 2934, fol. 199v; Reichert IV/V, S. 104). 364 Nider: Formicarius, S. 74–76; vgl. dazu Tschacher: Der Formicarius des Johannes Nider, S. 379–382, 483.

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wehr Satans gegen die Reformierung eines Predigerkonvents in der Francia zu der Zeit, als Nider Prior der Basler Dominikaner war, erneut die Gefährdungen unregulierten monastischen Lebens und die Heilsamkeit der dominikanischen Observanz zu demonstrieren: Nů nim war in disem wie grslich dem bsen geist wider ist so man gottes lop geistliches lebens vnd der selen heil wider bringet in einem closter vnd do man súntliches vngeistliches vnd ergerliches leben vs triben ist/ wenn er ist ein vigent der tugent [;] dar vmb wo er mag so irret er gern gtliches reines gůtes leben wenn er weis daz durch solliches vil selen im entgont vnd got dem herren zů teil werden.365 Das zweite Kapitel (V,89) referiert allein das Rettungsmirakel, das Nider im Zentrum seiner Beispielgeschichte in I,10 platziert hat: Ein Novize, der nach der Reform in den genannten Konvent eingetreten ist, wird wegen seiner Standhaftigkeit und Furchtlosigkeit, mit der er gegen alle Drohungen des ,bösen Geistes‘ an der selben observancien festhält, so schwer gepeinigt, dass die Mitbrüder den junge[n] ritter Christi366 am Ende für tot halten und die Gottesmutter und den Ordensgründer für das Heil seiner Seele anrufen. Daraufhin erscheint ihnen Dominikus auf dem Hochaltar des Chores, und der totgeglaubte Novize richtet sich auf und wendet sich andächtig zu Gott und zum heiligen Ordensstifter hin. Nachdem man ihm das Altarsakrament verabreicht hat, ist er von seinen körperlichen Versehrungen vollkommen genesen. Die Wundererzählung signalisiere, so der abschließende Kommentar des Chronisten, das Wohlgefallen, das die Reformierung der Klöster vor Gott und dem Ordensgründer genieße – nicht weniger aber, so wird man hinzufügen dürfen, die himmlische Auszeichnung derer, die im Kampf gegen die Widersacher ,bis an das Ende beharren‘.367 Mit Berndt Hamm lassen sich die hier erkennbaren Tendenzen generell mit einem „im Spätmittelalter gesteigerten (durch ,Memento mori‘ und eschatologische Naherwartung angeheizten) Bewußtsein von Sündhaftigkeit und Satansmacht, mit einer eskalierenden

|| 365 Ms. 2934, fol. 253rv; Reichert IV/V, S. 36. – Vor allem schlägt dieses Exemplum auch einen Bogen zurück zur Erzählung von der endgültigen Reformierung des Nürnberger Katharinenklosters: Dort rekurriert Meyer ebenso auf Nider (Formicarius, S. 344f. [V,2]), wenn er die brachialen körperlichen Anschläge des ,bösen Geistes‘ gegen die reformierten Schwestern schildert, insbesondere gegen die zuvor unwilligen unter ihnen, was am Ende dazu führt, dass sie aus Furcht umso rascher die neue Lebensform akzeptieren (V,19): Also der böse geist der do dise obseruanczie begerte zü zerstören/ vnd die geistlicheit wider ablegen/ der verlor grösslichen dar an/ Wenn etliche halsstarcke swesteren die sich der geistlicheit nit wolten gancz losen von gütikeit vnd bitten wegen der die do daz closter angefangen hetten Die selben von forht vnd erschrekung toten [,taten‘] gancz volkomen bihte irs lebens/ vnd leiten die alten kleider abe vnd trügen do noch den anderen swesteren glich vnd nomen ein ganczes nüwes geistliches leben an sich (Ms. 2934, fol. 166v; Reichert IV/V, S. 69). Anders als der Text von 1468, wo Meyer den Konnex zur Reformgeschichte von St. Katharina wahrt, bringt die ,Urfassung‘ von 1464 denn auch das Nürnberger Beispiel unter der Überschrift Wie deßgleichen auch der böse Geist die Schwestern in den reformirten Clöstern, durchechtet, bekummert vnd beschwert (Fonds Herzog, 1f22, S. 471 [III,94]) unmittelbar im Anschluss an jene zwei ersten Schlusskapitel – hier indes nicht von Buch V (V,88/89), sondern von Buch III (III,92/93) – und fokussiert so die thematische Komplementarität beider Exempla. 366 Ms. 2934, fol. 253v; Reichert IV/V, S. 36. 367 Mt 24,13.

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Sünden- und Gerichtsangst und neuen Dimensionen religiöser Verunsicherung, geistlicher Anfechtung und angespannter Heilssorge“ in Verbindung bringen, auf die spezifische Prozesse „reformierender normativer Zentrierung“ im Zeichen eines „Kampf[es] gegen die bedrängenden Höllen- und Sündenmächte“ und „Eifer[s] für versittlichende Reinigung des persönlichen Lebens, der sozialen Bereiche und der Institutionen“ reagieren.368 Eine andere Perspektive als der frömmigkeits- und mentalitätsgeschichtliche Zugriff, der für die Zeiten vom ausgehenden 14. bis ins frühe 17. Jahrhundert eine Periode intensivierter „Angst vor dem Teufel“ und vor der „endzeitliche[n] Katastrophe“ konstatiert,369 eröffnet der mythentheoretische Ansatz Hans Blumenbergs, indem er die Auswüchse der spätmittelalterlichen Dämonologie als Gegenbewegung gegen den „ermattenden Realismus der Scholastik“ begreift.370 Zwar habe der Monotheismus mit seiner dogmatischen Verfestigung und den ihm eigenen Rationalisierungsbedürfnissen die gegen den „Absolutismus der Wirklichkeit“371 und zugunsten einer „Abmilderung des bitteren Ernstes“372 der den Menschen umgebenden Welt arbeitende, dabei auf „variabler Schriftentbundenheit“ beruhende und zu „freche[n] und satirische[n] Übersteigerungen“ ihrer Widersprüche neigende mythische Denkform per se hinter sich gelassen;373 doch sei trotz der „drakonische[n] Katharsis von jeder Anschaulichkeit“ im „Ursprung des theologischen Gottes und seiner bildlosen Metaphysik“ die „Sehnsucht nach den alten Göttern gerade unter der Last der Forderung, sie zu vergessen,“ nie verloren gegangen, da sie „sich immer wieder Bilder schuf und Geschichten verschaffte“.374 Gerade die Bedrohlichkeit des an die Stelle des „Absolutismus der Wirklichkeit“ getretenen „Absolutismus der Transzendenz“ bzw. der „imperativen Metaphysik der Gottesautarkie“ und der „Abstraktionen des Dogmas“ hätte demnach spezifischen Schüben der Remythisierung den Boden bereitet: „Der Satan der christlichen Tradition ist wie Proteus eine Übersteigerungsfigur des mythischen Repertoires, Inbegriff aller Mittel gegen eine theologische Instanz der Zuverlässigkeit und Festlegung auf den Menschen. Der Teufel hat seine Natur als Naturlosigkeit, als omnipotente Selbstverfügung der Metamorphose und des Blickenlassens tierischer Attribute. Es ist zu wenig gesehen worden, daß er in seiner ganzen Ausstattung die Gegenfigur zum substantiellen Realismus des Dogmas ist. In Satans Gestalt ist der Mythos zur Subversion der dogmatisch disziplinierten Glaubenswelt geworden.“375

|| 368 Hamm: Von der spätmittelalterlichen reformatio zur Reformation, S. 15. 369 Delumeau: Angst im Abendland 2, S. 365. 370 Blumenberg: Arbeit am Mythos, S. 159. Vgl. zu Blumenbergs Mythostheorie aus mediävistischer Perspektive und am Beispiel der Wiener Genesis Bruno Quast: Vom Kult zur Kunst. Öffnungen des rituellen Textes in Mittelalter und Früher Neuzeit. Tübingen/Basel 2005 (Bibliotheca Germanica 48), S. 49–53. 371 Blumenberg: Arbeit am Mythos, S. 9 u.ö. 372 Blumenberg: Arbeit am Mythos, S. 23. 373 Blumenberg: Arbeit am Mythos, S. 241. 374 Blumenberg: Arbeit am Mythos, S. 157f. 375 Blumenberg: Arbeit am Mythos, S. 158f.

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Man wird von daher die im Buch der Reformacio virulenten Muster „archaische[r] Gewaltenteilung“376 auch im Horizont einer Mythisierung der Geschichte unter den Vorzeichen einer verschärften Heilssorge in der Erwartung des Endes deuten dürfen. Der Antagonismus im Ursprung der Heilsgeschichte, wie ihn die neutestamentliche Interpretation des biblischen Schöpfungsberichts und die ihr folgende christliche Tradition festgeschrieben hat, wiederholt sich in der „wiederaufgelegten Konkurrenz der Mächte des Anfangs“377 angesichts des nahenden Eschaton. Die Besetzung der Positionen konvergiert dabei mit der dichotomischen Axiologie der Observanten, die sich als die ,Gerechten‘, als ritter Christi oder – mit den Worten des Augustinereremiten Conrad von Zenn – ,Söhne des Lichts‘ (filii lucis)378 den Nicht-Reformierten als Werkzeugen Satans gegenübersehen. Das Moment der Wiederholung selbst – auch sie ein genuiner Zug des Mythos – vergegenwärtigt nicht allein den Ursprung der Heilsgeschichte, sondern reiht die Resistenz der Observanten zugleich ein in die Tradition der Dämonenkämpfe sowohl in der Gründungsphase des eigenen Ordens wie auch in den Anfängen des frühchristlichen Zönobitentums.379 Johannes Nider etwa hat diese Bezüge in Kap. I,10 des Formicarius explizit gemacht: Stets habe Satan danach getrachtet, so die Ausführungen des Theologus, diejenigen monastischen Kommunitäten in ihren Anfängen am stärksten zu verfolgen und von ihren Zielen abzubringen, die die Prinzipien der Lebensform Christi und der Apostel, gleichsam der allerersten Zönobiten, in ihrer ursprünglichen Form zu bewahren suchten.380 Wenn dabei bereits die Wüstenväter um Antonius und Basilius expressis verbis als erste Reformgemeinschaft qualifiziert werden, in deren Fußstapfen später die Mendikantenorden und zuletzt die Observanten – vbi nunc ad vnguem regulas suas obseruant381 – getreten seien, ist die Stoßrichtung der Argumentation deutlich: Als ,wahre‘, exklusive Nachfolger Christi sind die mendikantischen Observanten gerade dadurch ausgezeichnet, dass sie vor allen anderen Gemeinschaften die Nachstellungen und Anfechtungen des Gegenprinzips auf

|| 376 Blumenberg: Arbeit am Mythos, S. 162. 377 Quast: Vom Kult zur Kunst, S. 68. 378 Hellmut Zschoch: Klosterreform und monastische Spiritualität im 15. Jahrhundert. Conrad von Zenn OESA († 1460) und sein Liber de vita monastica. Tübingen 1988 (Beiträge zur historischen Theologie 75), S. 64. 379 Vgl. zu den Dämonenkämpfen in der Dominikus-Vita (in der Version der Legenda aurea) und in den Vitas fratrum Füser: Exemplum Christi, S. 52–56, 87–89, 92, zur Antonius-Vita Largier: Kunst des Begehrens, S. 92–107. Zum Modellcharakter der Vitas patrum für die Vitas fratrum speziell auch unter diesem Aspekt siehe Alain Boureau: Vitae fratrum, Vitae patrum. L’ordre dominicain et le modèle des Pères du désert au XIIIe siècle. In: Mélanges de l’Ecole française de Rome. Moyen Age/Temps modernes 99 (1987), S. 79–100, hier S. 90, 94. 380 Nider: Formicarius, S. 71f. – Und nicht anders erwartet noch Luther „von der Reformation keinen anderen Fortschritt als das Wüten des Teufels, herausgefordert durch die Wiederentdeckung des Evangeliums“: Oberman: Luther, S. 282. 381 Nider: Formicarius, S. 72 (suas ist wohl eher auf das zuvor genannte Christi als auf das in der Verbform, als Subjekt des indirekten Fragesatzes, wiederaufgenommene Genitivattribut mendicantium ordinum zu beziehen).

Mythisierung von Geschichte und Perpetuierung der Reform | 173

sich ziehen und sich damit zugleich als legitime Erben der Gründergeneration ihrer Orden und der frühchristlichen Wüstenväter erweisen. Das Werk der Reform zum Zweck der Wiederherstellung des Ursprünglichen reiteriert – unter den veränderten Auspizien des heranrückenden Endes der Heilsgeschichte, wo es darum geht, „Satan, den kosmischen Widersacher Gottes, und seine irdischen Kreaturen niederringen zu müssen“382 – die „archetypische Szene der Versuchung Christi durch den Teufel“383 und, hiermit in eins, die Ursituation der dualistischen Konstellation. Die Funktion der Disziplinierung der Religiosen im Sinne einer Perpetuierung der Observanz verfolgen auch die drei übrigen Schlusskapitel des Buchs der Reformacio (V,90– 92). Hier werden zunächst, im Rekurs auf Niders „programmatische Schrift der Observantenbewegung“,384 den Tractatus de reformatione status coenobitici,385 die Argumente nun der irdischen Gegner der Observanz, d.h. der reformunwilligen Ordensleute, aufgegriffen und Schritt für Schritt und auf der Grundlage der Autoritäten der Heiligen Schrift, der Kirche und des Ordens widerlegt. So wird etwa dem Eingeständnis der mangelnden eigenen Gnade und mithin Unfähigkeit zur Reform das Convertimini ad me aus Za 1,3 entgegengehalten und mit Anselm von Canterbury (De casu diaboli) vielmehr die genuine Bereitschaft des Menschen, die göttlich gewährte Gnade auch empfangen zu wollen, eingefordert,386 die apologetische Rede von der im Laufe der Zeiten geschwundenen Stärke der menschlichen Natur, die die umfängliche Erfüllung der Gesetze des Ordens verhindere, u.a. mit dem Hinweis auf die Verständigkeit der Ordensgründer und mit dem Pauluswort Phil 4,13 pariert: Ich vermag alle ding in dem der mich stercken ist (V,90).387 In gleicher Weise qualifiziert die Autorrede in V,91 die Berufungen der Reformverweigerer auf die hergebrachten Gewohnheiten und Traditionen ihrer unmittelbaren Vorgänger, die die Devianzen von der in Regel und Statuten vorgeschriebenen Lebensform legitimieren sollen, als haltlos, wobei sie speziell auch auf die Kanonisten Henricus de Segusio (Hostiensis) und Johannes Andreae verweist, um die Ungültigkeit derjenigen Gewohnheiten zu belegen, die wider ein gůte glúbde und wider daz wesen vnd die gebot des geistlichen lebens stehen.388 Den Argumenten gegen die Devianzen der Unwilligen und vice versa zur Propagierung und Kontinuierung der Reform des Gesamtordens folgt im letzten Kapitel (V,92), als Kontrapunkt zu den zuvor abgewiesenen Geltungsbehauptungen hergebrachter Sondergewohnheiten, ein Katalog der für alle Religiosen verbindlichen Normen und Gebote, wie

|| 382 Heinz Schilling: Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs. Eine Biographie. 2., durchgesehene Auflage. München 2013, S. 584. 383 Largier: Kunst des Begehrens, S. 102. 384 Hillenbrand: Nider, Johannes, Sp. 974; vgl. Brand: Niders deutsche Schriften, S. 34. 385 Johannes Nider: De reformatione religiosorum libri tres. Hrsg. von Johannes Boucquet. Antwerpen 1611. 386 Ms. 2934, fol. 255r; Reichert IV/V, S. 38; vgl. Nider: De reformatione religiosorum, S. 8f. (I,1). 387 Ms. 2934, fol. 255v; Reichert IV/V, S. 38; vgl. Nider: De reformatione religiosorum, S. 36 (I,4). 388 Ms. 2934, fol. 256v; Reichert IV/V, S. 40; vgl. Nider: De reformatione religiosorum, S. 40 (I,5).

174 | Das Buch der Reformacio als Programmschrift

sie Nider nach Thomas von Aquin389 und Ulrich Engelbrecht von Straßburg390 zusammengestellt hat,391 angefangen bei den Gelübden der drei evangelischen Räte über die individuellen Gesetze des Ordens bis hin zu den Dingen, die by dotsúnden verbunden sint alle cristglibige mnschen zů halten noch gtlichem reht. Doch appelliert der Text ganz nach dem Wortlaut der Augustinusregel392 an eine dem Geschenk der göttlichen Gnade angemessene innere Haltung, die die aus der Profess resultierenden Verpflichtungen nicht im Gestus zwanghafter Dienstbarkeit, nicht wie die dienst kneht die vnder gezwungener gesetzde sint, sondern vs frlichem hertzen mit gůtem frigen willen gerne zu erfüllen bereit ist.393 An seinem Ende hat das Buch der Reformacio somit noch einmal in die Sprache abstrakter Norm gefasst, was schon immer Sinn und Zweck seiner Vermittlung von Geschichte war: die Wiederherstellung der ursprünglichen Einheit von Regel und Leben als Conditio sine qua non des den Religiosen als ,Freien unter der Gnade‘ gewährten Weges zur ewigen Seligkeit.

3.7 Die ,Urfassung‘ von 1464 Die Schönensteinbacher ,Urfassung‘ des Buchs der Reformacio Predigerordens von 1464, deren späte Abschrift Dominicus Ranckenthall am Ende seiner Vorrede auf den 29. Augusti, auff Sant Adolfs deß Bischoffs hochzeitlichen fest Ao. 1.6.70. datiert hat,394 unterscheidet sich von der jüngeren Straßburger Fassung des Jahres 1468 insbesondere hinsichtlich der Disposition der Materia. Sie verteilt den Stoff auf vier statt auf fünf Bücher, deren Kapitelstruktur in weiten Teilen mit der der Straßburger Fassung konvergiert, mitunter aber auch signifikant davon abweicht.395 In der Grundstruktur in beiden Fassungen identisch sind die Bücher I und II mit der Klostergeschichte von Schönensteinbach, auch wenn der Text von 1468 in seinem Buch I einige Kapitelfolgen des Textes von 1464 ausgelassen und sieben Kapitel zu Beginn von Buch II (II,2–8) an den Anfang seines Buchs IV (IV,1–5) versetzt sowie zwei weitere Kapitel von Buch II (II,21; II,23) zum Exordium seines Buchs III (III,1; III,2)396 verschoben hat. Danach bringt die ,Urfassung‘ in Buch III jedoch die Sequenz der Reformgeschichten der einzelnen Ordensklöster der Teutonia, die in der Straßburger Fassung – zudem mit abweichenden Ein- und Nachträgen, etwa der großen Re-

|| 389 Summa theologiae, II–II 186,9 co. 390 De summo bono, VI,4,15. 391 Nider: De reformatione religiosorum, S. 43f. (I,5). 392 Verheijen: La règle de Saint Augustin 1, S. 437 (VIII.1.): Donet dominus, ut obseruetis haec omnia cum dilectione, tamquam spiritalis pulchritudinis amatores et bono Christi odore de bona conuersatione flagrantes, non sicut serui sub lege, sed sicut liberi sub gratia constituti. 393 Ms. 2934, fol. 258r; Reichert IV/V, S. 41. 394 Fonds Herzog, 1f22, Vorred An den Gutthertzigen Leser [unpaginiert]. 395 Siehe dazu im Einzelnen u. S. 181–183 (Tab. 5). 396 Dazu o. S. 123 mit Anm. 156.

Die ,Urfassung‘ von 1464 | 175

formhistorie von St. Agnes (V,67–82)397 – erst im abschließenden Buch V erscheint, und stellt so die Linearität der institutionsgeschichtlichen Perspektive, den Nexus zwischen dem Mutterkloster und den von ihm begründeten Reformfilialen in den Vordergrund. Die Biographien der Schönensteinbacher Dominikanerinnen, die der Text von 1468 in seinem Buch III der Klostergründungsgeschichte gemäß dem Modell des Texttyps des dominikanischen Schwesternbuchs unmittelbar angeschlossen hat, werden dafür in der ,Urfassung‘ mit den Lebensbeschreibungen der Vikare und Beichtväter in Buch IV vereinigt und konstituieren demnach am Ende des Gesamttextes ein geschlossenes Vitencorpus der ,alten Schönensteinbacher Väter und Mütter‘. Konsequenterweise sind in der ,Urfassung‘ jene Partien, die zu Beginn von Buch IV der Straßburger Fassung von den Anfängen der dominikanischen Ordensreform und deren herausragenden Repräsentanten berichten und mithin die Perspektive der Darstellung von der Konventshistorie (einschließlich der Schwesternviten) Schönensteinbachs auf die Geschichte des Gesamtordens hin öffnen (IV,1–5), noch in den chronologischen Basisnexus der Bücher I–III integriert und gehen dort, als grundierende Kapitel von Buch II, der Erzählung von der Wiederaufrichtung Schönensteinbachs als Stammkloster der observanten Dominikanerinnen voraus (II,2–8). Hinzu kommt, dass die jüngere Fassung von 1468 eine Reihe von Kapiteln der ,Urfassung‘ ausgespart hat. Es handelt sich dabei in erster Linie um solche Kapitel, die in spezifischer Weise auf den Schönensteinbacher Konvent bezogen sind und das primäre Interesse einer Rezeption vor Ort indizieren. Dazu rechnen denn etwa die drei einleitenden, den Modus der Predigt intonierenden Kapitel von Buch I des Textes von 1464, deren Eloge Schönensteinbachs und adhortative Allegorese von I Sm 17, dem Kampf Davids gegen Goliath, den Kap. I,1 zunächst detailliert nacherzählt, ihren Ausgang nimmt. Die Außlegung diser histori in Kap. I,2398 deutet sodann den Schönensteinbach im thall Terebinthi, dem David seine fünf Steine entnahm,399 als Präfiguration (figur vnd vorbedeütung) des Mutterklosters der reformierten Dominikanerinnen und zugleich aller observanten Ordensklöster, ihre Insassen im Horizont der oben aufgewiesenen Mythisierungstendenzen des Textes als daß volck Israel, daß außerwelte volck Gottes, dem der groß feinnd Goliath mit seinem kriegsheer, daß ist, der teüffel mit seinen gesellen, nachstellt, um sie an der haltung ihres heiligen ordens mit rechter vnd wahrer obseruantz zu hindern.400 Die Steine wiederum vom ,anderen Schönensteinbach‘ der durchgelittene[n] menscheit vnsers lieben

|| 397 Vor allem auch haben die Nachträge III,80–91, jedenfalls in der Version, wie sie Fonds Herzog, 1f22 überliefert, keine Entsprechung in Ms. 2934. Die auch in Ms. 2934 nachgetragenen Nachrichten zu Medlingen, Frankfurt a.M., Regensburg und Esslingen sind umfangreicher als ihre zuweilen knappen ,Pendants‘ in Fonds Herzog, 1f22 (III,80, III,84–86) und lassen eine divergente Textfassung erkennen, während die Mitteilungen zu Aachen (III,81), Steyr (III,82), Heidelberg (III,83), Schwäbisch Gmünd (III,87), Gotteszell und den vier württembergischen Schwesternklöstern (III,88), zu Offenhausen (III,89), ʼs-Hertogenbosch (III,90) und Heilig Kreuz in Regensburg (III,91) in Ms. 2934 überhaupt nicht vorhanden sind. 398 Fonds Herzog, 1f22, S. 20. 399 Fonds Herzog, 1f22, S. 18. 400 Fonds Herzog, 1f22, S. 21f.

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herren JESV Christi interpretiert der Text als die heilige würdige fünff malzeichen der heiligen teweren fünff wunden Christi, mit deren Hilfe sich die Angefochtenen im Zeichen des Konzepts der spirituellen Ritterschaft des Widersachers erwehren sollen.401 Nicht anders als diese mehrstufige Exegese der Ortsbezeichnung und des Klosternamens waren wohl auch die Kapitel zur Translation des Schönensteinbacher Hausheiligen Adelphus von Metz (I,18–21), die Nachrichten vom Leben und heiligmäßigen Wandel von Angehörigen des ersten Schönensteinbacher Konvents vornehmlich aus dem Kreis der Stifterfamilie (I,25– 27) und die detaillierten Angaben zu Privilegien und Besitztiteln zum Zweck einer juristischen und ökonomischen Bestandsgarantie des Dominikanerinnenklosters (II,13/14, II,24; II,13 mit dem Wortlaut der Stiftungsurkunde402 Herzog Leopolds IV. von Österreich von 1396) zuvorderst für die hiesigen Konventualinnen von besonderem Interesse und wurden von daher aus der jüngeren Straßburger Fassung, die von vorneherein auf eine breitere Distribution des Buchs der Reformacio in den observanten Ordensklöstern jenseits von Schönensteinbach hin angelegt war, ausgeschieden.403

|| 401 Fonds Herzog, 1f22, S. 24f. 402 Vgl. Dietlers Chronik des Klosters Schönensteinbach (ed. Schlumberger), S. 209–213; weiterhin Winnlen: Schönensteinbach, S. 45f. – In der Straßburger Fassung findet sich dagegen zu den Privilegierungen des Klosters durch die Herzöge von Österreich nur die folgende summarische Notiz am Ende von II,5: Dis closter ist ch grslich gefriget von den fúrsten des landes vnd besunder des rmschen keisers friderich vnd ander hertzogen von sterich des sú vil sicherer bullen hinder in hant (Ms. 2934, fol. 35r; Reichert I–III, S. 32). 403 Wohl aus dem gleichen Grund einer eher lokalen Relevanz ist in der Straßburger Fassung in V,15 der umfassende Schriftverkehr zwischen den Ordensoberen bzw. der Stadt Nürnberg und dem Kloster Schönensteinbach hinsichtlich der Reform des Nürnberger Katharinenklosters, wie ihn die ,Urfassung‘ in III,19 mit je drei lateinischen und deutschen Briefen dokumentiert, erheblich reduziert und einzig das programmatische Schreiben Johannes Niders mit seinem universell gültigen Appell zur Unterstützung der Ordensreform beibehalten worden (vgl. o. S. 161f.). Eine ähnliche Motivation könnte auch für die Elision der Kapitel zur Reform des Colmarer Unterlindenklosters (III,6–9; vgl. Dietler [ed. Schlumberger], II,61, 64–67) in der Straßburger Fassung zu vermuten sein, thematisieren sie doch vor allem auch den Beitrag der 13 nach Colmar entsandten Schönensteinbacher Reformschwestern und die rasche Regeneration des in seinem Personalbestand zunächst dezimierten Schönensteinbacher Konvents (in Erfüllung des Christusworts date, et dabitur vobis) durch eine weit größere Zahl von Neuzugängen (unter ihnen etwa die spätere Nürnberger Priorin Gertraud Gewichtmacherin). Die Straßburger Fassung begnügt sich demgegenüber mit wenigen Notizen zur Reformierung des Unterlindenklosters am Ende von V,5 und zu Beginn von V,6 und verweist insbesondere auf ein sunder büch, wo festgehalten sei, wie daz selbe zü gangen ist/ vnd waz heiliger swesteren dor inne [in Unterlinden] gelepet hand (Ms. 2934, fol. 150r; Reichert IV/V, S. 49). Ob es sich bei dieser Quelle, die nicht notwendig mit dem in der ,Urfassung‘ genannten lateinisch schöne[n] buch von den grosse[n] wunderzeichen Gottes an den heiligmäßig lebenden ,alten‘ Schwestern der ersten Anfänge des Colmarer Konvents identisch ist (Fonds Herzog, 1f22, S. 254 [III,6]), um die von Elisabeth Kempf besorgte Fortsetzung des lateinischen Nonnenbuchs (Vitae sororum) der Katharina von Gueberschwihr im Kontext eines ,Hausbuchs‘ des Unterlindenklosters handelt (so Sarah Glenn DeMaris: Anna Muntprat’s Legacy for the Zoffingen Sisters. A Second Copy of the Unterlinden Schwesternbuch. In: ZfdA 144 [2015], S. 359–378, hier S. 376 Anm. 49), ist offen. Nicht ganz klar ist schließlich, warum in der jüngeren Fassung des Buchs der Reformacio von 1468 im Kontext der Vita Konrads von Preußen Kap. IV,4 der ,Urfassung‘ fehlt, das von der Errichtung des ersten observanten Predigerkonvents zu Colmar berichtet und die Namen der beteiligten

Die ,Urfassung‘ von 1464 | 177

Spezifische Konturen – jenseits punktueller Abweichungen innerhalb der einzelnen Kapitel, die hier nun nicht im Detail nachzuzeichnen sind – erhält die Schönensteinbacher ,Urfassung‘ dann vor allem durch eine Reihe von auktorialen Paratexten, die ausschließlich in Ranckenthalls Abschrift vorliegen. Dazu zählen Epistel und Prolog zum Gesamttext, die die Straßburger Fassung durch ein neues Vorwort404 ersetzt hat, wie auch die Vorrede zu Buch II. Die Epistel oder der Sendbrief zum Gesamttext bezeugt mit der einleitenden Salutatio, die zunächst der priorin vnd allen Ihren kinderen deß Closters Schönensteinbach und dann auch allen anderen Schwesteren der geistlichen beschlossenen Clösteren der heiligen obseruantz prediger ordens in der teutschen prouintz gilt, und zwar im Namen des Verfassers Joannes Meyer, beichtvatter daselbst, einmal mehr den primären Schönensteinbacher Resonanzradius des Textes von 1464.405 Meyer begründet seine Initiative zum Verfassen des vorliegenden Opus mit der bekannten Formel vom ,Schreiben gegen das Vergessen‘. Seine Bemühungen seien darauf gerichtet, dem Gedächtnis der Nachkommen die Namen sowie die Tugenden und Gnaden vnserer wurdigen heiligen vetteren vnd mütteren, brüderen vnd Schwesteren zu bewahren, die vor vns gelebt vnd mit grossem fleiß vnd andachtigem ernst den orden mit fleissiger obseruantz gehalten haben in den Conuenten vnd Clösteren, die mit grosser arbeit in den nechsten vergangenen fünff vnd Sibentzigen Jahren zu der Geistlicheit der heiligen obseruantz im teutschen landt seindt worden reformiert. Als Biograph der ersten dominikanischen Observanten und Genealoge der Reformbewegung des Ordens stellt er sich dabei dezidiert in die Nachfolge jener auch als Dominicj Nazaraej bezeichneten Geistliche[n] männer, die gemäß dem Bericht des Julius Africanus – wie er in der Christlichen Historien an dem Ersten buch vorliege406 und wie auch aus den Metten lectionen an || Brüder – u.a. Rudolf von Fessenheim, Konrad Hoffmann, Johannes Mulberg, Thomas von Preußen, Johannes von Witten, Dietrich von Wald – nennt (vgl. Meyers Chronica brevis: München, Bayerisches Nationalmuseum, Cod. 939, fol. 62rv; ed. Scheeben, S. 72f. [Nr. 112]). Da die Kapitelzählung des Straßburger Codex exakt an der Stelle, wo das fehlende Kapitel einzufügen wäre, eine Nummer überspringt (auf viij folgt x), wäre Textverlust infolge eines Schreiberversehens immerhin denkbar. 404 Dieses Vorwort, das Meyer selbst in die Straßburger Handschrift eingetragen hat, richtet sich an das nicht näher spezifizierte Kollektiv der gotminenden selen/ die gnad · andacht · vnd liebi hand · zů der heiligen geistlicheit des loblichen wirdigen predier ordens, nennt den Titel des vorliegenden Werks (bůch der reformacio) und gibt eine knappe Inhaltsübersicht zu dessen fünf Teilen (Ms. 2934, fol. 11rv; Reichert I–III, S. 1f.). Der sicher vor dem Hintergrund des erweiterten Resonanzradius des Textes von 1468 vorgenommenen Anonymisierung der Rezipientengruppe entspricht die der Verfasserinstanz, insofern die Urheberschaft des Textes semlichen personen (im Plural: dies möglicherweise ein Hinweis auf die Mitwirkung Dritter, etwa der Priorin von St. Nikolaus in undis) zugewiesen wird, die mit svnderem fliß vil gelesen hand bullen vnd brieff vnd ander geschrifft die von der reformacio des ordens sagen/ oder öch als sy semlichs von erwirdigen personen gewarlich vernomen hand/ ja öch offt vnd vil sölichs selber befvnden hand vnd darum vil erlitten (Ms. 2934, fol. 11v; Reichert I–III, S. 2). 405 Fonds Herzog, 1f22, S. 1. 406 Es handelt sich um Africanusʼ Brief an Aristides, den Eusebius auszugsweise in Kap. 7 von Buch I der Kirchengeschichte zitiert. Hier geht es darum, „die einander widersprechenden Stammbäume der Evangelien miteinander zu harmonisieren“. Nach Africanus „erwiesen beide Genealogien die Davidsnachkommen-

178 | Das Buch der Reformacio als Programmschrift

dem hochzeitlichen tag der geburth vnser lieben Frawen bekannt sei407 – die Genealogie Christi nach der Zerstörung der Geschlechtsregister durch Herodes wiederzugewinnen suchten.408 Der Nutzen des Unternehmens für die Nachkommen sei ein dreifacher, insofern es ihnen nicht nur trostreiche ergetzlichkeit angesichts des frommen Lebenswandels der Vorfahren bereiten, sondern aufgrund der Erkenntnis der vom Vorbild abweichenden eigenen Lebensführung auch zu einer heilsamen nutzlichen bewegung vnser[s] hertzen vnd gemüths anreizen und schließlich als fleissige Ermahnung, warnung vnd lehr zur Imitatio der Altvorderen leiten könne,409 die mit solch Seeligem leben […] Gottes Ehr, Ihr Eigen vnd auch Ihres Nechsten Seelen Seeligkeit gesucht haben.410 Als Gegengabe zu den aus bruderliche[r] trewe vnd liebe[] verfertigten vier Teilen des Gesamttexts zu mehrung vnd zu fürderung Ewerer andacht vnd Geistlicher obseruantz erbittet der Autor indes zuletzt die heilsame Fürbitte und Memoria der Schwestern zu seinen Lebzeiten und besonders auch in Form des Totengedächtnisses. Die Epistel schließt mit dem Explicit: Gegeben vnd geschriben zu Schönensteinbach, gelegen im obern Elsaß, im bistumb Basel, in dem Jahr deß herren 1.4.64. an dem hochzeitlichen tag vnsers würdigen heiligen vatters Sancti DOMINICI Translation, Stiffters vnsers heiligen prediger ordens.411 Der anschließende Prolog zum Gesamttext situiert das Buch der Reformacio Predigerordens im Feld der dominikanischen Reformhistoriographie und gewährt Einblicke in die konkreten Konditionen seiner Entstehung. Für den Bereich der deutschen Ordensprovinz wird speziell verwiesen auf die Schriften der Vorgänger Johannes Nider und Johannes (Fintzel) von Mainz, die zwar die sichere warheit ordentlich ans Licht gebracht, aber etlicher brüdern vnd Schwestern hefftige[n] begirden nicht hätten Genüge tun können, da sie die

|| schaft Jesu. Diese von Mt und Luk bezeugte Wahrheit wird durch die Herrenverwandten bestätigt. Von ihnen hat Africanus die Kunde, daß sie trotz des Versuchs des Herodes, alle Geschlechtsregister der Juden zu verbrennen, zusammen mit einigen wenigen anderen ihre hätten retten können. Und sie selbst würden nun ihre Ahnentafel, die in den Evangelien enthalten sei, erklären“: Gerd Lüdemann: Paulus, der Heidenapostel. Bd. 2: Antipaulinismus im frühen Christentum. Göttingen 21990 (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 130), S. 173; zu Africanusʼ Brief umfassend Christophe Guignard: La lettre de Julius Africanus à Aristide sur la généalogie du Christ. Analyse de la tradition textuelle, édition, traduction et étude critique. Berlin/Boston 2011 (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 167). 407 Vgl. Iacopo da Varazze: Legenda aurea. Edizione critica a cura di Giovanni Paolo Maggioni. Seconda edizione rivista dall’autore. Florenz 1998 (Millennio Medievale 6. Testi 3), S. 900–917 (Nr. CXXVII: De nativitate sancte Marie virginis), hier S. 901: Sicut autem in ecclesiastica hystoria dicitur et Beda in sua chronica testatur, cum omnes generationes Hebreorum et alienigenarum in archiuis templi secretioribus seruarentur, Herodes omnes iussit incendi extimans se nobilem posse uideri si deficientibus probamentis progenies sua ad Israel pertinere crederetur. Fuerunt tamen quidam dicti dominici, sic dicti ob propinquitatem Christi, qui et Nazarei fuerunt, qui ordinem generationis Christi partim ut a proauis didicerant, partim ut a quibusdam libris habuerant quos domi habebant, quantum poterant perdocebant. 408 Fonds Herzog, 1f22, S. 3f. 409 Fonds Herzog, 1f22, S. 4. 410 Fonds Herzog, 1f22, S. 7. 411 Fonds Herzog, 1f22, S. 7f.

Die ,Urfassung‘ von 1464 | 179

Geschehnisse im Ganzen zu kurtz begriffen hätten vnd der Nammen der personen, vnd Ihrer würdigkeit vnd ämbter nicht meldung gethan, noch die zeit, noch die stett nicht so eigenlichen beschriben, als dan zu einem buch einer rechten ordentlichen Historien gehört.412 Entsprechend diesem Anspruch seines eigenen Textes als einer so bislang nicht existenten umfassenden, im Licht des Aufschwungs der dominikanischen Observanzbewegung aktualisierten Historie der Reform (weil auch Seithero mehre Clöster seind reformiert worden) habe er, so der Autor weiter, alle die geschrifften, bücher, brieff, bullen, instrumenten, redelen [,Rodel‘], vnd andere deß gleichen, So hie von etwas melden, ersucht vnd zusamen gelesen; auch sei er zu disem ende von einer Statt zu der anderen verreysset, vom Closter zum Closter, vnd hab mit grossem fleiß erfraget die alte Geistliche warhaffte personen, auch ihre bucher vnd brieff ersehen, vnd waß ich finden hab können, daß hab ich mit sicherer warheit auff gemerckt, vnd mit der hülff Gottes nach meiner vermögenheit allhie geordnet zu einer rechten Historien, vnd es vertheilet in vier theil oder Stuck der bucher. Besonderer Nachdruck liegt auf der Authentizitätsbehauptung des aus dem vorgefundenen Stoff verfertigten Textes: Es sei allein solche Materi zugezogen worden, die da mit sicherer warheit eigentlich wohl bestehet, Unsicheres, Zweifelhaftes und weniger Erbauliches indes beiseite gelassen worden.413 Mit Blick auf die Funktion seiner Schrift, Namen und Wirken der Erneuerer der Observanz des Ordens der Memoria der Nachwelt zu bewahren, stellt sich Meyer sodann – als Chronist des ,zweiten Anfangs‘ – explizit in die Tradition und Kontinuität der großen Historiographen und Hagiographen der Frühzeit des Ordens, der erste[n] vätter in dem anfang deß h. ordens, die da beschriben die gnaden, die Gott der herr dem prediger orden erzeigt hatt: Wie einst Jordan von Sachsen mit dem Libellus de principiis ordinis Praedicatorum, wie Humbert von Romans und Gerhard von Frachet mit den Vitas fratrum und wie auch Thomas von Cantimpré mit dem Bonum universale de apibus und andere mehr, die da geschriben haben von dem ersten heiligen Standt der brüderen vnd Schwesteren, welche gewesen seind im anfang deß heiligen Ordens, so habe auch er nun mit dem Liber reformationis oder Buch von der reformation der leben der brudern vnd Schwesteren prediger ordens gegen die vergängliche Zeit angeschrieben, damit die fruchtbare arbeit vnd daß tugendreiche leben vnserer nechst vorgehenden lieben Vätteren vnd Mütteren, die vns die heilige obseruantz vnd Geistlichkeit deß ordens wider haben zugebracht, auch nicht vergessen werden und das literarische Werk den kommenden Generationen ein weg seye zu einem guten geistlichen tugendreichen leben, also daß Sie dardurch nach disem leben verdienen mögen daß ewige.414 Wie die alten Väter in ihren Schriften die glorreichen Anfänge des Ordens festgehalten haben, um ihren Nachfahren orientierungsstiftende Leitbilder an die Hand zu geben und den Ursprüngen Kontinuität zu verleihen, so will auch das Buch der Reformacio die von den unmittelbaren Vorfahren eingeleitete Erneuerung im Sinne der

|| 412 Fonds Herzog, 1f22, S. 9. 413 Fonds Herzog, 1f22, S. 9–11. 414 Fonds Herzog, 1f22, S. 12–14.

180 | Das Buch der Reformacio als Programmschrift

Rückkehr zu diesen heiligen Ursprüngen als „fundierende Geschichte“415 des zweiten Anfangs festschreiben, um die gegenwärtigen und künftigen Erben auf die Lebensmodelle der Gründerväter und -mütter der Observanz zu verpflichten und auf diese Weise das Heilsangebot des Ordens dauerhaft zu sichern. In diesem Verständnis soll die literarische Vergegenwärtigung normgebender Vergangenheit im Zeichen der Historie die Reform zu einer überzeitlich gültigen „Denk- und Handlungsorientierung, eine[r] Institution“ verfestigen.416 Schließlich enthüllt die Vorrede zu Buch II Spuren einer primären, am Ende aber verworfenen Konzeption des Buchs der Reformacio. Denn hier offenbart der Autor zuletzt seinen initialen Plan einer weit ausgreifenden historiographischen Darstellung nicht allein […] der reformation diser teütscher prouintzen, sondern so gar deß gantzen Ordens. Zu diesem Zweck habe er sowohl die ihm zugänglichen Quellen und Dokumente gesichtet, die nemblich im teütschlandt mir zu händen waren kommen, als auch Anfragen an weiter entfernte Stellen außerhalb der Teutonia, etwa gen vnd auff Venedig vnd andere örther mehr, gerichtet, daß mir der reformation der Clösteren series vnd zuwegen bringung […] schrifftlich vberschickt wurde, damit ich also diß mein vorhabendes werck desto grosser vnd vollkomner könte machen. Da aber die sach sich lang verzogen hatt und in der Zwischenzeit die Mehrzahl der Gottseelige[n] alte[n] vnd verständige[n] vätter, die als Augenzeugen von den Vorgängen im Orden glaubwürdiglich hetten berichten können, verstorben, ferner auch eine Reihe von Nachrichten schlichtweg ausgeblieben seien, darumb so bin ich gezwungen worden, daß ich diße meine meynung nicht hab ins werck mögen bringen als wie ich gewoltet, sondern als ich gekontet.417 Aus pragmatischen Gründen also, weil die erforderliche Stoffgrundlage, die zu bearbeitende Materia nicht zu beschaffen ist, konzentriert sich das Buch der Reformacio Predigerordens in der vorliegenden Gestalt auf die verfügbare engere Geschichte der dominikanischen Observanzbewegung in der deutschen Ordensprovinz: auf das ,Wenige‘, so die abschließende Demutsgeste des Autors, so ich zusamen gebracht.418 Und doch ist gerade in der poetologischen Reflexion der nicht realisierten Alternative der grundsätzliche Anspruch des Textes als eines universalen Narrativs der dominikanischen Ordensreform evident.

|| 415 Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 75–78. Vgl. Melville: Welt der mittelalterlichen Klöster, S. 302. 416 Schreiner: Erneuerung durch Erinnerung, S. 87. 417 Fonds Herzog, 1f22, S. 118f. 418 Fonds Herzog, 1f22, S. 119.

Die ,Urfassung‘ von 1464 | 181

Tab. 5: Kapitelstruktur der ,Urfassung‘ von 1464 samt Nachträgen (Fonds Herzog, 1f22 = C) im Vergleich zur Fassung von 1468 (Ms. 2934 = S; Unstimmigkeiten der hs. Kapitelzählung sind stillschweigend korrigiert)

C

S

C

S

Epistel Prolog

fehlt fehlt

Prolog zu I I,1 I,2 I,3 I,4 I,5 I,6 I,7 I,8 I,9 I,10 I,11 I,12 I,13 I,14 I,15 I,16 I,17 I,18 I,19 I,20 I,21 I,22 I,23 I,24 I,25 I,26 I,27 I,28 I,29 I,30 I,31 I,32 I,33

fehlt fehlt fehlt fehlt I,1 I,2 I,3 I,4 I,5 I,6 I,7 I,8 I,9 I,10 I,11 I,12 I,13 I,14 fehlt fehlt fehlt fehlt I,15 I,16 I,17 fehlt fehlt fehlt I,18 I,19 I,20 I,21 I,22 I,23

Prolog zu II II,1 II,2 II,3 II,4 II,5 II,6 II,7 II,8 II,9 II,10 II,11 II,12 II,13 II,14 II,15 II,16 II,17 II,18 II,19 II,20 II,21 II,22 II,23 II,24 II,25 II,26 II,27 II,28 II,29 II,30 II,31 II,32 II,33 II,34 II,35 II,36 II,37

fehlt II,1 IV,1 IV,2 noch zu IV,2 noch zu IV,2 IV,3 IV,4 IV,5 II,2 II,3 II,4 II,5 fehlt fehlt II,6 II,7 II,8 II,9 II,10 II,11 III,1 II,12 III,2 fehlt II,13 II,14 II,15 II,16 II,17 II,18 II,19 II,20 II,21 II,22 II,23 II,24 II,25

182 | Das Buch der Reformacio als Programmschrift

C

S

C

S

Prolog zu III III,1 III,2 III,3 III,4 III,5 III,6 III,7 III,8 III,9 III,10 III,11 III,12 III,13 III,14 III,15 III,16 III,17 III,18 III,19 III,20 III,21 III,22 III,23 III,24 III,25 III,26 III,27 III,28 III,29 III,30 III,31 III,32 III,33 III,34 III,35 III,36 III,37 III,38 III,39 III,40 III,41

Prolog zu V V,1 V,2 V,3 V,4 V,5 fehlt fehlt fehlt fehlt V,6 V,7 V,8 V,9 V,10 V,11 V,12 V,13 V,14 V,15 V,16 V,17 V,18 V,19 V,20 V,21 V,22 V,23 V,24 V,25 V,26 V,27 V,28 V,29 V,30 V,31 V,32 V,33 V,34 V,35 V,36 V,37

III,42 III,43 III,44 III,45 III,46 III,47 III,48 III,49 III,50 III,51 III,52 III,53 III,54 III,55 III,56 III,57 III,58 III,59 III,60 III,61 III,62 III,63 III,64 III,65 III,66 III,67 III,68 III,69 III,70 III,71 III,72 III,73 III,74 III,75 III,76 III,77 III,78 III,79 III,80 III,81 III,82 III,83

V,38 V,39 V,40 noch zu V,40 V,41 V,42 V,43 V,44 V,45 V,46 V,47 V,48 V,49 V,50 V,51 V,52 V,53 V,54 V,55 V,56 z.T. noch zu V,56 V,57 V,58 V,59 V,60 V,61 V,62 V,63 V,64 V,65 V,66 ersetzt durch V,67–82 V,83 V,84 zu V,87 V,85 V,86 V,87 fehlt fehlt fehlt fehlt

Die ,Urfassung‘ von 1464 | 183

C

S

C

S

III,84 III,85 III,86 III,87 III,88 III,89 III,90 III,91 III,92 III,93 III,94 III,95 III,96 III,97

fehlt fehlt fehlt fehlt fehlt fehlt fehlt fehlt V,88 V,89 zu V,19 V,90 V,91 V,92

Prolog zu IV IV,1 IV,2 IV,3 IV,4 IV,5 IV,6 IV,7 IV,8 IV,9 IV,10 IV,11 IV,12 IV,13 IV,14 IV,15 IV,16 IV,17 IV,18 IV,19 IV,20 IV,21 IV,22 IV,23 IV,24 IV,25

≅ III,3 IV,6 IV,7 IV,8 fehlt IV,9 IV,10 IV,11 IV,12 IV,13 IV,14 IV,15 IV,16 IV,17 IV,18 IV,19 IV,20 IV,21 IV,22 IV,23 IV,24 III,4 III,5 III,6 III,7 III,8

IV,26 IV,27 IV,28 IV,29 IV,30 IV,31 IV,32 IV,33 IV,34 IV,35 IV,36 IV,37 IV,38 IV,39 IV,40 IV,41 IV,42 IV,43 IV,44 IV,45 IV,46 IV,47 IV,48 IV,49 IV,50 IV,51 IV,52 IV,53 IV,54 IV,55 IV,56 IV,57 IV,58 IV,59 IV,60 IV,61 IV,62

III,9 III,10 III,11 III,12 III,13 III,14 III,15 III,16 III,17 III,18 III,19 III,20 III,21 III,22 III,23 III,24 III,25 III,26 III,27 III,28 III,29 III,30 III,31 III,32 III,33 III,34 III,35 III,36 III,37 III,38 III,39 III,40 III,41 III,42 III,43 III,44 III,45

4 Ordenshistoriographie in universalgeschichtlichen Bezügen: Leben der Brüder, Papst- und Kaiserchronik 4.1 Der Überlieferungsverbund als dominikanische Geschichtsenzyklopädie Im engen zeitlichen Anschluss an die jüngere Fassung des Buchs der Reformacio Predigerordens von 1468 vollendete Johannes Meyer 1469 während seines Aufenthalts als Beichtvater im Kloster Silo zu Schlettstadt seine deutsche Übersetzung oder, treffender, Adaptation der Vitas fratrum Gerhards von Frachet, die Leben der Brüder Predigerordens. Ihnen folgten wiederum 1470 die Papstchronik und 1471 die Kaiserchronik Predigerordens, beide nach Ausweis ihrer Prologe fertiggestellt im Predigerkonvent Gebweiler, wohin Meyer nach der Reform der drei Freiburger Frauenklöster im Jahr 1465 übergesiedelt war.1 Alle drei Texte sind von Anbeginn gemeinsam überliefert worden. Ältester Zeuge ist der Codex Mgq 195 der Staatsbibliothek zu Berlin, der wie die Straßburger Handschrift Ms. 2934 im Straßburger Kloster St. Nikolaus in undis – z.T. von Händen, die auch in Ms. 2934 nachzuweisen sind2 – geschrieben wurde und als autornah einstufen ist, d.h. der Ausgangsstufe der Überlieferung am nächsten steht.3 Wie die Straßburger eröffnet auch diese Berliner Handschrift die Reihe der in ihr enthaltenen Texte mit einem (identischen) Verzeichnis der reformierten Dominikanerinnenklöster der Teutonia (vom Jahr 1469). Sie tradiert weiterhin noch Meyers Vita des Albertus Magnus, seinen Epistel brief z den swesteren prediger ordens und einen (autographen) Nachtrag zur Papstchronik bis zum Jahr 1475. Die Leben der Brüder Predigerordens und die beiden Chroniken wurden offenbar bald nach ihrer jeweiligen Fertigstellung „in den Berliner Codex übernommen und somit zu einem von vorneherein geplanten Textverbund oder Autorcorpus vereinigt“,4 das nach Ausweis der bekannten Überlieferung – wie die jüngere Fassung des Buchs der Reformacio von 1468 – gezielt vom Straßburger Nikolauskloster aus für die observanten Dominikanerinnen der deutschen Ordensprovinz in Umlauf gebracht wurde.5 Um zwei – voneinander unabhängige – Abschriften von Mgq 195 handelt es sich beim Codex A XI 89 der Universitätsbibliothek Basel und den beiden zusammengehörigen Handschriften B 1 Nr. 202 und B 1 Nr. 203 des Stadtarchivs Freiburg i.Br., wobei die Kaiserchronik im zweiten ,Band‘, Nr. 203, des Freiburger Handschriftenpaars offensichtlich

|| 1 Vgl. Dietlers Chronik des Klosters Schönensteinbach (ed. Schlumberger), S. 484; Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 475. 2 Siehe o. S. 95 Anm. 25. 3 Vgl. Seebald: Basler Codex, S. 205–207. 4 Seebald: Basler Codex, S. 207. 5 Die auktorialen Prologe zu den Vitas fratrum und zur Papstchronik adressieren die Priorin und Schwestern von St. Nikolaus als primäre Empfängerinnen und erbitten zugleich die weitere Verbreitung der Texte (siehe o. S. 98 Anm. 44). https://doi.org/10.1515/9783110656695-004

Der Überlieferungsverbund als dominikanische Geschichtsenzyklopädie | 185

verloren gegangen und nur noch über das Inhaltsverzeichnis in Nr. 202 zu erschließen ist. Die beiden Freiburger Codices dürften um das Jahr 1475 im Dominikanerinnenkloster Liebenau bei Worms während Meyers Amtszeit als Seelsorger der Schwestern hergestellt worden sein. Neben den (anfänglich) drei großen Schriften Meyers überliefern sie ebenfalls den Epistel brief z den swesteren prediger ordens, den Nachtrag zur Papstchronik aus Mgq 195 und zudem noch einen neuen Nachtrag von Meyers Hand, der inhaltlich bis zum Jahr 1481 reicht.6 Der Basler Codex A XI 89 wiederum stammt aus dem benachbarten Schwesternkonvent Maria Himmelskron in Hochheim bei Worms und wurde bereits 1474 – möglicherweise in Liebenau – für die Hochheimer Dominikanerinnen angefertigt. Er tradiert ausschließlich die Leben der Brüder, die Papstchronik mit dem ersten Nachtrag bis 1475 und die Kaiserchronik, die hier indes am Ende gegenüber dem Text von Mgq 195 erweitert ist: mit einem Bericht „von der legendenhaften Geburt des Königs Ruprecht von der Pfalz im Kloster Liebenau, seiner Kindheit und Erziehung in diesem Kloster in der Obhut von Irmengard von Oettingen, seiner Großmutter väterlicherseits, sowie von seiner Familie und seinen Nachkommen, besonders von drei Enkeltöchtern und zuletzt einer anonym bleibenden unehelichen Tochter, die alle als Schwestern in den Predigerorden und in den Konvent von Liebenau […] eingetreten sind“.7 Abgesehen von einer einzigen, späten Ausnahme – dem Münchener Cgm 416, der die 1489 vollendete Abschrift der Vitas fratrum (erneut nach der Vorlage der Berliner Handschrift) mit deutschen Übersetzungen der Legende des Thomas von Aquin Wilhelms von Tocco und einer Kurzversion der Thomas-Translation kombiniert8 – hat die Überlieferung mithin den originären Textverbund aus (1.) Vitas fratrum, Leben der Brüder Predigerordens, (2.) Papstchronik und (3.) Kaiserchronik Predigerordens durchgängig bewahrt.9 Es

|| 6 Vgl. Seebald: Basler Codex, S. 207–210. 7 Seebald: Basler Codex, S. 213. 8 Die lateinische Vorlage dieser Kurzversion ist eine Serie von neun Lektionen für das Offizium zur Feier der Translation am 28. Januar, die wohl den offiziellen Translationsbericht des Raymundus Hugonis voraussetzt (vgl. Constant J. Mews: The Historia translationis sacri corporis Thome Aquinatis of Raymundus Hugonis: An Eyewitness Account and its Significance. In: Relics, Identity, and Memory in Medieval Europe. Hrsg. von Marika Räsänen, Gritje Hartmann und Earl Jeffrey Richards. Turnhout 2016 [Europa Sacra 21], S. 257–284, hier S. 258–261). Die deutsche Übertragung ist weiterhin überliefert in: Berlin, Staatsbibliothek, Mgo 452, fol. 80v–90v. 9 Dies gilt auch für zwei weitere, heute verschollene Handschriften: (1.) den ursprünglich Adelhauser, zuletzt Straßburger Codex G 180 (beim Brand der Stadtbibliothek 1870 zerstört), geschrieben 1485–1487 von der Schwester Agnes Huber, der neben den Leben der Brüder, der Papst- und der Kaiserchronik auch Meyers Ordenschronik von 1484 und sein Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch enthalten hat (vgl. Wilhelm Preger: Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter. II. Theil: Aeltere und neuere Mystik in der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts. Heinrich Suso. Leipzig 1881, S. 253; Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 481, 484); (2.) den umfangreichen Meyer-Codex (des 15./16. Jahrhunderts) unbekannter Provenienz, „aus dem eine im Nachlass Franz Pfeiffers befindliche Beschreibung von unbekannter Hand (zwei Blätter des 18. Jh.s) einzelne Auszüge mitteilt“ (Seebald: Basler Codex, S. 203) und wo dem Tripel aus Leben der Brüder, Papstund Kaiserchronik eine Dominikus-Vita vorangestellt war. Schließlich hat eine ebenfalls verlorene Hand-

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liegt nahe, das Textensemble auf den Autor selbst zurückzuführen und von daher der Zusammenstellung in produktions- wie rezeptionsästhetischer Perspektive ein spezifisches programmatisches Textkonzept zu unterstellen. Gert Melville hat 1980 in einem Grundsatzartikel auf jene von der (post)modernen Geschichtswissenschaft vernachlässigten enzyklopädischen Texttypen des Spätmittelalters hingewiesen, die in erster Linie nicht den „Aufbruch zu Neuem“ anzeigen, sondern „auf Bestandsaufnahme hin angelegt“ sind und demnach eher reflektieren, „was einer Zeit als bereits Bekanntes zur Verfügung stand“.10 Dazu rechnet Melville vornehmlich die Gruppe der „spätmittelalterlichen Geschichtskompendien“, deren auf Kompilation beruhende Komposition darauf zielt, „durch selektierenden Aufgriff des Verfügbaren und Wichtigen ein[en] Überblick über das Standardwissen“ zu geben.11 „Da entsprechend dem enzyklopädischen Prinzip die Geschichtskompendien ihren thematischen Ansatz grundsätzlich beim Universalen haben, führt deren überwiegende Zahl Weltgeschichte vor. In diesem denkbar weitesten Bereich des Geschichtlichen verwirklicht sich am natürlichsten der leitende Gedanke, Überblick über den verfügbaren Wissensstoff zu geben. Dennoch sind Kompendien nicht gleich mit Weltgeschichtsschreibung zu setzen, das allgemein Umfassende konnte auch anders konkretisiert werden. So wurde etwa bestimmten Institutionen, Völkern oder einfach dem heimatlichen Raum eine derart zentrale Bedeutung zugemessen, daß sie in den Augen des Kompilators – und intentionell auch in denen des Lesers – das universell Bedeutsame überhaupt trugen.“12 Vom universalgeschichtlichen Zugriff, wie er etwa für die spätmittelalterlichen Kompendien und Papst-Kaiser-Chroniken insbesondere in der Tradition Martins von Troppau charakteristisch ist,13 kann freilich beim Chronikpaar der Berliner Handschrift nicht die Rede sein. Hier wird keine umfassende kontinuierliche Chronographie der Heilsgeschichte von den Anfängen der Welt oder auch nur der nachchristlichen Ära bis in die Gegenwart der Textabfassung geboten. Und dennoch artikuliert die Textzusammenstellung von Mgq 195 ein – in Melvilles Worten – „allgemein Umfassende[s]“ oder „universell Bedeutsame[s]“, das dazu berechtigt, den Verbund der drei Texte dem Format der Geschichtsenzyklopädie zuzuweisen. Denn immerhin entwirft das Tripel aus Leben der Brüder, Papstund Kaiserchronik die Geschichte des Dominikanerordens in ihren universalhistorischen Bezügen und mithin ein Bild der ,Welt‘ aus der Perspektive und im Horizont der Instituti-

|| schrift aus dem Kölner Dominikanerinnenkloster St. Gertrud offenbar auch die Leben der Brüder und die Papstchronik tradiert (vgl. Scheeben: Handschriften I, S. 181 Anm. 9). 10 Gert Melville: Spätmittelalterliche Geschichtskompendien – eine Aufgabenstellung. In: Römische historische Mitteilungen 22 (1980), S. 51–104, hier S. 52. 11 Melville: Geschichtskompendien, S. 76f. 12 Melville: Geschichtskompendien, S. 81. 13 Dazu Anna-Dorothee von den Brincken: Zu Herkunft und Gestalt der Martins-Chroniken. In: DA 37 (1981), S. 694–735; Heike Johanna Mierau: Die lateinischen Papst-Kaiser-Chroniken des Spätmittelalters. In: Handbuch Chroniken des Mittelalters. Hrsg. von Gerhard Wolf und Norbert H. Ott. Berlin/Boston 2016, S. 105–126.

Der Überlieferungsverbund als dominikanische Geschichtsenzyklopädie | 187

on.14 Während die Adaptation der lateinischen Vitas fratrum anhand der Serie der Viten der fünf Nachfolger des Ordensgründers und der Hagiographie des Kollektivs der – mitunter namenlosen – heiligmäßigen ersten Brüder die Gründungs- und Konsolidierungsphase des Ordens aus der Innensicht der Institution in den Fokus nimmt, skizziert das aus den beiden Chroniken bestehende Geschichtskompendium – als Komplement zur prononciert hagiographischen Darstellung – Stationen der Entwicklung des Ordens von seinen Anfängen bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts – besonders im Bereich der deutschen Ordensprovinz – im Schatten der Leitsukzessionen der höchsten kirchlichen und weltlichen Autoritäten und ihres jeweiligen Herrschaftshandelns. Dieses Nebeneinander von dominikanischer Vitenliteratur und chronikalischem Narrativ auf der Grundlage der „leitende[n] Dualität von Päpsten und Kaisern“15 ist auch aus anderen, genuin enzyklopädischen Zusammenhängen bekannt: etwas aus der großen Weltchronik des Antoninus von Florenz O.P., wo den nach der Reihe der Päpste und Kaiser organisierten Tituli 19–22, die Vorgänge und Geschehnisse der Universalgeschichte vom Anfang des 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts mitteilen und damit ungefähr den Berichtszeitraum von Johannes Meyers Papst-/Kaiserchronik umfassen, Titulus 23 mit der hagiographisch akzentuierten Historie des Dominikanerordens folgt, die nicht nur die Legenden des Ordensgründers und der übrigen Ordensheiligen, sondern auch die Vita des zweiten Ordensmeisters Jordan von Sachsen sowie weitere Lebensbeschreibungen der frühen Ordensbrüder aus den Vitas fratrum enthält.16 Freilich ist Johannes Meyers Konzept allenfalls in Umrissen mit dem des Antoninus vergleichbar, denn seine Version der PapstKaiser-Geschichte greift nicht eigentlich auf die Universalgeschichte aus, sondern beschränkt sich ganz auf die für den Predigerorden relevanten Ereignisse und verfolgt mithin durchweg die Perspektive der Institution, ihres Herkommens und ihrer Progression. Zugleich stellt Meyer diesem chronikalischen Überblick seine deutsche Adaptation der Vitas fratrum voran, die zwar das lateinische Modell als Texteinheit übernimmt, es aber doch in spezifischer Weise – wie im Weiteren zu zeigen sein wird – im Hinblick auf die Belange des neuen ,Zielpublikums‘, der observanten Dominikanerinnen der Teutonia, modifiziert und von daher eine gewisse Eigenständigkeit für sich in Anspruch nehmen kann. In diesem Verbund machen die Texte den Ordensschwestern – erstmals in deutscher Sprache – einen Wissensbestand im Sinne eines Gesamtbildes des Ordo Praedicatorum verfügbar, das die charismatischen Anfänge mit Evolution und Wandel – mit den einander ablösenden Phasen des Auf- und Niedergangs – der Institution im Spiegel der sie betreffenden Herrschaftsentscheidungen der obersten kirchlichen und weltlichen Gewal|| 14 Grundsätzlich zu solcherart Verschränkungen von Universal- und Partikular- oder Eigengeschichte in der Historiographie des 14. und 15. Jahrhunderts Peter Johanek: Weltchronistik und regionale Geschichtsschreibung im Spätmittelalter. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mittelalter. Hrsg. von Hans Patze. Sigmaringen 1987 (Vorträge und Forschungen 31), S. 287–330. 15 Melville: Geschichtskompendien, S. 94. 16 Vgl. dazu James Bernard Walker: The Chronicles of Saint Antoninus. A Study in Historiography. Washington 1933, S. 48–51, 89–96.

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ten zusammensieht und so die Herkunft und das historische Gewordensein des Ordens und seine zuletzt erreichte Position in der ,Welt‘ dokumentiert.

4.2 Reformhagiographie und monastische Tradition: Die Leben der Brüder zwischen Vitas fratrum und Vitas patrum Im Textarchiv der monastischen Gemeinschaften des Mittelalters nehmen die spätantiken Vitas patrum einen eminenten Platz ein. Seit ihren Ursprüngen im 4. und 5. Jahrhundert hat sich die Textsammlung kontinuierlich sowohl im griechischen Orient als auch im lateinischen Westen als wirkmächtiges Zeugnis für die facta et dicta der frühchristlichen ägyptischen, syrischen und palästinensischen Wüstenväter und ersten Mönche etabliert. Das lateinische Corpus, das im Laufe der langen Überlieferung „zu einem immer umfassenderen Kompendium“ geformt wurde, enthält im Kern drei Gruppen unterscheidbarer Texttypen: (1.) die großen Viten „der ersten Eremiten und Gründer von Mönchsgemeinschaften“, darunter vor allem die Antonius-Vita des Athanasius (in der Übersetzung des Evagrius) sowie die drei Mönchsbiographien des Hieronymus, (2.) kürzere Lebensbeschreibungen „in Form eines Reise- und Erfahrungsberichts“, konkret die Historia monachorum und die Historia Lausiaca, und (3.) die sog. Verba seniorum, die Aussprüche der Wüstenväter sowie kurze Lehrgespräche und Exempla zusammenstellen und (in der lateinischen Tradition) nach den „Topoi mönchischer Lebensordnung“ systematisch anordnen.17 Nicht zuletzt aufgrund der Mittlerrolle der Schriften Johannes Cassians avancierten die Vitas patrum bald zu einem der Grundlagentexte des westlichen Mönchtums, sowohl die Magisterregel als auch die Benediktsregel dokumentieren jedenfalls den besonderen Rang der Sammlung im Lektürekanon der frühen monastischen Kommunitäten18 und die daran ablesbare fortwährende Faszination „jene[r] idealtypische[n] Gemeinschaft religiöser Virtuosen, die den Ursprung der christlich-monastischen Askese markiert“.19 Schließlich ist das Modell der Vitas patrum im Zuge produktiver Rezeption im Kontext des Schrifttums der einzelnen Orden immer wieder auch literarisch imitiert worden,20 und zwar vorzugsweise in solchen Zusammenhängen, die von verstärkten Bemühungen um Traditionsstiftung und „spirituelle Erneuerung“ gekennzeichnet scheinen.21 Ein prominentes Beispiel aus dem Bereich der Mendikantenorden, speziell des Predigerordens, stellen

|| 17 Williams: Alemannische Vitaspatrum, S. 3*f. 18 Williams: Alemannische Vitaspatrum, S. 5*; Solignac: Vitae Patrum, Sp. 1030. 19 Schürer: Exemplum, S. 183. 20 Dazu Konrad Kunze, Ulla Williams und Philipp Kaiser: Information und innere Formung. Zur Rezeption der Vitaspatrum. In: Wissensorganisierende und wissensvermittelnde Literatur im Mittelalter. Perspektiven ihrer Erforschung. Kolloquium 5.–7. Dezember 1985. Hrsg. von Norbert Richard Wolf. Wiesbaden 1987 (Wissensliteratur im Mittelalter 1), S. 123–142, hier S. 129–133; Solignac: Vitae Patrum, Sp. 1031–1034. 21 Williams: Alemannische Vitaspatrum, S. 5*.

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die Vitas fratrum Gerhards von Frachet dar, die bereits im Werktitel paronomastisch auf das Vorbild anspielen und sich in dessen Tradition einschreiben. Die Vitas fratrum sind – gemäß den Angaben im (zweiten) Prolog des Ordensmeisters Humbert von Romans22 – das Resultat eines Aufrufes innerhalb des Dominikanerordens, konkret des Pariser Generalkapitels von 1256, Berichte vom erinnerungswürdigen verdienstvollen Leben und Wirken der Gründungsväter und ersten Ordensbrüder, das den nachfolgenden Brüdergenerationen angesichts seiner spirituellen Vollkommenheit als erbauliches Vorbild und Orientierung zu dienen vermag, zu bewahren, zu sammeln und an zentraler Stelle zusammenzuführen.23 Auf der Grundlage der eingesandten Schriften und Zeugnisse erarbeitete Gerhard von Frachet einen Text, der wohl spätestens „auf dem Generalkapitel des Jahres 1260 in Straßburg […] approbiert und im Predigerorden publiziert“ wurde.24 Das Modell der Vitas patrum ist in der literarischen Faktur der gleichfalls biographischen Serie bzw. kollektiven Hagiographie der Vitas fratrum, in der Kombination von hagiographischen Viten und Apophthegmata- bzw. Exempel-Kollektion, unverkennbar präsent.25 Mit Johannes Meyers Vitas fratrum, Leben der Brüder Predigerordens liegt offenbar die erste deutschsprachige Version der dominikanischen Vitas fratrum vor. Der Bezug zur Legendenkompilation Gerhards von Frachet ist allein durch den Werktitel offenkundig, und Meyer weist denn auch sowohl im Prolog des Textes als auch in seinem etwas später zusammengestellten Schriftenverzeichnis des Epistel brief z den swesteren prediger ordens auf das Modell der Vitas fratrum hin, wenngleich hier jeweils – wie bei nahezu sämtlichen älteren Ordenschronisten26 – der Ordensmagister Humbert von Romans statt Gerhards von Frachet als Verfasser genannt wird. Meyers deutsche ,Übertragung‘ folgt indes nicht dem Prinzip der ,Werktreue‘, sondern setzt den Modus des adaptierenden Übersetzens voraus, wie dies etwa schon am Beispiel des Buchs der Ämter erörtert wurde.27 Der Ausgangstext Gerhards von Frachet bildet zwar den thematischen Gravitationspunkt der volkssprachigen Komposition, er wird aber einerseits nur selektiv übernommen, andererseits durch zusätzliches kompiliertes Material – insbesondere aus dem Bonum universale de apibus des Thomas von Cantimpré – ergänzt und modifiziert und so an die Bedürfnisse seiner spezifischen Rezeptions- und Gebrauchssituation angepasst. Ein gewisser Innovationsanspruch der neuen Kompilation resultiert dabei daraus, dass vor allem

|| 22 Vitae Fratrum (ed. Reichert), S. 3–5. 23 Vgl. Schürer: Exemplum, S. 112–115; Bürkle: Literatur im Kloster, S. 163f. 24 Schürer: Exemplum, S. 105. – Neue Hypothesen zur Textgeschichte bei Simon Tugwell: L’évolution des vitae fratrum. Résumé des conclusions provisoires. In: Cahiers de Fanjeaux 36 (2001), S. 415–418. Tugwell erwägt multiple Revisionen eines schon vor 1250 in einer ersten Version vorliegenden Grundtextes zunächst durch den Verfasser Gerhard von Frachet selbst und dann vor allem durch Humbert von Romans (vgl. dazu Schürer: Exemplum, S. 105f. Anm. 8). 25 Vgl. Boureau: Vitae fratrum, S. 87. 26 Vgl. Placidus Wehbrink: Das Leben der Brüder Predigerordens von Johann Meyer. In: ADD 2 (1939), S. 99–133, hier S. 100. 27 Siehe o. S. 45–48.

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solches Material vorgelegt werden soll, das für die intendierte Resonanzgruppe, die observanten Dominikanerinnen der deutschen Ordensprovinz, bislang in der Volkssprache nicht verfügbar war.28 Die einschlägige Forschung zum historischen Ordenswesen wie auch zur volkssprachigen hagiographischen Literatur des Spätmittelalters hat sich bislang nur am Rande für Meyers Adaptation interessiert. Einzig die 1939 durch Placidus Wehbrink besorgte Teiledition29 bietet eine detaillierte Erschließung der von Meyer verwerteten Quellen und Ordensschriften. Allererst offenzulegen sind freilich die spezifische literarische Faktur und Konzeption und mithin das eigene Gestaltungspotential, das Meyers hagiographisches Sammelwerk gerade auf der Grundlage und in der Neuorganisation der rezipierten Prätexte gewinnt. In welchem Verhältnis steht Meyers volkssprachige Adaptation strukturell und inhaltlich zum Modell der lateinischen Vitas fratrum? Die folgenden Analysen versuchen zu zeigen, dass Meyers Leben der Brüder Predigerordens das Konzept der kollektiven Ordensbiographie, wie es für die lateinischen Vitas fratrum konstitutiv ist, zugunsten einer Serie von Einzelviten der ersten heiligmäßigen Ordensväter und Nachfolger des Dominikus zurückdrängen und somit gerade das eingangs skizzierte ,Urmodell‘ der Vitas patrum stärker aktualisieren. Es bleibt zu diskutieren, welche Akzentuierungen sich damit für die Intention und Programmatik des deutschen hagiographischen Sammelwerks angesichts von dessen Resonanzradius und historischer Situierung im Horizont der dominikanischen Ordensreform und – weiter gefasst – unter den Vorzeichen der sog. Frömmigkeitstheologie des 15. Jahrhunderts ergeben. An den Anfang aber sei zunächst eine Synopse der Makrostruktur der lateinischen und der deutschen Vitas fratrum gestellt.30 Der Text Gerhards von Frachet ist in fünf || 28 Meyer legt sein Verfahren im Prolog zum Gesamttext selbst offen, wenn er ausführt, er habe dis bch z sammen gefget vnd von lattin z tútsch gekert vs den bcheren die do sagen von vnserm wúrdigen orden/ besunder aber vnd daz grste teil ist genummen von dem bch daz der lbeliche meister humbertus der v general meister des selben ordens gemaht hat genant vitas fratrum/ daz ist der brder leben/ vnd von dem bch daz geheissen ist de apibus/ daz ist von den binlin/ vnd wissen daz ich aber daz selbe nit alles z tútsch gemaht habe/ Sunder allein daz mich daz beste beduhte/ vnd ch z gtlicher vnd des ordens liebe/ vnd z einem geistlichen minsammen tugenrichen leben aller meist fúrderlichest wer/ ch wo ich bekante daz vor z tútsch gemaht ist gewesen/ es sy in sancte dominicus legende oder vs anderen bcheren habe ich ch vnbeschriben gelossen vnd dis bch also geordent daz es geteilet ist in v stúcke (Mgq 195, fol. 12v [Kürzel sind hier wie im Folgenden, wenn nicht anders vermerkt, aufgelöst, zwischen s und ſ wird nicht unterschieden]; siehe auch die Teiledition von Wehbrink: Leben der Brüder, S. 103). – Der Epistel brief exponiert demgegenüber allein die Autorität der Hauptquelle: Item vitas fratrum/ Dis ist ein gnodrich bch genant das leben der seligen brdren predier orden gemacht von meister humbertus durch ettlich heilige brder vnd seit von den g[no]den vnd tugenden der manigfaltigen heilikeit der brüdren die in dem anfang vnsers ordens gelept hand (Mgq 195, fol. 255r; Scheeben: Handschriften I, S. 187). 29 Wehbrink: Leben der Brüder, S. 103–133. 30 Dem Vergleich liegt für die lateinischen Vitas fratrum der Text von Reicherts Edition zugrunde. Eine spezifischere Zuordnung des deutschen Textes zu einer der von Tugwell (L’évolution des vitae fratrum) erwogenen Redaktionen setzte eine fundierte überlieferungs- und textgeschichtliche Untersuchung der Vitas fratrum voraus, die im Rahmen dieser Studie nicht zu leisten ist.

Reformhagiographie und monastische Tradition | 191

Bücher eingeteilt: Buch I enthält gleichsam die Vor- und Gründungsgeschichte des Dominikanerordens, indem es berichtet von der speziellen Gunst und Fürsprache der Gottesmutter im Hinblick auf die Gründung des Ordens, von präfigurativen und mirakulösen, auf die Stiftung der Gemeinschaft hindeutenden Zeichen, von der besonderen Sorge Gottes für die Brüder des neuen Ordens, um zuletzt erneut die außergewöhnliche Wertschätzung und helfende Zuwendung Mariens und die ihr vice versa vom Orden entgegengebrachte spezifische Verehrung herauszustellen. Die Bücher II und III widmen sich dann dem Ordensgründer und ersten Ordensgeneral Dominikus bzw. seinem ersten Nachfolger Jordan von Sachsen, wobei im Falle des Dominikus ausdrücklich nur Material exponiert werden soll, das noch nicht Eingang in die seinerzeit existenten Versionen der Legende des Heiligen gefunden hat, und auch im Falle Jordans verschiedene exemplarische Episoden und Anekdoten aus dessen Vita und mithin eher Lebensfragmente31 denn eine kontinuierliche biographische Narration geboten werden. Buch IV versammelt, unter thematisch systematisierten Rubriken, Exempel vom tugendhaft-vorbildlichen, begnadeten Leben und Wirken einer Vielzahl von – nicht immer namentlich identifizierten – Brüdern der Gründergeneration und behandelt die weitere Entwicklung des Ordens im Sinne einer „,Biographie der Gruppe‘, die sich aus vielen individuellen Berichten des Fortschreitens zusammensetzt“.32 Das V. Buch rundet schließlich das Textcorpus ab mit Exempeln vom seligen Sterben jener ersten Brüder, mit Berichten von den dabei aufgetretenen Visionen, Offenbarungen sowie den postmortalen Wunderzeichen, zugleich aber auch von den Nachstellungen teuflischer Mächte und dem bösen Ende derer, die sich zuletzt vom Orden losgesagt haben. Betrachtet man demgegenüber Johannes Meyers Leben der Brüder, so ist offensichtlich, dass hier zwar die charakteristische fünfteilige Anlage aufrechterhalten worden ist, sich ansonsten aber bemerkenswerte Verschiebungen ergeben, die sowohl die Anordnung der einzelnen Bücher oder Teile als auch deren jeweilige Binnenstruktur und konkrete stoffliche Füllung betreffen. Meyer behält die ersten beiden Bücher der lateinischen Sammlung gerade nicht bei, sondern rückt Gerhards Buch III mit den Episoden und Exempeln aus der Jordan-Vita an den Anfang der Sammlung, wobei die von Gerhard bekannten Exempel und ,Fragmente‘ nun im Rahmen einer kohärenten, chronologisch organisierten großen Jordan-Biographie präsentiert werden, an die sich zudem die Viten der vier auf Jordan folgenden Ordensmeister anreihen. Alle fünf Viten exponieren in großem Umfang Material, das nicht in der lateinischen Kollektion enthalten ist.33 Meyers Buch II zeigt hingegen Parallelen zu Buch IV der Vitas fratrum. Allerdings hat Meyer diesen Teil

|| 31 Vgl. Boureau: Vitae fratrum, S. 87. 32 Füser: Exemplum Christi, S. 83. 33 Vgl. die Quellenhinweise bei Wehbrink: Leben der Brüder, S. 104–122. Verschiedene Überschneidungen zeigen sich hier insbesondere auch mit dem Text jener späteren der beiden Ordenschroniken, die die meisten Vitas-fratrum-Handschriften am Ende mitüberliefern (ed. Reichert, S. 321–338, die Cronica ordinis posterior jeweils in Spalte b). Wehbrink hatte diese spätere Chronik im Anschluss an Heribert Christian Scheeben noch Petrus Ferrandi zugewiesen (daher die Abkürzung „Ferr.“). Für eine Autorschaft Humberts von Romans plädiert dagegen neuerdings Tugwell: Introduction (MOPH 30), S. 316–319.

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entsprechend einer einleitenden Typologie der Konventsbrüder gegliedert und vor allem den Berichtshorizont an den intendierten Rezipientenkreis, die Gruppe der Schwestern der reformierten Konvente der deutschen Provinz, angepasst, insofern nun gerade auch Exempel von den ersten seligen wisen vetren [,] die in tútzschem lande mit heilikeit in brediger orden gelúhtet hant34 oder gar in eilsas vnd swoben lepten,35 in separaten Kapiteln zusammengestellt worden sind. Buch III ist ein explizites Marienbuch, das der besonderen Beziehung zwischen der Gottesmutter und den Predigerbrüdern gewidmet ist. Es konzentriert die in den Büchern I, IV und V der lateinischen Vitas fratrum verstreuten Marienexempel und -mirakel und ergänzt sie um neues Material (vor allem aus dem Bonum universale de apibus).36 Den Innovationsgrad speziell dieser Kompilation hebt Meyer im Prolog zu Buch III – mit Verweis auf ein offenbar nie ausgeführtes Vorgängerprojekt Dietrichs von Apolda – besonders hervor.37 Das kurze IV. Buch umfasst, in modifizierter thematischer Gliederung, diejenigen abschließenden Kapitel des IV. Buchs des lateinischen Prätexts, die von den Anfechtungen und Versuchungen verschiedener Brüder und den dadurch ausgelösten diesseitigen Strafen oder aber Hilfeleistungen und Tröstungen Gottes handeln, während das ebenfalls knapp geratene V. Buch mit Exempeln vom heiligmäßigen Sterben der Brüder das parallele V. Buch Gerhards von Frachet in abbreviierter Form aufnimmt. Tab. 6: Synopse Gerhard von Frachet: Vitas fratrum

Johannes Meyer: Leben der Brüder Predigerordens

Buch I: Vor- und Gründungsgeschichte des O.P.



Buch II: Zusätze zur Dominikus-Vita



Buch III: Exempel und Episoden aus der Vita Jordans von Sachsen

Buch I: Vita Jordans von Sachsen sowie Viten der vier folgenden Ordensmeister

|| 34 Mgq 195, fol. 83r (II,2); Wehbrink: Leben der Brüder, S. 123. 35 Mgq 195, fol. 90v (II,4); Wehbrink: Leben der Brüder, S. 124. 36 Quellenhinweise bei Wehbrink: Leben der Brüder, S. 127f., 130. 37 Aber wenn ich kein sollich bchelin z latin/ noch in keiner anderen sproch nie gesehen habe das solliches in im in semlicher mos begriffen sy/ so habe ich dick gedoht daz er [= Dietrich] fúr kummen sy mit dem tode vnd kein sollich bchelin nit gemaht habe/ wenn er ch alt waz do er sancte dominicus legende schreip Also er in der vorrede sprichet/ daz er die selbe legende in sinem alter mit vinsteren tunckelen gen beschriben habe/ Hier vmb habe ich vil vnwúrdiger mich der getúrstikeit [,Kühnheit‘] vnderstanden vnd waz ich funden habe in latin von vnser lieben frowen daz vor nie in tútsche sproch ist gekert vnd prediger orden oder sine personen melden ist habe ich ch z tútsch gemaht vnd geordent fúr daz dritte teil dis bchelins (Mgq 195, fol. 113v– 114r; Wehbrink: Leben der Brüder, S. 126).

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Gerhard von Frachet: Vitas fratrum

Johannes Meyer: Leben der Brüder Predigerordens

Buch IV: Leben und Wirken der ersten Brüder: a) Tugenden und Gründe für den Ordenseintritt

Buch II: Leben und Wirken der ersten Brüder: Tugenden (geordnet nach den einzelnen monastischen Ständen; die Angehörigen der Teutonia sind gesondert erfasst)

Buch III: Marienbuch (Marienexempel/-mirakel)

b) Versuchungen und göttliche Gnaden (oder Strafen) Buch V: Sterben und Tod der ersten Brüder

Buch IV: Versuchungen und göttliche Gnaden (oder Strafen) der ersten Brüder Buch V: Sterben und Tod der ersten Brüder

Es ist bereits aus diesem kursorischen Überblick ersichtlich, dass Gerhards von Frachet Konzept der kollektiven Vita eines ganzen Ordens, das – wie Alain Boureau gezeigt hat38 – für die einzelpersönliche Vita typische biographische Schemata und Stationen auf die Darstellung einer heiligen Gemeinschaft im Ganzen appliziert hat, in Johannes Meyers Text tendenziell in den Hintergrund getreten ist. Denn tatsächlich lässt Meyer sowohl die „,pränatalen‘ Zeichen“,39 die von der Gründung des Ordens künden, als auch die Vita des Ordensstifters Dominikus beiseite. Stattdessen eröffnet er seine Sammlung mit einer Serie von hagiographischen Viten der fünf charismatischen Ordensmeister nach Dominikus, die allein schon von ihrem Umfang her dem I. Buch ein besonderes Gewicht verleihen. Alle fünf Lebensbeschreibungen zeigen zwar eine je eigene detailrealistische Prägung, insofern etwa Raimund von Peñafort vor allem als demütiger Verächter hoher amtskirchlicher Würden und hochgelehrter Kenner des kanonischen Rechts, Johannes von Wildeshausen als wandernder, von der Kurie und vom ungarischen Königshaus überaus geschätzter Prediger und Bischof, Humbert von Romans als Schüler Hugos von Saint-Cher, begnadeter Verfasser von bedeutenden Ordensschriften und Mediator im Pariser Mendikantenstreit und Johannes von Vercelli als wichtiger kirchenpolitischer Akteur auf dem Zweiten Konzil von Lyon dargestellt und so jedem der fünf Heroen an der Spitze des Ordens ein charakteristisches Profil zuerkannt wird, womit zugleich die identitätsstiftenden Kernbereiche des theologisch-spirituellen Profils des Ordenskollektivs und dessen vielfältige Fruchtbarkeit und geistliche Dignität aufgerufen werden. Doch bei aller Diversifizierung im Detail liegt diesen großen Viten durchweg – anders als dem Dominikus- und dem Jordan-Buch der lateinischen Vitas fratrum – ein für die individuelle Heiligenlegende geläufiges und mit|| 38 Boureau: Vitae fratrum. 39 Schürer: Exemplum, S. 180.

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unter stereotypes kohärentes biographisch-narratives Schema zugrunde, das in jeweils unterschiedlicher Auswahl und Konkretisierung die Stationen Herkunft, Leben in der Welt, conversio bzw. Ordenseintritt sowie Übernahme des Ordensgeneralats durchläuft und mit dem seligen Tod „als dem eigentlichen Geburtstag (dies natalis) in das wahre Leben hinein“40 bzw. mit verschiedensten postmortalen Wunderzeichen endet. Mit Peter von Moos lässt sich hier eine von „zwei Grundformen des spezifischen christlichen Beispiels“ konstatieren, und zwar „das hagiographische Exemplum des herausragenden, besonders begnadeten Einzelnen“, das in der Tradition des „personalisierten historischen Exemplums der Antike“ steht und von einem zweiten Typus des „unbekannten Helden oder namenlosen Zeugen für Gottes Wirken in der Geschichte“ zu unterscheiden ist.41 Diese erste Form, das „hierarchische Persönlichkeits-Exemplum“, das auf das „absolute Vorbild Christi“ ausgerichtet und „diesem notwendig nachgeordnet“ ist,42 ist erst recht in der bei weitem umfangreichsten und gewichtigsten Vita des zweiten Ordensmeisters und ersten Nachfolgers des Dominikus, Jordan von Sachsen, die Meyer seinen Leben der Brüder vorangestellt hat, realisiert. Sie beginnt mit der Reise der Eltern ins Heilige Land und der nach göttlicher Prädestination dort erfolgten Geburt des heiligen Helden, der aufgrund seiner Taufe im Jordan ebendiesen Namen empfängt – das Moment der Imitatio oder vielmehr gottgewirkten Conformitas Christi wird also von Anfang an exponiert. Es folgen die Attraktion des bald in Paris studierenden Jünglings, der als ein spgel aller geistlicheit vnd ein bilder der tugenden gilt,43 durch den neu gegründeten Predigerorden, der von Reginald von Orléans geförderte Ordenseintritt sowie der rasche Aufstieg zunächst zum Provinzial der Lombardei und, nach dem Tod des Dominikus, zum Ordensgeneral. Den breitesten Raum nehmen innerhalb der Lebensbeschreibung schließlich Jordans Dienst und Wirken für den Orden in diesem Amt ein, den er als alle[r] wúrdigeste[r] noch volger des Ordensgründers, als merer vnd vf rihter, zu großer Blüte führt.44 Hier wird berichtet von seiner charismatischen Ausstrahlung und Fruchtbarkeit in Wort und Predigt bei den Bemühungen um die Rekrutierung neuer Brüder vor allem im Universitäts- und Gelehrtenmilieu, seinen spirituellen Gaben und Tugenden, die er nicht nur den Brüdern, sondern speziell auch der dominikanischen Schwesternkommunität um Diana von Andalo zu St. Agnes in Bologna hat zuteilwerden lassen, von seinen Taten als christusanalogen Thaumaturgen (Brotvermehrung, Weinverwandlung, Krankenheilung), von seinem beständigen Streben nach Armut und Demut, vom klugen und selbstbewussten Umgang mit geistlichen und weltlichen Gewalten, von seiner Weisheit in Lehre und Theologie, seiner besonderen Verehrung der Gottesmutter und des Ordensgründers, aber auch von den vielerlei schweren Anfechtungen durch den ,bösen Geist‘, die er immer wieder erlitten hat. || 40 Von der Nahmer: Lateinische Heiligenvita, S. 75. 41 Von Moos: Geschichte als Topik, S. 100. Vgl. dazu Füser: Exemplum Christi, S. 32–36; Schürer: Exemplum, S. 62f. 42 Von Moos: Geschichte als Topik, S. 100. 43 Mgq 195, fol. 15r; Wehbrink: Leben der Brüder, S. 105. 44 Mgq 195, fol. 56r; Wehbrink: Leben der Brüder, S. 113.

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Die Vita endet mit der Nachricht von Jordans Seetod im Jahr 1237 auf der Rückkehr von einer Palästina-Reise. Die Heiligkeit seines Lebens und Sterbens bezeugt die nachfolgende genretypische Reihe postmortaler Wunder. In der Forderung des Textes an die Rezipientinnen, Jordans Todestag (13. Februar) nach dem für die Generalmeister geltenden Usus in den Obituarien zu verzeichnen und ihn im Falle einer – als legitim erachteten – künftigen Kanonisation auch in den Heiligenkalender aufzunehmen,45 treten die Bemühungen des Ordens um eine Erhebung Jordans zur Ehre der Altäre hervor. Gegenüber dem in Buch I dominanten Vitentyp, der großen Lebensbeschreibung des charismatischen Ordenslenkers, versammeln die folgenden Bücher der deutschen Vitas fratrum Exempel und Anekdoten, facta et dicta einer Fülle von Ordensbrüdern, die teils mit Namen vorgestellt werden, teils anonym bleiben. Tendenziell nähern sich diese Exempel – bei allerhand möglichen Zwischenformen und mitunter fließenden Übergängen – der oben beschriebenen zweiten Grundform des christlichen Beispiels an, dem des „alltäglichen Helden“ oder „mittleren Menschen“, das wirkungsästhetisch – so Peter von Moos im Anschluss an Überlegungen von Hans Robert Jauß46 – das Moment der sympathetischen gegenüber dem der admirativen Identifikation intensiviert, das eher dem ,hohen‘ Exempel eignet.47 So werden in Buch II unter der Perspektive von Expansion und Blüte des Ordens eine Vielzahl von Beispielen vom regelkonformen und heiligmäßigen Leben und Wirken der ersten Brüder präsentiert. Das vielfältige Material wird dabei hierarchisch nach den verschiedenen monastischen Gruppen bzw. Ständen organisiert dargeboten und zusätzlich innerhalb der ersten Gruppe der Amtsträger, die mit den Gefährten des Dominikus ansetzt, alsbald nach den getrennten Kategorien der in der Ordensprovinz Teutonia und, noch enger gefasst, im Elsass und in Schwaben wirkenden ehrwürdigen Väter aufgefächert. Die Exempel, Mirakel und Offenbarungen des III. Buches stehen dagegen allesamt unter dem leitenden Thema der Marienverehrung, insofern sie die besondere gnadenhafte Zuneigung der Gottesmutter zu den ersten Brüdern demonstrieren. Das Marienbuch, dessen innovative Gestaltung der Autor in der zugehörigen Vorrede erkennbar für sich reklamiert, exponiert freilich mit dem Marienpatrozinium ein für die Identität und das Selbstverständnis des Dominikanerordens konstitutives Element und propagiert zugleich die singuläre Dignität des Ordens im Gefüge der mittelalterlichen monastischen Gemeinschaften und religiösen Gruppen. Wieder deutlich dem Vorbild der lateinischen Vitas fratrum verpflichtet sind die abschließenden kürzeren Bücher IV und V, die ihre lateinischen Pendants in abbreviierter Form aufnehmen und Exempel von göttlichen Gnaden, die den ersten Brüdern im Leben und im Sterben zuteilwurden, aber auch von Strafen, die sie wegen ihrer Laster erleiden mussten, mitteilen. || 45 Were aber sach daz man dar z hette geton also gar billich wer gewesen oder noch geschehe daz diser grosser heilger vatter von der cristenheit durch den bobest vnd die cardinal an geschriben wurde in die zal der heilgen so solte man in ch in der heilgen kallendas schriben/ vnd im tn also einem heilgen (Mgq 195, fol. 57r; Wehbrink: Leben der Brüder, S. 113f.). 46 Jauß: Ästhetische Erfahrung, S. 244–292, hier insbesondere S. 250f. 47 Von Moos: Geschichte als Topik, S. 117.

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Insgesamt aber aktualisiert die hier skizzierte spezifische literarische Konzeption der Leben der Brüder entschiedener noch als Gerhards von Frachet lateinische Sammlung das textuelle ,Urmodell‘ der Vitas patrum, und zwar zuvorderst mit der eröffnenden Serie der Jordan-Vita und der weiteren vier Ordensmeister-Viten, die das bei Gerhard verfolgte Konzept einer kollektiven Ordensbiographie zurücktreten lassen. Während die Struktur dieser Vitenserie den Beginn der Vitas patrum, die Reihe der großen Antonius-Vita und der drei Mönchsviten des Hieronymus, zu imitieren scheint, evozieren die übrigen Teile der deutschen Sammlung mit den auf meist weniger prominente heiligmäßige Figuren bezogenen, dabei aber nach verschiedenen thematischen Aspekten systematisierten Exempla und Anekdoten mehr oder minder die Tradition der Verba-seniorum-Kollektion der Vitas patrum. Dass es hier nicht nur um rein strukturelle Analogien, sondern gerade auch um eine programmatische Ausrichtung der (observanten) dominikanischen Lebensform an der Altväterspiritualität, am Urparadigma des christlichen Mönchtums und seiner durch die Zeiten Faszinosum gebliebenen virtuosen Askese- und Frömmigkeitspraxis, geht,48 ist offensichtlich. Immerhin schreibt Johannes Meyer selbst, im Buch der Ämter,49 die regelmäßige „Lektüre der Vitaspatrum in reformierten Dominikaner[innen]klöstern vor und weist die correctrices mensae an, allermeist dieses Buch zur Lektüre in der collatio vnd in dem nacht ymbis zu präparieren“.50 Charakteristisch für Meyers literarische Konzeption ist schließlich ein System von Kommentaren und Diskurspartien, das sich wie ein Netz über sämtliche fünf Bücher der Leben der Brüder spannt. Es ist einerseits greifbar mit dem Werkprolog und -epilog sowie den gesonderten Vorreden zu den Büchern II und III, andererseits mit zahlreichen kleineren Passagen, die an strukturell exponierten oder transitorischen Positionen wie auch im Anschluss an spezifische Inhalte, auf die sie sich unmittelbar beziehen, angebracht sind. Diese Kommentare oder Diskurselemente konstituieren die kontinuierlich-iterative Rede der bisweilen in der Ich-Form hervortretenden, bisweilen sich im kollektiven Wir mit den angesprochenen Adressatinnen, den aller liebsten swesteren,51 zusammenschließenden Verfasserinstanz, die die Geltung des Textes verbürgt und im Explicit als brder Johannes Meyger identifiziert wird.52 Sie lassen zum einen eine dezidiert poetologische Dimension erkennen, wenn es um Fragen der Stoffdisposition, Referenzen auf Prätexte oder – wie etwa in der Vorrede zum Marienbuch – um Aspekte der literarischen Gestaltung geht; zum

|| 48 Dazu mit Blick auf die lateinischen Vitas fratrum besonders Boureau: Vitae fratrum. 49 Item in der collacio vnd in dem nacht jmbiß/ sol si [= Correctrix mense] versehen daz man da lese solliche bücher die da sigen gutter anreissung zu jnnikeit vnd andacht/ vnd aller meist daz es sigent hystorien die man in der gedechtnuß behalten möge/ also do ist der heilligen altveter leben/ vnd Collaciones patrum/ daz ist der altveter red vnd gutte ler von manigfaltigen tügenden/ vnd das buch dyal[o]gorum Sancti Gregorij des bapstes/ vnd anders des gelichen bücher (Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Ricketts 198, fol. 107rb; ed. DeMaris, S. 333,34–41). 50 Kunze/Williams/Kaiser: Information und innere Formung, S. 130. 51 Mgq 195, fol. 162r, auch 62r, 142r; Wehbrink: Leben der Brüder, S. 132, 114 u. 130. 52 Mgq 195, fol. 162v; Wehbrink: Leben der Brüder, S. 133.

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anderen aber – und dies dürfte für die Mehrzahl der Fälle zutreffen – sind sie intentionalen Charakters und als kommunikative Momente zu lesen, die die Rezeption des Textes beharrlich steuern und dessen vorauskalkulierte Wirkung garantieren sollen. Als Momente pädagogisch-exhortativer, paränetischer Rede sind sie vor allem mit dem in den einzelnen Viten und Exempeln leitmotivartig wiederkehrenden Lob der ersten Brüder und dem programmatischen Motiv der einstigen Blüte des Ordens aufs engste verzahnt. Auf diese Weise konfrontieren sie das Ideal der verehrungswürdigen heiligen Ursprünge immer wieder mit dem Verfall der dominikanischen Lebensform und Ordensdisziplin in späteren Zeiten. Die Distanz zwischen dem heiligmäßigen Lebenswandel der alten Väter, die die literarische Imitatio in den Rang der ersten Wüstenväter und Begründer des christlichen Zönobitismus emporhebt, und dem erlahmten Tugendeifer der späten Nachgeborenen wird den impliziten Adressatinnen, konkret der Schwesterngeneration im Zeitalter der dominikanischen Reformbewegung, unentwegt vor Augen geführt. Doch bleibt es nicht bei dieser Deklaration von Devianz, bei der wiederholten Suggestion von Distanzerfahrung. Ihr Komplement ist das Prinzip der Imitatio, der Aufruf zur Nachfolge der alten heiligen Väter, der an die Schwestern ergeht und diese zum tugendhaften Leben, das jene ausgezeichnet hat, anspornt und zur Observanz des Ordens mahnt. Nicht um „anekdotischer Kurzweil“53 willen oder aus weltverhafteter, auf Erkenntnis des Vergangenen gerichteter Wissbegierde solle man, so die Epilogworte des Verfassers, die Exempel der Altvorderen hören und lesen, sondern um das eigene Leben kritisch daran zu messen, zu überprüfen und zum Nutzen seiner selbst wie auch zum Wohl des Nächsten, des Ordens und der Christenheit insgesamt zu bessern:54 Vnd bitte alle min lieben mter vnd swesteren die dis bch iemer hrent vnd lesen sint daz sú es nit durch hflicheit [,kultivierte Kurzweil‘] willen oder von erfarenheit [,Neugierde‘] willen geschehenner vnd vergangener sachen sigent lesen/ sunder daz sú also do von lesen daz sú mercken mit flis wie sú mit irem leben so vnglich vnd verre sint dem seligen leben daz do gelúhtet in vnseren heilgen vetteren/ vnd waz wir denn vngliches fúnden/ von der regel der gerehtikeit daz wir daz widerbringen mit gottes hilf in dem tegelichen kampf der vntugent wider die tugent z der lynien der geworen geistlicheit vnsers heilgen ordens/ vnd mercken dis gar eben daz ich hie sage/ die lbelichen werg der heilgen vergangenen vetteren sint nit dar vmb geschriben daz wir es mit vil lesen vnd mit vnrwigem gemt erfaren vnd in vnnútzer wanheit [,Nichtigkeit‘] es also wissen mer hier vmb ist es geschriben/ daz die ruhen vnd groben werden vnderwiset/ die blden vnd krancken gemt gestercket/ die lihtvertigen/ dapferheit gewinnent/ die hertten hertzen beweget werden/ die andehtigen z volkummenheit gewiset/ daz von der besserung vnd von dem trost den die dis bch lesent/ ch der nehst gebessert werde jo ch die cristenheit vnd der orden/ vnd daz gottes lop des goben vnser gte werg sint durch dangberkeit gemeret werde.

Es handelt sich bei diesem Epilogpassus, der sich in den Bahnen der „augustinischen Invektive“ gegen die curiositas „als ein begehrliches Interesse an der Äußerlichkeit der

|| 53 Schreiner: Erneuerung durch Erinnerung, S. 35. 54 Mgq 195, fol. 162rv; Wehbrink: Leben der Brüder, S. 132f.

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Welt“55 wendet und demgegenüber eine Lektüre des Textes unter den Vorzeichen einer exemplarischen Tugendschulung einfordert,56 die den Nutzen für das eigene Seelenheil und das des Nächsten im Blick hat, freilich um die deutsche Übersetzung von Teilen des Schlusskapitels (VI,10) des Exordium magnum Cisterciense Konrads von Eberbach.57 Denselben Passus hat Meyer als Leseanweisung (im originalen lateinischen Wortlaut) auch seiner 1470 – also nur ein Jahr nach den Leben der Brüder – abgeschlossenen Chronica brevis O.P. vorangestellt.58 Der Bezug auf Konrad von Eberbach ist insofern bezeichnend, als das nach 122059 vollendete zisterziensische Exordium magnum gerade auch Modelltext war – wie Thomas Füser gezeigt hat – für die dominikanischen Vitas fratrum: erscheinen beide doch als „eine monastische ,Kosmographie‘ im Sinne einer umfassenden Beschreibung der jeweiligen klösterlichen Kultur, ihrer Lebensformen und Rituale, im Sinne einer Beschreibung der jeweiligen Geschichte des Ordens und seiner Mitglieder, eingebettet in die christliche Heilsgeschichte und kollektive Glaubensbestände“.60 Dass Johannes Meyer im Epilog seines Textes gut 200 Jahre später erneut auf Konrad rekurriert, verdeutlicht einmal mehr (jedenfalls wenn man eine bewusste Referenz unterstellt), wie sehr die Dominikanerobservanten „die eigene Spiritualität und Institutionalität“ nach dem Vorbild ihrer Ordensväter des 13. Jahrhunderts speziell auch aus einer (neuerlichen) „Auseinandersetzung mit bestehenden Formen der traditionellen vita religiosa entwickeln“.61 Zugleich wirft dies ein Licht auf eine umfassendere Tendenz: Denn allgemein zeichnet sich in den monastischen Reformkreisen des 15. Jahrhunderts, vorweg im Bereich der Devotio moderna,62 ein „neues betontes Interesse“63 an Konrads Werk ab. Die „Observanz“ erscheint auch von daher generell als ein „Vorgang“, wie dies Burkhard Hasebrink formu-

|| 55 Klaus Krüger: Einleitung. In: Curiositas. Welterfahrung und ästhetische Neugierde in Mittelalter und früher Neuzeit. Hrsg. von dems. Göttingen 2002, S. 7–18, hier S. 12. 56 Vgl. Lesser: Johannes Busch, S. 149f. 57 Exordium magnum Cisterciense sive Narratio de initio Cisterciensis ordinis auctore Conrado monacho Claravallensi postea Eberbacensi ibidemque abbate. Hrsg. von Bruno Griesser. Turnhout 1994 [erschienen 1997] (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 138), S. 426 Z. 223–229: Obsecro itaque eos, qui ista lecturi sunt […] ad lineam ueritatis corrigere festinent, 240–247: Neque enim propterea patrum praecedentium laudabilia gesta describuntur […] et laus Dei, cuius dona sunt bona nostra, per gratiarum actionem amplificetur. – Vgl. zum Autor Griesser: Einleitung. In: ebd., S. 1*–46*, hier S. 33*–36*; Franz Josef Worstbrock: Konrad von Eberbach. In: 2VL 5 (1985), Sp. 156–159. 58 München, Bayerisches Nationalmuseum, Cod. 939, fol. 18r (Preambulum exhortatorium in tractatus huius voluminis); Johannes Meyer: Chronica brevis Ordinis Praedicatorum. Hrsg. von Heribert Christian Scheeben. Leipzig 1933 (QF 29), S. 23. Siehe den Hinweis bei Lesser: Johannes Busch, S. 149f. Anm. 91. 59 „Eckdaten der Abfassungszeit“ bietet die „Amtszeit 1206–1221“ von Konrads Vorgänger, des Eberbacher Abtes Theobald (Worstbrock: Konrad von Eberbach, Sp. 157). Doch „könnten die Bücher I–IV einen älteren, noch in Clairvaux entstandenen Teil darstellen; Terminus post quem wäre für sie dann der Tod des Abts Petrus (1186), dessen K. gedenkt“ (ebd.). 60 Füser: Exemplum Christi, S. 75. 61 Füser: Exemplum Christi, S. 75. 62 Griesser: Einleitung, S. 24*f. 63 Worstbrock: Konrad von Eberbach, Sp. 159.

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liert hat, „in dem verdrängte Elemente der monastischen Tradition erneut zur Geltung gebracht wurden, um die Legitimationskrise des Ordenswesens insgesamt zu entschärfen“.64 Man wird am Ende festhalten können: Johannes Meyer weicht in seiner Sammlung der Vitas fratrum signifikant vom Konzept der kollektiven Ordensbiographie seines zentralen Prätextes ab, insofern er Erzählungen sowohl von der Vorgeschichte und Gründung des Dominikanerordens als auch vom Ordensgründer Dominikus unbeachtet lässt (wobei speziell das Fehlen der Dominikus-Legende im Prolog auch damit begründet wird, dass davon bereits deutschsprachige Versionen vorhanden seien).65 Stattdessen eröffnet er seine Kompilation mit einer Serie von fünf großen Viten der charismatischen Ordensmeister und ersten Nachfolger des Dominikus, die umso mehr das ,Urmodell‘ der Vitas patrum aktualisieren,66 d.h. jenes programmatischen Grundlagentextes der monastischen Tradition, den schon die Benediktsregel zu den bene viventium et oboedientium monachorum instrumenta virtutum rechnet.67 Die durchgängige exhortative Kommentarebene des Textes formuliert parallel als Fluchtpunkt der lebens- und frömmigkeitspraktischen Anstrengungen jedes einzelnen Ordensmitgliedes die kollektive Überwindung der Distanz und die Restitution der am normativen Leitbild der alten Väter evidenten Kontinuität der heiligmäßigen Anfänge der Ordensinstitution. Es geht darum, „Reformgesinnung [zu] festigen und dauerhaft ein[zu]prägen“68 und damit die Observanz selbst zu institutionali-

|| 64 Hasebrink: Tischlesung, S. 200. 65 Bemerkenswerterweise hat eine der späteren Handschriften, der verschollene Meyer-Codex (des 15./16. Jahrhunderts), von dem nur Exzerpte bekannt sind (erhalten in einer Beschreibung des 18. Jahrhunderts, die sich im Nachlass Franz Pfeiffers befindet: Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 15293, Nr. 9, fol. 118r–119v), den Leben der Brüder Predigerordens die Dominikus-Legende vorangestellt (auf S. 1. bis 90.: Cod. 15293, fol. 119v) und damit gerade das in der übrigen Überlieferung bezeugte ursprüngliche Konzept, das den Ordensgründer bewusst ausspart, rückgängig gemacht oder, andersherum formuliert, ,vervollständigt‘ (vgl. o. S. 185f. Anm. 9 sowie noch u. S. 231f.). 66 Speziell der Verzicht auf die Vita des Ordensgründers offenbart dabei ein schon immer charakteristisches Moment dominikanischer Identität und Institutionalität: die etwa gegenüber den Franziskanern weit weniger ausgeprägte Fixierung des Ordenskollektivs auf die charismatische Gründerfigur. An ihre Stelle tritt im Predigerorden, so Gert Melville, die „Transpersonalität der verschriftlichten Norm“, wie sie von Anfang an im Verfassungstext des Ordens, den Konstitutionen, niedergelegt wurde (Melville: Systemrationalität, S. 167): „Das bedeutete zwar nicht, daß der Gründer daraufhin vergessen worden ist, aber im Unterschied etwa zu Franziskus mußte man um sein Bild nicht deshalb ringen, weil von diesem die Selbstdefinition des Ordens abhing. Jordan von Sachsen schreibt schon 1231/32 mit seinem Libellus de principiis ordinis sozusagen eine kollektive Biographie, um die Anfänge des Ordens zu verdeutlichen. Das orientierende Symbol dessen, was Dominikanertum institutionell bedeutete, war nun nicht mehr ein Charismatiker namens Dominikus, wie es im Vergleich dazu bei den Franziskanern ein Franziskus geblieben war –, war nicht mehr eine Vatergestalt namens Dominikus, wie es vergleichsweise der benediktinische Abt seit jeher war, sondern jener Text, den das Kollektiv des Ordens als normative Grundlage für sich selbst verabschiedet hatte.“ 67 Die Benediktsregel. Lateinisch/Deutsch. Mit der Übersetzung der Salzburger Äbtekonferenz hrsg. von Ulrich Faust. Stuttgart 2009 (RUB 18600), Kap. 73,6. 68 Schreiner: Erneuerung durch Erinnerung, S. 85.

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sieren. Es manifestieren sich hier Tendenzen, die Berndt Hamm unter dem Leitbegriff der „normativen Zentrierung“ in übergreifender Perspektive für Religion und Gesellschaft des Spätmittelalters beschrieben hat: als Prozesse „von zentrierender und normierender Verdichtung“, die darauf zielen, „neue Sicherheit und Legitimierung, Klarheit und Ordnung im Blick auf das irdische und jenseitige Leben zu gewinnen“.69 Speziell für den Bereich der normativen Zentrierung von Theologie und Frömmigkeit, für den „breiten Strom [des Schrifttums] der ,Frömmigkeitstheologie‘ des 15. Jahrhunderts“ hat Hamm eine inhaltliche Konzentration „auf das unmittelbar Frucht- und Nutzbringende, d.h. auf Erbauung der Seelen im Sinne der Wegweisung zu Gnade und Heil“ konstatiert.70 Ganz in diesem Sinne offeriert das Nachwort zu Buch I der Leben der Brüder zweierlei nútz und empfiehlt die literarisch vorgestellten durchlúhten mann sowohl, nach dem Muster der admirativen Identifikation, als helfende Fürsprecher bei Gott, wo wir gebresten vnd mangel hant an geistlicheit vnd an tugenden, wie auch als exemplarische Vorbilder, um die eigene Spiritualität und Frömmigkeit noch der heillikeit ires lebens auszurichten und also noch gottes willen eine geistliche Lebensform noch inhaltung der observancien vnsers heilgen ordens anzustreben.71 Die Möglichkeiten admirativer wie sympathetischer Identifikation und damit den Stimulus zur Nachfolge, der durch die Identität und Tradition des Ordens ohnehin grundgelegt ist, hat Meyer noch einmal intensiviert, indem er für seine primäre Resonanzgruppe, die Schwestern der Ordensprovinz Teutonia, relevante Bezüge wie die Fokussierung des Berichtshorizonts auf den Bereich dieser Ordensprovinz oder die besonderen spirituellen Beziehungen zwischen Jordan von Sachsen und den Schwestern von St. Agnes zu Bologna in den Text eingebracht hat. Die Figur der Imitatio Christi ist, gemäß dem Pauluswort: „Seid meine Nachfolger, wie auch ich Christi Nachfolger bin“ (I Cor 11,1) im Sinne einer „Traditionskette“, die von Christus „über die Jünger, Apostel, Märtyrer, Bekenner und alle Heiligen bis zur Gegenwart hinabreicht“,72 normatives Grundprinzip für Meyers Leben der Brüder, wie sie es nicht weniger für die Vitas fratrum Gerhards von Frachet war. Meyer hat dies Modell der kollektiven Imitatio indes bereits auf der obersten Hierarchieebene seiner Vitensammlung, für die gerade nicht beim Ordensgründer ansetzende Reihe der ersten Ordensmeister, d.h. für die unmittelbaren Nachfolger des Dominikus, wirkungsvoll ins Bild gesetzt und damit seinen Schwestern die Kontinuität nicht nur der Blüte und Wohlfahrt des Ordensinstituts zugunsten des gesamten Corpus Christianum, sondern vor allem auch eines Weges „zu den höchsten Graden des Verdienstes“73 und zur individuellen Heilssicherung durch

|| 69 Hamm: Normative Zentrierung, S. 165. Dazu im Einzelnen o. S. 76f. 70 Hamm: Von der spätmittelalterlichen reformatio zur Reformation, S. 19f. 71 Mgq 195, fol. 77r. 72 Von Moos: Geschichte als Topik, S. 93. 73 Hamm: Normative Zentrierung, S. 175.

Institutioneller Wandel im Horizont des Geschichtskompendiums | 201

Nachfolge angezeigt: auf dass sie, um es mit einem Wort Leo Spitzers zu formulieren, „an der Kette der imitatio auf der Himmelsleiter emporgerissen“74 werden.

4.3 Orden und ,Welt‘: Institutioneller Wandel im Horizont des Geschichtskompendiums Während die Leben der Brüder im Format der Biographienkollektion eine „Kosmographie“75 der distanten heiligmäßigen Anfänge des Ordens entwerfen, ergänzen die beiden Chroniken dieses Porträt ursprünglicher kollektiver Lebensform um die diachrone Perspektive und das Verhältnis der spirituellen Gemeinschaft zur ,Welt‘. Sie führen die Geschichte des Ordens von diesen Anfängen hinauf bis in die Gegenwart der Abfassungszeit der Texte und dokumentieren so die kontinuierliche Entwicklung und Entfaltung des Ordensinstituts in seinen engen Verflechtungen mit den höchsten irdischen Herrschaftsinstanzen wie auch seine heilsgeschichtliche Funktion in der ,Welt‘. Sie bieten eine Überschau über die wesentlichen Ereignisse und Vorgänge im Orden im Spiegel der ihn betreffenden Taten und Rechtsakte – darunter vor allem auch Privilegierungen – der beiden obersten Gewalten von Kirche und Welt. Anders als in den traditionellen Geschichtskompendien insbesondere in der Nachfolge und Fortsetzung der Chronistik Martins von Troppau setzt die textorganisierende Sukzession der Päpste und Kaiser in Meyers genuin ordensgeschichtlich orientierter Kompilation erst mit jenen Herrschaftsträgern ein, die zur Zeit der Gründung des Predigerordens oder des Lebens seines Stifters amtierten. Die Reihe reicht mithin in der Papstchronik von Innozenz III. bis zu Paul II. (bzw. in den Nachträgen der Berliner, Basler und Freiburger Handschrift76 bis zu Sixtus IV.), in der Kaiserchronik von Friedrich I. bis zu Friedrich III. Meyer nennt keine konkreten Prätexte für seine Gesamtkonzeption der Papst- und Kaiserchronik, sondern verweist nur immer wieder generell auf die croniken,77 wenn er spezifische historische Informationen zu einzelnen Päpsten und Kaisern referiert. Freilich hat er das allgemeine Material und die schematischen Grunddaten, die ihm die gängigen universalhistorischen, „die Papst-Ks.-Geschichte einbeziehende[n]“ Handbücher vom Typus der Martins-Chroniken78 lieferten,79 vermehrt um || 74 Leo Spitzer: Erhellung des Polyeucte durch das Alexiuslied. In: Archivum Romanicum 16 (1932), S. 473– 500, hier S. 484. 75 Füser: Exemplum Christi, S. 75. 76 Mgq 195, fol. 257v–258r (bis 1475); A XI 89, S. 441–443 (bis 1475); B 1 Nr. 203, fol. 74v–76v (bis 1481). 77 So etwa bei Johannes XXI.: Es sagen die croniken von im daz er so trlich wisen vnd geberden hette daz es die wúrdikeit sines amptes vnd sin manigvaltige kunst entschpfen waz (Mgq 195, fol. 191r). Oder schon bei Innozenz III.: Waz treffelichen seligen mannes disser bopst gewesen syge/ gebent von jm gezúgniß die schnen núczlichen bcher die er geschriben het/ vnd die lbelichen gten werck die er in sinen dagen erlichen vnd wol volbroht het/ Also man in den Cronicken von jm geschriben vindet (fol. 171r). 78 Karl Schnith: Martins-Chroniken. In: LexMA 6 (1993), Sp. 349f., hier Sp. 349. 79 Man vergleiche etwa nur die (gemäß der Pontifikatsdauer kurzen) Angaben zu Coelestin IV. bei Meyer und Martin von Troppau: Celestinus der iiij búrtig von megelon wart bobest vnd waz nit me an der bebstie

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ihm zugängliches exklusives Archiv- und Urkundenmaterial sowie Quellen speziell auch aus dem Bereich des dominikanischen Ordensschrifttums, die seiner Kompilation bei aller Vorlagengebundenheit einen spezifischen Eigenwert geben.80

4.3.1 Papstchronik Predigerordens Die „Vorstellung einer Folge von Personen, die von Petrus ausgehend eine sich sukzessiv fortsetzende series bilden“,81 lässt sich bis auf die frühe und einflussreiche Form der Papstgeschichtsschreibung im Liber pontificalis zurückführen. Sie ist hier „zu einem Amtsverständnis verdichtet, welches die jeweilige konkrete Person innerhalb der Historiographie hinter ein Schema zurück treten bzw. sie in selbigem aufgehen lässt“.82 Dieser auf die Einheit, Gleichförmigkeit und Kontinuität der Institution zielende Schematismus der Darstellung des Liber pontificalis „blieb Vorbild für Jahrhunderte“.83 Und so liegt denn auch den einzelnen Abschnitten bzw. Gliedern der Serie der Papstchronik Predigerordens mehr oder minder – wohl speziell nach dem Modell der spätmittelalterlichen Martins-Chroniken – jene für das Genre charakteristische Abfolge stereotyper Angaben im Zeichen einer „Textführung der thematischen Wiederholung“84 zugrunde: Name und Herkunft des Amtsträgers, exakte Dauer des Pontifikats, Rechtssetzungen und gesta (mitunter einschließlich einer Würdigung der Persönlichkeit), Tod und Begräbnisort und – wiederum – genaue Kalkulation der Sedisvakanz.85

|| denn xvij tag wenn er waz alt vnd krang vnd waz vor cardinal gesin vnd ein man gtes lebens vnd grosser kunst Er wart in sancte peters múnster begraben vnd stunt der bebstlich stl ledig xx monot vnd xiiij tage (Mgq 195, fol. 176v); Celestinus IV. nacione Mediolanensis sedit diebus 17, et vacavit mensibus 20, diebus 14. Hic episcopus Sabinensis vita et sciencia laudabilis, senex et infirmus electus cito moritur et in ecclesia sancti Petri sepelitur (Martini Oppaviensis Chronicon pontificum et imperatorum. Hrsg. von Ludwig Weiland. In: MGH SS 22 [1872], S. 377–475, hier S. 439,31–33). 80 Im Prolog zur Kaiserchronik hat Meyer diese Herkunft des für den Orden relevanten Stoffes seiner Darstellung vs des ordens vnd der conventen versigellten bullen vnd brieffen instrumenten/ vnd alten büchren pauschal angezeigt (Mgq 195, fol. 267r). 81 Melville: Rechtssätze in Papstgeschichtswerken, S. 385. 82 Jäkel: Kontinuitätskonstruktionen, S. 220. 83 Melville: Rechtssätze in Papstgeschichtswerken, S. 391. – „Das Prinzip bestand darin, die Taten im Leitungsamt […] immer den gleichen Handlungskategorien (z.B. Rechtssetzungen, Weihen, Bautätigkeiten usw.) zuzuordnen, so daß eine Textführung der thematischen Wiederholung trotz unterschiedlicher Konkretisierungen entstand und Gleichförmigkeit über alle Amtsausübungen hinweg veranschaulicht wurde“: Gert Melville: Geltungsgeschichten am Tor zur Ewigkeit. Zu Konstruktionen von Vergangenheit und Zukunft im mittelalterlichen Religiosentum. In: Geltungsgeschichten. Über die Stabilisierung und Legitimierung institutioneller Ordnungen. Hrsg. von dems. und Hans Vorländer. Köln [usw.] 2002, S. 75–108, hier S. 90 (allgemein zum „verbreiteten Anlagemuster von sog. ,Series gestorum‘, das einst durch den Liber Pontificalis prototypisch für eine Institutionsgeschichtsschreibung ausgeformt worden war“). 84 Melville: Geltungsgeschichten am Tor zur Ewigkeit, S. 90. 85 Vgl. Melville: Rechtssätze in Papstgeschichtswerken, S. 387, 391f.

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Das Besondere an Meyers Konzeption ist nun aber, dass dies basale Gerüst, dessen einzelne Positionen von Fall zu Fall durchaus variieren können, Ansatzpunkt ist für die ordensgeschichtliche Darstellung. D.h. insbesondere die Rubriken der jeweiligen Papstbeschreibung, die den gesta et facta, den Rechtsakten, der Berufung von Kardinälen und Ordination von Bischöfen gewidmet sind, verfahren überaus selektiv, indem sie zuvorderst die Perspektive des Predigerordens fokussieren und solche Ereignisse präsentieren, die für die Geschichte und Evolution des Ordens relevant sind. Man kann dies bereits am Porträt Innozenz’ III., das die Serie eröffnet, sehr gut verdeutlichen: Es beginnt schemagemäß mit dem Namen des Papstes (und dessen Nummerierung in der Reihe der Amtsträger gleichen Namens), seiner Herkunft, dem Jahr seiner Wahl und der exakten Kalkulation der Pontifikatsdauer.86 Es schließt sich eine kurze allgemeine Würdigung seiner Persönlichkeit und seines vortrefflichen Lebens an, dann aber nimmt die Narration eine andere Richtung und berichtet von den allerersten Anfängen des Predigerordens in den Zeiten dieses Pontifikats: von der Urgemeinschaft des Dominikus und seiner 16 gelehrten Gefährten, der Bischof Fulko von Toulouse die Kirche St. Romanus zur Verfügung stellte, wo man das erste Predigerkloster errichtete,87 wie auch von der ersten Frauenkommunität zu Prouille, die Dominikus noch vor der Bestätigung des Ordens gestiftet hatte. Wenn Meyer darauf zur offiziellen Papstgeschichte zurückkehrt, um mit der Einberufung des IV. Laterankonzils fortzufahren,88 so lenkt er doch den Blick von den übergreifenden (kirchen)historischen Zusammenhängen sogleich wieder auf die Ordensgeschichte: Denn auf dieser Kirchenversammlung sei Dominikus in Begleitung des Bischofs Fulko vor dem Papst erschienen, um die Bestätigung seiner jungen Gemeinschaft zu erbitten. Diese Bestätigung habe ihm Innozenz zunächst verweigert. In der Nacht aber sei ihm in einer Vision offenbart worden, wie Dominikus den niederbrechenden Bau der Lateranbasilika stützte, woraufhin er den Willen Gottes erkannt und das Gesuch des Ordensgründers mit Freuden empfangen habe. Gemäß dem Wunsch des Papstes habe Dominikus die Mitglieder seiner Gemeinschaft auf eine approbierte Regel, und zwar die des erlichen predigers Augustinus, verpflichtet, also daz sú vnd ir orden hetten den nammen mit den wercken prediger geheissen vnd z sin in der heilgen cristenheit.89 An dieser Stelle

|| 86 Vgl. Martini Oppaviensis Chronicon (ed. Weiland), S. 437,40f. – Nur ist in der Berliner Handschrift ein Spatium gelassen nach: waz vor genant, um den Geburtsnamen des Papstes (der etwa auch bei Martin von Troppau nicht genannt ist) nachzutragen (Mgq 195, fol. 171r). 87 Vgl. Libellus de principiis ordinis Praedicatorum auctore Iordano de Saxonia (ed. Scheeben), S. 46f. (§ 44); speziell auch Dietrich von Apolda: Vita S. Dominici. In: AASS Aug. I (Antwerpen 1733), S. 562–632 (BHL 2226), hier S. 575 (§ 63). 88 Vgl. Martini Oppaviensis Chronicon (ed. Weiland), S. 438,9–13; insbesondere auch die DominikusLegende Dietrichs von Apolda (AASS Aug. I, § 61: dum ad generale concilium Romam proficiscerentur de omnibus mundi partibus omnium ecclesiasticarum dignitatum principes & praelati) zur Formulierung: mit den prelaten […] die er von allen orten der cristenheit z im in daz selbe consilium berffet hat (Mgq 195, fol. 171v). 89 Mgq 195, fol. 172r.

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endet die Erzählung von den Anfängen der Institutionalisierung des Ordens, die in ihren Details freilich auf die einschlägigen Ordensschriften zurückgeht.90 Der Text nimmt die Papstgeschichte wieder auf und notiert Innozenzʼ Aufbruch in die Lombardei z hant noch dem consilium (um einen Frieden zwischen den Städten der Region zu vermitteln), seinen Tod unterwegs in Perugia und seine Bestattung vor Ort in sancte laurencien kirch.91 Schemagemäß heißt es zuletzt im Hinblick auf die Sedisvakanz: vnd an dem anderen tag mahten die cardinal einen anderen bobest honorius genant.92 Hierauf folgt dann aber noch ein Exempel von einem Abt, der sich aufgemacht hat, den kranken Papst in Perugia zu besuchen. Er rastet in der Nähe der Stadt, fällt in den Schlaf und sieht im Traum, wie ein nackter Mann mit der päpstlichen Krone auf seinem Haupt auf den Thron Gottes zuläuft und um Barmherzigkeit fleht, während er von einem furchterregenden Drachen verfolgt wird, der mit lauter Stimme Gottes gerechtes Urteil einfordert. Der Abt erwacht, bevor er den weiteren Fortgang des Traumgeschehens erkennen kann, und erfährt bei seiner Ankunft in Perugia vom Ableben des Papstes, das sich just in der stunde diser gesúht ereignet haben muss. Die anschließende Moralisatio mahnt den Leser im Licht der Gefahren, die selbst den Vortrefflichen in der Todesstunde drohen, sich umso mehr um ernstlich besserung des eigenen Lebens zu bemühen.93 Die Grundzüge von Meyers Textkonzept sind hier erkennbar: Die gesta der Päpste bilden das basale Raster des chronographischen Narrativs, in das die einzelnen Segmente der Historie des Ordens inseriert sind. Die institutionelle Eigengeschichte steht zwar im Zentrum der Darstellung, wird aber vom traditionellen universalgeschichtlichen Modell der Papstgeschichte her organisiert. Das lineare Schema durchbrechen – durchaus texttypenspezifisch – immer wieder eigenständige narrative Formen (z.B. Exempel, Mirakel, Elogium, hagiographische Vita) oder umfangreichere in sich geschlossene Episoden, die ein spezielles Ereignis herausheben, sowie auch punktuelle Räsonnements des Chronis-

|| 90 So findet sich etwa die Vision des Papstes von der heilsgeschichtlichen Bedeutung des neuen Ordens (im Bild des Dominikus, der den Lateran stützt) zuerst in der Dominikus-Vita Konstantins von Orvieto: Legenda Sancti Dominici auctore Constantino de Urbeveteri. Hrsg. von Heribert Christian Scheeben. In: Monumenta historica sancti patris nostri Dominici II. Rom 1935 (MOPH 16), S. 261–352, hier S. 301f. (§ 21); vgl. Berthold Altaner: Der hl. Dominikus. Untersuchungen und Texte. Breslau 1922 (Breslauer Studien zur historischen Theologie 2), S. 59f., 78f.; ebenso Humberti de Romanis Legendae Sancti Dominici (ed. Tugwell), S. 474 (§ 23). Diese ganze Partie der Papstchronik Predigerordens (Mgq 195, fol. 171v–172r: Z disem consilium kam sancte dominicus mit dem bischof von tholosan […] Also erwelte sancte dominicus mit den sinen Sancte Augustinus regel des erlichen predigers also daz sú vnd ir orden hetten den nammen mit den wercken prediger geheissen vnd z sin in der heilgen cristenheit) zeigt indes eine spezifische Nähe zum – gegenüber Konstantin (§ 21f.) und Humbert (§ 23f.) abbreviierten – parallelen Text der Dominikus-Vita der Legenda aurea (ed. Maggioni, S. 722f.: cum Fulcone Tolosano episcopo Romam ad concilium generale adiit […] qui inuocato spiritu sancto regulam beati Augustini doctoris et predicatoris egregii ipsi pariter et re et nomine predicatores futuri unanimiter elegerunt). 91 Vgl. Martini Oppaviensis Chronicon (ed. Weiland), S. 438,13–16. 92 Mgq 195, fol. 172r. 93 Mgq 195, fol. 172v.

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ten, die das Geschehen kommentieren, das eigene literarische Verfahren reflektieren oder sich in paränetischer Absicht an die Adressatinnen wenden, um Vorgaben für deren Lebensführung und Frömmigkeitspraxis zu formulieren. Zugleich werden mit Blick auf die Papstreihe insgesamt Tendenzen einer übergreifenden „dramaturgischen Durchformung des geschilderten Geschehens“94 sichtbar, wobei wiederum jene topischen reformrhetorischen Deutungsmuster hervortreten, die auch sonst aus Meyers historiographischem Schrifttum bekannt sind und den Verlauf der Geschichte des Ordens im Zeichen der Polarität von Aufstieg, Niedergang und Erneuerung strukturieren.95 In diesem Sinne exponiert der Beginn der Papstchronik die glorreichen Anfänge des Ordens unter den Pontifikaten Innozenzʼ III. (1) und Honoriusʼ III. (2) und dokumentiert seine weitere Konsolidierung und Prosperität bis hin zum Pariser Mendikantenstreit während der Regierungsjahre Innozenz’ IV. (5) und Alexanders IV. (6).96 Die Narration konstatiert so für den Pontifikat Honorius’ III. die – vom Vorgänger Innozenz nicht mehr vollzogene – Bestätigung des Ordens (und führt die Namen der Unterzeichner der päpstlichen Bulle auf), Dominikusʼ Stiftung der römischen Brüder- und Schwesternkonvente und die Gründung weiterer Ordensklöster gerade auch in den Universitätsstädten Paris und Bologna (auf päpstliche Initiative hin) und im Gebiet der deutschen Provinz, für die Amtszeit Gregors IX. (3) betont sie die erneut engen Beziehungen zwischen Papst und Ordensleitung, die Beauftragung des – mit den besten vnd gelertsten personen [,] die schier in der gantzen cristenheit sin mhten,97 gesegneten – Ordens mit der Ketzer- und Heidenmission, seine fortschreitende Ausbreitung besonders auch in den großen Städten der Teutonia, die Kanonisation des heiligen Ordensgründers (wie auch des Franziskus und der Elisabeth von Thüringen) sowie die außerordentliche päpstliche Privilegierung der Gemeinschaft zur Zeit des vierten Ordensmeisters Johannes von Wildeshausen. Unter dem Regiment Innozenzʼ IV. (5) setzt sich der Aufschwung des Ordens mit der erstmaligen Ernennung eines Ordensangehörigen zum Kardinal (Hugo von Saint-Cher), der Kanonisation des Petrus von Verona und einer auch sonst im Vergleich zur Politik der Vorgänger unveränderten Förderung des Ordens zunächst unvermindert fort. Vor allem auch erweist sich Innozenz IV. als Protektor der Anliegen der Frauenklöster im Zuge der ordensinternen Auseinandersetzung um die cura animarum, insofern durch ihn eine Reihe von dem Orden von alters her verbundenen Schwesternkonventen vil bas denn vor ie prediger orden vereiniget wurden.98 Der Text erwähnt im Weiteren noch den vom päpstlichen Legaten Hugo

|| 94 Melville: Chronik, S. 304. 95 Vgl. o. S. 72, 114 Anm. 109, 139. 96 In runden Klammern ist hier und im Folgenden jeweils die Zählung der Päpste innerhalb der Gesamtreihe nach den Rubriken der Berliner Handschrift angegeben. 97 Mgq 195, fol. 174v. 98 Der Chronist fügt dem noch hinzu: Also ich selber gesehen vnd gelesen habe dis bobstes bullen die er etlichen clsteren vmb semliches geben hat Also ich gesehen habe in disen noch geschribenen clsteren Adelhusen in Costantzer bistm/ Vnderlinde[n] in baseler bistm Sancte nicolaus closter in strosburg/ vnd syl daz do ietz lit z sletzstat in strosburger bistm (Mgq 195, fol. 178r).

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von Saint-Cher unterstützten Umzug der Straßburger Prediger von ihrer bisherigen, vor der stat gelegenen Klosterstätte an das beste ende daz in der stat waz vnverre von der hohen stift99 und schildert auch die Hierophanie dieses neuen Ortes, wie sie einem ungenannten Zeugen lange Zeit zuvor in einer Vision angezeigt worden ist. Dann aber wendet sich die Narration den für den Gesamtorden einschneidenden Ereignissen des Pariser Mendikantenstreits100 zu, die die Papstchronik angesichts ihrer die Grundfesten der Existenz des jungen Ordens erschütternden Verwerfungen in großer Detailliertheit ausbreitet, indem sie die Erfahrung jener ersten fundamentalen Bedrohung der Gemeinschaft der ,Gerechten‘ und von der Providenz verfügten Überwindung ihrer perniziösen Widersacher im Kontext eines kohärenten und in sich abgeschlossenen Erzählzusammenhangs entwirft, der tendenziell das basale chronographische Gerüst des Textes transzendiert. Meyer hat seine Darstellung im Wesentlichen kompiliert und übersetzt aus dem umfänglichen zeitgenössischen Bericht im Bonum universale de apibus des Thomas von Cantimpré (II,10), der die Vorgänge aus der Perspektive des Predigerordens reflektiert und interpretiert.101 Gemäß dem übergreifenden Schema der Papstchronik hat Meyer die Narration verteilt auf die beiden Abschnitte zu Innozenz IV. und Alexander IV.: Sie schildert zunächst die Ursprünge des Mendikantenstreits im Kreis der Pariser Universitätsgelehrten um Wilhelm von Saint-Amour, ihre verleumderischen Angriffe gegen die Bettelorden und deren Lebensform und schließlich die Reaktion Innozenzʼ IV., der den Dominikanern und Franziskanern überraschend die einst von ihm selbst und seinen Vorgängern gewährten Privilegien entzieht. Dass den Papst noch am selben Tag der Schlagfluss ereilt, wertet der Text mit Thomas von Cantimpré als Zeichen göttlicher Strafe.102 Die Wende konstatiert dann der folgende Hauptteil der Erzählung unter dem Pontifikat von || 99 Mgq 195, fol. 178r. 100 Zu diesem Konflikt, der um die Mitte der 1250er Jahre zwischen dem Pariser Weltklerus um Wilhelm von Saint-Amour einerseits und den Dominikanern und Franziskanern andererseits im Besonderen um die Frage der Partizipation der neuen Mendikantengemeinschaften am Lehr- und Studienbetrieb der Pariser Universität, grundsätzlicher aber „um die korporative Selbständigkeit der Universität und um die angemessene Lebensform der Kirche“ geführt wurde, vgl. Jürgen Miethke: Papst, Ortsbischof und Universität in den Pariser Theologenprozessen des 13. Jahrhunderts. In: Die Auseinandersetzungen an der Pariser Universität im XIII. Jahrhundert. Hrsg. von Albert Zimmermann. Berlin/New York 1976 (Miscellanea Mediaevalia 10), S. 52–94 (Zitat S. 69); Michel-Marie Dufeil: Guillaume de Saint-Amour et la polémique universitaire parisienne 1250–1259. Paris 1972; neuerdings Sita Steckel: Ein brennendes Feuer in meiner Brust. Prophetische Autorschaft und polemische Autorisierungsstrategien Guillaumes de Saint-Amour im Pariser Bettelordensstreit (1256). In: Prophetie und Autorschaft. Charisma, Heilsversprechen und Gefährdung. Hrsg. von Christel Meier und Martina Wagner-Egelhaaf. Berlin 2014, S. 129–168. 101 Thomae Cantipratani Bonum universale de apibus. Hrsg. von Georg Colvenerius. Douai 1627, S. 173– 188 (II,10: § 21–36). Vgl. zu Thomas’ Darstellung Schürer: Exemplum, S. 161–177. – Auf Thomas rekurrieren auch Meyers (knappere) Ausführungen zum Pariser Mendikantenstreit einerseits in der Chronik der Generalmeister in Kap. IX des Buchs der Ersetzung (Ricketts 198, fol. 186vb–187vb, den nach 187 fehlenden Text überliefert die Leipziger Handschrift Ms. 1548, fol. 186v), andererseits in der Chronica brevis O.P. (Cod. 939, fol. 28rv; ed. Scheeben, S. 35 [Nr. 25f.]). 102 Bonum universale de apibus (ed. Colvenerius), S. 174 (II,10: § 21); Mgq 195, fol. 179v.

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Innozenzʼ Nachfolger: Alexander IV. nämlich revidiert die Entscheidung seines Vorgängers umgehend, restituiert den Mendikanten sämtliche bisherigen Freiheiten und lässt vor allem auch die zentrale Streitschrift103 der Pariser Säkularkleriker im Anschluss an eine Disputation ihrer herausragenden Vertreter mit den Repräsentanten der beiden Mendikantenorden vor der Kurie verurteilen. Johannes Meyer folgt zwar im Großen und Ganzen dem ordensapologetischen Prätext des Thomas von Cantimpré, selegiert aber und ordnet das Material mitunter auch neu an.104 So lässt er etwa einerseits jene Partien aus, die von der eminenten oder gar entscheidenden Rolle des Albertus Magnus bei der Widerlegung und Überwindung der Pariser Meister vor Papst und Kardinälen handeln,105 andererseits verschiebt er die Exempel, die von der späten Reue und Buße der Pariser Magister Christian von Beauvais und Laurentius Anglicus ob des den Mendikanten zugefügten Unrechts erzählen, und ordnet sie – unter einem spezifischen, die Parallelität dieser Textformen und ihrer Funktion akzentuierenden Kohärenzgedanken – am Ende der den Bericht bei Thomas abschließenden Exempel- bzw. Mirakel-Reihe ein, wo von den göttlichen Strafen und vom unseligen Sterben der Gegner der beiden Bettelorden die Rede ist.106 Weiterhin ergänzt er hier auch die Erzählung vom Tod Philipps des Kanzlers um jene parallele Episode von dessen posthum bestrafter Habgier, die Thomas an früherer Stelle und in einem anderen Zusammenhang erwähnt.107 Und auch darüber hinaus setzt Meyer hin und wieder eigene, auf die Programmatik und den spezifischen Rezeptionshorizont seines Textes weisende Akzente, wenn er etwa betont, dass die von den Pariser Meistern angefeindeten Dominikaner und Franziskaner seinerzeit die observancie der geistlicheit ires ordens gemeinlich durch alle cristenheit so lbelich vnd so gentzlich hielten;108 oder wenn er die Auseinandersetzungen insgesamt im Licht einer – bereits oben für das Buch der Reformacio Predigerordens erörterten109 – Mythisierung von Geschichte als Iteration der dualistischen Konstellation im Ursprung der Heilsgeschichte deutet und mithin hinter den neidischen Pariser Weltklerikern den vigent (,Feind‘) am Werk sieht, der die nicht nur für den Orden, sondern für die ganze Christenheit unheilvolle Lage durch die synen vf gerihtet hat daz er durch sich selbes nit volbringen kunde noch mhte also er by sancte dominicus ziten vnd des

|| 103 Meyer spricht nur von irem bch daz sú wider die brder vnd ir rden gemaht hatten (Mgq 195, fol. 180r). Gemeint ist der Traktat De periculis novissimorum temporum Wilhelms von Saint-Amour: Bonum universale de apibus (ed. Colvenerius), S. 175 (II,10: § 23). 104 Die Abschnitte aus II,10 des Bonum universale de apibus, die die Papstchronik Predigerordens ganz oder in Teilen ausgezogen hat, sind entsprechend der Anordnung bei Meyer die folgenden (Blattangaben des Berliner Mgq 195 in runden Klammern): § 31/23/21 (178v–179v), 22 (179v), 23 (180rv), 29 (180v–181r), 30 (181rv), 22/23 (181v), 31 (181v–182r), 32 (182r–183r), 33 (183v), 34 (183v–184r), 35 (184r), 36 [+ I,19: 6] (184rv), 27 (185r). 105 Bonum universale de apibus (ed. Colvenerius), S. 176–178 (II,10: § 24–26). 106 Bonum universale de apibus (ed. Colvenerius), S. 178f. (II,10: § 27); Mgq 195, fol. 185r. 107 Bonum universale de apibus (ed. Colvenerius), S. 187 und 71f. (II,10: § 36; I,19: § 6); Mgq 195, fol. 184rv. 108 Mgq 195, fol. 181rv. 109 Vgl. o. S. 169–173.

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seligen jordanus ziten dick vnd vil verschet het.110 Dass freilich die Macht der Widersacher keine absolute ist und got die rt der bsen nit lange lot ob der samenung der gerehten,111 proklamiert Johannes Meyer in derselben Weise wie Thomas von Cantimpré und ebenfalls zu Beginn der abschließenden Serie von Exempeln, die den jähen, elenden Tod der Widersacher zum Thema haben. Nur stellt er seiner Version des Textes, unter der Rubrik: Ein gut vermanunge daz wir alle sachen got heim seczen/ wenn er es aller bast gerihten kan,112 das Schriftwort Multe tribulaciones justorum et de omnibus hiis liberavit eos dominus voran (Ps 33,20), auf das Thomas nur anspielt, und lässt so umso mehr den Duktus der Predigt hervortreten.113 Die folgende Reihe der Päpste von Urban IV. (7) bis zu Bonifaz VIII. (18) präsentiert die weitere Entwicklung des Predigerordens von seiner Aufwertung nach dem Ende des Mendikantenstreits bis hin zu den ersten Anzeichen des Niedergangs der Observanz der Gründungs- und Konsolidierungsphase gegen Ende des 13. Jahrhunderts. Nachdem bereits Urban IV. den Orden verschiedentlich ausgezeichnet hatte, u.a. indem er Thomas von Aquin mit der Gestaltung der Liturgie des von ihm gestifteten Fronleichnamsfestes betraute,114 erfährt die Gemeinschaft vor allem durch seinen Nachfolger Clemens IV. (8) angesichts der heillikeit vnd wisheit […] die er so clerlich lúhten sach in dem selben orden,115 besondere Wertschätzung, Anerkennung und Protektion: Also er prediger orden also liep hat do fúr sach er von siner gte vnd von bette wegen des meisters des ordens vatter johannes von vercellis vnd sancte thomans von aqún daz dem orden nit me smocheit vnd verfolgung geschehe also im geschehen waz von meister wilhelm de sancto amore vnd von der weltlichen pfafheit die an im wider den orden waz gehangen.116 Mit Petrus von Tarantaise, den Gregor X. (9) zum Kardinal erhoben hatte, gelangt sodann erstmals ein Angehöriger des Ordens, wenn auch nur für fünf Monate, auf den Stuhl Petri (Innozenz V. [10]). Für die näheren Umstände seines seligen Todes im Jahr 1276 verweist Johannes Meyer die Leser ausdrücklich an das Buch der Ersetzung, dessen Bericht er vor vil joren von latin z tútsch

|| 110 Mgq 195, fol. 180v. 111 Mgq 195, fol. 183v. 112 Mgq 195, fol. 183r. 113 Mgq 195, fol. 183v: Multe tribulaciones justorum et de omnibus hiis liberavit eos dominus Es sprichet die heilge geschrift daz die heilgen gerehten mnschen manigvaltig betrpnis haben mssen Aber der herre so in zit duncket so ist er sú lsen so wunderbarlich daz es aller welt schinber wurt. – Bonum universale de apibus (ed. Colvenerius), S. 184 (II,10: § 33): Et notandum, quòd conculcari quidem & tribulari iustorum vita & veritas ad tempus poterit, sed extingui nunquam. 114 Vgl. zur modernen Diskussion um die Frage der traditionell Thomas von Aquin zugewiesenen Autorschaft am Corpus-Christi-Offizium Miri Rubin: Corpus Christi. The Eucharist in Late Medieval Culture. Cambridge 1991, S. 185–189. 115 Mgq 195, fol. 186v. 116 Mgq 195, fol. 188r.

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geschriben habe.117 Unter dem Pontifikat Nikolausʼ IV. (16) findet sich schließlich auch in diesem Strang der Papstchronik eine ausladende Narration, die die Konturen einer autonomen Erzählung in der Erzählung annimmt. Es handelt sich um den sehr detailliert geschilderten Konflikt der Straßburger Dominikaner mit den Bürgern der Stadt, der sich speziell am Erwerb, der Anhäufung und Verpachtung von Grundbesitz durch die Brüder in unmittelbarer Nähe ihres Konvents entzündete und sich über mehrere Jahre hinzog.118 Den Ereignissen war der Umzug der Brüder von der Peripherie ins Zentrum der Stadt vorausgegangen, den die Papstchronik im Kontext des Pontifikats Innozenzʼ IV. erwähnt. Insofern nimmt Meyer den dort vorausschauend ausgelegten Erzählfaden hier wieder auf, wodurch textuelle Kohärenz auch unterhalb der übergreifenden Papstreihe entsteht. Als die Prediger – anders als die in gleicher Weise betroffenen Minoriten – einen Ausgleich mit der Stadt zu deren Bedingungen verweigerten, ließ der Bürgermeister Nikolaus Zorn die Einund Ausgänge des Klosters blockieren, woraufhin die Prediger geschlossen aus der Stadt auszogen. Aufgrund der Appellation der Brüder beim päpstlichen Legaten belegte der Bischof von Straßburg, Konrad von Lichtenberg, die Stadt mit dem Interdikt. Am Ende wurde der Konflikt im Zuge eines Mediationsverfahrens unter Konrads Leitung beigelegt, und die Prediger kehrten 1290 „als moralische Sieger“119 in feierlicher Prozession in ihr Kloster zurück. Der Chronist hat der Narration freilich eine heilsame lere vnd núcze vermanunge angefügt, die ein kritisches Licht auf die Vorgänge wirft und speziell auch die Vorgehensweise der eigenen Ordensmitglieder des Straßburger Konvents missbilligt. Denn mögen sie auch der Sache nach im Recht gewesen sein, so habe man doch in sollichem gescheft vnd zitlicher vnrwe der heilgen geistlicheit und dem tugenrich leben Schaden zugefügt: Also ob sú in demtiger stiller rwikeit ir selen/ conciencien/ vnd gemt hetten war genummen ires eigenen hertzen vnd semliches hetten gekert in ein nehers vnd bessers do me gottes lop vnd der selen heil von wer entsprungen.120 Entscheidend sei der differente Weltumgang von Laien und Religiosen, besonders wenn letztere sich zu einem Leben in freiwilliger Armut verpflichtet hätten. Mit dem Hinweis, dass das Vorgehen der Straßburger Brüder frmd vnd vngehrt wer gewesen by sancte dominicus ziten vnd der heilgen meisteren Jordanus [,] Raymundus vnd ir brderen, ist eine Distanz markiert zur heiligen Lebensform der Grün-

|| 117 Mgq 195, fol. 190v. Meyer bezieht sich hier auf die Chronik der Generalmeister in Kap. IX des Buchs der Ersetzung. Sein Bericht erscheint unter dem Generalat des sechsten Ordensmeisters Johannes von Vercelli (Ricketts 198, fol. 189rb–190rb). 118 Vgl. dazu Arnold Kühl: Die Dominikaner im deutschen Rheingebiet und im Elsaß während des dreizehnten Jahrhunderts. Mit einem Exkurs über: Die Entwicklung dominikanischer Ordensgeschichtsschreibung. Diss. masch. Freiburg i.Br. [1923] (PDF-Neuausgabe. Hrsg. von Eckhart Triebel. Berlin 2005: https://www.eckhart.de/Down/kuehl.pdf), S. 68–76; Andreas Rüther: Bettelorden in Stadt und Land. Die Straßburger Mendikantenkonvente und das Elsaß im Spätmittelalter. Berlin 1997 (Berliner Historische Studien 26), S. 228–237. 119 Kühl: Dominikaner, S. 76. 120 Mgq 195, fol. 202rv.

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derväter. In diesem Sinne figuriert die Episode aus der Straßburger Lokalgeschichte als der besondere Fall, der indes eine allgemeine Tendenz anzeigen soll: die mit der Verstrickung in weltliche Händel wachsende Devianz des Ordens vom gnadenhaften Stand seiner Ursprünge. Zugleich fungiert die Erzählung als warnendes Exemplum, das den Rezipienten generell die negativen Effekte von solcherlei Ausgriffen geistlicher Lebensform in weltliche Zusammenhänge vor Augen malt: wenn es sprichet sancte paulus Nemo militans deum etc. Nieman der do gottes ritterschaft pfliget vnd sich in weltlich vnms verstricket daz dem gevalt dem er sich bewert vnd geben hat.121 Den Niedergang der Observanz des Ordens demonstriert dann endgültig der wiederum ausführliche Bericht vom Straßburger Generalkapitel des Jahres 1296,122 den Meyer im Kontext des Pontifikats Bonifazʼ VIII. (18) gibt. Dies Generalkapitel fand zwei Jahre nach dem Tod des 8. Ordensmeisters Stephan von Besançon statt, der sich noch ganz für eine Erneuerung der ursprünglichen Geistlichkeit und eine Rückkehr zu den für die Identität des Ordens konstitutiven Prinzipien von Armut und Demut eingesetzt hatte, seine Vorstellungen aber nicht mehr umsetzen konnte. Meyer stellt diese vergeblichen Bemühungen des Verstorbenen mit Bedacht an den Beginn seines Berichts, um die entgegengesetzte Richtung, die der Orden unter seinen Nachfolgern einschlagen sollte, umso eindrücklicher zu konturieren. In allen Einzelheiten nämlich schildert der Chronist darauf die weltliche Pracht und die Verfeinerungsformen eines ,höfischen‘ Zeremoniells, die zur Feier der Präsenz des Ordens in der Stadt, die sich vormals so sehr mit ihm zerstritten hatte (hier knüpft Meyer erneut an den früheren Erzählstrang an), aufgeboten wurden, um dann nach allen Regeln der rhetorischen Kunst eine Klage über die völlige Verkehrung der ursprünglichen Verhältnisse folgen zu lassen: O du irdensche weltlicheit ein vigenden [,Feindin‘] geworer geistlicheit war z hastu broht Sancte dominicus demtikeit/ wie ist sú so ser verblichen vnd von iren eren so merglich entsetzet/ wie ist diser hoch wúrdigen geistlicheit ir gezierde/ daz besunder armt vnd demtikeit von anbegin gewesen ist so zerrunnen vnd so grslich abgeton.123 Und so lautet das Fazit, das am Ende des Abschnitts zu Bonifaz VIII. gezogen wird und das den Nachrichten von der – angesichts des stetigen Zuwachses an Ordensklöstern notwendig gewordenen – Neuorganisation der Ordensprovinzen gegenübersteht: do wart der orden nit behalten in der geistlicheit siner observantzien Also er von sancte dominicus vnd von den ersten heilgen brderen gestiftet vnd gehalten wart Sunder sú ging ab von tag z tag vnd von einem zit noch dem anderen.124 Der Verfall der Ordensdisziplin setzt sich unter den Päpsten von Benedikt XI. (19) bis Gregor XI. (26) ungehindert fort. Der Chronist illustriert dies u.a. mit dem Fehlverhalten etlicher Predigerbrüder, die sich angesichts der Wahl Benedikts XI., des zweiten Papstes aus den Reihen des Ordens, hochmütig und prahlerisch gegenüber dem Weltklerus her-

|| 121 Mgq 195, fol. 203r. 122 Zu diesem Generalkapitel Rüther: Bettelorden in Stadt und Land, S. 77f. 123 Mgq 195, fol. 210r. 124 Mgq 195, fol. 211v.

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vortun. Und auch die Straßburger Prediger werden erneut als negatives Beispiel vorgeführt, insofern sie den Prinzipien von Armut und Demut zum Trotz in den Zeiten des Papstes Clemens V. (20) den Chor ihrer Konventskirche von Grund auf neu errichten lassen, in der Weise, dass der Neubau fortan den Chor des benachbarten Münsters in schnheit übertrifft.125 Zu einem gewissen Teil schreibt der Text den Niedergang des Ordens speziell in der Teutonia indes auch den schädlichen Auswirkungen des Doppelkönigtums während der Regentschaft Ludwigs des Bayern sowie der Feindschaft zwischen Ludwig und Papst Johannes XXII. (21) zu. Da sich die Dominikaner nämlich auf die Seite des Avignoneser Papstes gestellt hätten, seien sie über lange Jahre aus vielen kaisertreuen Städten vertrieben und an der Ausübung von Predigt und Seelsorge gehindert worden (wovon wiederum die Franziskaner als Parteigänger des Kaisers speziell mit Blick auf die ihnen vermehrt zugefallenen materiellen Zuwendungen der Gläubigen – freilich zum Schaden ihrer auf Armut gründenden Lebensform – profitiert hätten). Gleichwohl attestiert der Chronist dem Orden durchaus noch groß fruht und Nutzen und ein hohes Ansehen in der Welt, wofür insbesondere die Heidenmission, für die noch genügend selige Brüder im Orden zu gewinnen sind,126 sowie die Kanonisation des Thomas von Aquin durch Johannes XXII. im Jahr 1323, bei der der Papst die immensen Verdienste des Ordens um die Christenheit mit leben vnd mit ler würdigt,127 als Beispiele ins Feld geführt werden. Besonderes Lob erfährt der Nachfolger Johannesʼ XXII., Benedikt XII. (22), nicht nur wegen seines maßvollen und integren Lebenswandels und Herrschaftshandelns, sondern auch wegen seiner Initiativen zur Reform der verschiedenen Orden und monastischen Gemeinschaften, die allerdings nicht in dem Maße umgesetzt werden und die erhofften Veränderungen bewirken, also er es in geschrift den orden lúten in den clsteren fúr gap.128 Und auch im Predigerorden selbst gibt es gleichzeitig Bestrebungen, zur Lebensform der Anfänge zurückzukehren, was der Text an den Anstrengungen des Venturino von Bergamo verdeutlicht, der als gar heilger hochgelerter brder und bertreffender gnodenricher grosser prediger gepriesen wird, der zudem sunder gnode [hatte] z etlichen swesteren vnsers ordens die do noch sich in geistlicheit des ordens halten worent Also die von prulian [Prouille] vnd die von vnderlinden vnd ander me.129 Venturinos Bemühungen werden aber konterkariert – ausgerechnet – durch Benedikt XII., der den Dominikaner mit einem Predigtverbot belegt und ihn in die Verbannung schickt. Die Gründe, die zum Zerwürfnis zwischen den beiden ,heiligen Männern‘ und zur harschen Reaktion des Papstes geführt haben, sind dem Chronisten nach eigenem Bekunden noch nit in geschrif[t] bekannt geworden. Seine vorläufige Deutung der

|| 125 Mgq 195, fol. 214v. 126 Mgq 195, fol. 218v. 127 Mgq 195, fol. 216r. 128 Mgq 195, fol. 220v. 129 Mgq 195, fol. 220v–221r. – Zu Venturinos geistlichen Sendbriefen André Duval: Venturin de Bergame. In: Dict. Spir. 16 (1994), Sp. 373–376, hier Sp. 375f.; speziell zu den beiden bekannten Schreiben an die Dominikanerinnen von Unterlinden zu Colmar siehe Volker Honemann: Venturin von Bergamo. In: 2VL 10 (1999), Sp. 235–238, hier Sp. 237.

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Vorgänge als Intrige der Reformunwilligen bewegt sich freilich ganz in den Bahnen jener spezifischen dichotomischen Weltwahrnehmung und Axiologie der Observanten, nach der sich die Religiosen „in Reformierte und Nichtreformierte, die kirchlichen und weltlichen Amtsträger in Förderer oder Verhinderer ,der‘ Reform“130 scheiden: Ich meine daz im [= Venturino] semliches geschehe von vnwilligen bsen geistlichen lúten die nit liebe z der geistlicheit hatten daz in die vervolgeten [,] durehteten [,] verliegen vnd verlymden werent vf daz sú nit wurden z der geistlicheit gezogen/ dar z diser bobest so grosse begirde hatte vnd diser vatter venturinus dem selben bobest mit sinem flis so ernstlichen ob lag Also man in sinen epistelen lesen ist.131 Für die Periode des Großen Schismas von Urban VI. (27) bis zu Johannes XXIII. (32) rückt zunächst die Darstellung der allgemeinen kirchenpolitischen Verhältnisse und Wirrungen in den Vordergrund, auch wenn der Chronist vorweg betont: do von ich wenig t sagen wil denn also vil es vnser[n] heilgen prediger orden berren ist Sunder ich wise einen ieglichen vmb semliches z erfaren z lesen an der cronicken bcher.132 Die Perspektive, die die Papstchronik Predigerordens dabei durchweg einnimmt, ist die der römischen Obödienz (zu der sich auch die Väter der dominikanischen Observanzbewegung bekannten). Die Schuld für die Kirchenspaltung und die damit einhergehenden Verwerfungen weist der Text dezidiert den Kardinälen zu, die von Urban VI. abgefallen seien, weil er etlicher cardinalen vnfr nit gestatten wolt,133 und daraufhin einen ihnen genehmeren Kandidaten aus ihren eigenen Reihen zum neuen Papst gewählt hätten, der sich unter dem Namen Clemens VII. vornehmlich mit der Unterstützung der französischen Krone 16 Jahre lang im Amt habe halten können. Die Illegitimität des Avignoneser Gegenpapstes Clemens VII. wie auch seines Nachfolgers Benedikt XIII. – der indes als suptiler man und wol gelerter grosser meister der heilgen geschrift gerühmt wird134 – zeigt der Chronist offen an: was aber diser petrus geheisen bobest benedictus/ vnd ch sin vor var rprecht geheisen bobest clemens/ predier orden geton haben [,] das bin ich weder rechnen noch schriben noch ch ir namen hie

|| 130 Mertens: Monastische Reformbewegungen, S. 168. 131 Mgq 195, fol. 221r. – In der modernen Diskussion werden Venturinos Engagement an der Spitze eines Geißlerzuges nach Rom im Jahr 1335 sowie die daraus resultierenden Unruhen, die ihm wiederum den Vorwurf der Häresie einbrachten, als ursächlich angesehen für die Reaktion des Papsttums (vgl. Honemann: Venturin von Bergamo, Sp. 235; Hinnebusch: History of the Dominican Order 2, S. 349f.). 132 Mgq 195, fol. 227v. – Ganz entsprechend heißt es dann angesichts der Wahl Alexanders V. durch das Konzil von Pisa, die anstelle einer Überwindung des Schismas zu einer dreigeteilten Kirche führt: Dis geschach Anno domini M cccc ix vnd werte lange zit [;] vil me mhte ich hie sprechen von mercklichen dingen/ Aber wan min meinu[n]g ist in dis bch z schriben aller meist daz predier orden an triffet/ hier vmb los ich das vnder wegen (ebd., fol. 237v–238r). 133 Mgq 195, fol. 227v. Moderne Deutungen sehen dagegen in der „Re-Italianisierung von Kurie und Kardinalskolleg“ nach der Rückkehr des Papsttums aus Avignon und speziell im „selbstherrliche[n] Wesen des neuen Pontifex Urban VI.“ wesentliche Ursachen für die Wahl des Gegenpapstes Clemens VII. durch einen „weit überwiegend französische[n] Teil der Kardinäle“ (Arnold Esch: Rom. Vom Mittelalter zur Renaissance. 1378–1484. München 2016, S. 21). 134 Mgq 195, fol. 228r.

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in dis bch als fúr gewore bobest setzen.135 Dessen ungeachtet bleibt das Gegeneinander der Päpste in Rom und Avignon bzw., von Alexander V. (31) an, gar dreier Päpste in wechselnder Gewichtung weiterhin das bestimmende Thema bis hin zu den Ereignissen des Konstanzer Konzils und seiner Präliminarien von der Wahl König Sigmunds (1411) an, die wiederum im Rahmen einer größeren kohärenten Erzählung und nicht ohne dramatische Zuspitzungen dargeboten werden: von den langwierigen, aber geschickten Verhandlungen König Sigmunds zur Beilegung der Krise über das wankelmütige, in Flucht und Absetzung endende Taktieren Johannes’ XXIII. bis hin zum starrsinnigen Festhalten Benedikts XIII. am Pontifikat weit über die mit der Wahl Martins V. (33) vollzogene Einigung hinaus. Und dennoch geht es gerade auch hier um den Stand des Ordens: um seine Positionierung unter den Vorzeichen der Kirchenspaltung und insbesondere um die Initien der dominikanischen Observanzbewegung, deren Geschichte von nun an gegenüber der des nichtreformierten oder konventualen Ordenszweiges hervortritt. Ausgangspunkt ist dabei die beklagenswerte Lage der Gemeinschaft, die nach der Wahl des Gegenpapstes Clemens VII. von den Wirren der Gesamtkirche erfasst worden ist und sich entsprechend den beiden Obödienzen zum Schaden ihrer spirituellen Identität in zwei verfeindete Lager aufgespalten hat. Das Regiment Raimunds von Capua, der alsbald (1380) von der größeren, an Urban VI. festhaltenden Fraktion zum Ordensmeister gewählt wurde, propagiert der Text dann freilich als Schlüsselperiode, die den Wendepunkt in der Geschichte des Ordens – oder genauer: seines observanten Zweiges – brachte, indem der Prozess des Niedergangs umgekehrt und die Erneuerung der dominikanischen Lebensform durch Rückbesinnung auf die heiligen Anfänge der Gemeinschaft eingeleitet wurde. Als Keimzelle der Observanzbewegung gelten die beharrlichen Bemühungen Raimunds um eine konsequente Zusammenführung der vnder dem verdorben alten vnkrut versprengten Reformwilligen, auf dass sie mit einander in einem convent die observancie hielten Also sú by sancte dominicus ziten gehalten wart.136 Erwähnung finden unter diesem Aspekt zuvorderst die Vorgänge in der deutschen Ordensprovinz, d.h. die Errichtung des ersten observanten Brüderkonvents in Colmar unter der Leitung Konrads von Preußen wie auch die hartnäckigen Widerstände, die die ,Gutwilligen‘ von Seiten der Reformgegner erfuhren. Bei allen Rückschlägen und Gefährdungen dise[s] gten anvang[s] behält deren Resistenz aber nicht die Oberhand. Vielmehr dürfen sich die Observanten der Deutung des Chronisten zufolge der Protektion von höchster Stelle sicher sein, da ihnen allewegen got vnd gottes mter vnd sancte dominicus half daz es nit allein bestunt Sunder es nam von zit z zit grslich z durch den orden in vil provincien.137 Diese Prosperität der Reformbewegung trotz einer gleichzeitig wachsenden Opposition der Unwilligen schreibt der Text besonders auch Urbans Nachfolger, Bonifaz IX. (28), zu, insofern er die Neuausrichtung des Ordens unter Raimund von

|| 135 Mgq 195, fol. 231r. 136 Mgq 195, fol. 229v. 137 Mgq 195, fol. 230rv.

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Capua über Sanktionsandrohungen gegen die Widerständigen hinaus mit verschiedenen Bestätigungen sowohl der reformacio selbst wie auch spezifischer Detailbestimmungen wie der Klausurvorgaben für die Dominikanerinnen gestützt habe. In seine Amtszeit fällt denn auch die Konstituierung der ersten observanten Schwesternkonvente zu Schönensteinbach und Venedig (Corpus Christi), von denen darauf im Einzelnen berichtet wird – ebenso wie von Bonifaz’ Eloge des Ordensgründers Dominikus und seiner geistlichen Gemeinschaft. Umso mehr ist der Chronist am Ende bemüht, negative Urteile über diesen Papst in ettlichen bchren zu entkräften und auf das Wirken seiner Amtsträger und vor allem des baltasar de coxa zurückzuführen, des späteren Gegenpapstes Johannes XXIII., der ein bser mnsch gewesen sei und vil bels getan habe, do er kamerer was dis bobest.138 Die auf das Schisma folgenden Päpste von Martin V. (33) bis hin zu Paul II. (38) erscheinen mehr oder minder alle als Förderer der dominikanischen Ordensreform, deren Vorreiterrolle im Feld der Observanzbestrebungen der diversen Ordensverbände und monastischen Gemeinschaften vom Text verschiedentlich hervorgehoben wird. Von Martin V. etwa wird gemeldet, er habe die Reformaktivitäten des Ordensmeisters Bartholomäus Texerius dadurch unterstützt, dass er ihm mit Blick auf die Reformierung einzelner Klöster die Banngewalt verliehen oder sich auch – wie speziell im Fall des Basler Predigerkonvents, für dessen Details auf das Buch der Reformacio Predigerordens verwiesen wird – brieflich an die geistlichen und weltlichen Autoritäten vor Ort gewandt habe, um die Sakrosanktitas das Reformwerks anzumahnen. Als großer Freund der Observanten sowohl des Dominikaner- wie auch des Franziskanerordens wird sein Nachfolger Eugen IV. (34) eingeführt, der beiden Gemeinschaften, die vs der mos in leben vnd ler vnd in vili der geistlichen personen grslich z namen mit gttem exempel des lebens/ vnd mit heilsamer ler des predien,139 seine tatkräftige Hilfe bei der Reformierung ihrer Ordensklöster hat zukommen lassen. Unter seinen gesta erwähnt die Papstchronik ferner noch die Berufungen der Dominikanerobservanten Antoninus von Florenz und Johannes de Turrecremata (denen beiden auch eigene Elogien gewidmet sind) zu hohen kirchlichen Würdenträgern wie auch die spezifischen Ablässe, die er den Brüdern und Schwestern in den reformierten Konventen gewährt hat. Die Angaben zum kurzen Pontifikat Calixtusʼ III. (36) rücken dann ganz die Kanonisation Vinzenz Ferrers im Jahr 1455 und dessen Elogium in den Mittelpunkt, während Pius II. (37) vorweg als grosser vast wol gelerter meister und Autor präsentiert wird, dessen in der Epistola ad Mahumetem (von 1461) niedergelegte Panegyrik des Dominikus und seiner geistlichen Gemeinschaft der Text in ihrem ganzen Umfang in deutscher Übersetzung mitteilt,140 um den Rezipienten ein authentisches Zeugnis höchster || 138 Mgq 195, fol. 235r. 139 Mgq 195, fol. 243v. – Die Prosperität speziell der franziskanischen Observantenbewegung reflektiert der Text dann auch ausführlich am Wirken des Bernhardin von Siena, dem Eugen IV. vil liebs vnd gnoden erwiesen habe, und zwar insbesondere mit der Lizenz, eigene Generalvikare für die Observanten zu berufen (ebd., fol. 245v), und der von seinem Nachfolger Nikolaus V. (35) im Jahr 1450 kanonisiert wurde (fol. 247r). 140 Pius II. Papa: Epistola ad Mahumetem. Einleitung, kritische Edition, Übersetzung von Reinhold F. Glei und Markus Köhler. Trier 2001 (Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium 50), S. 322 (146.3/4):

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Autorität für die von den Anfängen bis hin zu den jüngsten Nachkommen ungebrochene gnodrichen wirdickeit des Ordens vnd den nútz vnd die frücht [,] die von im geschehen ist, anzuzeigen.141 Zudem wird dieser Papst als besonderer Liebhaber der reformacio vorgestellt, der die Kirchen- und Ordensoberen und speziell auch den dominikanischen Generalmeister – Martial Auribelli, dessen päpstliche Absetzung (1462) der Text unausgesprochen mit ungenügendem Engagement für die Observanzbewegung in Verbindung zu bringen scheint – zur Erneuerung der monastischen Lebensform gedrängt hat. Gleichwohl erweist sich die Reformierung der Klöster zuweilen immer noch als ein überaus konfliktträchtiges Unterfangen. Denn gerade die Kurie und ihre Amtsträger werden, so die These des Textes, nicht nur von den Befürwortern der Observanz um Beistand gebeten, sondern auch von den Gegnern und ihren Parteigängern für ihre jeweiligen Zwecke funktionalisiert. Das Konfliktpotential illustriert das nachfolgende – für die Zeitgenossen aktuelle – Beispiel der fehlgeschlagenen Reform der Weißenburger Benediktinerabtei und der hieraus resultierenden offenen Feindseligkeiten zwischen dem Propagator dieser Reform, dem Heidelberger Pfalzgrafen Friedrich I., der von dem rmschen stl erworben het das ettlich clster in sinen landen gelegen z der geistlicheit gezogen vnd reformieret solten werden, und den ihm Widerstand leistenden Bürgern der elsässischen Reichsstadt in disem gegenwirtigen jor M cccc lxx (Jahr der Textabfassung). Die Konfrontation hatte fatale Konsequenzen auch für die nur wenige Jahre zuvor reformierten Weißenburger Dominikaner, die gleichermaßen im Interesse der widersachen des Kurfürsten von dannen wichen mussten und deren Observanz also zergieng.142 Zuletzt aber proklamiert der Chronist, der die Ereignisse der Weißenburger Fehde ganz unter den Vorzeichen des bekannten dicho-

|| Dominicus, in extremis Hispaniae natus oris, quasi alius vesper emicuit, qui novum quendam sanctum et nitidum vivendi morem suis auditoribus tradidit et praedicatorum instituta regula universum illustravit orbem. Multi ex discipulis eius clarissimi evaserunt, sed praecipua est Magni Alberti fama, qui nullum doctrinae genus ignorasse creditus est. Nec minor eo Thomas Aquinas fuit in litteris, etsi maior exstitit sanctitate. Claruit et nostro saeculo sub eadem regula Vincentius Hispanus, quem noster antecessor inter sanctos Christi confessores rettulit. – Mgq 195, fol. 248rv: Dominicus búrtig von den letzsten enden des landes hyspanien glich also der ander vesper oder abend sterne het er gelúcht der ein heilige clore wiss des lebens sinen noch volgeren gegeben het vnd mit der predieren statuten vnd regul het er die gantze welt erlúcht/ vil siner jungren sind von den aller durch lúchtesten mannen gewesen bisunder der nam vnd lúmend des grossen Albrecht von dem man glbet das er keiner kunst vnwisset sye gesin vnd nit miner ist im Thomas von aquin gesin in der kunst wie das ist daz er im in heilikeit ber troffen het/ ch het gelúchtet by mine[n] zitten vnder der selben regel/ vincencius ein hispanier den vnser vor var vnder die heiligen Christi erhept het. 141 Mgq 195, fol. 248v. – Vgl. zur Epistola ad Mahumetem auch Franz Josef Worstbrock: Piccolomini, Aeneas Silvius (Papst Pius II.). In: 2VL 7 (1989), Sp. 634–669, hier Sp. 654. 142 Mgq 195, fol. 249rv. – Dabei führt Meyer nicht eigens aus, sondern lässt aufgrund der Kontextualisierung seines Beispiels nur erahnen, dass es den Opponenten des Pfalzgrafen, konkret dem im Zuge der Reformierung vertriebenen Weißenburger Abt Jakob von Bruck und der mit ihm verbündeten Bürgerschaft, zwischenzeitlich gelungen war, ihre Position durch erfolgreiche Interventionen sowohl bei der Kurie wie auch bei Kaiser Friedrich III. zu stärken. Ausführlich zum Konflikt und seinen Hintergründen Joachim Schneider: Studien zur Geschichte der Abteistadt Weißenburg i.E. im Mittelalter. Von den Anfängen der Stadt bis zum Jahre 1518. Diss. masch. Mainz 2000, S. 184–207.

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tomen Schemas arrangiert und dabei machtpolitische Ambitionen des Reformförderers Friedrich I. (im Sinne einer Expansion pfalzgräflicher Herrschaftsrechte im Bereich der elsässischen Landvogtei)143 nicht berührt hat, den kontinuierlichen Aufschwung der Observanz zum Wohl der Christenheit gar by in allen rden trotz aller Hindernisse und Renitenzen seitens der Gegner und verkerten lút: Doch so gott [,geht‘] die geistlicheit vf in den orden also die rosen von den stechenden dren vnd ie lenger ie lieber sicht es die welt gern die sich hie von nit ein wenig besseren ist/ von der ler vnd dem gttem ebenbild der orden lt.144 Noch einmal steht eine umfangreichere konsistente Erzählung am vorläufigen Ende der Papstchronik.145 Sie nimmt den größten Raum der Ausführungen zum Pontifikat Pauls II. (38) ein und handelt von den Ursprüngen eines monastischen Lebens in völliger Armut und ohne feste Einkünfte im reformierten Predigerkloster zu Gebweiler Mitte der 1460er Jahre, für das drei Priesterbrüder des Basler Konvents geworben und auch die päpstliche Einwilligung erhalten hatten, wie auch von der Wiedererrichtung des seit zwei Dekaden verlassenen Schwesternklosters Engelport146 als Reformkonvent auf der Grundlage der von Gebweiler abgetretenen Güter.147 Den drei Initiatoren, allen voran brder peter, dem Gebweilerer Prior Petrus Mör,148 sei es nicht nur darum gegangen, ein gemeinschaftliches

|| 143 Vgl. Nikolaus Feeser: Friedrich der Siegreiche, Kurfürst von der Pfalz 1449–1476. Zum 700jährigen Regierungsjubiläum des Hauses Wittelsbach. Neuburg a.D. 1880, S. 115; Schneider: Geschichte der Abteistadt Weißenburg, S. 182, 185. 144 Mgq 195, fol. 249v–250r. 145 Meyer selbst hat den Text später fortgeführt und in der Berliner Handschrift Mgq 195 wie in der Freiburger Handschrift B 1 Nr. 203 durch autographe Nachträge zu Sixtus IV. (bis 1475 bzw. in B 1 Nr. 203 zuletzt bis 1481) erweitert. 146 Über den Zerfall und die Wiederbegründung des Klosters Engelport hat Meyer einen lateinischen Bericht verfasst, der in der Basler Handschrift E III 12 überliefert ist und insbesondere die Initiative des kurz vorher in den Predigerkonvent seiner Heimatstadt Gebweiler eingetretenen Basler Domherrn Johannes Kreutzer hinsichtlich der Erneuerung Engelports hervorhebt (fol. 54r–56v: De fundacione defectione restauracione ac reformacione monasterij sororum angelice porte opidi Gebwilerensis ordinis predicatorum basiliensis dyocesis, Überschrift und Schlussteil ab fol. 55r u. von Meyers Hand; gedruckt in: Meyer: Liber de Viris Illustribus [ed. Loë], S. 81–85; vgl. Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 483). Meyers Bericht zufolge stellte Kreutzer „für seinen Ordenseintritt die Bedingung, daß Engelporten seinen 1445 [im Zuge der Aufhebung des Klosters an den Gebweilerer Konvent, C.S.] abgetretenen Besitz zurückerhalte und daß […] die Gebweiler Brüder auch auf ihre eigenen Einkünfte und Besitzrechte verzichteten und nach dem Vorbild der ersten Väter des Ordens in evangelischer Armut nach der Regel und den Konstitutionen lebten“: Neidiger: Armutsbegriff der Dominikanerobservanten, S. 136; vgl. Vogelpohl: Studien zu Johannes Kreutzer, S. 56 mit Anm. 211. 147 Vgl. die Einordnung von Meyers Darstellung in den übergreifenden Armutsdiskurs der Dominikanerobservanten (speziell im Umkreis des Basler Konvents) bei Neidiger: Armutsbegriff der Dominikanerobservanten, S. 132–137; ders.: Selbstverständnis und Erfolgschancen, S. 90f. 148 Neidiger: Armutsbegriff der Dominikanerobservanten, S. 134f. identifiziert unter den dreien weiterhin Heinrich Heglin, der 1466 Petrus Mör als Prior nachfolgte, sowie auch Johannes Meyer selbst, „der für seinen persönlichen Gebrauch auch alle über die Armut in Gebweiler ausgestellten Urkunden und Privilegien abgeschrieben hat“. Tatsächlich aber ist Meyers Zugehörigkeit zu dieser Dreiergruppe nirgends explizit belegt. In Dietlers Chronik des Klosters Schönensteinbach heißt es: Dise sach hat am aller meisten getriben

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Leben in Besitzlosigkeit noch der form der armt/ Sant Dominicus on alle gúlt vnd zins vnd on gelt zu führen, sondern dass sie ch in andren dingen noch den ersten fs staffen der ersten heiligen vettren sich slten halten/ Also es in der regel vnd constitucio geschriben ist.149 Der Bericht Johannes Meyers, der selbst einer der 13 Gebweilerer Brüder war, die das Leben in apostolischer Armut im Jahr 1465 begannen, unterstreicht die Irritation der Basler Mitbrüder und Zeitgenossen angesichts der Rigorosität des Vorhabens, der man kaum Erfolgsaussichten einräumte. Und er stellt umso mehr die sich nach und nach abzeichnende Stabilisierung und Prosperität des Unternehmens heraus sowohl im Blick auf die Blüte des Schwesternklosters Engelport als auch hinsichtlich der Entfaltung der geistlicheit vnd tugenden des Gebweilerer Brüderkonvents, dessen Mitglieder – vnder den ettlich gelert wirdig meister vnd tm herren gewesen sint in der welt – sich ein gtten namen vnd ein lblich wort in disen landen z elsas vnd anderswo von irs tappfferen · geistlichen · lebens wegen vnd von ir ler vnd prediens wegen erworben hätten. Im Zeichen dieser Entwicklungen habe sich denn auch zuletzt der Bischof von Chur gemeinsam mit dem Rat der Stadt, in disem gegenwirtigen jor […] M cccc lxx, wegen der Reformierung des dortigen Predigerklosters an den Gebweilerer Konvent gewandt, woraufhin fünf Brüder nach Chur entsandt wurden.150 Tatsächlich vermittelt die Narration von den Anfängen der strengen Armut in Gebweiler ein Kernanliegen observanter Identität und expliziert beispielhaft die programmatische Neuausrichtung der Spiritualität der dominikanischen Reformfraktion unter den Auspizien einer Revitalisierung einer als ursprünglich gedachten Lebensform und Frömmigkeitspraxis. Doch steht die exemplarische Erzählung von der Lebensweise der Gebweilerer Kommunität, der es darum zu tun ist, die empirische Realisierbarkeit des Ideals zu erweisen, im Horizont des übergreifenden Textkonzepts der Papstchronik nicht für sich. Denn sie schlägt im Rahmen des Erzählsyntagmas vor allem auch einen Bogen zurück zur signifikanten Episode vom Zwist der Straßburger Prediger mit den städtischen Obrigkeiten Ende des 13. Jahrhunderts, während des Pontifikats Nikolaus’ IV., die Johannes Meyer als Exemplum für den beginnenden Niedergang der Ordensspiritualität exponiert hat. Unter den Vorzeichen einer paradigmatischen Relation figuriert die Gebweilerer Episode als das exakte Gegenmodell der Straßburger Ereignisse. An die Stelle eines Ausgriffs geistlichen Lebens in weltliche Milieus, der den Verlust des höchsten ,Gutes‘, der Armut, und damit den der Lebensform selbst bedeutet, tritt gerade die Limitation des Umgangs mit der Welt und die Rückbesinnung auf eine monastische Praxis ganz nach dem Vorbild evangelischer Lebensvollzüge und auf der Grundlage der spezifischen Gesetze dominikanischer Gemeinschaftsform. Wie die Händel der Straßburger Dominikaner – deren „große[r], reiche[r]“ || der andächtige vatter Petrus Mör dazumalen Prior daselbst in Gebwiler, vnd desselben willens ware auch der obgenandte vnser lieber Beichtiger bruder Hans Meyer, vnd etliche andere brieder, darum so verliesse er vns, vnd auch die drey frauwen Clöster zu Freiburg, die mit seiner arbeit desselben jahrs zu der H. observantz gebracht waren, vnd ergab sich gehn Gebweiler zu diser geistlichkeit vnd armueth (ed. Schlumberger, S. 484). 149 Mgq 195, fol. 251r. 150 Mgq 195, fol. 251v–252r.

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Konvent151 sich übrigens bis ins 16. Jahrhundert der Reformbewegung verweigerte – die zunehmende Entfremdung des Ordens von seinen heiligen Ursprüngen signalisieren, so versinnbildlicht die Gebweilerer Initiative die von den höchsten kirchlichen Autoritäten gestützten Bemühungen um die Erneuerung in ihrer reinsten Ausprägung, als „vollkommene Observanz ad unguem“.152 Indem der Verfasser den Adressatinnen in seiner Schlussvermahnung auferlegt, diese Bemühungen zu unterstützen und Gott in ihren Gebeten für die Prosperität der Reform des Ordens und die Wiedergewinnung der Spiritualität der Ursprünge zu bitten, verpflichtet er sie zugleich auf die Grundsätze der Observanz und deren prospektive Geltung und fordert die Orientierung der eigenen Frömmigkeit an den normativen Modellen der Gründerfiguren. Die scharfe Abgrenzung von den Nichtreformierten und ,Verkehrten‘ insbesondere innerhalb des e i n e n Ordens, denen die Kontinuität mit den Anfängen abgesprochen wird, dient dabei der Profilierung und Selbstvergewisserung des eigenen ,rechten‘ Weges in der authentischen Nachfolge der ersten Väter und akzentuiert den Anspruch einer höheren Wertigkeit, ja exklusiven heilsgeschichtlichen Valenz observanter Lebensform sowohl für die ewige Seligkeit des Einzelnen wie für das Wohl und die Sicherheit des Corpus Christianum im Ganzen, das auf jene „religiöse[] Elite“ oder „Spitzengruppe“ vertraut, „in deren Schutz der einfache Gläubige lebt“:153 Minen recht lieben swestren in Christo/ bitten got mit flislichem ernst dig vnd vil das er predier orden verlich durch sin erbermd die ersten geistlicheit vnd andacht/ gnod wisheit vnd tugen/ Die er het by den zitten der ersten heiligen meistren/ Sant Dominicus vnd jordanus/ vnd ob es nit in allen clöstren des ordens sin mg von gebresten der vntugenden ettlicher verkerten brüdren vnd swestren/ das es doch in ettlichen clöstren in sölicher mos z vnd vf gang/ Do von got gelopt vnd geert werd [,] die welt gebessert/ Die selen getröst/ vnd wier hie von noch disem ellend erfolgen ewig leben.154

4.3.2 Kaiserchronik Predigerordens Die Reihe der 15 röm.-dt. Könige und Kaiser von Friedrich I. bis zu Friedrich III., die Meyer im Jahr 1471 im Anschluss an die Papstchronik ebenfalls in Gebweiler abgeschlossen hat, vervollständigt die Kollektion der Papstgesten im Sinne des Konzepts der „parallele[n] Darstellung der beiden mittelalterlichen Universalmächte“, wie sie „ab dem 11. und vor allem im 13.–14. Jahrhundert“ üblich geworden war.155 Meyer folgt dabei nun nicht dem Prinzip der ,Zeittafel‘ und synchronistischen Anlage beider Herrscherreihen, die vor allem die zwei frühen Rezensionen der Chronik Martins von Troppau ausgeprägt haben,156 son|| 151 Rüther: Bettelorden in Stadt und Land, S. 310. 152 Neidiger: Armutsbegriff der Dominikanerobservanten, S. 133. 153 Oberman: Luther, S. 59. 154 Mgq 195, fol. 253r. 155 Melville: Rechtssätze in Papstgeschichtswerken, S. 379 Anm. 13. 156 Von den Brincken: Herkunft und Gestalt der Martins-Chroniken, S. 712–717.

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dern ordnet den Stoff nach einem – speziell auch in der letzten Fassung von Martins Chronik artikulierten157 – alternativen Muster und der ihm folgenden Tradition „in getrennten Blöcken“ an, „wodurch die Aufnahme erzählender Einschübe wie Exempla, Anekdoten, Predigtmärlein erleichtert wurde“.158 Meyers poetologische Selbstaussagen im Prolog zur Kaiserchronik159 sowie explizite Querverweise von den Kaiser- zurück zu den Papstgesten signalisieren freilich die enge Kohäsion und virtuelle bzw. konzeptionelle Parallelität der beiden materialiter separierten Texteinheiten.160 Die Serie wird eröffnet mit der knappen Charakteristik der Königsherrschaft Friedrichs I. Barbarossa (1), die texttypenspezifisch die im Vergleich zur Kalkulation der Amtszeiten der Päpste ungenauere, da nur nach Jahren gezählte Regierungszeit voranstellt, dann aber sogleich die für die Eigengeschichte des Ordens relevanten Vorgänge in den Blick nimmt und die Geburt des Dominikus in hispanien (als Sohn heiligmäßiger Eltern, des felix und der johanna) im Jahr Mclxx während der Regentschaft dieses Herrschers anzeigt.161 Von den gesta Friedrichs I. wird sonst nur noch die Eroberung Mailands und die Überführung der Reliquien der Heiligen Drei Könige nach Köln erwähnt – um dann freilich darauf hinzuweisen, dass der Ort, an dem das Heiltum ehemals aufbewahrt wurde, nun das Mailänder Predigerkloster (St. Eustorgio) beherberge.162 Der Abschnitt zu Heinrich VI. (2) drängt die Kaisergesten ganz zurück und führt allein Aspekte der Biographie des Ordensgründers weiter aus, indem er die Aktivitäten des Regularkanonikers als Missionar und Prediger gegen die Häresie der Albigenser im Gebiet von Toulouse skizziert. Das zentrale Thema ist das Wirken des Dominikus ,in der Welt‘ und ,für die Welt‘, das Meyer hier im Rahmen der Kaiserchronik als Komplement zur Geschichte des Predigerordens als monastischer Gemeinschaft entfaltet, die der Papstchronik vorbehalten war. Insbesondere rekonstruiert der Text die Ursprünge des dominikanischen || 157 Von den Brincken: Herkunft und Gestalt der Martins-Chroniken, S. 717. 158 Schnith: Martins-Chroniken, Sp. 350. 159 Mgq 195, fol. 267r: Also ich hie vor alle die bepste in ein gefgliche Cronica beschriben hab/ die von Angenge vnsers wúrdigen brediger ordens bitz vf vnser zit gewesen sint/ Vnd waz sú vnsrem orden gütes geton hant/ Vnd des glich waz beschehen ist jm orden by jren ziten als vil jch das selbe wissen mht/ vs des ordens vnd der conventen versigellten bullen vnd brieffen instrumenten/ vnd alten büchren/ Also hab ich ch in glicher mos dise cronica zü geseczt/ die do seit von den rmschen kúnigen vnd keysren/ die von angeng vnsers ordens bis vf dise vnsere zit gelept hant/ vnd waz gttes vnserem orden von ir ettlichem geschehen ist/ Oder waz sich jm orden je erloffen het/ So vil ich daz ch vs andren geschr[i]fft bullen · brieffen/ vnd bchren haben mcht. 160 Tatsächlich charakterisiert Meyer denn auch beide Texte im Schriftenverzeichnis seines Epistel brief z den swesteren prediger ordens als e i n schön cronick bch/ Das selb seit von allen bebesten vnd ch keiseren die von anfang predier ordens bis vf vnser zit gelept hant vnd was sy gttes vnd gnoden dem selben orden geton hant in der gemein/ vnd ettlichen clöstren der brüdren vnd swestren in sunderheit (Mgq 195, fol. 255rv, Hervorhebung C.S.; Scheeben: Handschriften I, S. 187). 161 Vgl. Dietrich von Apolda: Vita S. Dominici (AASS Aug. I), S. 566 (§ 11), wo einleitend zur zeitlichen Relationierung nicht nur das Pontifikat Alexanders III. genannt wird, sondern auch von Friderico imperatore hujus nominis primo per orbem rempublicam gubernante die Rede ist. 162 Vgl. Martini Oppaviensis Chronicon (ed. Weiland), S. 470,31–33.

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Bußordens, und zwar dergestalt, dass er die Tertiaren unmittelbar auf das Engagement des heiligen Ordensgründers im Kampf gegen die Albigenser zurückführt: Dominikus selbst habe den orden von der ritterschafft Jesu Christi begründet, dessen Mitglieder, unter ihnen Graf Simon von Montfort, der Dominikus besonders verehrt habe, mit dem swert woren vechten wider die vnglbigen glich also Sant Dominicus mit sinen gelerten geselen was mit dem gtlichen wort vechten.163 Nach Dominikus’ Tod und dem Ende der Ketzerkriege sei diese Gemeinschaft von Weltleuten gewandlet und umbenannt worden in orden de penitencia beati Dominici und habe dann auch die päpstliche Bestätigung und Privilegierung erlangt.164 Diese Konstruktion geht vermutlich zurück auf den Anfang des 15. Jahrhunderts entstandenen Tractatus de ordine fratrum et sororum de paenitentia S. Dominici des Tommaso Caffarini, worin der einstige Vertraute der Katharina von Siena und Raimunds von Capua „zuhanden seiner Ordensbrüder Rechenschaft ablegt über seine erfolgreichen Bemühungen zur Anerkennung einer dominikanischen Bußregel“ und „den Beweis für die Anciennität eines von Dominikus gegründeten Bußordens zu erbringen“ sucht.165 Und ganz entsprechend ist es auch Johannes Meyer darum zu tun, den Dritten Orden als altehrwürdige Institution und von Dominikus selbst geschaffene Lebensform für die Laien und Weltleute neben den genuin monastischen Kommunitäten des Ersten und Zweiten Ordens zu positionieren und somit die Identität, Solidarität und Integration der Gesamtordensfamilie zu stärken. Auch der Abschnitt zu Otto IV. (3) vermeldet von diesem Herrscher nicht mehr als seine vier Regierungsjahre. Ansonsten gilt das Interesse des Chronisten weiter der Biographie und dem ,Weltleben‘ des Ordensstifters. Denn hier wird nun mit kurzen Worten der Pläne des Heiligen hinsichtlich der Gründung und Bestätigung des Ersten Ordens gedacht und dabei für die näheren Zusammenhänge auf die Ausführungen der Papstchronik zu den Pontifikaten Innozenz’ III. und Honorius’ III. verwiesen. Hinzu kommen Angaben zu Dominikus’ verschiedenen Lebensstationen als Säkularkleriker im Vorfeld der Ordensgründung nach dem Bericht des Ordensreformers Johannes Dominici, wenngleich betont wird, wie spärlich die schriftlichen Überlieferungen sind, die Nachricht geben von dem heiligen leben vnd von den wonder wercken/ Sant Dominici aus jener Zeit, bevor er predier orden an vieng.166

|| 163 Mgq 195, fol. 268r. Vgl. Tractatus de ordine FF. de Paenitentia S. Dominici di F. Tommaso da Siena. Hrsg. von M.-H. Laurent. Florenz 1938 (Fontes vitae S. Catharinae Senensis historici 21), S. 4. Speziell zur Erwähnung Simons von Montfort vgl. Dietrich von Apolda: Vita S. Dominici (AASS Aug. I), S. 572 (§ 45): Illo in tempore dominus Simon Comes Montis-fortis, illustris princeps, pugnans contra haereticos gladio materiali, & confessor Christi Dominicus gladio verbi Dei, multam societatem familiaritatis & amicitiae mutuò contraxerunt. 164 Mgq 195, fol. 268v. 165 Wehrli-Johns: Augustinusregel, S. 84f.; vgl. Hinnebusch: History of the Dominican Order 1, S. 400f. 166 Mgq 195, fol. 269rv. – Vgl. das knappe lateinische Exzerpt von Meyers Hand aus dem offenbar sonst nicht nachgewiesenen Traktat des Johannes Dominici (vgl. Kaeppeli: Scriptores Ordinis Praedicatorum 2, S. 406–413) im Basler Codex E III 12, fol. 48v (abgedruckt in Meyer: Liber de Viris Illustribus [ed. Loë], S. 4).

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Erst mit der ,Vita‘ Friedrichs II. (4) rückt tatsächlich das Regierungshandeln eines Kaisers und ansatzweise auch die Reichsgeschichte in den Fokus. Von den Anfängen der Regentschaft Friedrichs II. zeichnet der Text dabei ein durchaus positives Bild und preist besonders dessen Bemühungen und politisch-rechtliche Anordnungen wider die vnglbigen ketzer, insofern sie den Aktivitäten der Prediger bei der Häresiebekämpfung parallel gehen und mithin Position und Einfluss des Ordens stärken. Aber dar noch – so die dann harsche Kritik des Chronisten – lies sich diser keiser gar bel an vnd tett vil bs.167 Wegen seiner – nicht näher bezeichneten – Verfehlungen sei der Kaiser von den Generalmeistern des Ordens wiederholt getadelt, schließlich vom Papst gebannt worden. Die Auswirkungen des Konflikts zwischen Kaiser und Papst hätten indes auch die Dominikaner hart getroffen, da sie aus den königstreuen Städten fliehen mussten, als sie sich weigerten, die Partei Friedrichs II. zu ergreifen. Die Konsequenzen konkretisiert der Text am Beispiel des Zürcher und des Esslinger Predigerkonvents, deren Brüder in jenen Jahren des Exils z.T. in den benachbarten Landklöstern der Schwestern von Töss und Weiler ihre letzte Ruhestätte fanden. Den Kaiser ereilt – wie der Chronist im Gefolge einer breiten kurial gesinnten historiographischen Tradition zu insinuieren scheint168 – die gerechte Strafe „eines Ketzers und Kirchenverfolgers“:169 Denn er bleib also in dem banne vnd starp eines ellenden todes. Nach einem kurzen Ausblick auf die – wegen ihres frühen Todes jeweils kaum wirksamen – Gegenkönige Heinrich Raspe und Wilhelm von Holland deutet der Text zuletzt die me dann xx jor währende Periode des Interregnum an.170 Rudolf von Habsburg (5) wird dann nicht nur als Erneuerer des römischen Reiches nach mehr als 20 Jahren königsloser Zeit, sondern auch als großer Förderer geistlichen Lebens und insbesondere der Gemeinschaft der Prediger gepriesen, die do z mol in grosser geistlicheit vnd wisheit lepten. Speziell auch weiß der Chronist von einer leiblichen Schwester des Königs zu berichten, die seinerzeit dem closter Adelnhusen bei Freiburg angehört habe.171 Mit Blick auf Rudolfs Wohltaten und Gunsterweise gegenüber dem Orden verweist der Text im Einzelnen auf reiche königliche Privilegierungen der Gemeinschaft, die Anwesenheit des Herrschers bei der Grundsteinlegung neuer Konvente und die nachhaltige Förderung dieser Anfänge, die Stiftung des dominikanischen Doppelklosters Tulln || 167 Mgq 195, fol. 269v–270r. 168 Vgl. Martini Oppaviensis Chronicon (ed. Weiland), S. 471,49–472,1. 169 Klaus van Eickels: Friedrich II. (1212–1250). Mit Heinrich (VII.) (1222–1235). In: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519). Hrsg. von Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter. München 2003, S. 293–314, hier S. 313. 170 Mgq 195, fol. 270v. 171 Mgq 195, fol. 271r. – Diese Nachricht geht sicher auf die – Meyer wohl spätestens seit seiner Reformierung der Freiburger Klöster im Jahr 1465 bekannte – Gründungsgeschichte des Adelhauser Nonnenbuchs zurück, wo erzählt wird, dass die verwitwete Gräfin von Sulz, die wz kúnig Rdolffs swester, auf den Rat der Straßburger Prediger hin dem sich gerade erst konstituierenden Adelhauser Konvent beigetreten sei: Die Chronik der Anna von Munzingen. Nach der ältesten Abschrift mit Einleitung und Beilagen hrsg. von J. König. In: FDA 13 (1880), S. 129–236, hier S. 153. Vgl. dazu Bürkle: Literatur im Kloster, S. 184; Denne: Frauenklöster, S. 31.

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(die er got [,] siner mter vnd Sant Dominicus im Falle seines Sieges über Ottokar von Böhmen gelobt hatte),172 seine spezifische Devotion für die beiden Ordensheiligen Dominikus und Petrus Martyr wie auch auf finanzielle Kontributionen an die General- und Provinzkapitel sowie zum Wiederaufbau des durch Kriegswirren geschädigten Klosters Adelhausen. Der längste Abschnitt der Kaiserchronik ist dem Regnum Heinrichs VII. (8) gewidmet. Bereits die Ereignisse der Frankfurter Königswahl Heinrichs von Luxemburg im Jahr 1308 bieten Gelegenheit, das damalige Renommee und Prestige des Dominikanerordens zu profilieren: Denn Heinrich wart gewelt – wie schon sein Vorvorgänger Adolf von Nassau (6)173 – z fran[ck]fort in der predier sacristie/ vnd wart noch der wal vf den alter in der predier chor noch gewonheit gesetzt in gegenwirtikeit des volks.174 Wie im Falle Rudolfs von Habsburg lobt der Text auch Heinrich VII. als großen Freund und Unterstützer des Ordens, der gewonlich grosse · gelert · wiss · geistlich · brder predier orden[s] by im het/ jo ch in den grossen küniglichen geschefften. Und auch Heinrich verbinden enge familiäre Beziehungen mit dem Orden (die wiederum die Dignität und Attraktivität der Gemeinschaft in höchsten weltlichen Kreisen widerspiegeln), denn er hatt ein lipliche swester in predier orden in dem closter genant Mariental in trierer bistm vnd ir nam waz geheisen Margaretha vnd waz mtter vnd priorin des selben closters.175 Von den gesta des Königs erwähnt der Text speziell noch die Romfahrt und Kaiserkrönung in der Lateranbasilika durch die damit beauftragten Kardinäle des Avignoneser Papstes Clemens V., allen voran den öbristen

|| 172 Mgq 195, fol. 271v. 173 Mgq 195, fol. 272v: Adolff der erste dis namen ein groff von nasowe wart z römschem künig gewelt Anno domini Mcclxxxxij z franckfort in der predier closter/ vnd regiert das römsche rich me dan vj jor vnd wart in einem veldstritt erslagen. 174 Mgq 195, fol. 273r. – Auf welche Prätexte Meyer hier im Einzelnen rekurriert, ist unklar. Zur Frankfurter Wahl Heinrichs VII., wie sie im Spiegel der vorliegenden Quellen in der Dominikanerkirche „durch Altarsetzung des Elekten vor Klerus und Volk besonders feierlich öffentlich gemacht und kirchlich sanktioniert“ wurde, siehe J.F. Böhmer, Regesta Imperii. VI,4: Heinrich VII. 1288/1308–1313. 1. Lieferung: 1288/1308– August 1309. Bearb. von Kurt-Ulrich Jäschke und Peter Thorau. Wien [usw.] 2006, S. 60–66 (Regest ao, Zitat S. 60f.). „Daß der Elekt durch die – angeblich sieben – Kurfürsten auf den Altar gesetzt worden ist, besagt allein die Unterschrift unter dem Bild 4a der Bilderchronik des Balduineums I“ (ebd., S. 64; Kaiser Heinrichs Romfahrt. Die Bilderchronik von Kaiser Heinrich VII. und Kurfürst Balduin von Luxemburg 1308– 1313. Mit einer Einleitung und Erläuterungen hrsg. von Franz-Josef Heyen. München 1978, S. 58f.). Soweit ich sehe, ist der predier sacristie als der eigentliche Ort der Wahl bislang nur aus Meyers Kaiserchronik bekannt. 175 Mgq 195, fol. 273v (eigenhändiger Nachtrag Johannes Meyers). Anders als jene Schwester Rudolfs von Habsburg ist freilich Margareta von Luxemburg, die Schwester Heinrichs VII., tatsächlich als Ordensangehörige und Priorin von Marienthal bezeugt: Sie „starb 1337, nachdem sie das Kloster während einer langen Zeit geführt hatte, die dem Höhepunkt des von den Luxemburgern geförderten Klosters entspricht“ (Michel Margue: Memoria et fundatio. Religiöse Aspekte des Herrschaftsverständnisses eines Landesherrn in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. In: Johann der Blinde. Graf von Luxemburg, König von Böhmen 1296–1346. Tagungsband der 9es Journées Lotharingiennes 22.–26. Oktober 1996. Hrsg. von Michel Pauly. Luxemburg 1997, S. 197–217, hier S. 211).

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Cardinal genant brüder Hugo von der matten predier ordens.176 Die bei weitem umfangreichste Partie der ,Kaiservita‘ Heinrichs VII. befasst sich indes mit Heinrichs Tod im Jahr 1313 in lamparten und vor allem dessen näheren Umständen, die sich zu einer „épisode indubitablement douloureux pour l’ordre“177 auswuchsen. Aufgeboten wird eine weit ausgreifende Apologie des Dominikanerordens und im Besonderen des Ordensbruders und Beichtigers des Kaisers, Bernhardins von Montepulciano, der noch des keisers tod vs nid vnd has von den die im vigend woren swerlich mit der vnworheit verlümet [wart] wie er dem keiser in dem heiligen sacramente mit gifft vergeben hette.178 Mit Vehemenz begegnet der Text den „hartnäckigen Gerüchten“ vom „Giftmord eines Dominikaners“,179 wie sie in ettliche[n] Croniken überliefert seien und von daher von vielen bis vf disen tag für wahr gehalten würden,180 und schreibt sich damit ein in die vielfältigen Bemühungen des Ordens um eine „élaboration d’une contre-mémoire de l’épisode de 1313“.181 Nachdrücklich wendet sich der Chronist gegen ein gerimts tuzsches büchli mit dem Namen sibillen bch, dessen Weissagung von der Vergiftung Heinrichs VII. durch den Predigerorden er unter Berufung auf die Autorität Vinzenz’ von Beauvais als mere verwirft.182 Seine Verteidigung des Bru-

|| 176 Mgq 195, fol. 273v. Gemeint ist Nikolaus von Prato, Kardinalbischof von Ostia. 177 Franck Collard: Jacobita secundus Judas. L’honneur perdu des Prêcheurs après la mort d’Henri VII. In: Religion et mentalités au Moyen Âge. Mélanges en l’honneur d’Hervé Martin. Hrsg. von Sophie CassagnesBrouquet [u.a.]. Rennes 2003, S. 221–234 (mit zahlreichen historiographischen Quellen vor allem auch dominikanischer Provenienz), hier S. 221. Vgl. auch Franck Collard: L’empereur et le poison: de la rumeur au mythe. À propos du prétendu empoisonnement d’Henri VII en 1313. In: Médiévales 41 (2001), S. 113–132. 178 Mgq 195, fol. 274r. Die Kaiserchronik nennt nur den Vornamen des Bruders, der vollständige Name erscheint in Meyers Chronica brevis O.P., die in weiten Teilen mit dem Bericht der Kaiserchronik parallel geht: Cod. 939, fol. 46v–47v; ed. Scheeben, S. 55f. (Nr. 80). Die Chronica brevis gibt denn auch einen Hinweis auf Meyers Quellen: Et de vera innocentia huius venerabilis patris diffusius tractat in sua cronica venerabilis frater Iacobus de zuzato sacre theologie doctor eximius (Cod. 939, fol. 47r; ed. Scheeben, S. 56). Die Ordenschronik Jakobs von Soest gilt zwar als verschollen, ist aber nach den Untersuchungen von Guimaraes „greifbar als durchgehend exzerpierte Hauptquelle des ersten Teils der Brevis et compendiosa Cronica de magistris generalibus et viris illustribus ordinis predicatorum … des Albertus de Castello (Venedig 1504, 1506 u. 1516“: Franz Josef Worstbrock: Jakob von Soest. In: 2VL 4 [1983], Sp. 488–494, hier Sp. 493); der Text der Ausgabe 1506 ist – vermittelt über eine Zwischenstufe (vgl. Raymond Creytens: Les écrivains dominicains dans la chronique d’Albert de Castello. In: AFP 30 [1960], S. 227–313, hier S. 234) – wieder abgedruckt in: Veterum scriptorum et monumentorum historicorum, dogmaticorum, moralium, amplissima collectio. Bd. 6. Hrsg. von Edmond Martène und Ursinus Durand. Paris 1729, Sp. 344–396 (Brevissima Chronica RR. magistrorum Generalium ordinis Praedicatorum), der zu Meyers Apologie des Bernhardin von Montepulciano (in der Kaiserchronik und in der Chronica brevis) in etwa parallele, freilich weit ausführlichere Passus hier Sp. 376–381. 179 Heinz Thomas: Heinrich VII. In: LexMA 4 (1989), Sp. 2047–2049, hier Sp. 2049. 180 Vgl. Collard: L’honneur perdu des Prêcheurs, S. 224 mit Anm. 30. 181 Collard: L’honneur perdu des Prêcheurs, S. 225. 182 Mgq 195, fol. 274rv: ch het man ein gerimts tuzsches büchli gemacht/ vnd sy heisen es sibillen bch/ vnd do stott ch geschriben von dem der es gemacht het das sibilla gewisaget hab her salomon dem künig der dauid des propheten sün gewesen ist dar vmb heinrich sy keiser worden so vergeb im predier orden/ Das aber dis nit wor sye/ von keiner sibillen die by künigs Salomon zitten gelept hab wissen alle die gelerten wisen die

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ders wie des Ordens baut dagegen auf schriftliche Stellungnahmen verschiedener hochrangiger Zeitgenossen, Prälaten und Herrschaftsträger aus dem Umfeld des Kaisers, zugunsten des verunglimpften Bernhardin,183 wobei er seine intime Kenntnis und mithin die Authentizität dieser Zeugnisse betont: Die brieff der ob gemelten herren von der enschuldung dis edelen vatters hab ich gelesen vnd in minen henden gehept.184 Schließlich weist der Chronist jene Diffamierungen der Predigergemeinschaft entschieden zurück, die das Halten des Altarsakraments in der linken Hand im Kanon der Messe nach ordensspezifischem Ritus185 als Strafe für den vermeintlichen Königsmord deuten, indem er die Anfänge dieses – in der notel des orden verzeichneten – liturgischen Usus von den heiligen ersten vettren ableitet und die ihm eigene Sinnhaftigkeit proklamiert.186 Während sich die Angaben zu Ludwig dem Bayern (9) auf den Konflikt mit Papst Johannes XXII., die damit verbundenen fatalen Auswirkungen auf die papsttreuen Dominikaner und mithin eine – in der Nachricht vom jähen Tod des bis zuletzt Exkommunizierten kulminierende – durchweg negative Bewertung dieses Kaisers konzentrieren, wobei eigens auch auf die Darstellung der Papstchronik zurückverwiesen wird, erscheint der noch

|| der geschrifft erfaren vnd wissenhafft sint gar wol/ Der grosse vatter vincencius von beluack predier orden der seit in sinem grossen bch das do heist speculum historiale von ·x· sibillen aber keine het sölichs nie geseit/ Hier vmb so wisse man das dis büchli mere sint. – Meyer bezieht sich hier wohl auf die deutschsprachige Sibyllenweissagung in Reimpaarversen, das Sibyllen Buch, wovon verschiedene Redaktionen überliefert sind (vgl. Bernhard Schnell und Nigel F. Palmer: Sibyllenweissagungen. In: 2VL 8 [1992], Sp. 1140–1152). Es sei hier nur auf den Text der umfangreichsten Redaktion nach dem Münchener Cgm 746 verwiesen, der bei Ingeborg Neske: Die spätmittelalterliche deutsche Sibyllenweissagung. Untersuchung und Edition. Göppingen 1985 (GAG 438), ediert ist: es komet ein A vnd schlegt czu tod ein ander A | vnd verlust ein H sein leben, | dem wurt mit gotes lichnam vergeben […] konig Salomon sprach da: „Sibilla bedeute mir das A.“ | sy sprach: „ich wil dirs bedeuten recht. | ein A wirt konig Albrecht. | das ander A Adolf den namen sol han; | da wirt yr eyner den andern czu tot schlagen. | das H sol dir werden pekant: | er wirt Heynrich genant. | wann der ein keyer ist worden, | so dotet yn der prediger orden (S. 268: V. 362–364, 369–378). – Tatsächlich hat Meyers Invektive gegen das Sibyllen Buch weder in seiner Chronica brevis noch bei Albertus de Castello ein Äquivalent, was darauf hindeuten könnte, dass Meyer für sein – zunächst in der Volkssprache gebildetes – Zielpublikum der Kaiserchronik ein einschlägiges literarisches Interesse voraussetzt. 183 Vgl. Meyers Chronica brevis, Cod. 939, fol. 46v; ed. Scheeben, S. 55f. 184 Mgq 195, fol. 275r. Vgl. Albertus de Castello (ed. Martène/Durand), Sp. 378: Extant autem copiae litterarum plurium reverendissimorum dominorum cardinalium & domini episcopi Aretini ad praelatos Alemanniae super assertione innocentiae fratris Bernardi praedicti. 185 Vgl. William R. Bonniwell: A History of the Dominican Liturgy 1215–1945. Second Edition, revised and enlarged. New York 1945, S. 127f. 186 Mgq 195, fol. 275v. Vgl. die deutlich breiter ausgeführte Apologie der ,Kommunikation mit der linken Hand‘ bei Albertus de Castello (ed. Martène/Durand), Sp. 379–381. Meyers Chronica brevis übergeht hingegen diese spezifische Diffamation ganz, nennt dafür aber die Urheber der Anschuldigungen gegen Bernhardin und den Orden – den Grafen von Flandern und den Kapellan Heinrichs VII., einen Zisterzienser – und führt vor allem die engsten Familienmitglieder des Verstorbenen auf, seinen Sohn, König Johann von Böhmen, seinen Bruder, Erzbischof Balduin von Trier, und dann vor allem auch den Enkel, Kaiser Karl IV., die sich alle darum bemüht hätten, die Angriffe gegen die Dominikaner zurückzuweisen (Cod. 939, fol. 47r; ed. Scheeben, S. 56).

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zu Ludwigs Lebzeiten gewählte Karl IV. (10) als vorbildlicher, in fünf Sprachen gebildeter christlicher Herrscher und Förderer der Geistlichkeit, der wie schon sein Großvater Heinrich VII. gerade auch Mitglieder des Predigerordens in seinem engsten Beraterkreis versammelt hat. Speziell preist der Text die besonderen königlichen Freiheiten, die Karl dem Orden neben der Bestätigung der Privilegien aller seiner Amtsvorgänger gewährt hat, sowie die in der guldin bulle niedergelegten Bestimmungen z trost vnd hilfflicheit allen brüdren vnd swestren vnd iren clstren vnd alles waz zü jm hört.187 Anders als von der Regierung seines Vaters zeichnet die Kaiserchronik vom Regiment seines Sohnes Wenzel (11), dessen Nachfolge Karl IV. frühzeitig und vorausschauend abgesichert hatte, ein überaus ambivalentes, um nicht zu sagen: düsteres Bild. Denn zwar habe er als wiser starcker iunger Regent begonnen, bald aber sich einem bsen vnsicheren leben hingegeben, vnd det wenig gtes vnd waz súmig/ vnd geschach vß der mossen vil bses vnder jm/ jn der cristenheit/ vnd daz lies er offt hin gon.188 Die Vorwürfe beziehen sich zum einen auf die Untätigkeit Wenzels angesichts des fortdauernden Schismas, zum anderen auf die Versäumnisse hinsichtlich der in seinem Königreich Böhmen grassierenden keczerij des vnglben dez hussen, die das christliche Leben in vielen Ländern bedroht, besonders aber den predigeren vnd iren clöstren Schaden zugefügt habe, der etwie maniges in behem verbrant wart. Diese Missstände hätten am Ende zur Absetzung Wenzels und Königswahl Ruprechts von der Pfalz (12) geführt, hiermit aber der bestehenden Kirchenspaltung nur die Misere des Doppelkönigtums hinzugefügt. Diesen allgemeinen Tendenzen der Stagnation oder gar des Niedergangs weltlicher und geistlicher Verhältnisse stellt der Chronist indes die Bestrebungen vil gter mnschen entgegen, die sich umso mehr einem gottgefälligen geistlichen Leben zugewandt hätten, und zwar allen voran vil der brder von prediger vnd barfssen orden die sich reformierten vnd in vil stetten die observancie an vingen noch ir Regel vnd orden.189 Damit aber wird erneut die Rolle der Dominikanerobservanten als Schrittmacher der Erneuerung spiritueller Lebensform sub specie aeternitatis und gleichzeitig zum Wohl der ,Welt‘ hervorgehoben. Kaiser Sigmund (13), Wenzels Bruder, wird dann als dessen Gegenfigur und implizit als wahrer Erbe der Vorzüge seines Vaters Karl IV. präsentiert, dem es nach zähen Vorarbeiten und Vorverhandlungen schließlich gelingt, eine allgemeine Kirchenversammlung nach Konstanz einzuberufen, wo die inzwischen dreigeteilte Christenheit mit der Wahl Martins V. – an der auch der dominikanische Ordensgeneral beteiligt ist – wieder vereint wird. Als bedeutende Berater und Unterstützer an der Seite des Kaisers stellt der Text zwen grosse heilge treffenlich vetter von prediger orden heraus, nämlich den Ordensreformer Johannes Dominici und den heiligen Vinzenz Ferrer. Ferner gilt Sigmund selbst als eifriger Propagator der Reformbewegung, wenngleich seinen Anstrengungen nicht immer durchgreifender Erfolg beschieden war.

|| 187 Mgq 195, fol. 277r. 188 Mgq 195, fol. 277v. 189 Mgq 195, fol. 278rv.

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Die Reihe endet mit Kaiser Friedrich III. (15), der im Jahr der Textabfassung xxx jor an der Regierung ist. Gleich zu Beginn des Abschnitts formuliert der Chronist indes ein ernüchterndes, wenn nicht kritisches Fazit, das Friedrichs mangelndes Engagement des rmschen riches halp anprangert, wiewohl sich by sinen ziten vil kumbers [,] do von grosser schade geschehen ist, ereignet habe. Dies gilt zuvorderst Friedrichs Tatenlosigkeit angesichts der türkischen Expansionspolitik, während doch die Päpste Calixtus III. und Pius II. die Gefahr für die Christenheit gerne gewendet hetten.190 Gleichwohl wird Friedrichs Sorge für das geistliche Leben und die Ordensreform anerkannt, mehr aber noch die seiner M cccc lxix [recte 1467] verstorbenen Gemahlin Eleonore, deren enge Verbindungen zum Predigerorden und besonders zu den brderen vn[d] swest[er]en in den reformierten clsteren und speziell auch in elsas betont werden.191 Und doch überwiegt die anfängliche Skepsis – die mit dem „eher negative[n] Urteil des Enea Silvio Piccolomini (Pius II.)“ konform geht, „das die These vom untätigen Ks. zur Folge hatte“192 –, denn der Blick kehrt zurück zu zwei zentralen Bekümmernissen, mit denen Friedrichs Herrschaft konfrontiert wird: und zwar zunächst zum Armagnakeneinfall des Jahres 1444 und den daraus resultierenden Verwüstungen des Elsass (von denen Meyer bereits im Buch der Reformacio Predigerordens eingehend berichtet)193 und sodann auch detailliert zur Eroberung Konstantinopels 1453 durch die Türken und den verheerenden Konsequenzen, die dieses Ereignis für die christlichen Bewohner der Stadt mit sich brachte. Den ursprünglichen, durch Erweiterungen verdeckten Textschluss194 markiert die nachfolgende Apostrophe des Verfassers an seine Adressatinnen (Lieben kinder), die die Chronisten- mit der Predigerrolle überblendet und im Angesicht all des geschilderten Leides by vnseren ziten Antworten zu geben sucht auf die bedrückende Frage: waz ist vns z disen sachen z tn? Der tröstende Ausweg, der den Schwestern entlang den einschlägigen neutestamentlichen Schriftworten Io 18,36, Mt 24,6f., Mt 25,34 und Hbr 13,14 gewiesen wird, setzt auf die konsequente Abkehr von der ,Welt‘ und ihren Schrecknissen und

|| 190 Mgq 195, fol. 280v. 191 Mgq 195, fol. 280v–281r. 192 Heinrich Koller: Friedrich III. In: LexMA 4 (1989), Sp. 940–943, hier Sp. 943. 193 Vgl. o. S. 119. 194 Mgq 195, fol. 282r. Direkt danach, am Seitenende, hat Meyer selbst einen Bericht von der Reformierung des Frankfurter Predigerklosters – an der er selbst beteiligt war – nachgetragen, wie sie von bitten wegen dis keisers fridrichs und entsprechend der Anordnung Papst Sixtus’ IV. im Jahr 1474 vf Sant Agapitus tag durchgeführt wurde (vgl. den parallelen, aber weit detaillierteren Nachtrag von Meyers Hand zum Buch der Reformacio Predigerordens im Straßburger Ms. 2934, fol. 260r–261r; zudem den ursprünglich ebenso von Meyer selbst ergänzten, allerdings nur in Abschrift überlieferten lateinischen Bericht der Chronica brevis: Cod. 939, fol. 85rv; ed. Scheeben, S. 99f. [Nr. 174]). Ein zweiter kurzer Nachtrag zum Regnum Friedrichs III. auf fol. 282v stammt von einer Schreibhand, die auch in der Straßburger Handschrift begegnet und möglicherweise der Priorin des Nikolausklosters, Barbara von Benfelden, zuzuweisen ist (vgl. o. S. 96–98). Es ist interessant zu bemerken, dass hier speziell die pazifistische Grundhaltung Friedrichs III. und seine Skrupel, das Blut seiner Mitmenschen zu vergießen, akzentuiert werden – als ob damit in apologetischer Tendenz das zuvor gezeichnete Bild vom ,untätigen Kaiser‘ zurechtgerückt werden sollte.

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Verstrickungen und auf die Ausrichtung des eigenen Handelns auf das Ziel der ewigen Seligkeit: aber doch so, dass der gte mnsch nit von gtem vnd tugenrichem leben lossen [sol] Sunder er sol wachen vnd betten vnd dester me in tugenden sich ben vnd z nemen in allem gtem.195 Dem hier propagierten Lebensmodell einer Distanznahme von der Welt und zugleich Perfektionierung individueller Tugendleistung steht nun freilich jene basale Funktion von Meyers Papst- und Kaiserchronik Predigerordens nicht entgegen, die darauf zielt, die spezifische „Wertigkeit des Verbandes im globalen Gefüge irdischer Mächte und Institutionen“ aufzuzeigen.196 Indem nämlich die Texte den Dominikanerinnen erstmals extensive Wissensbestände insbesondere aus den Bereichen der offiziellen (lateinischen) Historiographie des Ordens und des ihn (bzw. einzelne Konvente) betreffenden Rechtsschriftgutes in der Volkssprache erschließen, die das historische Gewordensein der Gemeinschaft und ihre jüngst erreichte Position in der ,Welt‘ beleuchten, ermöglichen sie ihnen gerade Einblicke in die Grundlagen und Kontinuitäten des privilegierten Heilsangebots des Ordensinstituts und seiner Versicherungen hinsichtlich der letzten Dinge. Doch ist deren Geltung gemäß dem Credo der Texte wiederum nicht zu haben ohne die adäquate geistliche Lebensform und innere Haltung des Einzelnen entsprechend den Prämissen monastischer Observanz.

|| 195 Mgq 195, fol. 281v–282r. 196 Melville: Geltungsgeschichten am Tor zur Ewigkeit, S. 90 (hier freilich mit Blick auf die cluniazensische Chronistik des Girardus de Arvernia).

5 Frauenmystische Texte im Zeitalter der Reform: Die Redaktionen dominikanischer Nonnenbücher des 14. Jahrhunderts Im Rahmen von Johannes Meyers literarischem Œuvre nehmen seine Bearbeitungen verschiedener älterer dominikanischer Schwesternbücher und Chroniken des hochalemannischen Raumes eine besondere Stellung ein. Denn sie verdeutlichen paradigmatisch das nachhaltige Interesse an der Distribution und Rezeption volkssprachiger Dominikanerinnenliteratur und speziell frauenmystischer Texte des 14. Jahrhunderts im Verbund der Nonnenbücher im Zuge der Ordensreform und Observanzbewegung des 15. Jahrhunderts,1 und sie dokumentieren zugleich „die entscheidende Bedeutung Johannes Meyers OP für die Tradierung der Texte im 15. Jahrhundert“.2 Die Verschiebungen, die die redaktionellen Eingriffe mit Blick auf Textgestalt und Inhalte der Nonnenviten-Kollektionen indes bewirken, sind signifikant für das distinkte Verständnis und die Bewertung mystischer Spiritualität von Seiten der Reformer, und sie geben Auskunft „auf die zentrale Frage nach der Bedeutung mystischer Erfahrung für das Frömmigkeitsprofil frommer Frauen und Schwestern im 15. Jahrhundert“.3 Vor diesem Hintergrund sollen die Tendenzen und Funktionen von Meyers redaktionellen Umarbeitungen im Folgenden in der Analyse und gerade auch Zusammenschau der bislang bekannten Texte dargestellt werden, um deren jeweils sehr spezifische Anbindung „an programmatische Vorstellungen der Ordensreform“4 aufzuzeigen. Die Darstellung konzentriert sich dabei auf die Textsammlung der Zeugen Nürnberg, Stadtbibliothek, Cod. Cent. V, 10a und Breslau, Universitätsbibliothek, Ms. IV F 194a, die die Schwesternbücher und Chroniken von Töss, St. Katharinental, Ötenbach und St. Michael in der Insel zu Bern und damit das Gros der von Meyer redigierten Nonnenviten-Kollektionen enthält. Davon getrennt ist die nahezu drei Dekaden später entstandene und nur im Bereich der Überlieferung des Dominikanerinnenkonvents Adelhausen erhaltene Adaptation der Adelhauser Schwesternviten, Meyers Exzerptum aus dem Adelhauser Schwes-

|| 1 Dazu insbesondere Williams-Krapp: Frauenmystik und Ordensreform; ders.: Observanzbewegungen; ders.: Bewertung mystischer Erfahrungen. 2 Hans-Jochen Schiewer: Uslesen. Das Weiterwirken mystischen Gedankenguts im Kontext dominikanischer Frauengemeinschaften. In: Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998. Hrsg. von Walter Haug und Wolfram Schneider-Lastin. Tübingen 2000, S. 581– 603, hier S. 583f. Anm. 12. 3 Schiewer: Auditionen und Visionen einer Begine, S. 290f. 4 Peters: Religiöse Erfahrung, S. 194. https://doi.org/10.1515/9783110656695-005

Die Redaktionen dominikanischer Nonnenbücher | 229

ternbuch.5 Dass Johannes Meyer überdies ein nur in der Wolfenbütteler Handschrift Cod. 164.1 Extravagantes tradierter Appendix zu Elisabeth Kempfs Erweiterung und deutscher Übersetzung der Vitae sororum der Katharina von Gueberschwihr mit Nachrichten zu den Seelsorgern des Colmarer Konvents6 zuzuweisen sein könnte, wie Sarah Glenn DeMaris neuerdings im Anschluss an Claudia Teusch erwogen hat,7 ist zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, vorläufig aber auch nicht mit hinreichenden Gründen zu sichern.8

|| 5 Zur Überlieferung Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 484f.; zu den Spezifika von Meyers Bearbeitung Kunze: Nonnenviten, S. 146–156. Gleichwohl verdiente auch das Adelhausen-Corpus noch einmal eine eigene gründliche Untersuchung, die sowohl das Verhältnis von Meyers Exzerptum zu seinem Prätext, d.h. dem ihm (in welcher Gestalt?) vorliegenden Adelhauser Schwesternbuch (Chronik der Anna von Munzingen), wie auch die überlieferungs- und textgeschichtliche Bedeutung des sog. Baumeister-Codex (Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 110, vom Jahr 1761) beleuchtete, der möglicherweise (15) weitere, im Exzerptum nicht enthaltene Adelhauser Viten Johannes Meyers tradiert (dazu insbesondere Blank: Nonnenviten, S. 49–64; Bürkle: Literatur im Kloster, S. 168f. Anm. 27; neuerdings DeMaris: Introduction [MOPH 31], S. 28–30; Auszüge aus dem BaumeisterCodex gibt Joseph König: Zur Geschichte der Freiburger Klöster. In: FDA 12 [1878], S. 291–303; insgesamt zur Textsammlung des ehemals Adelhauser Codex B 1 Nr. 107 des Stadtarchivs Freiburg i.Br., der neben Meyers Chroniken von 1481 und 1484 auch sein Autograph des Exzerptum enthält, jetzt Jones: Writing History). 6 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. 164.1 Extravagantes, fol. 142r–151r (am Ende noch mit Auszügen aus zwei Sendschreiben Venturins von Bergamo an Katharina bzw. die Schwestern von Unterlinden in deutscher Übertragung). Dazu Geith: Elisabeth Kempfs Übersetzung und Fortsetzung, S. 32f. Vgl. o. S. 151f. Anm. 291. 7 DeMaris: Anna Muntprat’s Legacy, S. 368f. mit Anm. 27; Claudia Teusch: A la recherche d’une sœur connue: Elisabeth Kempf et la traduction allemande des Vitae Sororum (Unterlinden, vers 1470). In: Eichenlaub (Hrsg.): Dominicains et dominicaines en Alsace, S. 173–176. 8 Als Indiz für eine Identität Meyers mit jenem Predigerbruder Johannes, der sich in der Vorrede an die Priorin Elisabeth Kempf als Verfasser des folgenden tractötli selbst nennt (Geith: Elisabeth Kempfs Übersetzung und Fortsetzung, S. 32f.), führt DeMaris etwa die Benennung des Appendix (als bchli[] der zseczvng) in der zugehörigen Überschrift der Wolfenbütteler Handschrift an, die dem Titel von Meyers Buch der Ersetzung auffällig ähnle. Zudem habe Johannes Meyer im Zeitraum von 1465 bis etwa 1471 nicht weit vom Colmarer Konvent entfernt gelebt: „Elisabeth could easily have known of Meyer and prevailed on him to compose the text“ (Anna Muntprat’s Legacy, S. 368f. Anm. 27). Beide Argumente sind nicht wirklich belastbar. Geith verweist hingegen – ohne weitere stützende Angaben – auf einen der Unterlindener Klosterkapläne, den „im Seelbuch der Schwestern unter dem 25.2. eingetragenen Dominus Johannes capellanus noster XXX libras redditus pro pitanciis“ (Elisabeth Kempfs Übersetzung und Fortsetzung, S. 40 Anm. 21). Ein Vergleich etwa der Nachrichten über Bruder Walther, den Prior der Straßburger Prediger und anfocher vnd pflantzer des wirdigen closters zu Unterlinden (Cod. 164.1 Extravagantes, fol. 142v), mit dem parallelen Passus aus Johannes Meyers Leben der Brüder Predigerordens (Mgq 195, fol. 90v) lässt jedenfalls keine eindeutige Abhängigkeit der beiden Textpartien erkennen (vielmehr lehnt sich Meyers Übersetzung in den Leben der Brüder weniger eng an den Text der lat. Vitas fratrum an), doch spricht dies wiederum nicht grundsätzlich gegen eine Urheberschaft Meyers an jenem tractötli des Wolfenbütteler Codex. Immerhin wird Walther auch in Meyers Leben der Brüder – und ohne Entsprechung im lateinischen

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5.1 Der Überlieferungsverbund des Handschriftenpaares Nürnberg/Breslau Mit Ausnahme des Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch sind alle bekannten Bearbeitungen dominikanischer Nonnenbücher durch Johannes Meyer bzw., genauer, deren noch existente Abschriften in der Nürnberger Handschrift Cent. V, 10a und ihrem – von Wolfram Schneider-Lastin identifizierten9 – Fortsetzungsband, der Breslauer Handschrift Ms. IV F 194a, überliefert. Es handelt sich dabei um zwei ehemalige Bände des Nürnberger Katharinenklosters, die dort „um 1460“10 geschrieben worden sein dürften (in beiden Zeugen findet sich die alte Signatur N XXII, in Cod. Cent. V, 10a zusätzlich die Neusignatur N XXIII, die dann in den Nürnberger Bibliothekskatalog übernommen wurde).11 Der Nürnberger Codex enthält das Tösser, das St. Katharinentaler und den Beginn des Ötenbacher Schwesternbuchs (in dieser Reihenfolge),12 der Breslauer Codex den Schlussteil des Ötenbacher Buches (Viten der Elsbeth von Oye, Adelheid von Freiburg und Margarethe Stülinger), die Chronik des Inselklosters St. Michael in Bern sowie ein geistliches Mahnschreiben des Johannes von Mainz und eine deutsche Euphrasia-Legende von Caspar Kreß.13 Der Textverbund der beiden Handschriften geht wohl – mit Ausnahme der Euphrasia-Legende, „die erst im Katharinenkloster als Anhang beigefügt wurde“14 – auf ein Arrangement Johannes Meyers selbst zurück. Beide Codices sind vermutlich Abschrift einer Vorlage aus dem Berner Dominikanerinnenkloster St. Michael in der Insel, wo Meyer um 1454 als Beichtiger amtierte und die Sammlung der von ihm redigierten hochalemannischen Schwesternviten und Chroniken veranlasst haben

|| Prätext – als anvoher etlicher swester clster prediger ordens in tútschen landen bezeichnet (Mgq 195, fol. 90v). 9 Schneider-Lastin: Fortsetzung des Ötenbacher Schwesternbuchs, S. 201–210. 10 Schneider-Lastin: Fortsetzung des Ötenbacher Schwesternbuchs, S. 201 (zur Datierung nur des Breslauer Codex; tatsächlich aber dürften beide Bände in engem zeitlichen Zusammenhang hergestellt worden sein; von daher bezieht Schneider-Lastin die Angabe in seinem späteren Beitrag: Leben und Offenbarungen der Elsbeth von Oye. Textkritische Edition der Vita aus dem Ötenbacher Schwesternbuch. In: Kulturtopographie des deutschsprachigen Südwestens im späteren Mittelalter. Studien und Texte. Hrsg. von Barbara Fleith und René Wetzel. Berlin/New York 2009 [Kulturtopographie des alemannischen Raums 1], S. 395–467, hier S. 395, auf beide Codices). 11 Schneider-Lastin: Fortsetzung des Ötenbacher Schwesternbuchs, S. 205 mit Anm. 9. Vgl. Willing (Hrsg.): Bibliothek des Klosters St. Katharina 1, S. 783–787. 12 Vgl. die Beschreibungen bei Schneider: Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg 1, S. 67–69; Grubmüller: Viten der Schwestern von Töß, S. 176f. 13 Beschreibung bei Schneider-Lastin: Fortsetzung des Ötenbacher Schwesternbuchs, S. 201–204. 14 Schneider-Lastin: Fortsetzung des Ötenbacher Schwesternbuchs, S. 208.

Der Überlieferungsverbund des Handschriftenpaares Nürnberg/Breslau | 231

wird.15 Weder die nach Nürnberg gelangte Berner Vorlage16 noch Meyers ,Urschrift(en)‘ der Texte sind erhalten geblieben. Gesichert ist jedoch das Jahr 1454 für die Abfassung von Meyers Redaktion der Tösser Viten17 sowie die Komposition der abschließenden Biographie des Ötenbacher Buches noch während Meyers Amtszeit als Seelsorger in Bern.18 Und auch für die Chronik des Inselklosters St. Michael in Bern, deren Autorschaft Johannes Meyer mittlerweile mit guten Gründen zugewiesen worden ist,19 signalisieren „textinterne Hinweise“ des Verfassers „die Niederschrift des Textes während seines Berner Aufenthaltes“.20 Verschollen ist ein umfangreicher Codex unbekannter Provenienz, von dem eine im Nachlass Franz Pfeiffers überlieferte Beschreibung des 18. Jahrhunderts

|| 15 Vgl. Engler: Regelbuch, S. 22f.; Claudia Engler: Ein news puch. Die ,Bibliothek‘ des Dominikanerinnenklosters St. Michael in der Insel. In: Berns grosse Zeit. Das 15. Jahrhundert neu entdeckt. Hrsg. von Ellen J. Beer [u.a.]. 2., korrigierte Auflage. Bern 2003, S. 482–489 u. 640, hier S. 486. 16 Dass eine entsprechende Ausleihe von Bern nach Nürnberg stattgefunden hat, ist nicht nachzuweisen, sie ist aber aufgrund des parallelen Falles der etwa um dieselbe Zeit nach Nürnberg gelangten Berner Abschrift von Meyers Ämterbuch und Buch der Ersetzung zumindest wahrscheinlich (vgl. o. S. 82f.). Eine von Meyer selbst intendierte Verbreitung der in Bern zusammengestellten Texte jenseits des engeren Rezeptionsraums des Michaelsklosters, d.h. speziell im Bereich der observanten Ordensklöster, deutet die Verfasserrede im Prolog zur Vita der Margarethe Stülinger am Ende des Ötenbacher Schwesternbuchs an: vnd wie wol ich das beger das alle swestern fur die dis würd komen besserung des lebens hie von sigent entpfohen so ist doch daz mein sunder meynung das es gemeinsamet werde allen swestern der clöster reformiret sind · die da lebent sönd in der obserfancz der behaltung des ordens in der volkumen beschlucz (Breslau, Universitätsbibliothek, Ms. IV F194a, fol. 65rb–va). 17 So lautet das Explicit zur Vita der Elsbeth Stagel, die Meyer der Tösser Kollektion vorangestellt hat: Explicit vita Sororis Elisabet Staglin · composita atque collecta · per quendam fratrem Turicensem de conventu basiliensi · ordinis predicatorum · anno domini M°cccc liiij· (Nürnberg, Stadtbibliothek, Cod. Cent. V, 10a, fol. 9va [Kürzel sind aufgelöst]; Das Leben der Schwestern zu Töß, beschrieben von Elsbet Stagel, samt der Vorrede von Johannes Meier und dem Leben der Prinzessin Elisabet von Ungarn. Hrsg. von Ferdinand Vetter. Berlin 1906 [DTM 6], S. 11,36–38). Die Angabe wird durch eine Selbstaussage Meyers in der Chronik der Generalmeister des Buchs der Ersetzung im Kontext des Elogiums der Elsbeth Stagel gestützt (Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Ricketts 198, fol. 203ra; vgl. Albert: Johannes Meyer, ein oberdeutscher Chronist, S. 258f., sowie die Einleitung zu Vetters Edition, S. VII–XXVI, hier S. XIII Anm. *). 18 Zur Genese der Vita der Margarethe Stülinger heißt es am Ende dieser Vita, wo der Verfasser in der Ich-Rede hervortritt: Aber nach irem tod do kament etliche gut willige swestern in ein sölliches treiben · das sy warent vnder ein ander fragen vnd mit fleiß zesamen tragen vnd fügen in geschrift seczen etliche tugent des lebens diser swestern Margreth […] vnd do es von jnen volbracht was · do santen sy mir es vnd begerten das ich mit fleiß vnd mit hilf Swester Anna von Sissach der priorin des closters jn sant michels jnsel der beichtiger ich do zemal was · richten were zu einer rechten form · vnd das hand wir getan · als vil wir des vermochten got zelob vnd euch allen ze trost (Ms. IV F 194a, fol. 81rb–va; vgl. u. S. 255f.). 19 Schneider-Lastin: Fortsetzung des Ötenbacher Schwesternbuchs, S. 207; ders.: Meyer, Johannes [Nachtr.], Sp. 1003f.; anders noch Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 484. 20 Schneider-Lastin: Fortsetzung des Ötenbacher Schwesternbuchs, S. 207.

232 | Die Redaktionen dominikanischer Nonnenbücher

wenige Exzerpte mitteilt.21 Der nach Auskunft dieser Beschreibung etwa vor 200. J[ahren] abgefasste Codex im Umfang von 519. Seiten – fol.– enthielt dieselbe Textsammlung wie das Nürnberger und Breslauer Handschriftenpaar (S. 309.–390.: Tösser Nonnenbuch in Meyers Redaktion,22 S. 390.–[4]16.: St. Katharinentaler Buch, S. 416. bis 422. oder 461.: Ötenbacher Buch, S. 422. oder 461. bis 482.: Chronik des Inselklosters St. Michael in Bern), davor S. 91.–209. aber noch Meyers Leben der Brüder Predigerordens (denen wiederum S. 1.–90. eine Dominikus-Legende vorangestellt war) sowie S. 209.–277. und S. 277.–287. seine Papst-/Kaiserchronik und schließlich S. 287.–292. verschiedene Fragmenta, sonderlich zur Ordensgeschichte; im Anschluss an die Chronik des Inselklosters St. Michael in Bern folgten weiterhin noch eine Schrift über die Stiftung des Klosters Adelhausen bey Freyburg, und sel. Schwest. desselben (S. 482.–503.), d.h. wohl Meyers Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch, sowie Zwo schöne Ermahnungen Joannis von Maynz Pred. Ord. Lesmeisters, und Conventualis zu Basel (S. 503.–511.) und abschließend wenige Nachrichten von zerschiedenen frommen Schwest. (S. 512.–513.).23 Wäre er erhalten, läge mit diesem großen Meyer-Codex die vielleicht umfassendste Koordination dominikanischer Brüder- und Schwesternbiographien – im Sinne eines kollektiven Vitenbuches des Dominikanerordens – im Horizont observanter Literaturdistribution vor.

5.2 Bearbeitungstendenzen 5.2.1 Töss Das Tösser Schwesternbuch eröffnet die Textsammlung der Nürnberger und Breslauer Handschrift. Während Meyers Anteil an der Textversion der Nürnberger Handschrift seit langem bekannt ist,24 hat erst Klaus Grubmüller die bis dahin kaum bestrittene maßgebliche Autorschaft der prominenten Tösser Nonne Elsbeth Stagel am ,eigentlichen‘ Tösser Vitencorpus (auf der Textstufe jenseits der Adaptation des Nürnberger Codex), wie sie Meyers Bearbeitung selbst mit Nachdruck propagiert, in || 21 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 15293, Nr. 9, fol. 118r–119v. Dazu Hermann Menhardt: Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek. 3 Bde. Berlin 1960–1961 (Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 13), Bd. 3 (1961), S. 1395; Grubmüller: Viten der Schwestern von Töß, S. 178f.; Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 481, 483f.; Seebald: Basler Codex, S. 203–205. 22 Bei den Exzerpten aus dem Tösser Buch handelt es sich um die Viten der Elsbeth Stagel und der Mutter Seuses und damit genau um die Rahmenteile, die Meyer der Sammlung hinzugefügt hat. Der in Cod. 15293 abgeschriebene Text weist aber z.T. weitläufige Umformulierungen und Kürzungen auf (vgl. Grubmüller: Viten der Schwestern von Töß, S. 179). 23 Cod. 15293, fol. 119v. 24 Vgl. Preger: Geschichte der deutschen Mystik 2, S. 251 mit Anm. 1; Vetter: Einleitung, S. XIII.

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Frage gestellt. Auf der Grundlage von Grubmüllers Analyse25 erscheint das Tösser Buch nunmehr „als eine in mehrfacher literarischer Schichtung kontinuierlich vom 14. ins 15. Jh. gewachsene Sammlung von 33 hagiographisch orientierten Gnadenviten einzelner auserwählter Nonnen des Dominikanerinnenklosters Töss, die in der Zeitspanne von etwa 1250–1350 lebten“.26 In der Perspektive einer „sich durch Agglutinierungen [stetig] neu bildenden Form der Sammlung, die dann auch Johannes Meyer durch seine Erweiterungen (N) fortführt“,27 rückt die Rolle der Elsbeth Stagel als dominanter Autorin einer spezifischen ,Endfassung‘ zugunsten der Vorstellung eines Autorenkollektivs28 in den Hintergrund. Und doch wird man nicht ausschließen können, dass die im Kontext des Tösser Corpus allein in der Cellikon-Vita erwähnte Elsbeth Stagel „mindestens an einer ersten Sammlung von Schwesternviten maßgeblich“ mitgewirkt hat.29 Besondere Virulenz gewinnt die Diskussion um die Autorschaft Elsbeth Stagels indes im Zusammenhang der Schriften Heinrich Seuses (d.h. der Textsammlung des sog. Exemplars) und insbesondere der Vita und deren Darstellung der eigenen textuellen Genese sowie, damit in eins, der Beziehung des ,Dieners der ewigen Weisheit‘ zu seiner zunächst namenlosen geistlichen Tochter, die der Text an späterer Stelle, zu Beginn des zweiten Teils der Vita, als Elsbeth Stagel identifiziert.30 Die Konditionen dieses spirituellen Lehrer-Schülerin-Verhältnisses und vor allem auch der literarischen Kooperation, wie sie die Vita im Horizont der Geschichte ihrer eigenen Konstitution entwirft, und die hiermit verbundene Frage der Authentizität und des Wirklichkeitsgehalts der autobiographischen Erzählung sind hier nun nicht

|| 25 Grubmüller rechnet mit insgesamt sechs Textschichten: 1. einem Grundcorpus, „das alle wesentlichen Elemente bereits enthält und das seinerseits aus den verschiedensten Quellen zusammengeflossen ist“, 2. der „Rahmung“ dieses Grundcorpus „durch Prolog und Bechlin-Vita“ (samt kürzeren „Einschübe[n] in Einzelviten“), 3. der „Anfügung einer Einzelvita aus Material der Elsbeth Stagel“ (Cellikon-Vita), 4. der „Anfügung einer Vita (D I) der Elisabeth von Ungarn“, 5. der „Erweiterung dieser ersten Elisabethvita durch eine zweite (GÜ)“, 6. der „Neurahmung und Ergänzung dieses Corpus durch Johannes Meyer (N)“ (Viten der Schwestern von Töß, S. 201f.). 26 Alois M. Haas: Stagel, Elsbeth. In: 2VL 9 (1995), Sp. 219–225, hier Sp. 224. 27 Grubmüller: Viten der Schwestern von Töß, S. 202. 28 Grubmüller: Viten der Schwestern von Töß, S. 203. 29 Haas: Stagel, Elsbeth, Sp. 224. 30 Heinrich Seuse: Deutsche Schriften. Im Auftrag der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte hrsg. von Karl Bihlmeyer. Stuttgart 1907, S. 96,5–9: Es was in den selben ziten dez dieners, von dem geseit ist, ein geischlichú tohter bredier ordens in einem beschlossen kloster ze Tzze, dú hiess Elsbet Staglin und hate einen vil heiligen wandel von ussnan und ein engelschliches gemt von innen. – Weitere biographische Details zum Leben der geistlichen Tochter vermitteln neben den Anfangskapiteln des zweiten Teils der Vita der Prolog der Vita und der Prolog des Exemplars sowie verschiedene Briefe im Briefbüchlein, wo Elsbeth Stagel an zwei Stellen (Nr. III und Nr. VIII) explizit als Adressatin genannt wird (vgl. Peters: Religiöse Erfahrung, S. 135–137; Haas: Stagel, Elsbeth, Sp. 221).

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noch einmal im Einzelnen aufzurollen.31 Es bleibt einstweilen festzuhalten: „Die Hintergründe des Elsbeth-Stagel-Komplexes in Seuses Vita werden sich nicht restlos klären lassen.“32 Und dennoch spricht manches dafür, dass die Identifikation der Figur der geistlichen Tochter, die die Lehren des ,Dieners‘ für einen „Weg zur Vervollkommnung in Gott“33 stimuliert, niederschreibt und für sich selbst fruchtbar macht und somit zugleich zur Koautorin der Vita avanciert, mit der Tösser Dominikanerin Elsbeth Stagel auf die wenigen Indizien der Cellikon-Vita des Tösser Schwesternbuchs zurückzuführen ist.34 Diese abschließende Biographie des Tösser Corpus nämlich enthüllt die s(lgen schwester Elsbeten Staglinum nicht vor Beginn der zweiten Texthälfte und nur en passant als die schon früher eingeführte Vertraute der porträtierten Elsbeth von Cellikon, die dis ales von ir schraib.35 Von hier aus also könnte die Tösser Nonne und Hagiographin unter den Vorzeichen der Didaxe des zweiten Teils der Vita und „zur biographischen Konkretisierung“36 oder „lebensweltliche[n] Fundamentierung“37 der Rolle der exemplarischen Schülerin und Applikationsfigur jener vermittelten Lebenslehre38 in Seuses geistliche ,Auto-

|| 31 Dazu, im Anschluss an Grubmüller: Viten der Schwestern von Töß, vor allem Peters: Religiöse Erfahrung, S. 135–142; Haas/Ruh: Seuse, Heinrich, Sp. 1117–1121; Haas: Stagel, Elsbeth, Sp. 220–223; Ruh: Geschichte der abendländischen Mystik 3, S. 445–468; Bürkle: Literatur im Kloster, S. 237–246; Frank Tobin: Henry Suso and Elsbeth Stagel. Was the Vita a Cooperative Effort? In: Gendered Voices. Medieval Saints and their Interpreters. Hrsg. von Catherine M. Mooney. Philadelphia 1999, S. 118–135; Stephanie Altrock und Hans-Joachim Ziegeler: Vom diener der ewigen wisheit zum Autor Heinrich Seuse. Autorschaft und Medienwandel in den illustrierten Handschriften und Drucken von Heinrich Seuses Exemplar. In: Text und Kultur. Mittelalterliche Literatur 1150–1450. Hrsg. von Ursula Peters. Stuttgart/Weimar 2001 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 23), S. 150–181, hier S. 156–159; neuerdings noch einmal Susanne Bernhardt: Figur im Vollzug. Narrative Strukturen im religiösen Selbstentwurf der Vita Heinrich Seuses. Tübingen 2016 (Bibliotheca Germanica 64), besonders S. 230–234, 244–249. 32 Peters: Religiöse Erfahrung, S. 140. 33 Bruno Quast: Anfänge. Heinrich Seuses Vita als Dekonstruktion einer Aufstiegsbiographie. In: Anfang und Ende. Formen narrativer Zeitmodellierung in der Vormoderne. Hrsg. von Udo Friedrich, Andreas Hammer und Christiane Witthöft. Berlin 2014 (Beiträge zu einer kulturwissenschaftlichen Mediävistik 3), S. 157–171, hier S. 169. 34 Peters: Religiöse Erfahrung, S. 140, mit Referenz auf Grubmüller: Viten der Schwestern von Töß, S. 202. 35 Leben der Schwestern zu Töß (ed. Vetter), S. 93,5. 36 Peters: Religiöse Erfahrung, S. 139. 37 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 238. 38 Vgl. Anne-Marie Holenstein-Hasler: Studien zur Vita Heinrich Seuses. In: ZSchwKG 62 (1968), S. 185–332, hier S. 317–326; Jeffrey F. Hamburger: Medieval Self-Fashioning: Authorship, Authority, and Autobiography in Seuse’s Exemplar. In: Christ among the Medieval Dominicans. Representations of Christ in the Texts and Images of the Order of Preachers. Hrsg. von Kent Emery Jr. und Joseph Wawrykow. Notre Dame 1998 (Notre Dame Conferences in Medieval Studies 7), S. 430–461, hier S. 435: „In addition to the ideal spiritual daughter, Stagel represents the exemplary imitator and interpreter of Seuse’s text. […] The dialogue between Seuse and his female counterpart provides

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biographie‘ gelangt sein, wo sie denn auch erstmals als Verfasserin des Tösser Buchs genannt wird.39 Es ist bekannt, dass Johannes Meyer im Zuge seiner Redaktion des Tösser Corpus speziell die Autorinnenrolle der Elsbeth Stagel, wie sie in Seuses Vita angelegt ist, weiter ausgeschrieben und arrondiert hat. Denn dadurch, dass hier der Kollektion der Schwesternleben eine durchgängig aus Material der Vita Seuses kompilierte große Biographie Stagels vorangestellt ist, wird die Tösser Dominikanerin, so Susanne Bürkle, „als singuläre Autorinstanz des Tösser Nonnenbuchs installiert und wegweisend für die zukünftige Rezeption als solche etabliert“.40 Wie sich nun diese spezifische Profilierung der Autorin Elsbeth Stagel im Einzelnen darstellt, wie sie sich in Meyers Gesamtarrangement des Textes fügt und welche Funktionen hier wiederum im Horizont observanter Programmatik erkennbar werden, ist genauer zu eruieren. Die Eigenheiten von Johannes Meyers Textform des Tösser Buchs hat die Forschung im Gefolge von Vetters Edition in den Grundzügen verschiedentlich benannt.41 Meyers Änderungen berühren unterschiedliche Ebenen der Textgestalt: So hat er der Sammlung nicht nur ein Inhaltsregister vorangestellt und für die einzelnen Viten eine durchgehende Kapitelzählung eingeführt, sondern auch die meist nur den Namen der jeweiligen Schwester bietenden formalisierten Vitenüberschriften seines Prätextes durch inhaltlich prägnantere Charakterisierungen ersetzt. Hinzu kommen punktuelle Modifikationen des Wortlauts, die Verschiebung der Vita der Mechthild von Stans vom Zentrum an den Anfang des Textcorpus und vor allem dessen Rahmung durch die einleitende Vita der Elsbeth Stagel und die abschließende Vita der Mutter Seuses, beide auf der Grundlage des Textes von Seuses Vita. Noch vor der Elsbeth-Vita hat Meyer einen eigenen Prolog hinzugefügt, an dessen Ende er seine Eingriffe in den Prätext angezeigt hat. Dieser Prolog, der wohl eine ältere Vorrede ersetzt, wie sie die St. Galler Handschrift Cod. 603 überliefert, beginnt im Modus der Predigt mit dem Schriftwort Tb 3,16 Mundam servavi animam meam ab omni concupiscencia und appliziert das an Gott gewandte Bekenntnis der Sara auf ein[e] jeckliche swester […] von prediger orden · die den heyligen orden wol vnd löblichen gehalten hatt · von dem ersten jngang

|| a model for the devotional exchange between Seuse’s text and its overwhelmingly female audience.“ 39 Seuse: Dt. Schriften (ed. Bihlmeyer), S. 97,1–5: In dem kloster, da si wonete under den swstran als ein spiegel aller tugenden, do braht si z mit irem kranken libe ein vil gt bch; da stet an under andren dingen von den vergangnen heiligen swstran, wie selklich die leptan und waz grosses wunders got mit in wurkte, daz vil reizlich ist ze andaht gtherzigen menschen. 40 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 242. 41 Vetter: Einleitung, S. XVI f.; Grubmüller: Viten der Schwestern von Töß; Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 483.

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in den orden vnd jn das Closter byß an daz ende ires tötlichen lebens.42 Das Ideal der wohlbehüteten inneren Reinheit und Unbeflecktheit von den Makeln sündhafter Weltverfallenheit wird so in eins gesetzt mit der Observanz der normativen Lebensform des Ordens, wobei deren spezifisches Potential oder gar ihr Primat für die Sicherung individuellen Heils erkennbar akzentuiert wird. Den impliziten Appell an die Leserinnen, es der schöne[n] andechtige[n] iungfrawe Sara43 gleichzutun, bekräftigen die danach angeführten Beispiele der Altvorderen, d.h. jener Vorgängerinnen, die jn prediger orden jn manigfaltigen Clöstren vnd in mengen landen gar jn grosser heiliger tapfferheit jn dem orden gelebt hand · vnd lautter vnd rein ir sel got von aller vnzimlicher begirlicheit behalten hand.44 Sie aber verdankten sich, so fährt der Text fort, der literarischen Tätigkeit erfahrener Ordensbrüder und -schwestern, die aufgrund eigener Augenzeugenschaft oder auf der Basis authentischer Nachrichten Dritter gar manigfaltige bücher verfasst hätten, die da melden das heylig geistlich andechtig leben der seligen swestren prediger ordens. Im Kreis dieser Hagiographen des Ordens, deren Schreiben die vortrefflichen Leben der Alten für die Nachkommen bewahrt hat, situiert der Text schließlich – im Zielpunkt seiner diskursiven Bewegung – die selige · weise · andechtige swester Elysabeth · Staglin · von zürich · von dem Closter Tösse prediger ordens tützscher prouincie.45 In nahezu wörtlicher Übernahme der biographischen und panegyrischen Angaben der Vita Seuses (Kap. 33) heißt es weiter:46 In dem Closter wonete sy vnder den swestren als ein spiegel aller tugenden · daz si mit fleis vnd sunder minn mit irem krancken leib diß gegenwürtig buch ze samen gefügt · geschriben vnd gemacht hatt · das da zu einem teil seit von dem seligen leben etlicher vergangener seligen swestren ires Closters Tösse · vnd waz grossen wünders got der herre mit jnen würcken waz daz do vil reisslich ist zu andacht allen guthertzigen swestren.

Wenn sich der Urheber der aktualisierten Textform der Nürnberger Handschrift, Johannes Meyer, danach in der Ich-Form (und nur anonym) zu Wort meldet, um seine redaktionellen Eingriffe anzuzeigen und deren Intention offenzulegen, so reiht er sich selbst als Literat und insbesondere Hagiograph der ,primären Autorin‘ Elsbeth Stagel in die zuvor entworfene Traditionslinie der schreibenden Brüder und Schwestern des Ordens ein, dank deren Arbeit das Wissen um die seligen Leben und Tugendleistungen der Vorgänger(innen) an die nachfolgenden Generationen überhaupt weitergegeben werden kann. Als Ziel der vorliegenden Überarbeitung stellt er dabei die Perfektionierung des Prätextes unter formalem Aspekt und, damit zu|| 42 Cod. Cent. V, 10a, fol. 2rb; ed. Vetter, S. 1,13–15. 43 Cod. Cent. V, 10a, fol. 2ra; ed. Vetter, S. 1,5. 44 Cod. Cent. V, 10a, fol. 2rb–va; ed. Vetter, S. 1,23–2,2. 45 Cod. Cent. V, 10a, fol. 2va; ed. Vetter, S. 2,4–6 und 2,10f. 46 Cod. Cent. V, 10a, fol. 2va–vb; ed. Vetter, S. 2,12–17; nach Seuse: Dt. Schriften (ed. Bihlmeyer), S. 97,1–5.

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sammenhängend, speziell im Blick auf dessen Gebrauchswert für die Frömmigkeitspraxis und Heilssorge des Einzelnen unter den Vorzeichen von ,Trost‘ und ,Nutzen‘ deutlich heraus:47 vnd von des wegen daz diß gegenwürtig büch für hin dester tröstlicher · vnd dester nützlicher werde · vnd daz es auch dester ördenlicher vnd bas stande · darvmb so hab ich got zü einem ewigen lob vnd allen swestren · für die dis büch würd komen ze trost · dise vor red gemachet in dis buch vnd jn dem anfang des selben buchs so hab ich daz heilig leben der obgenanten swester Elsbethen geschriben vnd die nach red oder die beschliessung diß büches daz es dester volkommener sey hab jch auch gemachet · vnd daz man der seligen swestren leben dester e · finde · so man es sücht so hab ich auch mit gezälten Cappittelen ein regyster ber dis büch gemachet.

Auch die Vorrede der solchermaßen vorbereiteten und unmittelbar anschließenden Elsbeth-Vita (Kap. 1) leitet ein Schriftwort ein: Hier wird das Sapiens mulier edificat domum suam aus Prv 14,1 auf Elsbeth Stagel und ihr Vorbild mit leben vnd mit ler zur ,Erbauung‘ ihres Klosters Töss und vieler anderer Ordenshäuser der Teutonia bezogen. Sowohl mit ihrer heiligmäßigen Lebensführung selbst wie auch mit der geschrift ir guten büchlein (die nun an dieser Stelle nicht weiter spezifiziert werden) habe Elsbeth nämlich zur Aufrichtung des geistlichen Lebens ihres Heimatkonvents und zahlreicher auswärtiger Klostergemeinschaften beigetragen. Es folgt die topische Formel vom ,Schreiben gegen das Vergessen‘, womit das Redaktor-Ich seine Kompilation des folgenden Lebensbildes – als vil ich das selb ersucht vnd erfunden hab – motiviert. Dahinter steht indes die Absicht, das in der Schrift erinnerte Leben möge Gott zum Ruhm und auch besunder den swestren prediger ordens zu einer nüczlichen besserung irs lebens gereichen.48 Die eigentliche Vita setzt ein mit knappen Bemerkungen zu Elsbeths Herkunft aus vornehmem Züricher Geschlecht, ihrem Eintritt in Töss im Kindesalter, ihrer Aufnahme in den Orden als junge Erwachsene nach Ablegen der Profess und ihrer von da an durch rechte Förderung stetig aufstrebenden mentalen Bildung, die sie bald dazu befähigt, hoche geistliche ding zu verstehen vnd ir leben dar nach [zu] richten.49 Dieser Eingangspassus ist offenkundig noch unabhängig vom Prätext der Vita Seuses. Meyer hat ihn vielleicht in Analogie zu den Texteingängen einer Reihe von elaborierteren Tösser Schwesternviten vor allem zu Beginn der Sammlung, die zumindest andeutungsweise den biographischen Werdegang im Vorfeld des Klostereintritts im Sinne eines ,Weltlebens‘ profilieren, ergänzt. Die Partie führt jedenfalls zielstrebig und in anbahnender Weise auf die Wendung vom edel[en] ker hin (den sie nam zu got mit herczen vnd sel), womit Elsbeths spiritueller Entwicklungsstand zu Beginn von Kap. 33, am Anfang des sog. Stagel-Teils der Vita Seuses – der || 47 Cod. Cent. V, 10a, fol. 2vb; ed. Vetter, S. 2,17–3,6. 48 Cod. Cent. V, 10a, fol. 3ra–va; ed. Vetter, S. 3,12–27. 49 Cod. Cent. V, 10a, fol. 3va; ed. Vetter, S. 4,1.

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nunmehr den ,Weg‘ der geistlichen Tochter zu einem vollkommenen Leben in ,Gelassenheit‘ unter der Ägide und Anleitung der Lehren des ,Dieners der ewigen Weisheit‘ beschreibt – charakterisiert wird.50 Von hier an folgt Meyers StagelBiographie mehr oder minder eng dem Seuse-Text,51 formuliert aber zuweilen um, fasst Inhalte der Vita zusammen und arrangiert vor allem die dort versprengten Angaben zu einem kohärenten biographisch-chronologischen Narrativ. Der Text schildert mithin zunächst auf der Basis von Kap. 33 der Vita Seuses (96,11–97,2)52 Elsbeths beständiges Streben nach geistlicher Wegweisung für ein vollkommenes Leben und ihre mit der traditionellen Bienenmetapher umschriebenen Aktivitäten der Verschriftlichung und Kompilation53 einschlägiger Lehre (zu ihrem eigenen und ihrer Mitmenschen Nutzen), wie sie ihr – hier ergänzt und amplifiziert Meyer eine briefliche Aussage des ,Dieners‘ vom Ende des Kapitels – von verschiedenen ,Gottesfreunden‘ vornehmlich des eigenen Ordens und speziell von Meister Eckhart vermittelt wird (99,11f.). Hierauf setzt die Erzählung neu an und führt den zweiten Protagonisten des Textes ein, den Elsbeth bald besonders vertrauten vil heilige[n] man prediger ordens aus dem Konstanzer Konvent namens pruder heinrich, den man nach dem gemeinem namen indes den Seüssen zu nennen pflege.54 Diesen biographischen Daten, die aus den „verstreuten Spuren“ kombiniert sind, „die in verschiedenen Tradierungswegen und in den verschiedenen Texten des deutschen Exemplars und des lateinischen Horologium vorhanden waren“,55 und vermutlich speziell auf die Überlieferung des Horologium rekurrieren,56 schließt sich die Charakterisierung jenes Predigerbruders und Seelsorgers als ,Dieners der ewigen Weisheit‘ an, wie sie der Prolog zur Vita Seuses mitteilt (7,2f.). Auf den Angaben dieses Prologs beruhen dann auch die Ausführungen zum besonderen spirituellen Verhältnis zwischen dem Bruder und seiner geistlichen Tochter Elsbeth und ihrer Koautorschaft an seiner Lebensgeschichte, d.h. ihren eindringlichen Bitten an ihn, ihr etwas von leiden ausser eigner enpfindung57 zu berichten, und ihren heimlichen Mitschriften dieser Erfahrungsberichte, die er, als er dessen gewahr wird, von ihr einfordert und verbrennt, wobei der zweite Teil von Elsbeths Aufzeichnungen durch

|| 50 Cod. Cent. V, 10a, fol. 3va; ed. Vetter, S. 4,2. 51 Die Referenzen hat Vetter im Apparat seiner Edition (S. 3–11) mit Verweis auf die entsprechenden Stellen in Denifles Ausgabe (München 1876) und im Einsiedler Codex 710 dokumentiert. 52 Die Angaben in Klammern beziehen sich hier und im Folgenden auf die Seiten- und Zeilenzahlen von Bihlmeyers Edition. 53 Dazu speziell mit Blick auf die Vita Seuses Schiewer: Uslesen, S. 595; Bernhardt: Figur im Vollzug, S. 247. 54 Cod. Cent. V, 10a, fol. 4ra; ed. Vetter, S. 4,17–19. 55 Altrock/Ziegeler: Autorschaft und Medienwandel, S. 155. 56 Vgl. Bihlmeyers Einleitung zur Edition (Seuse: Dt. Schriften), S. 72*; Künzle: Seuses Horologium Sapientiae, S. 15f. 57 Cod. Cent. V, 10a, fol. 4rb; ed. Vetter, S. 4,27.

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göttliche Verfügung vor der Zerstörung bewahrt wird und erhalten bleibt (7,3–8,2). Elsbeth habe danach ein schönes puch daraus gemacht, das wir mit gemeinem namen nenent das Seussen puch; nach ihrem Tod sei die Schrift in die Hände des Bruders gelangt, der sie zu einer rechten form gebracht und auch etliche gute dinck mer […] jn irem namen hinzugefügt habe.58 An dieser Stelle inseriert der Text der Nürnberger Handschrift denn auch das Mirakel vom ,Jesusknaben in der Lade‘, das in Seuses Vita recht isoliert am Ende von Kap. 36 erscheint und die himmlische Verifikation und Legitimation und zugleich gnadenhafte Fruchtbarkeit sowohl der vom ,Diener der göttlichen Weisheit‘ an die geistliche Tochter übermittelten Erfahrungen wie auch von deren verborgener Niederschrift durch Elsbeth signalisiert (113,24– 114,5). Die Elsbeth-Vita nimmt darauf Kap. 33 der Vita Seuses wieder auf, wo von den Anfängen der geistlichen Unterweisung Elsbeths durch den ,Diener‘ die Rede ist. Von der spekulativen Theologie Eckhartscher Prägung, deren Begrifflichkeit Elsbeth an ihren geistlichen Mentor heranträgt, weist dieser sie zu einer ihrem „Anfängerstatus“59 gemäßeren, auf graduelles Fortschreiten zielenden Lehre (97,10–98,31). Es folgen Auszüge aus den Kap. 34 (99,24–101,28) und 35 (107,1–109,27) mit den ersten expliziten, von Meyer zuweilen in die Berichtsform der Er-Erzählung transformierten und abbreviierten Lehrgesprächen zwischen dem ,Diener‘ und seiner geistlichen Tochter, die mit einer schriftlich übermittelten vollkommenen Beichte beginnen (wobei dem ,Diener‘ in einer Vision [101,6–28] zuvor Elsbeths Begnadung durch Gott angezeigt wird, die bei Meyer entsprechend der tatsächlichen Chronologie der Ereignisse im Sinne des narrativen ordo naturalis an früherer Stelle als in der Vita Seuses erscheint) und dann vor allem zu den Exempeln und zur Spiritualität der Altväter führen (ohne dass aber die im Prätext aufgeführten 36 Apophthegmata der Wüstenväter in Meyers Text enthalten sind), deren harte Askesepraktiken Elsbeth nachahmt, ehe ihr geistlicher Ratgeber sie davon abbringt, um sie zu einer ihr angemesseneren Frömmigkeitsform im Zeichen des Leidens zu lenken. Dies Leiden, das allein ihr zu tragen bestimmte spezifische ,Kreuz‘, lässt sie Gott schließlich in Gestalt schwerer, bis zu ihrem Tod währender Krankheit erfahren, deren Gnadenwirkung dem ,Diener‘ wiederum im Zustand visionärer Entrückung offenbart wird. Die weitere Unterweisung der kranken Schwester, die mehr und mehr an manigfaltigen tugenden und an hohem heiligem leben zunimmt, fasst der Text knapp zusammen mit Andeutungen auf die jeweiligen Inhalte von Kap. 36 (von seiner kintlichen andacht) sowie der leidenstheologisch akzentuierten Kap. 37–44 (von eüsserlichem || 58 Cod. Cent. V, 10a, fol. 4va; ed. Vetter, S. 5,6–10. Meyer schreibt hier den folgenden Passus der Vita Seuses aus: Etwaz gter lere wart och na ir tode in ir person von im dur z geleit (ed. Bihlmeyer, S. 8,2f.). Speziell die Formulierung von der rechten form reminisziert dabei Meyers Selbstaussagen zu seiner redaktionellen Bearbeitung des Tösser Buchs aus seinem Prolog zur Textform der Nürnberger Handschrift (s.o. S. 237). 59 Ruh: Geschichte der abendländischen Mystik 3, S. 451.

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leiden; von jnnerlichem leiden; wie leiden geschaffen sei · wie nücz es sei · wie er des so recht vil gelitten habe).60 Und auch die entschieden mystisch-spekulative Thematik der Kap. 50–53 wird nur kurz gestreift mit Hinweisen auf die Rede von vbertrefenlichen · hohen · götlichen dingen und Elsbeths Ausruf (der freilich ihre Einsicht in die ihr aufgezeigten Zusammenhänge und das Niveau ihres mittlerweile erreichten Erkenntnisfortschritts indiziert): waffen wie ist meinem herczen · jch schwime in der gotheit als ein adeler in dem lufft (180,5f.). Für alle weiteren minicklichen schonen wort […] die sy warent reden, werden die Leser an des Seusen puch und speziell an dessen zweiten Teil verwiesen.61 Allein auf Kap. 45 (154,3–155,7) nimmt der Text der Nürnberger Handschrift noch einmal im Detail Bezug, wenn von Elsbeths besonderer Andacht zum Namen Jesu berichtet wird, die auf ihrer Kenntnis vom Monogramm dieses Namens, das sich der ,Diener‘ einst auf die Brust bzw. über sein Herz geritzt hat, beruht. Indem sie sich ein Tüchlein mit dem Jesus-Monogramm in roter Seidenstickerei anfertigt, um es heimlich zu tragen, und weitere solche Tüchlein herstellt, die sich der ,Diener‘ auf die Brust legt und segnet, um sie danach an ihre Mitschwestern zu verteilen, wird sie selbst nicht nur als exemplarische Rezipientin der Lehren des ,Dieners‘, sondern auch – in dessen Nachfolge – als verbindliches Imitabile für alle anderen Rezipienten vorgeführt.62 Das Ende der Elsbeth-Vita bildet die Schlusspartie des letzten, des 53. Kapitels von Seuses Vita (194,3–195,4). Ein finaler Ratschlag des ,Dieners‘ markiert den Abschluss und das Ziel von Elsbeths Unterweisung hin zu allen Wegen, die da endent in hoher selikeit: Nun dar tochter · gib der creatur vrlaub · vnd laß dein fragen fürpas sein · lose selbs waz got in dir sprech.63 Die in der Vita Seuses folgende Nachricht vom seligen Tod Elsbeths ergänzt der Text der Nürnberger Handschrift – gemäß den texttypenspezifischen Konventionen der hagiographischen (Einzel-)Vita – um Details zu ihrer Bestattung in Töss und zu verschiedenen postmortalen Zeichen, die das heiligmäßige Leben und Sterben der Dominikanerin verbürgen. Unter ihnen ragt freilich Seuses Vision der Verstorbenen in sne weisser watt wol gecziert mit liechtreicher Clarheit vol himelischer freüden64 heraus (194,25f.). Zuletzt tritt der Redaktor des Textes in der Ich-Form und in demütiger Haltung als armer sündiger pruder mit einer Anrufung der vil selige[n] muter Elsbeth um Fürsprache für sein

|| 60 Cod. Cent. V, 10a, fol. 7vb–8ra; ed. Vetter, S. 9,21f. und 24–27. 61 Cod. Cent. V, 10a, fol. 8ra; ed. Vetter, S. 9,28–10,8. 62 Hamburger: Medieval Self-Fashioning, S. 443; Bernhardt: Figur im Vollzug, S. 270. 63 Cod. Cent. V, 10a, fol. 8va; ed. Vetter, S. 10,23f. und 25–27. Gegenüber Seuses Vita (194,3–9) umgestellt hat Meyer den in seinem Text dann folgenden Dank der Schwester für die Lehren des ,Dieners‘: gelobt sei die ewig warheit · das ich von eüren weisen löblichen worten · so schön beweiset pin · des ersten beginens eins anfahenden menschen · vnd der ördenlichen mittel · meidens · vnd leidens · vnd bens · eines zunemenden menschen · vnd mit gutem vnterscheid in tugentlicher weiß der aller nechsten plossen warheit (Cod. Cent. V, 10a, fol. 8vab; ed. Vetter, S. 10,32–36). 64 Cod. Cent. V, 10a, fol. 8vb–9ra; ed. Vetter, S. 11,10f.

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Seelenheil hervor,65 wobei er seine Hoffnung auf ihre spezifische Interzession auch auf die sie beide verbindende Identität als ,Kinder der Stadt Zürich‘ gründet. In der Rolle des ,Vorbeters‘ im Zeichen admirativer Identifikation fungiert er zugleich als Modell für alle Leser(innen), mit denen er sich im anschließenden allgemeineren Gebet, das die Wirksamkeit der Fürbitteleistung Elsbeths und ihres geistlichen Vaters Seuse zugunsten der eigenen Heilssicherung von Christus zu erlangen sucht (und formal den Textschluss von Seuses Vita 195,2–4 erweitert), zum kollektiven ,wir‘ vereinigt. Indem Johannes Meyer dieses ,Lebensbild‘ der kongenialen Schülerin Seuses seiner Sammlung der Tösser Viten voranstellt, prononciert er die in der Vita Seuses proklamierte Autorinnenrolle der Elsbeth Stagel und verfestigt die dort exponierten Konturen der biographischen Textproduzentin. Susanne Bürkle zufolge „markiert Johannes Meyers Entdeckung der Autorschaft den Beginn einer Lektüre, die letztlich auf die sinnstiftend vereindeutigende Verbindung von Leben und Werk hin angelegt ist“.66 Dass aber damit die „programmatisch-exemplarische Signifikanz“ des Prätexts, der Vita Seuses, ausgeblendet werde,67 wird man vielleicht doch bezweifeln dürfen. Denn tatsächlich bleibt auch Meyers Elsbeth-Biographie trotz eines konkreten Interesses an Leben und Werk der ,Autorin‘ Elsbeth Stagel eingebunden in den Wirkungszusammenhang des Exemplarischen, wie er für den Seuse-Text konstitutiv ist. Während nun aber in der Vita Seuses der ,Diener der ewigen Weisheit‘ das primäre Modell darstellt, auf das sowohl die Imitatio der geistlichen Tochter wie auch, wiederum in ihrer Nachfolge im Sinne einer „unending sequence of response“,68 aller übrigen Rezipienten der Lehren des ,Dieners‘ bezogen sind, verschiebt die Stagel-Vita des Tösser Buchs in der Version der Nürnberger Handschrift gerade die Figur der gehorsamen, nach der Vervollkommnung ihrer spirituellen Lebensform strebenden Schwester in die zentrale Position. Sie verkörpert hier das Imitabile der im beständigen Dialog mit den erfahrenen, heiligmäßig lebenden Seelsorgern ihres Ordens aktiv auf das eigene Heil hinarbeitenden Monialen, die die auf dem Wege ihrer fortschreitenden Erkenntnis Gottes gesammelten Früchte im Zuge intensiver literarischer Produktion zugleich an ihre Nächsten weitervermittelt. In dieser Perspektive erscheint die Elsbeth-Vita als Komplement zur Vita Seuses, insofern sie die dort grundgelegte Rolle der geistlichen Tochter noch einmal in Form des erzählten Lebens und nach dem Muster der ,einzelpersönlichen Vita‘69 verdichtet, pointiert und im Kontext des Programms der Tösser Sammlung als ,Exemplar‘ neu fokussiert. Das Bild der den Lehren und Vorgaben ihres spirituellen Betreuers folgsamen

|| 65 Cod. Cent. V, 10a, fol. 9ra; ed. Vetter, S. 11,20. 66 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 245. 67 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 242. 68 Hamburger: Medieval Self-Fashioning, S. 443. 69 Kunze: Nonnenviten, S. 106; Ringler: Viten- und Offenbarungsliteratur, S. 4.

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Dominikanerin, deren „,richtige‘ Frömmigkeit […] zur Vollkommenheit führt“70 und deren Schreiben die vortrefflichen Leben ihrer Ordensbrüder und -schwestern vor dem Vergessen bewahrt und auf diese Weise das Heil ihrer Klostergemeinschaft und Nächsten befördert, transportiert dabei ganz die Ideale observanter Lebensform und Spiritualität und im Besonderen eines nutzbringenden Zusammenwirkens des männlichen und des weiblichen Ordenszweiges. Als Pendant zur Elsbeth-Vita und mithin als schließendes Rahmenelement im Sinne einer thematischen Klammer hat Meyer am Ende seiner Tösser Sammlung die Vita der Mutter Seuses hinzugefügt (Kap. 34). Auch in diesem Fall geht der eigentlichen Lebensbeschreibung eine (im Nürnberger Codex nicht eigens als solche bezeichnete) auktoriale Vorrede voran, die erkennbar predigthafte Züge trägt. Am Anfang dieses ,Sermo‘ steht das Christuswort Una queque arbor de fructu suo cognoscitur (Lc 6,44). Es gibt mit dem allegorischen Bild vom Baum und seinen wesensgleichen Früchten das thematische Zentrum des weiteren Gedankengangs vor, das entlang einer Kette angrenzender Schriftstellen (Mt 7,17; Lv 23,40; Mt 12,33) entfaltet wird. Meyer öffnet die bislang mehr oder minder auf den Tösser Konvent limitierte Perspektive dezidiert auf die des Ordens hin, wenn er die metaphorische Rede von Mt 7,17 auf den heiligen Verbandsgründer Dominikus als seligen fruchtbaren gutten paum bezieht, der do gar vil großer gutter frucht getan hat, und zwar mit vil gutter geistlicher seliger andechtiger kinder nicht nur in Töss, sondern in den verschiedenen dominikanischen Brüder- und Schwesternkonventen, die da weit vnd preit vnd manigfaltiklichen zer preittet sind in alle land der ganczen heiligen Cristenheit. Mit Lv 23,40 wird sodann die Exemplum-Funktion der ,guten Früchte‘ vom Baum des Dominikus betont, werden die Leser(innen) dazu animiert, sich die tugendhaften Leben der Vorgänger zum Vorbild zu nehmen und ihnen nachzufolgen, auf dass sie selbst wieder zum Imitabile für andere werden und so zurecht die gutten vnd lebende frucht des aller schönsten paums · des lieben eures vatters Sant Dominicus genannt werden.71 Die hier nur angedeutete Kettenbewegung expliziert der Text schließlich am Beispiel der Mutter des ,Dieners der ewigen Weisheit‘. Gemäß dem Christuswort Facite arborem bonam (Mt 12,33) nämlich habe der Predigerorden durch die Virtus seiner heiligen Brüder und Schwestern, von denen die Mutter Seuses vil gutter pild vnd exempel nam vnd enpfieng, jenen ,guten Baum gepflanzt‘, dessen ,Frucht‘ der ,Diener der ewigen Weisheit‘ ist. Aus dem Ex fructu enim arbor agnoscitur leitet der Text wiederum seinen Auftrag ab, auch das Leben der Mutter bekannt zu machen, nachdem nun das Wesen der edlen frucht, der heilige wandel und das leben des dieners in dem von Elsbeth Stagel verfassten Seußen puch beschrieben sei: vnd dar mb

|| 70 Williams-Krapp: Frauenmystik und Ordensreform, S. 312. 71 Cod. Cent. V, 10a, fol. 64vb–65rb; ed. Vetter, S. 95,12–96,6.

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sol pillichen bekant werden von dißer edeln frucht dißer gutter paum · wann dißer paum hat prediger orden gar ein nücze frucht pracht.72 Die hier im Zeichen der Baummetaphorik entwickelte genealogische Linie bindet zunächst die Leben der Schwestern von Töss ein in das Panorama der Tugendvirtuos(inn)en des Gesamtordens und leitet sie in letzter Instanz vom Wirken des heiligen Gründers Dominikus ab. Unter diesem Aspekt, der die Identität und uniformitas des Ordensinstituts bis in seine einzelnen ,Verästelungen‘ und über die Zeiten hinweg proklamiert (und auf diese Weise eine zuvorderst „das eigene Kloster fokussierende[] und überhöhende[]“ Perspektive transzendiert, wie sie für die Nonnenliteratur des 14. Jahrhunderts typisch zu sein scheint),73 lässt der Text spezifische Parallelen erkennen zum – Johannes Meyer vielleicht bekannten – Prolog der Tösser Kollektion im St. Galler Codex 603,74 der offenbar eine ältere Textstufe repräsentiert und in seinem Eingangsteil im Vorfeld der engeren Klostergeschichte ebenfalls die Perspektive des Gesamtordens exponiert, indem er „eine graduelle Abfolge der heiligen Männer und Frauen des Ordens“ bietet, die von Dominikus – und durch ihn letztlich von Christus – hergeleitet wird und zu den seligen Tösser Schwestern hinführt.75 Überdies aber akzentuiert der Prolog zur Vita der Mutter Seuses vor allem die Integration des ,Exemplars‘ des ,Dieners der ewigen Weisheit‘ in den auf Dominikus im Modus von Imitabile und Nachfolge zurücklaufenden Stammbaum der Virtus des Ordens und markiert mithin die genuin dominikanische Prägung und Identität des von Elsbeth Stagel aufgezeichneten heiligen Lebens des ,Seusenbuchs‘. Das Verbindungsglied in der Kette der Imitatio, das abermals die gnadenhafte, ,fruchtbringende‘ Wirkung des Beispielnehmens and -gebens anzeigt und von daher noch einmal das Prinzip des Exemplarischen, wie es für die beiden Rollen-

|| 72 Cod. Cent. V, 10a, fol. 65vab; ed. Vetter, S. 96,12–30. 73 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 178. 74 St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 603, S. 163a–169b; ed. Vetter, S. 12–16 („Vorrede Elsbet Stagels“). – Dass dieser Prolog und mit ihm die gesamte Textform des Tösser Buchs im St. Galler Codex – entgegen Grubmüllers Annahme, beim Prolog handle es sich um eine ältere Textschicht des 14. Jahrhunderts (Viten der Schwestern von Töß, S. 197f. und 201) – erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts, konkret „um 1490–1492“, im Zuge „einer geplanten Reform“ entstanden sein könnte, wie Martina Wehrli-Johns: Töss. In: Helvetia Sacra IV/5,2, S. 901–934, hier S. 914 vermutet hat, ist allein mit dem kaum belastbaren Argument, dass „im Prolog auch das Motiv des Dominikanerstammbaumes aufgenommen wird, das gegen Ende des 15. Jhs. in Kreisen der Observanz verbreitet war und 1490–1492 in der St. Katharinentaler Altartafel von Hans Haggenberg aufgegriffen wurde“, nicht zu sichern. Vielmehr wird man umgekehrt eine Datierung nach 1455 bzw. 1461 ausschließen wollen, da in der Reihe der dominikanischen Ordensheiligen, wie sie der Prolog entfaltet, neben Dominikus nur Petrus von Verona und Thomas von Aquin erwähnt sind und gerade die beiden Heiligen des 15. Jahrhunderts, Vinzenz Ferrer (1455) und Katharina von Siena (1461), die erste weibliche Ordensheilige überhaupt (!), fehlen. 75 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 176.

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modelle des ,Dieners‘ und der geistlichen Tochter konstitutiv ist, reflektiert und potenziert, ist die Figur der Mutter Seuses. Mit dem Hinweis auf die besondere Beziehung der Mutter Seuses zum Predigerorden beginnt denn auch die dann folgende Erzählung von ihrem Leben. Ihre sunder genad vnd andacht zu dieser Gemeinschaft habe sie nämlich dazu bewegt, ihren Sohn Heinrich im Alter von dreizehn Jahren – allein das Lebensalter zum Zeitpunkt des Ordenseintritts lässt sich aus den Angaben im Prolog der Vita Seuses (8,4–6) errechnen – in den Dominikanerorden zu geben, nachdem sie ihn selbst so in Cristenlicher geistlikeit erzogen hatte, dass er seinen gutten leimunden eines Cristenlichen lebens · vor got vnd vor seinen engelen vnd auch vor den menschen bewahren und auf seinem Weg zu einem heiligen Leben voranschreiten konnte.76 Erst die hier anschließende Charakterisierung der Mutter als vil große leiderinn – und in diesem Sinne unverkennbar Präfiguration des Sohnes – rekurriert im Detail und bisweilen wortgetreu auf den entsprechenden Passus in Kap. 42 von Seuses Vita (142,17– 143,17), der vom Antagonismus der Eltern Seuses, vom Leiden der Mutter an der Weltliebe des Vaters und insbesondere von ihrem herczenlichem mitleiden berichtet, das sie mit vnßers herren marter het vnd seiner getreuen muter.77 Dies Bild der große[n] leiderinn konkretisieren zwei paradigmatische Lebenssituationen: zum einen ein über zwölf Wochen andauernder Zustand schwerer Krankheit, als dessen Ursache die verständigen Ärzte übergroße Sehnsucht und minne zu Gott diagnostizieren, was sie gut pild dar ab nehmen lässt;78 zum anderen, als dessen Steigerung, eine durch die innige Betrachtung einer skulpturalen Darstellung der Kreuzesabnahme79 in den ersten Tagen der Fastenzeit, d.h. durch Compassio und Imitatio des Schmerzes der Gottesmutter ausgelöste heftige Erkrankung des Herzen, die nach längerer Bettlägerigkeit zum Tod am Karfreitag führt – wobei Meyer gegenüber dem Text der Vita Seuses zur Verdeutlichung des im Sterben erlangten höchsten Maßes des Gleichförmigwerdens mit dem Vorbild Christus hinzufügt: an der selben stund do der sun Gottes · Jesus Christus durch unßer sünden willen an dem fron Creucz starb.80 Nach ihrem Tod erscheint die Mutter – genau wie dann auch Elsbeth Stagel – ihrem Sohn Heinrich in einer Vision (143,10–17, mit 24,5f.), zeigt ihm ihre göttliche Belohnung an und ermahnt ihn zum Vertrauen und zur Liebe Gottes. Als Kontrastelement, das dabei aber die Gebetskraft und den Gnadenstand des ,Dieners‘ demonstriert, hat Meyer auch dessen Vision des verstorbenen Vaters, wie sie Seuses Vita in Kap. 6 erzählt (23,21–24,3), mit aufgenommen. Die rechtzeitige ,Umkehr‘ zu || 76 Cod. Cent. V, 10a, fol. 66rab; ed. Vetter, S. 96,36–97,7. 77 Cod. Cent. V, 10a, fol. 66rb–va; ed. Vetter, S. 97,7–16. Auf die Nähe dieses Profils zur Figur der Monica in Augustins Confessiones hat etwa Hamburger: Medieval Self-Fashioning, S. 433f. hingewiesen. 78 Cod. Cent. V, 10a, fol. 66va; ed. Vetter, S. 97,16–19. 79 Vgl. Hamburger: Medieval Self-Fashioning, S. 433. 80 Cod. Cent. V, 10a, fol. 66vb; ed. Vetter, S. 97,31f.

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Gott sichert zwar das Seelenheil, bewahrt aber nicht vor engstliche[m] fegfeür, woraus ihn erst sein Sohn mit kintlichen trewen errettet.81 Die Leitidee des Exemplarischen, die Johannes Meyer im Zuge seiner Bearbeitung des Tösser Corpus konsequent und vor allem auch zur Glorifikation des Gesamtordens und zur Identitätsvergewisserung seiner Angehörigen im Sinne einer Identifikation mit dessen spezifischer Lebensform und Spiritualität exponiert hat, entfaltet ein letztes Mal der kurze Epilog, der im Nürnberger Codex die Sammlung der Tösser Schwesternviten einfasst und einen deutlichen Textschluss markiert (dies vor allem mit Blick auf die in der Handschrift unmittelbar angrenzende Vita der Elisabeth von Ungarn).82 Denn er ruft die Rezipientinnen ausdrücklich zur Nachfolge der vorgestellten Exempel vnßer alt vordern lieben müttern […] jn haltung vnßers heilligen prediger ordens auf. Es schließt sich der Kreis zur Vorrede, d.h. Epilog und Vorrede konstituieren zusätzlich zum Textpaar der Viten der Elsbeth Stagel und der Mutter Seuses eine zweite, äußere Klammer, insofern im Epilog das Schriftwort vom Textanfang (Mundam servavi animam meam ab omni concupiscencia) wiederaufgenommen und noch einmal das Vorbild der Sara anzitiert wird, um den Leserinnen im Zeichen des Ideals der ,inneren Reinheit‘ erneut die behaltung aller tugenden des heiligen prediger ordens und mithin ein regelkonformes Leben ethischer Perfektionierung im Sinne observanter Usancen zur Sicherung ihrer individuellen Heilserwartung nahezulegen.83 Tatsächlich beschränkt sich Meyers Adaptation des Tösser Schwesternbuchs auf die Ergänzung der genannten Rahmenteile. Den Text der Schwesternviten im Innern der Sammlung – in seinem Verständnis das ,Werk‘ der Elsbeth Stagel – hat er offenbar in der Substanz (jenseits der Kapitelüberschriften) nicht angetastet. Dies legt eine Kollation des Textes der Nürnberger Handschrift (N) mit dem des Tösser

|| 81 Cod. Cent. V, 10a, fol. 67rab; ed. Vetter, S. 98,1–8. 82 Zur Gestaltung der Vita der Elisabeth von Ungarn in der Nürnberger Handschrift, die möglicherweise auf eine spezifische Ergänzung einer primären, auf das Tugend- und Gnadenleben konzentrierten Vita durch Material oder „Werkstücke aus einer zweiten Vita“ im Horizont einer historisch-faktischen Konturierung hindeutet, siehe die Überlegungen von Grubmüller: Viten der Schwestern von Töß, S. 188–194 (Zitat S. 192). Es sei hier nur angemerkt, dass Johannes Meyer auch im Falle der Elisabeth-Vita das bereits für seine Adaptation des Tösser Schwesternbuchs programmatische Konzept des Exemplarischen forciert hat. Denn während etwa die Schlussvermahnung zur Elisabeth-Vita im St. Galler Codex 603 (ed. Vetter, S. 122,1–9) unter den Vorzeichen admirativer Identifikation ganz auf den Aspekt der helfenden Fürsprache der Heiligen bei Gott setzt, betont das Schlusswort der Nürnberger Handschrift (Cod. Cent. V, 10a, fol. 84rb–vb; ed. Vetter, S. 121,1–26), das mit der Wiederaufnahme des neutestamentlichen Schriftworts Apc 2,10 Esto fidelis usque ad mortem vom Texteingang auch hier eine schließende Klammer um die Vitenerzählung legt, das pild vnd exemplar, das das Leben der ungarischen Königstochter den Rezipientinnen als Imitabile vorhalte im Blick auf grüntliche diemut · götliche mynne · gedult vnd ander tugent, da sie doch des ordens armut vnd großes leiden so gedültiklichen gelitten hat. 83 Cod. Cent. V, 10a, fol. 67rb–va; ed. Vetter, S. 98,9–21.

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Schwesternbuchs der St. Galler Handschrift 603 (G) und mit den drei Tösser Viten, die der Karlsruher Codex Donaueschingen 452 (D) tradiert, nahe.84 Zwar sind die überlieferungsgeschichtlichen Verhältnisse allein anhand dieser drei Zeugen – vor allem auch wegen des eher geringen Vergleichsmaterials von D – nicht restlos zu klären, doch deuten verschiedene Indizien auf eine gemeinsame Vorstufe aller drei voneinander unabhängigen Codices hin, der vielleicht die Textversion des ältesten Zeugen (Fragment), des Codex Donaueschingen 452, am nächsten steht.85 Spezifische Abweichungen der Nürnberger oder St. Galler Handschrift vom Text des Donaueschinger Zeugen (oder auch seltenere singuläre Lesarten von D gegen die beiden anderen Codices) wird man demnach als Schreibervarianten jeweils dieser Handschriften oder ihnen vorausliegender Zwischenstufen einschätzen dürfen. Wo genau im Falle von N die Grenze zwischen solchen Schreibervarianten und redaktionellen Eingriffen Johannes Meyers (auf der Wortebene der Vitentexte) liegt, ist nicht immer eindeutig zu bestimmen. Auf Meyer könnten indes die Modifikation des Eingangs der Vita der Mechthild von Stans, die Kürzung zu Beginn der Vita der Adelheid von Frauenberg und verschiedene kleinere Auslassungen etwa innerhalb der Vita der Jützi Schultheissin und der Elsbeth von Cellikon zurückgehen.86 Da|| 84 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 452, fol. 102v–128r: Viten der Sophia von Klingnau, Mechthild von Stans (Fragment) und Jützi Schultheissin (Fragment); davor auf fol. 81r–102r die dem Tösser Corpus sonst angehängte Vita der Elisabeth von Ungarn. Zur Handschrift Grubmüller: Viten der Schwestern von Töß, S. 182–184. Kollationiert habe ich über die drei genannten Viten hinaus noch die (nur in G und N überlieferten) Viten der Ita von Wezzikon, Ita von Sulz, Margret Willin, Adelheid von Frauenberg, Elsbeth Bechlin und Elsbeth von Cellikon. Der Apparat von Vetters Edition verzeichnet die Lesarten von N allein für die ersten Viten des Textcorpus einigermaßen vollständig, danach – etwa ab Vetters Nr. 4 – werden die Abweichungen nur sehr selektiv berücksichtigt oder aber so gut wie gar nicht mehr dokumentiert. 85 Für die Priorität von D plädiert schon Grubmüller: Viten der Schwestern von Töß, S. 185. Eine ältere, der Textform von N vorausliegende textgeschichtliche Stufe repräsentiert im Ganzen sicher auch G trotz seines jüngeren Alters. Dennoch zeigt N in den von Meyers Bearbeitung nicht betroffenen Teilen des Vitencorpus des Öfteren von G abweichende Lesarten, die sich zu denen von D stellen und von daher eine größere Nähe zur Ausgangsstufe der Überlieferung vermuten lassen, d.h. N hat „für seine Bearbeitung eine frühere Textstufe zugrunde gelegt“, als sie G vertritt (ebd., S. 186). Zur übrigen späteren, entweder von G abhängigen oder sonst textkritisch kaum ins Gewicht fallenden Überlieferung siehe Grubmüller (ebd.); vgl. den Überblick bei Haas: Stagel, Elsbeth, Sp. 223. 86 So ersetzt die Nürnberger Handschrift den wörtlichen Evangelientext Mt 19,27 zu Beginn der Mechthild-Vita (in G und wohl auch D, wobei hier wegen mechanischen Textverlusts nur die ersten Worte erhalten sind; ed. Vetter, S. 60,26–28) durch eine Textversion, die den Dialog von Mt 19,27–29 zu einer monologischen Apostrophe Christi komprimiert und so auch von der Antiphon Vos qui reliquistis omnia bekannt ist (Corpus Antiphonalium Officii. Bd. 3: Invitatoria et Antiphonae. Hrsg. von René-Jean Hesbert. Rom 1968, Nr. 5501). Der Vita der Adelheid von Frauenberg fehlt dagegen der längere Eingangspassus mit dem Bezug auf Io 6,44 (ed. Vetter, S. 50,2–8). Am Anfang der Vita der Jützi Schultheissin sind die topische Eingangsformel Wir hatend och ain s(lge schwester (in Cod. 603, S. 259b irrtümlich mit S-Initiale: Sy…) und im Weiteren zwei floskelhafte Bemerkungen zum Prozess und zur Organisation des Schreibens (einmal wieder in der kollektiven Sprachhaltung

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gegen handelt es sich vielleicht bei den beiden größeren ,Fehlstellen‘, die die Mechthild-Vita in D und N gegenüber G aufweist, um Zusätze von G oder seiner Vorstufe(n).87 Die einzige größere Veränderung innerhalb des Vitencorpus selbst betrifft die Position der elaborierten Vita der Mechthild von Stans. Als Kap. 2 ist sie nun nämlich – im Anschluss an die Vita der Elsbeth Stagel (Kap. 1) – vom Zentrum an den Anfang der Sammlung gerückt. Diese Umstellung könnte mit der spezifischen Programmatik dieser Biographie zu tun haben, akzentuiert sie doch vorweg erneut – umso eindrücklicher auf der Grundlage des im Nürnberger Codex modifizierten Texteingangs und seiner Appellstruktur – den Gedanken der Imitatio Christi und Weltabsage und daran anschließend das exemplarische Tugendleben der Schwester, wo zuvorderst die oboedientia und mithin ein Grundpfeiler eines auf Erneuerung der Regeltreue setzenden Konzepts monastischen Lebens hervortritt. Auch damit also hat Johannes Meyer die Akzente der Tösser Kollektion verschoben, ohne doch die aus Sicht der Reformer nicht unproblematischen Visionen, Offenbarungen und Gnadenerfahrungen im Zeichen frauenmystischer Spiritualität88 – die nun in der Mechthild-Vita gerade dem Bericht von der ethischen Virtuosität der Schwester folgen89 – generell auszugrenzen.

|| der Wir-Rede: won wir des ze gtter mass ze schriben habent, ein andermal in der Ich-Rede: In dem selben zit do geschach ir och dise gnad die ich hie schriben wil) beseitigt worden (ed. Vetter, S. 69,18; 69,20; 75,25). In der Cellikon-Vita sind mehrere kürzere Partien mit Details zu den Ernährungsgewohnheiten und mit Aussprüchen der Schwester wohl mit Blick auf eine Konzentration des Erzählinhalts ausgelassen (ed. Vetter, S. 91,29–32; 91,34–92,2; 92,4f.; 92,11f.; 92,14–16). 87 Ed. Vetter, S. 65,27–36 und 67,11–19. Dazu schon Grubmüller: Viten der Schwestern von Töß, S. 199f. Anders als Grubmüller, der dazu tendiert, beide durch einen „Ansatz zu theologischer Deutung“ gekennzeichnete Partien einer „letzten Bearbeiterin“ des Tösser Corpus – und somit vielleicht Elsbeth Stagel – zuzuschreiben (S. 200), schiene mir ihre nachträgliche Ergänzung erst im 15. Jahrhundert und vielleicht auch außerhalb der engeren Überlieferung in Töss durchaus denkbar, da sie nicht nur in D, sondern auch in N fehlen. 88 Vgl. o. S. 124–127. 89 Und doch spielt auch hier die oboedientia bzw. die Priorität, die Mechthild ihr vor allem anderen einräumt, wieder eine besondere Rolle, etwa wenn Mechthild vom visitierenden Provinzial Wolfram befohlen wird, sich ihres nun lange anhaltenden Zustandes der Verzückung zu erwehren, und sie diesem Gebot uneingeschränkt folgt: vnd si was im sein gehorsam vnd tet es · vnd do ward si also siech · vnd ward ir als we das man gar an ir verzweiffelte · Vnd ir alle zeitt der sele wartetten [ergänze (Subjekt): die Angehörigen der Klostergemeinschaft] vnd ir ein aug recht tod was · Vnd dar nach an dem auffert tag do kerte si wider vnd begonde sich wol besseren Das si dar nach vil jaren ze kor vnd ze reuenter gieng Vnd hie nach fragte si die priorin wie ir die weil were wenn si also lag Do sprach si ich was in als grossen hohen frewden · die menschen sinn nit gedencken mag · Vnd das ich also weinete so ich wider kam · Das geschah mir da von das ich dannen scheiden muste · vnd der mich nit hete geheißen [,und wenn mir nicht einer befohlen hätte‘] das ich mich der gnaden gewert hete · Got hete die wunder mit mir begangen da von jemer ze sagen were (Cod. Cent. V, 10a, fol. 14rab; vgl. ed. Vetter, S. 67,2–11).

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5.2.2 St. Katharinental Auch für das in der Nürnberger Handschrift anschließende St. Katharinentaler Schwesternbuch darf seit Ruth Meyers kritischer Edition und Untersuchung eine redaktionelle Überarbeitung durch Johannes Meyer als gesichert gelten. Da Ruth Meyer die einzelnen Schichten und Tendenzen der Adaptation im Kontext der Überlieferungs- und Textgeschichte herausgearbeitet hat,90 können sich die folgenden Überlegungen zunächst auf die von ihr vorgelegten Ergebnisse stützen. Demnach umfasst Johannes Meyers Redaktion eine Vorrede und ein Nachwort zum Vitencorpus, die einheitliche Bezeichnung der einzelnen (Kurz-)Viten mit der Überschrift Exemplum (mit durchgehender Zählung) sowie weitere, nur moderate „Veränderungen der Corpusgestalt“, insofern die „Viten 27b und 49“ des Grundcorpus des St. Katharinentaler Buchs und „die Heilig-Geist-Betrachtung in der Vita der Elsbeth von Stoffeln“ ausgelassen sind.91 Hinzu kommen Textumstellungen in Nr. 34 und Nr. 41 des Grundcorpus und darüber hinaus eine Reihe von Varianzen auf der Wortebene, die offenbar Bemühungen um stilistische Verfeinerung und inhaltliche Präzisierung voraussetzen.92 Aus seiner Vorlage hat Meyer indes die Klostergründungsgeschichte und die Viten der Elsbeth von Villingen (anstelle der Grundcorpusvita der Elsbeth Hainburgin) und der Gutta Mestin (Meisterin) übernommen, die Ruth Meyer dem „Erweiterungsgut“ des St. Katharinentaler Schwesternbuchs zugewiesen hat.93 Denn sowohl die Fundationsgeschichte wie auch die beiden Viten überliefert auch der St. Galler Codex 603, mit dessen beiden Faszikeln G1 und G2 der Nürnberger Codex über gemeinsame Vorstufen verbunden ist (*Y1, *Y2).94 Die Positionierung der Vita der Elsbeth von Villingen am Ende der Sammlung des Nürnberger Codex wird hingegen auf Johannes Meyer zurückgehen. Programmatisch ist Meyers Vorrede zum St. Katharinentaler Buch (und zwar mit Blick auf die im Nürnberger Codex zusammengestellten Nonnenviten insgesamt), denn sie reflektiert speziell den Aspekt des göttlichen Wunders als Zeichen der Begnadung des Menschen und nicht weniger das Faszinationspotential von Erzählungen individueller sinnlicher Wahrnehmungen und Erfahrungen des Numinosen. Der Text wirft durchaus ein Licht voraus auf Meyers Mystikkritik in Kap. III,3 des Buchs der Reformacio Predigerordens und die dort vorgelegte Systematik zur Discretio spirituum.95 Hier freilich geht es nun nicht um die Rechtfertigung der eigenen Textproduktion und ihrer Zielsetzung, sondern um Rezeptionssteuerung: um die adäquate Lektüre und den richtigen Gebrauch der überkommenen Viten oder Exempel || 90 Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 65–72. 91 Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 69. 92 Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 68–70. 93 Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 26, 64, 70, 72. 94 Siehe dazu das Handschriftenstemma bei Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 53. 95 Vgl. o. S. 124f.

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der ,alten‘, traditionsreichen Schwesterngemeinschaften des Ordens. Wie in vergleichbaren Fällen paratextueller oder diskursiver Textelemente beginnt Meyer auch diesen Prolog mit einem Schriftwort, das das Räsonnement des Textes in Gang setzt. Mit dem Deus facit magna et inscrutabilia et mirabilia absque numero (Iob 5,9) und den thematisch verwandten Psalmworten 67,36 (iuxta LXX) und 85,10 wird das unablässige Wunderwirken Gottes mit seinen lieben freunden vom Beginn der Zeiten bis in die Gegenwart des Textes konstatiert.96 Der Faktizität des göttlichen Heils- und Gnadenhandelns am Menschen, wie sie für die Kontinuität der Heilsgeschichte im Horizont des Alten und Neuen Testaments und auch mit Blick auf die Angehörigen des Ordo Praedicatorum und hier wiederum speziell auch für die St. Katharinentaler Schwestern behauptet wird, steht indes die Problematik menschlicher Erkenntnis numinoser Zeichen im Sinne der Discretio spirituum gegenüber. Ganz unter dieser Voraussetzung appelliert der Ich-Sprecher besonders an das kritische Unterscheidungsvermögen seiner Rezipientinnen, um das überlieferte Authentische und Glaubwürdige vom Unsicheren zu trennen. Er demonstriert die Notwendigkeit der Discretio am Fall von Exemplum xxvij der St. Katharinentaler Kollektion: Es berichtet davon, wie eine namenlose Schwester aufgrund ihrer gehorsamen Erfüllung der ihren individuellen Bedürfnissen entgegenstehenden Vorgaben monastischen Gemeinschaftslebens mit einer inniglichen Jesuskind-Vision in berflüssige gnade kam, sie diese besondere Gnade aber wieder verlor, als sie bei der gemeinsamen Mahlzeit durch den Griff einer anderen Schwester nach dem Tischmesser, das vor ihr lag, irritiert wurde.97 Johannes Meyer nimmt die dadurch motivierte Entscheidung der Priorin, künftig jeder Schwester den Besitz eines individuellen Messers zu erlauben, zum Anlass, mit Paulus (II Cor 11,14) die Legitimität der Vision zu hinterfragen, wobei er zu dem Schluss kommt, das es villeicht mer ein pöß kind gewesen ist denn ein guttes. Seine Bewertung impliziert wohl weniger eine mangelnde Vertrautheit mit entsprechenden Usancen, dass etwa „im 14. Jahrhundert ein am Gürtel getragenes, kleines, meist reich verziertes Messer auch zur monastischen Frauenkleidung gehören konnte“;98 kritikabel ist für ihn sicher zuallererst der Verstoß gegen das Grundprinzip der individuellen Armut bzw. des Gemeinschaftsbesitzes, der mit der Lizenz der Priorin einhergeht. Von daher ermahnt der Ich-Sprecher – erneut mit Tendenzen zur Rolle des Predigers – seine Rezipientinnen, sie sollten blümlein von dem graß prechen vnd mit dem pinlein das gut von dem plümlein saugen · Wann daz ist nit minder dann das vil gutter exempel an dißem püchlein beschriben sind die ir zu ewrem geistlichen nucz wol keren mügen.99

|| 96 Cod. Cent. V, 10a, fol. 85rab; Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 140f. 97 Cod. Cent. V, 10a, fol. 94rb–va; Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 109 (Nr. 27a). 98 Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 276f. 99 Cod. Cent. V, 10a, fol. 85va; Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 141.

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Es ist Johannes Meyer hier – genauso wenig wie im Falle des Tösser Buchs oder auch der noch folgenden Ötenbacher Sammlung – also nicht darum zu tun, Momente der sinnlichen Erfahrung des Göttlichen, d.h. Offenbarungen und Gnadenerlebnisse des Einzelnen grundsätzlich zu delegitimieren – im Gegenteil: im Conspectus der Heilsgeschichte, so wird betont, sind sie dauerhaft und im Besonderen auch im Bereich der engeren Historie des Predigerordens Zeugnisse des heilvollen Umgangs Gottes mit seinen auserwählten Freunden. Der Text fordert aber von den Leserinnen eine genaue Prüfung und Selektion, um das Zweifelhafte in der Menge des Überlieferten zu identifizieren und das Brauchbare vom Unbrauchbaren zu scheiden. Unter dieser Prämisse vermittelt Meyer die ,Exempel‘ der seligen Vorfahren an die nachfolgenden Generationen, auf dass sie ,geistlichen Nutzen‘ daraus ziehen. Werner Williams-Krapp hat auf die „bemerkenswerten argumentativen Gratwanderungen“ hingewiesen, die hier zutage treten.100 Denn einerseits setzen Meyers Rezeptionsvorgaben auf Distanzierungseffekte (und hierzu wird man etwa auch die konsequente Bezeichnung der St. Katharinentaler Viten als ,Exempel‘ rechnen dürfen, die die Textfunktion und mithin das Moment des Hermeneutischen gegenüber dem des Mimetischen akzentuiert), die einer unmittelbaren Affizierung durch das Faszinosum eines mystisch-subjektiven Gottesbezugs entgegenwirken und stattdessen auf eine hierarchisch kontrollierte Frömmigkeitspraxis der Laien im Zeichen ethischer Vervollkommnung zielen;101 andererseits aber sind die Nonnenviten der altehrwürdigen Konvente der Teutonia gerade auch als Pendants zu den Vitas fratrum konstitutiver Bestandteil der hagiographischen Tradition und des Gedächtnisarchivs des Gesamtordens und signalisieren mit der besonderen göttlichen Auszeichnung exzeptioneller monastischer Spiritualität die „große[] Vergangenheit“ der Gemeinschaft, deren Potential es „im Sinne der Reform produktiv zu aktivieren“ gilt.102 Den Abstand der Nachkommen vom Gnaden- und ,Wunderleben‘ der Altvorderen markiert indes vor allem auch Meyers kurzer Epilog zur St. Katharinentaler Sammlung, der mit der Reprise des den Prolog eröffnenden Job-Wortes Deus facit magna et inscrutabilia et mirabilia absque numero wiederum die für Johannes Meyers Textgestaltung typische paratextuelle Klammer konstituiert. Indem der Text nämlich Gottes Wunderwirken nicht nur mit den St. Katharinentaler Dominikanerinnen, sondern mit den Brüdern und Schwestern vieler anderer Konvente vornehmlich in dem anfang des ordens hervorhebt und die Rezipientinnen zudem unter den Auspizien admirativer Identifikation zur Hoffnung auf das heilige[] furpitten der seligen || 100 Williams-Krapp: Frauenmystik und Ordensreform, S. 303. 101 Vgl. zu dieser Opposition mit Blick auf die spätmittelalterliche Laienfrömmigkeit Klaus Schreiner: Laienfrömmigkeit – Frömmigkeit von Eliten oder Frömmigkeit des Volkes? Zur sozialen Verfaßtheit laikaler Frömmigkeitspraxis im späten Mittelalter. In: Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge. Hrsg. von dems. München 1992 (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 20), S. 1–78, hier S. 76. 102 Williams-Krapp: Frauenmystik und Ordensreform, S. 303.

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Väter und Mütter ermutigt, unterstreicht er gerade die Alterität der religiösen Lebensformen der Vorgänger hinsichtlich der Exorbitanz sinnlich erfahrbarer Offenbarungen und Gnadengaben Gottes und sucht so die Wirkmöglichkeiten der textuellen Mimesis zu begrenzen.103 Während Johannes Meyer das in der Vorrede kritisierte Exemplum xxvij – zum Nachvollzug seines Arguments und vermutlich auch, weil es immerhin die Priorität des Gehorsams vor individuellen Präferenzsetzungen thematisiert – im Text selbst nicht angetastet hat, sind Nr. 27b und Nr. 49 von Ruth Meyers Edition offenbar bewusst ausgelassen worden. In der äußerst knappen Nr. 27b104 wird nämlich keinerlei Verbindung hergestellt zwischen dem geschilderten Phänomen göttlicher Begnadung und dem Leben oder der Frömmigkeitspraxis der anonymen verstorbenen Schwester, so dass das in der spezifischen Auszeichnung der Toten evidente Gnadenhandeln Gottes in gewisser Weise ubiquitär und willkürlich erscheint und Gefahr läuft, entwertet zu werden. Nr. 49105 erzählt davon, wie Adelheit von Stein in einer Zeit schweren Leidens vom Teufel überwunden wird und erst durch die Vision der blutenden Wunden Christi wieder zu Gott zurückfindet. Der extreme ,Fehltritt‘ dieser Schwester und die tatsächliche Hinwendung zum Bösen mag dann in Meyers Sicht vielleicht doch nicht mehr mit dem generellen Rahmen vorbildlicher monastischer Lebensform und Frömmigkeit vereinbar gewesen sein. Für die Elision der ausgedehnten Schlusspartie der Vita der Elsbeth von Stoffeln mit ihrer spekulativen Heilig-Geist-Reflexion in Form einer „Privatoffenbarung Elsbeths“106 könnten hingegen speziell theologisch-dogmatische Vorbehalte eine Rolle gespielt haben. Die St. Katharinentaler Sammlung des Nürnberger Codex beschließt die elaborierte Vita der Elsbeth von Villingen, bei der es sich um eine ältere Einzelvita handelt, „auf die in der zum Grundcorpus des St. Katharinentaler Schwesternbuchs gehörenden Vita der Elsbeth Hainburgin (Nr. 40) verwiesen wird“.107 In der Nürnberger Handschrift ist diese kürzere Grundcorpus-Vita der Elsbeth Hainburgin, deren Textform unter der Prämisse der Identität der beiden Elsbeths auf die der längeren Einzelvita rekurriert, dabei aber speziell den einleitenden Teil mit dem umfangreichen Tugendleben ausspart (eben mit dem Verweis auf den Text der unabhängig

|| 103 Cod. Cent. V, 10a, fol. 118rb–va; Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 181. 104 Ein swester do die starb vnd man si in den kor trg, do hort ein swester ein stimm sprechen vss dem schrin: ,Veni in ortum meum, soror mea sponsa‘ (Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 109). 105 Ein swester dú hiess sant Adelheit von Stein. Die hat ze einer zit grosses liden an dem hertzen. Vnd in dem liden wart si von dem túfel berwunden, das si gedäht ze tnne dú ding, die wider got sint. Vnd in disem ding do gie si fúr ein crucifixus vnd bettet. Do sah si, das nserm herren all sin wunden bltent. Vnd do si das gesah, do lie si ir hertze nider vnd lie das sin, das si vor hin gedäht hat ze tnn (Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 137). 106 Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 70. 107 Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 80.

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tradierten legend der Schwester),108 durch die große Elsbeth-Biographie ersetzt worden. Grund dafür und besonders auch für die Platzierung der Vita am Ende der Sammlung, wo sie nun aufgrund ihres allein schon umfangsmäßig hervortretenden Gewichts ein Pendant bildet zur eröffnenden Gründungsgeschichte, ist sicherlich jene programmatische Eingangspartie, die die ethische Virtuosität der Elsbeth Hainburgin von Villingen demonstriert. Hier werden eingehend Elsbeths Imitatio der von ihr selbst im Rahmen einer Baumallegorie explizierten Virtus Christi und ihr beständiges Streben nach Perfektionierung ihres Tugendlebens beschrieben, wobei ihre Begierde, dass sie ein ieckliche tugent brechte jn ir öbriste volkumenheit,109 im Horizont eines Katalogs von 16 Tugenden dokumentiert wird (die wiederum den in der Baumallegorie vermittelten Tugenden Christi entsprechen), darunter zunächst die monastischen Schlüsseltugenden castitas und oboedientia sowie weiterhin castigatio corporis, temperantia, sapientia, mansuetudo, verecundia, pietas, misericordia, iustitia, paupertas voluntaria, patientia, humilitas und schließlich die sog. theologischen Tugenden fides, spes, caritas.110 Zudem unterstreicht der Text immer wieder auch Elsbeths (schon durch ihre Novizenerziehung angelegtes) eifriges Bemühen um ein regeltreues Leben auf der Grundlage der normativen Vorgaben des Ordensgründers und reklamiert vor allem auch den Primat des Ordens gegenüber anderen Gemeinschaften und Lebensformen hinsichtlich der individuellen Heilsvorsorge, insofern der nämlich – in Elsbeths eigenen Worten – den aller sicherste[n] weg zu dem ewigen leben biete.111 Indem Johannes Meyer dies Lebens- und insbesondere Tugendbild der Elsbeth von Villingen an den Schluss seiner Kollektion der St. Katharinentaler Viten gesetzt hat (danach folgt nur noch der Epilog), profiliert er zuletzt erneut das Prinzip ethischer Virtuosität gegenüber dem Faszinosum eines mystisch-subjektiven Gottesverhältnisses (auf das freilich auch diese Vita nicht verzichtet) und präsentiert seinen Adressatinnen ein gerade auch mit Blick auf observante Ideale gültiges Modell vortrefflicher monastischer Frömmigkeit, das sich den ihm eigenen Aufruf zur Imitatio selbst eingeschrieben hat: heißt es doch von Elsbeth gleich zu Beginn, das si alle zeit zu nam vnd auff gieng an götlicher gnad vnd an allen tugenden volkomenheit das als ir leben ein spiegel was aller · der die si an sahent.112

|| 108 Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 80f. 109 Cod. Cent. V, 10a, fol. 112va; Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 169. 110 Vgl. den ausführlichen Kommentar bei Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 314–322. 111 Cod. Cent. V, 10a, fol. 113rb; Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 170 (ohne Dokumentation der abweichenden N-Lesart ewigen leben). 112 Cod. Cent. V, 10a, fol. 109vb; Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 164 (ohne Dokumentation sämtlicher Abweichungen in N).

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5.2.3 Ötenbach Auch im Falle des Ötenbacher Schwesternbuchs hat man zwar schon lange eine letzte Redaktion Johannes Meyers vermutet,113 belegen lässt sie sich aber erst anhand der wiederaufgefundenen Breslauer Handschrift Ms. IV F 194a, deren Überlieferung den bis dahin fragmentarischen Textbestand der Nürnberger Handschrift (mit der Ötenbacher Gründungsgeschichte, sechs Schwesternviten sowie zuletzt dem Prolog zur Vita der Elsbeth von Oye) vervollständigt mit den drei großen Viten der Elsbeth von Oye, Adelheid von Freiburg und Margarethe Stülinger. Denn nachzuweisen ist Meyers Bearbeitung allein für die abschließende Stülinger-Vita, die er dem Corpus hinzugefügt hat, und in Kenntnis dessen wohl auch für die einleitende Fundationsgeschichte, das Büchlein der Stiftung des Klosters Ötenbach.114 Für alle übrigen Teile der Sammlung bleibt das Ausmaß von Meyers Texteingriffen mehr oder minder ungewiss, weil aufgrund der singulären Überlieferung des Ötenbacher Buchs eine adäquate Vergleichsgrundlage fehlt, die darüber Auskunft geben könnte, „in welcher Form Meyer das Buch vorgefunden hat“.115 Immerhin scheint Meyer die prominente Vita der Elsbeth von Oye – zu diesem Fazit kommt jedenfalls Wolfram Schneider-Lastin im Zuge seiner Edition dieses Textes – „nicht angetastet zu haben“.116 Die Klostergründungsgeschichte ist „in Ausführlichkeit und Umfang mit der des St. Katharinentaler Schwesternbuchs vergleichbar“.117 Und wie Johannes Meyer den dortigen Texteingang „in für ihn typischer Weise“ modifiziert hat, indem er ihm „eine knappe Auslegung eines Bibelzitats voran[ge]stellt“ hat,118 so wird man ihm auch die kurze Vorrede zum Ötenbacher Stiftungsbuch zuschreiben können, die mit dem Pauluswort Omnis edificacio constructa in summo angulari lapide Christo Jesu

|| 113 Blank: Nonnenviten des 14. Jahrhunderts, S. 69–72; Peter Dinzelbacher: Ötenbacher Schwesternbuch. In: 2VL 7 (1989), Sp. 170–172; Bürkle: Literatur im Kloster, S. 177 Anm. 55. 114 Vgl. Schneider-Lastin: Leben und Offenbarungen der Elsbeth von Oye, S. 399. Eine Bearbeitung der Gründungsgeschichte durch Meyer erwägt schon Blank: Nonnenviten des 14. Jahrhunderts, S. 70f. 115 Wolfram Schneider-Lastin: Zürich, Oetenbach. Literaturproduktion und Bibliothek. In: Helvetia Sacra IV/5,2, S. 1029–1035, hier S. 1030. 116 Schneider-Lastin: Leben und Offenbarungen der Elsbeth von Oye, S. 399. Schneider-Lastin vermutet (S. 396) vielmehr eine primäre Redaktion bzw. Kompilation von verschiedenen eigenhändigen Aufzeichnungen Elsbeths „kurz nach Elsbeths Tod“ durch einen „zeitgenössischen anonymen Dominikaner[]“ (ihm schreibt er etwa auch den in der Nürnberger Handschrift tradierten Prolog zur Vita zu). Wann diese „ursprünglich selbständige Vita in die Vitensammlung des Ötenbacher Schwesternbuchs Aufnahme fand – ob schon im 14. Jahrhundert oder erst im Zusammenhang mit der Sammlungs- und Redaktionstätigkeit des Johannes Meyer –, ist unbekannt“ (S. 399). 117 Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 78 Anm. 25. 118 Meyer: St. Katharinentaler Schwesternbuch, S. 79.

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crescit in templum sanctum in domino (Eph 2,20f.) eingeleitet wird.119 Die Explikation des Schrifttextes beschwört zunächst allgemein die Prosperität derjenigen stifftung, die auff den ortstein Christum Jesum gefestenet und mithin in der Liebe Gottes und herczlicher begirde geistliches lebens vnd gottes willen ze volpringen gegründet ist, bevor das Pauluszitat auf den konkreten Fall der Ötenbacher Gemeinschaft appliziert wird, von der durchaus im Gestus observanter Rhetorik berichtet wird, dass sie angefangen ward in rechter armut von grundloser begirde geistliches lebens vnd gottes willen ze volpringen in dem aller sichersten weg [,] das ist gehorsame. Mit Blick wohl auf das in den einzelnen Viten exponierte Gnaden- und Wunderwirken Gottes mit den Ötenbacher Schwestern reklamiert der Text daraufhin das skizzierte ethische Dispositiv als dessen entscheidende Voraussetzung: vnd die mit disen tugenden got anhafftent · denen wil er erzeigen auch in disem leben das er si in dem ewigen leben satten vnd günlichen wil vor seiner götlichen angesicht.120 Tatsächlich kehrt das Pauluswort der Vorrede am Ende des Büchleins der Stiftung des Klosters Ötenbach in der für Johannes Meyers Textkomposition charakteristischen Weise wieder, so dass sich auch für diese Schlusspartie eine Überarbeitung Meyers wird sichern lassen. Dieser Befund könnte indes auf eine konsequente Adaptation der gesamten Fundationsgeschichte hindeuten. Dafür sprechen nicht nur die Binnenstrukturierung des Textes, d.h. die Einteilung in sechs Kapitel mit zugehörigen Inhaltsüberschriften, sondern etwa auch die nahezu durchgängige extradiegetisch-heterodiegetische Erzählhaltung, die nur ganz selten von Relikten einer Wir-Erzählung durchbrochen wird, die eine spezifische Nähe zum erzählten Geschehen signalisiert und auf eine ältere Textschicht weisen dürfte.121 Hinzu kommen Erzählpartien, die den engeren Rahmen der Klostergeschichte verlassen und in andere Bereiche, etwa den der Ordenshistorie, ausgreifen und von daher eine Verfasserschaft Meyers nahelegen. So beleuchtet etwa Kap. 3 anlässlich des Rückzugs der Züricher Prediger von der Seelsorge der Schwestern die Situation des Gesamtordens und berichtet von den Maßnahmen des zweiten Ordensmeisters Jordan von Sachsen gegen die zunehmenden Eingliederungsbegehren einer stetig wachsenden Zahl neu gegründeter Frauenklöster, damit der orden nit ze fast mit den frawen Clöstern beswert würde.122

|| 119 Cod. Cent. V, 10a, fol. 118vb; Die Stiftung des Klosters Oetenbach und das Leben der seligen Schwestern daselbst. Aus der Nürnberger Handschrift hrsg. von H. Zeller-Werdmüller und J. Bächtold. In: Zürcher Taschenbuch N.F. 12 (1889), S. 213–276, hier S. 217. 120 Cod. Cent. V, 10a, fol. 118vb–119ra; ed. Zeller-Werdmüller/Bächtold, S. 218. 121 So in Kap. 5: Nun hetten wir ein heilige swester · die hieß swester agnes von zürich die was terminiererin ze rappelswiler (Cod. Cent. V, 10a, fol. 122va; ed. Zeller-Werdmüller/Bächtold, S. 229); also tet er [Graf Rudolf von Rapperswil] vns manich gut vnd was wir an in begertten das volpracht er alle zeit vnd püst vns dick den hunger vnd turst (Cod. Cent. V, 10a, fol. 122vb; ed. Zeller-Werdmüller/ Bächtold, S. 230). 122 Cod. Cent. V, 10a, fol. 120va; ed. Zeller-Werdmüller/Bächtold, S. 223. Zu den ordenspolitischen Hintergründen der hier skizzierten „Auseinandersetzung von Frauenbewegung und Bettelorden in

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Kap. 6 schildert zuletzt die Entsendung von vier Ötenbacher Schwestern ins kurz zuvor gestiftete Kloster Brunnadern bei Bern, das spätere Kloster St. Michael in der Insel – dessen Seelsorger Johannes Meyer zur Zeit der Entstehung der Nonnenvitensammlung des Nürnberger Codex war und dessen Chronik hier den Ötenbacher Viten unmittelbar folgt –, um die Berner Schwestern zu einer den Vorgaben des Ordens gemäßen klösterlichen Lebensform anzuleiten. Wenn es vom Inselkloster weiter heißt, es verharre noch jn aller behaltung des ordens jn beschliessen · an eigenschafft [,ohne Individualbesitz‘] vnder gehorsamkeit löblichen ze dienen dem kunig der engeln, so ist diese Formulierung im Zeichen reformerischer Programmatik ein deutliches Indiz für eine Autorschaft Johannes Meyers zumindest an diesem Schlusspassus des Stiftungsbuchs, der zuletzt die Blüte der Berner Gemeinschaft in der Nachfolge Ötenbachs wie auch dessen eigenes, unbeschadet seiner armut prosperierendes monastisches Leben erneut auff den aller höchsten vnd sichersten ortstein · Christum Jesum gründet und mithin zur Deutung des Paulusworts der Vorrede zurückkehrt.123 Da das Motiv des ortstein zudem in Kap. 1 der Fundationsgeschichte explizit auf Gertraut von Hilzingen und ihre beiden Gefährtinnen, d.h. die drei ersten Religiosen und Begründerinnen der späteren Ötenbacher Kommunität, bezogen wird,124 mag man auch mit Blick auf diese Partie des Textes, deren Motivrekurrenz auf eine spezifische thematische Verklammerung der Vorrede und der Gründungsgeschichte selbst zielt, eine Redaktion Johannes Meyers für wahrscheinlich halten. Während sich für das Gros der Ötenbacher Viten eine Bearbeitung nicht in dem Maße plausibilieren lässt,125 ist Meyers Urheber- oder Redaktorschaft an der im Breslauer Codex tradierten Gestalt der letzten hagiographischen Vita des Corpus, der Biographie der Margarethe Stülinger, zu sichern. Denn am Schluss der Vita reflektiert der Text seine eigene Genese, indem er den Prozess der Verschriftlichung nachzeichnet, in den am Ende einer Kette von diversen Schreibakten auch Johannes Meyer in seiner Funktion als Beichtiger der Berner Dominikanerinnen involviert ist. So hätten etliche gut willige Ötenbacher Schwestern bald nach Margarethes Tod am || der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts“ Otto Langer: Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie. Zu Meister Eckharts Auseinandersetzung mit der Frauenfrömmigkeit seiner Zeit. München 1987 (MTU 91), S. 30–32 (Zitat S. 30). 123 Cod. Cent. V, 10a, fol. 124va; ed. Zeller-Werdmüller/Bächtold, S. 236f. 124 Cod. Cent. V, 10a, fol. 119va; ed. Zeller-Werdmüller/Bächtold, S. 230f.: Also sint dise drey swester die ortstein die geleit wurden auff das fundament aller creaturen [,] das ist der [,] der himelreich vnd ertrich geschuff vnd von nicht hieß werden. 125 Meyer könnte immerhin die Schlusspartie der die Sammlung einleitenden Vita der adeligen Ita von Hohenfels zuzuweisen sein (beginnend mit: Also hat man hie wol verstanden…), die den Rezipientinnen im Gestus der Paränese den gutten diemüttigen wandel vnd das heilig streng leben der Schwester als Imitabile zur pesserung vorhält im Blick auf das Prinzip der humilitas und den unbedingten Vorrang des Gemeinschaftsgedankens vor den Interessen des Einzelnen – ungeachtet dessen sozialer Herkunft und früherer Stellung in der Welt (Cod. Cent. V, 10a, fol. 129vab; ed. ZellerWerdmüller/Bächtold, S. 247f.).

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7. April des Jahres 1449 damit begonnen, untereinander Nachrichten von Margarethes Tugendleben auszutauschen, zu sammeln und in geschrift [ze] seczen. Als eine dieser Schwestern und vielleicht eine der Initiatorinnen, hies anna, darüber in Zweifel geraten sei, wo fur es joch nütz oder gut were dise ding an zeschreiben, sei ihr die Legitimität des Unternehmens offenbart worden, das es gut were · vnd auch sye wol tetten das sie dis mit sollichem fleiß zesamen lesen. Der die Textproduktion nachträglich legitimierende göttliche Schreibauftrag geht freilich mit dem Anspruch auf Authentizität des Verschriftlichten einher: In der Folge nämlich hätten die Schwestern ihre literarischen Aktivitäten mit fleiß weiter betrieben, also das es mit aller worheit zesamen würde gefügt, bevor sie den vollendeten Text (oder die verschiedenen Einzeltexte) nach Bern gesandt hätten, um sie vom Beichtiger der Berner Dominikanerinnen, dem an dieser Stelle im Modus des anonymen Ich-Sprechers hervortretenden Johannes Meyer, und mit hilf Swester Anna von Sissach [,] der priorin des closters jn sant michels jnsel, überarbeiten und zu einer rechten form bringen zu lassen. Die Textentstehungsgeschichte mündet schließlich in den Fürbittewunsch dieser beiden letzten Textproduzenten oder Redaktoren angesichts des geleisteten Werkes der caritas: vnd das hand wir getan · als vil wir des vermochten got zelob vnd euch allen ze trost · vnd dar vmb begerent wir das ir dar vmb got in vnserem leben vnd noch vnserem tod got trewlichen fur vns bittent durch der mynne willen die wir in der arbeit dis geistlichen spigels durch ewren willen gehebt hand.126 Noch vor der Stülinger-Vita hat Meyer einen umfangreicheren Textpassus eingefügt, der die vorangegangenen Viten der ,alten‘ Ötenbacher Schwestern im Gestus einer Schlussvermahnung einfasst und zugleich zur abschließenden Vita der weit jüngeren Margarethe Stülinger überleitet, um deren Funktion im Kontext des Ötenbacher Corpus zu umreißen. Hier werden abermals die Akzente vom Faszinosum eines subjektiven gnadenhaften Gottesbezuges im Zeichen mystisch-asketischer Entgrenzung, wie dies gerade – in jeweils ganz unterschiedlicher Weise – die beiden unmittelbar vorausgehenden großen Viten der Elsbeth von Oye und Adelheid von Freiburg bieten, allein auf das Konzept ethischer Perfektionierung hin verschoben, wenn der Ich-Sprecher die [a]ller liebsten swestern dazu ermahnt, die getrewen nach volgerin ewer heiligen seligen müttern zu sein, die den heiligen wirdigen prediger orden · jn so groser mynne · vnd mit so strenger bunge gehalten hant. In dieser verengten Perspektive figurieren die alten Ötenbacher Mütter genuin als Exempel vortrefflicher Tugendleistung im Sinne der vollkommenen Erfüllung der normativen Regulative des Ordens. Und genau hierauf konzentriert sich der Appell des IchSprechers zur Nachfolge der Vorgängerinnen in der behaltung vnser heiligen regel [,] Constytucion · gebot · vnd ordenung vnser öbren.127 Diesem Appell wird indes gemäß der argumentativen Strategie der Prolepsis ein imaginärer Einwand von Seiten der

|| 126 Ms. IV F 194a, fol. 81rb–va. 127 Ms. IV F 194a, fol. 63rab.

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Rezipientinnen entgegengestellt, der die Distanz der gegenwärtigen Lebensverhältnisse von denen der großen Vergangenheit des Ordens betont und damit den Vorzug der lebensweltlich-anschaulichen Gewohnheiten und Praktiken der unmittelbaren Vorgänger und Zeitgenossen vor den nicht mehr präsenten idealen Leitbildern der Vorzeit zu legitimieren sucht, nur um dies Gegenargument wiederum abzuwehren und die Möglichkeit des regelstrengen monastischen Lebens noch in der Gegenwart zu bekräftigen. Den Beleg dafür soll die nachfolgende Vita der Margarethe Stülinger erbringen, an der man als yn eim claren spigel werde sehen vnd lesen können, wie auch in dise[n] kalten lowen tregen zeiten [,] dor ynen wir so kleinen fleiß vnd ernst hand ze halten vnseren heiligen orden, und trotz äußerer Widerstände ein heiligmäßiges Leben auf der Grundlage der Einhaltung der Ordensgesetze möglich sei.128 Denn immerhin – hier nun wendet sich der Sprecher im noch eindringlicheren paränetischen Ton der Du-Anrede an jeden einzelnen Rezipienten, um die Verantwortung für das eigene Handeln und seine Rechtfertigung vor Gott zu unterstreichen – verpflichteten sich auch die späten Nachfolger mit den Ordensgelübden auf die von alters her gültigen Normen der Gemeinschaft, wie sie schriftlich in der Regel und in den Konstitutionen niedergelegt seien. Und auch entbinde der Lebenszusammenhang eines Konvents, do man denn sölliches nit als merklichen vnd gemeinlichen hielte, nicht von der – in der Profess geleisteten – individuellen Pflicht zur gehorsamen Erfüllung der dominikanischen Gesetzestexte und zum beständigen Abgleich der tatsächlich, in vivo vorzufindenden Usancen mit diesen verschriftlichten Vorgaben. In diesem Sinne soll die Vita der seligen newen swester Margarethe Stülinger allen vngeordenten brüdren vnd swestern ein Exemplum und spigel der beserung sein, auf dass sie davon den Impetus und die Praktiken observanter Lebensform empfangen, die ihnen womöglich von ihren Mitbrüdern und -schwestern unbekannt sind.129 Der Prolog zur Stülinger-Vita reflektiert das normative Grundprinzip der Imitatio und dessen Fundierung in Christus gemäß Io 14,6: Ego sum via veritas et vita und Io 8,12: et qui sequitur me non ambulat in tenebris sed habebit lumen vite, und leitet daraus das Postulat an den einzelnen Gläubigen ab, auß seinem heiligen leben in gehorsamer Annahme des Todes um des Heiles der Menschen willen ein bild [,] form vnd exempel zu nehmen, um nach ganzem Vermögen den fusstapfen seines wirdigen lebens nach ze volgen.130 Als wiederum exemplarische Nachfolgerin Christi und von daher Imitabile eigenen Rechts führt der Text die Ötenbacher Schwester Margarethe Stülinger ein, die bey vnsern zeitten gelebt hat jn manigfaltigen tügenden · wie wol gar vil ir mit swestern [,] vnder denen sie lebt als ein spiegel der tugenden [,] gar vnvol-

|| 128 Ms. IV F 194a, fol. 63vab. 129 Ms. IV F 194a, fol. 64rab. 130 Ms. IV F 194a, fol. 64vab.

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komen warend.131 Und so soll die Vita der zeitgenössischen „prototypische[n] Observanzschwester in einem nicht observanten Kloster“132 gerade auch den Schwestern der reformierten Konvente (und dann indes auch jenen, die sich in derselben Lage befinden wie Margarethe) ein ,Exemplar‘ vollkommenen monastischen Tugendlebens in der Nachfolge Christi vermitteln, damit sie daran die Konditionen und Usancen ihrer eigenen Virtus und inneren Haltung jenseits der bestehenden äußeren Regularien von Klausurierung und Gemeinschaftspraxis kritisch überprüfen und, wo nötig, korrigieren. In zwölf Kapiteln präsentiert der Text dann jenes ideale Lebensbild zur Festigung der observanten Frömmigkeitspraxis und Gesinnung seiner Rezipienten. Die Vita zeigt dabei gerade in ihren ersten Kapiteln immer wieder verschiedene Engführungen mit der Geschichte der dominikanischen Observanzbewegung bzw. ihren Anfängen und Voraussetzungen, bevor ab Kap. 4 die unterschiedlichen Facetten und Modi von Margarethes Tugendleben im Zeichen einer ,inneren‘ Reform dominieren. Das biographische Schema setzt in Kap. 1 an mit knappen Hinweisen zu Margarethes Geburt in Zürich und ihrem Eintritt in Ötenbach im Alter von 13 Jahren, wird aber sogleich wieder zurückgedrängt vom Narrativ der Ordensreform, das zunächst die Situation in den Jahren von Margarethes Aufnahme in Ötenbach, als noch kein Ordenskloster reformiert war, skizziert, um danach einen Ausblick auf die Ursprünge der dominikanischen Observanzbewegung unter dem Generalat Raimunds von Capua (und unter dem Einfluss der heiligen Katharina von Siena) und auf die Errichtung der beiden reformierten Modellklöster der Teutonia, Colmar (1389) und Schönensteinbach (1397), zu geben. Kap. 2 schildert darauf Margarethes zu ker zu Gott im Sinne eines – speziell auch für das Genre der Nonnenviten charakteristischen – „Akt[es] der eigentlichen Bekehrung, durch den das Individuum seine Weltliebe aufgibt und durch die Entscheidung für Gott ein neuer Mensch wird“.133 Diese entschiedene Zuwendung zu Gott – die besonders mit jenen Resten eines ,Weltlebens‘ kontrastiert, die der Bericht von der konventsinternen Ausbildung der talentierten jungen Schwester in der Technik der Gold- und Seidenwirkerei (zur Vermehrung persönlicher Einkünfte) am Ende von Kap. 1 exponiert – stellt der Text dar im Zusammenhang eines Vorgangs gnadenhafter göttlicher Berufung, der Margarethe unverzüglich Folge leistet, sobald sie sie gewahrt, indem sie iren freien willen in götlicher mynne ganz auf Gott ausrichtet:134 do zoch er [= got] sy mit dem ynnerlichen einsprechen seiner furkumenden götlichen gnaden · vnd dem selben was sie zehand genug vnd gehorsam · vnd neiget geswinde das or der ynerlichen vernunft dar zu.135

|| 131 Ms. IV F 194a, fol. 65rb. 132 Schiewer: Auditionen und Visionen einer Begine, S. 289. 133 Langer: Mystische Erfahrung, S. 60. 134 Ms. IV F 194a, fol. 68va. 135 Ms. IV F 194a, fol. 68ra.

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Äußere Ereignisse und Eindrücke wie die leidvollen Auswirkungen der Schlacht bei Sempach, in deren Verlauf zahlreiche Verwandte und Angehörige besonders der Ötenbacher Dominikanerinnen adeliger Herkunft den Tod finden und deren Datum (9. Juli 1386) zugleich eine vage chronologische Fixierung dieses Abschnitts von Margarethes Leben erlaubt, bestärken die Abkehr der jungen Schwester von der Welt und ihre Hinwendung zu Gott. Von nun an beginnt Margarethe, Gott nach ganzem Vermögen zu dienen und ym nach ze volgen mit aller hand tugenden· dy Christus der herr selber gebet hat, wenngleich die anfängliche Intensität ihrer Askesepraxis vor Gott keinen Gefallen findet und ihr bedeutet wird, dass sie – ganz im Einklang mit dem Ideal observanter Frömmigkeitspraxis – moß vnd bescheidenheit het in der strenckheit irs lebens.136 Kap. 3 wendet sich zunächst erneut der Reformhistorie zu und erzählt von den in etwa gleichzeitigen Initien der Observanzbewegung, vom breiten Widerstand der Unwilligen und der Unterstützung der Anstrengungen Raimunds von Capua durch Papst Bonifaz IX., so dass in der deutschen Ordensprovinz doch wenigstens der Predigerkonvent zu Colmar und das Schwesternkloster zu Schönensteinbach für die Observanten eingerichtet werden konnten. Als der Ruf des heiligmäßigen Lebens dieser ersten observanten Gemeinschaften tönnen ward durch alle land und schließlich auch zu Margarethe Stülinger in Ötenbach dringt, beschließt sie, in ihrem Heimatkloster autark ein monastisches Leben gemäß den observanten Vorgaben zu führen, da es ihr nicht möglich ist, in einen reformierten Konvent überzusiedeln. Und so beginnt sie ihr Leben der ,inneren‘ Reform zuallererst mit der gewissenhaften Erfüllung der tria substantialia Armut, Keuschheit und Gehorsam, die man in allen bewerten geistlichen örden schuldig ist ze halten und deren konkrete Implikationen der Text im Einzelnen anzeigt.137 Hiermit setzt denn auch die umfängliche Darstellung von Margarethes Tugendleben und -übungen unter den Auspizien der Observanz ein, die die folgenden Kapitel und somit den weitaus größten Teil der Vita einnimmt. Das Spektrum reicht – über die substantialia hinaus – von der Befolgung der spezifischen Gesetze des Ordens, wie sie in der Regel und den Konstitutionen verschriftlicht sind, und insbesondere der Einhaltung des Schweigegebots und der Klausur, die Margarethe gegen die Widerstände ihrer nicht observanten Umwelt für sich selbst soweit als möglich zu realisieren sucht (Kap. 4), über die Tugenden der Gottes- und der Nächstenliebe (Kap. 5), der Demut (Kap. 6) und der abgescheidenheit im Sinne des vollständigen Verzichts auf diesseitige Tröstungen und der alleinigen Empfänglichkeit für Gott (Kap. 7), über die Qualitäten von Margarethes innerliche[r] beschawliche[r] andacht und eingezogenheit (Kap. 8),138 ihrer bescheidenheit (Kap. 9) und gedult (Kap. 10) bis hin zu den von ihr praktizierten Formen strenger Nahrungsaskese (Kap. 11). Kap. 12

|| 136 Ms. IV F 194a, fol. 68vb–69ra. 137 Ms. IV F 194a, fol. 69vab. 138 Ms. IV F 194a, fol. 75vb–76ra.

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nimmt schließlich das biographische Schema wieder auf und schildert – gemäß den Konventionen der Heiligenvita – Margarethes seliges Sterben im Beisein des um ihr Krankenlager versammelten Konvents in der Karwoche, am 7. April, des Jahres 1449. Das aber got sie begabet hab mit der ewigen frewde, dessen habe man nit allein kuntsam von der volkomenheit irs seligen lebens, sondern es sei dies auch ersichtlich aus den Zeugnissen ihrer Beichtväter und den gnaden derer, die Gott in ihrem Namen angerufen hätten.139 Mit Blick auf die Akzentuierung ethischer Perfektion und ihrer verschiedenen konkreten Ausprägungen im Horizont eines systematischen Tugendkatalogs stellt sich die Stülinger-Vita in gewisser Hinsicht an die Seite der Vita der Elsbeth Hainburgin von Villingen des St. Katharinentaler Schwesternbuchs, mit der sie auch die Position am Ende des jeweiligen Vitencorpus teilt. Innerhalb der Ötenbacher Sammlung bildet die Lebensbeschreibung der ,zeitgenössischen‘ Margarethe Stülinger indes ein Gegengewicht zu den Porträts der ,alten‘ Schwestern, d.h. insbesondere zu den großen Viten der Elsbeth von Oye und Adelheid von Freiburg, die das Tugendthema verschränken mit einem zuweilen extrem individualisierten Gottesbezug im Zeichen einer Begnadung durch Wahrnehmungen der inneren Sinne und die Erfahrung mystischer Einung. Dass dessen Implikationen nicht mehr in der Weise für das von den Observanten propagierte Paradigma monastischer Frömmigkeit verbindlich sind – ohne dass deswegen die Virtuosität des älteren Frömmigkeitsmodells in Frage gestellt würde –, verdeutlicht die Stülinger-Vita im Zusammenhang der Darstellung von Margarethes kontemplativer Andacht und eingezogenheit. Denn hier spart der Bericht jene ding [,] die got mit ir von ynnen gewürket hat, bewusst aus und begründet dies mit dem topischen Motiv der ,Heimlichkeit der Gnaden‘, insofern Margarethe die im Verborgenen erfahrenen Gnaden aus Gründen der Demut nicht habe öffentlich machen wollen. Zudem wird von Margarethes schweren Verunsicherungen und Leiden infolge der Zweifel eines ihrer Beichtiger an der Authentizität ihrer offenbarung vnd trömlicher gesycht erzählt. Die ihr daraufhin zum Trost übermittelte göttliche Weisung sekundiert ganz die Postulate observanter Mystikkritik: du sölt nit me da von halten · denn als vil es helt mit der heiligen bewerten geschrift · vnd dich zu tügenten weist.140 Entscheidend sind mithin die Konformität mit den Vorgaben der normativen Glaubenstexte und die Impulse für eine nachhaltige Tugendpraxis, vor denen die Faszination eines exklusiven Gottesverhältnisses im Modus mystischer Naherfahrung und Entgrenzung zurücktritt. Die Vita der Margarethe Stülinger soll demnach die vortrefflichen älteren Schwesternleben, die Zeugnis geben von einer glorreichen, heiligen Vorzeit, nicht ersetzen, sondern ergänzen im Sinne eines zeitgemäßeren Frömmigkeitskonzepts, dessen größere Nähe zur Lebenswelt der Rezipientinnen zugleich deren Distanz zu

|| 139 Ms. IV F 194a, fol. 81ra. 140 Ms. IV F 194a, fol. 76ra–va.

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jenen Ursprüngen sichtbar macht. Und wie Meyers Bearbeitung der überkommenen Schwesternviten ihrer allgemeinen Tendenz nach darauf zielt, das Affizierungspotential der textuellen Mimesis hinsichtlich eines mystisch-subjektiven Gottesbezugs zurückzudrängen, so präsentiert die Stülinger-Vita gerade auf breiter Basis und ohne Einschränkung die von den Observanten präferierte Alternative einer Vervollkommnung des monastischen Tugend- und Bußlebens des Einzelnen. Der Fall der Margarethe Stülinger akzentuiert dabei besonders die Aspekte des Selbstregiments und der Disziplinierung des inneren Menschen auf der Grundlage der normativen Vorschriften der Ordensgesetze und gegen äußere Widerstände von Seiten der Gegner der Reform. Umso mehr propagiert der Text ihr Exemplum als Imitabile im Blick auf eine Stabilisierung und Perfektionierung der Spiritualität der Angehörigen der reformierten Konvente, um die äußeren Maßnahmen der Klausurierung und des Gemeinschaftslebens durch die nicht weniger essenziellen Formen einer komplementären inneren Haltung abzusichern. Offeriert der hagiographische Text einerseits auch Momente admirativer Identifikation, die die Distanzierung oder Uneinholbarkeit des ,Exemplars‘ in mancherlei Hinsicht zum Ausdruck bringen (wie etwa das Moment der abgescheidenheit),141 so verschärft andererseits die spezifische Konstellation des Lebenszusammenhangs einer Reformschwester in einem nicht observanten Milieu grundsätzlich den Appell zur Nachfolge speziell für diejenigen, die in den ,gesicherten‘ äußeren Verhältnissen eines Reformklosters leben. Das Konzept des Exemplarischen ist für Johannes Meyers Adaptation der Nonnenviten des 14. Jahrhunderts insgesamt programmatisch. Es erfährt aber seine wohl markanteste Ausprägung – mit iterativen Hinweisen auf die ,Spiegelbild‘Funktion des Textes und konstanten Aufrufen zur Nachfolge – im Kontext jener einzigen Vita des 15. Jahrhunderts, die das Ötenbacher Buch abschließt und deren hagiographisches Modell den propagierten Handlungsmustern observanter Frömmigkeitspraxis am nächsten steht. Damit wird die Geltung der übrigen Exempel der Sammlung keineswegs konterkariert, den Rezipientinnen aber eine spezifische Valenz und Verbindlichkeit des Identifikationsbeispiels und ,Exemplars‘ der Margarethe Stülinger und seines genuinen Anspruchs einer Imitatio Christi unter den Konditionen des Zeitalters der dominikanischen Observanz suggeriert.

|| 141 Die grosse abgescheidenheit diser vil seligen swester ist vns wol me ze verwundern · denn das wir ir nach mügent volgen wann sy het me denn funfczig jar ein abgescheiden leben gefürt · also das sie floh aller menschen trost · vnd von keiner creaturen sünder ergeczlickeit het noch sücht (Ms. IV F 194a, fol. 74vb).

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5.2.4 Chronik des Inselklosters St. Michael in Bern Die Reihe der Nonnenbücher des 14. Jahrhunderts beschließt die Chronik des Inselklosters St. Michael in Bern.142 Johannes Meyer hat sie um die Mitte der 1450er Jahre zunächst für die Berner Dominikanerinnen verfasst.143 Als Hausgeschichte auf der Grundlage der Dokumente des Klosterarchivs komplettiert sie die wohl ebenfalls von Meyer – in Kooperation mit der Priorin Anna von Sissach – veranlasste Kollektion normativer Texte des Berner ,Konventsbuchs‘ des Codex A 53144 mit den Verfassungstexten der Dominikanerinnen, dem Regelkommentar Ps.-Hugos von St. Viktor, einem Urkundenbuch mit den Privilegien des Inselklosters sowie einem deutschen Liber vitae, der die Namen der verstorbenen Schwestern des Berner Konvents und ihrer Seelsorger tradiert und dessen spezifische Annotationen zur Klostergeschichte verschiedentlich auf die Chronik referieren.145 Dennoch passt sich die Chronik des Inselklosters durchaus in das übergreifende Sammlungskonzept der Nürnberger und Breslauer Handschrift ein, wo sie bislang allein bezeugt ist. Denn einerseits steht die Berner Konventsgeschichte in engem Zusammenhang mit der Ötenbacher Historie, da das Inselkloster in seinen Anfängen vier Schwestern aus Ötenbach aufnahm, die die Berner Nonnen zu einem mustergültigen geistlichen Leben anleiten sollten, andererseits kontinuiert und verstärkt sie die mit der Vita der Margarethe Stülinger initiierte Tendenz einer Ergänzung der überkommenen Frömmigkeitsbilder des 14. Jahrhunderts um die moderneren Formen observanter Spiritualität.

|| 142 Einen Überblick über den Text gibt Schneider-Lastin: Meyer, Johannes [Nachtr.], Sp. 1003f.; zum Text weiterhin jetzt auch Neidhardt: Autonomie im Gehorsam, S. 70–73, 197–219, 371–374. 143 Der lateinische Vorspann zur Chronik verweist zwar nur auf die Autorschaft cuiusdam fratris quondam confessoris nostri (Ms. IV F 194a, fol. 82ra), doch lassen weitere textinterne Hinweise sowie die bekannten Daten von Meyers Amtszeit als Seelsorger der Berner Schwestern keinen Zweifel an seiner Urheberschaft. Als Terminus post quem für die Abfassung des Textes wird man das jüngste Datum, das der Text mitteilt, den meig tag der heiligen zwelfpoten philippi et jacoby (1. Mai) 1455, ansetzen können (Ms. IV F 194a, fol. 133rb). – Zu Recht hat Neidhardt: Autonomie im Gehorsam, S. 72 u. 198 auf den Wechsel zum kollektiven Wir-Gestus in der Erzählinstanz speziell von Kap. 39 (fol. 127vb) an aufmerksam gemacht. Nicht zwingend muss man deswegen jedoch eigens für diese Partie eine „ältere Textschicht“ (und noch weniger zwingend eine konkrete „Mitautorin“ Anna von Sissach) annehmen (S. 71f.). Denn nichts spricht dagegen, hinter der Wir-Form – die auch früher schon begegnet – hier weiterhin den Konventsseelsorger Johannes Meyer selbst zu vermuten, der gerade die Verhältnisse seiner eigenen, unmittelbaren Gegenwart mitunter dezidiert aus der Position eines Angehörigen der observanten Klostergemeinschaft heraus schildert und deutet (mit Übergängen zur Prediger-Rolle). 144 Dazu o. S. 82. 145 Engler: Regelbuch, S. 24–26.

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Schon der vollständige Titel des Textes, den das lateinische Incipit anzeigt,146 signalisiert die Modifikation des Texttyps der Fundationsgeschichte im Sinne einer Darstellung nicht nur der stiftung und der ersten Anfänge, sondern auch der wider bringung bzw. Reform des alten Klosters, wie sie Meyer dann einige Jahre später auch für die Geschichte Schönensteinbachs im Buch der Reformacio Predigerordens gestaltet hat und wofür entsprechende Modelle der observanten lateinischen Klosterliteratur wie etwa das der Vitas fratrum praedicatorum conventus Basiliensis von Meyers Basler Lehrer Johannes von Mainz vorlagen.147 Im Zeichen dieser reformchronistischen Perspektive behandelt der Text in 55 Kapiteln die Geschichte des Inselklosters von seinen Ursprüngen bis ins Jahr 1455. Während die Kap. 1–26 der Vor- und Frühgeschichte und den folgenden durch Diskontinuitäten und Brüche gekennzeichneten Phasen der Konventshistorie gewidmet sind, in deren Verlauf immer wieder der potenzielle Untergang des Klosters heraufbeschworen wird, schildern die Kap. 27–51 die zunehmende Stabilisierung und Prosperität der Gemeinschaft seit ihrer Klausurierung und der Einführung der Observanz im Jahr 1439, wobei die Kap. 46–51 nach dem Muster des Nonnenbuchs eine Serie von Viten der ersten Schwestern der Observanz präsentieren. Die Kap. 52–55 runden die Erzählung ab mit vier paränetischen Ansprachen des Chronisten, die den Adressatinnen Handlungsanleitungen für ein gottgefälliges und heilsförderndes monastisches Leben auf der Grundlage observanter Verhaltensnormen bieten. Die Vorrede oder der Sendbrief (prologus epistolaris) des Autors zum Gesamttext offenbart mit der einleitenden Salutatio dessen primären Berner Rezeptionszusammenhang. Gegenüber seinen Adressatinnen, der Priorin und den Schwestern des Berner Konvents, die er zudem als seine lieben getrewen beicht kind[er] bezeichnet,148 legt der Verfasser seine Gründe für die Niederschrift des vorliegenden Textes dar und nennt die von ihm benutzten Quellen. Die Anregung dazu geht demnach auf die Berner Schwestern selbst und ihre begird nach einem historischen Bericht von der aller ersten auf stifftung vnd h(r komenheit ihres Konvents zurück. Die daraufhin nach rechter ordenung in ein gefüges buch gebrachte Klostergründungsgeschichte hat alle die briff · jnstrument · vnd register des Klosterarchivs, die dem Verfasser zugänglich waren, zur Grundlage.149 Doch wird eigens auf die Erweiterung des Berichtshorizonts zum Zweck etwas gutter besserlicher exempel hingewiesen: So hab ich h(r zu geschriben wie diß closter ze der volkomenheit der beschlutzte · vnd der

|| 146 Liber antique fundacionis et institucionis ac nove reparacionis et reformacionis monasterij sacri sanctimonialium seu sororum inclusarum Insule Sancti Michahelis (Ms. IV F 194a, fol. 82ra). 147 Vgl. o. S. 92. 148 Ms. IV F 194a, fol. 82rb. 149 Ms. IV F 194a, fol. 82vb. – An anderer Stelle, im Zusammenhang mit der Schilderung der vorläufig letzten Zerstörung des Klosters durch einen großen Stadtbrand (Kap. 20), betont der Chronist, dass die Schwestern nichts hätten vor dem Feuer retten können als ein laden mit brieffen · do von ich dis buchlein das merteil gemachet hab (Ms. IV F 194a, fol. 108rb).

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behaltung des ordens komen ist · vnd von den swestern die das selb angefangen hand.150 Die Authentizität dieser Addenda aus der jüngeren Vergangenheit verbürgen nun vor allem die dem Verfasser unmittelbar zugetragenen Nachrichten der alten swestern [,] die es alles mit ir eygen gegenwurtikeit · gemerket · gesehen · vnd enpfunden hand. Als Gegenleistung für das aus brüderlicher trew vollendete Werk, das dieser seiner spezifischen Thematik wegen buch der stiftung · vnd wider bringung des closters jn sant Michels jnseln heißen soll, erbittet der Chronist zuletzt die Fürbitte der Schwestern zu seinen Lebzeiten und nach seinem Tod.151 Dem Prolog des Autors folgt in Kap. 1 eine zweite Vorrede des Chronisten in der Rolle des Predigers. Sie stellt Is 24,15 mit dem leicht veränderten Wortlaut: Glorificate deum in insula als Motto voran und appliziert das Prophetenwort in figuraler Deutung auf die Gemeinschaft der ,Inselschwestern‘. Hier werden der Ursprung und Fortbestand der spirituellen Gemeinschaft über alle Wechselfälle, existenziellen Bedrängnisse und Leiden hinweg, deren Exzeptionalität der Text wiederum als zentrales Identitätsmerkmal der Berner Kommunität reklamiert, allein dem aller Geschichte vorausliegenden Ratschluss der göttlichen Providenz zugeschrieben: wann got der herr von seinen sunderlichen gnaden so wolt er gehebt haben sein lob hie jn der jnsel.152 Unter diesem Aspekt wird denn auch betont, das got die reformacio der obseruancz vnd dy behaltung des ordens vnd die besch[l]uczte in diser jnsel haben wolt · vnd es also jn seiner ewigen weisheit angesehen hat von angeng der welt · das alles ewr leben nit anders wann ein lob des almechtigen güttigen gottes sein sölte.153 Das im Signum der Reform evident gewordene göttliche Gnaden- und Heilswerk verlangt indes umso mehr – so der zugleich ex negativo, durch den Weheruf über die ,Verkehrten‘ vermittelte eindringliche Appell des ,Predigers‘ – ein vorbildliches Leben der gegenwärtigen und künftigen Konventualinnen zum Zweck des ewigen Lobes Gottes. Von Kap. 2 an werden dann die Geschichte und Geschicke des ,alten‘ Klosters dargestellt:154 die Vorgänge um die allererste Stiftung durch Mechthild von Seedorf nit vil jaren nach dem Tod des Ordensgründers Dominikus,155 die Errichtung dieses ,Urkonvents‘ – in Konkurrenz mit den Zisterziensern von Frienisberg, die am Ende das Nachsehen haben – in Brunnadern außerhalb Berns und seine Inkorporation in den Orden im Jahr 1294, die Übersiedelung von vier erfahrenen Ötenbacher Schwestern nach Brunnadern zur Formierung eines den Ordensnormen gemäßen monastischen Lebens, die erste Zerstörung des Klosters im Zuge kriegerischer Auseinander|| 150 Ms. IV F 194a, fol. 82vb. 151 Ms. IV F 194a, fol. 83rab. 152 Ms. IV F 194a, fol. 87va. 153 Ms. IV F 194a, fol. 88ra. 154 Vgl. dazu insbesondere den Überblick von Engler: Bern, St. Michael in der Insel, S. 611–623 (mit Zusammenstellung der erhaltenen Quellen). 155 Ms. IV F 194a, fol. 88va.

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setzungen, in die die Stadt Bern verwickelt ist, die Verlegung des Konvents nach Mariental (auf eine Aareinsel) in die Nähe Berns und schließlich die Zerstörung auch dieses – unter der Protektion König Adolfs von Nassau erbauten – Klosters durch Brandstiftung, die zur neuerlichen Aufgabe der Hofstätte und Auflösung der Konventsgemeinschaft führt (Kap. 11). Den hier erreichten Tiefpunkt der an Wirrungen reichen Geschichte des Inselklosters markiert und kommentiert die Wiederaufnahme des Glorificate deum in insula (Is 24,15) aus Kap. 1, die die Rettung und Erhaltung der Gemeinschaft allein der wunderbaren Fügung Gottes zuweist, um daraus wiederum die Verpflichtung des Einzelnen zur Observanz des Ordens abzuleiten: das wir nun fürer hin zu ewigen zeitten mit behaltung vnsers heiligen ordens jm also fleisseklichen sigent dienen jn volkomenheit der tugent.156 Von nun an sichern vor allem einzelne herausragende Persönlichkeiten wie die 30 Jahre amtierende Priorin Berta von Burgdorf, die auch die spätere Klosterstätte innerhalb Berns erwirbt (Kap. 13), oder ihre Nachfolgerin Clara von Jagberg, die die Klausurierung des Klosters Ende der 1430er Jahre vorantreibt, die Kontinuität des Berner Konvents, dessen nur mühsam, nach langen Jahren des Exils (in denen die wenigen verbliebenen Schwestern in einem Privathaus in der Nähe des Predigerklosters Unterkunft finden) und gegen den vehementen Widerstand des Pfarrklerus errichtete Gebäude abermals einem verheerenden Stadtbrand zum Opfer fallen (Kap. 20). Während der Text diese Ereignisse als göttliches Strafgericht deutet, das dem Fehlverhalten der Schwestern (Eigenbesitz, Verweltlichung) in einer Phase äußerer Ruhe und Annehmlichkeiten gilt, reflektiert er die Bekümmernisse der beiden zuletzt verbliebenen Schwestern Clara von Jagberg und Christina Velwaldin angesichts des von den Ordensoberen – wegen der immer noch nicht vollzogenen Beschließung – angedrohten Ausschlusses des Berner Konvents aus dem Ordensverband mit dem abermaligen Hinweis auf das Wirken der ewige[n] weisheit und deren Prüfung der monastischen Gemeinschaft, auf dass man furer hin ir wirdencklichen sölte[] dienen in friden vnd andechtecklichen (Kap. 24).157 Der primäre Indikator für die trotz aller Anstrengungen stets prekäre Lage der Schwestern in jenen Jahren ist die fehlende Klausurierung der Gemeinschaft, die vor allem in der Armut der Berner Verhältnisse begründet ist. Insofern erscheint das Jahr 1439, das die Einführung der Klausur und der Observanz brachte, als die entscheidende Wende in der Konventsgeschichte. Detailliert beschreibt der Text daher das den wohlgeordneten Neubeginn signalisierende liturgische Zeremoniell sowohl am Tag der Beschließung des Konvents (Kap. 27) wie auch am Tag der Reformierung (Kap. 30), die auf Initiative des Vikars Konrad Schlatter bald nach der Klausurierung mit der Aufnahme dreier Schwestern aus dem observanten Basler Steinenkloster eingeleitet wurde. Die zunehmende Prosperität und Fama des observanten Lebens

|| 156 Ms. IV F 194a, fol. 99vb. 157 Ms. IV F 194a, fol. 112rab.

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der Berner Dominikanerinnen propagiert das Inserat eines Sendschreibens (in deutscher Übersetzung) des Ordensgenerals Bartholomäus Texerius in Kap. 34, das den mittlerweile erreichten Stand der geistlicheit der Schwestern lobt und sie dazu anspornt, an vnterlaß auf ihrem Weg vom ,Guten zum Besseren‘ voranzuschreiten.158 Gleichwohl bleiben den Schwestern auch nach der Einführung der Observanz leiden vnd grosse widerwertigkeit nicht erspart, die der Chronist wie auch sonst unter den Vorzeichen einer von Gott verhängten Prüfung und Läuterung deutet.159 Nur gilt ihm jetzt der boß tausentlistig feint und beneyder aller guter dingen als genuiner Urheber des entstandenen Zwistes innerhalb der Kommunität, dessen Ziel es ist, die seligen Anfänge des Reformwerks zu zerstören (Kap. 35).160 Die teuflischen Anfechtungen der observanten Gemeinschaft, die am Ende mit Hilfe vor allem des Rates der Stadt Bern überwunden werden, nimmt das Sprecher-Ich daher zum Anlass einer heilsamen ler vnd gutter warnung,161 die den Rezipientinnen die Gefahren falscher Werkgerechtigkeit und der Superbia angesichts des Ruhmes der Welt in Erinnerung ruft und zu einer stetigen Verbesserungsarbeit am eigenen geistlichen Leben in beharrlicher Demut und Gottesfurcht mahnt (Kap. 36). Allein der Umfang der Darstellung der jüngsten Geschichte des Klosters seit 1439 (von Kap. 27 an), der in etwa dem der gesamten älteren Geschichte entspricht, offenbart die dezidiert reformhistorische Ausrichtung des Textes. Dabei ist es der Chronik der letzten 16 Jahre der Konventsgeschichte vor allem darum zu tun, die Stabilisierung und den Fortschritt der observanten Gemeinschaft in spiritualibus trotz der Armut und des Mangels der äußeren Konditionen und gerade auch in Kontrast zur Defizienz und latenten Gefährdung der Lebensverhältnisse der früheren Zeiten aufzuzeigen. Besondere Erwähnung finden unter diesem Aspekt verschiedene institutionelle Maßnahmen wie die Umwidmung der Messestiftung des Hans von Muleren zugunsten der Inselschwestern und die damit zusammenhängende erstmalige Einrichtung der Position eines ständigen Klosterseelsorgers (deren Profil und besondere Anforderungen hinsichtlich der Berner Verhältnisse in Kap. 40 entfaltet werden) sowie auch die gänzliche Loslösung des Konvents von der alten Bindung an die Berner Prediger. Einen spezifischen Anteil an der Verbesserung des geistlichen Lebens schreibt der Text aber auch den Initiativen (etwa zum Ausbau des Bibliotheksbestandes u.a. durch den Erwerb liturgischer und normativer Basistexte) der seit 1445 amtierenden neuen Priorin Anna von Sissach zu, die man auf Rat des Vikars vom Basler Steinenkloster nach Bern geholt hatte. Als vorläufig letzter Meilenstein auf dem Weg zu einem monastischen Leben im Zeichen vollkommener

|| 158 Ms. IV F 194a, fol. 122vab. 159 Ms. IV F 194a, fol. 123rb. 160 Ms. IV F 194a, fol. 123va. – Zu den hier begegnenden Tendenzen einer Mythisierung von Geschichte vgl. die Überlegungen zum Buch der Reformacio Predigerordens o. S. 169–173. 161 Ms. IV F 194a, fol. 124ra.

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Observanz erscheint die Einführung der singende[n] mess am 1. Mai 1455 und mithin 15 Jahre nach der offiziellen Reformierung des Berner Konvents.162 Umso mehr betont der Text die großen Anstrengungen, die die Schwestern trotz aller – in der Prekarität der ökonomischen Situation des Inselklosters begründeten – äußeren Hindernisse unternahmen, um auch und gerade hinsichtlich der gültigen Praktiken liturgischen Gesangs Gleichförmigkeit mit den anderen reformierten Dominikanerinnenklöstern zu erreichen (Kap. 45). Der Reformgeschichte des Berner Konvents folgt eine Reihe von acht Viten der ersten Schwestern der Observanz (Kap. 46–51). Damit nimmt der Text das für das Sammlungskonzept des Nürnberger und Breslauer Codex konstitutive Modell des Nonnenbuchs auf, verschiebt aber auch hier die Akzente, insofern nun nicht die Biographien der glorreichen ,alten‘ Schwestern des Klosters, sondern die der Begründerinnen des ,zweiten Anfangs‘ unter den Auspizien der Reform zusammengestellt werden. Im Vorwort zur einleitenden Vita der Elisabeth von Büttikon, der ersten Priorin der Observanz, fasst der Chronist in direkter Ansprache der Rezipientinnen noch einmal die Stationen der Klostergeschichte knapp zusammen und zeigt vor allem die teleologische Perspektive seiner Darstellung an, indem er den Weg der klösterlichen Institution hin zu dem zil rechtes ordenhaftigen lebens und zu volkomenheit der beschluczste vnd der behaltung des heiligen prediger ordens nachzeichnet. Demgemäß sollen die folgenden Viten etwas besserlicher gutter exemplen vermitteln insbesondere mit Blick auf das Tugendleben der lieben swestern die in diser obseruancz der behaltung des ordens vns vor gangen sind vnd verharret hand biß an daz ende vnd in diser beschluczte vnd obseruancz als wir wol getrawent selicklichen gestorben sind.163 Die Lebensbilder der seligen Vorgängerinnen sind vom Format her indes nicht mit der großen Einzelvita der Margarethe Stülinger am Ende des Ötenbacher Buchs vergleichbar, sondern entsprechen vielmehr dem Typus der Kurzvita des Nonnenbuchs. Dennoch versammelt die Vitenserie verschiedene Ausprägungen und Facetten eines Grundrepertoires observanter Tugend- und Verhaltensmaximen. So figurieren etwa Elisabeth von Büttikon aufgrund ihres vorbildlichen Klosterregiments und Tugendlebens als beharrliche Verteidigerin und Förderin der geistlikeit der observancz (Kap. 46)164 und die erste Subpriorin Katharina von Eptingen als strenge Lehrmeisterin der jungen Schwestern im Hinblick auf die korrekte Verrichtung des Officium divinum (Kap. 47), während die erste Schaffnerin Christina Velwaldin als unermüdliche Arbeiterin im Dienst des Konvents und exempel der tugend der gedult (Kap. 49)165 und die im jungen Alter von 23 Jahren verstorbene Ottilia Spicherlin als ,Spiegel‘ der tugend der senftmütikeit vnd gütti-

|| 162 Ms. IV F 194a, fol. 133rb. 163 Ms. IV F 194a, fol. 133vb. 164 Ms. IV F 194a, fol. 135ra. 165 Ms. IV F 194a, fol. 140rb.

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keit166 mit besonderem Eifer zur Einhaltung des Schweigegebots und zur gewissenhaften Ausübung des ihr befohlenen Amts der Zirkarin (Kap. 50) präsentiert werden. Den Viten der Chor- und Amtsschwestern reihen sich in Kap. 51 drei kürzere Laienschwesternviten an, die die Attraktivität des reformierten monastischen Lebens bei den Weltleuten herausstellen und den Beitrag des in den Konvent eingebrachten Privatvermögens der verwitweten bzw. unverheiratet gebliebenen Frauen für die Stabilisierung des observanten Gemeinschaftslebens unterstreichen. Die Chronik des Inselklosters und die Exempla der ersten Schwestern der Berner Observanz schließen vier Mahnreden des Verfassers ab (Kap. 52–55), die sich mitunter explizit an die Gruppe der primären Rezipientinnen des Berner Inselklosters richten und eine Art Epilog zum Gesamttext bilden. Die Instruktionen und Anleitungen des Ich-Sprechers in der Rolle des Seelsorgers gelten verschiedenen Aspekten des monastischen Tugendlebens observanter Prägung: einer auf Gemeinschaftlichkeit und Demut gründenden Frömmigkeitspraxis entsprechend den Normen des Ordens (Kap. 52), spezifischen Tugenden wie Gottesliebe und Brüderlichkeit bzw. schwesterlicher Treue (Kap. 53), Mitleid und Geduld (Kap. 54) sowie zuletzt dem Grundprinzip der Armut (Kap. 55). So ruft die Paränese von Kap. 52 zunächst zum dankbaren Dienst Gottes angesichts des nun erreichten geistlichen Status des Klosters auf und warnt – ähnlich wie schon die Mahnrede in Kap. 36 – vor jnnerlicher hoffart sowie auch vor sölchen sünderlichen geisten das nit gewönlichen in dem orden ze vertragen ist/ noch es der orden weist.167 Diese Missbilligung einer als exaltiert und egozentrisch bewerteten Frömmigkeit betrifft vor allem auch – die in den vorausgegangenen Schwesternviten freilich ganz ausgesparten – Formen sinnlich-emotionaler Spiritualität und lässt dabei die bekannten Reserven observanter Mystikkritik168 des 15. Jahrhunderts erkennen: Begeret keiner sunderlicher offenwarung noch gesycht/ wan leider vil menschen do von betrogen wer[d]ent. Die Gefahren derartiger Praktiken, die aus ihrer Nähe zur Häresie resultieren, werden mit Verweis auf die Christusrede in Mt 23 und deren Weheruf über die hypocritae klar benannt: vnd wer sölliches begert · ist zu vörchten an allen zweifel daz des menschen grunt nit recht sey · vnd ob joch er vil sunderlichen nebend auß geistet vnd kan vil von hochen materien sagen vnd geren tief fragen tut · so ist doch zu vorchten das solliche seint von der czal der gleichsneren von den got in dem ewangellium spricht Mathei xxiij.169 Hinter der Abwehr und Skandalisierung entsprechender individualistischer Tendenzen als des teufels getet, die auf „Wachsamkeit und generellem Mißtrauen mystisch Geneigten gegenüber“170 insistiert, steht freilich das Ideal einer hierarchisch kontrollierten

|| 166 Ms. IV F 194a, fol. 140vb. 167 Ms. IV F 194a, fol. 142vb–144ra [recte 143ra]. 168 Vgl. o. S. 124–127. 169 Ms. IV F 194a, fol. 144ra [recte 143ra]. 170 Williams-Krapp: Frauenmystik und Ordensreform, S. 305.

St. Michael in Bern | 269

Lebensform im Zeichen der Gemeinschaftlichkeit, deren Grundlage des ordens recht ist.171 Während die Kap. 53 und 54 noch einmal einzelne Tugenden und Verhaltensweisen, die den Schwestern mit Blick auf das klösterliche Gemeinschaftsleben und den Umgang untereinander nott sind,172 profilieren und ihre Verbindlichkeit im Rekurs auf einschlägige Exempla der Heiligen Schrift und Gebote Christi anzeigen (Gottesliebe und schwesterliche Liebe; Mitleid, Geduld), widmet sich das Schlusskapitel allein dem Postulat der Armut. Hier wird auf das Imitabile der Armut Christi und der Gottesfreunde des Alten und Neuen Testaments verwiesen, um ein monastisches Leben im Verzicht auf persönlichen wie (übermäßigen) gemeinschaftlichen Besitz zu propagieren. Dass im Umkehrschluss die Sorge des Einzelnen wie des Kollektivs um zeitliche Güter und ein geistliches Leben, das den schacz der tugenden im Blick hat,173 miteinander unvereinbar sind, demonstriert der Ich-Sprecher schließlich am Beispiel der Geschichte des eigenen Ordens, wenn er im Duktus reformerischer Rhetorik den Niedergang des einst vorbildlichen Gottesdienstes der alten Ordensklöster auf den Verlust der Armut bzw. den gewachsenen materiellen Reichtum und Wohlstand dieser Institutionen und ihrer Konventualen zurückführt. Hinsichtlich des Gebrauchszusammenhangs der Textsammlung der Nürnberger und Breslauer Handschrift und insbesondere der Chronik des Inselklosters St. Michael ist prinzipiell zwischen der primären und der sekundären Rezeption zu unterscheiden. Für die originäre Resonanzgruppe, die Berner Dominikanerinnen, entwirft die Kollektion der Schwesternbücher eine Traditionslinie exemplarischen monastischen Lebens, die bei den altehrwürdigen Häusern des hochalemannischen Raumes ansetzt und den Berner Konvent aufgrund seiner weit zurückreichenden Verbindung zum Kloster Ötenbach genealogisch integriert. Auf diese Weise wird einerseits die Kontinuität des Berner Hauses mit den glorreichen Ursprüngen des Zweiten Ordens betont; andererseits vermittelt gerade der Fall des so spät ze der volkomenheit der beschlutzte · vnd der behaltung des ordens174 gelangten Inselklosters – in Fortführung und Verfestigung der Tendenzen der letzten Ötenbacher Vita, der Biographie der Margarethe Stülinger – spezifische Distanzierungseffekte, indem hier den Lebensmodellen der heiligmäßigen Vorfahren des 13. und 14. Jahrhunderts die Paradigmen einer für die Verhältnisse des 15. Jahrhunderts adäquateren und verbindlicheren Lebensform gegenübergestellt werden. Mögen die Berner Leserinnen auch speziell an den Fragen der Genese und Identität und mithin an der Eigengeschichte ihrer lokalen Gemeinschaft interessiert gewesen sein – vor allem für die sekundäre Rezeption jenseits des Berner Inselklosters, im weiteren Kreis der observanten Konvente der deutschen Ordensprovinz (wie sie das Nürnberg-Breslauer

|| 171 Ms. IV F 194a, fol. 144rb–va [recte 143rb–va]. 172 Ms. IV F 194a, fol. 144va [recte 143va]. 173 Ms. IV F 194a, fol. 147va [recte 146va]. 174 Ms. IV F 194a, fol. 82vb.

270 | Die Redaktionen dominikanischer Nonnenbücher

Handschriftenpaar bezeugt), wird man dem zuvor genannten Aspekt sicher eine besondere Bedeutung einräumen dürfen: Die Geschichte des Berner Konvents und die Identifikationsbeispiele der ersten Schwestern der Observanz propagieren dann, im Horizont der umfassenderen Identität und Tradition des Zweiten Ordens, die Prinzipien der monastischen Erneuerung im Zeichen der dominikanischen Ordensreform als Bedingung der Möglichkeit eines religiösen Gemeinschaftslebens, das sich den in den älteren Kollektionen überlieferten virtuosen Lebensformen der heiligen Ahnen entsprechend dem Postulat der Nachfolge unter den Voraussetzungen der neueren Zeiten annähern kann175 und das den Einzelnen aufgrund seines Wohlgefallens vor Gott auf einen Weg zu den himmlischen Gnaden und zum ewigen Heil zu weisen imstande ist.

|| 175 Die grundsätzliche Geltung und Verpflichtung des Konzepts der ,Nachfolge der vortrefflichen alten Mütter und Vorgängerinnen‘ unterstreicht schließlich noch einmal das auf die Berner Chronik folgende und mithin die ursprüngliche Textkollektion der Nürnberger und Breslauer Handschrift abrundende geistliche Mahnschreiben des Johannes von Mainz (Ms. IV F 194a, fol. 148vb–151vb [recte 147vb–150vb]).

6 Die lateinischen Schriften: Beiträge zur offiziellen Literatur des Ersten Ordens 6.1 Memorialbuch und literarisches Pantheon: Der Liber de illustribus viris O.P. Die beiden großen lateinischen Schriften Johannes Meyers, der Liber de illustribus viris O.P. und die Chronica brevis O.P., sind um die Mitte bzw. gegen Ende der 1460er Jahre und in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Buch der Reformacio (1464/68) und dem Textverbund von Vitas fratrum (1469) und Papst-/Kaiserchronik (1470/71) entstanden. In seinem später zusammengestellten Schriftenverzeichnis des Epistel brief z den swesteren prediger ordens charakterisiert Meyer beide Texte als gar schne latinsch bchli die ettlich meister der heiligen geschrifft besehen hant/ vnd ch ander ettlich vetter me die ein gefalen dar an hant, und unterstreicht damit ihren Status und Geltungsanspruch als autorisierte Beiträge zur offiziellen Schriftkultur des Ersten Ordens.1 Die allein in der Wahl des Lateinischen als Abfassungssprache manifeste exklusive Zuordnung der Texte zum litteraten Diskurs des männlichen Ordenszweiges verdeutlicht denn auch die abschließende Versicherung Meyers gegenüber den primären Adressatinnen des Werkkatalogs des Epistel brief, den observanten Dominikanerinnen der Teutonia, er habe die beiden in Latein verfassten Schriften gleichwohl vast ch z trost in gezogen in seine zuvor aufgelisteten deutschen bücher.2 Den Liber de illustribus viris vollendete Meyer im Jahr 1466, wahrscheinlich im Predigerkonvent zu Gebweiler. Die Schrift ist gemäß der Widmungsadresse des Prologs Johannes Kreutzer, dem verehrten Gebweilerer Mitbruder und Vertrauten des Verfassers, zugeeignet, der 1465 seine Position als Domherr am Basler Münster und Professor für Theologie an der Universität aufgegeben hatte, um in den Dominikanerorden bzw. in das 1461 – unter seiner Mitwirkung – reformierte Predigerkloster seiner Heimatstadt Gebweiler einzutreten, nachdem man dort 1465 mit der Realisierung des Projekts eines monastischen Lebens in vollkommener Armut begonnen hatte.3 Das am Ende des Prologs mitgeteilte Fertigstellungsdatum (Scriptum Anno gracie ·M·cccc°·lxvj· Infra octavas Beati dominici patris nostri) korrespondiert mit dem bekannten Datum von Kreutzers Profess,4 der Hinweis darauf im Anschluss || 1 Berlin, Staatsbibliothek, Mgq 195, fol. 255v–256r; Scheeben: Handschriften I, S. 188. Vgl. Seebald: Schreiben für die Reform, S. 48. 2 Mgq 195, fol. 256v; Scheeben: Handschriften I, S. 188. 3 Dazu o. S. 216f. 4 Basel, Universitätsbibliothek, Cod. E III 12, fol. 1v (Kürzel sind aufgelöst, u/v-Ausgleich ist durchgeführt); Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 17. – Löhr: Teutonia im 15. Jahrhundert, https://doi.org/10.1515/9783110656695-006

272 | Die lateinischen Schriften

an die eröffnende Salutatio (ordinem fratrum predicatorum quem deo iubente pridie professus estis) wird demnach den konkreten Anlass der Dedikation bezeichnen.5 In seiner Adresse an Kreutzer expliziert Meyer eine der Intentionen seiner Schrift: Sie soll den soeben mit der Profess als vollgültiges Ordensmitglied Inkorporierten bekannt machen mit der großen Zahl derer, die den Orden gegründet, aufgerichtet, geziert und begleitet und wiederum durch seine Reform erneuert haben. Zwar sei die Materie denjenigen vertraut, die den weiten Horizont des Ordensschrifttums ausgeschritten hätten, doch begünstige eine auf prägnante Kürze setzende summarische, ex diversis libris kompilierte Darstellung (wie die vorliegende) die Funktion der Erinnerung.6 Gerade im Eingeständnis des Verfassers, angesichts der Sorglosigkeit der Nachgeborenen unmöglich umfassend Nachricht geben zu können von den vielen Brüdern und Schwestern des Ordens, die von den Zeiten des Dominikus bis in die Gegenwart der Textabfassung in Heiligkeit des Lebens, im Ruhm der göttlichen Wunderzeichen und in der Erkenntnis der Wissenschaften geleuchtet hätten, ist dabei das Moment der Glorifikation der eigenen Ordensgemeinschaft präsent.7 Der ausdrückliche Auftrag an den Leser, das Vorhandene im Laufe der Zeit mit erfahrener Hand zu vervollständigen, signalisiert die prinzipielle Offenheit und konzeptuelle Unabgeschlossenheit von Meyers Textkomposition.8 || S. 103: „1466 Aug. 7 General Auribelli gibt in Freiburg i.B. seine Zustimmung zur Profeß Kreutzers“; Maternus Berler: Chronik. In: Code historique et diplomatique de la ville de Strasbourg. Bd. 1: Chroniques d’Alsace. Teil 2. Strasbourg 1843, S. 1–130, hier S. 73: 1466. – Doctor Johannes Crutzer ward ein prediger munch. – An sanct Dominicus tag nam an den orden sancti Dominici doctor Johannes Crucer in dem closter zu Gebwiler mitt sampt zweien synen dienneren. 5 E III 12, fol. 1r; Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 16. 6 Ut vestra devocio et caritas pro parte agnoscat quanti et quales fuerint qui ordinem fratrum predicatorum quem deo iubente pridie professus estis · fundaverunt construxerunt adornaverunt prosecuti sunt et iterato reformaverunt · in hoc libello quorundam eorum nomina et mores sentenciali brevitate perstringere curabo · que quamvis quibusdam fratribus nota sint qui per amplitudinem librorum ordinis cucurrerunt facilius tamen ad memoriam reducuntur dum brevi sermone leguntur (E III 12, fol. 1r; Meyer: Liber de Viris Illustribus [ed. Loë], S. 16). 7 Nec putetis me maiorem partem nominum sanctorum patrum nostrorum apposuisse cum fere non sit aliquis locus ordinis in quo non claruerint fratres aut sorores sanctitate vite incliti · aut gloria miraculorum eximij · vel doctrinarum sciencia prefulgidi · Nam a Beati patris nostri Dominici temporibus usque ad nostra tempora ordo predicatorum sacer · quem idem sanctus fundaverat habuit fere innumerabiles utriusque sexus homines in diversis mundi partibus ut nonnulli ex eis in sanctorum martyrum · multi in confessorum · alii in virginum cathalogo ascribi ac collocari dignissime meruerint licet negligencia nostra tanta sit ac fuerit ut eorum mirifica et preclara vita paucis nota sit in ecclesia militanti (E III 12, fol. 1r; Meyer: Liber de Viris Illustribus [ed. Loë], S. 16). 8 Hec autem infra posita ex diversis libris collegi · quasi quosdam pro delectamento flosculos decerpsi dans occasionem legenti ut et ipse processu temporis peritam manum apponat huic informi materie et opus perficiat gloriosum (E III 12, fol. 1rv; Meyer: Liber de Viris Illustribus [ed. Loë], S. 16). Zu diesem Zweck enthält der Basler Codex zwischen den einzelnen Teilen der Schrift Leerseiten für Nachträge, worauf am Ende des Prologs noch einmal eigens hingewiesen wird: Ut unusquisque studiosus et devotus lector huic libello sanctorum illustrium virorum ac patrum nomina et scripta immo et sub

Memorialbuch und literarisches Pantheon | 273

Der Liber de illustribus viris steht freilich in einer weit zurückreichenden, im Titel sicher bewusst aufgenommenen literarischen Tradition,9 die seit der christlichen Spätantike vor allem durch das Modell des Hieronymus geprägt ist, der in seinem „im Jahr 393 verfaßte[n] Katalog von 135 dem Christentum zuzuzählenden Schriftstellern von Petrus bis Hieronymus (!)“ seinerseits „in Titel und Form alten Vorbildern“ folgt.10 Seit dem 13. Jahrhundert sind es dann offenbar insbesondere die Dominikaner, so Paul Lehmann, die das Modell einer Synopse christlicher oder kirchlicher Autoren im Zeichen einer Konzentration und Fokussierung auf die Angehörigen der eigenen Ordensgemeinschaft modifizieren und spezifische Verzeichnisse der dominikanischen Schriftsteller anlegen.11 Eines der ältesten erhaltenen Verzeichnisse dieser Art birgt der von Bernard Gui in verschiedenen Stadien von 1307 an fortgesetzte und 1314 abgeschlossene Traktat De quatuor in quibus deus praedicatorum ordinem insignivit des Stephan von Salagnac.12 Sein dritter Teil führt unter dem Titel De illustri prole in der zweiten Kategorie, nach den Fratres passi pro fide (I.), und mit expliziter Referenz auf Hieronymus und seinen Nachfolger Isidor von Sevilla13 die Fratres viri illustres in scriptis et doctrinis (qui scripta perennia et utilia ecclesiis reliquerunt) an, denen sich wiederum die Pontifices Romani de ordine predicatorum assumpti (III.), Cardinales Romani (IV.), Prelati ecclesiarum (V.), || sentenciali brevitate virtutes et gesta nondum posita valeat convenienter applicare Idcirco in fine cuiuslibet partis pro inscripcione talium spacia sufficiencia sunt derelicta (E III 12, fol. 1v; Meyer: Liber de Viris Illustribus [ed. Loë], S. 17). 9 Dazu der Hinweis des Verfassers im Prolog: Huic autem libro titulum convenientem iudicavi dare videlicet ut liber de illustribus viris de ordine predicatorum appelletur (E III 12, fol. 1v; Meyer: Liber de Viris Illustribus [ed. Loë], S. 17). 10 Walter Berschin: Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter. Bd. 1: Von der Passio Perpetuae zu den Dialogi Gregors des Großen. Stuttgart 1986 (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 8), S. 146. 11 Paul Lehmann: Literaturgeschichte im Mittelalter. In: ders.: Erforschung des Mittelalters. Ausgewählte Abhandlungen und Aufsätze. Leipzig 1941, S. 82–113 [zuerst in: GRM 4 (1912), S. 569–582, 617–630, 690], hier S. 97 (mit Verweis auf Heinrich Denifle: Quellen zur Gelehrtengeschichte des Predigerordens im 13. und 14. Jahrhundert. In: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 2 [1886], S. 165–248). Vgl. auch R.H. und M.A. Rouse: Bibliography before Print: The Medieval De Viris Illustribus. In: The Role of the Book in Medieval Culture. Proceedings of the Oxford International Symposium 26 September – 1 October 1982. 2 Bde. Hrsg. von Peter Ganz. Turnhout 1986 (Bibliologia 3), Bd. 1, S. 133–153, hier S. 146; Claudia Barthold: Zum Werk De viris illustribus. In: Hieronymus: De viris illustribus. Berühmte Männer. Mit umfassender Werkstudie hrsg., übersetzt u. kommentiert v. ders. 2., verbesserte Aufl. Mülheim a.d. Mosel 2011, S. 7–147, hier S. 133; zuletzt und insbesondere auch mit Blick auf Johannes Meyers Beitrag Anne Huijbers: De viris illustribus ordinis praedicatorum. A ,Classical‘ Genre in Dominican Hands. In: Franciscan Studies 71 (2013), S. 297– 324. Nicht zugänglich war mir die unpublizierte Dissertation von Anne Reltgen-Tallon: La mémoire d’un ordre. Les ,Hommes illustres‘ dans la tradition dominicaine (XIIIe–XVe siècles). Paris 1999. 12 Lehmann: Literaturgeschichte im Mittelalter, S. 97f. 13 Vgl. Lehmann: Literaturgeschichte im Mittelalter, S. 83; Rouse/Rouse: Bibliography before Print, S. 135f.

274 | Die lateinischen Schriften

Magistri in theologia Parisius (VI.), Fratres qui cum beato Dominico regulam elegerunt (VII.) und Predicatores gratiosi et famosi (VIII.) anreihen.14 Die hier sichtbare Ausweitung oder Ergänzung des engeren Autorenkatalogs (II.) um „die berühmten Männer schlechthin“,15 wie sie dann etwa auch – unter ganz anderen Vorzeichen – für Petrarcas Biographien-Kollektion zu konstatieren ist, mag an eine Reaktualisierung der antiken Tradition der Viri illustres vor Hieronymus denken lassen. Jedenfalls ist das bei Salagnac/Gui (oder ihren Vorläufern) realisierte Konzept – im Sinne eines dominikanischen Prototyps – in Grundzügen noch für Johannes Meyers Textkomposition verbindlich. Denn er organisiert seinen Liber de illustribus viris in sechs Teilen,16 deren vierter mehr oder minder dem Autorenkatalog der Fratres viri illustres in scriptis et doctrinis (II.) bei Salagnac/Gui entspricht,17 während Teil II in etwa mit den Fratres passi pro fide (I.) und Teil III mit den Kategorien der Päpste und Prälaten (III.–V.) bei Salagnac/Gui korrespondieren. Tatsächlich unterscheidet sich Meyers Elogiensammlung am deutlichsten in den Teilen V und VI von den Modellen der Vorgänger.18 Speziell für diese beiden Partien wird man seiner Kompilation einen spezifischen Innovationsanspruch zubilligen können, stellen sie doch die Ordensreformer des ausgehenden 14. und 15. Jahrhunderts (V.) und die ,berühmten‘ Schwestern des Zweiten und Dritten Ordens (VI.) gleichrangig neben die heiligen, || 14 Stephanus de Salaniaco et Bernardus Guidonis: De quatuor in quibus deus praedicatorum ordinem insignivit. Hrsg. von Thomas Kaeppeli. Rom 1949 (MOPH 22), S. 19–170 (Zitat in Klammer S. 31). 15 Lehmann: Literaturgeschichte im Mittelalter, S. 83. 16 Entsprechend der Ankündigung des Prologs: Prima distinctio continet nomina sanctorum patrum illustrium qui tam in inchoacione ordinis quam in eiusdem progressu non tantum sanctitate vite sed et miraculorum choruscacione claruerunt Secunda vero rutilancium triumphatorum martyrum · Tercia autem illustrium et venerabilium ecclesiarum prelatorum de ordine nostro assumptorum videlicet summorum pontificum · cardinalium · patriarcharum · archiepiscoporum · atque episcoporum Quarta profundorum sacre scripture scrutatorum ac prefulgidorum sacre pagine doctorum qui diversa utilia ecclesie descripserunt Quinta glorie dei et religionis gloriosorum zelatorum / ac ordinis nostri indefessorum reformatorum et moderne observancie devotorum propagatorum Sexta autem et ultima pars continet nomina sacrarum et illustrium virginum et viduarum · sanctimonialium ordinis nostri / Et earum personarum que de penitencia beati dominici nuncupantur (E III 12, fol. 1v; Meyer: Liber de Viris Illustribus [ed. Loë], S. 17). 17 Von Meyers Katalog der dominikanischen Gelehrten in Teil IV ist indes nur das 56 Elogien bezeugende Register zu Beginn des Liber de illustribus viris erhalten. Teil IV selbst scheint „wegen (gut erkennbarer) Entfernung eines Sexterns“ aus dem Basler Codex herausgelöst worden und verlorengegangen zu sein (Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 479). Speziell zu textgeschichtlichen Relationen zwischen Meyers Gelehrtenverzeichnis und dem von Salagnac/Gui und weiteren älteren dominikanischen Autorenlisten siehe Auer: Katalog der Dominikaner-Schriftsteller, S. 22–28, 63f. 18 Zwar hat etwa auch schon Laurentius Pignon ein Verzeichnis der heiligmäßigen weiblichen Ordensangehörigen als Teil II in seinen zwischen 1394 und 1412 verfassten Catalogus fratrum spectabilium ordinis fratrum praedicatorum aufgenommen (Laurentii Pignon Catalogi et Chronica, accedunt Catalogi Stamsensis et Upsalensis Scriptorum O.P. Hrsg. von G. Meersseman. Rom 1936 [MOPH 18], S. 1–33, hier S. 5), doch werden dort insgesamt nur fünf Schwestern aufgeführt und mit eher knappen Notaten bedacht.

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durch Wunderzeichen erhöhten Väter insbesondere der Frühzeit (I.) und neben die dominikanischen Märtyrer (II.), Prälaten (III.) und Gelehrten (IV.).

6.1.1 Textschichten Johannes Meyers Liber de illustribus viris ist allein in der Handschrift E III 12 der Universitätsbibliothek Basel überliefert. Der Codex war einst in Meyers persönlichem Besitz und kam später mit den Beständen des Basler Predigerklosters in die Universitätsbibliothek.19 Er enthält neben dem Liber de illustribus viris (fol. 1r–46v) und der lateinischen Vita Vinzenz Ferrers von Petrus Ransanus (fol. 59r–102v) vor allem Texte und Abschriften von Briefen und Dokumenten mit Bezug zum Gebweilerer Konvent und zur Person Johannes Kreutzers (aus dem Zeitraum von 1465– 1467), darunter einen Brief des Gebweilerer Priors Petrus Mör an Kreutzer im Zusammenhang mit dessen Plänen zu einem Ordenseintritt vom 28. Januar 1465 (fol. 50v–54r), Auszüge eines zweiten Briefes von Mör an Johannes Meyer vom Juni 1465 mit der Bitte um Unterstützung bei der Auswahl von geeigneten Reformschwestern für den Konvent Engelport (fol. 54r),20 Meyers lateinischen Bericht über die Reform von Engelport (De fundacione defectione restauracione ac reformacione monasterii sororum angelice porte opidi Gebwilerensis: fol. 54r–56v), ein Trostschreiben des Murbacher Abtes Bartholomäus von Andlau (in seiner Funktion als Landesherr) an den Gebweilerer Konvent anlässlich des Todes des Priors Petrus Mör (fol. 56v–57r) sowie Bartholomäus’ Bestätigung der Reform und Privilegien der beiden Klöster Gebweiler und Engelport vom 19. September 1467 (fol. 57r–58v).21 Die Mehrzahl dieser kleineren Texte aus dem Kommunikationsraum des Gebweilerer Konvents sind ganz oder zum Teil Autographe Meyers,22 und dies gilt insbesondere auch für den Liber de illustribus viris am Anfang der Sammlung, den Meyer nahezu vollständig mit eigener Hand niedergeschrieben hat. Anhand einer paläographischen Analyse, die Meyers Anteil offenzulegen sucht, lassen sich denn auch ver|| 19 Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 476. – Eigenhändiger Besitzeintrag Meyers am Codexende, auf fol. 109v unten: fratris Iohannis Meyger ordinis predicatorum domus Sancti Dominici conventus basiliensis. Davor fol. 108v von Meyers Hand ein lateinisches Verzeichnis der reformierten Schwesternklöster der Teutonia vielleicht vom Jahr 1466 und mit zwei Nachträgen bis zum Jahr 1468. Danach am unteren Seitenrand (noch von Meyers Hand) Besitzvermerk zur voranstehenden Vinzenz-FerrerLegende: Ista legenda Sancti Vincencij confessoris pertinet conventui Basiliensi ordinis predicatorum (dann wohl nachgetragen:) seu fratri Iohanni Meiger eiusdem conventus professo. Am Anfang des Codex, fol. ar, Inhaltsübersicht von Meyers Hand mit Ergänzungen und Anmerkungen von anderen Händen (Abb. 10). 20 Zu beiden Briefen Neidiger: Armutsbegriff der Dominikanerobservanten, S. 135–137. 21 Die Texte sind abgedruckt in: Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 73–88; dort S. 2f. auch ein Überblick zum Inhalt des Basler Codex. 22 Fol. 54r (untere Seitenhälfte), 55r (sechs letzte Zeilen), 55v–58v.

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schiedene Textschichten des Liber de illustribus viris rekonstruieren, die Aufschluss geben über kontinuierliche Erweiterungen einer ursprünglichen Werkgestalt im Zuge späterer Rezeptionsvorgänge, wie sie der Verfasser in seiner Vorrede selbst eingefordert hat.23 Für den Grundstock der Elogiensammlung mit dem originären Textbestand kann man drei Schreibhände unterscheiden: Hand 1 hat den Beginn des Prologs (fol. 1r) sowie vermutlich sämtliche rubrizierten Überschriften in stilisierter Textura geschrieben, Hand 2 den Prologschluss (fol. 1v) und den Epilog (fol. 46rv), der indes mit dem Text der 28. Betrachtung aus den Meditationes des Johannes de Turrecremata übereinstimmt.24 Alle übrigen Teile des Grundstocks stammen von der Hand Johannes Meyers (Hand 3): das Inhaltsregister zu den sechs Teilen (fol. 2r–3r, 4r, 4arv, 6rv, 7v–8v, 10r, 11rv) sowie der vollständige Text der Teile I (fol. 13r–20r), II (27rv), III (29r–30r: Päpste und Kardinäle; 31r: Patriarchen; 32r: Erzbischöfe; 33r– 34r: Bischöfe), V (36r–39r) und VI (40v–44r: Zweiter Orden; 45v: Dritter Orden). Teil IV wurde offenbar zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Codex entfernt. Wohl vier weitere Hände haben den Grundbestand des Textes zunehmend erweitert: Hand 4 mit Nachträgen zu Teil I (fol. 20r–21v: Nr. 74–80), Hand 5 mit Nachträgen zu Teil III (fol. 32r: Erzbischöfe, Nr. 10–14), Hand 6 mit Nachträgen zu Teil III (fol. 30r: Kardinäle, Nr. 20/20*; 32r: Erzbischöfe, Nr. 14*), Hand 7 mit Nachträgen zu Teil III (fol. 31r: Patriarchen, Nr. 6 [Fortsetzung], 7–9; fol. 32v: Erzbischöfe, Nr. 15–18; fol. 34r–35r: Bischöfe, Nr. 22–42 und Nachbemerkung), zu Teil V (fol. 39r: Nr. 15/16) und zu Teil VI (fol. 45v–46r: Dritter Orden, Nr. 4–8). Noch eine andere Hand (Hand 8) hat schließlich ein Einlageblatt (5rv) zum Inhaltsverzeichnis beschrieben, das die vollständigen Elogien der nach Abschluss von Meyers Register hinzugefügten Erzbischöfe aus Teil III (Nr. 10–18, ohne 14*) enthält. Doch beschränken sich die Nachträge zum Grundstock nicht allein auf die Zusätze der Nachtragshände, auch innerhalb des vom Autor selbst geschriebenen Textes scheinen spätere Erweiterungen einer ursprünglichen Schicht gegenüberzustehen. Darauf deuten etwa Abweichungen in der Färbung der Tinte oder in der Art der Rubrizierung oder auch Divergenzen zwischen dem vorangestellten Register und den erhaltenen Teilen des Haupttextes hin. In seiner Ausgangsgestalt hat der Liber de illustribus viris demnach vermutlich 221 Elogien umfasst: Teil I: Nr. 1–71; Teil II: Nr. 1–9; Teil III: Nr. 1/2 (Päpste), Nr. 1–18 (Kardinäle), Nr. 1–5 (Patriarchen), Nr. 1–7 (Erzbischöfe), Nr. 1–15 (Bischöfe); Teil IV: Nr. 1–54; Teil V: Nr. 1–14; Teil VI: Nr. 1–23 (Zweiter Orden), Nr. 1–3 (Dritter Orden). Diesem Grundcorpus hat Meyer

|| 23 In Loës Edition der ,Endversion‘ sind diese Schichtungen des Textes jedenfalls nicht erkannt und daher nicht mehr sichtbar (dazu kritisch schon Auer: Katalog der Dominikaner-Schriftsteller, S. 22f. Anm. 2). Zum Folgenden siehe Tab. 7 (S. 277–281). 24 Auf die Parallele hat zuerst Angelus Walz: Von Dominikanerstammbäumen. In: AFP 34 (1964), S. 231–275, hier S. 236 aufmerksam gemacht.

Memorialbuch und literarisches Pantheon | 277

selbst wohl 14 Nachträge hinzugefügt (I: Nr. 72/73; III: Nr. 19 [Kardinäle], Nr. 6 [Patriarchen], Nr. 8/9 [Erzbischöfe], Nr. 16–21 [Bischöfe]; IV: Nr. 55/56),25 so dass der Katalog in der letzten vom Verfasser bearbeiteten Gestalt aus 235 Elogien besteht.26 Tab. 7: Liber de illustribus viris O.P., Teil I–VI: Textschichten27

Teil

Elogium

Hand

I

Teil

Elogium

Hand

I

1

Dominicus institutor O.P.

JM (Hd.3) 25

Heinricus de Hallis

JM

2

Matheus Gallicus

JM

26

Baldowinus Theutonicus

JM

3

Bertrandus

JM

27

Albernus de Minda

JM

4

Petrus Tholosanus

JM

28

Gualtherus Theutonicus

JM

5

Manees Hyspanus

JM

29

Waltherus Theutonicus

JM

6

Dominicus Hyspanus

JM

30

Conradus Theutonicus

JM

7

Laurencius Anglicus

JM

31

Helgerus Theutonicus

JM

8

Stephanus Metensis

JM

32

Conradus Theutonicus

JM

9

Wilhelmus Clareti

JM

33

Salomon Theutonicus

JM

10

Regynaldus

JM

34

Reynherus Theutonicus

JM

11

Clarus

JM

35

Ermannus Theutonicus

JM

12

Rolandus Cremonensis

JM

36

N. Theutonicus

JM

13

Moneta

JM

37

Albertus de Falkenberg

JM

14

Eberhardus

JM

38

Waltherus de Meysenburg

JM

15

Paulus Ungarus

JM

39

Heinricus de Marpach

JM

16

Rudolfus de Favencia

JM

40

Conradus Theutonicus

JM

17

Stephanus

JM

41

Servacius Theutonicus

JM

18

Conradus Theutonicus

JM

42

Hermannus Theutonicus

JM

19

Tancredus

JM

43

Wilhelmus Theutonicus

JM

20

Iohannes Vincentinus

JM

44

Rudolfus Theutonicus

JM

21

Iordanus Theutonicus

JM

45

Iohannes de Monasterio

JM

22

Heinricus Theutonicus

JM

46

Hertwicus de Dierberg

JM

23

Heinricus Theutonicus

JM

47

Iohannes Tauler

JM

24

Heinricus de Westhoffen

JM

48

Eckardus Theutonicus

JM

|| 25 Doch bleiben Unsicherheiten, die sich nicht restlos aufklären lassen werden. Könnte es sich etwa auch bei V,14 (Iacobus de Susato) um einen Nachtrag handeln? 26 Eine „Sammlung von zunächst 221, mit M.s eigenhändigen Nachträgen 235 Elogien“ konstatiert auch Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 479, ohne aber auf Details einzugehen. 27 In der Tabelle sind Herkunfts-, Orts- und Nationenbezeichnungen einheitlich großgeschrieben. Aus Platzgründen wurden Amtsfunktionen und weitere spezifizierende Personenangaben nur in Einzelfällen (wie beim Ordensstifter Dominikus) mit aufgenommen. Verwendete Abkürzungen: JM: Johannes Meyer; JMN: Nachtrag Johannes Meyers.

278 | Die lateinischen Schriften

Teil

Elogium

Hand

Elogium

Hand

49

Petrus de Lar

JM

65

Ambrosius et Merculinus

JM

50

Petrus de Albenacio

51

Mauricius Tholosanus

JM

66

Bartholomeus

JM

JM

67

Bricius Anglicus

JM

52 53

Laurencius

JM

68

Stephanus Bisuntinus

JM

Pelagius Hispanus

JM

69

Venturinus

JM

54

Petrus Cathalanus

JM

70

Heinricus Süss

JM

55

Isnardus

JM

71

Robertus

JM

56

Bernhardus

JM

72

Iohannes Theutonicus

JMN

57

Petrus

JM

73

Emicho

JMN

58

Columbus

JM

[74]

Fridericus de Hanowe

Hd.4

59

Wilhelmus

JM

[75]

Uolricus Theutonicus

Hd.4

60

Benedictus de Ponte

JM

76

[H]elwicus

Hd.4

61

Petrus Hyspanus

JM

[77]

Theodoricus de Colonia

Hd.4

62

David Anglicus

JM

[78]

[B]ernhardus Gwigdonis

Hd.4

63

Albertus de Brixia

JM

[79]

[I]acobus de Veneciis

Hd.4

64

Guigardus et Iacobus

JM

[80]

[A]rnoldus Theutonicus

Hd.4

I

Teil I

II

II

1

Petrus de Verona

JM

6

Centum et nonaginta fratres

JM

2

Dominicus

JM

7

Stephanus

JM

3

N. dux in Ungaria

JM

8

Gwido

JM

4

Bernhardus de Rupeforti

JM

9

Paganus

JM

5

Poncius Hyspanus

JM

III

III Kardinäle

Päpste 1

Petrus de Tharentasia

JM

10

Wilhelmus de Barrona

JM

2

Nicolaus de Tervisio

JM

11

Matheus de Ursinis

JM

12

Geraldus de Domario

JM

Kardinäle 1

Hugo de Sancto Charo

JM

13

Iohannes de Molendino

JM

2

Anibaldus Romanus

JM

14

Wilhelmus Anglicus

JM

3

Latinus de Frangiapanibus

JM

15

Nicolaus de Arrogonia

JM

4

Robertus Anglicus

JM

16

Guilermus Tholosanus

JM

5

Hugo Claremontensis

JM

17

Nicolaus de Münchinis

JM

6

Nicolaus de Prato

JM

18

Philippus Romanus

JM

7

Galterus Anglicus

JM

19

Iohannes de Novo Castello

JMN

8

Nicolaus de Farinula

JM

[20]

Iohannes de Ragusio

Hd.6

9

Thomas Anglicus

JM

[20*] Iohannes Dominici (Verweis)

Hd.6

Memorialbuch und literarisches Pantheon | 279

Teil

Elogium

Hand

III

Teil

Elogium

Hand

III Patriarchen

Bischöfe

1

Thomas de Lentino

JM

7

Iohannes Iordani

JM

2

Nicolaus de Hanapis

JM

8

Petrus de Birreto

JM

3

Petrus de Palude

JM

9

Dominicus

JM

4

Raymundus

JM

10

Rambertus

JM

5

Ysenhardus

JM

11

Benedictus Lombardus

JM

6

Gwido de Soliaco

JMN/Hd.7 12

Bernhardus

JM

[7]

[A]ngelus

Hd.7

13

Symon Lingonnensis

JM

[8]

[E]gidius Ferrariensis

Hd.7

14

Iohannes Schadeland

JM

[9]

[L]aurencius Parmensis

Hd.7

15

Iohannes de Allodio

JM

16

Hugo de Sancto Theodorico

JMN1

Erzbischöfe 1

Wilhelmus Gallicus

JM

17

Otto de Mal

JMN1

2

Martinus Polonus

JM

18

Dominicus

JMN1

3

Iacobus de Voragine

JM

19

Wolfingus de Stubenberg

JMN2

4

Theodericus de Nasow

JM

20

[H]einricus de Sternenberg

JMN2

5

Beringarius

JM

21

Iacobus de Lausanna

JMN2

6

Petrus Burgundus

JM

[22]

[R]aymundus de Miromonte

Hd.7

7

Wilhelmus Anglicus

JM

[23]

Petrus Gallicus

Hd.7

N1

8

Iacobus de Columpna

JM

[24]

[P]etrus

Hd.7

[9]

[L]andulphus

JMN2

[25]

[G]wido de Turre

Hd.7

[10]

[R]aynaldus

Hd.5

[26]

[A]ndreas

Hd.7

[11]

[W]altherus

Hd.5

[27]

[I]acobus de Bonoscambio

Hd.7

[12]

[R]emundus

Hd.5

[28]

[I]ohannes Fernandi

Hd.7

[13]

[R]aynerius

Hd.5

[29]

[R]aynerius

Hd.7

[14]

[I]ohannes de Columpna

Hd.5

[30]

[A]mbrosius

Hd.7

[14*]

Anthoninus Florent. (Verweis) Hd.6

[31]

[L]aurencius

Hd.7

[15]

[R]odericus

Hd.7

[32]

Theodoricus

Hd.7

[16]

[B]onifacius de Langrana

Hd.7

[33]

[G]wido Vincentinus

Hd.7

[17]

[L]aurencius

Hd.7

[34]

[I]acobus

Hd.7

[18]

[I]ohannes de Polo

Hd.7

[35]

[W]altherus

Hd.7

[36]

[P]etrus de Scala

Hd.7

Bischöfe 1

Iohannes Theutonicus

JM

[37]

[B]artholomeus

Hd.7

2

Albertus Magnus

JM

[38]

[P]etrus

Hd.7

3

Gwala

JM

[39]

[C]onstantinus

Hd.7

4

Munio de Palencia

JM

[40]

[T]homas

Hd.7

5

Iohannes de Liechtenberg

JM

[41]

[P]aparenus Romanus

Hd.7

6

Durandus Gallicus

JM

[42]

[D]ominicus Hyspanus

Hd.7

280 | Die lateinischen Schriften

Teil

Elogium

IV

(nur Registereintrag)

1

Thomas de Aquino

2

Romanus

3

Hand

Teil

Elogium

IV

(nur Registereintrag)

JM

29

Iohannes de Thanbaco

JM

JM

30

Conradus de Halberstatt

JM

Nicolaus de Gorra

JM

31

Thomas de Sutona

JM

4

Raymundus de Pennaforti

JM

32

Thomas Sperman

JM

5

Humbertus de Romanis

JM

33

Thomas de Waleys

JM

6

Vincencius Belvacensis

JM

34

Thomas Stolbz

JM

7

lricus Engelberti

JM

35

Thomas Langefrod

JM

8

Iohannes Friburgensis

JM

36

Nicolaus Creveth

JM

9

Iohannes de Erdenberg

JM

37

Rpertus Holkot

JM

10

Iohannes de Sterngassen

JM

38

Wilhelmus de Masfelt

JM

11

Iohannes Alemanus

JM

39

Wilhelmus de Altona

JM

12

Hugo Argentinensis

JM

40

Bernhardus Hyspanus

JM

13

Burchardus Argentinensis

JM

41

Oliverus Brito

JM

14

Theodericus

JM

42

Iohannes Parisiensis

JM

15

H.

JM

43

Dominicus Pisanus

JM

16

Hermanus de Cerwist

JM

44

Georgius de Alexandria

JM

17

Helwicus

JM

45

Iohannes de Columpna

JM

18

Thomas Brabantinus

JM

46

Iacobus Romanus

JM

19

Richardus

JM

47

Tulius Dacus

JM

20

Gotschalcus

JM

48

Boecius Dacus

JM

21

Theodericus de Alpodia

JM

49

Ptholomeus de Luca

JM

22

Lutoldus Fröwler

JM

50

Angelus Viterbiensis

JM

23

Gallus

JM

51

Iohannes Ianuensis

JM

24

Theodericus

JM

52

Nicolaus Emerici

JM

25

Gregorius Wienensis

JM

53

Lucas de Florencia

JM

26

Sibiton Wienensis

JM

54

Ramuntinus

JM

27

Giraldus Coloniensis

JM

55

Bartholomeus de Pisis

JMN

28

Bartholomeus de Bolsenheim JM

56

Petrus de Pennis

JMN

V

Hand

V

1

Vincencius Ferrarii

JM

9

Manfredus de Vercellis

JM

2

Raymundus de Capua

JM

10

Anthoninus

JM

3

Conradus de Grossis

JM

11

Thomas de Grossis

JM

4

Iohannes Mulberg

JM

12

Bartholomeus Texerii

JM

5

Helias de Lingwadoch

JM

13

Franciscus de Retza

JM

6

Eberhardus

JM

14

Iacobus de Susato

JM

7

Iohannes Nider

JM

[15]

[H]einricus Bitterfeld

Hd.7

8

Iohannes Dominici

JM

[16]

Thomas de Senis

Hd.7

Memorialbuch und literarisches Pantheon | 281

Teil

Elogium

Hand

VI

Teil

Elogium

Hand

VI Zweiter Orden

Zweiter Orden

1

Margaretha

JM

17

Berchta de Friburgo

JM

2

Cecilia Romana

JM

18

Gertrudis de Rinfelden

JM

3

Na filia Simonis ill. comitis

JM

19

Adelheidis

JM

4

Amicia

JM

20

Hedewigis de Gebwilr

JM

5

Benedicta

JM

21

Elizabeth de Senheim

JM

6

Na de Habspurg

JM

22

Agnes de Herenchen

JM

7

Elizabeth filia Stephani regis

JM

23

Agnes de Montepoliciano

JM

8

Stephania

JM

9

Anna de Winegg

JM

1

Katherina de Senis

JM

10

Elizabeth filia Andree regis

JM

2

Alexia de Senis

JM

11

Rinlindis de Bisegg

JM

3

Francisca

JM

12

Elizabeth de Öyge

JM

[4]

[V]anna

Hd.7

13

Hedewigis de Steinbach

JM

[5]

[M]argaretha

Hd.7

14

Mechtildis de Withenheim

JM

[6]

[P]ina

Hd.7

15

Elizabeth Staglin

JM

[7]

[M]aria

Hd.7

16

Gertrudis de Iuncholtz

JM

[8]

[I]ohanna

Hd.7

Dritter Orden

6.1.2 Ordens- und frömmigkeitsgeschichtliche Interessen des Gebweilerer Kreises Gemäß der ordensliterarischen Tradition ist der Liber de illustribus viris von seiner Konzeption her ein Memorialbuch des Gesamtordens in seinen globalen Bezügen. Mit der Summe seiner durch – in des Verfassers eigenen Worten – ,sentenzhafte Kürze‘ (sentenciali brevitate) geprägten Biogramme und Elogien präsentiert er gleichsam ein literarisches ,Pantheon‘ der durch Leben und Lehre ausgezeichneten Persönlichkeiten des Predigerordens aller Räume und Zeiten. Der prosopographische Katalog bündelt das an unterschiedlichen Stellen verstreute Wissen um das heiligmäßige Wirken vieler einzelner (verstorbener) Ordensmitglieder im Sinne einer Biographie der Gemeinschaft (hierin den Vitas fratrum eng verwandt), macht es dem kollektiven Gedächtnis in systematischer Ordnung nach Ständen und Funktionen und in abbreviierter, vom Kriterium der Prägnanz geleiteter Form in der Zusammenschau dauerhaft verfügbar und dokumentiert mit dieserart ,Florilegium‘28 zugleich den heilsgeschichtlichen Status und Ruhm des Ordensinstituts als Ganzes.

|| 28 Vgl. Alastair J. Minnis: Late-Medieval Discussions of Compilatio and the Role of the Compilator. In: PBB (Tüb.) 101 (1979), S. 385–421, hier S. 403f.

282 | Die lateinischen Schriften

Gefasst in den üblichen Ornatus stereotyper Epitheta der geistlichen Lobrede enthalten die einzelnen Elogien dabei konkrete – mehr oder minder schematisierte und mit Blick auf die folgenden Rubriken durchaus variierende – Angaben zu Name und Herkunft, Persönlichkeit, Tätigkeit und Stellung, Wirkungsstätte(n), besonderen Leistungen und Zeichen göttlicher Erwähltheit, Tod und Begräbnisort. Trotz seines universellen Anspruchs,29 der speziell in den Listen der Märtyrer (Teil II) und der hohen und höchsten Würdenträger der lateinischen Kirche aus den Reihen des Ordens (Teil III) seinen Ausdruck findet, referiert und reagiert Meyers Liber de illustribus viris wohl gerade auch auf die spezifischen ordens- und frömmigkeitsgeschichtlichen Interessen seines primären Adressatenkreises, der Kommunität der Gebweilerer Observanten um Johannes Kreutzer, die Bernhard Neidiger als eine im Bereich der dominikanischen Reformbewegung exklusive Gruppe charakterisiert hat, „die mit Bezug auf die ersten Ordensväter sowie auf die Reformvorstellungen von Raimund von Capua und Konrad von Preußen die Ordenskonstitutionen strenger auszulegen wünschte, als es der Mehrheit der Dominikanerobservanten damals notwendig erschien“, und der Meyer seit 1465 persönlich angehörte.30 Den Anzeichen derartiger Referenzen des Textes auf den Horizont der Gebweilerer Gemeinschaft soll im Folgenden näher nachgegangen werden. Teil I der Kollektion ist den Vätern der Gründungs- und Progressionsphase des Ordens gewidmet, die durch Heiligkeit des Lebens und Exorbitanz der Wunderzeichen hervorragten. Er zeigt zu Beginn durchaus Parallelen zur Kategorie der Fratres qui cum beato Dominico regulam elegerunt in Teil III (De illustri prole) von Salagnac/Gui: De quatuor in quibus deus praedicatorum ordinem insignivit, wenn auch der Wortlaut nicht durchgängig übereinstimmt und bei Meyer vor allem ein Elogium des Ordensgründers Dominikus vorangestellt ist.31 Meyer erweitert diese Reihe der ersten Brüder um Dominikus, für die er wohl speziell auch auf die Dominikus-Legende Dietrichs von Apolda zurückgegriffen hat,32 um Elogien aus

|| 29 Vgl. Huijbers: De viris illustribus, S. 323. 30 Neidiger: Selbstverständnis und Erfolgschancen, S. 68. 31 Salagnac/Gui (ed. Kaeppeli), S. 149–157, hier Nr. 1, 2, 3, 5, 7, 9, 10, 12, die in etwa Nr. 2–9 bei Meyer entsprechen. – Mit Salagnac/Gui stimmt Kap. 2 der späteren Brevis historia ordinis fratrum Praedicatorum überein (indes mit Kürzungen, abgedruckt in: Veterum scriptorum et monumentorum historicorum, dogmaticorum, moralium, amplissima collectio. Hrsg. von Edmond Martène und Ursinus Durand. Bd. 6. Paris 1729, Sp. 331–344, hier Sp. 333f.), auf die Loë in seiner Edition als spezifischen Vergleichstext – neben der Dominikus-Legende Dietrichs von Apolda – für die ersten Elogien von Teil I des Liber de illustribus viris hingewiesen hat (Anmerkungen zu S. 22–24). Den wohl über eine Zwischenstufe vermittelten Bezug Meyers auf Salagnac/Gui indizieren auch Teile einer Materialsammlung zum Liber de illustribus viris, die im Cod. 939 des Bayerischen Nationalmuseums überliefert ist (vgl. Meyer: Chronica brevis [ed. Scheeben], S. 103f. Anm. 1–3). 32 Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 7 und 22–26 (Anmerkungen). Meyer hat einige dieser Elogien aus Teil I (Nr. 2–7, 11, 12) wiederum in deutscher Übersetzung in seine Vitas fratrum

Memorialbuch und literarisches Pantheon | 283

Textmaterial der lateinischen Vitas fratrum und sodann um eine Gruppe von Brüdern aus dem Bereich der deutschen Ordensprovinz, an deren Spitze der zweite Ordensmeister Jordan von Sachsen (Nr. 21) steht.33 Hier finden sich in der Folge gerade auch Brüder aus den altehrwürdigen Konventen des Rhein- und Oberrheingebiets (Basel, Straßburg, Konstanz, Köln, Trier), deren Memoria man sich in Gebweiler offenbar besonders verpflichtet fühlte (das nahe Basel, zu dessen Predigerkonvent seit der Reformierung Gebweilers im Jahr 1461 engere personale und institutionelle Verbindungen bestanden, ist auffallend oft vertreten). Hinzu kommt die Akzentuierung des spezifischen Engagements einiger dieser Brüder in der cura monialium im Zusammenhang der übergreifenden programmatischen Ordensziele von Predigt und Seelsorge. So werden etwa der Straßburger Prior Gualtherus theutonicus (Nr. 28) als fundator diversorum cenobiorum sororum ordinis und der in Unterlinden begrabene Reynherus theutonicus (Nr. 34) als geistlicher Mentor der Colmarer Dominikanerinnen gepriesen, wohingegen das Elogium des Ermannus theutonicus (Nr. 35 und Nr. 42)34 von dessen Seelsorge und seligem Tod im Nonnenkloster Altenberg (Lahn), cuius priorissa erat filia Sancte Elizabeth, berichtet.35 Gar drei aufeinanderfolgende, umfangreichere Elogien (Nr. 25–27) sind Brüdern gewidmet, die in Kontakt standen mit der Helftaer Mystikerin Mechthild von Magdeburg: zunächst ihrem vermeintlichen Beichtvater Heinrich von Halle (Nr. 25), qui inter alia sua opera dicta et scripta beate et venerabilis sororis Mechtildis de monasterio helpede digne memorie collegit et in unum volumen redegit et in sex partes illud distinxit et sic per scripturam eiusdem voluminis multa sibi premia comparavit quibus in conspec|| von 1469 aufgenommen. Die Übernahmen hat Wehbrink: Leben der Brüder, S. 123 zusammengestellt. 33 Im Inhaltsregister ist die Gruppe (Nr. 21–49, sowie zuvor noch Nr. 18) eigens markiert, und zwar mit einer Klammer am rechten Rand in roter Tinte und mit der Bezeichnung: Theutonici xxxta (E III 12, fol. 2rv). Analog sind auch die Nr. 7–30 – im Anschluss an den „alte[n] Stamm“ von Nr. 1–6, „d.h. Namen, [die] aus Stephan von Salanhac bezw. Bernardus Guidonis bekannt“ sind (Auer: Katalog der Dominikaner-Schriftsteller, S. 24) – im Register zu Teil IV als Theutonici ausgewiesen, danach die Nr. 31–39 als Anglici (E III 12, fol. 7v–8r). In beiden Teilen sind also Ansätze eines räumlichen Ordnungsschemas greifbar, das einerseits die Zugehörigkeit zu den einzelnen Ordensprovinzen (und darüber hinaus mitunter auch zu deren jeweiligen Nationes) und somit den Aspekt der Regionalität betont, andererseits auf der Grundlage der spezifischen Organisationsform des Ordens in Provinzen entsprechend dem „Prinzip der Flächenaufteilung“ (Melville: Welt der mittelalterlichen Klöster, S. 204) gerade auch den Gedanken der Universalität und globalen Verbreitung des Ordens exponiert. 34 Nr. 42 wiederholt den Inhalt von Nr. 35 in nur wenig detaillierterer – dem Prätext der Vitas fratrum tendenziell näherer – Formulierung und teilt den Namen des Klosters (aldenburg) mit. Am Rand links vor Nr. 42 findet sich die folgende Anmerkung von Meyers Hand: Ille bis est positus supra vicelicet xxxv factum ex inconsideracione (E III 12, fol. 17v; Meyer: Liber de Viris Illustribus [ed. Loë], S. 31). 35 E III 12, fol. 16r (Nr. 28), 16v (Nr. 34), 17r (Nr. 35); Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 28– 30.

284 | Die lateinischen Schriften

tu sanctorum apparuit gloriosus,36 dann ihrem leiblichen Bruder Balduin (Nr. 26), dem gemäß einer Offenbarung Mechthilds göttliche Begnadung zuteilwurde angesichts seines beschwerlichen gehorsamen Dienstes im und für den Orden, und schließlich Albert von Minden (Nr. 27), dessen besondere himmlische Auszeichnung Gott in seiner Botschaft an Mechthild damit begründet hat, dass er septem puellas iuve[n]culas pro amore meo multis laboribus in castitatis pudicia custodivit.37 Man wird vermuten können, dass der hier, im Kontext der Brüderreihe, akzentuierte Aspekt der Nonnenseelsorge und der (gerade auch literarischen) Interaktion zwischen dominikanischen Mentoren und begnadeten weiblichen Religiosen zum Nutzen der Seelen in einem Zusammenhang steht mit den ordenspolitischen Anliegen und pastoralen Interessen der observanten Brüder des Gebweilerer Kreises. Immerhin hatte Johannes Meyer selbst im Jahr 1465, unmittelbar vor seiner Ankunft in Gebweiler, und mit tatkräftiger Unterstützung des Gebweilerer Priors Petrus Mör und speziell auch Johannes Kreutzers die Dominikanerinnenklöster in Freiburg i.Br. reformiert.38 Ebenso hatte Kreutzer, dessen eigene Predigttätigkeit und erbauliche Schriften ein ausgeprägtes Engagement in der Frauenseelsorge erkennen lassen,39 seinen Eintritt in den Gebweilerer Konvent abhängig gemacht von der Wiedererrichtung des aufgegebenen Schwesternklosters Engelport als Reformkonvent, die wegen der geplanten Übertragung des Besitzes des Gebweilerer Predigerkonvents an die Dominikanerinnen von Engelport zugleich mit dem Projekt eines Lebens der Brüdergemeinschaft in evangelischer Armut verknüpft war und die dann tatsächlich im selben Jahr 1465 begonnen werden konnte.40 Mit Blick auf die schon umfangsmäßig hervortretenden Elogien Nr. 25–27, denen nicht, wie Loë vermutete, das Fließende Licht der Gottheit,41 sondern die lateinische Übersetzung, die Lux divinitatis, zugrunde liegt,42 wird man den Mitgliedern des Gebweilerer Zirkels um Kreutzer und Meyer zudem ein genuines Interesse an Mechthilds Text und den ihm eigenen Tendenzen einer Profilierung der Dominikaner „als Seelsorgeorden par excellence“43 unterstellen dürfen, das ihnen über die breitere lateinische MechthildRezeption des Basler Raumes vermittelt worden sein wird.44 || 36 E III 12, fol. 15v; Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 27. 37 E III 12, fol. 16r; Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 28. 38 Buch der Reformacio Predigerordens (1468), V,61 und 65 (Ms. 2934, fol. 217v, 221r; Reichert IV/V, S. 116f., 121). Vgl. Neidiger: Armutsbegriff der Dominikanerobservanten, S. 136. 39 Vogelpohl: Studien zu Johannes Kreutzer, S. 52, 58f.; Ganina: ,Bräute Christi‘, S. 116, 127, 141. 40 Dazu o. S. 216f. 41 Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 7. 42 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 29 Anm. 76; Balázs J. Nemes: Von der Schrift zum Buch – vom Ich zum Autor. Zur Text- und Autorkonstitution in Überlieferung und Rezeption des Fließenden Lichts der Gottheit Mechthilds von Magdeburg. Tübingen/Basel 2010 (Bibliotheca Germanica 55), S. 105. 43 Nemes: Von der Schrift zum Buch, S. 301, vgl. Elizabeth A. Andersen: The Voices of Mechthild of Magdeburg. Oxford [usw.] 2000, S. 135–138; dies.: Mechthild von Magdeburg, der Dominikanerorden und der Weltklerus. In: Spannungen und Konflikte menschlichen Zusammenlebens in der

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Am Ende seiner Elogienreihe von Teil I hat Johannes Meyer noch einmal zwei Brüder aus der Alsatia, aus den benachbarten Konventen zu Straßburg und Colmar, nachgetragen, die insbesondere mit der cura monialium befasst waren: zum einen Iohannes theutonicus Argentinensis conventus dictus abbas (Nr. 72), der den Brüderkonvent zu Schlettstadt gründete zu der Zeit, quo fuit confessor et rector sororum nostrarum in Silo, und dies mit finanzieller Unterstützung ebenjener Schwestern von Silo; zum anderen Emicho (Nr. 73), den Prior der Colmarer Prediger und zugleich inceptor collegii sororum monasterii Sancte katherine.45 Davor aber hat Meyer drei Brüder zusammengestellt, die sich vorweg als Verfechter der Observanz vor dem Zeitalter der Observanzbewegung charakterisieren lassen: den 8. Ordensmeister Stephan von Besançon (Nr. 68), diligens circa religionem,46 sodann Venturin von Bergamo (Nr. 69), von dem berichtet wird, dass er [i]n diebus suis laboravit ac se multum occupavit circa reformacionem ordinis nostri / cuius observancia videbatur tunc temporis pro parte esse exsicata, und schließlich Heinricus theutonicus nacione suevus dictus Süss (Nr. 70), der [i]n observanciis ordinis erat sollicitus.47 Auch im Falle Seuses spiegelt wohl allein der Umfang des Elogiums (es ist das längste des gesamten ersten Teils) die besondere Wertschätzung und Verehrung wider, die dem unter diesem Namen überlieferten Textcorpus und seinem Autor im Kreis der Adressaten des Liber de illustribus viris entgegengebracht wurde: Eius sciencia clara · magnam et fructuosam doctrinam effudit quam et posteris in scriptis fideliter dereliquit / tam in libro horrologii eterne sapiencie quam in aliis tractatibus et libris suis.48 Damit korrespondiert die Darstellung des im vorderen Spiegel des Basler Codex E III 12 eingeklebten kolorierten Holzschnitts (Abb. 9), die Seuse „im Dominikanerhabit mit Rosenkranz-Nimbus, stigmatisierter rechter Hand und dem Christusmonogramm“

|| deutschen Literatur des Mittelalters. Bristoler Colloquium 1993. Hrsg. von Kurt Gärtner, Ingrid Kasten und Frank Shaw. Tübingen 1996, S. 264–272. 44 Zu denken ist hier insbesondere an die Handschrift B IX 11 der Universitätsbibliothek Basel, die aus dem Basler Predigerkloster (!) stammt und deren zweiter Teil mit der Überlieferung der Lux divinitatis (Rb) auf die Mitte des 14. Jahrhunderts datiert wird (Meyer/Burckhardt: Mittelalterliche Handschriften UB Basel B/2, S. 169–182; Beschreibung von Balázs J. Nemes für e-codices, 2013; vgl. Nemes: Von der Schrift zum Buch, S. 110). Eine unmittelbare Abhängigkeit der Elogien Nr. 25–27 vom Text des Basler Codex B IX 11 (Rb) ist nicht ausgeschlossen (dazu jetzt die Einleitung in: Mechthild von Magdeburg: Lux divinitatis – Das liecht der gotheit. Der lateinisch-frühneuhochdeutsche Überlieferungszweig des Fließenden Lichts der Gottheit. Synoptische Ausgabe. Hrsg. von Ernst Hellgardt, Balázs J. Nemes und Elke Senne. Berlin/Boston 2019, S. XV–LXXXII, speziell S. LXVII f.; ich danke Balázs Nemes sehr herzlich für die freundliche Überlassung des Typoskripts mit dem relevanten Auszug aus der Einleitung [Kap. 3.2]). 45 E III 12, fol. 20r; Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 36f. 46 E III 12, fol. 19r; Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 35. 47 E III 12, fol. 19v; Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 35f. 48 E III 12, fol. 19v; Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 36.

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zeigt,49 seine Schriften dabei „literally bearing fruit: as his attribute Seuse holds a copy of his works from which sprouts a sprig of roses“.50 Den eigentlichen Ordensreformern und Vätern der dominikanischen Observanzbewegung hat Johannes Meyer dann Teil V mit den elaboriertesten Elogien der ganzen Sammlung vorbehalten, wodurch sich sein Liber de illustribus viris mit am deutlichsten von der Tradition emanzipiert. Denn eine entsprechende Kategorie scheint den dominikanischen Verzeichnissen der viri illustres vor Meyer unbekannt. An der Spitze der Reihe steht Vinzenz Ferrer, der 1455 kanonisierte spanische Bußprediger und der Chronologie nach vierte dominikanische Ordensheilige, der als temporärer Gefolgsmann des Avignoneser Papstes Benedikt XIII.51 zwar nicht zur engeren Fraktion der Reformer um den römischen Ordensgeneral Raimund von Capua gehörte, für die Observanten aber spätestens seit Johannes Niders Panegyrik zum paradigmatischen Propagator der Erneuerung des Ordens im Zeichen einer Rückkehr zu den Prinzipien evangelischen Lebens avanciert war. Meyers Elogium rekurriert von daher nicht nur auf die offizielle Vita des Petrus Ransanus, die der Basler Codex überdies am Ende seiner Textsammlung überliefert,52 sondern auch auf die frühere Darstellung in Niders Formicarius (II,1), um die vita angelica des Heiligen in Predigt und Lehre per totum orbem zur Rettung und zum Nutzen vieler tausend Seelen anzuzeigen.53 Speziell aber stellt Meyer zuletzt Vinzenz Ferrers strikte Einhaltung der Vorgaben der dominikanischen Gesetzestexte in allen Lebenszusammenhängen diesseits wie jenseits der Grenzen der Konventsgemeinschaft heraus (dies ohne Parallele bei Nider), um den jüngsten, ,aktuellen‘ Heiligen des Ersten Ordens umso mehr als genuinen Verfechter der Ideale der dominikanischen Observanz zu profilieren.54 Auf Vinzenz Ferrer, dessen Positionierung am Anfang der Reihe mit den Spitzenstellungen der übrigen Ordensheiligen in den Teilen I (Dominikus), II (Petrus von Verona), IV (Thomas von Aquin) und VI (Katharina von Siena) korre-

|| 49 Altrock/Ziegeler: Autorschaft und Medienwandel, S. 174 (mit Abb. S. 13 [nach S. 206]). 50 Hamburger: Medieval Self-Fashioning, S. 434 (mit Abb. 45). 51 Diesen Aspekt, das kirchenpolitische Engagement Vinzenz Ferrers und auch seine Bemühungen zur Beseitigung des Schismas, berührt Meyer speziell in seiner Papstchronik (Mgq 195, fol. 230v– 231r, 241r). 52 E III 12, fol. 59r–102v. 53 Nider: Formicarius, S. 103–105. Vgl. Laura Ackerman Smoller: The Saint and the Chopped-Up Baby. The Cult of Vincent Ferrer in Medieval and Early Modern Europe. Ithaca/London 2014, S. 161– 169, 191; Abel: Die vierundzwanzig goldenen Harfen, S. 140 Anm. 94. 54 Et ut paucis verbis multa complectar constituciones fratrum predicatorum quo ad singulas ceremonias / et ipsam regulam ubicumque eum esse contingeret non minus servabat · quam si in ipso fratrum cenobio commoraretur (E III 12, fol. 36r; Meyer: Liber de Viris Illustribus [ed. Loë], S. 55f.). Vgl. Smoller: The Cult of Vincent Ferrer, S. 191.

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liert,55 folgen die bekannten Initiatoren und Propagatoren der dominikanischen Observanzbewegung in tendenziell chronologischer Anordnung, allen voran der 23. Ordensmeister Raimund von Capua (Nr. 2), zelator animarum maximus / et primus reformator ordinis,56 und die Brüder der deutschen Ordensprovinz: Konrad von Preußen (Nr. 3), Johannes Mulberg (Nr. 4), Eberhard Mardach (Nr. 6), Johannes Nider (Nr. 7), Thomas von Preußen (Nr. 11) und Franz von Retz (Nr. 13).57 Dazu kommen, mit jeweils deutlich kürzer gefassten Elogien, der französische Missionar Elias Petit (Nr. 5) und der 26. Ordensgeneral Bartholomäus Texerius (Nr. 12) sowie die italienischen Reformer und Prälaten Johannes Dominici (Nr. 8) und Antoninus von Florenz (Nr. 10) und der Bußprediger Manfred von Vercelli (Nr. 9).58 Der letzte Eintrag Meyers ist Jakob von Soest (Nr. 14), magister in theologia hereticeque pravitatis inquisitor per provinciam Coloniensem, gewidmet und deutet vor allem dessen literarisches Schaffen an.59 Insgesamt liegt der Schwerpunkt auf den Reformern im Bereich der Teutonia, wenn auch die Biogramme Vinzenz Ferrers sowie der französischen und italienischen Vertreter Ansätze einer universalen Perspektive signalisieren. Im Kontext der Gesamtkomposition des Liber de illustribus viris figurieren die Väter der Observanzbewegung als Pendants bzw. legitime Nachfolger der Gründungsväter um Dominikus in Teil I, wobei die von ihnen eingeleitete Frömmigkeitsbewegung selbst als gottgefälliges Werk der Rückwendung zum ursprünglichen Heilsauftrag des Ordens und mithin der Restitution seines einstigen Heilspotentials erscheint. Die über den engeren Ordenszusammenhang hinausweisende, die Be-

|| 55 Im Falle der Margareta von Ungarn, die die Reihe der Angehörigen des Zweiten Ordens in Teil VI anführt, war der Kanonisationsprozess immerhin schon Ende des 13. Jahrhunderts eingeleitet worden. 56 E III 12, fol. 36r; Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 56. 57 Die umfangreichen Elogien Nr. 6 und 13 sind nahezu vollständig aus Niders Formicarius kompiliert (IV,12 und IV,7; vgl. die Hinweise in Loës Edition, S. 58 Anm. 3 und S. 61 Anm. 3). Für Nr. 7 hat Meyer auch auf die Vitas fratrum praedicatorum conventus Basiliensis des Johannes von Mainz zurückgegriffen (vgl. o. S. 148). 58 Zur Nähe einiger dieser Elogien aus Teil V zu den deutschsprachigen Elogien in IV,2 des Buchs der Reformacio Predigerordens von 1468 bzw. in II,3–5 der ,Urfassung‘ von 1464 siehe o. S. 139f. mit Anm. 232. Bereits im Buch der Reformacio finden sich zudem ausführliche Lebensbeschreibungen des Konrad von Preußen, Thomas von Preußen und Johannes Nider (in IV,2–10, IV,11 und IV,13–17 der ,Urfassung‘ bzw. dann in IV,7–14, IV,15 und IV,17–21 des Textes von 1468). 59 An erster Stelle nennt der Text einen librum de illustribus viris ordinis predicatorum, den Jakob Anno domini M·cccc·xvij· [bei Loë verlesen zu „MCCCCVII“] ad ·xxv· magistrum ordinis leonhardum videlicet de florencia geschrieben habe, wobei Meyer hinzufügt: quem librum ad huc videre non merui (E III 12, fol. 39r; Meyer: Liber de Viris Illustribus [ed. Loë], S. 62). Vgl. Josef Hermann Beckmann: Studien zum Leben und literarischen Nachlaß Jakobs von Soest O.P. (1360–1440). Diss. Freiburg i.Br., Vechta 1929, S. 63, 77. Es wird sich dabei um Jakobs Ordenschronik handeln, von der „keine Hs. mehr bekannt ist“, die aber „als durchgehend exzerpierte Hauptquelle des ersten Teils“ der Brevis et compendiosa Cronica de magistris generalibus et viris illustribus O.P. des Albertus de Castello nachweisbar ist (Worstbrock: Jakob von Soest, Sp. 493; vgl. o. S. 223 Anm. 178).

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strebungen unterschiedlicher Gruppen und Gemeinschaften der abendländischen Kirche verbindende heilsgeschichtliche Dimension und Funktion der Reform und die damit einhergehende Ausprägung einer übergreifenden Identität des Kollektivs der spätmittelalterlichen Observanten impliziert Meyers kurze, das Elogium Raimunds von Capua beschließende Erzählung vom Besuch des Priors der Grande Chartreuse – d.h. des Vorstehers desjenigen Ordens, der dank seiner spezifischen Verfassung gemeinhin als ein zu keiner Zeit reformbedürftiges Vorbild der „Regeltreue und Stabilität“60 galt – an Raimunds Grab im Nürnberger Predigerkloster. Der auf Effekte admirativer Identifikation zielende Bericht kulminiert zuletzt in einer bewegenden Lobrede des Kartäusers auf den verehrten Freund und Liebhaber der heiligen Observanz: Scio siquidem quantum phas est homini scire hunc fuisse verum famulum / et amicum dei amatoremque maximum genitricis eius / Et mox prosternitur iterum osculis · amplexibus · genitu · et rugitu / lacrimans super carum suum / felicem nürenbergam contestans ob eximias tanti patris reliquias.61 Der spezifische Akzent, den der Liber de illustribus viris auf die Sektion der glorie dei et religionis gloriosorum zelatorum / ac ordinis nostri indefessorum reformatorum et moderne observancie devotorum propagatorum legt,62 indem er gerade hier am stärksten vom programmatischen Gestaltungsprinzip der ,sentenzhaften Kürze‘ abweicht, ist offenkundig Ausdruck des Selbstverständnisses der Gebweilerer Observanten um Kreutzer und Meyer. Die elaborierten Elogien der Gründerväter der dominikanischen Observanzbewegung formulieren den exklusiven Anspruch der Anhänger der Observantenpartei, die im Fortgang der Ordensgeschichte sichtbar gewordenen Deformationen und Deviationen von den heiligen Ursprüngen zu überwinden und als ,wahre‘ Nachfolger der alten Väter um Dominikus unmittelbar an die großen Zeiten der Anfänge des Ordens anzuknüpfen. Die präsentierten Modelle der moderne observancie devotorum propagatorum und ihre strikte Orientierung an den Lebensformen und Normen der Generation der heiligen Ordensgründer bilden in diesem Sinne die präferierten Bezugspunkte einer observanten Frömmigkeitspraxis des 15. Jahrhunderts, der es darum zu tun ist, die Kontinuität mit dem Erbe der viri illustres aus der Frühzeit des Ordens zu sichern und, damit in eins, gegenüber den Devianten und Kritikern im eigenen Orden für sich zu beanspruchen. Das Panorama der illustrium personarum ordinis predicatorum63 vervollständigt Teil VI mit den Biogrammen der Dominikanerinnen und der Schwestern des Buß|| 60 Florent Cygler: Das Generalkapitel im hohen Mittelalter: Cisterzienser, Prämonstratenser, Kartäuser und Cluniazenser. Münster 2002 (Vita regularis. Abhandlungen 12), S. 312. 61 E III 12, fol. 36v; Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 57. – Die Episode hat Meyer schon am Ende seiner Darstellung von Raimunds Generalat in der Chronik der Generalmeister des Buchs der Ersetzung geschildert: Ricketts 198, fol. 210rab. 62 E III 12, fol. 1v; Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 17. 63 E III 12, fol. 40r (aus der Überschrift zu Teil VI); Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 64.

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ordens. Während sich die Ordensreformer und Erneuerer von Teil V über einen zeitlichen Hiat hinweg auf die Väter der Gründungsepoche des Ersten Ordens in Teil I beziehen, ergänzen die Elogien von Teil VI deren Porträts, in der strukturellen Spiegelposition am Ende der Sammlung, im Sinne einer umfassenden Repräsentation der durch heiligmäßiges Leben herausragenden Ordensleute beider Geschlechter. Die parallelen Reihen der Mitglieder des Zweiten und Dritten Ordens eröffnen wiederum offizielle, d.h. päpstlich autorisierte Heilige oder im Ruch der Heiligkeit stehende Persönlichkeiten: die 1461 kanonisierte Katharina von Siena (Dritter Orden, Nr. 1) und Margareta von Ungarn (Zweiter Orden, Nr. 1), deren Heiligsprechungsverfahren bereits im 13. Jahrhundert aufgenommen worden, aber noch nicht abgeschlossen war (die Kanonisation erfolgte tatsächlich erst 1943).64 Auf Margareta, von der u.a. berichtet wird, dass sie observancias regulares ordinis perfectius cunctis aliis in tota vita servavit,65 folgen zunächst die ersten Schwestern aus dem direkten Umfeld des Ordensstifters, die von Dominikus selbst eingekleidete Cecilia romana (Nr. 2) sowie die beiden Töchter (Nr. 3/4) des Grafen Simon IV. von Montfort, qui beato Dominico familiaris fuit valde sicut ex eius legenda habetur.66 Dann aber dominieren die Elogien der Schwestern der altehrwürdigen Konvente der deutschen Ordensprovinz und besonders des Elsass und Oberrheingebiets, allen voran des Colmarer Unterlindenklosters (nahe Gebweiler),67 wobei Meyer für letztere durchweg auf die von den litteraten Kreisen des Ersten Ordens nicht unbeachteten Vitae sororum der Katharina von Gueberschwihr68 zurückgegriffen hat.69 Die Reihe be-

|| 64 In ihrem Elogium heißt es dazu mit kritischem Unterton: Hec virgo inclita et sancta per incuriam et negligenciam non est ad huc cathalogo per romanam ecclesiam asscripta (E III 12, fol. 40v; Meyer: Liber de Viris Illustribus [ed. Loë], S. 64). 65 E III 12, fol. 40v; Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 64. 66 E III 12, fol. 40v; Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 65. Hinsichtlich der Prätexte der drei Elogien hat Loë auf die Dominikus-Legende Dietrichs von Apolda (für Nr. 2) und auf die im Verbund mit den lateinischen Vitas fratrum überlieferte Cronica ordinis posterior (für Nr. 3/4) hingewiesen (Meyer: Liber de Viris Illustribus [ed. Loë], S. 65 Anm. 1–3). 67 In der Chronik der Generalmeister des Buchs der Ersetzung würdigt Meyer das Unterlindenkloster an erster Stelle unter den traditionsreichen Schwesternklöstern der Teutonia, die während der großen Expansionsphase des Ordens zur Zeit des zweiten Ordensmeisters Jordan von Sachsen gegründet wurden: Anno domini M CC xxxij do ward gestifft daz swester Clöster vnder linden genant [;] in dem selben Closter waz solliche grosse heilligkeit vnder den swestren des selben Closters als man denn list in dem bewerten buch daz do seit von den manigfaltigen heilligkeit der selben swestren [= Vitae sororum der Katharina von Gueberschwihr] / daz man meint daz die swestren gangen auf he[i]ltum in irem kirchhoff (Ricketts 198, fol. 174rb–174va). Meyer hat hier denn auch im weiteren Verlauf Elogien einiger der ,alten‘ Schwestern des Unterlindenklosters auf der Basis der Lebensbeschreibungen der Vitae sororum inseriert. 68 So heißt es etwa im Zusammenhang von Meyers Elogium der Katharina von Gueberschwihr an späterer Stelle der Chronik der Generalmeister des Buchs der Ersetzung (im Kontext des 15. Ordensgeneralats des Barnabas Cagnoli von Vercelli): si bracht zu mit hilff des heilligen geistes daz si schreib schone hohe lateinische bücher vnder den hat si geschriben ein buch von dem leben der ver-

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ginnt mit Benedicta (Nr. 5), der ersten a fratre walthero priore et lectore argentinensi (sein Elogium in Teil I, Nr. 28)70 mit dem Ordenshabit bekleideten Schwester von Unterlinden,71 und schließt weitere elf Konventualinnen aus der Frühzeit von Unterlinden ein (Nr. 8, 9, 11, 13, 14, 16, 18–22).72 Diesem Kerncorpus der Schwestern von Unterlinden hat Meyer einzelne Biogramme von Dominikanerinnen anderer Konvente hinzugefügt, deren Viten ihm speziell auch von seiner eigenen literarischen Produktion vertraut waren.73 Dies betrifft die Elogien der Tösser und Ötenbacher Konventualinnen Elisabeth von Ungarn (Nr. 10), Elsbeth von Oye (Nr. 12) und Elsbeth Stagel (Nr. 15), deren elaborierte Lebensbeschreibungen Meyer für seine Kollektion dominikanischer Schwesternbücher, wie sie im Nürnberger und Breslauer Codex vorliegt, gesichtet bzw. redigiert hatte (im Falle der Elsbeth Stagel auf der Grundlage des Textes der Vita Seuses).74 Bertha (Nr. 17), die Gründerin des Freiburger Klosters St. Agnes, und die im Liber de illustribus viris ohne Vornamen aufgeführte Schwester König Rudolfs von Habsburg (Nr. 6), vermeintliche Gründungsschwester in Adelhausen, waren Meyer aus der Überlieferung und Eigengeschichte der Freiburger Dominikanerinnenklöster, die er 1465 selbst reformiert hatte, bekannt.75 Eine Vita der Bertha verfertigte er offenbar im Zusammenhang seiner heute verschollenen – ca. 20 Kapitel umfassenden – Chronik des Klosters St. Agnes von || gangenen swestren irs closters vnd hat es mit sollichen schönen tapfferen lateinischen worten gesetzt daz alle die meister die es je gesehend hand ein groß verwundern dar an hand (Ricketts 198, fol. 202va). 69 Vgl. wiederum die Quellenhinweise in: Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 65–70 (Anmerkungen). 70 Vgl. Jeanne Ancelet-Hustache: Les Vitae sororum d’Unterlinden. Édition critique du manuscrit 508 de la bibliothèque de Colmar. In: Archives d’Histoire Doctrinale et Littéraire du Moyen Age 5 (1930), S. 317–509, hier S. 347f. Anm. 3. 71 E III 12, fol. 41r; Meyer: Liber de Viris Illustribus (ed. Loë), S. 65. 72 Vitae sororum (ed. Ancelet-Hustache), Kap. 9: Benedicta de Mulhusen, 16: Stephania de Phirreto, 31: Anna de Winegge, 40: Rilindis de Bisegge, 14: Hedewigis de Steinbach, 15: Mehtildis de Wincenhein, 29: Elisabet de Iuncholz (bei Meyer: Gertrudis, d.h. wohl Verwechslung mit dem Namen der zweiten in Kap. 29 erwähnten Schwester Gerdrudis de Girsperc), 33: Gerdrudis de Rivelden, 41: Adelheidis de Muncenhem, 51: Hedewidis de Gewilre, 37: Elisabet de Senhen, 21: Agnes de Herenchein. 73 Insgesamt sind dabei die Dominikanerinnen (hoch)adeliger Herkunft überwiegend am Anfang der Gesamtreihe, im Bereich von Nr. 1–11, platziert (vgl. Bürkle: Literatur im Kloster, S. 192 Anm. 105). 74 Siehe o. Kap. 5.2.1 und 5.2.3. Alle drei Dominikanerinnen hat Meyer schon in der Chronik der Generalmeister des Buchs der Ersetzung innerhalb der Reihe der Brüder und Schwestern, die trotz des zunehmenden Niedergangs der Spiritualität des Ordens in den Zeiten des 15. Ordensgenerals Barnabas Cagnoli von Vercelli in heilligem leben den ersten vetren vnd müttren nit minder warend, zusammengestellt – mit Katharina von Gueberschwihr, der Verfasserin der Vitae sororum, in ihrer Mitte (Ricketts 198, fol. 202rb–203ra, das Zitat 201vb). 75 Von dieser Schwester Rudolfs von Habsburg berichtet dann auch Meyers Kaiserchronik (dazu o. S. 221).

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den Anfängen 1264 bis zur Reform 1465.76 Die beiden Reihen der Zweit- und Drittordensschwestern verklammern in gewisser Weise die Elogien der Agnes von Montepulciano (Zweiter Orden, abschließende Nr. 23) und der Katharina von Siena (Dritter Orden, Nr. 1), insofern es sich in beiden Fällen um heilige Frauen handelt, deren ,offizielle‘ Viten von Raimund von Capua77 verfasst worden sind (worauf die Elogien jeweils eigens hinweisen). Der Katharina-Legende Raimunds von Capua sind denn auch die letzten Elogien (des von Meyer niedergeschriebenen Textes des Liber de illustribus viris) der Drittordensschwestern Alexia de Senis (Nr. 2) und Francisca (Nr. 3) entnommen.78 Indem Johannes Meyer die Elogien der Zweit- und Drittordensschwestern in bis dahin ungewohntem Umfang in seinen Liber de illustribus viris integriert hat, hat er „das heiligmäßige Leben von Nonnen dem offiziellen Gedächtnis des Ordens überantwortet“79 und auf diese Weise die seligen Mütter und Schwestern den Mitgliedern des Ersten Ordens gleichgeordnet. Der literarische Text spiegelt so jedoch nicht nur Meyers persönliches lebenslanges Engagement in der Frauenseelsorge wider, sondern reagiert gewiss auch auf die ordenspolitischen und frömmigkeitspraktischen Bestrebungen der Gebweilerer Observantenkommunität insgesamt, der er seit 1465 zugehörte. Denn mit der doppelten Referenz der Elogienreihe von Teil VI auf das Wirken sowohl der Initiatoren der dominikanischen Observanzbewegung um Raimund von Capua, den Beichtvater und Hagiographen der Katharina von Siena und Verfasser der Vita der Agnes von Montepulciano, wie auch des Ordensgründers Dominikus selbst, der sich von Anfang an für die Bedürfnisse und Belange religiöser Frauen einsetzte, reflektiert und legitimiert der Text die spezifischen Bemühungen und Interessen der Gebweilerer Observanten im Bereich der Cura animarum und insbesondere der Nonnenseelsorge, und dies erneut unter den Vorzeichen einer Rückkehr zu den heiligen Ursprüngen. Vor diesem Hintergrund unterstreicht der Liber de illustribus viris als ,Pantheon‘ der berühmten Männer und Frauen des Ordens und seiner drei Zweige die überzeitliche Einheit, Identität und Würde der sich von Dominikus80 herleitenden Gesamtordensfamilie und propagiert das heilsame || 76 Siehe dazu die identischen Selbstaussagen Meyers in seiner Chronik von 1484 (Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 107, fol. 254r, von Meyers Hand) und in dem bei König: Geschichte der Freiburger Klöster, S. 297 zitierten Textauszug aus dem sog. Baumeister-Codex B 1 Nr. 110, S. 123. Vgl. Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 483. 77 Vgl. Werner Williams-Krapp: Raimund von Capua. In: 2VL 7 (1989), Sp. 982–986. 78 Vita S. Catharinae Senensis (,Legenda maior‘). In: AASS Apr. III, S. 853–959, hier S. 938 (Nr. 338f.). 79 Bürkle: Literatur im Kloster, S. 192. 80 Mit hymnischem Lob gedenkt seiner noch einmal der Epilog (Conclusio huius operis), der vollständig mit der 28. der Meditationes des Johannes de Turrecremata (Torquemada) übereinstimmt. Dabei ist unklar, ob „Meyer eine handschriftliche Fassung dieser Torquemada-Betrachtung gekannt“ hat oder aber „Meyer und Torquemada auf einen anderen Verfasser zurück[gehen]“ (Walz: Von Dominikanerstammbäumen, S. 236; im Elogium Torquemadas, das Meyer seiner Papstchronik

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Zusammenwirken der Geschlechter zum Wohl des Ordens und mehr noch des Corpus Christianum im Ganzen.

6.2 Von der Sukzessionschronik zur Geschichte der Observanz: Die Chronica brevis O.P. 6.2.1 Entstehung und Überlieferung Die Chronica brevis O.P. hat Meyer zu Pfingsten 1470 abgeschlossen. Dies geht aus der Datumsangabe am Ende der Vorrede hervor,81 die einleitend zugleich die Dedikation des Textes an Innozenz Ringelhammer aus Wien, den Generalvikar der Observanten in der Teutonia,82 anzeigt. Die Widmung an Ringelhammer steht im Zusammenhang mit dessen Visitation des Predigerkonvents Gebweiler im Sommer desselben Jahres.83 Ob Meyer, der seinerzeit Mitglied der Gebweilerer Gemeinschaft war, dem Generalvikar dabei die Schrift vor Ort persönlich „überreichte“84 oder aber „gleichsam zur Vorbereitung auf die Visitation übersandte“, wie Neidiger vermutet

|| inseriert hat, ist nur summarisch von vil ntzlicher gtter bcher die Rede, die er verfasst habe: Mgq 195, fol. 244r; ebenso in der gekürzten lateinischen Version dieses Elogiums in der Chronica brevis: Cod. 939, fol. 76v; ed. Scheeben, S. 89). Im Erstdruck der Meditationes von 1467 (Ulrich Han, Rom) ist dem Text ein Holzschnitt beigegeben, der einen aus dem liegenden Dominikus emporsprießenden Weinstock mit zwölf ,illustren‘ Ordensangehörigen zeigt und wohl wiederum auf ein Fresko mit der Darstellung des Dominikanerstammbaums im Kreuzgang von St. Maria sopra Minerva zu Rom rekurriert, das seinerseits Ansatzpunkt der 28. Betrachtung Torquemadas war (Walz, S. 234–239 mit Abb. 1). Bemerkenswerterweise gibt es eine vergleichbare Text-Bild-Beziehung auch im Falle von Meyers Liber de illustribus viris. Denn eine „Darstellung der Ordensgrößen in Form eines sicherlich in dominikanischen Kreisen entworfenen Stammbaums in einem oberrheinischen Einblattdruck vom Jahre 1473“ (Werner Williams-Krapp: Kultpflege und literarische Überlieferung. Zur deutschen Hagiographie der Dominikaner im 14. und 15. Jahrhundert. In: Ist mir getroumet mîn leben? Vom Träumen und vom Anderssein. FS Karl-Ernst Geith. Hrsg. von André Schnyder [u.a.]. Göppingen 1998 [GAG 632], S. 147–173, hier S. 169f. [mit Abb. 1]) lässt sowohl in der Auswahl der 22 (im Weinstock über Dominikus) porträtierten Figuren „aus der Fülle der Ordensgestalten“ und deren Anordnung als auch in den Texten der ihnen zugeordneten Spruchbänder Parallelen zu Meyers Text erkennen (Albert Auer: Bilderstammbäume zur Literaturgeschichte des Dominikanerordens. In: Liber floridus. Mittellateinische Studien. FS Paul Lehmann. Hrsg. von Bernhard Bischoff und Suso Brechter. St. Ottilien 1950, S. 363–371, hier S. 365–368 mit Tafel 1; weiterhin Walz, S. 240– 243 mit Abb. 2). Welche Wege die Rezeption hier im Einzelnen genommen hat, bleibt zu klären. 81 Scriptum Anno gracie M°cccclxx in vigilia penthecostes (Cod. 939, fol. 19r; Meyer: Chronica brevis [ed. Scheeben], S. 24). 82 Zu ihm Löhr: Teutonia im 15. Jahrhundert, S. 11. 83 Eine Abschrift von Ringelhammers Visitationsprotokoll vom 5. August 1470 findet sich im Basler Codex E III 13, fol. 87rv (gedruckt bei Löhr: Teutonia im 15. Jahrhundert, S. 103–105). 84 Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 479.

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hat,85 ist auf der Grundlage der bekannten Quellen nicht zu ermitteln. Sicher ist aber, dass der Verfasser seine Gabe mit dieser Geste als Beitrag zur offiziellen Historiographie des Ordens und vor allem auch der dominikanischen Observanzbewegung verstanden wissen wollte und sie als solchen deklariert hat. Der Text der Chronica brevis ist wiederum nur unikal überliefert im Codex 939 des Bayerischen Nationalmuseums in München.86 Diese Sammelhandschrift wohl des letzten Drittels des 15. Jahrhunderts (mit späteren Ergänzungen) stammt aus dem reformierten Augustinerchorherrenstift Birklingen (Unterfranken) und gelangte später in die Bibliothek der Abtei Münsterschwarzach.87 Sie enthält außer der Chronica brevis (fol. 18r–86v) auch noch Meyers Katalog De primis sanctis patribus Parisiensibus doctoribus O.P. (fol. 107r–109v) und eine Kollektion von Textmaterial zum Liber de illustribus viris (fol. 92r–106r),88 daneben am Codexende einen umfänglichen Registerteil (Verzeichnis offenbar andernorts ausgelassener Kapitel und alphabetisches Stichwortregister) zu einzelnen Büchern der Revelationes der Birgitta von Schweden sowie schließlich eine Vielzahl kleinerer erbaulicher, normativer, historiographischer und pragmatischer Texte und Notizen aus dem Umkreis der Windesheimer Kongregation und speziell des Klosters Birklingen,89 das Anfang der 1460er Jahre von Kirschgarten (Worms) aus als reguliertes Chorherrenstift begründet wurde.90 Die Birklinger Abschrift des auf Johannes Meyer zurückgehenden Textcorpus (fol. 18r–109v) dürfte zwischen 1475 und 1479 entstanden sein. Denn sie tradiert einerseits die Chronica brevis einschließlich Meyers eigener Erweiterungen bis zum Jahr 1475,91 das auch der Katalog der Pariser Ordensgelehrten des 13. Jahrhunderts als Termin der Textabfassung nennt; andererseits datiert ein abschließender, wohl in Birklingen hinzugefügter Nachtrag zur Chronica brevis von 1479.92 Da

|| 85 Neidiger: Selbstverständnis und Erfolgschancen, S. 92. 86 Ein im 17. Jahrhundert im Kölner Predigerkloster vorhandener Textzeuge ist verschollen (Meyer: Chronica brevis [ed. Scheeben], S. 9 Anm. 1; Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 479). 87 Siehe die Beschreibung von Paul Lehmann: Mittelalterliche Handschriften des K.B. Nationalmuseums zu München. München 1916 (Sitzungsberichte der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-philologische und historische Klasse 1916.4), S. 11–22. 88 Sowohl der lateinische Katalog der Pariser Gelehrten wie auch die Materialsammlung zum Liber de illustribus viris sind in Scheebens Edition der Chronica brevis abgedruckt (S. 103–108, 108–111). 89 Darunter etwa Aufzeichnungen zur Geschichte Birklingens und Notate über die Aufnahme verschiedener süddeutscher Klöster (Kirschgarten, Frankenthal, Höningen, Birklingen, Rebdorf, Heidenfeld) in die Windesheimer Kongregation, ein Verzeichnis der Birklinger Reliquien, Ablassbriefe der Klöster Kirschgarten und Birklingen sowie eine Chronik der Abtei Münsterschwarzach; zu den Details Lehmann: Mittelalterliche Handschriften, S. 11–22. 90 Dazu Kemper: Klosterreformen, S. 263–266. 91 Vgl. Meyer: Chronica brevis (ed. Scheeben), S. 12. 92 Dort heißt es zuletzt von den leiblichen Brüdern des Johannes Nigri, des ersten Priors des reformierten Regensburger Predigerkonvents: omnes in vita adhuc anno lxxix° (Cod. 939, fol. 86v; Meyer: Chronica brevis [ed. Scheeben], S. 102 [Nr. 177]).

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der Codex 939 ebenjene ,eigenhändigen‘ Zusätze des Verfassers zur Chronica brevis und auch seine Collectanea zum Liber de illustribus viris enthält, wird seine – vielleicht über eine Zwischenstufe vermittelte – Vorlage letztlich ein Handexemplar Johannes Meyers gewesen sein, das genau die in Birklingen abgeschriebene Textkollektion umfasst hat. Auf welchem Weg Meyers Vorlage (oder bereits eine Abschrift davon) nach Birklingen gelangt ist und damit die Grenzen des primären Rezeptionsraums des Dominikanerordens transzendiert hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Der Textverbund des Codex 939 lässt indes zu Beginn ein spezifisches Interesse an den Traditionen und Lebensformen anderer monastischer Gemeinschaften erkennen. Dies dokumentieren etwa eine Aufstellung der verschiedenen geistlichen Kommunitäten entsprechend ihrer Regelzugehörigkeit und mit kurzen Angaben zu ihren Gründern und ihrem charakteristischen Ordenshabit (gleichsam eine skizzenhafte Genealogie des christlichen Zönobitismus von den Zeiten der Wüstenväter an: fol. 7r–12r) oder auch eine Wundererzählung vom exzeptionellen Heilsstand des Kartäuserordens (fol. 15v). In diesem Kontext findet sich denn auch ein Auszug aus Meyers Chronica brevis zum heiligen Dominikus, seiner ursprünglichen Lebensform als Regularkanoniker93 und seiner Ordensstiftung (fol. 11rv). Im Inhaltsverzeichnis des Cod. 939 wird die Chronica brevis überdies mit den Worten angekündigt: Invenies in eadem cronica pulcherrima et sancta exercitia plurima et videbis cum scandalo tuo quam longe es a vera perfectione et sancta vita (fol. 2rv). Sofern die Formulierung – die inhaltlich z.T. auf das Preambulum exhortatorium der Chronica brevis (fol. 18r) zu rekurrieren scheint – von einem der Birklinger Schreiber stammt, mag sie tendenziell Auskunft geben über das dortige Rezeptionsinteresse, dem es dann offenbar in erster Linie um die Exemplarizität und Perfektion der berichteten sancta exercitia, an denen der Leser den Stand seiner eigenen Lebensform messen soll, und mithin um ein die einzelnen Ordensgemeinschaften und Verbände übergreifendes Streben nach dem Ideal geistlichen Lebens zu tun gewesen wäre. Tatsächlich sind Verbindungen Johannes Meyers oder seines zeitweiligen Umfelds zu den Konventen der Windesheimer Kongregation bekannt. So tradiert der Basler Codex E III 13, jener Sammelband aus Meyers Besitz, „in den er zwischen ältere Texte eintrug oder eintragen ließ, was er festhalten wollte“,94 auf fol. 34r die Abschrift (von Meyers Hand) eines Briefs des Windesheimer Priors Theodoricus Graviae an die Priorin von Schönensteinbach und Meyer (in seiner Funktion als || 93 Dass dieser Aspekt, d.h. die alte Verbindung zwischen dem Predigerorden und dem Ordo canonicus (die zudem in Dominikus’ Wahl der Augustinusregel für die von ihm gegründete Gemeinschaft ihren Ausdruck gefunden hat), für die Birklinger Rezeption von Meyers Ordenschronik von besonderer Bedeutung gewesen sein wird, verdeutlicht schon die Zeigehand, die einer der Schreiber an den linken Rand von fol. 21r gesetzt hat, um genau den Passus der Chronica brevis zu markieren, der die anfängliche Zugehörigkeit des Dominikus zum Regularkanonikertum thematisiert. 94 Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 474.

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Klosterseelsorger) vom Jahr 1463, worin dem Schönensteinbacher Kloster die Aufnahme in die Gebetsverbrüderung mit den Konventen der Windesheimer Kongregation angezeigt wird. In der anschließenden Liste der Windesheimer Klöster (fol. 34r– 36r) ist auch Birklingen aufgeführt (Nr. 66: Beate Marie jn bircling Herpipolensis). Doch ergeben sich daraus allein keine weiterführenden Hinweise. Wenn man noch einmal bei der präsupponierten Entstehungszeit der Birklinger Abschrift der Chronica brevis (Ende der 1470er Jahre) ansetzte, ließe sich vielleicht ein Zusammenhang herstellen mit Meyers Tätigkeit als Beichtvater bei den Dominikanerinnen von Liebenau bei Worms (er amtiert dort offenbar noch 147895 und vielleicht sogar bis 148196). Könnten zu jener Zeit Kontakte bestanden haben zum Augustinerchorherrenstift Kirschgarten bei Worms, jenem „,Zentrum‘ der Windesheimer Kongregation im süddeutschen Raum“,97 das maßgeblich in die Neugründung des Reformkonvents Birklingen involviert war, in der Folgezeit eng mit dem Tochterkloster verbunden blieb und es speziell auch mit einer Reihe von (hauptsächlich liturgischen) Handschriften versorgte?98 Solange keine weiteren Quellen Auskunft geben, kann man hier freilich über Vermutungen nicht hinauskommen.

6.2.2 Verfahren der Retextualisierung Meyers Ordenschronik liegt texttypenspezifisch – ganz in Übereinstimmung mit dem dominierenden Format der hoch- und spätmittelalterlichen lateinischen Ordenschronistik – die Serie der Generalmeister als basales Strukturprinzip zugrunde, das mit dem Modell der älteren Abts- und Klosterchronistik in letzter Instanz auf das epochale Paradigma des Liber pontificalis rekurriert und das ordenshistoriographische Narrativ entlang der Sukzession der einzelnen Amtsträger entfaltet.99 Die Reihe führt so in der Chronica brevis vom Ordensgründer Dominikus bis zum 30. Generalmeister Martial Auribelli bzw. in der von Meyer selbst ergänzten Gestalt bis zum 31. Ordensgeneral Leonhard de Mansuetis. Immer stehen dabei die formalisier-

|| 95 Vgl. Gerhard Metzger: Der Dominikanerorden in Württemberg am Ausgang des Mittelalters. In: Blätter für württembergische Kirchengeschichte N.F. 46 (1942), S. 4–60, hier S. 48; Dieter Stievermann: Landesherrschaft und Klosterwesen im spätmittelalterlichen Württemberg. Sigmaringen 1989, S. 282. 96 Bis zu diesem Jahr verzeichnet Meyer Neueintritte in Liebenau in seiner Aufstellung des Personalbestands des Liebenauer Klosters (Cod. E III 13, fol. 52v–53r). 97 Kemper: Klosterreformen, S. 259. 98 Thomas Kock: Bibliothek und Scriptorium des Augustiner-Chorherrenstiftes Kirschgarten. In: Der Wormsgau 18 (1999), S. 33–54, hier S. 48; Kemper: Klosterreformen, S. 264f. 99 Zur Sukzessionschronik als vorherrschendem Typus der hoch- und spätmittelalterlichen Ordenschronistik siehe Jäkel: Kontinuitätskonstruktionen; dort S. 89–95 speziell zu Meyers Chronica brevis.

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ten Angaben zu Name, Herkunft, Persönlichkeit und bisheriger Amtsfunktion sowie zum Jahr und Ort (Generalkapitel) der Wahl am Anfang des jeweiligen Erzählsegments und die Nachricht vom Tod oder Ausscheiden aus dem Amt sowie die Kalkulation der Regierungsdauer an dessen Ende, während die zugehörigen Überschriften zusätzlich die Zählung des Amtsträgers innerhalb der Gesamtreihe anzeigen. Diesem auf „Uniformität und Repetitivität“100 setzenden Gerüst sind dann in jeweils ganz unterschiedlicher Dichte Informationen zu den Gesta und Regierungshandlungen und mithin zum Wirken der einzelnen Generalmeister im und für den Orden eingefügt. Hinzu kommen Berichte von besonderen Vorkommnissen und Ereignissen innerhalb dieser Amtszeiten, die durchaus die Form eigenständiger Narrationen annehmen können. Daneben treten, seltener, Inserate aus offiziellen Schriftstücken oder Briefen, die den Authentizitätsanspruch des chronikalischen Textes in besonderer Weise stützen, sowie vor allem auch Elogien und Biogramme der durch heiligmäßiges Leben herausragenden Ordensmitglieder beiderlei Geschlechts, die sich im Kontext der institutionellen Eigengeschichte mitunter zu eigenständigen prosopographischen Reihen oder Katalogen ausfalten können. Mit den genannten Merkmalen erscheint die Chronica brevis zunächst als konventioneller Vertreter der offiziellen dominikanischen Ordenschronistik spätmittelalterlicher Provenienz. Dazu stimmen die vielfältigen Rekurrenzen des Textes auf das historiographische Archiv des Ordens, die Heribert Christian Scheeben in seiner Ausgabe minutiös dokumentiert hat und die das kompilatorische Verfahren als Grundprinzip der Textkonstitution erweisen. An erster Stelle hat Scheeben dabei auf die 1417 verfasste und bis 1426 fortgesetzte Ordenschronik des Jakob von Soest hingewiesen,101 die zwar als solche nicht mehr erhalten, aber indirekt über die Chronik des Albertus de Castello, deren erstem Teil (bis zum Jahr 1426) sie als „durchgehend exzerpierte Hauptquelle“ zugrunde liegt, zu erschließen ist.102 Über die einschlägi-

|| 100 Jäkel: Kontinuitätskonstruktionen, S. 90. 101 Meyer: Chronica brevis (ed. Scheeben), S. 13f. Scheeben hat zudem erwogen, dass auch die Parallelen, die Meyers Text mit dem Chronicon Heinrichs von Herford teilt, über den Prätext Jakobs von Soest vermittelt worden sein könnten (S. 14). 102 Worstbrock: Jakob von Soest, Sp. 493, auf der Grundlage von Ag. de Guimaraes: Autour de la chronique de Jacques de Soest et de ses éditions. In: AFP 7 (1937), S. 290–304; Creytens: Les écrivains dominicains, S. 235–238. – Meyer selbst verweist verschiedentlich auf den Prätext Jakobs von Soest, so etwa im Kontext von Jakobs Elogium, wo er unter dessen Schriften zuletzt ebenjene brevem cronicam de ordine predicatorum anführt und ihr Verhältnis zu seinem Retext andeutet: que non tantum comprehendit sicut presens ordinis cronica (Cod. 939, fol. 71r; ed. Scheeben, S. 82 [Nr. 129]). Einen letzten Beleg dafür, dass Meyer direkt auf Jakob von Soest rekurriert hat, erbringt der bei Creytens: Les écrivains dominicains, S. 237 abgedruckte – Scheeben indes noch unbekannte – Schlusspassus von Jakobs Chronik (in der Fortsetzung bis 1426), den J. de Rubeis aus der heute verschollenen Handschrift des Predigerkonvents SS. Giovanni e Paolo zu Venedig abgeschrieben hat (Biblioteca Nazionale Marciana, Ms. Lat. IX 89, fol. 72v) und der von der Wahl des Bartholomäus Texerius zum Ordensgeneral durch das Bologneser Generalkapitel des Jahres 1426 berichtet: Mit

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gen Darstellungen des lateinischen Ordensschrifttums hinaus hat Meyer aber insbesondere auch auf seine eigenen Texte zurückgegriffen. So hat er nicht nur verschiedene Elogien seines Liber de illustribus viris erneut verwertet, auf den er zudem an einer Stelle explizit verweist,103 sondern gerade auch Material, das er in seinen deutschen Schriften exponiert hat, ebenso in die Chronica brevis eingearbeitet. Dies betrifft sowohl das bereits vorliegende Buch der Reformacio (1464/68) wie auch das Textpaar von Papst- und Kaiserchronik (1470/71), an dem Meyer offenbar parallel zur Chronica brevis arbeitete. Größere Übereinstimmungen zeigt die Chronica brevis speziell mit der älteren Chronik der Generalmeister aus dem Buch der Ersetzung, die Mitte der 1450er Jahre abgeschlossen war. Hier findet sich etwa schon die charakteristische Überformung des sukzessionschronikalischen Narrativs mit dem reformrhetorischen, auf eine Polarisierung des Geschichtsverlaufs zielenden Deutungsschema von Aufstieg, Niedergang und Erneuerung, die Meyer dann auch seiner Darstellung der Ordensgeschichte in der Chronica brevis eingeschrieben hat.104 Auf diese Weise hat Johannes Meyer exklusive Wissensbestände seiner im Zeichen der cura monialium zunächst für die reformierten Dominikanerinnen bestimmten Geschichtsschriften im Modus der Retextualisierung für die lateinische Ordenshistoriographie fruchtbar gemacht. Vor diesem Hintergrund könnte man die Chronica brevis als eine – nicht um Vollständigkeit bemühte, aber doch unter den Konditionen der literarischen Tradition des Texttypus ,Ordenschronik‘ substanzielle Wissenssegmente zusammenführende – Summe des Spektrums der deutschsprachigen historiographischen Arbeiten Meyers begreifen, die deren Erträge der Eigengeschichte auch des männlichen Ordenszweiges und somit dem offiziellen Gedächtnis des Predigerordens einzuverleiben sucht. In diesem Verständnis gälte Meyers Hinweis an die Dominikanerinnen, er habe seine beiden lateinischen Schriften vast ch z trost in gezogen in die […] tützschen bücher,105 mit Blick auf die Chronica brevis gerade auch in umgekehrter Richtung. Die spezifischen Verfahren der Retextualisierung unter den Vorzeichen des „Wiedergebrauchs“106 wie auch die

|| ihm stimmt Meyers Darstellung (Cod. 939, fol. 71v [mit Verweis auf Jakob von Soest!], ed. Scheeben, S. 83f. [Nr. 131]), nun anders als die Brevis et compendiosa Cronica de magistris generalibus et viris illustribus O.P. (auch: Brevissima chronica O.P.) des Albertus de Castello (die deutlich kürzer formuliert und zusammenfasst: ed. Martène/Durand, Sp. 389), in weiten Teilen wörtlich überein. Neben Jakob von Soest erwähnt Meyer als Quellen oder Autoritäten (für spezifische kleinere Textpartien und deren Inhalte) namentlich noch Johannes Dominici, Johannes von Dambach, Humbert von Romans, Ptolomäus von Lucca, Heinrich Seuse, Johannes Nider sowie die Akten der Generalkapitel des Ordens (ed. Scheeben, S. 15). 103 Cod. 939, fol. 25r; Meyer: Chronica brevis (ed. Scheeben), S. 31 (Nr. 16). 104 Vgl. o. S. 72. 105 Mgq 195, fol. 256v; vgl. o. S. 271. 106 Bumke/Peters: Einleitung. In: dies. (Hrsg.): Retextualisierung in der mittelalterlichen Literatur, S. 1–5, hier S. 1.

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Verschiebungen, die sich speziell angesichts des neuen Rezeptionsraums gegenüber den Referenztexten ergeben, sind im Folgenden näher zu beleuchten. Meyer hat der Chronik ein Preambulum exhortatorium vorangestellt, das dem Leser im Sinne der Rezeptionssteuerung eine programmatische Anleitung zur adäquaten Lektüre des nachfolgenden Textes an die Hand gibt, indem es den Gedanken der Perfektionierung des eigenen Tugendlebens in kritischer Selbstprüfung qua Orientierung an den normativen Leitbildern der heiligen Väter gegenüber einem allein auf die cronicam temporum, d.h. auf die äußere Erscheinungsform und die Wechselfälle der geschichtlichen Welt gerichteten Erkenntnisinteresse (curiositas) propagiert.107 Schon hier werden indes die Konturen der Retextualisierung als eines basalen Prinzips der Textkonstitution sichtbar. Denn tatsächlich handelt es sich bei der in Frage stehenden Textpartie um ein weitgehend wörtliches Exzerpt aus dem Schlusskapitel des Exordium magnum Cisterciense Konrads von Eberbach, das Meyer in deutscher Übersetzung auch für den Epilog seiner Leben der Brüder Predigerordens (1469) benutzt hat (ohne jeweils die Quelle als solche zu bezeichnen).108 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Rekurs auf Konrad von Eberbach, wenn er denn ein bewusster war und Meyer den Passus nicht einer Florilegiensammlung entnommen hat, nicht nur ein weiteres Mal das spezifische Interesse observanter Kreise des 15. Jahrhunderts an Konrads Text dokumentiert, welcher „Kunde vom vorbildlichen Leben der Zisterzienser-Väter, ihrem asketischen und spirituellen Eifer, ihren Wundern und Visionen geben“109 will, sondern zugleich die allgemeineren Bestrebungen der Ordensreformer zu einer Wiederbelebung der epochalen Entwürfe der monastischen Tradition impliziert.110 Zumindest in weiten Teilen aus vorgängigem Textmaterial kompiliert wurde auch der zweite Paratext, den der Verfasser der Chronica brevis vorausgeschickt hat. Denn dieser Prolog, der einleitend die Widmung an Innozenz Ringelhammer ausspricht, exponiert darauf jene Parallelisierung des Chronisten und seiner Funktion als Memorator sanctorum patrum primitivorum veteris observancie · fratrumque modernorum nostre reformacionis nove mit den Herrenverwandten und Bewahrern der Genealogie Christi im Angesicht der Vernichtung der Geschlechtsregister durch Herodes,111 die bereits in der Epistel des Verfassers zum Buch der Reformacio Predigerordens in der ,Urfassung‘ von 1464 enthalten ist.112 Während es dort aber zuallererst um die Erinnerung der ersten Väter und Mütter der dominikanischen Observanzbewegung geht, akzentuiert Meyer hier entsprechend dem Berichtshorizont der Sukzessionschronik die bei|| 107 Cod. 939, fol. 18r; Meyer: Chronica brevis (ed. Scheeben), S. 23 (Nr. 1). 108 Exordium magnum Cisterciense (ed. Griesser), S. 426f. Z. 223–229, 240–247, 265–272. 109 Worstbrock: Konrad von Eberbach, Sp. 158. 110 Vgl. o. S. 198f. 111 Dies nach dem Brief des Julius Africanus an Aristides, den Eusebius in Auszügen in I,7 seiner Kirchengeschichte zitiert (dazu o. S. 177f. Anm. 406). 112 Fonds Herzog, 1f22, S. 2–4; vgl. o. S. 177f.

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den im Sinne von Ursprung und Erneuerung als Rückkehr zum Ursprung aufeinander bezogenen Schlüsselperioden einer Geschichtsdeutung observanter Prägung: der veteris observancie der Gründerväter des Ordens und der reformacionis nove der fratrum modernorum, wobei die Exempla der ,Alten‘ wie die der ,Modernen‘ dem Tugendstreben der Späteren zur Nachfolge empfohlen werden. Ohne Nachweis aus einem anderen Text übernommen wurde schließlich auch der kürzere Passus, der in der Münchener Handschrift zwischen dem Prolog und dem Register, d.h. dem Verzeichnis der 31 Generalmeister, nach deren Amtszeiten sich die Chronik gliedert, platziert ist.113 Er reflektiert die weit zurückreichende Tradition insbesondere innerhalb der kirchlichen Literatur, von Leben und Taten der Virorum illustrium und ihrer Lehre zu schreiben, um den Lesern ein Imitabile vorbildlicher Lebensführung und Frömmigkeitspraxis zu präsentieren, und stellt die Vermittlung dessen, was de antecessoribus patribus nostri ordinis videlicet predicatorum in Erfahrung zu bringen ist, als zentrales Anliegen des Verfassers zum Zweck der Vervollkommnung der Seelen seiner Mitmenschen heraus. Abgesehen von der spezifischen Umformulierung und Applikation auf den Dominikanerorden am Ende „gehört“ dieses Räsonnement, wie schon Scheeben in einer Anmerkung zur Stelle vermutet hat, „nicht hierher“.114 Es ist bis auf den Schlusspassus, wo vom Predigerorden die Rede ist, identisch mit dem kurzen Prolog zur lateinischen Vita des heiligen Philipp von Zell,115 die wohl nach der Mitte des 9. Jahrhunderts im pfälzischen Kloster Hornbach entstanden ist und immerhin auch in Reformkreisen des 15. Jahrhunderts (Legendar von Böddeken)

|| 113 Cod. 939, fol. 19r; Meyer: Chronica brevis (ed. Scheeben), S. 24 (Nr. 3). 114 Meyer: Chronica brevis (ed. Scheeben), S. 24 Anm. 10. 115 Vita Philippi presbyteri Cellensis. Hrsg. von Adolf Hofmeister. In: MGH SS 30,2 (1934), S. 796– 805, hier S. 798,2–7: Virorum illustrium vitam atque actus simulque doctrinam scribere mos antiquus et consuetudo ecclesiastica est, ut, dum eorum conversatio atque pietas fidei a posteris legendo dinoscitur, ad eandem imitationem animi audientium excitentur. Ideoque considerans profuturum profectum animarum ratum duxi ea, quae de beato Philippo ab incolis loci illius et a discipulo eius Horoscolfo presbitero didici, litteris posteris commendare. Im Münchener Codex 939 ist der Wortlaut beato Philippo ab incolis loci illius et a discipulo eius Horoscolfo presbitero ersetzt durch antecessoribus patribus nostri ordinis videlicet predicatorum (fol. 19r; ed. Scheeben, S. 24 [Nr.3]). – Meyer hat den (am Ende adaptierten) Passus in deutscher Übersetzung auch der sekundären (sicher nach der Chronica brevis entstandenen) Prologversion vorangestellt, die seine Leben der Brüder Predigerordens in der Freiburger Handschrift B 1 Nr. 202 (fol. 9r) und im Basler Codex A XI 89 (S. 9) einleitet: Es ist ein alte herkumen kristenliche gewonheit Das man der seligen durchluchten mannen heiliges leben vnd ir fruchtbere lere ist beschriben vff daz so man höret vnd lißet yren heiligen wandel vnd seliges leben Das die gemüte vnd hertzen jn gotlicher liebe dester me zu nemen vnd leren noch volgen dem leben der lieben heiligen vetter Hier vmb habe ich gedocht vor langen zeitten Das den swestern jn prediger orden jn tutschen landen nucze mage sein vnd furderlich zu einem tugentrichen geistlichen leben ob sie von den ersten heiligen vettern prediger orden vnd von yrem seligen leben westen (A XI 89, S. 9).

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Verbreitung gefunden hat.116 Ob freilich diese Vita Philipps von Zell Meyers direkte Vorlage war oder ihm der Text anderweitig vermittelt wurde, ist vorläufig nicht zu entscheiden. Die hier für die Paratexte beschriebenen Techniken der Kompilation und Retextualisierung bleiben auch für das historiographische Narrativ selbst relevant. An erster Stelle ist dabei Meyers deutsche Chronik der Generalmeister aus dem Buch der Ersetzung zu nennen. Ein Vergleich der deutschen mit der lateinischen Ordenschronik ergibt jedenfalls einige signifikante Übereinstimmungen, die darauf hindeuten, dass Meyer für die Konzeption des lateinischen Textes auch die ältere deutsche Schrift noch einmal herangezogen (oder auf seine Entwürfe dazu zurückgegriffen) hat. Grundsätzlich stimmen beide Texte in der basalen genretypischen Organisationsstruktur und hinsichtlich der formalisierten Nachrichten zum jeweiligen Generalmeister und zu den Eckdaten seiner Amtszeit überein (lediglich der Berichtszeitraum der Chronik der Generalmeister reicht in der Ausgangsversion des Textes nur bis zum Jahr 1455).117 Verschiedene Parallelen zeigen auch die Elogienreihen und prosopographischen Kataloge – wenngleich die Chronica brevis hier im Einzelnen durchaus anders akzentuiert – sowie die mitunter umfangreicheren Berichte zu herausragenden Ereignissen innerhalb der jeweiligen Generalate. So bringt etwa auch die Chronik der Generalmeister – noch ausführlicher als die Chronica brevis – im Kontext des 5. Generalats Humberts von Romans eine Darstellung des Pariser Mendikantenstreits auf der Grundlage von Thomas’ von Cantimpré Bonum universale de apibus oder dann im Zusammenhang des 23. Generalats Raimunds von Capua einschlägige Nachrichten von dessen Initiativen zur dominikanischen Ordensreform und speziell auch jene Beschreibung des Besuchs des Vorstehers des Kartäuserordens an Raimunds Grab, die überdies Eingang in den Liber de illustribus viris gefunden hat.118 Mit der Chronik der Generalmeister teilt die Chronica brevis

|| 116 Zur Entstehung des Textes Peter Moraw: Das Stift St. Philipp zu Zell in der Pfalz. Ein Beitrag zur mittelalterlichen Kirchengeschichte. Heidelberg 1964 (Heidelberger Veröffentlichungen zur Landesgeschichte und Landeskunde 9), S. 46–50; zur handschriftlichen Überlieferung – u.a. in zwei Codices des 15. Jahrhunderts aus dem Augustinerchorherrenstift Böddeken der Windesheimer Kongregation (Universitätsbibliothek Münster, Cod. 353 und Cod. 22, beide 1945 zerstört) – siehe Hofmeisters Edition der Vita Philippi, S. 797, weiterhin speziell zu den Böddeker Handschriften H. Moretus: De magno legendario Bodecensi. In: Analecta Bollandiana 27 (1908), S. 257–358, hier S. 274 u. 301. 117 Dazu o. S. 70f. 118 Vgl. o. S. 288. In der Chronica brevis ist die Episode indes erweitert um die Wundererzählung des Kartäuseroberen von der ,himmlischen Stola‘ (vgl. Huijbers: Zealots for Souls, S. 263), die Raimund einst durch die Hände seiner Beichttochter Katharina von Siena von der Gottesmutter empfangen habe. Dies Mirakel beschließt den Passus zum Generalat Raimunds und akzentuiert so noch einmal die besondere Mariendevotion und Begnadung dieses ersten Ordensmeisters der Observanz wie auch seine enge Beziehung zur Ordensheiligen Katharina von Siena und ihrem Kreis, der gerade auch Angehörige anderer monastischer Gemeinschaften einschließt und mithin als Hort einer übergreifenden Reformspiritualität und -frömmigkeit erscheint.

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sodann die spezifischen Tendenzen einer übergreifenden Interpretation des Gesamtnarrativs der series gestorum im Sinne der einander ablösenden Phasen von ursprünglicher Blüte, Verfall und Erneuerung des geistlichen Lebens (des Einzelnen wie der Gemeinschaft) unter den Vorzeichen der Observanz, wie sie von jeher für die Geschichtsdeutung der monastischen Reformhistoriographie und insbesondere auch für Johannes Meyers ordenschronistische Arbeiten insgesamt charakteristisch ist.119 Es sind aber auch einige bemerkenswerte Divergenzen zwischen dem lateinischen und dem deutschen Text zu konstatieren, die nicht zuletzt aus deren unterschiedlichem Adressatenbezug resultieren. In dieser Hinsicht zeigen beide Texte etwa gerade in den Eingangspartien, bei den frühen Generalmeistern, spezifische || 119 Es mag genügen, einzelne repräsentative Formulierungen der Chronica brevis herauszugreifen, die die gegenläufigen Perioden indizieren: Fuit autem tunc tantus fervor devocionis in ordine quod nullus sufficeret enarrare Erat eciam tunc temporis predicacio fervida / continua et voluntaria / Annunciabantque tunc fratres verbum domini desideranter / ardenter et frequenter / Predicabant enim cum apostolo non ut comederent / sed comedebant ut predicarent (zum 4. Generalat des Johannes von Wildeshausen: Cod. 939, fol. 26r; ed. Scheeben, S. 32 [Nr. 19]; Prätexte: Vitae Fratrum [ed. Reichert], S. 148,1f.; Dietrich von Apolda: Vita S. Dominici [AASS Aug. I], S. 608 [§ 276, § 273]); Ideo mirum non est si fervor fratrum et religio ordinis in tot variacionibus et mutacionibus tantorum magistrorum in tam succinctu et brevi temporis spacio aliquantulum declinavit Maxime eciam cum loca conventuum et monasteriorum nimium multiplicata (zum 12. Generalat des Aimerich von Piacenza: Cod. 939, fol. 43v–44r; ed. Scheeben, S. 52 [Nr. 71]); Hic multos libros conscripsit · et ordinem strenue rexit / licet fervor religionis in omnibus tunc in ordine predicatorum existentibus tantus non fuit / sicut quondam ante retroactis annis fuit (zum 14. Generalat des Hervé von Nédellec: Cod. 939, fol. 48r; ed. Scheeben, S. 57 [Nr. 82]); Quod autem in hiis quassacionibus et tumultibus ac discordiis principum et terrarum in quibus eciam fratres implicati esse videbantur / religio et fervor devocionis sicut temporibus primitivorum fratrum sanctorum / non crescebat / non mirum esse debet (zum 15. Generalat des Barnabas Cagnoli von Vercelli: Cod. 939, fol. 51v; ed. Scheeben, S. 60 [Nr. 89]); Cum illo tempore regularis observancia et fervor devocionis · et laudabilis institucio beati dominici · iam pene in multis locis et personis ordinis exsiccata fuisset / non sine amaritudine cordis huius magistri · et quorundam aliorum fratrum servorum dei · dictus magister ordinis qui regularis observancie erat ardentissimus amator / et fidelissimus emulator / adinvenit modum reformandi ordinem taliter […] (zum 23. Generalat des Raimund von Capua: Cod. 939, fol. 61r; ed. Scheeben, S. 71 [Nr. 110]); Per hunc magistrum ordinis et per modum sue reformacionis · in diversis conventibus fratrum et monasteriorum sororum · aliquarum provinciarum · refloruit observancia ordinis ac regularis vite pene exsiccata · Et beati dominici institucio plurimum revixit / et convaluit reparata (zum 26. Generalat des Bartholomäus Texerius: Cod. 939, fol. 75v; ed. Scheeben, S. 88 [Nr. 144]). Gleichwohl verbürgt eine wenn auch noch so kleine Schar heiligmäßig lebender Ordensmitglieder auch in den Zeiten des allgemeinen Niedergangs die Kontinuität mit den heiligen Ursprüngen. Auch hierin stimmt die Darstellung der Chronica brevis mit der der Chronik der Generalmeister überein. So wird die auf den Bericht über die Vorgänge des Großen Schismas folgende Reihe vortrefflicher Ordensbrüder während des 22. Generalats des Elias Raymond folgendermaßen eingeleitet: Pauci tunc temporis inveniebantur in ordine perfecti viri fratres religiosi · sectatores virtutum / qui vita doctrina et miraculis essent ita religiosi et devoti · aut eciam gloriosi et illustres · sicut antecessores eorum et patres nostri primitivi fuerunt (Cod. 939, fol. 59r; ed. Scheeben, S. 68 [Nr. 105]).

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Verschiebungen, insofern die für die reformierten Dominikanerinnen bestimmte Chronik der Generalmeister hier vornehmlich auf Biographie und Hagiographie, d.h. auf Elogien und Exempla seliger Brüder und besonders auch Schwestern setzt, die zu jenen Zeiten im Orden lebten, wohingegen die Chronica brevis den Akzent deutlich auf die Institutionsgeschichte und auf die Ordenspolitik (von der die Frauenkommunitäten bekanntlich ausgeschlossen waren), d.h. z.B. im Falle des Dominikus auf die einzelnen Vorgänge und Stationen der Ordensgründung, die fortschreitende Institutionalisierung und „räumliche Expansion“120 der Gemeinschaft und insbesondere die Konstitution der ersten Generalkapitel legt (im Falle von Dominikus’ Nachfolger Jordan von Sachsen dann etwa auch auf die Konventsgründungen in provincia alamanie, die mit einer gesonderten tabellarischen Aufstellung121 dokumentiert werden). Den je eigenen Interessenhorizont des männlichen und des weiblichen Ordenszweiges verdeutlicht auch der Abschnitt zum Generalat des 5. Ordensmeisters Humbert von Romans. Während die Chronik der Generalmeister hier eine detaillierte Übersicht über Humberts Arbeiten zur Vereinheitlichung der dominikanischen Liturgie (mit Kurzbeschreibungen der verschiedenen von ihm revidierten liturgischen Bücher) und eine Auswahl seiner gerade auch für die Schwestern relevanten normativen und ordensdisziplinären Schriften (darunter auch das von Meyer adaptierte Buch der Ämter) bringt, um deren Distribution in den Frauenklöstern zu gewährleisten oder anzuregen, inseriert die Chronica brevis ein größeres Exzerpt aus einer Epistel des Ordensmeisters an die Dominikanerinnen, um mit diesem Testimonium Humberti de sanctitate sororum in den Reihen des (observanten) Ersten Ordens auf die frühe Prosperität des weiblichen Ordenszweiges und seiner heiligmäßigen Lebensform, deren Fama ihm besondere Gunsterweise der römischen Kirche einbrachte, aufmerksam zu machen.122 Es dürfte kein Zufall sein, dass dieselbe Epistel Humberts (in vollständiger Form) auch in jenem auf Johannes Meyer zurückgehenden Textverbund überliefert ist, dem das Buch der Ersetzung und seine Chronik der Generalmeister von Anfang an integriert waren.123 Im Kontext von Humberts Generalat findet sich in der Chronica brevis weiterhin ein – in der Chronik der Generalmeister fehlender – kurzer Bericht von der Weihe der Kirche des neuen Straßburger Predigerkonvents im Herzen der Stadt. Dieser Bericht steht am Beginn einer Reihe von je isolierten Nachrichten zum traditionsreichen Straßburger Brüder-

|| 120 Jäkel: Kontinuitätskonstruktionen, S. 92. 121 Cod. 939, fol. 23v; ed. Scheeben, S. 29 (Nr. 13). Die 25 Konvente sind dabei chronologisch nach dem Zeitpunkt ihrer Gründung und entsprechend der späteren Neuorganisation der Ordensprovinzen Anfang des 14. Jahrhunderts in zwei Spalten angeordnet, die ihre Zugehörigkeit entweder zur Teutonia oder zur Saxonia anzeigen. 122 Cod. 939, fol. 27v–28r; ed. Scheeben, S. 34 (Nr. 24). 123 Dazu Seebald: Handschriftenverhältnisse, S. 398f., 421. Vgl. o. S. 22f. Die Epistel Humberts (Straßburg, 1260) ist abgedruckt bei Reichert: Geschichte der deutschen Dominikaner, S. 305f., und dann wieder in den von Reichert edierten Litterae Encyclicae (MOPH 5), S. 56f.

Von der Sukzessionschronik zur Geschichte der Observanz | 303

konvent,124 die aber über die einzelnen Erzähleinheiten der Generalate hinweg einen Erzählfaden exponieren, den Meyer, nach dem Muster der Papstchronik,125 insbesondere zur Konturierung des zunehmenden Niedergangs der Ordensdisziplin und -spiritualität im Sinne des reformrhetorischen Deutungsschemas und vor allem auch zur Auseinandersetzung mit den ordensinternen Gegnern der Observanz (als deren exponierte Vertreter stellt Meyer an anderer Stelle, im Buch der Reformacio, die sich der Reform verschließenden Straßburger Prediger dar) nutzt, wenn er zuletzt die luxuriöse, mit der Architektur der Straßburger Bischofskirche konkurrierende Neugestaltung des Chores der Predigerkirche zu Anfang des 14. Jahrhunderts dem alten, den Ansprüchen der Straßburger Brüder mittlerweile nicht mehr genügenden Bau gegenüberstellt, qui ab inicio fundacionis dicti conventus satis sufficiebat primitivis sanctis fratribus pro divino cultu quem devote peragebant.126 Die größten Abweichungen zeigen sich zwischen der Chronica brevis und der Chronik der Generalmeister indes mit Blick auf die Historie der dominikanischen Observanzbewegung, die die Beschreibung der Ordensgeschichte vom Generalat Raimunds von Capua an dominiert – mit der Folge, dass die Geschichte der konventualen Partei fortan ganz zurücktritt und nur noch hinsichtlich ihrer Funktion als Gegenpart der Observanten eine Rolle spielt. Zwar bringt auch der deutsche Text eine breite Darstellung dieser Initien der Ordensreform speziell im Bereich der deutschen Ordensprovinz und in Bezug auf die Errichtung der beiden Modellkonvente Colmar und Schönensteinbach, doch tendiert die Chronica brevis hier zu weit mehr Ausführlichkeit gerade auch hinsichtlich der allgemeinen kirchengeschichtlichen Voraussetzungen und Implikationen (Geschichte des Großen Schismas)127 und der ordenspolitischen bzw. institutionellen Grundlagen und Verläufe. Ein genuines Merkmal der Chronica brevis sind sodann die mehr oder minder elaborierten und durchaus eigenständigen, in sich geschlossenen Berichte über die fortschreitende Reformierung der Brüder- und Schwesternklöster der Teutonia, die Meyer dem Schema der Sukzessionschronik inseriert hat. Sie iterieren und reflektieren die Nachrichten von den Klostergründungen in den Anfängen des Ordens, zu den Zeiten des Dominikus und seiner Nachfolger im Leitungsamt des Ordens, und veranschaulichen die Expansion der Observanzbewegung im Sinne eines ,zweiten‘ Anfangs in Analogie zur initialen Ausbreitung des Ordens im 13. Jahrhundert. Mit der Serie der Inserate zur Reform der einzelnen Ordensklöster rekapituliert die Chronica brevis in diesem Bereich freilich – in abbreviierter Gestalt – das Muster des Buchs der Reformacio Predigerordens und seiner Darstellung der zunehmenden Institutionalisierung der dominikanischen Ordensreform, wie sie in Buch III der ,Urfassung‘

|| 124 Cod. 939, fol. 29rv, 37r, 45r; ed. Scheeben, S. 36 (Nr. 30), 45 (Nr. 52), 54 (Nr. 75). 125 Vgl. o. S. 205f., 209f., 217f. 126 Cod. 939, fol. 45r; ed. Scheeben, S. 54 (Nr. 75). 127 Gerade hier ergeben sich wiederum Parallelen zur Papstchronik, vgl. o. S. 212f.

304 | Die lateinischen Schriften

bzw. in Buch V des Textes von 1468 vorliegt.128 Zugleich sind hier auch die einschlägigen Prätexte präsent, auf die Meyer bereits für das Buch der Reformacio zurückgegriffen hat. So zitiert beispielsweise die Panegyrik des geistlichen Lebens in den reformierten Konventen und seines heiligen Eifers, die Meyer im Kontext der Amtsperiode des 26. Generalmeisters Bartholomäus Texerius eingefügt hat, die Vitas fratrum praedicatorum conventus Basiliensis des Johannes von Mainz. Aus dieser Schrift sind dann auch einige der Kurzbiographien der fratres de conventibus reformatis kompiliert worden, die Meyer im Anschluss zusammengestellt hat und die von Johannes Nider über einzelne Angehörige der primären Reformkonvente von Colmar und Nürnberg und mehrere ,Gründerväter‘ der Basler Observanz bis hin zu den Schönensteinbacher Beichtvätern – und Amtsvorgängern Johannes Meyers – Heinrich Fabri und Johannes von Mainz reichen.129 Ihnen folgt schließlich noch eine kürzere Liste herausragender Reformer anderer Ordensprovinzen und insbesondere ,italienischer Väter‘ (ytalici patres),130 die hier nun erneut die allgemeinere Tendenz der Chronica brevis – speziell auch gegenüber der Chronik der Generalmeister – erkennen lässt, den Berichtshorizont kontinuierlich über die Dimensionen des im primären Wirkungs- und Erfahrungskreis des Verfassers und seines Zielpublikums begründeten Schwerpunkts des engeren Referenzraums der deutschen Ordensprovinz hinweg auszudehnen, um den prinzipiellen Universalitätsanspruch des historiographischen Genres – jedenfalls mit Blick auf die Institutionsgeschichte – zu behaupten. Die hier erkennbaren Ambitionen des Textes stehen durchaus im Einklang mit den Reflexionen und Selbstaussagen Johannes Meyers in der Vorrede zu Buch II des Buchs der Reformacio von 1464, die Nachricht geben von den initialen Plänen einer Geschichte nicht allein […] der reformation diser teütscher prouintzen, sondern so gar deß gantzen Ordens, die aber aus pragmatischen Gründen nicht wie vorgesehen umgesetzt werden konnte.131 Im Licht dieser Aussage scheint die Chronica brevis das schon immer anvisierte Projekt einer universalen Geschichte des Ordens und seiner Reform von Neuem und unter den Konditionen des Genres der Sukzessionschronik vorantreiben zu wollen. Mit der Chronica brevis hat Johannes Meyer das traditionelle Format der Sukzessionschronik für eine dichte Beschreibung der Ursprünge und Fortschritte und mithin der Erfolgsgeschichte der dominikanischen Observanzbewegung geöffnet. Der Text selbst erwächst aus diversen Retextualisierungsschichten, die sich einerseits aus den einschlägigen Prätexten der lateinischen Ordensliteratur, andererseits gerade auch aus Meyers eigenen und vorwiegend für die weiblichen Ordensangehöri|| 128 Zur möglichen Modellwirkung von Bernard Guis De fundatione et prioribus conventuum provinciarum Tolosanae et Provinciae ordinis Praedicatorum siehe o. S. 153 Anm. 297. Vgl. Jäkel: Kontinuitätskonstruktionen, S. 92. 129 Cod. 939, fol. 77r–79v; ed. Scheeben, S. 90–93 (Nr. 147–149). 130 Cod. 939, fol. 79v–80r; ed. Scheeben, S. 93 (Nr. 150f.). 131 Fonds Herzog, 1f22, S. 118. Dazu o. S. 180.

Von der Sukzessionschronik zur Geschichte der Observanz | 305

gen verfassten deutschen Schriften speisen. Auf diese Weise vermittelt die Chronica brevis eine Art Abbreviatur des in den vorgängigen und parallelen historiographischen Arbeiten des Verfassers aufbereiteten – und in besonderem Maße auch Entwicklungen innerhalb des weiblichen Ordenszweiges einschließenden – Wissens an den gelehrten Diskurs des Ersten Ordens. Trotz seines weitgehend kompilatorischen Charakters kann der Text in der ihm eigenen Synthese und Agglutination der differenten Ressourcen und Materien und mit Blick auf die damit intendierten argumentativen Strategien gegenüber seinem originären Rezipientenkreis aber durchaus autonome Konturen gewinnen und ein spezifisches Innovationspotential für sich beanspruchen. Sein Ziel ist eine Interpretation der Ordensgeschichte, die die Initiatoren und Repräsentanten der Observanzbewegung als einzig legitime Nachfolger und Erben der heiligen Väter der Gründergeneration vorstellt und wiederum allen Nachgeborenen als orientierungsstiftende Identifikationsfiguren und Exempla empfiehlt. Sie allein und die von ihnen propagierte Erneuerung der ursprünglichen Spiritualität und Heilsperspektive der Gemeinschaft sichern die Kontinuität mit den glorreichen Anfängen, die man anderswo im Orden in Vergessenheit geraten sieht. In diesem Sinne geht es darum, das Vermächtnis der ersten Ordensreformer zu bewahren und die kollektive Identität und das Selbstverständnis der Dominikanerobservanten zu profilieren, um den wiedergewonnenen Anfängen Dauer zu verleihen und die Institutionalisierung der Reform selbst zum Heil der Seelen zu perpetuieren. Man kann von daher Meyers lateinische Ordenschronik wohl zurecht als Programmschrift der dominikanischen Observanzbewegung im Bereich des Ersten Ordens und in gewisser Weise als Pendant zum deutschsprachigen Buch der Reformacio Predigerordens begreifen. Während dort aber die Klostergeschichte Schönensteinbachs in Anlehnung an die traditionellen Formen dominikanischer Nonnenliteratur das Zentrum und die Keimzelle der reformhistoriographischen Narration bildet, hat Meyer seine für den Kommunikationsraum des Männerordens und vorweg zur Selbstvergewisserung seiner Reformfraktion bestimmte lateinische Schrift auf das die Gesamthistorie des Ordens fokussierende Format der Sukzessionschronik und mithin auf das von jeher bevorzugte, um nicht zu sagen: ,klassische‘ Genus der Eigengeschichtsschreibung und des institutionellen Gedächtnisses monastischer Männergemeinschaften132 gegründet.

|| 132 Vgl. Jäkel: Kontinuitätskonstruktionen, S. 209.

7 Schlussüberlegungen: Autor und Œuvre Das Schriftenœuvre Johannes Meyers ist in seinem Umfang und seiner texttypologischen und inhaltlichen Vielfalt, seiner pragmatischen Bindung, d.h. in seiner Ausrichtung auf spezifische Rezeptionsgemeinschaften, wie auch in seinem gewichtigen Beitrag zu den großen Reform-Debatten des Spätmittelalters für die Literatur des 15. Jahrhunderts von besonderer Relevanz. In der Zusammenschau scheint es mit Blick auf seine Textkonstitution freilich speziell von Verfahren der Kompilation und Retextualisierung geprägt. Was Franz Josef Worstbrock konkret unter dem Stichwort ,Wiedererzählen‘ für die mittelalterliche Erzählpoetik formuliert hat, ließe sich demnach tendenziell auch auf dieses Œuvre historiographisch-chronikalischer, hagiographischer und normativer Texte – im engeren Sinne jedenfalls auf seine narrativ organisierten Texte – applizieren: Der Verfasser arrangiert zu einem Text, gibt weiter oder „erzählt, was der Materia nach nicht sein ist, ihm vorausliegt, der Tradition angehört. Sein Eigentum ist das Artificium, die jeweilige Form.“1 Unter diesem Aspekt unterscheidet sich der Autor Johannes Meyer kaum vom Gros seiner Vorgänger – und ebenso wenig von manchen seiner Nachfolger2 – innerhalb der historiographischen und hagiographischen Tradition des Predigerordens.3 Meyer selbst hat seine Tätigkeit und sein Selbstverständnis als Textproduzent indes in spezifischer Weise reflektiert und beschrieben im programmatischen Epistel brief z den swesteren prediger ordens (um 1471), der sich mit Ausnahme der Schwesternbücher-Redaktionen auf alle im Rahmen dieser Studie diskutierten deutschen und lateinischen Schriften bezieht und im Verbund des Autorcorpus der Berliner Handschrift Mgq 195 systematisch für den Resonanzraum der observanten Frauenklöster der deutschen Ordensprovinz in Umlauf gesetzt wurde. Er hat dort nicht nur das „vielfältige Spektrum der von ihm benutzten Prätexte“ unterschiedlicher Wissensfelder insbesondere aus dem Bereich der Schrifttradition seines Ordens umrissen

|| 1 Worstbrock: Wiedererzählen, S. 138. 2 Zu Meyers „Nachwirkung“ u.a. in Schriften von Georg Epp (De illustribus viris ac sanctimonialibus O.P., Basel 1506), Leandro Alberti (De viris illustribus O.P., Bologna 1517) und Conrad Zittard (Kurtze Chronica Das ist/ Historische beschreibung (neben andern mercklichen Puncten) der General Maister Prediger Ordens, Dillingen 1596) vgl. Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 487; Huijbers: Zealots for Souls, S. 55f., 140f., 166–169. 3 Zum gelehrten lateinischen Autordiskurs des Hoch- und Spätmittelalters siehe Alastair Minnis: Medieval Theory of Authorship. Scholastic Literary Attitudes in the Later Middle Ages. Second Edition, with a New Preface by the Author. Philadelphia 2010; Jan-Dirk Müller: Auctor – Actor – Author. Einige Anmerkungen zum Verständnis vom Autor in lateinischen Schriften des frühen und hohen Mittelalters. In: Der Autor im Dialog. Beiträge zu Autorität und Autorschaft. Hrsg. von Felix Philipp Ingold und Werner Wunderlich. St. Gallen 1995, S. 17–31. Speziell zum kompilatorischen Verfahren Minnis: Late-Medieval Discussions of Compilatio; zur dominikanischen Tradition am Beispiel von Meyer und Tommaso Schifaldo vgl. Huijbers: De viris illustribus. https://doi.org/10.1515/9783110656695-007

Schlussüberlegungen: Autor und Œuvre | 307

und erläutert (Historiographie/Chronistik, Hagiographie/Biographie, Rechtsschrifttum, weiterhin Urkunden und Rechtsdokumente geistlicher und weltlicher Autoritäten),4 sondern auch spezifische Details zu seiner Arbeitsweise preisgegeben: vnd also hab ich vs gezogen / vnd z samen gefügt / vnd in bücher geordnet / vnd in vnderscheidlich capitel geteilt so best ich kond / noch dem also es closter frowen predier ordens aller bast gedienen mag / z gottes vnd des ordens liebi.5 Prinzipiell sind damit Konturen eines Autortyps benannt, wie man ihn etwa auch von den Selbstexplikationen der mittelalterlichen Enzyklopädie-Autoren vornehmlich wiederum dominikanischer Provenienz kennt (Thomas von Cantimpré, Vinzenz von Beauvais). Christel Meier hat die „Tätigkeiten und Funktionen“ dieses Autortyps entlang den Stationen (1.) „Stoffsammlung“ und „planvolle Exzerption“, (2.) „Ordnung“ und „Disposition“ der gefundenen Materia, (3.) „Vorgang der correctio“ und schließlich (4.) „Fokussierung seines Werks auf ein bestimmtes Zielpublikum“ charakterisiert.6 Dass damit nicht notwendig ein „Verschwinden des Autors im Sich-Kreuzen der Texte und Diskurse“ einhergeht, hat Christel Meier anhand der Selbstaussagen der Enzyklopädisten und der Reflexionen von Autorschaft, wie sie die bildlichen Darstellungen in der handschriftlichen Überlieferung bieten, zeigen können.7 Und auch im Falle Johannes Meyers begnügt sich das Bild, das der Autor von sich selbst entwirft, durchaus nicht mit der Rolle des „unselbständigen Kompilators“.8 So postuliert der Epistel brief den „Innovationsgrad und singulären Status“9 nicht nur einzelner Texte, sondern des deutschsprachigen Schrifttums im Ganzen und deutet dabei die Attraktion und das Prestige des vorliegenden Œuvres auch jenseits der intendierten Rezeptionsgemeinschaft des eigenen Ordens an:10 vnd zwar den selben predier swestren wird durch die geschrifft diser bücher nit allein vnderwisung vnd trost gegeben sunder ch grosse er [,Ehre‘] wúrt i[n] z gezogen vnd wirdiges lop fr alle ander clöster frowen aller andren orden / die sölicher bücher von i[n] vnd ir orden nit hant / vnd semlichs hab ich ch gemerckt von hoh wirdigen personen Sant Bene[dic]ten orden / die mit verwundren diser bücher ein teil gesehen haben /

Überschneidungen mit der Tradition der mittelalterlichen enzyklopädischen Literatur ergeben sich indes nicht allein für das Selbstverständnis und Profil des Autors Johannes Meyer, sondern auch für Inhalt und Funktion seines Schriftencorpus. Begreift man unter dem Konzept des Enzyklopädischen im weiteren Sinne, d.h. jenseits der engeren Grenzen der „Enzyklopädie als Gattung sui generis“, ein Prin|| 4 Seebald: Schreiben für die Reform, S. 42. 5 Berlin, Staatsbibliothek, Mgq 195, fol. 254r; Scheeben: Handschriften I, S. 186. 6 Meier: Ecce auctor, S. 343f.; vgl. Seebald: Schreiben für die Reform, S. 42f. 7 Meier: Ecce auctor, S. 342. 8 Meier: Ecce auctor, S. 346. 9 Seebald: Schreiben für die Reform, S. 43. 10 Mgq 195, fol. 254rv; Scheeben: Handschriften I, S. 186.

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zip „universaler geordneter Wissensdarstellung und -vermittlung“11 in Bezug auf einen jeweils als umfassende Ganzheit (,Welt‘) verstandenen Lebenszusammenhang, dann wird man das Gesamt speziell der volkssprachigen Schriften Johannes Meyers in diesen Kontext stellen dürfen. Indem sie relevante Textbestände vornehmlich der Schrifttradition des eigenen Ordens selegieren, für ein spezifisches Zielpublikum aktualisieren und ihnen so neu Form verleihen, erschließen sie Wissensfelder und vermitteln Kenntnisse, die den observanten Frauengemeinschaften der Teutonia „für ihr Selbstverständnis, ihre Lebensführung und die Bewältigung ihrer Aufgaben nützlich sein konnten“.12 Unter diesem Aspekt konstituieren die Texte eine Summe von Materien, die auf „den Inhalt des Weltwissens“13 der dominikanischen Monialen zielt. Indem sich der Epistel brief auf das Gesamt von Meyers (bis 1471 entstandenen größeren) deutschen Schriften und ihrer Themen und Gegenstände bezieht, um vor allem auch die geschlossene Verbreitung und Rezeption in den einzelnen Klöstern anzuregen,14 profiliert er zugleich die innere Ganzheit und Kohäsion des akkumulierten Wissens und evoziert damit gleichsam den spezifischen Status und Charakter der Textkollektion im Sinne eines auf Geschichte und Ethik bzw. Lebensorientierung fokussierten „Weltbuchs“.15 Die Distribution und Rezeption der Texte im Medium der Handschrift profitieren dabei nicht unerheblich von den engmaschigen Kommunikationswegen, die der eingehegte Resonanzraum der observanten Frauenklöster bietet. Auf diese Weise arbeiten die Texte in ihren diversen thematischen Zusammenhängen und texttypenspezifischen Konstellationen unablässig an der Formierung dessen, was Jan Assmann unter dem Stichwort „kulturelle[r] Sinn“ beschrieben hat: am Aufbau eines „Vorrat[s] gemeinsamer Werte, Erfahrungen, Erwartungen und Deutungen, der die ,symbolische Sinnwelt‘ bzw. das ,Weltbild‘ einer Gesellschaft bildet“. Sie forcieren mithin das Konzept eines „Gemeinsinn[s]“, das „ein Wissen um die Vorrangigkeit des Ganzen“ impliziert, „dem die Wünsche, Triebe und Ziele

|| 11 Christel Meier: Enzyklopädie. In: RLW 1 (1997), S. 450–453, hier S. 450f. Grundsätzlich zur mittelalterlichen enzyklopädischen Literatur dies.: Grundzüge der mittelalterlichen Enzyklopädik. Zu Inhalten, Formen und Funktionen einer problematischen Gattung. In: Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981. Hrsg. von Ludger Grenzmann und Karl Stackmann. Stuttgart 1984 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 5), S. 467–500; dies.: Enzyklopädischer Ordo und sozialer Gebrauchsraum. Modelle der Funktionalität einer universalen Literaturform. In: Die Enzyklopädie im Wandel vom Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit. Akten des Kolloquiums des Projekts D im Sonderforschungsbereich 231 (29.11.– 1.12.1996). Hrsg. von derselb. München 2002 (MMS 78), S. 511–532. 12 Fechter: Meyer, Johannes, Sp. 487. 13 Meier: Grundzüge der mittelalterlichen Enzyklopädik, S. 475. 14 [V]nd dar vmb das ir wissen was ich ch mit miner arbeit z samen getragen hab / So wil ich hie bestimen ettliche der grösten vnd der nützlichest bücher von mir z samen gefügt vf das ir sy wissen fúr vwer clöster z bestellen (Mgq 195, fol. 254v; Scheeben: Handschriften I, S. 186). 15 Meier: Grundzüge der mittelalterlichen Enzyklopädik, S. 475.

Schlussüberlegungen: Autor und Œuvre | 309

des Einzelnen unterzuordnen sind“.16 Ihr spezifisches Leitbild ist das urchristliche ,ein Herz und eine Seele‘ der ecclesia primitiva in seiner verbindlichen Ausgestaltung in der von Dominikus und den Gründervätern des Ordens geprägten monastischen Lebensform, die das Verhältnis des Einzelnen zur Gemeinschaft gemäß den genuinen dominikanischen Wertvorstellungen und proposita definiert. Ihr erstes Anliegen gilt der Bildung und Vervollkommnung der Einzelpersönlichkeit in spiritualibus auf der Grundlage der Ideale und Präponderabilien der Gemeinschaft. Hierin gewinnen sie ihr ganz eigenes Profil und Potential. Der „Gemeinsinn“, das „identitätssichernde Wissen“, das Meyers Schriften zur Handlungsanleitung und Selbstvergewisserung des Individuums und zur Stabilisierung der es tragenden Gemeinschaft zirkulieren lassen, erstreckt sich, in Assmanns Terminologie, zwischen den Polen des „Normativen“ und des „Formativen“, zwischen „Weisheit“ und „Mythos“.17 Meyers normative Schriften für die dominikanischen Frauenkonvente setzen zur Regulierung des Einzelnen auf spezifische Handlungsanweisungen und Verhaltensrichtlinien, deren Geltung sich einerseits von der Lebenspraxis und den Vorgaben der Ordensstifter, andererseits vom institutionalisierten Recht der Gemeinschaft ableitet. Sie ordnen sich konkret den consuetudines zu, die Verhaltensregeln und Orientierung bieten, aber nicht im Sinne der dominikanischen Verfassungstexte rechtsnormativ verbindlich sind. Vor allem Meyers Buch der Ämter adaptiert dabei zum ersten Mal obrigkeitlich sanktioniertes Handlungswissen zur systematischen Verwaltung und autonomen Organisation des Gemeinschaftslebens in den Einzelklöstern, das bislang allein den männlichen Ordensangehörigen vorbehalten war, für die Frauenkonvente und deren spezifische Lebensform in den Zeiten der Reform. Im Buch der Ersetzung treten dann neben zusätzliche ,gute Gewohnheiten‘ und paradigmatische Frömmigkeitspraktiken, die im Zeichen einer stets feinmaschigeren Regulierung auf eine immer weiter fortschreitende Uniformierung und Perfektionierung des spirituellen Lebens in den observanten Frauenklöstern gerichtet sind, speziell auch formative Texte, die die Geschichte des Ordens und insbesondere die Herkunft und Identität seines weiblichen Zweiges perspektivieren, zugleich aber mit den Leitbildern der heiligen Vorgänger im Orden wiederum Orientierung stiften und mithin am Exemplum die lebendige Erfüllung abstrakter Norm bzw. die Kongruenz von Leben und Regel illustrieren wollen. Den Gravitationspunkt von Meyers formativen Schriften wie seines literarischen Œuvres im Ganzen bildet das Buch der Reformacio Predigerordens. Es konstituiert eine „fundierende Geschichte“ der Ordensreform als eines zweiten Anfangs, der dem Generationengedächtnis mehr und mehr abhanden zu kommen droht und „auf

|| 16 Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 140. 17 Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 141. Vgl. o. S. 12.

310 | Schlussüberlegungen: Autor und Œuvre

keinen Fall vergessen werden darf“.18 Es liegt hier eine eigentümliche Kombination von Partikular- und übergreifender Institutionsgeschichte, von Konvents- und Ordenshistorie, vor. Denn in beiden Versionen des Textes, der Schönensteinbacher ,Urfassung‘ von 1464 und der für einen erweiterten Rezipientenkreis adaptierten Straßburger Fassung von 1468, bilden die Geschichte des Mutterhauses der reformierten Dominikanerinnen und die Reformhistorie der deutschen Ordensprovinz die zwei miteinander korrelierten Pole einer Darstellung, deren rhetorischargumentatives Potential aus einer sehr genau kalkulierten Verschmelzung spezifischer Texttraditionen und Strategien (frauen)monastischer und reformchronistischer Literatur resultiert und die dabei zumal auch eigene Erfahrungen des Verfassers und Material aus ,erster Hand‘ integriert. Auf die Klostergeschichte des weiblichen Modellkonvents und Stammhauses bleiben sowohl die Vitenreihen seiner ersten Reformschwestern und ihrer Seelsorger aus dem Kreis der Initiatoren der dominikanischen Observanzbewegung wie auch die Ereignis- und Erfolgsgeschichte der Erneuerung des Ordens, die in der Serie der Reformgeschichten der übrigen Ordensklöster der deutschen Provinz ihren Ausdruck findet, bezogen. Historiographie und Biographie bzw. Hagiographie werden miteinander verschränkt, um den Leserinnen Kenntnisse über die Genealogie und das geschichtliche Gewordensein ihrer spezifischen Gemeinschaft zur Stabilisierung kollektiver Identität und zugleich normative Lebensentwürfe als Imitabile zur Vervollkommnung ihrer individuellen Lebenspraxis sub specie aeternitatis zu vermitteln und damit insgesamt die Kontinuität der Errungenschaften des sich in wachsendem Abstand von der Gegenwart entfernenden und dem „Horizont der durch Zeitzeugen beglaubigten Erinnerung“19 entziehenden verbindlichen Neubeginns der dominikanischen Reform zum Nutzen des Individuums wie der Gemeinschaft zu sichern. Historische Vergangenheit wird so zum „geschichtlichen Mythos“ verdichtet.20 Demgegenüber weitet der Textverbund von Vitas fratrum, Papst- und Kaiserchronik noch einmal die Perspektive aus und lässt eine spezifische Affinität zum || 18 Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 77. Tatsächlich steht das Buch der Reformacio hinsichtlich des Zeitpunkts seiner Abfassung und dessen Distanz zu den Anfängen der dominikanischen Ordensreform auf der Schwelle zwischen dem von Assmann als „kommunikative[s] Gedächtnis“ bezeichneten Raum lebendiger Erinnerung, der innerhalb eines „Grenzwerts von 80 Jahren“ die „rezente Vergangenheit“ und mithin eine allein „persönlich verbürgte und kommunizierte Erfahrung“ einschließt, und dem Bereich institutionalisierter Erinnerung des „kulturelle[n] Gedächtnis[ses]“ (S. 50–52). Dies trifft sich mit einer Einschätzung Klaus Schreiners zur schriftlichen Erinnerungsarbeit benediktinischer Historiographen des 15. und 16. Jahrhunderts: „Es fällt jedoch auf, daß es nicht die ,Reformer der ersten Stunde‘ waren, die sich zur Geschichtsschreibung hingezogen fühlten. Vergangenheit und Gegenwart aufzuzeichnen, hielten erst diejenigen für dringlich, die in der zweiten und dritten ,Reformgeneration‘ erneuerte Gewohnheiten zu bewahren und zu sichern suchten“ (Erneuerung durch Erinnerung, S. 86). 19 Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 49. 20 Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 78.

Schlussüberlegungen: Autor und Œuvre | 311

Konzept des Enzyklopädischen, zum Format der Geschichtsenzyklopädie erkennen, wenn er die Ordenshistorie in ihren universalgeschichtlichen Bezügen kontextualisiert und den Dominikanerinnen ein im Spiegel der Institution gebrochenes Bild der ,Welt‘ als eines „allgemein Umfassende[n]“ oder „universell Bedeutsame[n]“21 präsentiert. Während die speziell das Textmodell der Vitas patrum aktualisierende Adaptation der Vitas fratrum den Blick auf die seligen Leben der Väter der Gründergeneration und ihrer ersten Nachfolger lenkt, um auf die Distanz der späten Nachgeborenen zu den heiligen Ursprüngen hinzuweisen und daraus den Appell zur Imitatio zur Überwindung der Devianz abzuleiten, verfolgt das Geschichtskompendium der Papst-/Kaiserchronik die diachrone Perspektive und informiert über die Entwicklung des Ordens bis hin zu seinem zuletzt erreichten Stand in der ,Welt‘. Die charismatischen Anfänge der Institution treten so neben deren Auf und Ab im Wandel der Zeiten im Sinne eines Gesamtbildes des Dominikanerordens, das auf der Grundlage des Gedankens institutioneller Kontinuität, aber im Gegeneinander von „fundierende[r]“ und „kontrapräsentische[r] Erinnerung“22 „für die Andersheit der Zeiten“23 sensibilisieren will, um dem Argument oder Postulat der Erneuerung umso größeren Nachdruck zu verleihen. Durchaus als Pendants zu den Vitas fratrum propagieren Meyers Redaktionen älterer Schwesternbücher speziell die Erinnerungskultur und Identitätsbildung der dominikanischen Frauengemeinschaften mit ihrer auf den jeweils eigenen Konvent fokussierten spezifischen Sozialisationsform. Sie zielen auf eine Distribution der (frauenmystischen) Vitenliteratur der traditionsreichen Dominikanerinnenklöster des hochalemannischen Raumes unter den Vorzeichen der Reform des 15. Jahrhunderts und reklamieren die Biographien der altehrwürdigen Schwestern als Zeugen des heilvollen Umgangs Gottes mit der Gemeinschaft und von daher als unverzichtbaren Bestandteil der Gedächtnis- und Wissenskultur des Ordens. Meyers Bearbeitungen akzentuieren freilich das Konzept des Exemplarischen gegenüber den Wirkmöglichkeiten der textuellen Mimesis und suchen speziell einer Affizierung der Rezipientinnen durch das Faszinosum eines mystisch-subjektiven Gottesverhältnisses entgegenzusteuern, ohne aber das für die ältere Heiligkeitskonzeption der Nonnenviten des 14. Jahrhunderts konstitutive Moment der sinnlichen Erfahrung des Numinosen im Modus mystisch-asketischer Entgrenzung grundsätzlich zu delegitimieren. Insofern intendieren gerade die Erweiterungen des ursprünglichen Textcorpus Distanzierungseffekte, die den Abstand der zeitgenössischen Leserinnen von || 21 Melville: Geschichtskompendien, S. 81. 22 Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 78. ,Fundierende Erinnerung‘ „stellt Gegenwärtiges in das Licht einer Geschichte, die es sinnvoll, gottgewollt, notwendig und unabänderlich erscheinen läßt“. ,Kontrapräsentische Erinnerung‘ dagegen „hebt das Fehlende, Verschwundene, Verlorene, an den Rand Gedrängte hervor und macht den Bruch bewußt zwischen ,einst‘ und ,jetzt‘“ (ebd., S. 79). 23 Schreiner: Erneuerung durch Erinnerung, S. 87.

312 | Schlussüberlegungen: Autor und Œuvre

den großen Vorgängerinnen betonen und ihnen den Weg weisen zu einer hierarchisch kontrollierten laikalen Frömmigkeitspraxis im Zeichen ethischer Perfektionierung. Anders als die im Kontext der cura monialium und für den Resonanzraum der reformierten Frauengemeinschaften entstandenen volkssprachigen Schriften richten sich die lateinischen Werke in erster Linie an einen männlichen Rezipientenkreis, d.h. vornehmlich an Meyers Mitbrüder im Kreis der observanten Fraktion des Ordens. Von daher aktualisieren sie prominente Texttypen der offiziellen dominikanischen Ordensliteratur und mithin der traditionellen monastischen Historiographie und Biographie und vermitteln vor allem auch das im Zuge von Meyers volkssprachigen Arbeiten für die weiblichen Ordensangehörigen akkumulierte Wissen an den gelehrt-klerikalen Diskurs des Ersten Ordens. Der Liber de illustribus viris O.P. führt dergestalt die spezifisch dominikanische Tradition des Schriftstellerkatalogs in seiner um die viri illustres der Gemeinschaft schlechthin erweiterten Form fort, bezieht dabei Elogien und Biogramme der Inauguratoren der dominikanischen Observanzbewegung und auch der weiblichen Ordensmitglieder in großem Umfang mit ein und reflektiert mit diesen Neuerungen wohl in ganz eigentümlicher Weise die ordenspolitischen Interessen und das Selbstverständnis der primären Resonanzgruppe der Gebweilerer Observanten um Johannes Kreutzer und deren ureigenes Engagement für Ordensreform und Frauenseelsorge. Die Chronica brevis O.P. öffnet hingegen das überkommene Format der Sukzessionschronik für eine dichte Beschreibung der Initien und Progression der dominikanischen Erneuerungsbewegung und avanciert somit gleichsam zur Programmschrift der Reform und zum Äquivalent des Buchs der Reformacio im Kommunikationsraum des Männerordens. Am Ende seiner deutschen Chronik von 1481, in der er noch einmal, ein letztes Mal, die Geschichte der Observanzbewegung auf der Grundlage des Modells der Sukzessionschronik nachgezeichnet und angesichts der fortschreitenden Institutionalisierung der Reform eine positive Bilanz des mittlerweile erreichten Status der Observanten innerhalb des Ordens gezogen hat, kommt Johannes Meyer auf die Glückwünsche des Generalmeisters Salvo Cassetta zu seinem fünfzigjährigen Ordensjubiläum zu sprechen, um dann abschließend hinzuzufügen:24 Des glich tett öch vnser vatter prouincial meister Jacob von Stupach genant der mir von Cölne ein brieff santt vnd danckt waz ich gttes dem orden vnd diser prouintz getan hette mit scriben von dem orden oder mit ander miner arbeit oder flis · wie wol ich doch leider wenig gttes in allem minem leben getan hab /

Dabei gilt für das, von der Ordensleitung sanktionierte und geförderte, ambitionierte literarische Schaffen Johannes Meyers dasselbe, was Nikolaus Staubach für die Schriftkultur der Devotio moderna konstatiert hat: dass nämlich die spezifische || 24 Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 107, fol. 317r (Nachtrag von der Hand Johannes Meyers).

Schlussüberlegungen: Autor und Œuvre | 313

„Innovationsleistung“ im „konsequente[n], systematische[n] Einsatz des Schriftmediums zur Reform der Einzelpersönlichkeit und zum Aufbau der sie tragenden geistlichen Gemeinschaft“ zu sehen ist.25 In diesem Sinne ist Meyers Schreiben gleichermaßen ,Arbeit an der Reform‘ wie auch aktive Sorge um das Seelenheil seines Nächsten gemäß den originären proposita des Predigerordens. Es setzt in Zeiten rasanter politischer, sozialer und religiöser Veränderungen und Umbrüche und eminenter Verschiebungen auch der Kommunikationsbedingungen speziell für die dominikanischen Frauengemeinschaften auf Regulierung und Identitätsproduktion im Zusammenhang frömmigkeitstheologischer Bestrebungen, die Berndt Hamm unter dem Stichwort ,normative Zentrierung‘ in der Weise charakterisiert hat, dass sie den Dynamiken von Differenzierung, Partikularisierung und Pluralisierung die Fokussierung auf ein integratives spirituelles Zentrum entgegenstellen, das als Essenzielles Orientierung und Sicherheit verbürgt.26 In die Position dieses Wesentlichen rückt in Meyers – in der Materialität der Hand-Schrift planvoll konstituiertem und vermitteltem – Reformprogramm die normative monastische Lebensform, wie sie von den Gründervätern des Ordens in ihrer ,Urgestalt‘ definiert wurde (in diesem Punkt ordnet sich sein Œuvre freilich in das weitere Feld einer vom „Pathos der vita regularis“27 geleiteten ordensübergreifenden monastischen Theologie und Frömmigkeitsdidaktik observanter Prägung ein). Sie wird denjenigen, denen sie offensteht und die sie ad unguem im Modus von Tugendschulung und Bußgesinnung befolgen, als ein privilegierter Zugang zu Gnade und Heil in der Nachfolge Christi anempfohlen. Zu diesem Weg leiten Meyers Texte in Norm und Exemplum an, indem sie seine spezifischen Voraussetzungen, Konditionen und Implikationen im Hinblick auf das Individuum wie die Institution und ihre Geschichte offenlegen. Ihr Ziel ist die Konsolidierung der Konvergenz von Leben und Regel zum geistlichen Trost und Nutzen des Einzelnen, allen voran der religiösen Frauen in der seelsorgerlichen Obhut des Predigerordens, denen Meyer sein Leben lang verbunden war, wie auch zur Sicherung des Heilsangebots des Ordens zum Lobe Gottes, zur Ehre der dominikanischen Gemeinschaft und zum Wohl des Corpus Christianum im Ganzen. Die religiösen Umwälzungen des 16. Jahrhunderts haben die Anstrengungen Johannes Meyers und seiner Mitstreiter innerhalb des Dominikanerordens und aus den Reihen verschiedener Reformgruppierungen und -verbände der lateinischen Kirche nicht aufhalten können. Seine Schriften aber indizieren in frömmigkeitstheologischer wie auch in kommunikationspragmatischer Perspektive, in ihren intensiven Bemühungen um einen sicheren, auf ein „Leben, das sich in der Nachfolge Christi Form gibt, Gestalt annimmt“,28 gründenden Weg zu Gnade und Heil im

|| 25 Staubach: Von der persönlichen Erfahrung zur Gemeinschaftsliteratur, S. 225. 26 Hamm: Von der spätmittelalterlichen reformatio zur Reformation. 27 Hamm: Von der spätmittelalterlichen reformatio zur Reformation, S. 28 Anm. 57. 28 Agamben: Höchste Armut, S. 145.

314 | Schlussüberlegungen: Autor und Œuvre

Zeichen ,normativer Zentrierung‘ und in ihrer entschiedenen Hinwendung zur Volkssprache als präferiertem Medium der Frömmigkeitsdidaxe und seelsorgerlichen Unterweisung eines – wenn auch zunächst monastischen – laikalen ,Publikums‘ in Fragen der Lebensorientierung, die Kontinuitäten mit der Reformation des 16. Jahrhunderts.

Anhang A Katalog der Schriften Johannes Meyers. Überlieferung und Ausgaben Das Verzeichnis aktualisiert und ergänzt die Angaben der Verfasserlexikonartikel von Fechter (1987) und Schneider-Lastin (2004). Textausgaben werden in Kurzform aufgeführt (mit Name des Autors bzw. Editors und ggf. Publikationsjahr), die Abkürzungen sind in der anschließenden Literaturübersicht aufgelöst.

I

Deutsche Schriften und Textredaktionen

Buch der Ämter (1454), Buch der Ersetzung (1455) –













Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Cod. Ricketts 198 [B]: 1ra–116rb (BdÄ), 135ra–244vb (BdE), aus St. Katharina in Nürnberg, um 1458, Nachträge (BdE, Kap. 7 und 9) von Meyers Hand. Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 147 [F1]: 2r–144r (BdÄ), 145r–174v, 178r– 184r (BdE, Kap. 1–8; in Kap. 7 Nachträge von Meyers Hand), aus St. Agnes in Freiburg, dort 1481 fertiggestellt bzw. gebunden. Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 108 [F2]: 21r–145v (BdÄ; nach 100 Verlust zweier Blätter und einer ganzen Lage), 146r–161v, 1r–10v, 165v–194v, 220rv, 195r–198r (BdE, Kap. 1–8; 9 und 10 nur in Teilen), aus St. Maria Magdalena zu den Reuerinnen in Freiburg, 1483 (oder etwas später) aus F1 abgeschrieben, später in Adelhausen. Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. K 1177 [K1]: 2r–120v (nur BdÄ; BdE, separat gebunden [vgl. 4v], ist verschollen), aus Pforzheim, wohl v. J. 1475 (Besitzeintrag mit Datierung von Meyers Hand). Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. St. Peter pap. 43 [K2]: 75r–84r, 88r– 98v (nur BdE, Kap. 10 [Auszüge] und 9 [,Kurzfassung‘ der Chronik der Generalmeister], 98v Nachtrag zur Chronik der Generalmeister von Meyers Hand), aus Adelhausen, geschrieben vielleicht Ende der 1460er Jahre (Meyers Nachtrag nicht vor 1483). Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms. 1548 [L]: 14ra–111vb (BdÄ), 133ra–251rb (BdE), 1483 in Medlingen aus B abgeschrieben, seit 1559 in St. Katharina zu Augsburg. Tübingen, Universitätsbibliothek, Md 456 [T], 3r–76r (nur BdE, Kap. 9, 8, 10 [jeweils gekürzt bzw. in Auszügen], 2, 3 und 6 [jeweils vollständig]), aus St. Katharina in St. Gallen, 1484 den Augustinerchorfrauen in Inzigkofen als Geschenk übersandt.

https://doi.org/10.1515/9783110656695-008

316 | Anhang



Überlingen, Leopold-Sophien-Bibliothek, Ms. 5 [Ü]: 120vb–239va (BdÄ), 261ra– 362vb (BdE), vermutlich spätestens 1497/98 in St. Katharina in St. Gallen geschrieben, von St. Gallen den 1498 nach Zoffingen (Konstanz) gesandten Schwestern mitgegeben.

Sonderüberlieferung der Geistlichen Meerfahrt (Margareta Ursula von Masmünster) aus BdE, Kap.10: Schmidtke 1969, S. 368 Anm. 39; Schmidtke 1970, S. 116 Anm.; Schmidtke 1985, Sp. 1250 (zu korrigieren ist die Datierung des Tübinger Zeugen Md 129: nicht „1.H. 15.Jh.“, sondern 1527/28); Graf. Ausgabe: BdÄ: DeMaris. Teilausgaben: BdÄ: König 1880, S. 196–206: Überblick und Exzerpte (nach F1); Kelchner, S. 308–313: Buch- und Briefmeisterin (nach der Transkription von Georg Franz Burkhard Kloß, der wohl B zugrunde liegt); K. Meyer, S. 171–177: Sängerin(nen) (nach L); Scheeben 1937, S. 190–194: 1. Prolog, Incipit und Explicit des 2. Prologs, Register, Explicit und Schlussgebet (nach F2); Christ, S. 25–29: Buchmeisterin (nach F1); Bruckner, S. 35–39: Buchmeisterin (nach F2). BdE: König 1880, S. 207–209: Exzerpte aus Kap. 7 (nach F1); Hauber, S. 357–359: Exzerpte (nach T); Landmann, S. 222–228: Exzerpte aus der Geistlichen Meerfahrt (Kap. 10, nach Ms. 559 der Stadtbibliothek Straßburg); Scheeben 1937, S. 190, 195– 198, 201f.: Prolog, Anfänge und Exzerpte von Kap. 1–10, Nachträge zu Kap. 9 (nach F2). Redaktion des Tösser Schwesternbuchs und der Vita der Elisabeth von Ungarn (1454) –

Nürnberg, Stadtbibliothek, Cod. Cent. V, 10a: 1ra–67va, 67va–84vb, aus St. Katharina in Nürnberg, um 1460.

Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 15293, Nr. 9 (118r–119v) aus dem Nachlass Franz Pfeiffers (2 Bl., wohl 18. Jh.) teilt Exzerpte aus einem verlorenen Codex des 16. Jh. mit, der wohl S. 309–390 die Tösser Viten in Meyers Redaktion enthielt. Ausgabe: Vetter: Text S. 1–11, 95–98, sonst Apparat Hs. N (unvollständig).

Katalog der Schriften Johannes Meyers | 317

Redaktion des St. Katharinentaler Schwesternbuchs (um oder nach 1454) –

Nürnberg, Stadtbibliothek, Cod. Cent. V, 10a: 84vb–118va.

Die in Wien, Nationalbibliothek, Cod. 15293, Nr. 9 exzerpierte Hs. überlieferte S. 390–416 auch das St. Katharinentaler Schwesternbuch, vermutlich in Meyers Redaktion. Ausgabe: R. Meyer: Text S. 140f. u. 181, sonst Apparat Hs. N. Redaktion des Ötenbacher Schwesternbuchs (um oder nach 1454) – –

Nürnberg, Stadtbibliothek, Cod. Cent. V, 10a: 118va–141va. Breslau, Universitätsbibliothek, Ms. IV F 194a: 1ra–81vb, Fortsetzungsband zum Nürnberger Codex (Zwillingshandschrift), aus St. Katharina in Nürnberg, um 1460.

Die in Wien, Nationalbibliothek, Cod. 15293, Nr. 9 exzerpierte Hs. überlieferte S. 416–422 oder 416–461 auch das Ötenbacher Schwesternbuch, vermutlich in Meyers Redaktion. Teilausgaben: Zeller-Werdmüller/Bächtold (nur der in der Nürnberger Hs. überlieferte Teil), Schneider-Lastin 2000 (Vita der Adelheit von Freiburg), SchneiderLastin 2009 (Leben und Offenbarungen der Elsbeth von Oye). Chronik des Inselklosters St. Michael in Bern (um oder nach 1455) –

Breslau, Universitätsbibliothek, Ms. IV F 194a: 81vb–148va [recte 147va].

Die in Wien, Nationalbibliothek, Cod. 15293, Nr. 9 exzerpierte Hs. überlieferte S. 422–482 oder 461–482 offenbar auch die Chronik des Inselklosters. Redaktion eines Regelbuchs des Inselklosters (angelegt ab 1454/55), Liber vitae (zusammen mit Anna von Sissach, angelegt ab 1454/55) –

Bern, Burgerbibliothek, Cod. A 53: 1ra–71va, 72ra–75va, aus St. Michael in der Insel zu Bern, Mitte des 15. Jh.

Teilausgabe: Regelbuch: Engler (lat. u. dt. Augustinusregel, dt. Konstitutionen der Dominikanerinnen, Reformordinationen).

318 | Anhang

Buch der Reformacio Predigerordens (1464/68) Schönensteinbacher ,Urfassung‘ von 1464 –

Colmar, Archives Départementales du Haut-Rhin, Fonds Herzog, 1f22 [C]: S. 1–651 (Epistel, Prolog, Buch I–IV), davor Titelblatt (unpag.) und Vorrede des Dominicus Ranckenthall (4 S., unpag., mit Abfassungsdatum: 29. August 1670), danach Index (28 S., unpag.); Abschrift eines verlorenen Schönensteinbacher Codex, v.J. 1670, verfertigt von Dominicus Ranckenthall O.P., Beichtvater in Schönensteinbach.

Straßburger Fassung von 1468 –



– –

Straßburg, National- und Universitätsbibliothek, Ms. 2934 (olim Cheltenham, Phill. 3880) [S]: 10v–258r, aus St. Nikolaus in undis zu Straßburg, um 1470, von Meyers Hand korrigiert und ergänzt sowie mit den Vorreden zum Gesamttext und zu Buch IV, einem auf 1468 datierten Explicit und Nachträgen zu Buch V (258v–261v) versehen. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 8081 [M]: 24v–274v, aus St. Katharina in Nürnberg, zwischen 1474 und 1475/76 (bzw. spätestens vor 1478) aus S abgeschrieben, bis 1967 in Nürnberger Privatbesitz. St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 1916 [G]: S. 42–757, 1483 in St. Katharina zu St. Gallen aus M abgeschrieben. Tübingen, Universitätsbibliothek, Md 456 [T]: 81r–245r (BdR, Buch III; Buch IV: 6–25; Buch V: 5, 10–14, 33–35, 37, 38, 43, 46f.), 1484 in St. Katharina zu St. Gallen aus G abgeschrieben und den Augustinerchorfrauen in Inzigkofen geschenkt.

Verschollen sind die Schönensteinbacher Handschrift (nicht vor 1464), die Ranckenthall für seine Abschrift von 1670 benutzte, sowie ein Textzeuge aus St. Agnes in Freiburg, der Matthias Thanners lateinischer Übersetzung der Vita der Margareta von Kentzingen zugrunde liegt und vielleicht 1725 noch vorhanden war (Pez, S. 400 Anm.). Sowohl auf die Schönensteinbacher Handschrift wie auf Ranckenthalls Abschrift hat Dietler für seine Chronik von Schönensteinbach (ed. Schlumberger) zurückgegriffen, doch ist die ,Urfassung‘ von 1464 allein anhand von Dietlers Text nicht mehr zu rekonstruieren. Ausgabe: Reichert 1908/09 (Straßburger Fassung von 1468, nur nach G); Nachträge in S abgedruckt bei Barthelmé, S. 188–193.

Katalog der Schriften Johannes Meyers | 319

Vitas fratrum, Leben der Brüder Predigerordens (1469), Papstchronik (1470) und Kaiserchronik Predigerordens (1471) –









Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, Mgq 195 [A]: 12v–162v (LdB), 170r–253v, 257v–258r (Pchr, mit Nachtrag bis 1475), 267r–282v (Kchr), aus St. Nikolaus in undis zu Straßburg, vermutlich um 1471 (sicher vor 1475), Korrekturen und Nachträge von Meyers Hand. Basel, Universitätsbibliothek, Cod. A XI 89 [B]: S. 9–283 (LdB), 299–441, 441– 443 (Pchr, mit Nachtrag bis 1475), 451–477/479 (Kchr), aus Maria Himmelskron, Hochheim bei Worms (womöglich aber in Liebenau aus A abgeschrieben), v.J. 1474, Besitzvermerk mit Datierung der Niederschrift von Meyers Hand (fol. ar). Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 202 [C]: 9r–152v (LdB), ca. 1475, wahrscheinlich in Liebenau aus A abgeschrieben, zusammen mit B 1 Nr. 203 zuletzt in Adelhausen. Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 203 [C]: 1r–71v, 74v–75r, 75r–76v (Pchr, mit Nachtrag bis 1475, 75r–76v Nachtrag bis 1481 von Meyers Hand); Kchr (im Register angezeigt: B 1 Nr. 202, 8rv) fehlt; wahrscheinlich in Liebenau aus A abgeschrieben, zusammen mit B 1 Nr. 202 zuletzt in Adelhausen. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 416 [D]: 1r–161v (LdB, Fragment, 1. Lage verloren, Textbeginn in I,1,4), v.J. 1489, wohl aus einem oberrheinischen Dominikanerinnenkloster, später im Dominikanerkloster Augsburg.

Verschollen ist ein Zeuge aus St. Gertrud in Köln (LdB, Pchr: Scheeben 1937, S. 181 Anm. 9), verloren (1870 verbrannt) Cod. G 180 der Stadtbibliothek Straßburg (LdB, Pchr, Kchr), geschrieben 1485–1487 von Schwester Agnes Huber in Adelhausen (Preger, S. 253). Die in Wien, Nationalbibliothek, Cod. 15293, Nr. 9 exzerpierte Hs. des 16. Jh. (verschollen) enthielt S. 91–287 LdB, Pchr und Kchr. Teilausgaben: LdB: Wehbrink, S. 99–133 (nach A). – Pchr u. Kchr: Incipit und Explicit bei Scheeben 1937, S. 181 (nur Pchr: nach C), 184f. (nach A). – Exzerpte aus Pchr über Albertus Magnus bei Albert 1902, S. 294–297 (nach C), über die Reformierung von Chur bei Vasella, S. 130. Epistel brief zů den swesteren prediger ordens (1471 oder etwas später) – –

Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, Mgq 195: 253v–257r. Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 203: 71v–74r.

Ausgabe: Scheeben 1937, S. 185–189 (nach der Berliner Hs.), Auszüge aus der Freiburger Hs. bei Albert 1898, S. 258–261.

320 | Anhang

Vita des Albertus Magnus (dann auch in der Chronik von 1484) –

Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, Mgq 195: 163r–166r (separat).

Ausgabe: Albert 1902, S. 288–294 (aus der Chronik von 1484). Chronik von 1481, Chronik von 1484, Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch (1482) –



Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 107: 240v–267v (Chronik von 1484: Autograph), 268r–290r (Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch: Autograph), 292r–317v (Chronik von 1481: Überschrift u. Text ab 294r Autograph, mit Nachträgen), aus Adelhausen. Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 108: 199r–214v (Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch, von Meyers Hand nur 214v), vermutlich Abschrift von B 1 Nr. 107.

Die Chronik von 1484 und das Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch waren auch im Straßburger Cod. G 180 enthalten (Preger, S. 253), das Exzerptum wohl zudem in der Wien, Nationalbibliothek, Cod. 15293, Nr. 9 mitgeteilten Hs. des 16. Jh., S. 482–503. Ausgaben: Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch: König 1880, S. 210–225 (nach B 1 Nr. 107, ohne die Schlusspartie 288r/289r–290r). – Auszüge: Chroniken: König 1880, S. 133f. Anm. 6, 194f.; Albert 1898, S. 261f.; Albert 1902, S. 288–294 (Albertus Magnus); Scheeben 1937, S. 176, 178, 179f. (Anfangs- und Schlusszeilen); Exzerptum: Scheeben 1937, S. 176f. (hier die bei König 1880 fehlende Schlusspartie).

II Lateinische Schriften Liber de illustribus viris O.P. (1466) –

Basel, Universitätsbibliothek, Cod. E III 12 (olim D IV 9): 1r–46v, größtenteils Autograph, aus dem Basler Predigerkloster, im Grundstock wohl v.J. 1466.

Ausgabe: Loë 1918.

Katalog der Schriften Johannes Meyers | 321

Bericht über die Reformierung des Schwesternklosters Engelport (1466) –

Basel, Universitätsbibliothek, Cod. E III 12: 54r–56v, Überschrift und Schlussteil ab 55r (unten) von Meyers Hand.

Ausgabe: Loë 1918, S. 81–85. Chronica brevis O.P. (1470) –

München, Bayerisches Nationalmuseum, Cod. 939: 18r–86v, aus dem Augustinerchorherrenstift Birklingen (Ufr.), geschrieben zwischen 1475 und 1479.

Ein im 17. Jh. im Kölner Predigerkloster vorhandener Zeuge ist verschollen (Scheeben 1933, S. 9 Anm. 1). Ausgabe: Scheeben 1933. De primis sanctis patribus Parisiensibus doctoribus O.P. (1475) –

München, Bayerisches Nationalmuseum, Cod. 939: 107r–109v.

Ausgabe: Scheeben 1933, S. 108–111.

III Collectanea – – –

Basel, Universitätsbibliothek, Cod. E III 13: passim. Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 107: passim. München, Bayerisches Nationalmuseum, Cod. 939: 92r–106r.

Ausgaben: Aus der Basler Hs.: Engler, S. 308–312 (Ordinationen Konrads von Preußen für Schönensteinbach, mit Annotationen von Meyers Hand); Loë 1907, S. 30–44 (lat. Verzeichnis der Provinzialkapitel, von Meyers Hand die Jahre 1371–1484 sowie persönliche Notizen); Löhr, S. 94–101 (zur erstmaligen Einsetzung und Wahl eines Generalvikars der Observanten der Teutonia sowie Ordinationen zur Amtsführung, von Meyers Hand), 122–136 (Mitglieder des Basler Predigerklosters i.J. 1482, mit autobiographischen Angaben Meyers, von Meyers Hand), 162 (Informaciones a magistro Johanne Streler O.P., von Meyers Hand). Aus der Freiburger Hs.: König 1880, S. 136f. (Kurzberichte über die Heiligkeit der Anfänge des geistlichen Lebens in Adelhausen und dessen allmählichen Niedergang sowie über Ereignisse nach der Reformierung, von Meyers Hand), 225–228

322 | Anhang

(Briefe zur Unterstützung Adelhausens nach dem Klosterbrand von 1410 und Kurzberichte über den in der Folge verstärkten Niedergang des geistlichen Lebens und die Reform der Freiburger Frauenklöster, von Meyers Hand), 234–236 (Abschriften eines Bischofsbriefs zur Exemtion Adelhausens und einer Papstbulle an den Schwesternkonvent zu seiner Inkorporation in den Predigerorden); Scheeben 1937, S. 174f. (Erläuterungen von Meyers Hand zu den bei König 1880 gedruckten Urkundenkopien sowie Abschrift einer weiteren Papstbulle an die Predigergemeinschaft zur Inkorporation Adelhausens), 178 (Einleitungen zu den auf die Chronik von 1481 folgenden Konventslisten, von Meyers Hand). Aus der Münchener Hs.: Scheeben 1933, S. 103–108 („Materialsammlung“ für Meyers lateinische Schriften). Weiteres (Auswahl): Verzeichnis der Provinziale der Teutonia (Version A): – Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 1166: 1ra–3vb. – Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms. 1548: 253ra–257ra (Abschrift der Nürnberger Hs.). – Überlingen, Leopold-Sophien-Bibliothek, Ms. 5: 369ra–371ra (über eine Zwischenstufe Abschrift der Nürnberger Hs.). – Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. hist. 4° 237: S. 268–275, um 1785 (Abschrift der Leipziger Hs.). – Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 108: 215r–219r. Verzeichnis der Provinziale der Teutonia (Version B): – Straßburg, National- und Universitätsbibliothek, Ms. 2934: 7r–8v (Autograph). – München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 8081: 20v–21v (Abschrift der Straßburger Hs.). – St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 1916: S. 35–38 (Abschrift der Münchener Hs.). Verzeichnis der Generalmeister des Ordens: – Straßburg, National- und Universitätsbibliothek, Ms. 2934: 4r–6v (4r–6r: Autograph). – München, Staatsbibliothek, Cgm 8081: 15r–18v (Abschrift der Straßburger Hs.). – St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 1916: S. 11–24 (Abschrift der Münchener Hs.). Verzeichnis der Predigerklöster der Teutonia (reformierte Konvente markiert): – Basel, Universitätsbibliothek, Cod. E III 13: 123rv (lat., Autograph). – Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 107: 320rv (dt., Autograph). – München, Staatsbibliothek, Cgm 8081: 13rv (Abschrift der Straßburger Hs.). – St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 1916: S. 8–9 (Abschrift der Münchener Hs.). – Straßburg, National- und Universitätsbibliothek, Ms. 2934: 3rv (dt., Autograph).

Katalog der Schriften Johannes Meyers | 323

Verzeichnis der Schwesternklöster der Teutonia nach dem Jahr ihrer Reformierung: – Basel, Universitätsbibliothek, Cod. E III 12: 108v (lat., Autograph). – Basel, Universitätsbibliothek, Cod. E III 13: 122v (lat., Autograph). – Berlin, Staatsbibliothek – Preuß. Kulturbesitz, Mgq 195: 1r (dt., Autograph). – Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 107: 318r–319r (dt., Autograph). – München, Staatsbibliothek, Cgm 8081: 11rv (Abschrift der Straßburger Hs.). – St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 1916: S. 3–5 (Abschrift der Münchener Hs.). – Straßburg, National- und Universitätsbibliothek, Ms. 2934: 1rv (dt., Autograph). Ausgaben: Verzeichnis der Provinziale: Loë 1907, S. 26–30 (Version A, nach der Stuttgarter und Nürnberger Hs.); Scheeben 1937, S. 198–201 (Version A, nach der Freiburger Hs.). – Verzeichnis der Predigerklöster: Löhr, S. 155f. (Basler Hs.); Heimann, Abb. 2/3 (Freiburger Hs.). –Verzeichnis der Schwesternklöster: Scheeben 1937, S. 182 (Berliner Hs.). Dominikanische Gesetzestexte (dt.): Regel und Konstitutionen für männliche und weibliche Konversen auf den Höfen der Dominikanerinnen und Drittordensregel (mit Bulle Papst Innozenz’ VII.), von Meyer zusammengestellt und vielleicht auch übersetzt (in Hss. des Buchs der Ämter): – Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Cod. Ricketts 198: 116va–125ra, 125rb–vb, 126ra–133va. – Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. K 1177: 122r–129r, 129rv, 130r–136r. – Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms. 1548: 112ra–120rb, 120rb–vb, 121ra–128va. – Überlingen, Leopold-Sophien-Bibliothek, Ms. 5: 246vb–257rb, 257rb–258ra (Regel des Bußordens fehlt, dem Hinweis 258ra zufolge an ainem andren end verzeichnet).

IV Verschollene Schriften Lateinisches Büchlein mit Auszügen aus den Akten und Ordinationen der Generalkapitel des Ordens (vor 1454) (erwähnt in Kap. 8 des Buchs der Ersetzung) Büchlein über die Kirchen- und Altarpatrone von Schönensteinbach (1460) (Schlumberger, S. 448) Chronik des Klosters St. Agnes zu Freiburg (von der Gründung 1264 durch Mutter Bertha bis zur Reformierung 1465, ca. 20 Kapitel, erwähnt in der Chronik von 1484; König 1878, S. 297; Albert 1898, S. 262f.)

324 | Anhang

V

Literatur

Albert 1898 Albert 1902 Barthelmé

Bruckner Christ DeMaris Engler

Fechter Graf

Hauber Heimann

Kelchner König 1878 König 1880 Landmann

Loë 1907 Loë 1918 Löhr K. Meyer

R. Meyer

Albert, Peter: Johannes Meyer, ein oberdeutscher Chronist des fünfzehnten Jahrhunderts. In: ZGO 52 (1898), S. 255–263. Albert, Peter: Zur Lebensgeschichte des Albertus Magnus. In: FDA 30 (1902), S. 283–298. Barthelmé, Annette: La réforme dominicaine au XVe siècle en Alsace et dans l’ensemble de la province de Teutonie. Strasbourg 1931 (Collection d’études sur l’histoire du droit et des institutions de l’Alsace 7). Scriptoria Medii Aevi Helvetica. Bd. 12: Das alte Bistum Basel. Hrsg. und bearb. von Albert Bruckner. Genf 1971. Christ, Karl: Mittelalterliche Bibliotheksordnungen für Frauenklöster. In: ZfB 59 (1942), S.1–29. Johannes Meyer: Das Amptbuch. Hrsg. von Sarah Glenn DeMaris. Rom 2015 (MOPH 31). Engler, Claudia: Regelbuch und Observanz. Der Codex A 53 der Burgerbibliothek Bern als Reformprogramm des Johannes Meyer für die Berner Dominikanerinnen. Berlin/Boston 2017 (Kulturtopographie des alemannischen Raums 8). Fechter, Werner: Meyer, Johannes. In: 2VL 6 (1987), Sp. 474– 489. Klaus Graf: Eine Handschrift der Geistlichen Meerfahrt der Margaretha Ursula von Masmünster in der Hofbibliothek Sigmaringen. In: Archivalia, 30. August 2010 (http://archivalia.hypotheses.org/16261). Hauber, Anton: Deutsche Handschriften in Frauenklöstern des späteren Mittelalters. In: ZfB 31 (1914), S. 341–373. Heimann, Claudia: Beobachtungen zur Arbeitsweise von Johannes Meyer OP anhand seiner Aussagen über die Reform der Dominikanerkonvente der Teutonia, besonders der Natio Austriae. In: AFP 72 (2002), S. 187–220. Kelchner, Ernst: Eine Bibliotheksordnung aus dem Jahre 1259. Ein Beitrag zum Bibliothekswesen des Mittelalters. In: ZfB 1 (1884), S. 307–313. König, Joseph: Zur Geschichte der Freiburger Klöster. In: FDA 12 (1878), S. 291–303. Die Chronik der Anna von Munzingen. Nach der ältesten Abschrift mit Einleitung und Beilagen hrsg. von J. König. In: FDA 13 (1880), S. 129–236. Landmann, Florenz: Zwei Andachtsübungen von Strassburger Klosterfrauen am Ende des Mittelalters. In: Archiv für elsässische Kirchengeschichte 6 (1931), S. 217–228. Loë, Paulus von: Statistisches über die Ordensprovinz Teutonia. Leipzig 1907 (QF 1). Johannes Meyer: Liber de Viris Illustribus Ordinis Praedicatorum. Hrsg. von Paulus von Loë. Leipzig 1918 (QF 12). Löhr, Gabriel M.: Die Teutonia im 15. Jahrhundert. Studien und Texte vornehmlich zur Geschichte ihrer Reform. Leipzig 1924 (QF 19). Meyer, Kathi: Das Amtbuch des Johannes Meyer. Ein Beitrag zur Geschichte des Musikbetriebes in den Klöstern des Mittelalters. In: Archiv für Musikwissenschaft 1 (1918/19), S. 166–178. Meyer, Ruth: Das St. Katharinentaler Schwesternbuch. Untersuchung, Edition, Kommentar. Tübingen 1995 (MTU 104).

Katalog der Schriften Johannes Meyers | 325

Pez

Pez, Bernhard: Bibliotheca ascetica antiquo-nova, hoc est: Collectio veterum quorundam et recentiorum opusculorum asceticorum, quae hucusque in variis mss. codicibus et bibliothecis delituerunt. Bd. 8. Ratisbonae 1725. Preger Preger, Wilhelm: Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter. II. Theil: Aeltere und neuere Mystik in der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts. Heinrich Suso. Leipzig 1881. Reichert 1908 Johannes Meyer: Buch der Reformacio Predigerordens. IV. und V. Buch. Hrsg. von Benedictus Maria Reichert, Leipzig 1908 (QF 3). Reichert 1909 Johannes Meyer: Buch der Reformacio Predigerordens. I., II. und III. Buch. Hrsg. von Benedictus Maria Reichert. Leipzig 1909 (QF 2). Scheeben 1933 Johannes Meyer: Chronica brevis Ordinis Praedicatorum. Hrsg. von Heribert Christian Scheeben. Leipzig 1933 (QF 29). Scheeben 1937 Scheeben, Heribert Christian: Handschriften I. In: ADD 1 (1937), S. 149–202. Schlumberger Seraphin Dietler’s Chronik des Klosters Schönensteinbach. Auf Wunsch mehrerer Altertumsfreunde hrsg. von Joh. v. Schlumberger. Gebweiler 1897. Schmidtke 1969/70 Schmidtke, Dietrich: Geistliche Schiffahrt. Zum Thema des Schiffes der Buße im Spätmittelalter. In: PBB (Tüb.) 91 (1969), S. 357–385 u. PBB (Tüb.) 92 (1970), S. 115–177. Schmidtke 1985 Schmidtke, Dietrich: Margareta Ursula von Masmünster. In: 2VL 5 (1985), Sp. 1250f. Schneider-Lastin 2000 Schneider-Lastin, Wolfram: Von der Begine zur Chorschwester: Die Vita der Adelheit von Freiburg aus dem Ötenbacher Schwesternbuch. Textkritische Edition mit Kommentar. In: Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998. Hrsg. von Walter Haug und Wolfram Schneider-Lastin. Tübingen 2000, S. 515–561. Schneider-Lastin 2004 Schneider-Lastin, Wolfram: Meyer, Johannes [Nachtr.]. In: 2VL 11 (2004), Sp. 1003f. Schneider-Lastin 2009 Schneider-Lastin, Wolfram: Leben und Offenbarungen der Elsbeth von Oye. Textkritische Edition der Vita aus dem Ötenbacher Schwesternbuch. In: Kulturtopographie des deutschsprachigen Südwestens im späteren Mittelalter. Studien und Texte. Hrsg. von Barbara Fleith und René Wetzel. Berlin/New York 2009 (Kulturtopographie des alemannischen Raums 1), S. 395–467. Vasella Vasella, Oskar: Geschichte des Prediger-Klosters St. Nikolai in Chur. Von seinen Anfängen bis zur ersten Aufhebung. Paris 1931 (Institutum Historicum Fratrum Praedicatorum. Dissertationes Historicae 1). Vetter Das Leben der Schwestern zu Töß, beschrieben von Elsbet Stagel, samt der Vorrede von Johannes Meier und dem Leben der Prinzessin Elisabet von Ungarn. Hrsg. von Ferdinand Vetter. Berlin 1906 (DTM 6). Wehbrink Wehbrink, Placidus: Das Leben der Brüder Predigerordens von Johann Meyer. In: ADD 2 (1939), S. 99–133. Zeller-Werdmüller/ Die Stiftung des Klosters Oetenbach und das Leben der seligen Schwestern Bächtold daselbst. Aus der Nürnberger Handschrift hrsg. von H. Zeller-Werdmüller und J. Bächtold. In: Zürcher Taschenbuch N.F. 12 (1889), S. 213–276.

326 | Anhang

B Lebensstationen Johannes Meyers und Chronologie der größeren Schriften Tab. 8: Selbstaussagen und Zeugnisse Vita und Schriftenchronologie

Quellen

1422/23: geboren in Zürich

Anno domini M ccccxxiij Nullum fuit capitulum in hac provincia | Natus fui (Basel, UB, Cod. E III 13, fol. 139r: Verzeichnis der Provinzialkapitel, von Meyers Hand; Kürzel sind aufgelöst).

1432: Eintritt in den Predigerkonvent Zürich

Anno domini M ccccxxxj In Berno Nativitatis beate virginis | Post illud capitulum ego frater Johannes Meyger intravi ordinem fratrum predicatorum in Thurego puer ix annorum et sex mensium (Basel, UB, E III 13, fol. 139r, von Meyers Hand); Anno domini M ccccxxxij In Ulma Hoc anno intravi ordinem ante illud capitulum (fol. 139v).

1442: Übersiedelung in den reformierten Basler [E ]go autem frater Johannes Meyer postquam Predigerkonvent (Meyers Nativkonvent) habui .x. annos in ordine veni huc ad basileam anno domini M ccccxlij de thurego et factus fui filius dicti conventus basiliensis eo quod est et fuit reformatus (Basel, UB, E III 13, fol. 109r, von Meyers Hand). seit 1454: Beichtvater im Berner Kloster St. Michael in der Insel

Selbstaussagen im 1454 vollendeten Buch der Ämter und im Buch der Ersetzung (Bloomington, Indiana Univ., Lilly Libr., Ricketts 198, fol. 3rb, 135vb); im Verzeichnis der Beichtväter des Liber vitae der Berner Dominikanerinnen ist Johannes meiger von dem conuent von basel (ohne Jahreszahl) aufgeführt (Bern, Burgerbibl., Cod. A 53, fol. 75rb).

28. Juni 1454: Abschluss des Buchs der Ämter

Hie hat ein ende das ampt buch der swestren von prediger orden · geendet von einem bruder des selben orden · von dem Conuente von basel · Do man zalt von der geburt Christi ·M°·cccc°·liiij°· An sant Petri vnd sant Paulus oben der heilligen tzwelfbotten (Bloomington, Indiana Univ., Lilly Libr., Ricketts 198, fol. 116rb: Buch der Ämter, Explicit).

1454: Redaktion des Tösser Schwesternbuchs

Explicit vita Sororis Elisabet Staglin · composita atque collecta · per quendam fratrem Turicensem de conventu basiliensi · ordinis predicatorum · anno domini M° cccc liiij· (Nürnberg, StB, Cod. Cent. V, 10a, fol. 9va: Tösser Schwesternbuch, Explicit zur Stagel-Vita);

Lebensstationen Meyers und Chronologie der Schriften | 327

Vita und Schriftenchronologie

Quellen Swester Elysabeth staglin in dem closter ze Tosse waz gnadenreichen seligen menschen si gewesen sige fint man hin vnd her ein wenig in des Seusen buch aber ich hab es daz vorder jar/ Anno domini M CCCC liiij ze samen gelesen vnd es geschriben an dem anfang des buchs der swestren leben von Tosse daz si selber gemachet het (Bloomington, Indiana Univ., Lilly Libr., Ricketts 198, fol.202vb– 203ra: Buch der Ersetzung, Kap. 9).

6. März 1455: Abschluss des Buchs der Ersetzung

Explicit hat ein ende das buch der erseczung vnd ist gemachet vnd volbracht worden jn dem jar der gepurt vnsers heren Jesu Christi M CCCC lv An dem abent Sant Thomas von aquin des edlen leres vnsers heilligen ordens (Leipzig, UB, Ms. 1548, fol. 251ra–rb: Buch der Ersetzung, Explicit).

1458–1465: Beichtvater in Schönensteinbach (Amtsantritt: 10. Januar 1458)

Ego frater Johannes Meyger veni ad Schönensteinbach et recepi officium confessionatus ex iniunctione prelatorum Anno domini M cccclviij in die Sancti pauli primi heremite (Basel, UB, E III 13, fol. 97r, von Meyers Hand); dass Meyer bis 1465 amtierte, ist aus Seraphin Dietlers Chronik des Klosters Schönensteinbach, II,134 zu erschließen (ed. Schlumberger, S. 484).

24. Mai 1464: Abschluss der ,Urfassung‘ des Buchs der Reformacio Predigerordens

Begeben vnd geschriben zu Schönensteinbach, gelegen im obern Elsaß, im bistumb Basel, in dem Jahr deß herren 1.4.64. an dem hochzeitlichen tag vnsers würdigen heiligen vatters Sancti DOMINICI Translation, stiffters vnsers heiligen prediger ordens (Colmar, Archives Département., Fonds Herzog, 1f22, S. 8: Buch der Reformacio von 1464, Eingangsepistel, Explicit).

1465: Reformator der Klöster Adelhausen, St. Agnes und St. Maria Magdalena zu den Reuerinnen (Freiburg i.Br.)

Briefe u.a. des Ordensmeisters Konrad von Asti und des Provinzials Petrus Wellen an den Basler Prior Rudolf Bumann und Johannes Meyer mit dem Auftrag zur Durchführung der Reform und Meyers Privilegienbrief für die drei Freiburger Konvente (Basel, UB, E III 13, fol. 69r–70v, 71v, 74rv, sämtlich Abschriften von Meyers Hand); Bericht im Buch der Reformacio, ,Urfassung‘ von 1464, III,65–71 (Colmar, Archives Département., Fonds Herzog, 1f22, S. 435–450), Fassung von 1468, V,59–65 (Straßburg, National- und Universitätsbibl., Ms. 2934, fol. 215v–222r).

1465: Übersiedelung in den reformierten Predigerkonvent Gebweiler

Bericht in Dietlers Chronik des Klosters Schönensteinbach, II,134 (S. 484).

328 | Anhang

Vita und Schriftenchronologie

Quellen

August 1466: Abschluss des Liber de illustribus Scriptum Anno gracie ·M·cccc°·lxvj· Infra octavas viris O.P. Beati dominici patris nostri (Basel, UB, E III 12, fol.1v: Liber de illustribus viris, Prolog, Explicit). seit 1467: Beichtvater in Silo (Schlettstadt)

Ego frater Johannes Meyger hoc tempore [1467] datus fui sororibus istis in confessorem […] hic in Silo (Basel, UB, E III 13, fol. 51r, v. Meyers Hand).

24. November 1468: Abschluss der Straßburger Fassung des Buchs der Reformacio

Daz geben vnd geschriben ist Anno domini M cccclxviij jn vigilia Sancte Katherine virginis et martiris (Straßburg, National- und Universitätsbibl., Ms. 2934, fol. 11v: Buch der Reformacio von 1468, Prolog, Explicit, von Meyers Hand).

6. April 1469: Abschluss der Vitas fratrum

Scriptum in Sylo Anno domini M cccc lxix an dem nehsten tag noch sancte vincencius tag des heilgen vatters prediger ordens (Berlin, SBPK, Mgq 195, fol. 13v: Vitas fratrum, Prolog, Explicit).

28. April 1470: Abschluss der Papstchronik

Datum zu gebwiler Anno domini Tusent vier hundert Súbenczig/ An Sant peters oben prediger ordens des nuwen martelers von Meygelon (Berlin, SBPK, Mgq 195, fol. 170v: Papstchronik, Prolog, Explicit).

9. Juni 1470: Abschluss der Chronica brevis O.P. Scriptum Anno gracie M°cccclxx in vigilia penthecostes (München, Nationalmuseum, Cod. 939, fol. 19r: Chronica brevis, Prolog, Explicit). 23. Mai (?) 1471: Abschluss der Kaiserchronik

Datum jn Gebwilr Anno domini M cccc lxxj an vnsers vatters Sanctus Dominicus obend/ translacio (Berlin, SBPK, Mgq 195, fol. 267v: Kaiserchronik, Prolog, Explicit, translacio von Meyers Hand ergänzt).

1473: Vertreter in St. Maria Magdalena zu den Reuerinnen (Freiburg i.Br.)

Anno domini M cccclxxiij fui per xvj ebdomadas cum sororibus monasterij ad penitentes in friburgo loco confessoris (Basel, UB, E III 13, fol. 76r, von Meyers Hand).

seit 1473: Beichtvater in Liebenau (Amtsantritt: 19. November)

AD monasterium sororum jn liebenow prope wormaciam veni ego frater Johannes Meyer datus in confessorem eiusdem monasterij anno videlicet M cccclxxiij in die Elizabeth (Basel, UB, E III 13, fol. 52v, von Meyers Hand).

1474: Mitwirkung bei der Reform des Predigerkonvents Frankfurt a.M.

Meyers eigenhändiger Bericht (Nachtrag) im Buch der Reformacio, Fassung von 1468 (Straßburg, National- und Universitätsbibl., Ms. 2934, fol. 260r–261r).

1475: zeitweilige Betreuung des Klosters St. Maria Magdalena überm Hasenpfuhl (Speyer)

Nomina sororum nostrarum Spire in monasterio ultra hasenphul Anno domini M cccclxxv quo anno audivi confessiones earundem sororum (Basel, UB, E III 13, fol. 55r, von Meyers Hand).

Lebensstationen Meyers und Chronologie der Schriften | 329

Vita und Schriftenchronologie

Quellen

1477: Vikar des Provinzials in Liebenau

Ernennungsbrief des Provinzials Jakob von Stubach an Meyer, vom 6. Januar 1477 (Basel, UB, E III 13, fol. 74v–75r, Abschrift von Meyers Hand).

1478: Mitwirkung bei der Reform der württembergischen Frauenklöster

Brief des Provinzials Jakob von Stubach an Meyer vom 14. April 1478 mit dem Auftrag, geeignete Schwestern aus observanten Klöstern der Alsatia zur Reform zweier württembergischer Konvente auszuwählen (Basel, UB, E III 13, fol. 64rv); eigenhändige Notate Meyers zur Reform der Klöster Reuthin, Weiler und Kirchheim/Teck (E III 13, fol. 91v, 141r); Bericht über die Reform im Buch der Reformacio, ,Urfassung‘ von 1464, III,88 (Colmar, Archives Département., Fonds Herzog, 1f22, S. 461–463).

1478: Stellvertreter des Provinzials im Kloster Gnadenzell (Offenhausen)

Brief des Provinzials Jakob von Stubach an Meyer vom 25. Mai 1478 (Basel, UB, E III 13, fol. 75v).

1481: Abschluss der Chronik von 1481

Datum jn dem jar Christi M° CCCC lxxxj (Freiburg i.Br., StA, Cod. B 1 Nr. 107, fol. 292r: Chronik von 1481, Prolog, Explicit).

1482: 50jähriges Ordensjubiläum in Basel

[A]nno domini M cccclxxxij fui in conventu basiliensi cum affectu ibidem concludere et finire vitam meam si deo et superioribus meis placuisset/ eo quod filius sum predicti conventus basiliensis. Unde eodem anno celebravi annum jubileum de consensu superiorum meorum/ et omnium patrum et fratrum meorum/ et ipsi una mecum meum jubileum in caritate et congrua devocione et sollempnitate concelebraverunt pariter ex fraterna dilectione/ tam in choro quam in refectorio/ eo quod dicto anno complevi quinquagesimum annum in ordine predicatorum (Basel, UB, E III 13, fol. 107r, von Meyers Hand).

seit 1482: Beichtvater in Adelhausen (Amtsantritt: 15. Mai)

[A]nno domini Mcccclxxxij in vigilia ascensionis domini videlicet die xv mensis maij ego frater Joh. Meyer ex obedientia superiorum nostrorum veni de basilea ad monasterium sororum nostrarum in Adelhusen pro confessore deputatus (Basel, UB, E III 13, fol. 57v, von Meyers Hand).

1482: Abschluss des Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch

Scriptum im jar Christi ·Mcccclxxxij· z Adelhusen/ Na dem als ich me dan fnczig jar in predier orden vnwirdenklich gelept hab (Freiburg i.Br., StA, B 1 Nr. 107, fol. 268v: Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch, Prolog, Explicit, von Meyers Hand).

330 | Anhang

Vita und Schriftenchronologie

Quellen

22. Januar 1484: Abschluss der Chronik von 1484

Scriptum Anno domini M cccclxxx iiij jn die Sancti Vincencij martiris (Freiburg i.Br., StA, B 1 Nr. 107, fol. 240v, Chronik von 1484, Prolog, Explicit, von Meyers Hand).

20. Juli 1485: gestorben in Adelhausen

starbe seeliglich im Jahr 1485. auf S Praxedis Abend/ und ist in dem Eingang deß Chors bey der Stiegen vor unser Lieben Frauen/ wie er begehrt hat/ begraben (Friedrich Steill: Ephemerides Dominicano-Sacrae […]. 2. Teil. Dillingen 1691, S. 102a [Kurzvita/Elogium des Johannes Meyer], mit dem Quellenhinweis: Ex M.S. Sororis praedictae [zu Adelhausen], cujus Confessarius fuit; ebenso Freiburg, StA, B 1 Nr. 110 [BaumeisterCodex], S. 126).

Abbildungen

https://doi.org/10.1515/9783110656695-009

332 | Abbildungen

Abb. 1: Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Cod. Ricketts 198, fol. 116r (Buch der Ämter, Schlussgebet und Explicit)

Abbildungen | 333

Abb. 2: Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms. 1548, fol. 111v (Buch der Ämter, Schlussgebet und Explicit)

334 | Abbildungen

Abb. 3: Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Cod. Ricketts 198, fol. 134v (Buch der Ersetzung, Eingangsminiatur)

Abbildungen | 335

Abb. 4: Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms. 1548, fol. 133r (Buch der Ersetzung, Vorrede)

336 | Abbildungen

Abb. 5: Bloomington, Indiana University, Lilly Library, Cod. Ricketts 198, fol. 215r (Buch der Ersetzung, Kap. 10)

Abbildungen | 337

Abb. 6: Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms. 1548, fol. 217r (Buch der Ersetzung, Kap. 10)

338 | Abbildungen

Abb. 7: Straßburg, National- und Universitätsbibliothek, Ms. 2934, fol. 11r (Buch der Reformacio Predigerordens, Straßburger Fassung von 1468, Vorrede, Hand Johannes Meyers)

Abbildungen | 339

Abb. 8: München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 8081, fol. 25r (Buch der Reformacio Predigerordens, Straßburger Fassung von 1468, Vorrede)

340 | Abbildungen

Abb. 9: Basel, Universitätsbibliothek, Cod. E III 12, vorderer Spiegel (Einblattholzschnitt, koloriert, Darstellung des Heinrich Seuse)

Abbildungen | 341

Abb. 10: Basel, Universitätsbibliothek, Cod. E III 12, fol. ar (Inhaltsübersicht von der Hand Johannes Meyers, mit Ergänzungen von späteren Händen)

342 | Abbildungen

Abb. 11: Basel, Universitätsbibliothek, Cod. E III 13, fol. 31v (Anmerkung Johannes Meyers zu den Ordinationen Konrads von Preußen für Schönensteinbach)

Abbildungen | 343

Abb. 12: Colmar, Archives Départementales du Haut-Rhin, Fonds Herzog, 1f22 (Buch der Reformacio Predigerordens, Schönensteinbacher ,Urfassung‘ von 1464, Abschrift von Dominicus Ranckenthall v. J. 1670, Titelseite)

Literaturverzeichnis Abkürzungen AASS ADD AFP AOP BHL DA Dict. Spir. DTM FDA FS GAG GRM HDA Helvetia Sacra IV/5 IASL LCI LexMA LiLi 3 LThK MBK III/3

MGH (SS) MMS MOPH MTU PBB QF RLW

RUB stw TRE TTG

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https://doi.org/10.1515/9783110656695-010

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2

VL

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Texte und Editionen | 347

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Register Das Register verzeichnet Handschriften/Archivalien, Texte und historische (auch neutestamentliche) Personen, die im Haupttext und in den Anhängen genannt sind. Auf Johannes Meyer wird ausschließlich im Zusammenhang seiner Schriften verwiesen. Abkürzungen: Bf. = Bischof, Ebf. = Erzbischof, Gf. = Graf, Hzg./Hzgn. = Herzog/Herzogin, Kfst. = Kurfürst, Kg. = König, Ks. = Kaiser, Pfgf./Pfgfn. = Pfalzgraf/Pfalzgräfin.

Handschriften und Archivalien Basel, Universitätsbibliothek, Cod. A VIII 8 125 Anm. 172 – Cod. A XI 42 92 Anm. 16, 148 Anm. 268, 149 Anm. 273–275, 150 Anm. 282, 151 Anm. 286 – Cod. A XI 89 184f., 201, 299 Anm. 115, 319 – Cod. B IX 11 285 Anm. 44 – Cod. B IX 28 2 Anm. 4 – Cod. E III 12 140 Anm. 232, 216 Anm. 146, 220 Anm. 166, 271–290, 320f., 323, 328, 340f. – Cod. E III 13 3 Anm. 7, 68 Anm. 265, 84f. Anm. 351, 128 Anm. 183, 165 Anm. 343, 292 Anm. 83, 294f., 321–323, 326–329, 342 Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, Mgo 452 185 Anm. 8 – Mgq 195 5 Anm. 15, 95 Anm. 25, 96–98, 184–186, 190 Anm. 28, 192, 194–197, 200–227, 229f. Anm. 8, 271 Anm. 1f., 286 Anm. 51, 291f. Anm. 80, 297 Anm. 105, 306f., 308 Anm. 14, 319f., 323, 328 Bern, Burgerbibliothek, Cod. A 53 5 Anm. 14, 82f., 317, 326 Bloomington, Indiana Univ., Lilly Library, Cod. Ricketts 198 18 Anm. 36, 21–25, 27–56, 57–74, 78 Anm. 322f., 80 Anm. 330–332, 81 Anm. 335f., 82f., 86, 91 Anm. 11, 196 Anm. 49, 206 Anm. 101, 231 Anm. 17, 288 Anm. 61, 289f. Anm. 67f. u. 74, 315f., 323, 326f., 332, 334, 336 Breslau, Universitätsbibliothek, Ms.IV F 194a 6f., 10, 83 Anm. 343, 228, 230, 231 Anm. 16 u. 18, 232, 253, 255–270, 290, 317

https://doi.org/10.1515/9783110656695-011

Colmar, Archives Départementales du HautRhin, Fonds Herzog, 1f22 9, 68 Anm. 265, 91 Anm. 10, 103–108, 119 Anm. 133, 123 Anm. 156, 141 Anm. 237, 145 Anm. 258, 151 Anm. 289, 161 Anm. 323 u. 326, 162 Anm. 329, 165 Anm. 342, 170 Anm. 365, 174–183, 298 Anm. 112, 304 Anm. 131, 318, 327, 329, 343 – 27 H 1/2, o. Sign. 108f. Anm. 88 – 27 H 1/3, o. Sign. 109 Anm. 89 Einsiedeln, Stiftsbibliothek, Cod. 710 (322) 238 Anm. 51 Freiburg i.Br., Stadtarchiv, Cod. B 1 Nr. 107 229 Anm. 5, 291 Anm. 76, 312 Anm. 24, 320–323, 329f. – Cod. B 1 Nr. 108 28 Anm. 93, 70 Anm. 280, 81 Anm. 336, 82 Anm. 337, 83–85, 88, 315f., 320, 322f. – Cod. B 1 Nr. 110 229 Anm. 5, 291 Anm. 76, 330 – Cod. B 1 Nr. 147 28 Anm. 93, 43 Anm. 152, 51 Anm. 187, 54 Anm. 200, 82 Anm. 337, 83–85, 88, 315f. – Cod. B 1 Nr. 202 184f., 299 Anm. 115, 319 – Cod. B 1 Nr. 203 184f., 201, 216 Anm. 145, 319 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 452 246f. – Cod. K 1177 28 Anm. 93, 80 Anm. 332, 82f., 87, 315, 323 – Cod. St. Peter pap. 43 55 Anm. 206, 70 Anm. 280, 83 Anm. 348, 315

370 | Register

Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms. 1548 23 Anm. 67, 24 Anm. 71, 25 Anm. 75, 52, 56 Anm. 208, 64, 65 Anm. 255, 80 Anm. 330–332, 81 Anm. 336, 82f., 86, 206 Anm. 101, 315f., 322f., 327, 333, 335, 337 Luxembourg, Bibliothèque de l’Institut Grand-Ducal, Section historique, Ms. N° 47 103 Anm. 70 München, Bayerisches Nationalmuseum, Cod. 939 176f. Anm. 403, 198 Anm. 58, 206 Anm. 101, 223 Anm. 178, 224 Anm. 186, 226 Anm. 194, 291f. Anm. 80, 293–304, 321f., 328 München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 416 185, 319 – Cgm 746 223f. Anm. 182 – Cgm 8081 5, 91 Anm. 13, 93f., 98–101, 107 Anm. 85, 141 Anm. 237, 145, 151 Anm. 286, 318, 322f., 339 Münster, Universitätsbibliothek, Cod. 22 (verbrannt) 300 Anm. 116 – Cod. 353 (verbrannt) 300 Anm. 116 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 1166 23 Anm. 67, 80 Anm. 332, 81 Anm. 336, 83, 86, 322f. Nürnberg, Stadtbibliothek, Cod. Cent. V, 10a 6f., 10, 228, 230, 231 Anm. 17, 232f., 235–255, 262, 267, 269f., 290, 316f., 326 – Cod. Cent. VI, 43h 49f. Anm. 183 St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 603 235, 243, 245 Anm. 82, 246–248 – Cod. 991 103 Anm. 67 – Cod. 1916 5 Anm. 15, 91 Anm. 13, 93f., 98, 101–103, 107 Anm. 85, 141 Anm. 237, 145 Anm. 258, 159 Anm. 316, 318, 322f. Straßburg, National- und Universitätsbibliothek, Ms. 2934 68 Anm. 265, 91, 93–100, 102 Anm. 65, 104–177, 181– 184, 226 Anm. 194, 284 Anm. 38, 318, 322f., 327f., 338 Straßburg, Stadtbibliothek, Cod. G 180 (verbrannt) 185f. Anm. 9, 319f. – Ms. 559 68f. Anm. 269, 316

Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. hist. 4° 237 81 Anm. 336, 322f. Tübingen, Universitätsbibliothek, Md 129 316 – Md 456 55 Anm. 206, 83 Anm. 348, 93, 101–103, 107 Anm. 85, 315f., 318 Überlingen, Leopold-Sophien-Bibliothek, Ms. 5 80 Anm. 332, 80f. Anm. 334, 81 Anm. 336, 82f., 87, 102f. Anm. 66, 316, 322f. Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana, Ms. Lat. IX 89 296f. Anm. 102 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 15293, Nr. 9 185f. Anm. 9, 199 Anm. 65, 231f., 316f., 319f. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. 164.1 Extravagantes 151f. Anm. 291, 229

Texte Adelhauser Schwesternbuch 221 Anm. 171, 228, 229 Anm. 5 Alberti, Leandro – De viris illustribus O.P. 306 Anm. 2 Albertus de Castello – Brevis et compendiosa Cronica de magistris generalibus et viris illustribus O.P. 223f. Anm. 178 u. 182, 224 Anm. 184 u. 186, 287 Anm. 59, 296f. mit Anm. 102 Alfons von Jaén – Epistola Solitarii ad Reges 125, 126 Anm. 174 – Liber Celestis Imperatoris ad Reges 125 Ämterbuch für Schwestern (Verdeutschung der Instructiones de officiis Humberts von Romans) 49f. Anm. 183 Anselm von Canterbury – De casu diaboli 173 (Ps.-)Anselm von Canterbury – Orationes et meditationes 39f. Anm. 139 Antoninus von Florenz – Chronicon 187

Texte | 371

Athanasius – Antonius-Vita 75 Anm. 305, 172 Anm. 379, 188, 196 Augustinus – Confessiones 39, 244 Anm. 77 Augustinusregel 13f., 20, 27, 63, 74, 82, 83 Anm. 343, 158, 174, 203, 204 Anm. 90, 216 Anm. 146, 217, 256f., 259, 274, 294 Anm. 93, 317 Barlaam und Josaphat 39f. Anm. 139 Benediktsregel 188, 199 Berler, Maternus – Chronik 271f. Anm. 4 Bernard Gui – De fundatione et prioribus conventuum provinciarum Tolosanae et Provinciae O.P. 153 Anm. 297, 304 Anm. 128 Bernhard von Clairvaux – De gradibus superbiae 39f. – Liber de diligendo Deo 39f. Anm. 139 Ps.-Bernhard von Clairvaux Meditationes piissimae de cognitione humanae conditionis 39f. Anm. 139 Bilderchronik des Balduineums I (Kaiser Heinrichs Romfahrt) 222 Anm. 174 Birgitta von Schweden – Revelationes 125, 293 Boethius – Consolatio Philosophiae 46 Anm. 165 Brevis historia ordinis fratrum Praedicatorum 282 Anm. 31 Busch, Johannes – Liber de reformatione monasteriorum 90, 167 Caffarini, Tommaso – Tractatus de ordine fratrum et sororum de paenitentia S. Dominici 220 Cassian(us), Johannes – Collationes patrum 39f. Anm. 139, 44, 196 Anm. 49 – De institutis coenobiorum et de octo principalium vitiorum remediis 126 Anm. 176 Christine de Pizan – Oraison nostre Dame 52 Anm. 195 Cronica ordinis posterior 191 Anm. 33, 289 Anm. 66

Decretum Gratiani 112 Dietler, Seraphin – Chronik des Klosters Schönensteinbach 96 Anm. 34, 105–107, 108f. Anm. 88, 116 Anm. 116 u. 118, 176 Anm. 402, 184 Anm. 1, 216f. Anm. 148, 318, 327 Dietrich von Apolda – Vita S. Dominici 80f. Anm. 334, 87, 192 Anm. 37, 203 Anm. 87f., 219 Anm. 161, 220 Anm. 163, 282, 289 Anm. 66, 301 Anm. 119 Dominikus-Vita 72 Anm. 289, 123 Anm. 159, 172 Anm. 379, 185f. Anm. 9, 190 Anm. 28, 191–193, 199, 204 Anm. 90, 232 Engelthaler Schwesternbuch 151 Epistel eines unbekannten Dominikaners zur Entsendung von Predigerbrüdern in andere Konvente (nach 1438) 23 Anm. 67, 81 Anm. 336, 86f. Epp, Georg – De illustribus viris ac sanctimonialibus O.P. 306 Anm. 2 Eusebius – Historia ecclesiastica 177f. Anm. 406f., 298 Anm. 111 Ferrer, Vinzenz – Tractatus de vita spirituali 140 Anm. 232 Gerhard von Frachet – Vitas fratrum 9, 19 Anm. 44, 72 Anm. 290, 112f. Anm. 103, 123 Anm. 159, 150, 172 Anm. 379, 179, 184, 186–193, 195f., 198–200, 229f. Anm. 8, 250, 281, 283, 289 Anm. 66, 301 Anm. 119 Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (1356) 225 Gregor der Große – Dialogi de vita et miraculis patrum Italicorum 196 Anm. 49 Guigo I. – Consuetudines Cartusiae 116f. Anm. 121 Heinrich von Herford – Chronicon 296 Anm. 101 Herzklosterallegorie 54, 56, 59f., 101f. Anm. 59

372 | Register

Hieronymus – De viris illustribus 273f. Historia Lausiaca 188 Historia monachorum 188 Hugo von Fouilloy – De claustro animae 39f. Anm. 139, 54f. Anm. 201 Hugo von St. Viktor – De institutione novitiorum 39f. Anm. 139 Ps.-Hugo von St. Viktor – Expositio in regulam beati Augustini 82, 83 Anm. 343, 262 Humbert von Romans – De eruditione praedicatorum 57 – Epistel an die Dominikanerinnen (Valenciennes, 1259) 22f., 80, 81 Anm. 336, 86f. – Epistel an die Dominikanerinnen (Straßburg, 1260) 22f., 80, 81 Anm. 336, 86f., 302 – Expositio regulae beati Augustini 43 Anm. 153 – Expositio super constitutiones fratrum Praedicatorum 14f., 19 – Instructiones de officiis ordinis 8, 18–51, 55, 65, 126, 302 – Legendae S. Dominici 204 Anm. 90 – Sermones circa omne hominum genus 57–60, 62 Indulgenzbrief dreier röm. Kardinäle für Schönensteinbach (1463) 109 Anm. 89 Jacobus de Voragine – Legenda aurea 172 Anm. 379, 178 Anm. 407, 204 Anm. 90 Jakob von Soest – Ordenschronik 223 Anm. 178, 287 Anm. 59, 296 Johannes von Mainz – Buch von Schönensteinbach (verschollen) 108, 119 – Geistliches Mahnschreiben an die Dominikanerinnen 230, 270 Anm. 175 – Vitas fratrum praedicatorum conventus Basiliensis 92, 148–150, 151 Anm. 286, 263, 287 Anm. 57, 304

Johannes de Turrecremata (Torquemada) – Meditationes 276, 291f. Anm. 80 Jordan von Sachsen – Libellus de principiis ordinis Praedicatorum 13f., 179, 199 Anm. 66, 203 Anm. 87 Julius Africanus – Epistula ad Aristidem 177f. Anm. 406, 298 Anm. 111 Katharina von Gueberschwihr – Vitae sororum (Unterlindener Schwesternbuch) 151f. Anm. 291, 176f. Anm. 403, 229, 289f. Kirchberger Schwesternbuch 151 Klemens von Alexandrien – Stromata 147 Anm. 266 Konrad von Eberbach – Exordium magnum Cisterciense 198, 298 Konrad von Preußen – Ordinationen für reformierte Dominikanerinnen 84f., 88, 321, 342 Konstantin von Orvieto – Legenda S. Dominici 204 Anm. 90 Konstitutionen – Dominikaner 14–17, 20f., 24 Anm. 71, 28, 63, 65f., 74, 140 Anm. 232, 199 Anm. 66, 216 Anm. 146, 217 – Dominikanerinnen 17, 21, 23f., 27f., 32f., 48–50, 53, 61 Anm. 235, 65f., 69, 74, 82, 83 Anm. 343, 256f., 259, 262, 317 – dominikanische Konversen 25 Anm. 76, 81f., 86f., 323 Kreß, Caspar – Euphrasia-Legende 230 Legendar von Böddeken 299 Libellus de instructione et consolatione novitiorum 39f. Anm. 139 Liber Florigerus 39 Liber pontificalis 71 Anm. 281 u. 284, 202, 295 Magisterregel 188 Margareta Ursula von Masmünster – Geistliche Meerfahrt 55f., 67–69, 70 Anm. 277, 101f. Anm. 59, 316

Texte | 373

Martin von Troppau – Chronicon pontificum et imperatorum 201f. Anm. 79, 203 Anm. 86 u. 88, 204 Anm. 91, 218f., 221 Anm. 168 Matthäus-Legende 53 Mechthild von Magdeburg – Fließendes Licht der Gottheit 284 – Lux divinitatis 284, 285 Anm. 44 Meringerin, Elisabeth – Büchlein von der Stiftung und Wiedererrichtung des Klosters Schönensteinbach (verschollen) 108f. Anm. 88 Meyer, Johannes – Bericht über die Reformierung des Schwesternklosters Engelport (De fundacione defectione restauracione ac reformacione monasterii sororum angelice porte opidi Gebwilerensis) 216 Anm. 146, 275, 321 – Buch der Ämter 3 Anm. 7, 5, 7–9, 12, 17f., 21–25, 27–53, 55, 65, 70, 78, 80–84, 86–88, 102f. Anm. 66, 189, 196, 231 Anm. 16, 302, 309, 315f., 323, 326, 332f. – Buch der Ersetzung 7–9, 12, 17, 18 Anm. 36, 23 Anm. 67, 24f., 40 Anm. 141, 51 Anm. 187, 53–75, 78f., 80–84, 86– 88, 91 Anm. 11, 101f., 123, 139, 206 Anm. 101, 208, 209 Anm. 117, 229f. Anm. 8, 231 Anm. 16f., 288 Anm. 61, 289f. Anm. 67f. u. 74, 297, 300, 302, 309, 315f., 323, 326f., 334–337 – Buch der Reformacio Predigerordens 3–7, 68 Anm. 265, 89f., 214, 226, 263, 271, 297, 303–305, 309f., 312; Schönensteinbacher ,Urfassung‘ (1464): 9, 91 mit Anm. 10, 93, 103–108, 119 Anm. 133, 123, 135 Anm. 213, 141 Anm. 237, 151 Anm. 289, 152, 161, 162 Anm. 329, 165 Anm. 342, 170 Anm. 365, 174–183, 287 Anm. 58, 298, 303f., 310, 318, 327, 329, 343; Straßburger Fassung (1468): 9, 91–103, 104 Anm. 72, 105–177, 181–184, 207, 226 Anm. 194, 248, 266 Anm. 160, 284 Anm. 38, 287 Anm. 58, 304, 310, 318, 327f., 338f.

– Büchlein (lat.) mit Auszügen aus den Akten und Ordinationen der Generalkapitel des Ordens (verschollen) 66, 323 – Büchlein über die Kirchen- und Altarpatrone von Schönensteinbach (verschollen) 323 – Chronica brevis O.P. 4, 7, 10, 72 Anm. 286, 75 Anm. 307, 176f. Anm. 403, 198, 206 Anm. 101, 223f. Anm. 178 u. 182f., 224 Anm. 186, 226 Anm. 194, 271, 291f. Anm. 80, 292–305, 312, 321, 328 – Chronik der Generalmeister 55f., 70–75, 81, 91 Anm. 11, 101f. mit Anm. 59, 139, 206 Anm. 101, 209 Anm. 117, 231 Anm. 17, 288 Anm. 61, 289f. Anm. 67f. u. 74, 297, 300–304, 315 – Chronik des Inselklosters St. Michael in Bern 83 Anm. 343, 228, 230–232, 255, 262–270, 317 – Chronik des Klosters St. Agnes zu Freiburg (verschollen) 290f., 323 – Chronik von 1481 8, 229 Anm. 5, 312, 320, 329 – Chronik von 1484 8, 185f. Anm. 9, 229 Anm. 5, 291 Anm. 76, 320, 323, 330 – Epistel an die reformierten Freiburger Dominikanerinnenklöster (6. August 1465) 165 Anm. 343 – Epistel brief z den swesteren prediger ordens 10, 51 Anm. 187, 95 Anm. 25, 96, 184f., 190 Anm. 28, 219 Anm. 160, 271, 306–308, 319 – Exzerptum aus dem Adelhauser Schwesternbuch 8, 88, 185f. Anm. 9, 228– 230, 232, 320, 329 – Kaiserchronik Predigerordens 5 Anm. 15, 7, 9f., 95 Anm. 25, 98, 184–187, 201f., 218–227, 232, 271, 290 Anm. 75, 297, 310f., 319, 328 – Liber de illustribus viris O.P. 4, 7, 10, 140, 271–294, 297, 300, 312, 320, 328 – Liber vitae des Inselklosters St. Michael in Bern (zusammen mit Anna von Sissach) 82, 262, 317, 326

374 | Register

– Papstchronik Predigerordens 5 Anm. 15, 7, 9f., 95 Anm. 25, 98, 184–187, 201– 220, 224, 227, 232, 271, 286 Anm. 51, 291f. Anm. 80, 297, 303, 310f., 319, 328 – De primis sanctis patribus Parisiensibus doctoribus O.P. 293, 321 – Redaktion des Ötenbacher Schwesternbuchs 92 Anm. 15, 127, 228, 231, 250, 253–261, 267, 317 – Redaktion eines Regelbuchs des Inselklosters St. Michael in Bern 82f., 262, 317 – Redaktion des St. Katharinentaler Schwesternbuchs 6, 127, 228, 248–253, 260, 317 – Redaktion des Tösser Schwesternbuchs 6, 127, 228, 231–233, 235–247, 250, 316, 326f. – Verzeichnis der Dominikanerinnenklöster der Teutonia 95, 184, 275 Anm. 19, 323 – Verzeichnis der Generalmeister des Predigerordens 94f., 322 – Verzeichnis der Predigerklöster der Teutonia 95, 322f. – Verzeichnis der Provinziale der Teutonia Version A: 81, 83, 86–88, 322f. Version B: 94f., 99, 322 – Vita des Albertus Magnus 95 Anm. 25, 184, 320 – Vitas fratrum, Leben der Brüder Predigerordens 4, 7, 9f., 46, 95 Anm. 25, 98, 184–201, 229f. Anm. 8, 232, 271, 282f. Anm. 32, 298, 299 Anm. 115, 310f., 319, 328 Nider, Johannes – Epistel an die Klosterseelsorger von Schönensteinbach (25. Oktober 1428) 162 Anm. 329 – Epistel an den Konvent von Schönensteinbach (25. Oktober 1428) 161f., 176f. Anm. 403 – Formicarius 106f. Anm. 84, 134, 147 Anm. 264f., 160 Anm. 320, 161 Anm. 321, 169f., 172, 286, 287 Anm. 57 – Tractatus de reformatione status coenobitici 173f. Notel (von Gmünd), Nikolaus – Epistel an den Konvent von Schönensteinbach (25. Oktober 1428) 162 Anm. 329

Ötenbacher Schwesternbuch 92 Anm. 15, 127, 228, 230, 232, 253, 255, 317 Petition des Schönensteinbacher Konvents an die Hofbehörden in Innsbruck (nicht vor 1518) 108f. Anm. 88 Petrarca, Francesco – De viris illustribus 274 Petrus Comestor – Historia scholastica 112 Petrus Lombardus – Sententiae 112 Peuntner, Thomas – Büchlein von der Liebhabung Gottes 39f. Anm. 139 Philipp der Kanzler – Summa de bono 63 Piccolomini, Aeneas Silvius (Pius II.) – Epistola ad Mahumetem 214f. Pignon, Laurentius – Catalogus fratrum spectabilium ordinis fratrum praedicatorum 274 Anm. 18 Raimund von Capua – Epistel an die observanten Predigerbrüder (Rom, 7. Februar [1397?]) 23, 80, 81 Anm. 336, 86f. – Reformdekret vom 1. November 1390 142 – Vita der Agnes von Montepulciano 291 – Vita der Katharina von Siena (Legenda maior) 291 Ranckenthall, Dominicus – Fasti fratrum Luxemburgensium O.P. 103 Anm. 70 Ransanus, Petrus – Vita des Vinzenz Ferrer 275, 286 Raymundus Hugonis – Historia translationis sacri corporis Thome Aquinatis 185 Anm. 8 Regel für den Dritten Orden von der Buße des hl. Dominikus 25 Anm. 76, 81f., 86f., 220, 323 St. Katharinentaler Schwesternbuch 6, 127, 228, 230, 232, 248, 253, 317 Sendbrief zur wahren Heiligkeit Birgittas von Schweden 126 Anm. 174 Seuse, Heinrich – Briefbüchlein 233 Anm. 30

Personen | 375

– Büchlein der ewigen Weisheit 39 Anm. 138 – Exemplar 233, 238 – Horologium Sapientiae 39, 238, 285 – Vita 6, 233–244, 290, 327 Sibyllenweissagung 223f. mit Anm. 182 Signa divinarum reuelacionum 125 Anm. 172 Steill, Friedrich – Ephemerides Dominicano-Sacrae 330 Stephan von Salagnac/Bernard Gui – De quatuor in quibus deus praedicatorum ordinem insignivit 273f., 282, 283 Anm. 31 Stimulus amoris 39f. Texerius, Bartholomäus – Epistel an die Klosterseelsorger von Schönensteinbach (25. Oktober 1428) 162 Anm. 329 – Epistel an den Konvent von Schönensteinbach (25. Oktober 1428) 162 Anm. 329 Thomas von Cantimpré – Bonum universale de apibus 19 Anm. 44, 72 Anm. 290, 179, 189, 190 Anm. 28, 192, 206–208, 300 – Supplementum zur Vita der Marie von Oignies 63, 123f. Thomas von Kempen – Imitatio Christi 39 Tösser Schwesternbuch 6, 127, 228, 230, 232–237, 243 Anm. 74, 245, 246 Anm. 84, 247, 316, 326f. Verba seniorum 130, 188, 196 Vinzenz von Beauvais – Speculum historiale 223f. Anm. 182 Vita der Elisabeth von Ungarn 233 Anm. 25, 245, 246 Anm. 84, 316 Vita Philippi presbyteri Cellensis 299f. Vitas patrum 39f. Anm. 139, 44, 130 Anm. 190, 172 Anm. 379, 188–190, 196, 199 Wilhelm Peraldus – Summa de vitiis et virtutibus 39f. Anm. 139

Wilhelm von Saint-Amour – De periculis novissimorum temporum 207 Anm. 103 Wilhelm von Saint-Thierry – Epistola ad fratres de Monte Dei 39 Wilhelm von Tocco – Vita des Thomas von Aquin 185 Zittard, Conrad – Kurtze Chronica Das ist/ Historische beschreibung […] der General Maister Prediger Ordens 306 Anm. 2

Personen Adelheid von Frauenberg 246f. mit Anm. 86 Adelheid von Freiburg 230, 253, 256, 260, 317 Adelheid von Owe 104 Anm. 74 Adelheit von Stein 251 Adelphus, Bf. von Metz 176 Adolf von Nassau, röm.-dt. Kg. 222, 265 Agnes von Montepulciano 281, 291 Agnes von Zürich 254 Anm. 121 Aimerich von Piacenza 301 Anm. 119 Albert von Minden 284 Albertus Magnus 19 Anm. 40, 207, 214f. Anm. 140, 279, 319 Alexander III., Papst 112, 219 Anm. 161 Alexander IV., Papst 23 Anm. 65, 205–207 Alexander V., Papst 212 Anm. 132, 213 Alexia de Senis 281, 291 Alfons von Jaén 125 Ambrosius 44 Ambrosius Massarius von Cori 89 Andreae, Johannes 173 Andreas von Zweibrücken 111, 115 Anna von Sissach 82f., 231 Anm. 18, 256, 262, 266, 317 Antoninus von Florenz 214, 280, 287 Antonius der Eremit 172 Aristoteles 39 Anm. 134 Athanasius 75 Anm. 305 Augustinus 13, 39, 44, 63, 203 Balduin von Luxemburg, Ebf. von Trier 224 Anm. 186

376 | Register

Balduin, Bruder Mechthilds von Magdeburg 284 Barbara von Benfelden 96–98, 168f. Anm. 360, 226 Anm. 194 Barnabas Cagnoli von Vercelli 73, 74 Anm. 298, 81 Anm. 336, 289f. Anm. 68 u. 74, 301 Anm. 119 Bartholomäus von Andlau 275 Bartholomäus von Bolsenheim 81 Anm. 336, 280 Bartholomäus Dominici von Siena 140 Basilius der Große 172 Bechererin, Magdalena 129, 145 Anm. 258 Bechlin, Elsbeth 233 Anm. 25, 246 Anm. 84 Beda Venerabilis 44, 178 Anm. 407 Benedicta (Dominikanerin) 290 Benedikt XI., Papst 210 Benedikt XII., Papst 211 Benedikt XIII., Papst 212f., 286 Bernard Gui 153 Anm. 297, 273 Bernhard Carrerius 81 Anm. 336 Bernhard von Clairvaux 39, 44, 60 Anm. 230, 110 Anm. 94, 112, 149 mit Anm. 275 Bernhardin von Fossa 89 Bernhardin von Montepulciano 223f. Bernhardin von Siena 214 Anm. 139 Berta von Burgdorf 265 Bertha (Dominikanerin) 290, 323 Berthold Dracho 81 Anm. 336 Beutlerin, Magdalena 160 Anm. 320 Birgitta von Schweden 113 Anm. 105, 116, 125, 127 Boccassini, Niccolò 53 Boethius 46 Anm. 165 Bonaventura 72 Anm. 288 Bonifaz VIII., Papst 208, 210 Bonifaz IX., Papst 113 Anm. 105, 115, 116 Anm. 116, 142, 213f., 259 Bostius, Arnold 89 Bumann, Rudolf 327 Busch, Johannes 72 Anm. 288, 89f., 167 Calixtus III., Papst 214, 226 Caffarini, Tommaso 220 Cassian(us), Johannes 126 Anm. 176, 188 Cecilia Romana 281, 289 Christian von Beauvais 207 Clara von Jagberg 265

Clara von Ostren (Ostein) 128, 133–136 Clara Anna von Hohenburg 128–131 Clemens IV., Papst 208 Clemens V., Papst 211, 222 Clemens VII., Papst 140, 212f. Coelestin IV., Papst 201f. Anm. 79 Coletta von Corbie 134 Conrad von Zenn 172 Diana von Andalo 194 Dietler, Seraphin 105f., 318 Dietrich von Apolda 192, 280 Dietrich von Wald 176f. Anm. 403 Dinckmut, Konrad 43 Anm. 153 Dominici, Johannes 116 Anm. 117, 140, 220, 225, 280, 287, 296f. Anm. 102 Dominikus von Guzmán 13, 19 Anm. 40, 22, 61 Anm. 235, 63, 66, 70–73, 113, 115, 139, 140 Anm. 232, 142 Anm. 245, 143– 146, 151f., 153 Anm. 297, 162, 170, 190– 195, 199f., 203, 204 Anm. 90, 205, 207, 209f., 213–215, 217–220, 222, 242f., 252, 264, 272, 274, 277, 282, 286–288, 291f. mit Anm. 80, 294f., 302f., 309 Dorothea von Ostren (Ostein) 128, 134 Eckhart von Hochheim (Meister Eckhart) 137 Anm. 222, 239, 277 Eleonore von Portugal 226 Elias Petit 140, 280, 287 Elias Raymond 139f., 301 Anm. 119 Elisabeth von Büttikon 267 Elisabeth von Schönau 112 Elisabeth von Thüringen 205, 283 Elisabeth von Ungarn 233 Anm. 25, 245, 246 Anm. 84, 281, 290 Elsbeth von Cellikon 233f., 246f. mit Anm. 86 Elsbeth von Oye 230, 253, 256, 260, 281, 290, 317 Elsbeth von Stoffeln 248, 251 Elsbeth von Villingen 248, 251f., 260 Emicho (Dominikaner) 285 Eugen IV., Papst 214 Fabri, Heinrich 68 Anm. 265, 84f. Anm. 351, 97 Anm. 40, 304 Ferrer, Vinzenz 22 Anm. 58, 101f. Anm. 59, 140, 214f., 225, 243 Anm.74, 280, 286f.

Personen | 377

Foltzin, Clara 128, 137 Francisca (Drittordensschwester) 281, 291 Franz von Retz 280, 287 Franziskus von Assisi 199 Anm. 66, 205 Friedrich I. Barbarossa, röm.-dt. Kg., Ks. 112, 201, 218f. Friedrich II., röm.-dt. Kg., Ks. 221 Friedrich III., röm.-dt. Kg., Ks. 176 Anm. 402, 201, 215 Anm. 142, 218, 226 Friedrich I. der Siegreiche, Pfgf. bei Rhein, Kfst. 215f. Friedrich von Blankenheim, Bf. von Utrecht 146 Anm. 260 Fulko von Marseille, Bf. von Toulouse 203, 204 Anm. 90 Gerhard von Frachet 9, 19 Anm. 44, 72 Anm. 290, 112f. Anm. 103, 179, 189– 193, 196 Gerson, Johannes 77f., 146 Anm. 260 Gertraut von Hilzingen 255 Gertrud von Altenberg 283 Gewichtmacherin, Barbara 51f. Anm. 189, 99 Anm. 48 Gewichtmacherin, Gertraud 104 Anm. 74, 176f. Anm. 403 Glasberger, Nikolaus 89 Goltsmidin, Elisabeth 128, 132f. Graviae, Theodoricus 294 Gregor der Große, Papst 44 Gregor IX., Papst 205 Gregor X., Papst 208 Gregor XI., Papst 140, 210 Gregor von Nazianz 75 Anm. 305 Grissin, Anna 128f., 137f. Grissin, Elisabeth 128f., 137 Hainburgin, Elsbeth 248, 251 Han, Ulrich 291f. Anm. 80 Hans von Muleren 266 Heglin, Heinrich 216f. Anm. 148 Heinrich VI., röm.-dt. Kg., Ks. 219 Heinrich Raspe, röm.-dt. Kg. 221 Heinrich VII., röm.-dt. Kg., Ks. 222–225 Heinrich de Cigno 81 Anm. 336 Heinrich von Halle 277, 283 Heinrich von Rübenach 81 Anm. 336 Henricus de Segusio (Hostiensis) 173

Hermann (Dominikaner) 277, 283 Hermann von Minden 81 Anm. 336 Herodes 178, 298 Hervé von Nédellec 73, 301 Anm. 119 Hieronymus 10, 44, 188, 196, 273 Hirschvogel, Kunigunde 98 Hoffmann, Konrad 176f. Anm. 403 Hohenloch, Johannes 164 Holtzhuserin, Katharina 129 Honorius III., Papst 71, 204f., 220 Huber, Agnes 185f. Anm. 9, 319 Hugo von Fouilloy 39f. Anm. 139 Hugo von Saint-Cher 193, 205f., 278 Hugo von St. Viktor 39f. Anm. 139 Humbert von Romans 8, 14, 18–20, 22–45, 47–51, 55, 57–60, 62, 65f., 70, 80, 126f., 179, 189, 190 Anm. 28, 191 Anm. 33, 193, 280, 296f. Anm. 102, 300, 302 Hus, Johannes (Jan) 225 Innozenz III., Papst 113, 201, 203–205, 220 Innozenz IV., Papst 205–207, 209 Innozenz V., Papst s. Petrus von Tarantaise Innozenz VII., Papst 25 Anm. 76, 81, 86f., 323 Irmengard von Oettingen, Pfgfn. bei Rhein 185 Isidor von Sevilla 273 Ita von Hohenfels 255 Anm. 125 Ita von Sulz 246 Anm. 84 Ita von Wezzikon 246 Anm. 84 Jakob von Bruck 215 Anm. 142 Jakob von Soest 223 Anm. 178, 277 Anm. 25, 280, 287, 296f. mit Anm. 102 Jakob von Stubach 312, 329 Jakob von Vitry 63, 123 Jan van Brederode 145f., 169 Joachim von Fiore 112f. Johann der Blinde, Kg. von Böhmen 224 Anm. 186 Johanna van Abcoude 145f. Johannes (Baptista) 129f. Johannes (Evangelista) 52, 117, 129f. Johannes XXI., Papst 201 Anm. 77 Johannes XXII., Papst 211, 224 Johannes XXIII., Papst 212–214 Johannes von Dambach 296f. Anm. 102

378 | Register

Johannes von Mainz 72 Anm. 288, 92, 102, 108, 143, 148–151, 153, 178, 230, 232, 263, 270 Anm. 175, 304 Johannes von Masmünster 116 Anm. 120 Johannes von Paltz 77 Anm. 318 Johannes von Ragusa 125 Anm. 172 Johannes de Turrecremata (Torquemada) 214, 276, 291f. Anm. 80 Johannes von Vercelli 193, 208, 209 Anm. 117 Johannes von Wildeshausen (Johannes Teutonicus) 71 Anm. 284, 193, 205, 279, 301 Anm. 119 Johannes von Witten 102, 143, 145, 148, 176f. Anm. 403 Jordan von Sachsen 13, 22, 70, 72 Anm. 290, 179, 191–196, 199 Anm. 66, 200, 208f., 218, 254, 277, 283, 289 Anm. 67, 302 Julius Africanus 177 Karl IV., röm.-dt. Kg., Ks. 224 Anm. 186, 225 Karl der Kühne, Hzg. von Burgund 168f. Anm. 360 Katharina von Bruck 129 Katharina von Burgund, Hzgn. von Österreich 108f. Anm. 88, 115, 117 Katharina von Eptingen 267 Katharina von Gueberschwihr 151f. Anm. 291, 176f. Anm. 403, 229 Anm. 6, 289f. mit Anm. 68 u. 74 Katharina von Siena 22 Anm. 58, 127, 140, 220, 243 Anm. 74, 258, 281, 286, 289, 291, 300 Anm. 118 Keiperin, Klara 98f. Kempf, Elisabeth 151f. Anm. 291, 176f. Anm. 403, 229 Klemens von Alexandrien 147 Anm. 266 Kloß, Georg Franz Burkhard 43 Anm. 152, 316 Konrad III., röm.-dt. Kg. 111f. Konrad von Asti 84f. Anm. 351, 101, 327 Konrad von Eberbach 198 Konrad von Lichtenberg, Bf. von Straßburg 209 Konrad von Preußen (de Grossis) 84f. mit Anm. 351, 102, 111, 115–117, 120, 129– 133, 140–148, 161 Anm. 325, 164, 166, 176f. Anm. 403, 213, 280, 282, 287

Kreutzer, Johannes 166, 216 Anm. 146, 271f., 275, 282, 284, 288, 312 Kunigunde von Sponheim 104 Anm. 74 Langmentlin, Katharina 128 Laurentius Anglicus 207 Leonhard de Mansuetis 101, 295 Leopold IV. von Habsburg, Hzg. von Österreich 108f. Anm. 88, 115, 116 Anm. 120, 176 Luczmannus 151 Anm. 286 Ludwig IV. der Bayer, röm.-dt. Kg., Ks. 73, 211, 224f. Lukardis von Ingen 128, 137 Luther, Martin 156, 172 Anm. 380 Manfred von Vercelli 140, 280, 287 Mardach, Eberhard 280, 287 Margareta von Clingental 128f. Margareta von Kentzingen 102, 106f. mit Anm. 84, 159–161, 318 Margareta von Luxemburg 222 Margareta von Ungarn 281, 287 Anm. 55, 289 Margareta Ursula von Masmünster 55, 67f., 128 Maria (Gottesmutter) 52, 69, 117. 122f., 131f., 134, 149–151, 153, 170, 178, 191– 195, 244, 300 Anm. 118 Maria von Bethanien 137 mit Anm. 222, 147 Martha von Bethanien 137 mit Anm. 222, 147 Martial Auribelli 70, 101, 168, 215, 271f. Anm. 4, 295 Martin V., Papst 213f., 225 Martin von Troppau 10, 186, 201, 279 Mechthild von Magdeburg 283f. Mechthild von Seedorf 263 Mechthild von Stans 235, 246f. Meringerin, Elisabeth 108f. Anm. 88, 128, 131f. Merswin, Rulman 160 Mestin, Gutta 248 Monica von Tagaste 244 Anm. 77 Mör, Petrus 216f., 275, 284 Mulberg, Johannes 90 Anm. 5, 176f. Anm. 403, 280, 287 Muntigin, Ursula 169 Muntprat, Elisabeth d.Ä. 101, 103 Anm. 68

Personen | 379

Muntprat, Elisabeth d.J. 101 Muntprat, Veronika 101 Nider, Johannes 23 Anm. 67, 102, 134, 143, 145, 147–149, 160 Anm. 320, 161f., 170, 178, 280, 286f., 296f. Anm. 102, 304 Nigri, Johannes 293 Anm. 92 Niklas von Wyle 45, 46 Anm. 165, 47 Anm. 172 Niklasin, Kunigunde 43 Nikolaus IV., Papst 209, 217 Nikolaus V., Papst 214 Anm. 139 Nikolaus von Prato 223 Anm. 176, 278 Nikolaus von Siegen 89 Notker von Wittenheim 108f. Anm. 88, 109f., 112 Otto IV., röm.-dt. Kg., Ks. 220 Ottokar II., Kg. von Böhmen 222 Paul II., Papst 201, 214, 216 Paulus (Apostel) 58, 114, 124, 129, 173, 200, 210, 249, 253–255 Peter von Gengenbach 163f. Petrarca, Francesco 274 Petrus (Apostel) 202, 273 Petrus von Tarantaise (Innozenz V.) 208, 278 Petrus von Verona 22, 70, 144, 205, 222, 243 Anm. 74, 278, 286 Pez, Bernhard 106 Pfeiffer, Franz 185f. Anm. 9, 199 Anm. 65, 231, 316 Philipp der Kanzler 63, 207 Piccolomini, Aeneas Silvius (Pius II.) 214f., 226 Pignon, Laurentius 274 Anm. 18 Pius II., Papst s. Piccolomini, Aeneas Silvius Proles, Andreas 77 Anm. 318 Ptolomäus von Lucca 296f. Anm. 102 Raimund von Capua 1, 23, 73, 80, 115 Anm. 113, 116, 139–142, 213f., 220, 258f., 280, 282, 286–288, 291, 300, 301 Anm. 119, 303 Raimund von Peñafort 22, 70, 193, 209, 280

Rainald von Dassel, Ebf. von Köln 112 Ranckenthall, Dominicus 103–107, 119 Anm. 133, 174, 318, 343 Raphael von Cardona 140 Regensteinin, Margareta 164f. Reginald von Orléans 194 Reynherus (Dominikaner) 277, 283 Richard von St. Viktor 112 Ringelhammer, Innozenz 292, 298 Ringmann, Matthias 45 Rudolf von Habsburg, röm.-dt. Kg. 221f., 290 Rudolf von Fessenheim 176f. Anm. 403 Rudolf von Rapperswil, Gf. 254 Anm. 121 Ruprecht, röm.-dt. Kg. 185, 225 Salvo Cassetta 70 Anm. 280, 95 Anm. 26, 312 Schanffingin, Margareta 128, 137, 138 Anm. 228 Schellerin, Margareta 129, 137 Scherl, Johannes 101–103 Schifaldo, Tommaso 306 Anm. 3 Schlatter, Konrad 265 Schöfferlin, Bernhard 45 Schretz, Heinrich 84f. Anm. 351, 167f. Schultheissin, Jützi 246f. mit Anm. 86 Seuse, Heinrich 6, 39, 81 Anm. 336, 232 Anm. 22, 233–245, 278, 285f., 296f. Anm. 102, 340 Sigmund, röm.-dt. Kg., Ks. 140, 213, 225 Simon IV. von Montfort, Gf. von Toulouse 220, 281, 289 Sixtus IV., Papst 201, 216 Anm. 145, 226 Anm. 194 Sophia von Klingnau 246 Anm. 84 Sophia von Velde 128, 136f. Spicherlin, Ottilia 267f. Stagel, Elsbeth 6, 231 Anm. 17, 232–245, 247, 281, 290, 326f. Steinhöwel, Heinrich 47 Anm. 172 Stephan von Besançon 73, 210, 278, 285 Stephan von Salagnac 273 Streler, Johannes 321 Stülinger, Margarethe 230, 231 Anm. 16 u. 18, 253, 255–262, 267, 269 Sunder, Friedrich 151

380 | Register

Tauler, Johannes 277 Texerius, Bartholomäus 162 Anm. 329, 163, 214, 266, 280, 287, 296f. Anm. 102, 301 Anm. 119, 304 Thanner, Matthias 106f. mit Anm. 84, 318 Theobald von Canterbury 112 Thomas von Aquin 19 Anm. 40, 22, 70, 125, 137 Anm. 222, 144, 148 Anm. 272, 174, 208, 211, 214f. Anm. 140, 243 Anm. 74, 280, 286 Thomas von Cantimpré 19 Anm. 44, 63, 72 Anm. 290, 123f., 179, 206–208, 280, 307 Thomas de Firmo 73 Thomas von Kempen 39, 126 Anm. 174 Thomas von Preußen (de Grossis) 102, 143, 147–149, 176f. Anm. 403, 280, 287 Trithemius, Johannes 89 Udelhard von Pfirt, Gf. 110 Ulrich Engelbrecht von Straßburg 174, 280 Urban IV., Papst 208 Urban VI., Papst 140, 212f.

Varnbühler, Angela 103 Anm. 67 Velwaldin, Christina 265, 267 Venturin von Bergamo 211f., 229 Anm. 6, 278, 285 Viktor IV. (Oktavian), Papst 112 Vinzenz von Beauvais 223, 280, 307 Vögtin, Adelheid 129 Walther von Straßburg (Gualtherus Theutonicus) 229f. Anm. 8, 277, 283, 290 Wellen, Petrus 2 Anm. 6, 25, 65, 80 Anm. 331, 81 Anm. 336, 84f. Anm. 351, 327 Wenzel, röm.-dt. Kg. 225 Wilhelm von Holland, röm.-dt. Kg. 221 Wilhelm von Murbach 116 Anm. 116 Wilhelm von Saint-Amour 206, 208 Wilhelm von Saint-Thierry 39 Willem van Abcoude 146 Anm. 260 Willin, Margret 246 Anm. 84 Wolfhart, Johannes 167f. Zorn, Nikolaus 209