Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung nach Eucken 9783110666229, 9783110665611

Die vorliegende Abhandlung bereitet erstmals systematisch das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung nach d

229 45 1MB

German Pages 368 Year 2019

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
§ 1. Freiheit und Ordnung
§ 2. Private wirtschaftliche Macht
§ 3. Die Interdependenz der Ordnungen
§ 4. Wirtschaftsverfassungsrecht
Literaturverzeichnis
Personenverzeichnis
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Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung nach Eucken
 9783110666229, 9783110665611

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Jens Petersen Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung nach Eucken

Jens Petersen

Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung nach Eucken

Prof. Dr. jur. Jens Petersen, Universität Potsdam

ISBN 978-3-11-066561-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-066622-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-066569-7 Library of Congress Control Number: 2019941580 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhaltsverzeichnis Einleitung

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§ 1 Freiheit und Ordnung 17 I. Freiheit durch Ordnungsrahmen 18 1. Wettbewerbsordnung als ökonomischer Ort der Freiheit 18 a) Wirtschaftspolitik und Rechtspolitik 19 aa) Das Datum der rechtlich-sozialen Organisation 20 (1) Rechtsregeln und Spielregeln 20 (2) Währungsstabilität, Geldwertstabilität und Wettbewerbsordnung 21 (3) Rechtlich-soziale Organisation und Interdependenz der Ordnungen 22 bb) Gesetze als wirtschaftspolitische Akte 22 (1) Gesellschaftsrecht und Investitionslenkung 23 (2) Interdependenz von Wirtschaftspolitik und Rechtspolitik 24 b) Gleichgewicht der Wirtschaftsordnung 25 aa) Wettbewerbsordnung als Stabilitätsgarant des Rechtsstaats 26 bb) Ideengeschichtliche Herleitung der Wettbewerbsordnung 27 2. Wechselbezüglichkeit und Verflochtenheit der Ordnungen 28 3. Alltäglichkeit des Wirtschaftsprozesses 29 a) Vorwissenschaftliche Erfahrung und denkende Gestaltung 30 aa) Ordnungsaufgabe 31 (1) Gewinnung des empirischen Materials 32 (2) Methodengerechte Einordnung 32 bb) Prinzipienbildung und Rechtsordnung 33 (1) Rechtsdenken und Wirtschaftsdenken 34 (2) Nachdenkende Gestaltung der Rechts- und Wirtschaftsordnung 35 cc) Universelle Wirtschaftspolitik 36 (1) Ausschöpfen wirtschaftspolitischer Erfahrung 37 (2) Lösungswege bedeutender Wirtschaftsdenker 38

VI

Inhaltsverzeichnis

b) Wissenschaftliches Ordnen der faktischen und normativen Erfahrungen 38 aa) Wissenschaftliche Erfahrung und unzureichende Alltagserfahrung 39 bb) Konglomerat von Tatsachen und Rechtsakten 40 4. Vielgestaltigkeit und Individualität der Wirtschaftsordnung 41 a) Elementarformen und elementare Herausforderungen 41 aa) Variabilität der Wirtschaftsformen und irrationale Faktoren 42 bb) Verteilungsgerechtigkeit unter dem Primat der Vernünftigkeit 44 b) Individualität der Wirtschaftsordnung 45 c) Individualität des Ordnungsgefüges 46 5. Morphologische Analyse 48 a) Morphologischer Apparat zur Erkenntnis des Ordnungsgefüges 49 aa) Morphologie im Verhältnis zur Rechts- und Wirtschaftsordnung 49 bb) ‚Archimedischer Punkt‘ 51 b) Wiedergabe elementarer Ordnungsformen 52 aa) Morphologie und juristische Methodenlehre 52 bb) Wirtschaftstheorie und Rechtstheorie 53 c) Morphologie und Rechtsordnung 55 d) Morphologie und Wirtschaftsverfassung 57 aa) Die ‚ordnende Ratio‘ 57 bb) Rechtsdenken und Rechtspraxis im Verhältnis zur Wirtschaft und Nationalökonomie 58 6. Wissenschaftsverständnis 60 a) Auffinden der Elementarformen 61 b) Rechtlicher und sozialer Rahmen 62 aa) Weites Verständnis zur Erfassung wirtschaftlicher Wirklichkeit 62 bb) Ineinandergreifen von Rechtsund Wirtschaftsordnung 63 (1) Polyhistorische Berücksichtigung der beiden Ordnungen 64 (2) Wissenschaft und Wirtschaftsverfassung 65 c) ‚Begriffsnationalökonomen‘ und Begriffsjurisprudenz 66

Inhaltsverzeichnis

7. Wirtschaftsordnung und Ordnung der Wirtschaft 68 a) Doppeldeutigkeit der Wirtschaftsordnung und Ordo 68 b) Überwindung der Diktatur 70 II. Rechtsstaat als Bedingung der Freiheit 71 1. Gedanke des Rechtsstaats 71 2. Wirtschaftsrecht und Rechtsstaat 72 a) Form und Wirtschaftsordnung 73 aa) Bezug zur Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung 73 bb) Unzureichende Abstimmung zwischen Rechts- und Wirtschaftsordnung 74 cc) Keine Gleichsetzung der Wirtschaftsordnungen mit den Rechtsordnungen 75 b) ‚Gottgewollte Ordnung‘ 76 aa) Deismus in der Wirtschaftspolitik? 76 (1) ‚Freie natürliche gottgewollte Ordnung‘ und Humanität 77 (2) Verschränkung der Ordnung mit der Humanität 77 bb) Katholisches Subsidiaritätsprinzip und Wettbewerbsordnung 79 c) Kein Schluss von der Rechtsordnung auf die Wirtschaftsordnung 80 d) Ordnungsformen und Spielregeln 81 e) Wechselseitige Abhängigkeit von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung 82 f) Historische Erfahrung und Interdependenz 84 g) ‚Idee des Rechtsstaats‘ und Interdependenz 84 3. Gefährdung des Rechtsstaats durch wirtschaftliche Macht 85 a) Unrechtmäßige Einschränkung der Freiheitssphären 86 b) Gestaltung der Marktformen als Immunisierung gegen Willkürherrschaften 87 4. Rechtsstaatsverlust in der Zentralwirtschaft 87 a) ‚Geist der Freiheit‘ und Industrialisierung 88 b) Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung unter der Politik des Laissez-faire 90 c) Kollision der Ordnungen 90 d) Rechtsstaatlichkeit und Ordnungsproblem 91 e) Prinzipienlosigkeit widerspruchsvoller Ordnungspolitik 93

VII

VIII

Inhaltsverzeichnis

Rechtsstaatsidee und Wettbewerbsordnung 94 a) Gewaltenteilung und Gleichgewicht der Gewalten 95 aa) ‚Gleichgewicht der Gewalten‘ als rudimentäre Form der Interdependenz? 96 bb) Wirtschaftsverfassungsrechtliche Vorgaben an die drei Gewalten 98 (1) Gesetzgebung 98 (2) Rechtsprechung 99 (3) Exekutive 102 aaa) Normierung einer ‚wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung‘ 102 bbb) Rechtsschutzlücken in der Zentralverwaltungswirtschaft 103 (4) Zwischenergebnis 105 cc) Analogieschluss zur Gewaltenteilung im Hinblick auf die Wettbewerbsordnung 105 b) Parallelismus von Rechtspolitik und Ordnungspolitik 106 6. Gleichgewicht zwischen Freiheit und Ordnung 107

5.

§ 2 Private wirtschaftliche Macht 109 I. Wirtschaftliche Macht 109 1. Wirtschaftliche Macht und Interessenten-Ideologien 110 a) Einwirkung auf die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften 111 b) Wissenschaftliche Erkenntnis wirtschaftlicher Wirklichkeit 112 c) Partikularinteressen und Allgemeinwohl 114 aa) Macht, Wissenschaft und InteressentenIdeologien 114 bb) Juristischer Scharfsinn im Dienste von Machtansprüchen 115 cc) Distanzlosigkeit der Juristen und Ökonomen gegenüber Interessenten-Ideologien 116 d) Interessenten-Ideologien im Wirtschaftsrecht 117 e) Interessenten-Jurisprudenz und Interessenten-Ideologien 119 2. Bedrohung der Freiheit 121 a) Freiheitsparadoxon und Vertragsfreiheit 121 aa) Abhängigkeit der Freiheit von der Wirtschaftsordnung und den Rechtsprinzipien 122

Inhaltsverzeichnis

bb) Vertragsfreiheit und Wettbewerbsordnung 123 (1) Immunisierung der Vertragsfreiheit gegen wirtschaftliche Macht 123 (2) Interdependenz der Staats- und Wirtschaftsordnung 124 cc) Widerspruchsfreiheit der Rechts- und Wirtschaftsordnung 125 (1) Missachtung der Interdependenz der Ordnungen 126 (2) Ambivalenz der Wirtschafts- und Rechtspolitik 126 b) Surrogation von Privilegien durch private Machtpositionen 128 3. Konvergenz mit Kants Rechtsbegriff 129 a) Hinnehmbarkeit unter der Bedingung vollständiger Konkurrenz 131 aa) Partielle Entmachtung durch vollständige Konkurrenz 131 bb) Ausrichtung des Wirtschaftsrechts auf die Verwirklichung vollständiger Konkurrenz 132 b) Faktizität und Normativität 134 II. Kartellrecht 135 1. Die Linie des Reichsgerichts 136 a) Sächsisches Holzstoffkartell 136 b) Franz Böhms Fundamentalkritik 137 c) Kampfprivileg und Boykottaufruf 138 2. Einbindung in die Rechts- und Wirtschaftsordnung 139 a) Wechselseitiges Bedingungsverhältnis 139 b) Wirtschaftsrecht als Kristallisationspunkt 140 aa) Kein Schluss von der Rechtsordnung auf die Wirtschaftsordnung 141 bb) Umwandelbarkeit unstabiler Ordnungen 142 c) Transformation und Interdependenz 143 3. Vertragsfreiheit und Kartellproblem 144 a) Keine Vertragsfreiheit zur Beseitigung von Konkurrenz 145 b) Ungenügen einer ‚gewissen Rechtsordnung‘ 146 c) Keine Vertragsfreiheit zur Schaffung von ‚Machtgebilden‘ 147 4. Ideal der Gesamtordnung nach ethischen Prinzipien 148

IX

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Inhaltsverzeichnis

III. Monopoltheorie 150 1. Das wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundprinzip 150 a) Mathematisch-formales Begriffsverständnis versus wirtschaftliche Wirklichkeit 151 aa) Grund und Grenze des mathematisch-formalen Verständnisses 152 bb) Wirtschaftliche Wirklichkeit und Wirtschaftsverfassung 153 b) Verschiebung der Rechtsordnung durch Änderung der Wirtschaftsordnung 154 aa) Monopolbildung und Interdependenz der Ordnungen 155 bb) Monopolbedingte Verschiebungen zwischen Wirtschafts- und Rechtsordnung 156 c) Konstanz der Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsverfassungsrecht 157 2. Gleichgewichtsstörungen 159 a) Patentrecht als Rechtsinstitution und Hort systemfremder Wirtschaftsformen 159 aa) Patentrecht als monopolfördernde ‚Rechtsinstitution‘ 160 (1) Zuweisungsgehalt als Brücke zwischen Rechtsund Wirtschaftspolitik 160 (2) Ausschließlichkeitsrecht und Patentgesetzgebung 162 (3) Wirtschaftliche Macht und Monopolisierung durch Immaterialgüterrechte 163 bb) Rechtliche und soziale Ordnung als stabilisierender Faktor 164 b) Wirtschaftsverfassungsrechtliche Reichweite 164 c) Entwicklung der Wirtschaftsordnung und Gestaltung der Rechtsordnung 166 3. Vollständige Konkurrenz als Ziel der Monopolgesetzgebung 167 a) Vollständige Konkurrenz durch Leistungswettbewerb 168 b) Interdependenz wirtschaftspolitischer Akte 169 aa) Koordination der Wirtschafts- und Rechtspolitik 171 (1) Überspitzungen im gewerblichen Rechtsschutz und Steuerrecht 172 (2) Internationale Wettbewerbsordnung und Gesellschaftsrecht 173

Inhaltsverzeichnis

bb) Überschießende Wirkung wirtschaftspolitischer Akte 174 c) Entstehungsbedingungen wirtschaftspolitischer Akte 176 aa) Vertragsfreiheit als Scheinargument zur Perpetuierung von Missständen 177 bb) Haftung und Gewerbefreiheit als Institutionen der Wirtschaftsverfassung 178 d) Monopolkontrolle gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht? 179 aa) Prävention durch vorausschauende Rechts- und Wirtschaftspolitik 180 bb) Unsichtbare Hand der Güterströme und ‚sichtbare Hand des Rechts‘ 181 e) Rechtfertigung von Kartellvereinbarungen durch die Kartellverordnung 183 f) Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung im Gesellschaftsund Steuerrecht 184 4. Monopolaufsicht als rechtsstaatskonformer Ausweg 185 a) Arbeitsrecht und Monopolbildung 186 b) Monopolamt zur Wahrung der Wettbewerbsordnung und des Rechtsstaats 187 c) Verhaltenssteuerung durch Wettbewerbsanalogie und Haftung 188 5. Begrenzte Leistungsfähigkeit punktueller Gesetzgebung 189 a) Sozialpolitik und Sozialgesetzgebung 189 b) ‚Denkende Durchdringung‘ der Wirtschafts- und Rechtsordnung 190 aa) Interdependenz der Ordnungen versus Spezialistentum 191 bb) Gesamtzusammenhang statt wirtschaftspolitischer Einzelentscheidung 191 c) Wirkungslosigkeit und Schaden planloser Antimonopolgesetzgebung 193 aa) Komplementarität von Rechts- und Wirtschaftspolitik 193 bb) Gefahren widersprüchlicher Rechts- und Wirtschaftspolitik 194 6. Staatspolitische Grundsätze der Wirtschaftspolitik 195 a) Gestaltung der Ordnungsformen statt Lenkung der Wirtschaft 195

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Inhaltsverzeichnis

b) Zerschlagung mächtiger Konzerne? 196 7. Unabhängig waltendes Monopolamt als Kontrollinstanz IV. Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft 199 1. Allgemeine Geschäftsbedingungen 199 2. Interessentenideologische Vereinnahmung 201 3. Folgerung für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung 203

197

§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen 205 I. Ordnung als Möglichkeit zur Freiheit 205 1. Wissenschaftstheoretischer Stellenwert 205 a) Begriffliche Ausprägungen und Reichweite 206 b) Verkennung der Interdependenz seitens der Historischen Schule 207 2. Interdependenz innerhalb der Verkehrswirtschaft 209 a) Interdependenz und soziale Frage 209 b) Interdependenz aller Märkte 211 c) Ideologiefreiheit der Interdependenz 212 d) ‚Straffe‘ Interdependenz der Ordnungen beim Rechtsstaat 214 aa) Auswirkungen auf die Wettbewerbs- und Wirtschaftsordnung 215 bb) Wechselseitige Abstoßung als negative Seite der Interdependenz 215 3. Wettbewerbsordnung und Interdependenz der Ordnungen 216 a) Privateigentum im Zusammenhang der Ordnungen 217 b) Privateigentum als Bedingung der Wettbewerbsordnung 218 aa) Methodische Vorüberlegungen 218 bb) Interdependenz im Einklang mit den Prinzipien der Privatrechtsordnung 219 c) Privateigentum, Vertragsfreiheit und Wettbewerbsordnung als Ordnungsgrundsätze 220 II. Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung 222 1. Spontane und gesetzte Wirtschafts- und Rechtsordnungen 222 a) Interdependenz, spontane Ordnung und Verwirklichung des Rechtsprinzips 223 b) Anknüpfungspunkte in Richtung moderner Technologien 224 c) Tauglichkeit im Internetzeitalter 226 2. Rechtsdenken und Wirtschaftsdenken 228

Inhaltsverzeichnis

XIII

3. Interdependenz in der internationalen Ordnung 230 a) Arbeitsteiliger Prozess der Weltwirtschaft 231 b) Internationaler Handel 232 aa) Internationaler Handel und Lenkungssysteme 233 bb) Machtgebilde und Theorie des internationalen Handels 234 (1) Rahmen der bestehenden Rechtsordnung 234 (2) Internationale Verträge zur Einhaltung währungspolitischer Spielregeln 235 c) Internationales wirtschaftspolitisches Gesetzbuch? 236 aa) Zukunftsfähigkeit seiner weltwirtschaftlichen Konzeption 237 bb) Ideologieanfälligkeit internationaler Wirtschaftsordnungen 238 d) Schaffung einer funktionsfähigen Weltwirtschaft als Aufgabe 239 4. Interdependenz aller wirtschaftlichen Erscheinungen 240 a) Interdependenz der wirtschaftspolitischen Eingriffe und Lösungsformen 240 b) Fachgesteuerte Aktienrechtspolitik als Paradigma 241 c) Verkennung der ‚Grundtatsache der Interdependenz‘ 243 5. Interdependenz der Wirtschaftsordnung mit den übrigen Lebensordnungen 244 a) Interdependenz am Beispiel der Kirchen 245 b) Wertungen und Rechtsprinzipien 245 c) Interdependenz und Gerechtigkeit 246 aa) Ordnungsproblem und soziale Gerechtigkeit 247 bb) Störungen des Ordnungszusammenhangs 248 d) Staatsordnung und Wirtschaftsordnung 249 III. Interdependenz, Gleichgewichtsproblem und Gerechtigkeit 250 1. Gleichgewichtslosigkeit des Wirtschaftsprozesses in der Zentralverwaltungswirtschaft 250 2. Gleichgewicht und Interdependenz 252 a) Distributive und kommutative Gerechtigkeit 252 aa) Wirtschaftspolitik und Verteilungspolitik 252 bb) Primat der Geldwertstabilität für die Wettbewerbsordnung 253 b) Geldsystem und Währungspolitik 254 aa) Bedeutung der Geldwertstabilität für die Wettbewerbsordnung 254

XIV

Inhaltsverzeichnis

bb) Wirtschaftsordnung, Geldordnung und Rechtsordnung 255 cc) Interdependenz und Inflationsvermeidung 256 3. Herstellung einer ‚gerechten Ordnung‘ 256 4. Neue Ordnungen entsprechend dem Stand der Technik? 257 § 4 Wirtschaftsverfassungsrecht 260 I. Konstituierende und regulierende Prinzipien 260 1. Komplementarität und Interdependenz 261 a) Verfall und Wiederbelebung des Ordnungsdenkens 262 b) Interdisziplinarität von Rechts- und Wirtschaftswissenschaft 262 2. Regulierende Prinzipien 263 a) Einkommenspolitik und soziale Gerechtigkeit 264 aa) Glanz und Grenzen des Preismechanismus 264 bb) Soziale, nicht freie Marktwirtschaft 265 b) Wirtschaftsrechnung und Freiheit 266 c) Relevanz der sozialen Frage 267 3. Konstituierende Prinzipien 268 a) Interdependenz und wirtschaftsverfassungsrechtlicher Gehalt 268 b) Interdependenz rechtsdogmatischer und wirtschaftsverfassungsrechtlicher Grundsätze 269 4. Prinzipienkonvergenz in der Rechts- und Wirtschaftsordnung 271 a) Prinzipien einer menschenwürdigen Ordnung 271 aa) Deduktion der Prinzipien aus der Wettbewerbsordnung 272 (1) Funktionsfähige und menschenwürdige Gesamtordnung 273 (2) Anspruch und Anspruchsinhalt 273 bb) Kantisches Denken und soziale Gesinnung 274 (1) Durch das Recht geprägte bürgerliche Gesellschaft 274 (2) Wettbewerbsordnung in sozialer Gesinnung 275 b) Austeilende und soziale Gerechtigkeit 276 aa) Prinzipienkonvergenz und soziale Gerechtigkeit 276 bb) Verweis auf Bismarcks Sozialgesetzgebung 277 cc) Soziale Gerechtigkeit durch Verwirklichung der Wettbewerbsordnung 277

Inhaltsverzeichnis

dd) Interdependenz der Ordnungen und soziale Gerechtigkeit 278 II. Die Haftung in der Rechts- und Wirtschaftsordnung 279 1. Legitimation der Haftungsbegrenzung als wirtschaftsverfassungsrechtliche Frage 281 a) Haftungsverringerungen zu Lasten der Gläubiger im Unternehmensrecht 282 aa) Haftungsbegrenzung bei der GmbH 282 bb) Bedenkliche Ausweitungen 284 b) Konzentration wirtschaftlicher Macht durch Konzernierung 285 aa) Ungleichgewicht von Herrschaft und Haftung 286 bb) Änderung der Spielregeln durch Haftungsbeschränkungen 287 2. Interdependenz der Rechts-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung 287 a) Bedeutung der Haftung für die Wettbewerbsordnung 288 b) Haftung als Steuerungsinstrument für die Wettbewerbsordnung 289 3. Haftungsprinzip 290 a) Gleichklang von Herrschaft und Haftung 291 b) Umgestaltung des Unternehmensrechts durch Ausbau der Haftung 293 c) Ungereimtheiten im Konzern- und Steuerrecht 294 4. Haftung und soziale Gerechtigkeit 295 III. Wirtschaftsverfassungsrechtlicher Rahmen 296 1. Preissystem und vollständige Konkurrenz 296 a) Wettbewerbsordnung zur Bändigung egoistischer Kräfte 296 b) Positive Wirtschaftspolitik zur Herstellung vollständiger Konkurrenz 297 2. Widerspruchsfreiheit der Rechtspolitik und des Wirtschaftsrechts 298 3. Transformation des Rechts und der Wirtschaftsordnung 299 4. Wirtschaftspolitik im Besitz der Freiheit 302 a) Fernwirkung tektonischer Verschiebungen 302 b) Gleichgewicht von Freiheit und Ordnung 303

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XVI

Inhaltsverzeichnis

IV. Wirtschaftsverfassungsrechtliches und moralisches Vermächtnis 305 1. Wirtschaftsverfassungsrechtliche und ordnungspolitische Gesamtentscheidung 305 a) Aufklärung im kantischen Sinne 305 b) Abhängigkeit des Wirtschaftsrechts von der Marktform 2. Gesamtordnung und Gesamtentscheidung 307 3. Ermöglichung eines Lebens nach moralischen Grundsätzen 4. Wirtschaftspolitik in Verantwortung und Humanität 311 Literaturverzeichnis 315 I. Monographien und Bücher von Walter Eucken II. Aufsätze von Walter Eucken 315 III. Sekundärliteratur 316 Personenverzeichnis

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315

306 309

Einleitung Jedem Juristen, vor allem jedem Wirtschaftsrechtler, sollte eine beiläufige Beobachtung zu denken geben, die Walter Eucken in seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e angestellt hat: „Werden der Wissenschaft in zwei Jahrtausenden nur unsere wichtigsten Rechtsnormen bekannt sein, so wird sie von unserer Wirtschaftsordnung kein wirkliches Bild gewinnen“ (GN 55). Man braucht sich nur die Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zu vergegenwärtigen, um zu sehen, wieviel Euckens Annahme für sich hat.1 Gleichwohl ist er vielen Juristen kaum mehr als dem Namen nach geläufig. Unter den deutschsprachigen Wirtschaftswissenschaftlern scheint das Interesse an Walter Eucken bei allem Respekt, der ihm entgegen gebracht wird, zumindest nicht ungebrochen,2 wenngleich sich die Neue Institutionenökonomik mit zentralen Ideen der Freiburger Schule zum Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung wohl durchaus vereinbaren lässt und Raum für neue Annäherungsmöglichkeiten an das Werk Euckens ermöglicht.3 Euckens wirtschaftspolitische Grundsätze scheinen mitunter geradezu in den Rang eines Klassikers erhoben worden zu sein, auf den man sich gerne beruft.4 Doch droht sein Werk dadurch paradoxerweise gleichzeitig seine Wirkungsmacht einzubüßen, weil es – ebenso wie bei von Hayek5 – mitunter den Anschein hat, als würden seine Werke eher in öffentlichen Reden beschworen als im Zusammenhang gelesen.6 Gerade der werkimmanente Zusammenhang ist jedoch bei Eucken von größter Bedeutung, weil seine G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s  







1 Ernst-Joachim Mestmäcker, Offene Märkte im System unverfälschten Wettbewerbs in der EWG, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. 345, 346, stellt zur Vermeidung von Missverständnissen im Hinblick auf den vieldiskutierten ‚wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gehalt‘ des Grundgesetzes mit Recht klar: „Gegenstand des Grundgesetzes ist die rechtliche Verfassung des politischen Gemeinwesens; seine Normen können zwar die damit zu vereinbarende Ordnung der Wirtschaft mittelbar begrenzen. Eine politische ‚Verfassung der Wirtschaft‘ enthalten sie nicht“. 2 Wohlabgewogen Carl Christian von Weizsäcker, Ist Eucken noch aktuell? Anmerkungen zu „Walter Euckens Ordnungspolitik“, herausgegeben von Ingo Pies und Martin Leschke, ORDO 55 (2004) 345. 3 Viktor Vanberg, Privatrechtsgesellschaft und ökonomische Theorie, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 131, 132. 4 Ingo Pies/Martin Leschke, Walter Euckens Ordnungspolitik, 2002, S. VII („Klassiker ordnungspolitischen Denkens“). 5 Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014. 6 Ingo Pies, Eucken und von Hayek im Vergleich: Zur Aktualisierung der ordnungspolitischen Konzeption, 2001, S. 93, beschreibt „das eher kursorische Schrifttum in bezug auf die Arbeiten Euckens, die, wie es scheint, sogar vonseiten mancher ‚Ordnungsökonomen‘ zunehmend der Vergessenheit anheimgegeben werden“.  







https://doi.org/10.1515/9783110666229-001

2

Einleitung

p o l i t i k zwar so aufgebaut sind, dass sie scheinbar voraussetzungslos begreifbar sind, zum besseren Verständnis aber die Lektüre der genannten G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e voraussetzen.7 Daher macht er es auch den wohlmeinenden Lesern nicht immer leicht, seinen wirtschaftspolitischen Prinzipien trotz der Klarheit ihrer Herleitung zu folgen. Obwohl Eucken auf Schritt und Tritt Beispiele für die Wirkungsweise seiner Prinzipien gibt, sind diese erst durch einen eminenten intellektuellen Aufwand und Verständniseifer begreifbar, weil er anspruchsvoll schreibt und einer Ordnungsidee anhängt, die sich nur vor dem Hintergrund eines Systems begreifen lässt und daher idealerweise die möglichst vollständige Lektüre seines Gesamtwerks verlangt, wie folgende Stelle aus seinem letzten Londoner Vortrag beispielhaft verdeutlicht: „Die moderne Wirtschaft ist ein großes zusammenhängendes System. Alle wirtschaftspolitischen Akte beeinflussen deshalb den Gesamtprozeß. Sie sollten durchgängig aufeinander abgestimmt sein. Es sind Ordnungsprinzipien zu entwickeln, deren Befolgung die Einheit dieser Wirtschaftspolitik sichert“ (WW 76).8 Wenn man zudem bedenkt, dass zu den genannten wirtschaftspolitischen Akten namentlich Gesetze gehören, dann zeigt auch diese Stelle den Zusammenhang zwischen Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung.9 Bereits der diesen programmatischen und zukunftsweisenden Aussagen erkennbar zugrunde liegende Impetus veranschaulicht, wie unglücklich der ursprüngliche Titel U n s e r Z e i t a l t e r d e r M i ß e r f o l g e gewählt war, unter dem die Londoner Vorträge im Jahre 1951 zunächst erschienen. Inhaltlich ist mit diesen Sätzen der Sache nach der Gedanke der auf Eucken zurückgehenden Interdependenz der Ordnungen angesprochen, der bis in die moderne Systemtheorie wirkt.10 Allerdings veranschaulicht das Zitat auch die Komplexität seiner Gedanken, die ein beträchtliches Abstraktionsvermögen und eine gewisse philosophische Bildung voraussetzen. Nimmt man hinzu, dass Eucken auf mathematische Modelle  

7 Treffend Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II (Übersetzung Jürgen Schröder) 4. Auflage 2015, S. 96, wonach das erstgenannte Buch „gewissermaßen die praktische Seite des Textes mit dem Titel ‚Grundlagen der Nationalökonomie‘ ist, der zehn Jahre früher veröffentlicht wurde und die eigentlich theoretische Seite darstellt“. Ähnlich François Bilger, La pensée économique libérale dans l’Allemagne contemporaine, 1964, S. 62. 8 Siehe auch Karl Schiller, Neuere Entwicklungen in der Theorie der Wirtschaftspolitik, 1958; Otto Schlecht, Konzertierte Aktion als Instrument der Wirtschaftspolitik, 1968. 9 Siehe auch Hans Ritschl, Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik, Weltwirtschaftsrechtliches Archiv 65 (1950) 218. 10 Niklas Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 292: „Strukturelle Entsprechung von Rechts- und Wirtschaftssystem“; dazu Ernst-Joachim Mestmäcker, Soziale Marktwirtschaft – Eine Theorie für den Finanzmarkt nach der Krise?, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt? (Hg. Eberhard Kempf/Klaus Lüderssen/Klaus Volk) 2011, S. 13, 21.  











Einleitung

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praktisch vollständig verzichtet, so wird noch deutlicher, warum die moderne Volkswirtschaftslehre, insbesondere ihre internationalen Vertreter, wenig Gefallen an seiner Darstellungsweise finden.11 Nicht zuletzt diese beiden Gesichtspunkte machen Walter Eucken jedoch dem Juristen nahbar:12 Seine Unabhängigkeit von einer mathematischen Metasprache, sein Verzicht auf Formeln und seine präzise, Tatbestand und Rechtsfolge unterscheidende Diktion kommen dem Juristen in ihrer Verständlichkeit durchaus entgegen.13 Auch Euckens Systemdenken, das ihn gerade von den angloamerikanischen Ökonomen tendenziell distanziert,14 führt zu einer Affinität gegenüber den Juristen.15 Sein von innerer Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit geprägtes Den-

11 Viktor Vanberg, „Ordnungstheorie“ as Constitutional Economics – The German Conception of a „Social Market Economy“, ORDO 39 (1988) 17, unternimmt den umsichtigen Versuch einer Verständigung und eines Brückenschlags. 12 Thomas Fischer, Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staats- und rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1993, hat dazu aus volkswirtschaftlicher Sicht einen wichtigen Beitrag geleistet. 13 Johannes Laitenberger, Entwicklungslinien des Wettbewerbsrechts der Europäischen Union, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 109, 123, verteidigt die Freiburger Schule unter Verweis auf Robert Reich, Saving Capitalism: For the Many, Not the Few, 2015: „Die Idee, dass Wettbewerb sowohl der ökonomischen Effizienz und Konsumwohlfahrt dient, als auch darüber hinaus ein essentielles Ordnungsprinzip für das Funktionieren einer dem sozialen Ausgleich verpflichteten Marktwirtschaft und einer pluralistischen Demokratie darstellt, ist also keine verstaubte ‚Schwarzwälder‘ ordoliberale Marotte, sondern wieder aktuell – und mit ihr Ernst-Joachim Mestmäckers Warnungen vor einer Wettbewerbspolitik, die sich zwecks Vermeidung von ‚false negatives‘ oder ‚false positives‘ zu sehr auf mathematische Modelle verlässt und dabei den Nutzen Rechtssicherheit stiftender allgemeingültiger Regeln aus den Augen verliert“. Hervorhebungen nur hier. Zu Letzterem auch und gerade für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zueinander wohlabgewogen Ernst-Joachim Mestmäcker/Heike Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 3. Auflage 2014, § 3 Randnummer 60: „Die Konkretisierung des Norminhalts ist daher stets eine Aufgabe des Rechts. Die ökonomischen Erkenntnisse über Kausalzusammenhänge zwischen Marktgegebenheiten, unternehmerischem Verhalten und Wettbewerbswirkungen sind in Rechtsregeln zu übersetzen, die unter Einbeziehung der Irrtumskosten von false positives und false negatives unterschiedliche Grade der Verallgemeinerung oder Ausdifferenzierung annehmen können“. Hervorhebungen auch dort. 14 Ernst-Joachim Mestmäcker, Einführung in den von ihm herausgegebenen Nachdruck von Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf (1933), 2010, S. 6: „Soweit diese Kritiken (sc.: aus den USA) personifiziert werden, richten sie sich hauptsächlich gegen die ‚Freiburger Schule‘ und deren Mitbegründer Walter Eucken und Franz Böhm“. Siehe aber Edward Megay, Anti-Pluralist Liberalism: The German Neoliberals, Political Science Quarterly 85 (1970) 422; Siegfried G. Karsten, Walter Eucken: Social Economist, International Journal of Social Economics 19 (1992) 111. 15 Treffend Hans Albert, Zur Wissenschaftslehre und Methodologie Walter Euckens, in: Phänomenologie und die Ordnung der Wirtschaft. Edmund Husserl – Rudolf Eucken – Walter Eucken –  



















4

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ken erweist sich mutatis mutandis als dem juristischen durchaus ähnlich.16 Denn Euckens Ordnungsdenken ist nur als Systemdenken begreifbar, weil die einzelnen Ordnungen untrennbar miteinander zusammenhängen und jede einzelne nur verwirklicht werden kann, wenn auch die jeweils anderen angemessen zur Geltung kommen oder zumindest berücksichtigt werden (GWP 9). Daraus ergibt sich, dass gerade das von Eucken vorausgesetzte Verhältnis von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung für den Juristen von besonderem Interesse ist und gerade aus wirtschaftsrechtlicher Sicht eine überaus lohnenswerte Problematik darstellt, weil die Wirtschaftsordnung nun einmal einen Schlüsselbegriff des Wirtschaftsrechts darstellt.17 Es ist mehr als nur Zufall, dass ‚Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung‘ zugleich auch einen zentralen Abschnitt von Max Webers ‚Wirtschaft und Gesellschaft‘ darstellt,18 zumal da Eucken in seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e zum Thema Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung just auf Webers „wichtigen Diskussionsbeitrag auf dem Soziologentag von 1910“ (GN 251) verweist.19 Im bisherigen Schrifttum hat man aus gutem Grund die Umkehrung der Begriffe – Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung20 – favorisiert und namentlich Walter Euckens wichtigstem Weggefährten Franz Böhm zugeordnet.21 Daher müs 







Michel Foucault (Hg. Hans-Helmuth Gander/Nils Goldschmidt/Uwe Dathe) 2009, S. 83: „Die Betonung der Strukturabhängigkeit des Ablaufs führt ihn dazu, die Bedeutung institutioneller Vorkehrungen und damit vor allem der Rechtsordnung für den Verlauf wirtschaftlicher Prozesse und für die sich daraus ergebende Güterversorgung herauszustellen“. Hervorhebung nur hier. 16 Vgl. nur Claus-Wilhelm Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Auflage 1983. 17 Franz Böhm, Die Wirtschaftsordnung als Zentralbegriff des Wirtschaftsrechts, Mitteilungen des Jenaer Instituts für Wirtschaftsrechts Heft 31, 1936, S. 3. 18 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, 5. Auflage 1972, besorgt von Johannes Winckelmann, 2. Teil. Die Wirtschaft und gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte, Kapitel 1, § 1 ‚Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung‘, S. 181 ff. Zum Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung bei Weber näher Jens Petersen, Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2. Auflage 2014, § 1, S. 10–34. 19 Abgedruckt in den Schriften der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Bd. 1, 1911, S. 265 ff. Eucken zitiert Max Weber im Übrigen wiederholt in GW 340 f. sowie vor allem in GN 59, 243, 250, 258, 261 sowie – allerdings ablehnend – zur Idealtypenbildung GN 123 („das heißt aber nicht: Utopien, wie Max Weber sie verkennend nannte“) und GN 268 f. 20 Siehe aber den bahnbrechenden Band von Ernst-Joachim Mestmäcker, Die sichtbare Hand des Rechts. Über das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftssystem, 1978. 21 So wurde die ihm zu Ehren entstandene Festschrift zum 70. Geburtstag von Franz Böhm aus gutem Grund mit ‚Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung‘ (herausgegeben von Helmut Coing/Heinrich Kronstein/Ernst-Joachim Mestmäcker) überschrieben.  













































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sen auch die Arbeiten Franz Böhms,22 insbesondere sein für die juristische Flankierung des Ordoliberalismus bahnbrechendes Werk ‚Wettbewerb und Monopolkampf‘ einbezogen werden,23 worin er die Wechselbezüglichkeit zwischen Privatrechtsordnung und Wirtschaftsordnung sogar schon vor den Arbeiten Euckens erkannt hat.24 Auf dieses Werk verweist auch Eucken im Hinblick zur Darlegung des wirtschaftspolitischen Ordnungsproblems (NW 75).25 Gleiches gilt für den von Böhm geprägten Begriff der Privatrechtsgesellschaft,26 wenngleich Eucken diese Schöpfung nicht mehr miterlebt hat.27 Zudem hat Böhm zentrale Begriffe Euckens in das Juristische übersetzt, etwa den der  

22 Golo Mann, Erinnerungen und Gedanken. Eine Jugend in Deutschland, 1991, 8. Auflage 2002, S. 255, setzt ihm am Ende seines Berichts über Ricarda Huch mit knappen Worten ein würdiges Denkmal: „Und wie schwer hat sie es dann während jener zwölf Jahre gehabt; sie und ihr Schwiegersohn Franz Böhm, Jurist von Hause, der aufrechte Liberale.“ Eingehend Ernst-Joachim Mestmäcker, Franz Böhm, Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten ihrer Schüler (Hg. Stefan Grundmann/Karl Riesenhuber), Band 1, Eine Ideengeschichte in Einzeldarstellungen, 2007, S. 31; Knut Wolfgang Nörr, An der Wiege deutscher Identität nach 1945: Franz Böhm zwischen Ordo und Liberalismus, 1993, S. 20 ff.; Tamara Zieschang, Das Staatsbild Franz Böhms, 2003. 23 Heinrich Kronstein, Franz Böhm, in: Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. I: „In seinem grundlegenden (…) Buch ‚Wettbewerb und Monopolkampf‘, mit dessen erstem Teil er 1932 in Freiburg unter Heinrich Hoeniger promovierte und dessen zweiter Teil 1933 seine Habilitationsschrift war, zeigt Franz Böhm eines der Kernprobleme unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung auf“. Hervorhebung nur hier. 24 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, S. 124 (hier und im Folgenden zitiert nach dem von Ernst-Joachim Mestmäcker herausgegebenen und eingeleiteten Nachdruck von 2010); siehe dazu auch Ernst-Joachim Mestmäcker, Das Privatrecht vor den Herausforderungen der wirtschaftlichen Macht, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 60 (1996) 59, 67. 25 Knut Wolfgang Nörr, Franz Böhm, ein Wegbereiter des Privatrechtsdenkens, in: Wirtschaftsordnung als Aufgabe. Zum 100. Geburtstag von Franz Böhm, Ludwig-Erhard-Stiftung, 1995, S. 53, 65, konstatiert im Vergleich von Böhms Vor- und Nachkriegsschriften: „Die Allianz mit Walter Eucken, das ordoliberale Zusammenspiel zwischen Nationalökonomen und Juristen, hat diese Kontinuität eher gefestigt als durchbrochen“. 26 Franz Böhm, Privatrechtsgesellschaft und Marktwirtschaft, ORDO 17 (1966) 75, 88, wonach diese „nicht bloß ein Name für die Gesamtheit ihrer Mitglieder ist, sondern die Bezeichnung für eine ganz bestimmte und spezifische Art von Verbindung zwischen ihnen, der ganz bestimmte Einrichtungen – vor allem auch Rechtseinrichtungen – eigentümlich sind, Einrichtungen, denen die Fähigkeit innewohnt, das Planen und Handeln freier, autonomer Menschen aufeinander abzustimmen und insoweit mittelbar zu lenken und zu beeinflussen“. Siehe dazu auch Claus-Wilhelm Canaris, Verfassungs- und europarechtliche Aspekte der Vertragsfreiheit in der Privatrechtsgesellschaft, Festschrift für Peter Lerche, 1993, S. 873. Grundlegend nunmehr vor allem die erweiterte Fassung der ersten Franz-Böhm-Vorlesung des Walter Eucken Instituts von Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019.  



























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Wettbewerbsordnung, dessen Vorzüge er insbesondere darin sieht, dass „sie die einzige Ordnung ist, die das spontane Planen des Individuums voll zum Zuge kommen läßt, die den wirtschaftlichen Entschluß jedes einzelnen im Rahmen des Rechts und der Sittenordnung ganz frei von jeder übergeordneten Willensentscheidung anderer Menschen stellt. Niemand kann gezwungen werden, sich einem fremden Wirtschaftsplan unterzuordnen. Und wer es freiwillig tut, etwa auf Grund eines Vertrages, der hat das Recht, diesen Vertrag jederzeit aus wichtigem Grund zu kündigen. (…) Jeder tut ohne Befehl und Rechtszwang das wirtschaftlich Vernünftige (…). Und eben hierin besteht die Freiheit bei dieser Ordnung: niemand hat das Recht, zu befehlen.“28 Man muss den Grundgedanken eines wissenschaftlichen Weggefährten gründlich durchdacht und in zahllosen Gesprächen durchdrungen haben,29 um ihn mit so einfachen Worten treffend in die Kategorien einer anderen Fachrichtung – hier der Privatrechtsordnung – übertragen zu können.30 Wenn es hier vordringlich um das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zueinander geht, so soll damit nur bezeichnet werden, dass es der vorliegenden Studie um die spezifisch (privat-)rechtliche Bedeutung der wirtschaftspolitischen Ideen Walter Euckens zu tun ist. Dieses Vorgehen ist freilich nicht unproblematisch. Denn gerade die von Walter Eucken propagierte Interdependenz der Ordnungen besagt nicht zuletzt, dass eine Vielzahl von Ordnungen besteht, die zueinander ins Verhältnis gesetzt werden müssen. Doch das ist leichter gesagt als getan, weil die Wechselbezüglichkeit der unterschiedlichen Ordnungen bereits im Ansatz von den meisten nicht gesehen und als Herausforde 



27 Gegen die Annahme von Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung, 1992, S. 144, wonach „sich in der Privatrechtsgesellschaft der Gebrauchswert der Bürgerfreiheiten im Genuss privater Autonomie erschöpft“, überzeugend Ernst-Joachim Mestmäcker, Franz Böhm und die Lehre von der Privatrechtsgesellschaft, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 35, 42. Siehe auch Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685, 693, mit der Unterscheidung eines ‚frühen‘ und eines ‚späten‘ Böhms sowie umfassender Berücksichtigung Euckens. 28 Franz Böhm, Die Idee des Ordo im Denken Walter Euckens, ORDO 3 (1950) XV f. 29 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 13, übertreibt keineswegs, wenn er folgert: „Mit Franz Böhm die Rechtswissenschaft neben die von zwei großen Gelehrten vertretenen Wirtschaftswissenschaften. Der Gegensatz der Fächer kennzeichnet keine gegensätzlichen Fragestellungen, wie Franz Böhm (…) klargestellt hat. Er selbst ist es gewesen, der diesen scheinbaren Widerspruch überwunden hat“. 30 Siehe auch Ernst-Joachim Mestmäcker, Bausteine zu einer Wirtschaftsverfassung – Franz Böhm in Jena, Schriftenreihe des Max Planck-Instituts zur Erforschung von Wirtschaftssystemen, 1996.  









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rung begriffen: „Die Interdependenz der Ordnungen wird nur von wenigen erkannt“ (GWP 16). Die Interdependenz, also die wechselseitige Abhängigkeit der einzelnen Elemente innerhalb des Systems, macht gerade die Eigenart des Systemdenkens Euckens aus und führt daher zu der Frage, ob man Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung überhaupt von den anderen in Betracht kommenden Ordnungen separieren kann, ohne dass das Gesamtsystem gestört oder die Wirkungsweise der unterschiedlichen Prinzipien unzureichend abgebildet wird. Dass Eucken selbst die Verbindung von Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsrecht alles andere als fremd war, zeigt sich in biographischer Hinsicht daran, dass er im Sommersemester 1948 zusammen mit Ernst von Caemmerer ein wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar abhielt.31 Wenn man die wirtschaftspolitischen Prinzipien Euckens näher betrachtet, dann fällt auf, dass beinahe die Hälfte von ihnen eine rechtliche Konnotation aufweist, um nicht zu sagen: spezifisch juristischen Ursprungs sind. Es geht Eucken zwar zunächst und vor allem um das Prinzip vollkommener Konkurrenz. Doch ist bereits dieses geradezu untrennbar wettbewerbsrechtlich eingefärbt, weil es dabei um die Eindämmung wirtschaftlicher Macht, also insbesondere das Kartellrecht im weiteren Sinne geht.32 Weniger wirtschaftsrechtliche Relevanz scheint die Sicherung des Geldwertes und die Gewährleistung offener Märkte zu haben. Doch täuscht dieser Eindruck, weil die Mittel zur Verfolgung dieser Zwecke notwendigerweise juristisch geprägt sind und sich zeigen wird, dass gerade die Geldwertstabilität wirtschaftsrechtlich von immenser Bedeutung ist, ja geradezu ein konstituierendes Prinzip darstellt (WV 90).33 Darüber hinaus ist die von Eucken postulierte Konstanz der Wirtschaftspolitik, wenngleich vordringlich ökonomisches Desiderat, zugleich auch von juristischem Interesse. Von elementar juristischer Bedeutung sind jedoch die Prinzipien der Gewährleistung des Privateigentums, der Vertragsfreiheit und vor allem auch der Korrespondenz von Herrschaft und Haftung, also dem von Eucken besonders betonten Haftungsprinzip (GWP 281). Vor diesem Hintergrund ist es verwunderlich, dass im bisherigen rechtstheoretischen und insbesondere im wirtschafts 



31 Wendula Gräfin von Klinckowstroem, Walter Eucken: Eine biographische Skizze, in: Walter Eucken und sein Werk. Rückblick auf den Vordenker der sozialen Marktwirtschaft (Hg. Lüder Gerken) 2000, S. 53, 79. 32 Dazu auch Roy F. Bär, Grundlagen der wettbewerbsrechtlichen Unternehmensverantwortlichkeit im europäischen Bußgeldverfahren, 2019. 33 Ernst-Joachim Mestmäcker, Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts. Beiträge zu Recht, Wirtschaft und Gesellschaft in der EU, 2016, S. 283 f., 313 f., zeichnet dies unter Verweis auf Eucken anhand des europäischen Systems der Zentralbanken nach.  







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rechtlichen Schrifttum von Walter Euckens Prinzipien der Wirtschaftspolitik vergleichsweise selten und wenn dann eher kursorisch als monographisch Notiz genommen wurde.34 Man kann allerdings Walter Euckens Werk im Allgemeinen und seiner Ordnungslehre im Besonderen nicht gerecht werden, ohne seine eminente philosophische und ideengeschichtliche Bildung zu berücksichtigen, die für ihn nicht lediglich ornamentalen Charakter hat, sondern konstitutiv ist für sein Denken.35 Das gilt zunächst im Mikrokosmos seiner eigenen bildungsbürgerlichen Herkunft. Seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen sind schwerlich begreifbar, wenn man sich nicht zugleich mit denjenigen Denkern beschäftigt, die ihn von früh auf am meisten geprägt haben. Zunächst und vor allem zu nennen ist sein Vater Rudolf Eucken, der nicht nur Philosoph war, sondern im Jahre 1908 auch mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde.36 Seine philosophische Weltanschauung durchzieht das Werk des Sohns auch dort, wo dies nicht durch Nachweise augenscheinlich wird, obwohl Walter Eucken ab 1932 einen genuin eigenen Weg gegangen ist.37

34 Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II (Übersetzung Jürgen Schröder) 4. Auflage 2015, S. 235 f., betont nicht von ungefähr: „Folglich soll es überhaupt keinen wirtschaftlichen Interventionismus geben oder nur ein Minimum an wirtschaftlicher Intervention und ein Maximum an juridischer Intervention. Man muß, sagt Eucken in einer Formulierung, die glaube ich bezeichnend ist, ‚zu einem bewußten Wirtschaftsrecht übergehen.‘ Und ich glaube, daß man diese Formulierung Wort für Wort dem entgegensetzen muß, was die gewöhnliche marxistische Formulierung wäre“. Hervorhebung nur hier. – Bezogen auf seinen eigenen Standpunkt ist jedoch der Stellenwert, den er dem Recht einräumt trotz bzw. sogar wegen der Nennung des Staatsrechts in der folgenden Parenthese (zu) gering; vgl. ebenda, 402 f.: „Die Regierungskunst soll in einem Raum der Souveränität ausgeübt werden – das besagt das Staatsrecht selbst –, aber das Ärgernis, das Mißgeschick oder das Problem ist nun, daß der Raum der Souveränität sich als von Wirtschaftssubjekten bewohnt und bevölkert erweist.“ – Damit wird jedoch dem Umstand, dass diese Wirtschaftssubjekte zugleich Rechtssubjekte sind und dies die bürgerliche Gesellschaft, in der sie leben vor elementare juristische Herausforderungen stellt, nicht hinlänglich Rechnung getragen; grundlegend Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 41, zu der zuletzt zitierten Stelle sowie weiter vorne (S. 39), wo er das zugrundeliegende Problem besonders anschaulich herleitet: „Die rechtliche Qualifikation von wirtschaftlichen Handlungen trifft auf verschiedene Begrifflichkeiten in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Im Mittelpunkt steht der Gegensatz von Rechtssubjekt und homo oeconomicus. Dieser Gegensatz führt nicht zu Konflikten, wenn das wirtschaftlich handelnde Rechtssubjekt auch homo oeconomicus ist. Es ist diese Identität, die von Michel Foucault (…) in Frage gestellt wurde“. 35 Franz Böhm, Die Idee des Ordo im Denken Walter Euckens, ORDO 3 (1950) XV. 36 Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918, Band I: Arbeitswelt und Bürgergeist, 1990, S. 591, spricht von „dem Nobelpreisträger und populären Kulturphilosophen R. Eucken“. 37 Ingo Pies, Eucken und von Hayek im Vergleich: Zur Aktualisierung der ordnungspolitischen Konzeption, 2001, S. 9 f.  

























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Erst recht wird der Einfluss des Vaters an den Stellen deutlich, an denen Walter Eucken sich ausdrücklich auf seinen Vater bezieht, wenn er etwa zur Wirtschaftspolitik des Laissez-faire in einer Fußnote bemerkt: „Das Prinzip des Laissez-faire wurde als allgemeines Prinzip menschlichen Handelns bereits von Montaigne vertreten. Schon er warnt in seinen Essays (1580) davor, nicht in alles Geschehen einzugreifen, sondern die Natur gewähren zu lassen. ‚Sie versteht ihr Geschäft besser als wir.‘ «Laissons faire un peu la nature»“ (GWP 27).38 Neben seinem Vater Rudolf Eucken war es vor allem Edmund Husserl,39 der Walter Eucken persönlich40 und philosophisch geprägt hat.41 Umgekehrt hat auch Rudolf Eucken auf Husserl gewirkt.42 Auch dessen Phänomenologie muss daher mitberücksichtigt werden,43 wenn man Walter Eucken verstehen will.44 Paradigmatisch erweist sich das in methodischer Hinsicht;45 hier zitiert er Edmund Husserl beifällig zur ‚Kardinalfrage jeder Erfahrungswissenschaft‘,46 auf welche Weise  

38 Unter Verweis auf Rudolf Eucken, Die Lebensanschauungen der großen Denker, 20. Auflage 1950 (mit einem Vorwort von Walter Eucken; vgl. S. V–VII), S. 321. Zu Montaigne und seinem möglichen Einfluss auf die Verhaltensökonomie Jens Petersen, Montaignes Erschließung der Grundlagen des Rechts, 2. Auflage 2019, passim. 39 Zu den beiden Genannten Edmund Husserl, Die Phänomenologie und Rudolf Eucken, Die Tatwelt 3 (1927) 10. 40 Thomas Vongehr, „Euckens sind wieder da, verstehende und so wertvolle Freunde“ – Die Freundschaft der Husserls zu Walter und Edith Eucken in den letzten Freiburger Jahren, in: Phänomenologie und die Ordnung der Wirtschaft. Edmund Husserl – Rudolf Eucken – Walter Eucken – Michel Foucault (Hg. Hans-Helmuth Gander/Nils Goldschmidt/Uwe Dathe) 2009, S. 3. 41 Fritz Holzwarth, Ordnung der Wirtschaft durch Wettbewerb. Entwicklung der Ideen der Freiburger Schule, 1985, S. 90; Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 32, 42. 42 Ferdinand Fellmann, Das Werk Rudolf Euckens als weltanschaulicher Rahmen für die Freiburger Phänomenologie Husserls, in: Phänomenologie und die Ordnung der Wirtschaft. Edmund Husserl – Rudolf Eucken – Walter Eucken – Michel Foucault (Hg. Hans-Helmuth Gander/Nils Goldschmidt/Uwe Dathe) 2009, S. 31. 43 Edmund Husserl, Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie, 1913; dazu Paul Natorp, Husserls „Ideen zu einer reinen Phänomenologie“, Logos, Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur 7 (1917/18) 225; Emmanuel Levinas, Über die „Ideen“ Edmund Husserls, Revue Philosophique de la France et de l’Étranger 107 (1929) 230. 44 Uwe Dathe, „Zu sehr hatte ich mich auf die Begegnung mit dem großen Denker gefreut.“ – Walter Euckens Weg zu Edmund Husserl, in: Phänomenologie und die Ordnung der Wissenschaft. Edmund Husserl – Rudolf Eucken – Walter Eucken – Michel Foucault (Hg. Hans-Helmuth Gander/ Nils Goldschmidt/Ders.) 2009, S. 19. 45 Thomas Fischer, Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staats- und rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1993, S. 40, dort auch zur phänomenologischen Methode Husserls. 46 Edmund Husserl, Philosophie als strenge Wissenschaft, Logos 1 (1911) 289; ders., Logische Untersuchungen, 4. Auflage 1928, I, 1.  











































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aus mannigfaltiger Alltagserfahrung wissenschaftliche Erfahrung werden kann (GN 245).47 Euckens Hinwendung zur Wirtschaftswissenschaft vor dem Hintergrund seiner bildungsbürgerlichen Herkunft, die durch mannigfaltige kulturelle Interessen geprägt wurde, erklärt wohl auch eine gewisse Faszination für einen schillernden französischen Denker (GN 197), der offenbar ein gewisses Identifikationspotential für ihn hatte (GWP 331). Ihm widmet er nicht nur den prominenten ersten Satz seiner G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e (GN 1), sondern auch in den G r u n d s ä t z e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k einen ganzen Absatz: „Hippolyte Taine ließ in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts seine Studien über Literatur, Kunst und Philosophie im Stich, um sich den aktuellen Problemen der Wirtschaft, der Verwaltung und des Rechts zu widmen. Denn er sah ihre lebensentscheidende Bedeutung“ (GPW 15).48 Möglicherweise beeindruckte ihn, dass Taine in einer noch vorwissenschaftlich-intuitiven Weise dasjenige erahnt hat, was Eucken später als Interdependenz von Staats-, Wirtschafts- und Rechtsordnung bezeichnen wird.49 Neben diesem Mikrokosmos seiner Provenienz ist für Walter Euckens Ordnungsdenken aber der Makrokosmos des in Jahrtausende langer Tradition gewachsenen Ordnungsdenkens wesentlich.50 Auf ihm beruht letztlich auch der auf seine Arbeiten maßgeblich zurückgehende Ordoliberalismus. Schon in seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e (GN) hat Eucken den Begriff der Ordnung in einer Weise grundgelegt, wie er in den G r u n d s ä t z e n d e r W i r t  









47 Hermann Rauchenschwandtner, Wirtschaft erleben. Prolegomena zu einer phänomenologischen Ökonomik, in: Phänomenologie und die Ordnung der Wirtschaft. Edmund Husserl – Rudolf Eucken – Walter Eucken – Michel Foucault (Hg. Hans-Helmuth Gander/Nils Goldschmidt/Uwe Dathe) 2009, S. 145, 163, hat allerdings in einem anspruchsvollen Traktat die Grenzen der Erkenntnis manifest gemacht, die einer solchen ‚phänomenologischen Ökonomik‘ gesetzt sind: „Die Krise der Ökonomik und der Wirtschaft ist aber demgegenüber in einem Hinwirken der ökonomischen Technik auf die Lebenswelt begründet, so dass die in den mathematischen Allgemeinheiten verdrängte Reflexion in Form eines hypothetischen Imperativs wiederum erwacht“. Hervorhebung auch dort. 48 Friedrich Nietzsche bezeichnete Taine in einem an ihn gerichteten, sehr persönlich gehaltenen Brief vom 4. Juli 1887 als „den von mir am meisten verehrten Franzosen“. Siehe auch Otto Engel, Der Einfluß Hegels auf die Bildung der Gedankenwelt Hippolyte Taines, 1920. 49 Ob Eucken ihn zutreffend würdigt, kann man allerdings bezweifeln, da Taines verbriefte Sammelwut bezüglich aller möglichen greifbaren Fakten einen ungeordnet-empiristischen Zugriff nahelegt, der eher dem ähnelt, was Eucken an der Historischen Schule abstößt; vgl. nur Leo Kofler, Hippolyte Taine (1828–1893), in: Klassiker der Kunstsoziologie (Hg. Alphons Silbermann) 1997, S. 11, 23. 50 Siehe zum Ganzen auch Hermann Krings, Ordo. Philosophisch-historische Grundlegung einer abendländischen Idee, 1982.  









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s c h a f t s p o l i t i k (GWP) zu verstehen ist, nämlich doppeldeutig: „Unter ‚Wirtschaftsordnung‘ verstehen wir eine konkrete, positiv gegebene Tatsache. Sie ist die Gesamtheit der realisierten Formen, in denen in concreto jeweils der alltägliche Wirtschaftsprozeß abläuft“ (GN 238). Abgesehen von diesem faktischen Verständnis von Ordnung besteht aber für Eucken noch ein historisches und normatives Verständnis der Ordnung, „in der Maß und Gleichgewicht bestehen“, das auf die antike Philosophie zurückgeht und sich dann durch die gesamte Geistesgeschichte entwickelte:51 „Im Mittelalter ist der Ordo-Gedanke ausgeprägt worden, der auf den Aufbau der ganzen mittelalterlichen Kultur entscheidend wirkte. Er bedeutet die sinnvolle Zusammenfügung des Mannigfaltigen zu einem Ganzen. Vor allem zu Zeiten versagender oder ungerechter positiver Ordnungen gewinnt diese Idee der Wesensordnung oder der Naturordnung oder des Ordo regelmäßig eine große Kraft“ (GN 239).52 Für die juristische Dimension dieses Ordnungsbegriffs ist nicht zuletzt bedeutsam, dass Eucken hier auf ‚Zeiten versagender oder ungerechter positiver Ordnungen‘ anspielt.53 Zugleich hat er erkannt, dass bereits im Mittelalter wirtschaftliche Macht einen eminenten Faktor darstellte, der das Wirtschaftsleben vom Großgrundbesitzer bis zum einfachsten Gesellen prägte (NW 48). Daher sind es für Eucken insbesondere die großen Umbrüche der Welt- und Geistesgeschichte, in denen sich das Ordnungsverständnis zu bewähren hat, für die er beispielhaft die Zeit des Augustinus und die geistesgeschichtliche Wende im 17. und 18. Jahrhundert heranzieht (GN 239).54 Und auch im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip der katholischen Soziallehre bemerkt er unter Hinweis auf die mittelalterliche Theologie im Allgemeinen und den Thomas von Aquin im Besonderen:55 „Das Denken in Ordnungen liegt der katholischen Kirche  









51 Näher Gerold Blümle/Nils Goldschmidt, Zur Normativität ordoliberalen Denkens, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000, S. 15 ff.; Viktor Vanberg, Die normativen Grundlagen von Ordnungspolitik, ORDO 48 (1997) 707. 52 Ingo Pies, Theoretische Grundlagen demokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik – Der Beitrag Walter Euckens, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ders./Martin Leschke) 2002, S. 28, zur möglichen „Pluralität verschiedener Fassungen des Ordo-Begriffs“ am Beispiel dieser Stelle. Zum mittelalterlichen Ordnungsverständnis auch Jens Petersen, Dante Alighieris Gerechtigkeitssinn, 2. Auflage 2016. 53 Otto Schlecht, Zur Ethik in Euckens Werk, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000 S. 59, 62, sieht darin „die tiefe ethische Verwurzelung (…) seiner Gedankenführung“. 54 Zu beiden auch Jens Petersen, Pascals Gedanken über Gerechtigkeit und Ordnung, 2016. 55 Zur thomistischen Prägung des Ordnungsbegriffs Otto Veit, Ordo und Ordnung. Versuch einer Synthese, ORDO 5 (1953) 3; Gregor F. Gässler, Der Ordo-Gedanke unter besonderer Berücksichtigung von Augustinus und Thomas von Aquino, 1994.  











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an sich aus ihrer großen Tradition heraus nahe – schon von T h o m a s v o n A q u i n o her“ (GWP 348).56 Ihn verteidigt er im Übrigen ausdrücklich gegen diejenigen, die Thomas von Aquin eine unbegründete Abneigung gegen den Fernhandel nachsagten (GN 250). Bereits diese wenigen Sätze beweisen, dass Euckens Denken die jeweiligen Sachfragen – hier diejenige nach der Ordnung bzw. dem Ordo57 – auf ihren historischen Ursprung zurückverfolgt.58 Das führt zu einer wichtigen und im bisherigen Schrifttum kaum beachteten Verbindungslinie zwischen Theologie, Recht- und Wirtschaftsphilosophie,59 wie folgende Stelle veranschaulicht: „Die Wirtschaftspolitik aber soll die freie natürliche gottgewollte Ordnung verwirklichen“ (GWP 176). Während den Ökonomen das religiöse Attribut eher peinlich zu sein scheint, bietet es für die Theologie einen Brückenschlag der Verständigung in Richtung einer moraltheoretisch fundierten Ökonomie.60 Daran zeigt sich paradigmatisch die notwendige Interdisziplinarität des vorliegenden Themas, die mit Euckens Theorie der Interdependenz zuinnerst zusammenhängt.61 Allerdings darf die Rede von der Interdisziplinarität nicht die  







56 Siehe dazu auch Karl Paul Hensel, Ordnungspolitische Betrachtungen zur katholischen Soziallehre, ORDO 2 (1949) 229, auf den Eucken GWP 364 verweist; ferner Philipp Herder-Dorneich, Wirtschaftsordnungen. Pluralistische und dynamische Ordnungspolitik, 1974, S. 89 f.; Carl-Martin Hißler, Zwischen Liberalismus und Christentum. Die sozialethischen Aspekte der Sozialen Marktwirtschaft, 2014, S. 124 mit Fußnote 358. 57 Otto Schlecht, Zur Ethik in Euckens Werk, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000 S. 59, 61. 58 Prägnant Franz Böhm, Die Idee des Ordo im Denken Walter Euckens, ORDO 3 (1950) XV, XLVIII: „Prästabilierte Ordnung“. 59 Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685, 690, macht zutreffend darauf aufmerksam, dass die Wirtschaftsphilosophie entstehungsgeschichtlich und gedanklich aufs engste mit dem Ordoliberalismus verbunden ist: „Sie will damit nichts weniger als die Interdependenz von Wirtschaft, Politik, Recht und Ethik verstehen, wie es sich – vor Eucken und Böhm – bereits der schottische Moralphilosoph und Begründer der modernen Nationalökonomie Adam Smith zur Aufgabe gemacht hatte“. Zu ihm Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017; siehe zur Wirtschaftsphilosophie als eigenständiger Disziplin auch Klaus Adomeit/Jochen Mohr, Rechts- und Wirtschaftsphilosophie, 4. Auflage 2017. 60 In diesem Sinne Hans Küng, Anständig wirtschaften. Warum Ökonomie Moral braucht, 2010. 61 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 14, bringt das Zusammenwirken von Franz Böhm und Walter Eucken sowie die Komplementarität ihrer Gedanken durch einen Parallelismus mit anschließendem Chiasmus stilistisch einprägsam auf den Punkt: „Die Öffnung des Rechts für die Ökonomie ergänzt Walter Eucken durch die Öffnung der Ökonomie für das Recht. Es ist die Interdependenz der Ordnungen, deren Ordnungselemente durch Wirtschaftsplanung definiert wird, die Eucken schon in den Grundlagen der Nationalökonomie analysiert hat“.  





















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Eigenbedeutung, das Eigengewicht des Rechts relativieren.62 Umgekehrt sind die Juristen gehalten, sich mit den Hauptströmungen der ökonomischen Theorie besser vertraut zu machen.63 Das gilt gerade auch für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung,64 wie folgender Hinweis auf die Frühformen des Rechts beispielhaft verdeutlicht:65 „Die Nachrichten über das babylonische Recht zur Zeit des Hammurabi, die wir besitzen, bieten noch kein Bild des faktischen Aufbaus der babylonischen Wirtschaftsordnung zu Ende des 3. vorchristlichen Jahrtausends“ (GN 177). Zudem zeigen die Nachweise, dass man unbedingt die werkimmanente Beziehung zwischen seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e (GN)66 und den G r u n d  

62 Ernst-Joachim Mestmäcker, Die sichtbare Hand des Rechts. Über das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftssystem, 1978, S. 14, der von ‚ökonomischer und rechtlicher Eigengesetzlichkeit‘ spricht, hat das am deutlichsten herausgearbeitet: „Je nachdrücklicher damit auf die Interdisziplinarität von Rechts- und Wirtschaftswissenschaften hingewiesen ist, desto entscheidender wird es, die Selbständigkeit der Funktionen des Rechts gerade auch gegenüber dem Wirtschaftlichen zu explizieren und durchzusetzen. Das Recht nimmt wirtschaftliche Regelzusammenhänge in Bezug, es entnimmt ihnen wichtige inhaltliche Momente für die Normen, aber die Selektion dieser Momente, ihr Verhältnis zueinander, die Anerkennung freien Handelns oder die Notwendigkeit seiner Einschränkung muß es durch die Gesetzgebung und in der Auslegung der Normen selbst bestimmen“. – Die Berechtigung dieses Anspruchs hat unausgesprochen wohl auch Eucken zumindest e contrario vorausgesetzt (GN 239–242). Michael Köhler, Europas Geist der Freiheit, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 23 f., betont sogar „die dienende Stellung der Ökonomie unter dem freiheitsgesetzlichen Recht. Das weltmächtige, die Rangordnung verkehrende neoliberale Prinzip in seinem spaltenden Manichäismus genügt jedenfalls der europäischen Einheit in allgemeiner Freiheit nicht“. 63 Franz Böhm, Die Bedeutung der Wirtschaftsordnung für die politische Verfassung, in: Die staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft für die politische Verfassung (Hg. Ulrich Scheuner) 1946, S. 85, 88, rügt die Unkenntnis der Juristen: „Es ist nun sehr notwendig, einmal überzeugend und unmißverständlich klarzustellen, dass es so nicht geht“. 64 Viktor Vanberg, Privatrechtsgesellschaft und ökonomische Theorie, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 131, 134, verweist auf das in zeitlos gültiger Weise formulierte Programm von Franz Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung, 1937, S. 14: „Wir Juristen bedürfen dann also einer außerjuristischen Wissenschaft, um den Tatbestand, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, soweit zu verstehen, dass wir ihn juristisch beurteilen können, ihn juristisch in den Griff bekommen. Wir müssen ihn nationalökonomisch aufbereiten, um ihn verfassungsrechtlich zu meistern“. 65 Zu ihnen grundlegend Uwe Wesel, Frühformen des Rechts in vorstaatlichen Gesellschaften, 1985. 66 Pointiert Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II (Übersetzung Jürgen Schröder) 4. Auflage 2015, S. 150 f.: „ein Buch mit dem etwas paradoxen Titel ‚Grundlagen der Nationalökonomie‘, während es tatsächlich in diesem Buch nicht um Nationalökonomie geht, sondern um etwas, das, der Doktrin nach und politisch, der Nationalökonomie ent 























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s ä t z e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k (GWP) berücksichtigen muss, weil beide Werke in einem inneren Kausal- und Verweisungszusammenhang zueinanderstehen. So verständlich und naheliegend es ist, dass sich die moderne Wirtschaftswissenschaft – zumal diejenigen Vertreter angloamerikanischer Prägung67 – mit den philosophischen und philosophiegeschichtlichen Einzelheiten der europäischen Geistesgeschichte nicht näher zu befassen geneigt sind, so sehr steht dieses Desinteresse nicht nur dem Verständnis der Wirtschaftstheorie Walter Euckens entgegen, sondern auch der Wirksamkeit seiner wirtschaftspolitischen Ideen im internationalen Kontext.68 Gewiss ist die bundesrepublikanische Wirtschaftsgeschichte ohne sie ebenso wenig verständlich wie die Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft.69 Auch in dieser Hinsicht erweist sich übrigens ein Blick auf die Geistesgeschichte als weiterführend, weil kein geringerer als Michel Foucault den wirtschaftsphilosophischen Gehalt des Ordoliberalismus in seinen Vorlesungen am Collège de France 1978–1979 in einer ideengeschichtlich inspirierenden Weise analysiert hat.70 Diese Strömung der modernen französischen Philosophie muss  



gegengesetzt ist.“ Dazu auch aus der zeitgenössischen Rezensionsliteratur Heinrich von Stackelberg, Die Grundlagen der Nationalökonomie. Bemerkungen zum gleichnamigen Buch von Walter Eucken, Weltwirtschaftliches Archiv 51 (1940) 245; Carl Brinkmann, Grundlagen der Nationalökonomie. Bemerkungen zu Walter Euckens Buch, Finanzarchiv 7 (1940) 353; Wilhelm Vleugels, Volkswirtschaftslehre als Lehre von der geschichtlichen Wirklichkeit. Zu Walter Euckens neuem Werk „Die Grundlagen der Nationalökonomie“, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 152 (1940) 497; Jens Jessen, Besprechung: Walter Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, Jena 1940, Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 64 (1940) 359; Hans Peter, Die neue Methodologie Walter Euckens. Bemerkungen zu dem Buch: „Die Grundlagen der Nationalökonomie“, Finanzarchiv 8 (1941) 158; Georg Weippert, Walter Euckens Grundlagen der Nationalökonomie, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 102 (1942) 1 ff.; 271 ff. 67 Peter Behrens, Laudatio, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 14, macht im Übrigen zutreffend darauf aufmerksam, dass die Freiburger Schule „entgegen einem Missverständnis, das sich vor allem in der angelsächsischen Kritik am Ordoliberalismus festgesetzt hat, (...) keine zeitbedingte Episode ohne aktuelle Bedeutung geblieben ist“. 68 Walter Eucken, On the Theory of the Centrally Administered Economy. An Analysis of the German Experiment, Economia 15 (1948) p. 173, ist – soweit ersichtlich – seine einzige englischsprachige Publikation. 69 Hans Otto Lenel, Walter Euckens ordnungspolitische Konzeption, die wirtschaftspolitische Lehre in der Bundesrepublik und die Wettbewerbstheorie von heute, ORDO 26 (1975) 22; ErnstJoachim Mestmäcker, Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, in: Franz Böhm, Beiträge zu Leben und Wirken. Forschungsbericht 8 der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1980, S. 37. 70 Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik, Geschichte der Gouvernementalität II (Übersetzung Jürgen Schröder) 4. Auflage 2015. Er nennt die ‚Grundsätze der Wirtschaftspolitik‘ auf S. 196, einen  



















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im Folgenden daher ebenfalls mitberücksichtigt werden.71 Aber auch sie konnte nicht verhindern, dass Walter Euckens Bedeutung in der modernen wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion trotz einiger hundert überwiegend dogmengeschichtlicher Veröffentlichungen vergleichsweise gering veranschlagt wird.72 Das ist nicht zuletzt deswegen paradox, weil der ökonomische Erfolg der deutschen Wirtschaftspolitik in der jüngsten Wirtschaftsgeschichte nicht zuletzt den Gedanken Walter Euckens zugerechnet werden darf.73 Insofern erweist sich als ungebrochen aktuell, was er in den zitierten G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e zum Ordo-Denken festgehalten hat: „Heute lebt diese Idee wieder auf, angesichts der dringenden Notwendigkeit, für die industrialisierte Wirtschaft die fehlende funktionsfähige und menschenwürdige Ordnung der Wirtschaft, der Gesellschaft, des Rechtes und des Staates zu finden. Mögen die Fassungen des Begriffes (sc.: Ordo) im Laufe der europäischen Geschichte wechseln – die Absicht der Begriffsbildung bleibt gleich oder ähnlich“ (GN 239). Hieran zeigt sich nicht nur beispielhaft, wie wichtig für Eucken der Zusammenhang zwischen Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung ist, sondern vor allem sein Humanismus, der sein Werk durchwirkt (GWP 176). Die zeitlose Aktualität am Beispiel der Rechts- und Wirtschaftsordnung in ihrer Interdependenz darzustellen und womöglich einen bescheidenen Hinweis auf die mögliche Gültigkeit im gesamteuropäischen oder sogar internationalen  





Text, der „faktisch einer der großen Grundlagentexte der deutschen Politik war.“ Eingehend zum Ordoliberalismus bei Foucault Walter Reese-Schäfer, „Man erkennt sehr leicht den Einfluss Husserls …“ – Wieweit trägt die Interpretation des Ordoliberalismus durch Foucault?, in: Phänomenologie und die Ordnung der Wirtschaft. Edmund Husserl – Rudolf Eucken – Walter Eucken – Michel Foucault (Hg. Hans-Helmuth Gander/Nils Goldschmidt/Uwe Dathe) 2009, S. 103; Ernst-Joachim Mestmäcker, Soziale Marktwirtschaft – Eine Theorie für den Finanzmarkt nach der Krise?, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt? (Hg. Eberhard Kempf/Klaus Lüderssen/Klaus Volk) 2011, S. 13 ff.; ders., Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 39 („gründliche und in Teilen zutreffende Darstellung des deutschen Ordoliberalismus“). 71 Siehe nur Jan-Otmar Hesse/Frieder Vogelmann, Zum Begriff des Staates im Ordoliberalismus und bei Michel Foucault, in: Phänomenologie und die Ordnung der Wissenschaft. Edmund Husserl – Rudolf Eucken – Walter Eucken – Michel Foucault (Hg. Hans-Helmuth Gander/Nils Goldschmidt/Uwe Dathe) 2009, S. 127 ff. 72 David J. Gerber, Constitutionalizing the Economy: German Neo-liberalism, Competition Law and the „New Europe, American Journal of Comparative Law 42 (1994) 5; Christian Joerges, What is left of the European Economic Constitution? A melancholic eulogy, European Law Review 30 (2005) 461, 469. 73 Stefan Grundmann, Privatrecht und Regulierung, Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2017, S. 907, 918: „Das ordoliberale Modell, das immer noch als ein deutscher Sonderweg verstanden wird, ist schwerlich als solcher zu sehen“.  





























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Rahmen zu geben,74 ist das hoffentlich nicht unbescheidene Ziel der vorliegenden Abhandlung. Die vorliegende Arbeit unternimmt im Anschluss an frühere Überlegungen zur Rechtstheorie Adam Smiths und zum Rechtsdenken Friedrich August von Hayeks einen bescheidenen Versuch in diese Richtung.75 Eucken selbst hat dieses Desiderat, das sein Gesamtwerk durchzieht (SF 127), in den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e in zeitlos gültiger Weise zu einer wirtschaftlichen und rechtlichen Herausforderung erhoben: „Denkende Gestaltung der Ordnung ist nötig. Die wirtschaftspolitischen Einzelfragen – ob es sich nun um Fragen der Agrarpolitik, der Handelspolitik, der Kreditpolitik, Monopolpolitik, der Steuerpolitik, des Gesellschaftsrechts oder des Konkursrechts handelt – sind Teilfragen der großen Frage, wie die wirtschaftliche G e s a m t o r d n u n g , und zwar die nationale und die internationale Ordnung und ihre Spielregeln zu gestalten sind“ (GN 240).76 In gewissem Sinne enthält dieser Satz in nuce das wirtschaftsverfassungsrechtliche Denken Euckens.  







74 Zukunftsweisend die Bestandsaufnahme von Ernst-Joachim Mestmäcker, Macht – Recht – Wirtschaftsverfassung, in: Die sichtbare Hand des Rechts. Über das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftssystem, 1978, S. 14: „In der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehört das System unverfälschten Wettbewerbs – weit über den traditionellen Bereich des Kartellrechts hinaus – zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft. In dieser Konzeption liegt die politisch wahrscheinlich wichtigste Wirkung der in Deutschland zuerst von Walter Eucken und Franz Böhm begründeten Einsicht in die rechtliche Gestaltbarkeit der Wirtschaftsordnung“. Tendenziell zustimmend Wulf-Henning Roth, Kartell- und Wettbewerbsrecht, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 176, 188 mit Fußnote 77. 75 Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017; ders., Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014. 76 Siehe zu der im Text zuletzt genannten internationalen Ordnung auch Lionel Robbins, Economic Planing and International Order, 1937, Wilhelm Röpke, Die internationale Ordnung, 1945.  















§ 1 Freiheit und Ordnung An einer auf den ersten Blick unscheinbar wirkenden Stelle seiner G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k findet sich ein kurzer Satz, der Walter Euckens wirtschaftspolitisches Verständnis auf den Punkt bringt und in dem sich sein Ordnungsdenken gleichsam kondensiert: „In der Gestaltung der Ordnungsformen besteht die Möglichkeit zur Freiheit“ (GWP 217). Nicht von ungefähr steht dieser Satz am Ende eines eher geschichtsphilosophischen Abschnitts, der von Hegel und Marx ausgeht und die Notwendigkeit geschichtlicher Prozesse in Zweifel zieht.77 Denn in diesem auf historischer Zwangsläufigkeit basierenden Denken vermisst er die Möglichkeit zur Freiheit (GWP 339). Was Hegel betrifft, so ist dies wohl zu einseitig, da auch seine Philosophie die Möglichkeit der Freiheit einschließt,78 ja seine Rechtsphilosophie, wenn man von den Missverständnissen namentlich Karl Poppers absieht,79 in ihrer systematischen Geschlossenheit eine Philosophie der Freiheit ist.80 Doch versteht sich Eucken ohnehin eher als Kantianer. Mit Kant geht es ihm um die Aufgabe, eine freie Ordnung zu entwerfen (GWP 360). Die rhetorisch gefärbte Frage für Eucken lautet: „Kann der Mensch zwar in der wirtschaftlich-sozialen Sphäre unfrei, aber in der politisch-staatlichen Sphäre frei sein?“ (GWP 127). Dass dies ausgeschlossen ist, erscheint ihm unabweisbar und veranschaulicht es exemplarisch in einem Beitrag über d i e s o z i a l e F r a g e : „Anders als in Freiheit kann die soziale Frage nicht gelöst werden“ (SF 130).81  









77 Von Marx und Saint-Simon handelte bereits Euckens Antrittsvorlesung; vgl. Walter Eucken, Zur Würdigung Saint-Simons, Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche 15 (1921) 115. Unter dem Pseudonym Dr. Kurt Heinrich (denn er hieß mit vollem Namen Walter Kurt Heinrich Eucken) publizierte er zu Marx auch in der von seinem Vater herausgegebenen ‚Die Tatwelt‘ (vormals „Eucken-Bund“) Jahrgang 2 (1926) 96 den Beitrag ‚Über den Versuch, den Marxismus zu ethisieren‘. 78 Vittorio Hösle, Hegels System. Der Idealismus der Subjektivität und das Problem der Intersubjektivität, 2. Auflage 1998, hat dies in grundlegender Weise ausgearbeitet. 79 Karl Popper, The Open Society and Its Enemies, 1945; zutreffend Vittorio Hösle, Eine kurze Geschichte der deutschen Philosophie, 2013, S. 147: „Gleichzeitig ist der konkrete Staat, den Hegel auszeichnet, durchaus ein klassischer liberaler Staat, und daher ist es abwegig, mit Karl Popper sein politisches Denken zur Vorgeschichte des Totalitarismus zu rechnen. Hegels Staat erkennt ein vorstaatliches Naturrecht an – und es ist nicht leicht zu sehen, was dem Staat eher Grenzen setzen könnte“. 80 Jens Petersen, Die Eule der Minerva in Hegels Rechtsphilosophie, 2. Auflage 2015, S. 50 ff. 81 Dazu auch Helmut Paul Becker, Die soziale Frage im Neoliberalismus. Analyse und Kritik, 1965; siehe zu der zitierten Stelle auch Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 69.  









https://doi.org/10.1515/9783110666229-002





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§ 1 Freiheit und Ordnung

I. Freiheit durch Ordnungsrahmen Eucken besteht nachdrücklich darauf, dass der Mensch selbst zur Freiheitsverwirklichung beitragen kann, indem er einen Ordnungsrahmen schafft, innerhalb dessen sich auch wirtschaftliche Freiheit entfalten kann:82 „Freiheit und Ordnung sind kein Gegensatz. Sie bedingen einander“ (GWP 179). Die Privatrechtsordnung sichert die Vertrags- und Handlungsfreiheit.83 Dieser Rahmen ist nicht vorgegeben, sondern kann durch menschliches Handeln geformt werden.84 Nicht von ungefähr stellt die Frage eines etwa vorgegebenen und unabhängig von menschlichen Handlungen waltenden Geschichtsgesetzes für Eucken zugleich „die prinzipielle Frage nach Zwangsläufigkeit und Freiheit“ (GWP 213).85 Gewiss können bestimmte Ordnungsformen ineinander übergehen (GWP 215). Doch folgt dies keinem unabdingbaren geschichtlichen Gesetz, sondern ist allenfalls tendenziell vorhersehbar und unterliegt einer gewissen Probabilität (ÜH 63):86 „Daß sich aber Ordnungen in andere Ordnungen transformieren, geschieht nicht notwendig, ist lediglich wahrscheinlich und kann nur in der Richtung erwartet werden“ (GWP 216). Die Frage ist also, wie sich Freiheit durch bestimmte Ordnungsformen verwirklichen lässt.87  







1. Wettbewerbsordnung als ökonomischer Ort der Freiheit Es ist wesentlich, bei diesen vorderhand etwas trockenen geschichtsphilosophischen Darlegungen zu betonen, dass es Eucken immer und vor allem um den

82 Vgl. nur Moritz Peter Haarmann, Wirtschaft – Macht – Bürgerbewusstsein. Walter Euckens Beitrag zur sozioökonomischen Bildung, 2015, S. 90; Friedrich Hinterberger/Fred Luks/Marcus Stewen, Ökologische Wirtschaftspolitik. Zwischen Ökodiktatur und Umweltkatastrophe, 1996, S. 116 f. 83 Viktor Vanberg, „Freiheit statt Sozialismus“? Ein Kommentar zu Sahra Wagenknechts Buch aus Freiburger Sicht, Freiburger Diskussionspapiere zur Ordnungökonomik 2015/3, S. 2. 84 Zum Begriff des Rahmens bei Eucken Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II (Übersetzung Jürgen Schröder) 4. Auflage 2015, S. 199. 85 Grundlegend Ernst-Joachim Mestmäcker, Wirtschaftsordnung und Geschichtsgesetz, in: Wirtschaftsordnung als Aufgabe (Hg. Ludwig-Erhard-Stiftung) 1995, S. 111 (= ORDO 46, 1995, 9); ders., Aufklärung durch Recht, Festschrift für Erich Hoppmann, 1994, S. 311. 86 Siehe auch schon Walter Eucken, Die Überwindung des Historismus, Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche 62 (1938) 63 (zitiert: ÜH); dazu Bernhard Laum, Entgegnung zu Euckens Aufsatz, Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 62 (1938) 215. 87 Vergleichend Artur Woll, Freiheit durch Ordnung. Die gesellschaftspolitische Leitidee im Denken von Walter Eucken und Friedrich A. von Hayek, ORDO 40 (1989) 87.  



















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I. Freiheit durch Ordnungsrahmen

Zweck menschlicher Freiheit zu tun ist. Die Menschen selbst sind Akteure und können die Ordnung, in der auch alles wirtschaftliche Geschehen verläuft, selbst gestalten: „Geschichte und somit auch Wirtschaftspolitik besteht aus menschlichen Handlungen“ (GWP 217).88 Wirtschaftsprozess und Wirtschaftsordnungen betreffen unterschiedliche, wenngleich miteinander zusammenhängende Fragen (NW 52). Gerade diese Möglichkeiten der Ordnungsformen durch Setzung eines gewissen Rahmens mit klaren Spielregeln bei gleichzeitiger Freiheit des Wirtschaftsprozesses, sind für ihn entscheidend (GN 240): „Es kommt im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik nicht nur darauf an, welche Ordnungsformen realisiert waren und sind, sondern auch, welche m ö g l i c h sind“ (GWP 242 f.). Innerhalb des Möglichen gibt es für Eucken jedoch lediglich eine Ordnungsform, die das ordnungspolitische Problem lösen kann, weil nach allen historischen Erfahrungen nur sie Freiheit in vollständiger Konkurrenz verbürgt, nämlich die Wettbewerbsordnung:89 „Bei Anwendung der wesentlichen Kriterien und in Würdigung der gegebenen geschichtlichen Gesamtsituation bleibt allein die Wettbewerbsordnung, welche das ordnungspolitische Problem zu lösen vermag“ (GWP 250).  











a) Wirtschaftspolitik und Rechtspolitik So ist die Wahl der ordnungspolitischen Möglichkeiten, zwar nicht ergebnisoffen, der Wirtschaftsprozess selbst aber prinzipiell zukunftsoffen. Zugleich ist „alle konkrete Wirtschaft dynamisch“ (GN 180). Die damit angesprochene wirtschaftliche Entwicklung, deren dynamischer Charakter dem Problem der Lenkung des Wirtschaftsprozesses entspricht, der gleichfalls dynamischer Natur ist (GWP 5), eröffnet Raum für konjunkturelle Verschiebungen und Investitionsschwankungen (GN 181). Diese stellen die Frage nach der Investitionslenkung als eines Aspekts alltäglicher Wirtschaftslenkung (GWP 156).90 Generell gilt, dass konjunkturpolitische Maßnahmen auf die ordnungspolitische Gesamtentscheidung  







88 Aus dem späteren Schrifttum grundlegend dazu Mancur Olson, The Logic of Collective Action, 1965. Euckens im Text zitierter, handlungsbezogener Formulierung kann man wohl durchaus einen Anklang an Max Weber entnehmen; vgl. nur Jens Petersen, Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2. Auflage 2014. 89 Sahra Wagenknecht, Freiheit statt Kapitalismus – Über vergessene Ideale, die Eurokrise und unsere Zukunft, 2012, S. 357, hingegen folgert aus dem zuletzt (auch von ihr) zitierten Satz Euckens, dass „eine neue Möglichkeit gefunden werden muss, die sachlich geboten erscheint, eine Ordnungsform, die eine selbständige Lösung darstellt.“ Dagegen zutreffend Viktor Vanberg, „Freiheit statt Sozialismus“? Ein Kommentar zu Sahra Wagenknechts Buch aus Freiburger Sicht, Freiburger Diskussionspapiere zur Ordnungökonomik 2015/3, S. 4. 90 Dazu auch Walter Eucken, Investitionssteuerung durch echte Wechselkurse, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 3 (1950) 95; im Folgenden zitiert als IW.  







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§ 1 Freiheit und Ordnung

abgestimmt sein müssen (WV 92). Auch im Hinblick auf diese lässt sich das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung andeutungsweise veranschaulichen.

aa) Das Datum der rechtlich-sozialen Organisation Hier ist nämlich das noch weiter unten zu besprechende Datum der rechtlichsozialen Organisation (GN 157) im geschichtlichen Vergleich aufschlussreich: „Wenn das Deutsche Reich in den letzten vier Jahrzehnten vor dem Kriege 1914/18 ein bestimmtes Eigentumsrecht, Schuldrecht, Gewerbe- und Gesellschaftsrecht hatte, wenn es sich fest an die Goldwährung hielt und einem bestimmten Handelsvertragssystem zugehörte, so schuf der Staat hiermit bestimmte Spielregeln, von deren Gestalt der Investitionsprozeß ebenfalls entscheidend mitbedingt war“ (GN 182).  



(1) Rechtsregeln und Spielregeln Bereits die mannigfachen rechtlichen Bezugnahmen dieses Satzes veranschaulichen, welche Bedeutung innerhalb der Interdependenz der Ordnungen gerade das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung für Eucken hatte. In diesem wirtschaftshistorischen Abriss scheint aber vor allem der für Eucken zentrale Begriff der Spielregeln auf, zu denen eben auch die von der Rechtsordnung aufgestellten Regelungen gehören, die einen bestimmten Ordnungsrahmen setzen und nicht beliebig abänderbar sind, damit es nicht zu unkontrollierten Eingriffen in den Wirtschaftsprozess kommt (GN 240):91 „Es besteht (sc.: neben Recht der Freizügigkeit und des freien Arbeitsvertrages) Konsumfreiheit. Aber es besteht nicht die Freiheit, die Spielregeln oder die Formen, in denen sich der Wirtschaftsprozeß abwickelt, die Marktformen und Geldsysteme, nach Willkür zu gestalten. Gerade hier hat die Ordnungspolitik ihr Feld“ (GWP 246). Zugleich wird deutlich, dass dieser Rahmen Raum für Investitionen ließ und sie sogar nahelegte, weil und sofern gerade durch bestimmte schuld- und sachenrechtliche sowie wettbewerbs- und unternehmensrechtliche Instrumente ein Ordnungsrahmen gesteckt wurde,92 innerhalb dessen sich gewinnbringend wirtschaften ließ, ohne die schutzwürdigen  



91 Ernst-Joachim Mestmäcker, Vorwort GWP S. IX: „Aus den wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundprinzipien folgen vielmehr ganz bestimmte Anforderungen an den Ordnungsrahmen. Dazu gehören die Rechtsinstitute, welche die Bürger und Unternehmen instandsetzen, selbständig zu planen“. 92 Zum Verhältnis der beiden letztgenannten Rechtsgebiete im weiteren Sinne zueinander und dem Versuch einer Zusammenführung Jürgen Basedow, Kartellrecht als Unternehmensrecht, Festschrift für Uwe Blaurock, 2013, S. 1.  



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I. Freiheit durch Ordnungsrahmen

Belange Anderer zu gefährden.93 So kann eine umsichtige Geldpolitik zu einer sinnvollen Investitionssteuerung verhelfen (IW 95).94

(2) Währungsstabilität, Geldwertstabilität und Wettbewerbsordnung Allerdings sollte man in dem soeben wiedergegebenen Zitat einen konstituierenden Faktor für eine wirksame Wettbewerbsordnung nicht unterschätzen und daher bereits an dieser Stelle ansprechen, nämlich die Währungspolitik:95 „Die Grundvoraussetzung für das Funktionieren einer Wettbewerbswirtschaft ist das Vorhandensein einer brauchbaren Währung. (…) Die Steuerung des wirtschaftlichen Lebens über Wettbewerbspreise, ob nun innerhalb einzelner Staaten oder auf internationaler Ebene, ist allein auf Grundlage eines freien Austausches und einer nahezu stabilen Währung möglich“ (WW 81). Die Währungspolitik ist für Eucken von erstrangiger Bedeutung, weil sie die Stabilität der Wettbewerbsordnung gewährleistet (GWP 255). Denn ohne eine angemessene Lösung der Währungsfrage hört die Verkehrswirtschaft auf zu entstehen, und es bildet sich eine Planwirtschaft (WW 55). Eine angemessene Währungsverfassung garantiert zunächst einmal Geldwertstabilität (GWP 257). Die Stabilität der Währungspolitik ist Bedingung einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung, gerade auch mit ihren möglichen Auswirkungen auf die internationale Ordnung (NW 84). Man sieht an dieser Auflistung, die vom Datum der rechtlich-sozialen Organisation ausgeht und zu scheinbar heterogenen Gesichtspunkten findet, dass in Euckens ökonomischem Denken kaum etwas isoliert betrachtet werden kann, alles entsprechend der Interdependenz der Ordnungen miteinander zusammenhängt und vor allem durch das Erfordernis der Wettbewerbsordnung miteinander verklammert ist.  









93 Für das Verhältnis der Rechtsordnung zur Wirtschaftsordnung weiterführend Franz Böhm, Die Idee des Ordo im Denken Walter Euckens, ORDO 3 (1950) XV, L, wonach „einige der wichtigsten dieser Ordnungselemente den Charakter rechtlicher Phänomene haben, so das Element des Tausches, d. h. des voll entgeltlichen synallagmatischen Vertrags, so das Element der unbeschränkten Unternehmerhaftung, so das Element des Eigentums und der übrigen absoluten Vermögensrechte, so vor allem das Element des Wettbewerbs, der nicht ein prinzipienindifferenter Wirtschaftskrieg, sondern ein rechtlich geordnetes, von einer sinnvollen Spielregel beherrschtes Leistungsund Bewährungsausleseverfahren ist“. Hervorhebung auch dort. 94 Siehe zum Ganzen auch Markus Küppers, Banken in der geldpolitischen Transmission. Eine Untersuchung der Kreditvergabe deutscher Geschäftsbanken, 2000. 95 Zur richtigen Währungspolitik bereits Walter Eucken, Kritische Betrachtungen zum deutschen Geldproblem, 1923, S. 58: „Lediglich von der Geldseite kann man erfolgreich an das Problem herankommen, die Zusammenhänge klären, eine richtige Währungspolitik einzuleiten“.  



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§ 1 Freiheit und Ordnung

(3) Rechtlich-soziale Organisation und Interdependenz der Ordnungen In seinen K a p i t a l t h e o r e t i s c h e n U n t e r s u c h u n g e n hat Eucken die Aufgabe der theoretischen Nationalökonomie im Hinblick auf die Wirtschaftsordnung und das Datum der rechtlichen und sozialen Ordnung in aufschlussreicher Weise präzisiert: „Warum in einem Lande verkehrswirtschaftlich, kommunistisch oder sozialistisch gewirtschaftet wird, kann und will sie nicht ergründen. Wie die Agrar- und Gewerbegesetzgebung eines Staates zustandegekommen ist, welche Mächte sie gestaltet haben, ist nicht von der theoretischen Nationalökonomie zu untersuchen, sondern von anderen Wissenschaften, die andere Forschungsmethoden entfaltet haben. K u r z : I n d e r s t a a t l i c h e n , r e c h t l i c h e n , s o z i a l e n O r d n u n g u n d i n d e n S i t t e n e i n e s V o l k e s s i e h t s i e e i n D a t u m “ (KU 65). Eucken nennt es in seiner Aufzählung ‚das sechste‘. Von diesem Datum der rechtlich-sozialen Organisation wird weiter unten noch die Rede sein. Für die Beziehung von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung ist es aber so bedeutsam, dass es hier zu Beginn bereits angesprochen werden muss, da es Rechts- und Wirtschaftspolitik gleichermaßen bestimmt. Zugleich ist daran in rechtssoziologischer Hinsicht aufschlussreich, dass über die staatlichen, rechtlichen und sozialen Regeln hinaus auch die Sitten ein Datum der rechtlich-sozialen Organisation bilden. Zu den anderen Wissenschaften, die seines Erachtens das Zustandekommen der exemplarisch genannten Agrar- und Gewerbegesetzgebung untersuchen sollen, dürfte wohl die Rechtswissenschaft gehören. Doch sollte wohl auch diese, wie der ominöse Verweis auf die mitgestaltenden Mächte nahelegt, auch die Sozialwissenschaften zurate ziehen. Das wiederum passt zu Euckens Verständnis, dass zum Datum der rechtlich-sozialen Organisation eben nicht nur rechtliche Besonderheiten gehören, sondern eben auch sozial- und gesellschaftswissenschaftliche. Insofern spiegelt sich auch darin die Interdependenz der Ordnungen, zu denen neben der Rechtsordnung und der Wirtschaftsordnung auch die Gesellschaftsordnung gehört (GWP 103).  



bb) Gesetze als wirtschaftspolitische Akte Beispielhaft für das Verhältnis von Rechtspolitik und Wirtschaftspolitik zueinander nennt Eucken die Entwicklung der GmbH, bei der freilich anfangs nicht klar war und von Eucken bis zuletzt in Frage gestellt wurde, ob sie die Gläubigerschutzinteressen hinreichend wahren würde:96 „Das gilt bis in viele Einzelheiten

96 Zu ihnen grundlegend Hans Christoph Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH. Dezentrale Gewinnverfolgung als Leitprinzip des dynamischen Gläubigerschutzes, 2006. Zu Einzelfragen des Gläubigerschutzes bei gesellschaftsrechtlichen Umstruktu-

I. Freiheit durch Ordnungsrahmen

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hinein. Hätte Deutschland z. B. 1892 nicht die Gesellschaftsform der G.m.b.H eingeführt, die eine Beschränkung der Haftung ohne Offenlegung der Bilanz ermöglichte, so wäre zweifellos die Zahl der Investitionen nicht so groß und damit das Tempo der deutschen Aufschwungsbewegungen nicht so lebhaft geworden, wie es tatsächlich war“ (GN 182).97  



(1) Gesellschaftsrecht und Investitionslenkung Hier hat die Rechtsordnung also auch nach seiner Sicht die Wirtschaftsordnung beeinflusst und befördert, so dass man bereits am Beispiel dieser Gesellschaftsform von einer Wechselbezüglichkeit im Sinne der Interdependenz sprechen kann, zumal da sich im Falle einer solchen Beeinflussung über kurz oder lang nahezu zwangsläufig eine Rückwirkung der Wirtschaftsordnung in Richtung auf die Rechtsordnung einstellt, weil die mit dem wirtschaftlichen Aufschwung einhergehende Popularität der neuen Rechtsform auch wieder gesetzliche Korrekturen erforderlich macht, die insbesondere über das Bilanzrecht mit seinen europarechtlichen Vorgaben das GmbH-Recht infizieren.98 Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Gründe für einen konjunkturellen Aufschwung ihrerseits so komplex und mannigfaltig sind, dass sie sich der Sache nach ebenfalls nur in der Interdependenz der Ordnungen entschlüsseln lassen: „Wer die Ursachen des Aufschwungs aufdecken will, der muß schon weitergreifen und die gesamten treibenden Kräfte der modernen wirtschaftlichen Entwicklung zu erkennen versuchen“ (KK 290). Auch wenn Eucken diese Zusammenhänge – also insbesondere die Entwicklung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, aber wohl auch die dahinterstehenden gesellschaftspolitischen Probleme, die vom Datum der rechtlich-sozialen Organisation nach dem soeben Bedachten miterfasst werden – seinerzeit nicht einmal ahnen konnte, wird die Bedeutung der zuletzt zitierten Stelle für sein Systemdenken besser verständlich, wenn man zwei weitere, miteinander zusammenhängende Aussagen hinzunimmt. Deren erste ist nämlich zeitlos gültig: „Wenn etwa das Gesellschaftsrecht freigebig Gesellschaftsformen zur Verfügung  





rierungen, insbesondere beim Rechtsformwechsel Jens Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001. 97 Jutta Limbach, Theorie und Wirklichkeit in der GmbH. Die empirischen Normaltypen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ihr Verhältnis zum Postulat von Herrschaft und Haftung, 1966. Eine Themenstellung dieser Art dürfte ganz im Sinne Euckens sein. 98 Joachim Schiffers/Carsten Theile, Bilanzrecht der GmbH. Handels- und Steuerbilanz, Konzernbilanz, GmbH & Co. KG, 2016, stellen diese Zusammenhänge handbuchartig, praxisgerecht und unter Einbeziehung des Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes dar.

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§ 1 Freiheit und Ordnung

stellt, in denen die Haftung beschränkt ist, so werden hierdurch die Investierungen stark beeinflußt“ (GWP 9). Es gibt also einen manifesten Zusammenhang zwischen wirtschaftspolitischen Akten im Gesellschaftsrecht und der Investitionslenkung.99 Hier kommt bereits Euckens Misstrauen gegenüber Haftungslegitimierungen aller Art zum Ausdruck, das weiter unten beim konstituierenden Prinzip der Haftung noch eine Rolle spielt.100  

(2) Interdependenz von Wirtschaftspolitik und Rechtspolitik Eucken hat vorhergesehen, dass die neuen Gesellschaftsformen einer Tendenz zur Konzernierung Vorschub leisten (GWP 280). Das Aktien- und GmbH-Recht kann auf diese Weise als Arsenal wirtschaftspolitischer Akte begriffen werden, durch welche die Wirtschaftsordnung gelenkt wird:101 „Jeder Akt – mag es sich um ein Genossenschaftsgesetz oder um ein Gesetz über Markenartikel oder über die Verstaatlichung der Notenbanken handeln – sollte rechtzeitig in seiner unmittelbaren Wirkung auf Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsprozeß, in seinen Tendenzen zur Veränderung der Wirtschaftsordnung, die er auslösen kann, und drittens in seiner Weiterwirkung auf andere Ordnungen gesehen werden“ (GWP 221). Auch an dieser exemplarischen Auflistung zeigt sich, dass Eucken stets alle in Betracht kommenden Rechtsgebiete berücksichtigt, die teilweise nur einschlägigen Spezialisten zugänglich sind, wie das genannte Markenrecht oder das Genossenschaftsrecht.102 Wichtig ist ferner die darin vorausgesetzte Verstaatlichung (GWP 293).103 Hieran zeigt sich paradigmatisch das Zusammenwirken – mit Eucken gesprochen: die Interdependenz – von Wirtschaftspolitik und Rechtspolitik. Beides muss je 













99 Siehe auch Peter-Christian Müller-Graff, Unternehmensinvestitionen und Investitionssteuerung im Marktrecht, 1984, S. 8 f. mit weiteren Nachweisen. 100 Zu einem praktischen Beispiel, das in Euckens Sinne sein könnte, Jens Petersen/Christoph Rothenfußer, Die GbR m.b.H. im System des Gesellschafts- und Steuerrechts, GmbH-Rundschau 2000, 801. 101 Dazu grundlegend Volker Emmerich/Mathias Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Auflage 2016; siehe auch Mathias Habersack, Aktienkonzernrecht – Bestandsaufnahme und Perspektiven, Die Aktiengesellschaft 2016, 691. 102 Zum Genossenschaftsrecht neuerdings Christian Picker, Genossenschaftsidee und Governance, 2019; zum Markenrecht Tobias Lettl, Gewerblicher Rechtsschutz, 2019, S. 178 ff., dort auch zu den europarechtlichen Konnotationen. 103 Andreas Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole im EWG-Vertrag, 1996, S. 23 mit Fußnote 127, wonach insbesondere „die Monopolproblematik in der Regel durch die Überführung eines privaten Monopols in ein staatliches Monopol nicht nur nicht zu lösen ist, sondern sich dadurch sogar noch zuspitzen kann“.  















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doch konzeptionell miteinander in Einklang gebracht werden, weil andernfalls keine wirtschaftsordnungspolitische Linie erkennbar wird, wie die Beispiele aus der Wirtschaftsgeschichte zeigen, wenn sich Wirtschafts- und Rechtspolitik nur nach den politischen Kräfteverhältnissen und nicht nach einem ordnungspolitischen System ausrichten: „Und so ging es von einer wirtschafts- und rechtspolitischen Aufgabe zur anderen; stets in Anpassung an die jeweilige politische Situation“ (GWP 342). Hier scheint bereits der später noch wichtiger werdende Gesichtspunkt auf, dass Wirtschaften gleichbedeutend mit Anpassung ist (GWP 5). Das ist jedoch nur unter der Maßgabe denkbar, dass eine Wirtschaftsordnung verkehrswirtschaftlichen Typs in Gestalt der Wettbewerbsordnung besteht. Euckens G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k stellen die entscheidende Frage: „Wie aber kann die praktische Wirtschafts- und Rechtspolitik so geführt werden, daß sie in allen Einzelheiten der Gesamtentscheidung für die Wettbewerbsordnung entspricht?“ (GWP 306). Auch an dieser Stelle wird die bereits zu Beginn seiner Ausführungen weichenstellende Interdependenz der Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung vorausgesetzt (GWP 14), hier in Gestalt der Interdependenz der Wirtschaftsordnungspolitik (GWP 304).  









b) Gleichgewicht der Wirtschaftsordnung Diejenige Ordnung, die Eucken favorisiert, ist also die Wettbewerbsordnung (GWP 250).104 In ihr lässt sich wirtschaftliche Freiheit am besten verwirklichen. „Ordnung und Freiheit befinden sich in der Wettbewerbsordnung im Gleichgewicht“ (OP 18). Die eingangs dargestellte ‚Möglichkeit zur Freiheit‘ (GWP 217) muss daher für Eucken unter allen Umständen angestrebt werden und kann über die Herstellung einer gerechten Wirtschaftsordnung zur Verwirklichung gelangen: „In der Tat ist der Wille zur Wettbewerbsordnung mit dem Willen zur Freiheit eng verbunden“ (GWP 250). Wettbewerbsordnung und Freiheitsermöglichung bedingen also einander; nur in einer Verfassung der Freiheit kann die Wettbewerbsordnung verwirklicht werden (WV 1).105  





104 Andreas Renner, Der ökonomische Ansatz Walter Euckens, in: Ordnungstheorie und Ordnungspolitik. Konzeptionen und Entwicklungsperspektiven (Hg. Helmut Leipold/Ingo Pies) 2000, S. 1, sowie in demselben Band Dieter Cassel/Corinne Kaiser, Euckens Prinzipien als Maxime der Wirtschaftspolitik – Zum Problem der Einhaltung wirtschaftspolitischer Grundsätze in der parlamentarischen Demokratie, S. 83. 105 Grundlegend Friedrich-August von Hayek, Die Verfassung der Freiheit, 1960; dazu Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, § 1.  







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aa) Wettbewerbsordnung als Stabilitätsgarant des Rechtsstaats Wie aber verhalten sich diese vergleichsweise abstrakten Postulate zur Rechtsordnung? Welche Voraussetzungen kann und muss das Recht gewährleisten, um wirtschaftliche Freiheit in der Wettbewerbsordnung ermöglichen zu können? Für die Beantwortung dieser Fragen gibt Eucken einen Fingerzeig, der in einer auf den ersten Blick überraschenden, bei näherer Betrachtung aber überaus naheliegenden Parallele besteht, nämlich dem Vergleich der Wettbewerbsordnung mit dem Rechtsstaat: „Wie der Rechtsstaat, so soll auch die Wettbewerbsordnung einen Rahmen schaffen, in dem die freie Betätigung des einzelnen durch die Freiheitssphäre des anderen begrenzt wird und so die menschlichen Freiheitsbereiche ins Gleichgewicht gelangen“ (GWP 250).106 Eucken setzt also den funktionsfähigen Rechtsstaat voraus, auf dessen Grundlage die Wettbewerbsordnung gedeihen kann (GWP 48).107 Es handelt sich also nicht einfach nur um einen Parallelismus, sondern dasjenige, mit dem die Wettbewerbsordnung verglichen wird, erweist sich zugleich als ihre Voraussetzung. Umgekehrt wird die Wettbewerbsordnung zum wirtschaftspolitischen Garanten der Rechts- und Staatsordnung, indem sie die kompetitiven Kräfte der Wirtschaftstreibenden in einem rechtlich reglementierten Rahmen zu entfalten hilft und der ungezügelten Anhäufung wirtschaftlicher Macht entgegenwirkt. Die Wettbewerbsordnung immunisiert auf diese Weise die Staatsordnung über ihren engeren ökonomischen Zweck hinaus gegen Anfechtungen der Unfreiheit, die den Rechtsstaat aushöhlen: „Eine gut funktionierende Wettbewerbsordnung vermag den Menschen nicht bloß vor wirtschaftlicher Not zu bewahren. Sie allein schützt ihn vor der Gefahr des Totalitarismus“ (GWP 318). Die Bedeutung dieser Aussage kann nicht hoch genug veranschlagt werden, setzt sie doch voraus, dass Wirtschaftsgrundrechte eben nicht nur Wirtschaftsfreiheit gewährleisten, sondern die Freiheit überhaupt schützen, weil sie darüber hinaus eine gewisse Resistenz gegen Diktaturen garantieren, die gerade dort leichtes Spiel haben, wo den Menschen die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit versagt ist oder infolge grassierender Korruption und Unterjochung jegliche Anreize zum eigenverantwortlichen Wirtschaften verloren gehen. Eine grundrechtlich gewährleistete Wettbewerbsordnung erweist sich daher auch als Stabilitätsgarant für den Rechtsstaat, insbesondere den Schutz auch solcher Grundrechte, die nicht primär die Wirtschaftsfreiheit schützen.  





106 Zu dieser Stelle auch Otto Schlecht, Zur Ethik in Euckens Werk, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000, S. 59, 63. 107 Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 74.  



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bb) Ideengeschichtliche Herleitung der Wettbewerbsordnung Die Abgrenzung der unterschiedlichen Freiheitssphären verläuft bei Eucken in kantischen Fahrwassern, wonach das Recht der „Inbegriff der Bedingungen ist, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“.108 Dazu passt Euckens Vorstellung der Wettbewerbordnung als eines Ortes der Freiheitsentfaltung unter gleichzeitiger Wahrung der Wirtschaftsfreiheit anderer: „Freiheit und Ordnung befinden sich in der Wettbewerbsordnung im Gleichgewicht. Sie wahrt die Selbstverantwortung des Einzelnen; aber sie gewährt ihm nicht die Freiheit, durch Schaffung von Machtgebilden die Freiheit Anderer zu beseitigen“ (NW 82). Kantisches Freiheitsdenken steht also nach Euckens Sichtweise einem unverrückbar waltenden hegelianischen Geschichtsgesetz gegenüber (GWP 330).109 Für diese Deutung spricht, dass sie sich mit der europäischen Wettbewerbsordnung angemessen in Einklang bringen lässt.110  



108 Immanuel Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, Metaphysik der Sitten, Erster Teil (hier zitiert nach der von Bernd Ludwig herausgegebenen Meiner-Ausgabe, 1986), S. 38; dazu auch Johannes Strangas, Kritik der Kantischen Rechtsphilosophie. Ein Beitrag zur Herstellung der Einheit der praktischen Philosophie, 1988; speziell zu der zitierten Stelle wichtig Vittorio Hösle, Eine kurze Geschichte der deutschen Philosophie, 2013, S. 93. 109 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, Nachdruck 2010, S. 169, spielt in geistreicher Weise auf Schiller (Resignation, 1784, 17. Strophe) und dem ihm darin folgenden Hegel (Die Vernunft in der Geschichte, Hg. J. Hofmeister, 1917, 5. Auflage 1955, S. 35) an und bindet diese implizite Abwendung von ihm in seine Vorstellung von Rechtsund Wirtschaftsordnung ein: „Der monopolistische Unternehmer, der monopolistische Wirtschaftsverband wird zwar nach vielen Monaten oder Jahren irgendwann einmal vom wirtschaftlichen Schicksal bestraft (…)“. Aber: „Der Gesamtwirtschaft ist nicht mit der Tatsache geholfen, daß die Weltgeschichte das Weltgericht ist, sondern sie bedarf vielmehr einer (…) Schnelljustiz des Wirtschaftsschicksals, die nur straft, um anzuspornen (…)“. Hervorhebung nur hier. Zu Schillers und Hegels Verständnis der Weltgeschichte als des Weltgerichts im Verhältnis zu Nietzsches ‚Wahrheit als Weltgericht‘; näher Jens Petersen, Die Eule der Minerva in Hegels Rechtsphilosophie, 2. Auflage 2015, S. 107–111 f. Siehe auch Milan Vidmar, Das Ende des Goldzeitalters. Die Menschheit im Umbruch, 2. Auflage 1942, S. 323: „Die Weltgeschichte ist die Berichterstatterin der Politik“. 110 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wirtschaftsordnung und Geschichtsgesetz, in: Wirtschaftsordnung als Aufgabe, Zum 100. Geburtstag von Franz Böhm, Ludwig-Erhard-Stiftung, 1995, S. 111 (=Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts. Beiträge zu Recht, Wirtschaft und Gesellschaft in der EU, 2016, S. 595); ders., Offene Märkte im System unverfälschten Wettbewerbs, Festschrift für Franz Böhm, 1975, S. 345; ders., Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts, 2016, S. 608 f. sowie pointiert auf S. 26: „Von Hegel führt kein Weg zu EU“. Siehe auch Thomas Ackermann, Wettbewerb der Wettbewerbsordnungen im europäischen Binnenmarkt?, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 1997, S. 203; ders., Europäisches Kartellrecht, in: Europäische Methodenlehre (Hg. Karl Riesenhuber) 3. Auflage 2015, S. 631.  







































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Aber auch in anderer Hinsicht ist Euckens Vorstellung der Wettbewerbsordnung ideengeschichtlich aufschlussreich. Ebenso wie die Physiokraten den Kreislauf der Wirtschaft mit dem Blutkreislauf verglichen,111 begriff Eucken die Wettbewerbsordnung idealerweise als gesunden und funktionstüchtigen Organismus: „Die Wettbewerbsordnung läßt sich mit einem Körper vergleichen. Jeder Körper wird ständig von Millionen Bakterien angegriffen. Er kann sich nur dadurch wehren, daß immer wieder Gegenkräfte auf ein Gleichgewicht hinwirken. Die Wettbewerbsordnung muss in dieser Hinsicht reagieren wie ein gesunder Organismus“ (GWP 312). Gegenüber modernen mathematischen Erklärungsmodellen hat Euckens physiologische Sichtweise etwas geradezu liebenswürdig Altmodisches. Wichtiger als diese geschichts- und wirtschaftsphilosophische Betrachtung ist allerdings die damit einhergehende Akzentuierung des Gesichtspunkts des Gleichgewichts. Denn aus dem systematischen Zusammenhang der beiden Sätze ergibt sich, dass das Gleichgewicht auf die Wettbewerbsordnung bezogen ist.  

2. Wechselbezüglichkeit und Verflochtenheit der Ordnungen Wir werden weiter unten noch sehen, dass der zuletzt angesprochene Gedanke des Gleichgewichts in einem systematischen Näheverhältnis zur Interdependenz der Ordnungen steht. Eucken hat bereits in einem frühen, aber für den Ordoliberalismus wegweisenden Aufsatz der Sache nach eine rudimentäre Frühform der Interdependenz angesprochen, wenn es darin einleitend heißt: „Nahe Beziehungen bestehen vor allem zwischen wirtschaftlichen und staatlich-politischen Hergängen, Wechselbeziehungen, die für die heutige Situation des Kapitalismus geradezu entscheidend geworden sind“ (SK 297). Mit dem Begriff der ‚Wechselbeziehungen‘ ist die Interdependenz zwischen Staatsordnung und Wirtschaftsordnung wenigstens angedeutet. Die Verflechtung der Rechts- und Wirtschaftsordnung erhebt Eucken überhaupt zum Grundproblem wirtschaftspolitischer Lenkungsmaßnahmen:112 „Das Gesamtproblem der Lenkung der industriellen Wirtschaft hat am Anfang zu stehen: der große, alltägliche, unabsehbar zusammenhängende Wirtschaftsprozeß und die Verflochtenheit der Wirtschaftsordnung mit den Ordnungen des Staates, des Rechtes und der Gesellschaft“ (GWP 242). An dieser Stelle wird zunächst deutlich, dass es eine Mehrzahl von Ordnungen gibt, die sich nicht in der Wirtschafts- und Rechtsordnung erschöpfen. Davon  

111 Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 296. 112 Thomas Fischer, Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staatsund rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1993, S. 100.  





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wird sogleich noch näher die Rede sein. Für den vorliegenden Zusammenhang sind neben der Rechts- und Wirtschaftsordnung die Ordnungen des Staates und der Gesellschaft wesentlich, die Eucken voraussetzt (GWP 14). Auch sie müssen im Folgenden immer mit bedacht werden, wenn das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung behandelt wird, weil eine starre Isolierung dieser Ordnungen just jene Gefahr in sich bergen würde, von der in der Einleitung die Rede war. Würde man nämlich die Staatsordnung und die Gesellschaftsordnung von vornherein außer Betracht lassen, so würde man der wechselseitigen Abhängigkeit der Ordnungen, für die Eucken sonst den Begriff der Interdependenz verwendet, missachten, zumal da „ohne die ordnende Potenz des Staates eine zureichende Wirtschaftsordnung nicht aufgebaut werden kann und weil umgekehrt eine neue Staatsbildung im Zusammenhang mit dem Aufbau der Wirtschaftsordnung steht“ (GWP 332). Dass Eucken an der zuvor behandelten Stelle weniger technisch, dafür aber griffiger und anschaulicher von ‚Verflochtenheit‘ spricht (GWP 242),113 erklärt sich daraus, dass er zuvor nicht von ungefähr den ‚alltägliche(n), unabsehbar zusammenhängende(n) Wirtschaftsprozeß‘ syntaktisch gleichgeordnet hat. Auch dies geschieht keineswegs zufällig, wie überhaupt Euckens außerordentlich präzise Sprache zwar mitunter spröde anmutet, aber keinerlei Undeutlichkeiten duldet.  





3. Alltäglichkeit des Wirtschaftsprozesses Gerade die Alltäglichkeit ist ein für Eucken zentraler Begriff, wie sich zu Beginn seiner G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e zeigt: Dort erörtert er „die Behandlung des einen nationalökonomischen Hauptproblems aus der Erfahrung des Alltags“ (GN 1) und würdigt bald darauf den Stellenwert der ‚Alltagserfahrung‘, die einerseits einen wichtigen empirischen Zusatz für die wissenschaftliche Betätigung bietet, andererseits in ihrer ungeordneten Mannigfaltigkeit aber auch hinderlich sein kann: „Aus dem wirtschaftlichen Alltag wächst nicht allein das eine große Hauptproblem der Nationalökonomie hervor. Im gleichen wirtschaftlichen Alltag findet sich auch ein unübersehbares Gewirr von Meinungen und Ideologien, die sich mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigen. Der wirtschaftliche Alltag, in welchem jeder Mensch steht, bietet also zweierlei: Den Anstoß zu einer bedeutenden F r ag e , die dringend Antwort fordert, und ein ganz großes H i n d e r n i s , das  

113 Zu dieser Stelle Stephan Lars Sonde, Das kaufrechtliche Mängelrecht als Instrument zur Verwirklichung eines nachhaltigen Konsums, 2016, S. 48; Moritz Peter Haarmann, Wirtschaft – Macht – Bürgerbewusstsein. Walter Euckens Beitrag zur sozioökonomischen Bildung, 2015, S. 424.  







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eine wirklich brauchbare Antwort erschwert oder verbaut“ (GN 10). Die wissenschaftliche Herausforderung besteht also – insoweit ähnlich der Arbeit des Juristen – in der Scheidung des Entscheidungsrelevanten vom Unwesentlichen. Das wird dadurch erschwert, dass Faktizität und Normativität nicht immer leicht voneinander zu sondern sind.114 Denn das alltägliche Erfahrungsmaterial ist nicht immer gleichermaßen faktengesättigt, sondern mitunter durch (Interessenten-) Ideologie durchsetzt, das bestenfalls von einem für die wissenschaftliche Beurteilung unmaßgeblichen und daher ausscheidbaren Dafürhalten geprägt ist.115  





a) Vorwissenschaftliche Erfahrung und denkende Gestaltung Nicht jedweder empirische Befund, gleich von welcher Seite erhoben, genügt also wissenschaftlichen Ansprüchen, weil die Alltagserfahrung über subjektives Meinen hinausgehen muss, um zu objektiver Erkenntnis gelangen zu können.116 Die ihm ungeordnet erscheinende Faktenflut, welche die Historische Schule zutage gefördert hat, läuft seinem Wissenschaftsideal zuwider. Jedoch ist Eucken hinreichend historisch und geistesgeschichtlich bewandert, um zu wissen, dass das menschliche Vorverständnis und – durchaus im Sinne der Philosophie seines Vaters117 – die Weltanschauung auch für die Wirtschaftsordnung prägende Kraft entfalten kann: „Die Meinungen der Menschen, ihre geistige Haltung sind für die Richtung der Wirtschaftspolitik vielfach wichtiger als die wirtschaftlichen Tatsachen selbst“ (GWP 210). Hier wird bereits ansatzweise deutlich, was weiter unten noch näher auszuführen ist, nämlich, dass nicht nur Institutionen, sondern  





114 Jens Petersen, Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001, S. 54. 115 Hans Albert, Zur Wissenschaftslehre und Methodologie Walter Euckens, in: Phänomenologie und die Ordnung der Wirtschaft. Edmund Husserl – Rudolf Eucken – Walter Eucken – Michel Foucault (Hg. Hans-Helmuth Gander/Nils Goldschmidt/Uwe Dathe) 2009, S. 83, 87, spricht zustimmend von der „Vermischung von Analyse und Normsetzung, die in vielen ökonomischen Werken zu finden ist und die zum Beispiel schon Max Weber kritisiert hat“. 116 Ingo Pies, Eucken und von Hayek im Vergleich: Zur Aktualisierung der ordnungspolitischen Konzeption, 2001, S. 34. 117 Rudolf Eucken, Die Lebensanschauungen der großen Denker, 1890; ders., Der Kampf um einen geistigen Lebensinhalt. Neue Grundlegung einer Weltanschauung, 1896; ders., Grundlinien einer neuen Lebensanschauung, 1907; ders., Einführung in die Philosophie des Geisteslebens, 1908; siehe auch Nils Goldschmidt, Das Reich der Wahrheit und die Lebensordnungen. Welche Spuren haben Rudolf Eucken und Edmund Husserl in den Arbeiten Walter Euckens hinterlassen?, in: Phänomenologie und die Ordnung der Wirtschaft. Edmund Husserl – Rudolf Eucken – Walter Eucken – Michel Foucault (Hg. Hans-Helmuth Gander/Ders./Uwe Dathe) 2009, S. 67; Hermann Lübbe, Fundamentalismus, religiöser Pluralismus und die Aufklärung, in: Politische Religion und Religionspolitik. Zwischen Totalitarismus und Bürgerfreiheit (Hg. Gerhard Besier/Ders.) 2005, S. 275, 290.  





















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auch ideengeschichtliche Entwicklungen den Rang einer ‚ordnenden Potenz‘ haben können (GWP 340). Jedoch ist dies schon die elaboriertere Form der zitierten Aussage, die man wohl auch schlicht dahingehend verstehen darf, dass ein naives vorwissenschaftliches Vorverständnis mitunter die Wirtschaftspolitik bestimmt.  

aa) Ordnungsaufgabe Es kommt demgegenüber nicht zuletzt darauf an, die alltäglichen Erfahrungen sachverständig zu ordnen. Euckens diesbezügliche Sonderung ist nicht ohne eine Spur wissenschaftlicher Überheblichkeit: „D i e n a i v e , v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e E r f a h r u n g i s t au ß e r s t a n d e , e i n e k o n k r e t e W i r t s c h a f t s o r d n u n g z u e r k e n n e n . Ihr fehlen die ausreichenden Denkmethoden, und ihr Horizont ist zu eng“ (GN 56).118 Ähnlich hochmütig hat sich übrigens Max Weber über den juristischen Laien geäußert.119 Es ist interessant, wie einig diese beiden Denker – ungeachtet allen unterschiedlichen Verständnisses des Begriffs des Idealtypus – urteilten, wenn es um das Wirtschafts- und Rechtsdenken der ökonomisch oder juristisch ungebildeten Durchschnittsbürger ging. Bei jedem von beiden zeigen  





118 Wolfgang Kunkel, Ernst Levy zum Gedächtnis, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 99 (1969), S. XIII, XXII; knapper als Nachruf auf Ernst Levy, Bayerische Akademie der Wissenschaften, 1968, S. 206, 211 (zu beiden lesenswert: Dorothee Mussgnug (Hg.), Ernst Levy und Wolfgang Kunkel. Briefwechsel 1922–1968, 2005) macht im Hinblick auf die epochalen Arbeiten von Ernst Levy, West Roman Vulgar Law. The Law of Property, 1951; ders., Weströmisches Vulgarrecht – Das Obligationenrecht, 1956, auf die rechtssoziologisch und wissenschaftstheoretisch bemerkenswerte Möglichkeit aufmerksam, dass eine ehedem hohe Rechtskultur durch Erfahrung und äußere Beweggründe, auf ein vorwissenschaftliches Niveau zurückfallen kann: „Die klassischen Rechtsbegriffe haben in weitem Umfang ihre scharfen Konturen verloren; fundamentale Begriffsgegensätze sind verschwunden, ganze Rechtsinstitute abgestorben; die Entscheidung praktischer Probleme ist vereinfacht und vergröbert. Insgesamt hat sich mehr oder weniger ein Rückfall in ‚vorwissenschaftliches‘ Denken vollzogen.“ – Dies könnte auch Eucken interessiert haben, zumal da zu den ausschlaggebenden externen Einflüssen gewiss nicht zuletzt der Handel gehörte, so dass man an diesem historischen Beispiel in gedanklicher Fortführung der Prämissen Euckens über die Möglichkeit spekulieren könnte, dass allmählich verlaufende Änderungen der Wirtschaftsordnung in Richtung der Banalisierung einer ehedem hochentwickelten Rechtsordnung rückwirken und diese dadurch zwar auf ein vorwissenschaftliches Niveau zurückführen, dafür aber den Bedürfnissen an die Rechtspraxis anpassen und paradoxerweise gerade durch ihre Deszendenz der ursprünglich höherstehenden Rechtsordnung ein Fortleben sichern, das sie ohne diese Wechselwirkung mit der Wirtschaftsordnung womöglich gar nicht gehabt hätte. 119 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Auflage 1980, Zweiter Halbband, Kapitel VII, § 8, S. 510: „Und daneben ist ihm das Schließen vom Einzelnen natürlich“. Dazu Jens Petersen, Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2. Auflage 2014, S. 1.  

















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sich nicht nur in dieser Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf das Verhältnis zu der Masse ihrer Fachkollegen durchaus elitistische Züge.

(1) Gewinnung des empirischen Materials Auf der anderen Seite warnt Eucken aber auch vor engstirniger Stubengelehrsamkeit, welche die wirtschaftlichen Fakten außen vor lässt, und postuliert die Sammlung des empirischen Tatsachenmaterials von der Basis aus: „Die Gewinnung muß gleichsam ‚von unten‘ her erfolgen: Aus den konkreten Tatbeständen heraus. Nicht am Schreibtisch des Gelehrten, sondern in Bauernhöfen, Fabriken, Handwerksbetrieben, Haushaltungen und für die Vergangenheit aus detaillierten Nachrichten über frühere Einzelwirtschaften“ (GN 105). Die Arbeit der Ökonomen kann also für Eucken gar nicht tief genug in den Niederungen des Wirtschaftslebens beginnen, bevor daraus verallgemeinerungsfähige Rückschlüsse für das große Ganze gezogen werden können. Die Alltagserfahrung ist also der Ausgangspunkt.120 Es geht ihm buchstäblich um die nötige Bodenhaftung, welche die Volkswirtschaftslehre unter keinen Umständen vermissen lassen darf: „Wenn die Nationalökonomie nicht von den Hergängen im einzelnen Haushalt und im einzelnen Betrieb ausgeht und nicht von deren Untersuchung zu den Gesamtzusammenhängen vordringt, läuft sie Gefahr, den Boden unter den Füßen zu verlieren und zur ‚Stratosphären-Nationalökonomie‘ zu werden“ (NW 44). Auch in dieser anschaulichen Begriffsprägung kommt wohl nicht zuletzt die Abwendung von der Historischen Schule zum Ausdruck, wenngleich die von ihr gewonnenen Fakten womöglich auch als hinreichend genaue wirtschaftsgeschichtliche Tatsachen noch ihren Wert haben können (ÜH 63). Die Gewinnung des empirischen Materials ‚von unten‘ bedeutet für ihn, sich dorthin zu wenden und nach Lösungsmöglichkeiten – bis hin zum drängenden Problem der sozialen Frage (GWP 1) – da zu suchen, wo ganz konkret gewirtschaftet wird und gleichsam die Letztverbraucher ihr Dasein fristen: „Gehen wir in Haushalte und Betriebe. Dort sehen wir, was in unserem geschichtlichen Moment die soziale Frage ist“ (SF 131).  











(2) Methodengerechte Einordnung Erst wenn dieses Tatsachenmaterial gesichtet ist, kann es methodengerecht eingeordnet und von dort her, wo sich das ökonomische Leben abspielt und die wirt-

120 Sven Weberbauer, Shareholder Value orientierte Unternehmenspolitik. Eine wirtschaftsethische und wirtschaftstheoretische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung von Adam Smith und Walter Eucken, 2014, S. 145.  

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schaftliche Wirklichkeit zu Hause ist, wissenschaftlich durchdrungen werden: „Es ist ein verhängnisvoller Irrtum, zu meinen, der Nationalökonom solle sich mit Dogmengeschichte, Methodenlehre, allgemeinen Gesichtspunkten und Wirtschaftsgeschichte beschäftigen, aber nicht mit Betrieben und Haushalten“ (NW 44). Hieran erkennt man, dass Eucken keiner abgehobenen, weltabgewandten Wissenschaft das Wort redete, auch wenn die gedankliche Arbeit den Schwerpunkt der Tätigkeit des Nationalökonomen ausmacht. Die denkende Gestaltung (GN 240), die uns bereits begegnet ist, wird im Folgenden durch die ‚denkende Durchdringung‘ ersetzt: „Von vornherein unterscheidet sich die Wissenschaft von dieser vorwissenschaftlichen Haltung zur Wirtschaft d u r c h R a d i k a l i s m u s d e r F r a g e s t e ll u n g u n d d u r c h d e n k e n d e D u r c h d r i n g u n g d e r T a t b e s t ä n d e “ (GN 69). Gleich zu Beginn der wirtschaftspolitischen Grundsätze betont er die „größte denkerische Anstrengung“ (GWP 1), ohne die das nötige Ordnungsdenken nicht zu bewältigen sei. Nachdem er in der weiter oben zitierten Stelle von der ‚vorwissenschaftlichen Erfahrung‘ gesprochen hat, personifiziert er die Inkompetenz sogar, die nunmehr als der ‚vorwissenschaftliche Mensch‘ erscheint (GN 56).121 Nur durch denkende Gestaltung, also geistige Arbeit lässt sich die Ordnungsaufgabe lösen, die dann auch auf das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung übergreift (GN 240).  











bb) Prinzipienbildung und Rechtsordnung Eucken verdeutlicht diesen Prozess in einer überaus illustrativen Weise anhand eines rechtshistorischen Beispiels, das paradigmatisch den Zusammenhang von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung verdeutlicht: „Es bleibt die Möglichkeit, durch geistige Arbeit und durch ihren Einfluß Ordnungen in Staat und Wirtschaft zu gestalten. Mutatis mutandis befinden wir uns in Fragen der Ordnung der Wirtschaft im 20. Jahrhundert in einer Lage, die mit dem Stande der Rechtspolitik im 17. und 18. Jahrhundert verglichen werden kann. Gegenüber den dauernden Willkürakten der Fürsten, der Stände und ihrer Organe verlangten damalige Rechtsdenker von  



121 So ist etwa im Zusammenhang mit bestimmten Wertentscheidungen auch in der gerichtlichen Entscheidungspraxis (OLG Stuttgart, Neue Juristische Wochenschrift 1979, 2409, 2411) vom ‚Sandhaufentheorem‘ die Rede, während dort bei wissenschaftlicher Betrachtung ein bewegliches System im Sinne Walter Wilburgs (Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, Grazer Rektoratsrede 1950) am Werk ist; Claus-Wilhelm Canaris, Schranken der Privatautonomie zum Schutze des Kreditnehmers, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP) 1980, 709, 716, hat ein ähnlich schönes Wort wie Eucken für juristische Zusammenhänge geprägt, indem er die Qualifizierung durch das OLG Stuttgart (Neue Juristische Wochenschrift 1979, 2409, 2411) als ‚Sandhaufentheorem‘ gegenüber der Lehre vom beweglichen System als „vorwissenschaftliche Bildersprache“ bezeichnet; dazu Jens Petersen, Unternehmenssteuerrecht und bewegliches System. Betriebsaufspaltung, Mitunternehmerschaft, verdeckte Gewinnausschüttung, 1999, S. 29.  

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den scholastischen122 Naturrechtslehrern bis zu K a n t die Realisierung des Rechts durch eine zureichende Rechtsordnung. Sie entwickelten Prinzipien des Rechts. Wer aber sollte sie realisieren? Gesellschaftliche und politische Institutionen standen zunächst nicht zur Verfügung. Aber auf die Dauer wurde der Einfluß des rechtsstaatlichen Denkens so stark, daß es die staatliche und positiv-rechtliche Realität gestaltete. Es wurde faktisch zu einer ordnenden Potenz. Und es erwies sich, daß diese Rechtsdenker die Wegbereiter einer kommenden Zeit waren“ (GWP 339 f.).  



(1) Rechtsdenken und Wirtschaftsdenken Diese Stelle, auf die bereits weiter oben einmal angespielt wurde, musste deswegen so ausführlich und im Zusammenhang wiedergegeben werden, weil sie den geistesgeschichtlichen Prozess veranschaulicht, in dem aus Gedankengebäuden unhintergehbare und konstituierende Ordnungsmomente wurden, denen sich – wie im Falle des Rechtsstaates – keine Rechtsordnung mehr entziehen konnte, die sich dieses Namens würdig erweisen wollte.123 Denkende Durchdringung ist für Eucken also nicht nur etwas Theoretisches, sondern darüber hinaus geeignet, die Praxis zu gestalten. Interessant ist vor diesem Hintergrund das Wort der ‚Rechtsdenker‘, das man nicht nur Juristen vorbehalten sollte.124 Auch Eucken selbst wird man neben Franz Böhm als solchen ansehen dürfen, weil insbesondere seine Gedanken über die Interdependenz von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung auch die theoretische Durchdringung des Rechts auf eine höhere Ebene führen, als er sie vorgefunden hat. Buchstäblich in der Mitte dieses rechtshistorisch und mit Blick auf die juristische Geistesgeschichte fundierten Gedankens und im Anschluss an die Bestandsaufnahme nach der Diktaturerfahrung ergibt sich die knappe Feststellung der Entwicklung von juristischen Prinzipien als aus der von Willkür geprägten Vergangenheit hergeleiteten Aufgabe der Zeit. Juristische Ideengeschichte ist für Eucken also etwas durchaus Reales und Wirkungsmächtiges, sofern sie nicht von  



122 Es ist im Übrigen müßig, darüber zu streiten, ob und gegebenenfalls inwieweit Euckens Ordo-Denken scholastisch genannt werden kann; dazu etwa Egon Edgar Nawroth, Die Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, 1961; Eckart Müller, Evangelische Wirtschaftsethik und Soziale Marktwirtschaft, 1997, S. 40. Von Eucken selbst sind jedenfalls keine bekenntnishaften Äußerungen überliefert. 123 Vittorio Hösle, Eine kurze Geschichte der deutschen Philosophie, 2013, S. 93, hat diesen Gedanken mit großer Subtilität nachgezeichnet. 124 Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014; das Buch versteht sich bei allen kritischen Vorbehalten gegen von Hayeks ungerechtfertigte Herabsetzung der sozialen Gerechtigkeit als Wertschätzung seiner rechtstheoretischen Leistungen.  



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Ideologen vereinnahmt wird: „Hüten wir uns davor, theoretische Analysen der Wirklichkeit mit pseudophilosophischen Gedankenspielereien von Ideologen zu verwechseln“ (NW 24). Theorie und Praxis haben also für Eucken ein klar abgezirkeltes, je eigenes Betätigungsfeld,125 deren erstes nicht durch weltanschauliche Spekulationen vereinnahmt werden darf, um Interessenten-Ideologien Raum und Geltung zu verschaffen.  

(2) Nachdenkende Gestaltung der Rechts- und Wirtschaftsordnung Interessant ist daran nicht zuletzt, dass sich die einzelnen Elemente der Ordnungen, also namentlich die Wirtschafts- und Staatsordnung, aber nach dem Sinnzusammenhang und im Einklang mit dem Gedanken der Interdependenz auch die Rechtsordnung, durch Nachdenken gestalten lassen. Darüber hinaus ist daran bemerkenswert, dass die historische Bewertung der juristischen Geistesgeschichte aus seiner Sicht ergibt, dass die Ergebnisse des Rechtsdenken im Laufe der Zeit zu einem virulenten Faktor der Rechtsentwicklung wurden. Damit wird ein evolutionäres Rechtsverständnis vorausgesetzt,126 für das rechtsphilosophische Errungenschaften der Aufklärung sogar zu einer ‚ordnenden Potenz‘ werden konnten (GWP 340). Die ordnende Potenz stellt überhaupt einen Schlüsselbegriff Euckens dar und wird verschiedentlich auf den Staat bezogen, freilich nur, wenn er imstande ist, bestimmte wirtschaftspolitische Bedingungen zu erfüllen: „Der moderne Staat ist zwar keine zureichende ordnende Potenz, aber er könnte es werden. E i n e Voraussetzung hierfür ist eine (…) bestimmte Wirtschaftspolitik“ (GWP 338).127  



125 Jürgen Habermas, Theorie und Praxis, 1963, hat für die sozialphilosophischen Studien herausgearbeitet, was vielleicht mutatis mutandis auch für die wirtschaftsphilosophischen möglich wäre. 126 Dazu Jens Petersen, Zivilrechtsdogmatik und methodischer Individualismus am Beispiel Rudolf von Jherings, Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2017, S. 87. Zu Jhering ist folgende Stelle Euckens gerade im Hinblick auf das evolutionäre Rechtsdenken wichtig: „Es war die Zeit, als ein Rechtsdenker vom Range Iherings über das Gesamtergebnis seiner rechtsgeschichtlichen Forschung sagte, sie bestätige Darwins Lehre ‚in vollkommenstem Maße‘“ (GN 248). 127 Zum Begriff der im Zitat vorausgesetzten ordnenden Potenz Andreas Freytag, Die ordnende Potenz des Staates: Prinzipien für eine Wettbewerbs- und Währungsordnung, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ingo Pies/Martin Leschke) 2002, S. 113; Heinz Grossekettler, Ordnungstheorie und Recht: Die Rollen von Ökonomen und Juristen bei der Entwicklung und Verteidigung einer koordinationseffizienten Wirtschaftsverfassung, in: Ordnungstheorie und Ordnungspolitik. Konzeptionen und Entwicklungsperspektiven (Hg. Helmut Leipold/Ingo Pies) 2000, S. 429, 434; Ingo Pies, Eucken und von Hayek im Vergleich: Zur Aktualisierung der ordnungspolitischen Konzeption, 2001, S. 54; Thomas Fischer, Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staats- und rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1993, S. 90. Kritisch Helmut Leipold, Einige unzeitgemäße Denkrelikte im Denken in Verfassungen, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ingo Pies/Martin Leschke) 2002, S. 72, 74, auch wenn der Begriff  













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Der Begriff der ordnenden Potenz begegnet noch an aufschlussreicher Stelle, an der es übrigens auch um eine Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts geht:128 „Humboldt suchte nach den Grenzen der Wirksamkeit des Staates, um die Freiheitssphäre des einzelnen Menschen zu sichern. Diese Problemstellung ist eine zentrale. Wir aber suchen diese Grenzen unter dem besonderen Gesichtspunkt der Wirtschaftspolitik, und zwar mit der Fragestellung: Wie kann der Staat zu einer ordnenden Potenz für eine funktionsfähige und freie Ordnung der industrialisierten Wirtschaft werden?“ (GWP 332). Auch in dieser Schrift Humboldts geht es im Gefolge der auch für Eucken eine entscheidende Zäsur bedeutenden französischen Revolution (GWP 13) nicht von ungefähr in erster Linie um die Verwirklichung der Freiheit und Sicherheit durch Begrenzung der Befugnisse des Staates.129 Daher wird auch im folgenden Abschnitt das Rechtsstaatsprinzip als Bedingung der Freiheit behandelt (GWP 48).  







cc) Universelle Wirtschaftspolitik Eucken propagiert nicht nur eine universelle Wirtschaftsordnungspolitik, die eine isolierte Staatsfinanzpolitik, eine Agrar- oder Währungspolitik hinter sich lässt bzw. konzeptionell sinnvoll vereint (WW 53), sondern mahnt zugleich einen neuen Typus des wirtschaftswissenschaftlichen Fachmannes an (NW 45): „Er kennt die Tatsachen und Erfahrungen seines Fachgebietes. Aber er sieht alle Fragen im Rahmen des wirtschaftlichen Gesamtprozesses, in der wirtschaftlichen Gesamtordnung und in der Interdependenz der Ordnungen“ (GWP 345). Auch dieses Verständnis des ‚Fachmannes‘ findet sich wörtlich bei Max Weber,130 für den der ‚Fach 





nicht ausdrücklich genannt wird: „Sein Gesellschaftsverständnis und deshalb auch seine ordnungspolitischen Folgerungen bleiben einseitig, weil sie der Idee einer hierarchisch geordneten Gesellschaft verpflichtet sind, wonach gemeinwohlverpflichtete Eliten im Staat, im Justizwesen, in Kirchen oder in der Wissenschaft als die verantwortlichen Ordnungsinstanzen gedacht werden“. – Ein zumindest unterschwelliger Hang zum Elitismus, von dem bereits gesprochen wurde und der womöglich auch im Elternhaus oder im ‚Euckenbund‘ wurzelt, ist Walter Eucken nicht ganz abzusprechen. 128 Jens Petersen, Wilhelm von Humboldts Rechtphilosophie, 3. Auflage 2016, S. 1 ff. 129 Wilhelm von Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, 1792 (gedruckt 1851). Friedrich August von Hayek, Die Verfassung der Freiheit, 1960, hat ebenfalls die Rechtsstaatsidee unter Berücksichtigung der Ideen Humboldts nachgezeichnet und für die wirtschaftspolitische Diskussion fruchtbar gemacht. 130 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Auflage 1980, Zweiter Halbband, Kapitel VII, § 8, S. 510: „Die juristische Abstraktion des ‚Fachmanns‘ ist ihm (sc. dem Laien) fern“. Auch dazu Jens Petersen, Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2. Auflage 2014, S. 1.  



















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mensch‘ überhaupt eine besondere Bedeutung hat.131 Allerdings muss man sich davor hüten, auch den Begriff des Typus nur auf Max Weber zu beziehen, weil die Verwendung des Typenbegriffs bei Walter Eucken aristotelischen Ursprungs ist und sich auf Vorarbeiten seines Vaters Rudolf bezieht (GN 268).132  

(1) Ausschöpfen wirtschaftspolitischer Erfahrung Nicht von ungefähr steht dieses Ideal Euckens im Abschnitt über die Aufgaben der Wissenschaft (GWP 340). Die im soeben wiedergegebenen Zitat angesprochene Erfahrung spielt für Eucken aber noch in anderer Hinsicht eine Rolle: „In der Währungspolitik, Krisenpolitik, Agrarpolitik, Kartellpolitik, Handelspolitik, Steuerpolitik usw. liegen große Erfahrungen vor. Diese Erfahrungen müssen ausgeschöpft werden“ (GWP 15). Das ‚Ausschöpfen‘ durch ‚denkende Gestaltung‘ kann die Interdependenzbeziehung zwischen den genannten Bereichen zur Geltung bringen, namentlich der Wirtschafts- und Rechtsordnung, zumal da alle genannten Bereiche der einen oder anderen zugerechnet werden können. Denn als empirisches Tatsachenmaterial ist die jahrzehnte- oder sogar jahrhundertelange Erfahrung ein unerschöpflicher Faktor für die wirtschaftspolitische Bewertung, was sich etwa am Beispiel eines unterschiedlich zeitgebundenen Verständnisses sozialer oder gesellschaftlicher Einflüsse zeigt,133 wie Eucken beispielhaft anhand einer dogmengeschichtlichen Erkenntnis Sismondis verdeutlicht, den er auch an anderer Stelle zitiert (GWP 225):134 „Jetzt aber, 120 Jahre später, besitzen wir eine umfassende wirtschafts- und sozialpolitische Erfahrung. Diese Erfahrung auszuschöpfen und für die Zukunft nutzbar zu machen, ist eine wesentliche Aufgabe der Wissenschaft“ (WW 11). Diese Aussage ist noch in anderer Hinsicht bezeichnend für sein wissenschaftsgeschichtliches Vorgehen, wie sogleich noch darzustellen sein wird.  









131 Grundlegend Friedrich Wilhelm Graf, Fachmenschenfreundschaft. Studien zu Weber und Troeltsch, 2014. 132 Rudolf Eucken, Die Methode der Aristotelischen Forschung, 1872, S. 44 f. 133 Zu einem strukturell nicht unähnlichen Argument, wonach Friedrich August von Hayeks evolutionäres Rechtsdenken konsequenterweise auch soziale Entwicklungen und Errungenschaften während des im folgenden Zitat genannten Zeitraums berücksichtigen müsste und auf dieser Basis zu einem anderen Verständnis sozialer Gerechtigkeit gelangen könnte, siehe Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, passim. 134 Jean-Charles-Léonard de Simonde de Sismondi, Nouveaux Principes d’Économie Politique ou de la Richesse dans ses Rapports avec la Population, Vol. I, 2. Auflage 1827.  





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(2) Lösungswege bedeutender Wirtschaftsdenker Bereits in einem allgemein gehaltenen Leitfaden, welcher der pointiert gestellten Frage N a t i o n a l ö k o n o m i e – w o z u ? nachgeht, verdeutlicht Eucken in einer aufschlussreichen Fußnote, warum die Lehren der großen Wirtschaftsdenker nach wie vor prägende Kraft entfalten können, auch wenn sich die zeitbedingten Umstände geändert haben (GN 9): „Es ist anregend, fruchtbar und notwendig, die Geschichte der Wissenschaft – so der Nationalökonomie – zu studieren. Die Probleme und Problemlösungen bedeutender Denker lehren, wesentliche Fragen zu stellen, Wege zu finden und Irrwege zu vermeiden. Wer etwa Klarheit über die Frage haben will, ob es eine »Allgemeine Überproduktion« geben kann, wird von der Diskussion des Problems zwischen Ricardo und Malthus, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts stattfand, sehr gefordert werden“ (NW 20).135 So trivial es auf den ersten Blick erscheint, ist nicht zuletzt der Verweis auf fruchtbare Irrtümer kennzeichnend für seine wissenschaftliche Anschauung. Denn auch das, was durch beharrliches Nachdenken oder gar die wirtschaftliche Wirklichkeit widerlegt wird, gehört zum Erfahrungsschatz der Nationalökonomie und kann der Begehung von Wiederholungsfehlern und verfehlten Denkmustern entgegenwirken: Das veranschaulicht seine Kritik an einem bedeutenden Ökonomen, der zu sehr in allgemeinen Begriffen gedacht und die Interdependenz – insbesondere der Rechts- und Wirtschaftsordnung – zu wenig berücksichtigt habe (GN 252): „So berichtet z. B. Schumpeter, was dieser Kapitalismus in Politik, Recht, Kunst geleistet habe und was er wirtschaftlich hier und da ausführe“ (GWP 206).136 Aber auch die weiter oben in Bezug genommene Kontroverse zwischen Ricardo und Malthus verdeutlicht, dass ideengeschichtliche Fortschritte, sofern sie in methodischer Hinsicht seinen Ansprüchen genügen, durchaus in den Rang einer ‚ordnenden Potenz‘ gelangen können (GWP 340).  





















b) Wissenschaftliches Ordnen der faktischen und normativen Erfahrungen Kenntnis des Lebenssachverhalts und wissenschaftlich gefilterte Alltagserfahrung als faktische Elemente sind also ebenso vonnöten, wie auf normativer Ebene der Sinn für die Verschränkung der Ordnungen, der zur Wirtschaftsordnungspolitik beitragen kann.

135 Dazu Eleonore Lipschitz, Die theoretischen Grundlagen David Ricardos im Lichte des Briefwechsels, 1957, S. 101 ff. Insbesondere zu Malthus Vittorio Hösle, Ethik und Wirtschaftswissenschaft, oder: Wieviel Egoismus braucht der moderne Kapitalismus? Machiavellis, Mandevilles und Malthus‘ neue Erkenntnis und ihre Herausforderung, Festschrift für Johannes Strangas, 2017, S. 21. 136 Vgl. Joseph A. Schumpeter, Capitalism, Socialism, and Democracy, 1942.  





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aa) Wissenschaftliche Erfahrung und unzureichende Alltagserfahrung Doch ist ein solchermaßen universeller Blick den Wenigsten gegeben, weil die meisten Menschen die Alltagserfahrung mit der wissenschaftlich weiterführenden Empirie verwechseln. Dieses Dilemma der beschränkten wissenschaftlichen Geltung von Alltagsbegriffen kennen mutatis mutandis auch Rechtswissenschaftler.137 Es ist also mehr als branchenüblicher Juristendünkel. Das hängt zugleich mit dem Wissenschaftsanspruch der jeweiligen Disziplinen zusammen.138 Daher ist bezogen auf die Nationalökonomie folgende Präzisierung Euckens wesentlich für die Wissenschaftlichkeit der Volkswirtschaftslehre: „Wenn es überhaupt ‚wissenschaftliche Erfahrung‘ – und nicht allein die ganz anders geartete und unzureichende ‚Alltagserfahrung‘ – auf diesem Gebiet geben kann, so nur dann, wenn sich die allgemein-theoretische Problembehandlung als durchführbar erweist“ (GN 21). Eucken verfährt somit durchaus wählerisch, um nicht zu sagen elitär, soweit es um wissenschaftsrelevante Empirie geht. Dadurch dass er an der oben zitierten Stelle (GWP 242) den tatsächlichen Wirtschaftsprozess, wie er in seiner Alltäglichkeit erscheint und dem Betrachter vorderhand undurchdringlich vorkommt, den Ordnungen mit der schlichten Verbindung eines ‚und‘ gleichrangig an die Seite stellt, scheint er Faktizität und Normativität zu vermengen. Indem Eucken jedoch den alltäglichen Wirtschaftsprozess in der Zusammenschau mit der ‚Verflochtenheit‘ der Ordnungen begreift, bewahrt er die Wirtschaftspolitik davor, durch punktuellen Aktionismus „zu einem Chaos unzusammenhängender oder widerspruchsvoller Maßnahmen“ (GWP 251) geraten zu lassen.139 Welchen Stellenwert die Erfahrungen in Euckens System haben und wie wenig man ihnen durch punktuelles Sammeln wissenschaftlich gerecht werden kann, veranschaulicht folgende Bestandsaufnahme: „In der Währungspolitik, Krisenpolitik, Agrarpolitik, Kartellpolitik, Handelspolitik, Steuerpolitik usw. liegen große Erfahrungen vor. Freilich müssen diese Erfahrungen ausgeschöpft werden; mit punktueller Beschreibung ist es nicht getan“ (WV 2).  









137 Jens Petersen, Die systematische Stellung des Allgemeinen Teils vor der Klammer der anderen Bücher, Juristische Ausbildung 2011, 759; zu den so genannten Äquivokationen. 138 Ernst-Joachim Mestmäcker, Über das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Juristische Schulung 1963, 417; bezogen auf die Jurisprudenz; dazu näher Jens Petersen, Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2. Auflage 2014, S. 134 ff. unter der Überschrift ‚Rechtswissenschaft als Beruf‘. Franz Böhm, Die Forschungs- und Lehrgemeinschaft zwischen Juristen und Volkswirten an der Universität Freiburg in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts, in: Aus der Geschichte der Rechts- und Staatswissenschaften zu Freiburg i. Br., 1957, S. 95. 139 Zu dieser Stelle im Hinblick auf die Bedeutung der Faktizität für Eucken auch Egon Tuchtfeldt, Zur Frage der Systemkonformität wirtschaftspolitischer Maßnahmen, in: Zur Grundlegung wirtschaftspolitischer Konzeptionen (Hg. Hans Jürgen Seraphim) 1960, S. 203, 207.  















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bb) Konglomerat von Tatsachen und Rechtsakten Bezieht man die letztgenannten Gebiete auf das Recht, was schon deswegen ohne weiteres möglich ist, weil die betreffenden wirtschaftspolitischen Akte und Maßnahmen häufig Gesetze des Kartellrechts, des Handelsrechts und des Steuerrechts sein werden, dann bieten diese Erfahrungen in der Zusammenschau ein Konglomerat von Tatsachen und Rechtsakten, deren letztere besonders deutlich den Zusammenhang zwischen Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung bis in den transnationalen Bereich hinein aufzeigen:140 „Diese punktuellen Marktregulierungen berücksichtigen regelmäßig nicht zureichend, welche Funktionen Preisschwankungen haben, daß mit der Festhaltung der Preise die Abstimmung der einzelwirtschaftlichen Pläne und Handlungen aufeinander behindert wird, und sie vernachlässigen die Wirkungen, welche die partielle Marktregulierung auf den gesamten Wirtschaftsprozeß des Landes und seine internationalen Beziehungen ausübt“ (NW 74).141 Diese wirtschaftspolitischen Akte wirken natürlich nur auf der normativen Ebene. Faktizität und Normativität werden denn auch nicht miteinander vermengt, sondern in ihrem Ineinandergreifen von Eucken gewürdigt, wovon weiter unten noch näher die Rede sein wird.142 Auch die Tatsachengewinnung ‚von unten‘ her, der Eucken das Wort redet (GN 105), hat eine gewisse rechtstheoretische Parallele, jedenfalls, wenn man gegenüber einem rein normwissenschaftlichen einen realwissenschaftlichen Ansatz favorisiert.143  



140 Siehe nur Andreas Heinemann, Die internationale Reichweite des Kartellrechts, Festschrift für Anton K. Schnyder, 2018, S. 1135. 141 Stefan Grundmann, Privatrecht und Regulierung, Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2017, S. 907, 913 f., fasst den im Text genannten Begriff der Regulierung vom hier interessierenden Gesichtspunkt aus ansprechend zusammen: „Ein theoretisches Konzept von Regulierung und ihre Funktion in Märkten und Gesellschaften legte jedoch erstmalig schlüssig die ordoliberale Schule vor – vor allem der Ökonom Walter Eucken und der Jurist Franz Böhm. (…) Kern des ordoliberalen Konzepts ist das Postulat, dass gleichermaßen eine liberale Ordnung des „laissez faire“ wie auch eine planwirtschaftliche Ordnung als Wirtschaftsverfassung so grundsätzliche Funktionsfehler aufweisen, dass ein drittes Modell beiden zwingend überlegen sei: das liberale Modell freier Markttransaktionen, die freilich ihre Grenze finden in einer hoheitlich vorgegebenen Marktordnung (ordo-liberal)“. 142 Zur Gefahr der im Text genannten Vermengung von Faktizität und Normativität im Bereich der Rechtsdogmatik Jens Petersen, Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001, S. 54 f. 143 In diese Richtung Hans Albert, Rechtswissenschaft als Realwissenschaft. Das Recht als soziale Tatsache und die Aufgabe der Jurisprudenz, 1993; ferner Horst Eidenmüller, Rechtswissenschaft als Realwissenschaft, Juristenzeitung 1999, 53. Zu einem praktischen Anwendungsfall ders./Andreas Engert/Lars Hornuf, Vom Wert der Wahlfreiheit. Eine empirische Analyse der Societas Europea als Rechtsformalternative, Die Aktiengesellschaft 2009, 845. Zum Verhältnis von Normwissenschaft  











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4. Vielgestaltigkeit und Individualität der Wirtschaftsordnung Wirtschaftsordnung ist einerseits ein Inbegriff von Tatsachen, wenn er ihre Aufgabe so beschreibt: „die einzelnen Arbeitsstunden aller arbeitenden Menschen und die unübersehbar vielen sachlichen Produktionsmittel alltäglich so ineinandergreifen zu lassen, daß die wirtschaftliche Knappheit so gut wie möglich überwunden wird“ (GWP 7). Die Überwindung wirtschaftlicher Knappheit als die zentrale Erscheinungsform der Wirtschaft ist für Eucken das ganz konkrete Alltagsproblem (GWP 370). Diese Überwindung der Güterknappheit muss (GWP 8) – auch währungspolitisch (WW 54) – durch ‚ineinandergreifendes‘ wirtschaftspolitisches Handeln angegangen werden, da auch die Wirtschaft selbst in einer „Ineinanderfügung von unübersehbar vielen alltäglichen Plänen und Handlungen“ (GWP 156) besteht (NW 64). Schon aus dieser Formulierung erhellt, dass letztlich wiederum die Interdependenz der Ordnungen auch sedes materiae des Problems der wirtschaftlichen Knappheit ist. Von daher erklärt sich, dass Eucken innerhalb des der Interdependenz der Ordnungen gewidmeten Abschnitts (GWP 180) zu der bildhaften Formulierung findet, wonach der „Einbau eines zureichenden ‚Knappheitsmessers‘ in die moderne Wirtschaftsordnung“ die besondere wirtschaftspolitische Herausforderung und zugleich eine ‚universal-geschichtliche Aufgabe‘ stellt (GWP 184). Gerade dieser ‚Knappheitsmesser‘ (GWP 9) erweist sich im Übrigen als wichtig für die Arbeitsmarktpolitik (GWP 107) und die damit zusammenhängenden Fragen sozialer Gerechtigkeit (GWP 106).144  

























a) Elementarformen und elementare Herausforderungen Neben dieser Aufgabenbestimmung finden sich aber noch weitere Eingrenzungsversuche in Euckens Werk, die den Begriff der Wirtschaftsordnung näher bestimmen. Wirtschaftsordnung bedeutet demnach einen Inbegriff: „Die Wirtschaftsordnung eines Landes besteht in der Gesamtheit der jeweils realisierten Formen, in denen Betriebe und Haushalte miteinander verbunden sind, in denen also der Wirt-

und Realwissenschaft bei Hayek Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, S. 269 f. 144 Dazu Volker Rieble, Walter Eucken und die Frage nach der Arbeitsmarktordnung, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000, S. 199, 201. Er verweist u. a. darauf, dass es in der Frage der Arbeitsmarktordnung einzelne Divergenzen zu Franz Böhm, Kartelle und Koalitionsfreiheit, 1933, S. 29, gibt. Siehe auch Volker Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb. Der Schutz von Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit im Arbeitsrecht, 1996.  









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schaftsprozeß in concreto abläuft“ (GWP 23). Es geht also um eine Gesamtheit der Formen (GWP 180). Die Wirtschaftsformen sollten möglichst mit der Wettbewerbsordnung vereinbar sein (GN 268).  





aa) Variabilität der Wirtschaftsformen und irrationale Faktoren Die Formen wirtschaftlicher Wirklichkeit sind variabel und hängen ihrerseits nach dem Prinzip der Interdependenz vom Datum der rechtlich-sozialen Organisation ab, das wiederum auf den alltäglichen Wirtschaftsprozess Einfluss nehmen kann (GN 157): „Die wirtschaftliche Wirklichkeit, um die sich alles dreht und die wir wissenschaftlich erfassen müssen, zeigt noch eine andere Seite. – Die Formen, in denen der Mensch wirtschaftet, ändern sich fortwährend. Sie sind von Volk zu Volk, von Landschaft zu Landschaft verschieden. Die politischen, rechtlichen und sozialen Institutionen, die Überzeugungen und Neigungen der Menschen sind dem geschichtlichen Wandel unterworfen; mit ihnen ändert sich der wirtschaftliche Alltag“ (NW 24; WW 68 f.). Bereits die Diktion des mittleren Satzes von der Wandelbarkeit der genannten Institutionen ermöglicht einen Anklang an die moderne Institutionenökonomik,145 der in anderem Zusammenhang auch schon bei Eucken festgestellt wurde.146 Allerdings setzt die Stelle zugleich auch die Volatilität menschlicher Einschätzungen voraus, weshalb im Hinblick auf die Übertragbarkeit auf zeitgenössische ökonomische Anschauungen Vorsicht angezeigt ist. Von zentraler Bedeutung ist dabei der Begriff der Variabilität in den erwähnten Formen, die gerade in ihrer möglichen Vielzahl eine prinzipiell unüberschaubare, ja unendliche Möglichkeit von Wirtschaftsordnungen zulassen, wie Eucken in seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e im Wortsinne buchstäblich verdeutlicht: „Wie aus zwei Dutzend Buchstaben eine gewaltige Mannigfaltigkeit von Worten verschiedener Zusammensetzung und verschiedener Länge gebildet werden kann, so aus einer beschränkten Zahl elementarer, reiner Formen zu wirtschaften eine unübersehbare Mannigfaltigkeit konkreter Wirtschaftsordnungen“ (GN 72).  











145 Peter Behrens, Laudatio, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 14: „Auch die Anschlussfähigkeit der Institutionenökonomik an die Idee der Wirtschaftsverfassung liegt auf der Hand“. 146 Fritz Söllner, Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 4. Auflage 2015, S. 240; Wolfgang Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2010, S. 171; Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 365; Gregor Bachmann, Private Ordnung – Grundlagen ziviler Regelsetzung, 2006, S. 10.  













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So gesehen ist die Fülle der Wirtschaftsordnungen indefinit und zukunftsoffen, weil sich nie absehen lässt, wie sich der Wirtschaftsprozess entwickeln und welche neuen Wirtschaftsordnungen sie hervorbringen wird, die aus den Elementarformen hervorgehen können. Der Begriff der Elementarformen ist beiläufig eine jener Wortschöpfungen, die Walter Eucken seinem Vater Rudolf Eucken verdankt.147 Allerdings besteht auch an der zuvor zitierten Stelle (NW 24) bei aller obwaltenden Rationalität, auf welche die Vertreter der Freiburger Schule zur Begründung der normativen Voraussetzungen der Wirtschaftsverfassung Wert legen,148 durchaus Raum für die Einwirkung irrationaler Faktoren – Eucken spricht durchgehend von ‚Kräften‘ (GWP 119/320) –, die namentlich auf die Gestaltung der Rechts- und Wirtschaftsordnungen einwirken können, wie er in den K a p i t a l t h e o r e t i s c h e n U n t e r s u ch u n g e n ausdrücklich zugesteht: „Wir leugnen keineswegs, daß irrationale Kräfte das geschichtliche Leben entscheidend bestimmen und daß von ihnen die Gestaltung der Religionen, des Staates, der Rechts- und Wirtschaftsordnungen weitgehend abhängt“ (KU 45).149 Diese Bemerkung ist philosophisch aufschlussreich, weil sie mit ihrer Anerkennung irrationaler Faktoren nicht zu seiner kantischen Prägung zu passen scheint. Wahrscheinlich ist damit aber eher eine Abwendung von einem hegelianischen Geschichtsverständnis gemeint (GWP 330), wonach sich die Vernunft in  









147 Rudolf Eucken, Einführung in die Hauptfragen der Philosophie, 1919, Kapitel 4 sub. II. Zu ihm auch Nils Goldschmidt, Das Reich der Wahrheit und die Lebensordnungen. Welche Spuren haben Rudolf Eucken und Edmund Husserl in den Arbeiten Walter Euckens hinterlassen?, in: Phänomenologie und die Ordnung der Wirtschaft. Edmund Husserl – Rudolf Eucken – Walter Eucken – Michel Foucault (Hg. Hans-Helmuth Gander/Ders./Uwe Dathe) 2009, S. 67; Friedrich Wilhelm Graf, Die Positivität des Geistigen. Rudolf Euckens Programm neoidealistischer Universalintegration, in: Kultur und Kulturwissenschaften um 1900, Band II: Idealismus und Positivismus (Hg. Gangolf Hübinger/Rüdiger vom Bruch/Ders.) 1997, S. 53. 148 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 19, bringt diesen Zusammenhang am deutlichsten zum Ausdruck: „Die Rationalität des Wirtschaftssystems folgt aus seiner Ordnung durch Wettbewerb und Privatrecht. Die Wirtschaftsverfassung fasst ihren Geltungsanspruch anhand der Prinzipien zusammen, die für ihre Begründung, Gestaltung und Entwicklung gelten“. 149 Wie so viele andere Stellen, an denen Eucken historisch-rechtsvergleichend argumentiert, erinnert auch diese an Max Weber, der bei prinzipieller Rationalität durchaus – gerade im Hinblick auf das Recht – die Mitwirkung irrationaler Determinanten sah; vgl. Jens Petersen, Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2. Auflage 2014, S. 38. Vgl. auch Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II (Übersetzung Jürgen Schröder) 4. Auflage 2015, S. 248: „Im Grunde gehen alle diese Ökonomen, sei es Schumpeter, sei es Röpke, Eucken usw., vom Weberschen Problem (…) der Rationalität und Irrationalität der kapitalistischen Gesellschaft aus“.  

























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der Geschichte verwirklicht.150 Man muss dies aber nicht gleich als einen Schritt in die Gegenrichtung einer irrationalistischen Geschichtsauffassung deuten.151 Im Hinblick auf die Wirtschafts- und Rechtsordnungen wollte Eucken hier wohl vor allem mitteilen, dass menschliche Planung, also die Gestaltung der Rechtsordnung wie die Wirtschaftsplanung von unvorhersehbaren, mitunter sinnwidrig erscheinenden Ereignissen und Determinanten abhängen, die ein erhöhtes Maß an – ohnehin beständig nötiger (GWP 5) – Anpassung erfordern.  





bb) Verteilungsgerechtigkeit unter dem Primat der Vernünftigkeit Die weltgeschichtlichen und wirtschaftspolitischen Aufgaben sind dabei immer dieselben und werden von Eucken – wiederum unter Rekurs auf die ‚Entfaltung der Kräfte‘– wie folgt stichwortartig mit ihren jeweiligen Kausalverhältnissen aufgezeichnet: „Herstellung eines möglichst störungsfreien Wirtschaftsprozesses, dadurch Ermöglichung einer zureichenden Gesamtversorgung und auf dieser Grundlage auch einer vernünftigen Verteilung; Entfaltung der Kräfte, die im einzelnen Menschen zur Verwirklichung streben und sinnvolle Einordnung dieser Kräfte in den Gesamtprozeß; mit alledem größtmögliche Verwirklichung von Gerechtigkeit, Sicherheit und Freiheit im menschlichen Zusammenleben“ (GWP 190). Die zur Entfaltung strebenden Kräfte, von denen er spricht, markieren die Individualität und könnten einen Anklang an Wilhelm von Humboldts Staatsschrift darstellen, die Eucken, wie bereits weiter oben angedeutet, an einer Stelle zitiert (GWP 332).152  





150 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Die Vernunft in der Geschichte (Hg. J. Hofmeister) 1917, 5. Auflage 1955. Francis Fukuyama, The Ende of History and the Last man, 1992, hat in seinem Gefolge eine höchst zweifelhafte Geschichtsphilosophie entwickelt, die er neuerdings wieder zu verteidigen sucht; ders., Identity. The Demand for Dignity and the Politics of Resentment, 2018. 151 Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 3. Auflage 1959; zu seiner Rechtsphilosophie, aber auch zu seinen nicht unbedeutenden Gedanken über die Ökonomie Jens Petersen, Schopenhauers Gerechtigkeitsvorstellung, 2016. 152 Wilhelm von Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, 1792 (gedruckt 1851). Näher zum Ganzen, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, insbesondere zur Abgrenzung zu Adam Smith, John Stuart Mill und James Buchanan, Jens Petersen, Wilhelm von Humboldts Rechtsphilosophie, 3. Auflage 2016. Siehe auch John Rawls, A Theory of Justice, 1971, Chapter 9 Footnote 4; dazu Charles Taylor, Negative Freiheit, 3. Auflage 1999, S. 173. ErnstJoachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 37, präzisiert: „Walter Eucken hat das politische Spannungsverhältnis, man könnte auch sagen, das politische Minenfeld, das sich aus einer an ordnungspolitischen Grundsätzen orientierten Wirtschaftspolitik ergibt, in den Grundsätzen der Wirtschaftspolitik abgesteckt. Es geht eben nicht nur, wie er im Anschluss an Wilhelm von Humboldt betont, darum, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen. (…) Ihm kam es offenbar darauf an, den mit der Wahl der Ordnungsformen verbundenen Zuständigkeiten staatlicher und wirtschaftlicher Stellen und deren Macht Grenzen aufzuzeigen“.  











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Die im Zitat letztgenannte Zielsetzung, auf die alles hinausläuft, ist deswegen besonders bemerkenswert, weil er sich nicht scheut, sogar vor der Sicherheit und Freiheit auch die Gerechtigkeit zu nennen, die in Verbindung mit einem der vorgenannten Zwischenschritte durchaus auch als Verteilungsgerechtigkeit verstanden werden darf. Allerdings sollte man das nicht unnötig weltanschaulich aufladen, sondern die Alliteration berücksichtigen: Es geht Eucken ausdrücklich um ‚vernünftige Verteilung‘. Das muss man nicht kantisch überhöhen, sondern meint wohl eher einen Aufruf zu Maß und Mitte. Denn dass es neben unzweckmäßigen auch schlichtweg ungerechte Wirtschaftsordnungen gibt, hat Eucken bereits in seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e festgestellt: „Die Wirtschaftsordnungen waren oft unzweckmäßig; der alltägliche Wirtschaftsprozeß findet in ihnen oft kein Gleichgewicht. Oder sie sind ungerecht. So oder so: Die Wissenschaft hat sie zu untersuchen und ihr Ordnungsgefüge festzustellen“ (GN 238). Es gibt also für ihn einen inneren Zusammenhang zwischen Zweckwidrigkeit, Gleichgewichtslosigkeit und Ungerechtigkeit. Wichtiger ist einstweilen der Untersuchungsauftrag, den er der Wissenschaft erteilt. Sie aber kann das Ordnungsgefüge nur dann ermitteln, wenn sie die wirtschaftliche Wirklichkeit in den Blick nimmt.  

b) Individualität der Wirtschaftsordnung Im Hintergrund steht somit bei alledem der vielschichtige Begriff wirtschaftlicher Wirklichkeit, die es zu erkunden und der es gerecht zu werden gilt: „Die Wirklichkeit zeigt eine unabsehbare Mannigfaltigkeit von Wirtschaftsordnungen individueller Prägung, wobei jede einzelne sehr kompliziert aufgebaut ist“ (GN 110). Mit diesem Verständnis erschöpft sich die Wirtschaftsordnung zunächst in einer faktischen Beschreibung all dessen, was sich in wirtschaftlicher Hinsicht jeden Tag ganz konkret und tatsächlich ereignet, wie Eucken auch an anderer Stelle seiner G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e voraussetzt (GN 21). Hier kommen erneut diejenigen Vergleiche mit Kultur und Sprache zur Geltung, von denen bereits die Rede war. Jede Wirtschaftsordnung ist einzigartig, weil sie aus einer Kombination von Elementen zusammengefügt ist, die wie die Buchstaben einer Sprache (GN 72) und die Töne in der Musik unendliche Ordnungen ermöglichen, die aus einer begrenzten Menge vorgegebenen Materials zusammengefügt werden: „Ebenso (sc.: wie bei der Kombination einer begrenzten Zahl von Tönen durch die großen Komponisten) steht es mit den Wirtschaftsordnungen. Jede ist eine Individualität. (…) Aber diese Individualität jeder einzelnen Wirtschaftsordnung beruht nicht darin, daß jeweils nicht ganz neue reine Formen verwirklicht sind, sondern sie ergibt sich aus der Auslese der verwirklichten reinen Formen, deren Zahl begrenzt und übersehbar ist, und aus der besonderen Art ihrer Verschmelzung“ (GN 166).  







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Einen ähnlichen Mechanismus, den man später zur Erklärung des Ordoliberalismus mit der Spielmetapher veranschaulicht hat, wonach die Spielregeln beschränkt und vorgegeben, die Spielzüge aber frei und potentiell unendlich sind,153 veranschaulicht Eucken selbst hier auf einer anderen Ebene in der Sprache der Kunst.154 Diesen Gedanken hat Eucken in seinem letzten Londoner Vortrag womöglich noch prägnanter zum Ausdruck gebracht: „So wie unabsehbar viele Melodien aus wenigen Tönen entstehen, so bilden sich unabsehbar viele Wirtschaftsordnungen durch Verschmelzung einer unübersehbaren Zahl reiner Formen“ (WW 70). Man kann also von einer ‚Individualität und Mannigfaltigkeit‘ der Wirtschaftsordnungen sprechen (GWP 21).  



c) Individualität des Ordnungsgefüges Folgerichtig gibt es für Eucken auch eine Individualität des Ordnungsgefüges, die bestimmte Ausprägungen des Wirtschaftsprozesses etwa Konjunkturschwankungen erfassen kann.155 Diese haben ihn in wissenschaftlicher Hinsicht seit jeher interessiert (KK 286):156 „Gerade weil so die I n d i v i d u a l i t ät jeder Konjunkturschwankung und des wirtschaftlichen Ordnungsgefüges, in dem sie stattfindet, voll herausgestellt wird, führt man sie t h e o r e t i s c h e r Behandlung zu, welche es ermöglicht, den Zusammenhang der wirtschaftlichen Veränderungen zu erkennen“ (GN 187). Die Modalität, die an dieser Stelle vorausgesetzt wird, ist die Anwendung des von Eucken so genannten ‚morphologischen Apparats‘, die ‚morphologische Analyse‘ (GWP 60):157 „Die Herausarbeitung dieser Individualität jeder Konjunkturschwankung ist der erste Schritt. Er gelingt (…) insbesondere in Anwendung des morphologischen Systems“ (GN 190). Von diesem soll daher im Folgenden die Rede sein. Die Individualität des Ordnungsgefüges, das wissenschaftlich herauszuarbeiten ist, um unzweckmäßige oder gar ungerechte Wirtschaftsordnungen über 





153 Carl Christian von Weizsäcker, Ist Eucken noch aktuell? Anmerkungen zu „Walter Euckens Ordnungspolitik“, herausgegeben von Ingo Pies und Martin Leschke, ORDO 55 (2004) 345, 349. 154 Viktor Vanberg, Privatrechtsgesellschaft und ökonomische Theorie, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 131, 134, hat die an das Schachspiel erinnernde Metapher bis auf die klassische Wirtschaftsphilosophie zurückverfolgt; dazu auch Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017. 155 Zur Konjunkturforschung Wilhelm Röpke, Krise und Konjunktur, 1932. 156 Dazu Willibald J. Folz, Das geldtheoretische und geldpolitische Werk Walter Euckens, 1970, S. 125 ff. 157 Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685, 691.  







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winden zu können (GN 238), ist daher auch für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung von Bedeutung, wie folgende Aussage verdeutlicht: „Die Funktion von Rechtsinstitutionen variiert mit der Marktform und dem Ordnungsgefüge der Wirtschaft überhaupt“ (GWP 50). Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung stehen demnach in einem Verhältnis der Interdependenz zueinander (GWP 104). In diesem Sinne lässt sich auch – obwohl es prinzipiell eine indefinite Zahl konkreter Wirtschaftsordnungen gibt (GN 72) – sinnvollerweise im Singular von der Wirtschaftsordnung sprechen, weil sie einen Inbegriff von Formen darstellt, also von Arten der Wirtschaftslenkung. In diesem Sinne kann Eucken sagen: „Denn je nach der Wirtschaftsordnung – also je nach der Art der Wirtschaftslenkung – sind Freiheitssphäre und Selbstbestimmungsrecht des Menschen verschieden“ (GWP 179). Es kommt also insbesondere darauf an, ob es sich um eine Verkehrswirtschaft oder um eine Zentralverwaltungswirtschaft handelt (GN 78).158 In einer zentralgeleiteten Wirtschaft hat eben die Vertragsfreiheit einen anderen, niedrigeren Stellenwert als in einer Verkehrswirtschaft, wodurch sich notwendigerweise auch die Privatautonomie entsprechend verringert (GWP 88). Wirtschaftsordnung ist für Eucken ganz allgemein „die Gesamtheit der realisierten Formen, in denen in concreto jeweils der alltägliche Wirtschaftsprozeß abläuft“ (GN 238). Ganz ähnlich beschreibt er die Wirtschaftsordnung in einem späten Londoner Vortrag (WW 12). Wie man sieht, ist die weiter oben genannte Definition der G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k hier nur minimal verändert worden (GWP 23). Dort nimmt Eucken auf die Haushalte und Betriebe Bezug, in den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e verallgemeinert er dies gleichbedeutend, indem er vom Ablauf des alltäglichen Wirtschaftsprozesses spricht. Das ist systematisch deswegen folgerichtig, weil die Alltäglichkeit und Alltagserfahrung gerade in diesem Werk ein wichtiger Baustein ist (GN 10).  



























158 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 23, erklärt die Maßgeblichkeit dieses Unterschieds hinsichtlich seiner normativen Grundlagen und Implikationen besonders deutlich: „Das Prinzip individueller Autonomie übersetzt Walter Eucken in seiner Theorie von Wirtschaftsordnungen in dezentrale Planungsfreiheit als Kennzeichen marktwirtschaftlicher Ordnungen. Dem steht das Prinzip zentraler Planung in Zentralverwaltungswirtschaften gegenüber. Auch diese Wirtschaftssysteme hat Walter Eucken in den Grundlagen der Nationalökonomie analysiert. Erneut erweist sich das Verhältnis von Recht und Ökonomie als maßgeblich. Den privatrechtlichen Planungs- und Handlungsfreiheiten in der Marktwirtschaft steht in der Zentralverwaltungswirtschaft das Prinzip von Befehl und Gehorsam gegenüber. Die marktwirtschaftliche Ordnung geht aus regelgebundener Planungsfreiheit hervor. In der Zentralverwaltungswirtschaft ist der Plan Gesetz. Befehlshaber ist die Planungsinstanz.“ – Hervorhebung nur hier.  



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5. Morphologische Analyse Eine Durchdringung des alltäglichen Wirtschaftsprozesses muss also bestimmten Voraussetzungen und Verfahrensweisen Rechnung tragen, um wissenschaftlichen Anforderungen zu genügen (GN 38). Damit ist der Schlüsselbegriff der Morphologie angesprochen,159 die für Eucken mit der damit notwendigerweise einhergehenden allfälligen empirischen Detailarbeit in den Niederungen des Wirtschaftslebens alternativlos ist (GN 105):160 „Es gibt nur einen Weg, der Erfolg verspricht. Durch eindringende Untersuchung der konkreten Betriebe, Haushalte oder Planstellen. Wir dürfen uns nicht in die Wolken begeben, sondern sollten auf der Erde konkrete Einzelwirtschaften morphologisch analysieren.161 (…) Die morphologische Analyse der Realität sollte stets der theoretischen Analyse vorausgehen. In den konkreten Wirtschaftsordnungen sollten wir die realisierten Ordnungsformen aufsuchen und diese Formen stellen die Basis der theoretischen Analyse dar“ (GWP 60 f.).162 Dieser Gedanke ist für ihn so zentral, dass er sich in ähnlicher Formulierung auch an anderer Stelle findet (WW 71). Es geht Eucken also um die Erkenntnis der Wirtschaftsformen im Wege morphologischer Analyse (GN 123). Den von ihm so genannten ‚morphologischen Apparat‘ vergleicht er bildhaft mit einem Mikroskop (GN 192). Diese Metapher unterstreicht den Anspruch strenger Wissenschaftlichkeit.  













159 Willi Bongard, Nationalökonomie, wohin? Realtypen des wirtschaftlichen Verhaltens, 1965, S. 111 Anmerkung 2, stellt dem wirtschaftswissenschaftlichen Verständnis der Morphologie dasjenige der Naturwissenschaften gegenüber, das von Goethe für die Biologie fruchtbar gemacht wurde. Auf diesen könnte sich Eucken bezogen haben; Winfried Reiß, Arbeitsbuch mikroökonomische Theorie, 2008, S. 238. Grundlegend Johann Wolfgang von Goethe, Sämtliche Werke, Band 12 der Münchner Ausgabe, Zur Naturwissenschaft überhaupt, besonders zur Morphologie, 2006. 160 Thomas Fischer, Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staatsund rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1993, S. 22, zur Genese des morphologischen Systems. 161 Arthur Schopenhauer, Ueber Schriftstellerei und Stil, in: Parerga und Paralipomena, 1851, § 272, hat interessanterweise eine vergleichbar bildhafte Wendung zur Veranschaulichung des Naturrechts benutzt: „Ein eigenthümlicher Fehler der Deutschen ist, daß sie, was vor ihren Füßen liegt, in den Wolken suchen.“ Zu dieser Stelle Jens Petersen, Schopenhauers Gerechtigkeitsvorstellung, 2016, S. 1. 162 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 355, begreift Morphologie prägnant als „die Analyse historischer Ordnungsformen“.  













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a) Morphologischer Apparat zur Erkenntnis des Ordnungsgefüges Statt ‚ungenaue Globalbegriffe‘ (GWP 60) bzw. ‚sentimentbeladene Worte‘ (GWP 197) wie Sozialismus oder den von ihm wiederholt apostrophierten Kapitalismus (GWP 25; GN 60) mit ‚weltanschaulicher Färbung‘ (GWP 3) zu verwenden,163 die sich ohnehin „nur in der Doktrin bekämpfen, de facto ineinander übergehen“ (OP 16) und nichts über das jeweilige Ordnungsgefüge aussagen (GN 57), empfiehlt er analytische Arbeit und ein Denken in Ordnungsformen (GWP 125): „Die Überwindung des unklar-globalen Denkens, das mit hypostasierten Begriffen wie Kapitalismus arbeitet, ist ebenso notwendig wie die Anwendung des morphologischen Denkens und Klarheit darüber, daß je nach der wirtschaftlichen Ordnungsform die Funktion der Rechtsinstitution wechselt und also jeder rechtspolitische Akt je nach den dominierenden Ordnungsformen verschiedenes bedeutet“ (GWP 223).  













aa) Morphologie im Verhältnis zur Rechts- und Wirtschaftsordnung Diese Stelle ist für den Zusammenhang zwischen Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung von besonderer Bedeutung, weil sie die Abhängigkeit der rechtlichen Einordnung und Bedeutung bestimmter Institute, wie etwa des Privateigentums, von der jeweiligen Wirtschaftsform voraussetzt (GWP 104).164 Auch die Bedeutung von Gesetzen und anderen ‚rechtspolitischen Akten‘ hängt von der jeweiligen wirtschaftlichen Ordnungsform ab. In einer Marktwirtschaft wirken Gesetze gleichen Wortlauts anders als in einer Zentralverwaltungswirtschaft, weil nur jene mit den Anforderungen eines Rechtsstaates, insbesondere der Geltendmachung von Individualrechten vor unabhängigen Verwaltungsgerichten, vereinbar ist (GWP 130). Hier zeigt sich die Interdependenz, die zwischen Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung besteht, in aller Deutlichkeit. Zudem ist der Gedanke deswegen bemerkenswert, weil er einen unmittelbaren Zusammenhang des maßgeblichen Verfahrens der morphologischen Analyse mit möglichen Erkenntnissen über das  



163 Anders noch im frühen Schrifttum – unter dem Pseudonym ‚Dr. Kurt Heinrich‘ – Walter Eucken, Sozialismus und Aufklärung. Kritische Betrachtungen zu Sombarts ‚Sozialismus‘, Der Euckenbund 1 (1925) 29; ders., Die geistige Krise und der Kapitalismus, Die Tatwelt 2 (1926) 13; ders., Besprechung von Rudolf Eucken: Der Sozialismus und seine Lebensgestaltung, Die Tatwelt 2 (1926) 117; ders., Religion-Wirtschaft-Staat, Die Tatwelt 8 (1932) 82; ders., Religion und Sozialismus. Eine Fortsetzung der Diskussion, Die Tatwelt 3 (1927) 127; ders., Vom Radikalismus sozialistischer und Euckenscher Prägung, Die Tatwelt 3 (1927) 44. 164 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 13, stellt den Zusammenhang treffend her und bringt es auf den entscheidenden Begriff: „Es ist die funktionale und normative Interdependenz von Recht und Ökonomie in der Erkenntnis der Ordnungselemente von Wirtschaftssystemen. Eucken nennt diese Elemente auch ‚Ordnungsformen‘“.  





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Verhältnis der Rechtsordnung zur Wirtschaftsordnung voraussetzt. Das einzig erfolgversprechende Verfahren ist somit die morphologische Analyse, die er in den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e näher ausführt:165 „Zu einem umfassenden morphologischen Apparat von Wirtschaftssystemen mit ihren zahlreichen Ausprägungen führt somit die – mit Hilfe pointierend hervorhebender Abstraktion in die wirkliche Wirtschaft vorgetriebene – Analyse“ (GN 123).166 Damit ist nicht nur das oft wiederkehrende Stichwort der ‚pointierend hervorgehobenen Abstraktion‘ (GN 353),167 sondern auch das noch bedeutsamere des ‚morphologischen Apparats‘ gefallen (GN 198). Dieses erschließt sich am besten in den unterschiedlichen Kontexten, in denen Eucken es verwendet. Am Beispiel staatlicher Preisbindung, die auf unterschiedlichen Märkten verschiedenartige Marktformen vorfand, kommt er zu dem Schluss, dass sie je nach Marktform etwas Anderes bedeutet (GN 272), also bei geschlossenen Märkten etwa nicht dasselbe wie bei vollständiger Konkurrenz (GWP 25; GN 91):168 „Diese Betrachtungsweise, nämlich die Anwendung des morphologischen Apparates auf konkrete Erscheinungen ermöglicht es, in Erfassung von Einzelheiten den Gesamtcharakter jeder Wirtschaftsordnung verständlich zu machen. Das Einzelne verschwindet nicht,  















165 Thomas Fischer, Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staatsund rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1993, S. 37, zum morphologischen Apparat. 166 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 357, beschreibt dies treffend als Weg „zur Gewinnung der idealtypischen Wirtschaftssysteme (der Ermittlung ihrer Morphologie).“ 167 Hans Albert, Zur Wissenschaftslehre und Methodologie Walter Euckens, in: Phänomenologie und die Ordnung der Wirtschaft. Edmund Husserl – Rudolf Eucken – Walter Eucken – Michel Foucault (Hg. Hans-Helmuth Gander/Nils Goldschmidt/Uwe Dathe) 2009, S. 83, 89, zu diesem eigentümlichen Vorgehen: „Das Verfahren, das bei der Reduktion des Gegebenen auf reine Fälle anzuwenden ist, wird von Eucken ‚pointierend hervorgehobene Abstraktion‘ genannt, aber keineswegs so charakterisiert, dass man darin eine Methode erkennen könnte. (…) Dabei muss wohl zumindest der Begriffsapparat der ökonomischen Theorie vorausgesetzt werden“. 168 Zu ihr Rüdiger Robert, Konzentrationspolitik in der Bundesrepublik – Das Beispiel der Entstehung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1976, S. 82; Wolfgang Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten. Untersuchung zu Möglichkeiten und Grenzen eines regulativen Paradigmenwechsels im internetbezogenen Verbraucherprivatrecht, 2006, S. 85; Josef Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers. Eine Studie zum Privat- und Wirtschaftsrecht unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Bezüge, 1998, S. 119; Carsten Schreiter, Wettbewerbsordnung und Wettbewerbstheorie, in: Theorie der Ordnungen. Lehren für das 21 Jahrhundert (Hg. Peter Engelhard/Heiko Geue) 1999, S. 101, 104; Ralf Ptak, Vom Ordoliberalismus zur Sozialen Marktwirtschaft. Stationen des Neoliberalismus in Deutschland, 2004, S. 180; Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 352.  

























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sondern es wird eingeordnet und wird so verständlich gemacht“ (GN 165). An dieser Stelle scheint Euckens Methodologie weniger von Kant als von Hegels Dialektik inspiriert, weil die Einzelheit gleichsam in höherem Sinne ‚aufgehoben‘ wird. Doch muss man sich auch hier vor vulgärphilosophischen Gleichsetzungen hüten, weil er bei allen scheinbaren Anleihen auch immer so viel spezifisch Eigenes in seinem Denken aufzuweisen hat, dass alle Zuschreibungen Gefahr laufen, in die falsche Richtung zu gehen, weil es ihm letztlich um die Lösung des Ordnungsproblems geht.  

bb) ‚Archimedischer Punkt‘ So wird ein allgemeines Ordnungsprinzip hinter der Vielgestaltigkeit möglicher Wirtschaftsordnungen sichtbar; die unüberschaubare Menge ist denn auch kein Hindernis: „Wer über den ‚Pluralismus‘ klagt, der nicht nur in den Marktformen, sondern im ganzen morphologischen System – einschließlich der zentralgeleiteten Wirtschaft mit ihren beiden Formen – zum Ausdruck kommt, verkennt das Problem“ (GN 110).169 Folgerichtig hat Eucken etwa die fünundzwanzig denkbaren Marktformen übersichtlich und möglichst exakt kombinatorisch aufgefächert (GWP 22), die sich als Formen der Nachfrage und des Angebots bei Vorliegen der Konkurrenz, des Teiloligopols, des Oligopols, des Teilmonopols und des Monopols ergeben (NW 36). Die ‚wissenschaftliche Morphologie‘ soll dabei die empirische Vielgestaltung historischer Erfahrung und gegenwärtiger Beobachtung, welche die wissenschaftliche Erkenntnis trüben, überwinden und stattdessen auf Tatsachengrundlage Aufschluss geben über planvolles wirtschaftliches Handeln, das die Güterknappheit zu überwinden hilft (GWP 8): „Wenn wir aus dem Gewirr der ungeheuren geschichtlichen Mannigfaltigkeit herauskommen wollen, die alles Erkennen und alles Handeln unsicher macht, ist es nötig, einen archimedischen Punkt zu suchen, von dem aus es möglich ist, die wirtschaftliche Wirklichkeit in ihren Formen und ihrem alltäglichen Ablauf zu erkennen“ (GWP 20). Dieser Satz fasst beiläufig vieles von dem zusammen, was im Verlauf der bisherigen Überlegungen angedeutet wurde: die empirische Vielfalt, hinter der sich kein zwangsläufiges Geschichtsgesetz ausmachen lässt,170 die Orientierungs 













169 Zu den Marktformen nennt er (NW 36 Fußnote 5) neben Heinrich von Stackelberg, Marktform und Gleichgewicht, 1934, von seinem eigenen Schüler Leonhard Miksch, Wettbewerb als Aufgabe, 2. Auflage 1947. Zum Erstgenannten der Nachruf von Walter Eucken, Obituary. Heinrich von Stackelberg (1905–46), The Economic Journal 58 (1948) 132. 170 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wirtschaftsordnung und Geschichtsgesetz, in: Wirtschaftsordnung als Aufgabe, Zum 100. Geburtstag von Franz Böhm, Ludwig-Erhard-Stiftung, 1995, S. 111  







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losigkeit unsicherer Handlungsempfehlungen und die Unmöglichkeit, der wirtschaftlichen Wirklichkeit ohne eine prinzipienorientierte, planende Grundlage Herr zu werden. Mit der Bezeichnung des archimedischen Punktes meint Eucken also, dass „alles wirtschaftliche Handeln stets und überall auf Plänen basiert“ (GWP 20).171 Auf die Rechtsordnung bezogen ist ebenfalls die Planung ein wesentlicher Baustein des Unternehmens- und Wettbewerbsrechts.172  

b) Wiedergabe elementarer Ordnungsformen Eucken selbst paraphrasiert die Leistungsfähigkeit seines Ansatzes dahingehend, dass „es in Anwendung des morphologischen Apparats gelingt, das Ordnungsgefüge und damit den Aufbau der Wirtschaftsordnung einer jeden Zeit und eines jeden Volkes zu erkennen“ (GN 163). Gerade im Hinblick auf die angestrebte Leistungsfähigkeit gibt es auch in wissenschaftstheoretischer Hinsicht173 – aufschlussreiche Parallelen zwischen der von Eucken intendierten theoretischen Fundierung der Morphologie und der juristischen Theoriebildung.174  



aa) Morphologie und juristische Methodenlehre Der selbstgesetzte Anspruch richtet sich also sowohl in temporaler als auch in lokaler Hinsicht auf beliebige Wirtschaftsordnungen und ist daher universell ausgerichtet. Dieses hermeneutische Prinzip wirkt in der Weise erkenntnisleitend, dass es die Ordnungsformen in Reinkultur abbildet: „Denn die Morphologie gibt nichts anderes wieder als die elementaren Ordnungsformen“ (GN 164). Die Morphologie hat für ihn einen regelrecht wissenschaftstheoretischen Rang, weil sie ein  

(=Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts. Beiträge zu Recht, Wirtschaft und Gesellschaft in der EU, 2016, S. 595). 171 Zu dieser Stelle auch Franz Beitzinger, Politische Ökonomie des Politikbetriebs. Die konzeptionellen Unterschiede verschiedener ökonomischer Theorietraditionen in Analyse und Bewertung politischer Ordnungen, 2018, S. 28. 172 Wolfgang Fikentscher, Systemfragen im europäischen Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. 261, 262, zieht den Bogen von der Rechtsordnung zur Wirtschaftsordnung: „Grundeinheit des Wirtschaftslebens wie des Wettbewerbsrechts ist daher das unabhängig planende Unternehmen. Die Unternehmensplanung wird dabei wie im Sinne Euckens verstanden“. Er verweist nicht nur auf GN 95, sondern auch auf Edith Penrose, The Theory of the Growth of the Firm, 1959, p. 15 f. 173 Immer noch grundlegend Thomas Kuhn, The Structure of Scientific Revolutions, 1962. 174 Siehe zur Theoriebildung in der Rechtswissenschaft vergleichsweise Claus-Wilhelm Canaris, Theorienrezeption und Theorienstruktur, Festschrift für Kitawaga, 1992, S. 59; ders., Funktion, Struktur und Falsifikation juristischer Theorien, Juristenzeitung 1993, 377.  















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unerlässliches Verfahren schafft, das jedes Mal aufs Neue durchgeführt werden kann, um die wirtschaftliche Wirklichkeit mit all ihren Ordnungsformen auf der Basis konkreter Tatsachen zu erkennen:175 „Die Morphologie ist aus wissenschaftlichem Impuls entstanden. Ohne sie ist die Erkenntnis der wirtschaftlichen Wirklichkeit unmöglich. – Durch Anwendung des morphologischen Systems, das aus der realen Wirtschaft, also ihren Betrieben und Haushalten gewonnen ist, läßt sich alle reale Wirtschaft in ihrem Ordnungsaufbau erkennen“ (GWP 23). Die Anwendung des morphologischen Apparats ist demnach für Eucken alternativlos und unverzichtbar, wenn man die Wirtschaftsordnung in ihrer tatsächlichen Vielfalt begreifen möchte, weil nur auf diese Weise eine zureichende Erkenntnisebene geschaffen werden kann. Bei allen Unterschieden im Einzelnen gibt es hier strukturelle Gemeinsamkeiten zu Euckens nationalökonomischer Methode und den Herausforderungen der juristischen Methodenlehre, eine vermittelnde Ebene zwischen abstrakt-genereller Norm und konkret-individuellem Lebenssachverhalt zu ermitteln.176 Man denke nur an die Lehre vom Typus oder die sogenannte ‚Fallnorm‘.177 An Stellen wie diesen zeigt sich, dass Euckens wissenschaftstheoretische und methodologische Denkweise der juristischen außerordentlich nahekommt, so dass es auch von daher schwer verständlich ist, warum die Jurisprudenz sich seiner Sicht auf Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung nicht schon früher angenommen hat.  



bb) Wirtschaftstheorie und Rechtstheorie Der Morphologie haftet also nichts Beliebiges an, um der Vielgestaltigkeit des Wirtschaftslebens, Rechnung zu tragen, sondern etwas Notwendiges. Dieses systematische Vorgehen ermöglicht daher ‚eine Zusammenfassung von Beobachtungen unter dem Prinzip der Denkökonomie‘178 und stellt somit eine Theorie dar: „Manche meinen sogar, Theorien seien subjektive weltanschauliche Ansichten. – Die Einheit einer Wissenschaft tritt darin zutage, daß sie sich um bestimmte Hauptprobleme dreht, daß in ihr bestimmte Denkweisen üblich sind, daß sozusagen eine  

175 Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 46, 56. 176 Dazu auch Jens Petersen, Vonder Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001. 177 Wolfgang Fikentscher, Methoden des Rechts, Band 4, 1977, S. 199 ff. Zu nennen ist auch die grundlegende Schrift von Detlef Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971. Zu den Gemeinsamkeiten zwischen Typus und Idealtypus Jens Petersen, Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2. Auflage 2014, § 5. 178 Werner Heisenberg, Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik, 1969, 13. Auflage 1993, S. 81, fasst auf diese Weise die Definition der Theorie durch Ernst Mach zusammen.  















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einheitliche Denktechnik verwandt wird und daß einige Hauptergebnisse außerhalb der Diskussion stehen“ (NW 38/39).179 Das dahinterstehende Theorie- und Wissenschaftsverständnis ist über die Nationalökonomie hinaus nicht nur ganz allgemein, sondern gerade auch im Hinblick auf die Jurisprudenz – und damit in methodischer Hinsicht für das Verhältnis von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung – von Interesse, weil sich hier signifikante Gemeinsamkeiten im Hinblick auf Euckens Annahmen feststellen lassen. Darüber hinaus ist ihm aber der wissenschaftstheoretische Anspruch, den er ausdrücklich erhebt, noch in anderer Hinsicht wichtig, wie bereits die folgende Hervorhebung im Originaltext verdeutlicht: „W i s s e n s c h a ft s t h e o r e t i s c h ist das Verfahren, das zur Erkenntnis der konkreten Wirtschaftsordnungen führt, folgendermaßen zu kennzeichnen: Die Anwendung der idealtypischen Wirtschaftssysteme mit ihren sehr zahlreichen Ausprägungen geschieht dadurch, daß wir nach ihrer Gewinnung, d. h. nach Erarbeitung der Morphologie, erneut an die konkrete wirtschaftliche Wirklichkeit herantreten. Und zwar in einer anderen Haltung als vorhin, also bei Gewinnung der idealtypischen Wirtschaftssysteme und ihrer Formen“ (GN 168).180 Dieses Verfahren erinnert ebenfalls an die Bewältigung der von der juristischen Subsumtion her bekannten Schwierigkeiten. Es ähnelt wenigstens dem vielzitierten ‚Hin- und Herwandern‘ des Blickes.181 Zudem ist das hier beschriebene Prozedere auch hermeneutisch aufschlussreich, weil es wohl insgesamt für die geisteswissenschaftliche Methode weiterführend ist.182 Was den im Text Euckens vorausgesetzten Begriff der ‚idealtypischen Wirtschaftssysteme‘ betrifft, so muss man sich vor kurzschlüssigen Gleichsetzungen mit dem Begriffsverständnis Max Webers hüten, das er nämlich entschieden ablehnte: „Was Weber zur Idealtypenbildung sagt, ist nicht nur ein Torso, sondern enthält auch schwere Mängel. Er erkannte weder den fundamentalen Unterschied von Realtypen und Idealtypen, noch den logischen Charakter von beiden, noch die Verschiedenheit der Abstraktionsverfahren, die zur Bildung der beiden Typen führen. Infolgedessen hat der Typus, den er Idealtypus nennt, einen unbestimmten Be 









179 Im Hinblick auf die genannten Denkweisen rechtsanthropologisch aufschlussreich Wolfgang Fikentscher, Modes of Thought, 1995. 180 Thomas Fischer, Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staatsund rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1993, S. 26, zu Euckens Lehre vom Idealtypus. 181 Karl Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Auflage 1963, S. 15, dem diese ingeniöse Formulierung gelungen ist, spricht einprägsam vom „Hin- und Herwandern des Blickes zwischen Obersatz und Lebenssachverhalt“. 182 Grundlegend Vittorio Hösle, Kritik der verstehenden Vernunft, 2018, dessen Erkenntnisse im Übrigen auch für die Rechtswissenschaft in wissenschaftstheoretischer Hinsicht eminente Bedeutung haben.  





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griffsinhalt“ (GN 268).183 Auch im besonders wichtigen Bereich der wirtschaftlichen Macht kommt die Morphologie zum Tragen, wenn er den ungeschminkten Blick auf die wirtschaftlichen Machtverhältnisse und ihre konkrete Ausnutzung wendet: „Das ist die Anwendung des Apparats von morphologischen und theoretischen Sätzen auf die konkrete geschichtliche Situation. Eine grundsätzliche Unvereinbarkeit von ökonomischer Theorie und dem Phänomen der wirtschaftlichen Macht besteht nicht“ (GN 198). Alles andere würde freilich dem vorgeblichen wissenschaftstheoretischen Rang der Morphologie kein gutes Zeugnis ausstellen, weil die Leistungsfähigkeit seiner Theorie dann ausgerechnet in dem besonders virulenten Problembereich wirtschaftlicher Macht empfindlich eingeschränkt wäre. Diese Stelle ist aber zudem für das Verständnis der Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung von Bedeutung. Denn wenn ökonomische Theorie und wirtschaftliche Macht nicht wenigstens dergestalt miteinander vereinbar wären, dass jene erklären könnte, warum diese sich verhängnisvoll auswirken kann, dann wäre wohl auch die von Eucken zugrunde gelegte Annahme einer Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung in Gefahr, weil dann wohl auch der spezifisch rechtswissenschaftliche Zugriff auf die Problematik wirtschaftlicher Macht mitsamt allen kartellrechtlichen Konsequenzen berührt wäre.  



c) Morphologie und Rechtsordnung Die Morphologie spielt demnach auch für das Rechtsdenken und damit für das Verhältnis der Wirtschaftsordnung zur Rechtsordnung eine tragende Rolle. Symptomatisch für die Bedeutung ist der Umstand, dass Eucken die G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e mit einem Ausblick auf das Rechtsdenken beschließt, dem dann nurmehr zwei kurze Absätze allgemeinerer Art folgen. Der letzte Satz dieses dem Rechtsdenken gewidmeten Abschnitts fasst den Stellenwert für die National-

183 Siehe dazu – gerade im Hinblick auf das Element des Idealtypus in der nachfolgenden Begriffsbestimmung Euckens möglicherweise weiterführend – Jens Petersen, Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2. Auflage 2014, S. 44 f., 132, 139. Zum besseren Verständnis der methodologischen Bezüge zwischen Soziologie und Wirtschaftswissenschaft Bernhard Pfister, Die Entwicklung zum Idealtypus. Eine methodologische Untersuchung über das Verhältnis von Theorie und Geschichte bei Menger, Schmoller und Max Weber, 1928; Heinz Haller, Typus und Gesetz in der Nationalökonomie. Versuch zur Klärung einiger Methodenfragen der Wirtschaftswissenschaft, 1950; Fritz Machlup, Idealtypus, Wirklichkeit und Konstruktion, ORDO 12 (1960/61) 21; Gertrud Neuhauser, Modell und Typus in der Nationalökonomie, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 15 (1964) 160. Zu Euckens Rezeption des Werturteilsstreits Ernst-Joachim Mestmäcker, Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts. Beiträge zu Recht, Wirtschaft und Gesellschaft in der EU, 2016, S. 103.  











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ökonomie besonders anschaulich zusammen: „Der morphologische Apparat erlaubt es genau anzugeben, wie die Rechtsnormen ihre Bedeutung und ihre Funktion mit den wirtschaftlichen Ordnungsformen verändern“ (GN 242). Was damit genau gemeint ist, lässt sich an dieser Stelle noch nicht erschöpfend darlegen, weil es voraussetzungsvoll in das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung dringt und daher erst im Laufe der Untersuchung in allen Einzelheiten entwickelt wird.184 Bereits an dieser Stelle lässt sich jedoch die darin zum Vorschein kommende Interdependenz erkennen, die zwischen Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung besteht. Denn die im zitierten Wort vorausgesetzte Abhängigkeit der Rechtsnormen von den wirtschaftlichen Ordnungsformen und die Möglichkeit eines Funktionswandels der Rechtsvorschriften durch Veränderung der Wirtschaftsordnung bringt die Wechselbezüglichkeit beider Ordnungen zur Geltung, auch wenn hier nur Modifizierungen in die eine oder andere Richtung zum Ausdruck gebracht wurden. Doch kann bereits hier festgestellt werden, dass auch Auswirkungen von tektonischen Verschiebungen der Rechtsordnung auf die Wirtschaftsordnung möglich sind. Allerdings gibt Eucken nicht im Einzelnen an, auf welche Weise genau sich der Funktions- und Bedeutungswandel der Rechtsnormen durch Änderungen der wirtschaftlichen Ordnungsformen vollzieht und vor allem wie der morphologische Apparat die exakte Bestimmung ermöglicht. Denn so richtig es ist, dass Inhalt und Auslegung zivilrechtlicher Normen von der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundentscheidung abhängen (GN 241), so schwer ist morphologisch genau zu bestimmen, inwieweit sich dies genau vollzieht. Man darf nämlich nicht vergessen, dass es im Zivilrecht häufig Wertungen sind, deren Gewichtung und Wirkungsweise im konkreten Fall sich schwerlich durch einen ‚morphologischen Apparat‘ bzw. in Euckens verdeutlichendem Bild gleichsam ‚unter dem Mikroskop‘ beobachten lassen.185  



184 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 358; ders., Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685, 691, hat die im Text zitierte Stelle aber in einer auch für den vorliegenden Zusammenhang weiterführenden Weise zusammengefasst, auf deren Grundlage dann weiter unten im Text (§ 4) die wirtschaftsverfassungsrechtlichen Einzelheiten dargestellt werden können: „Folgerichtig waren für ihn die Wirtschaftsordnung und die Rechtsordnung auf das Engste miteinander verwoben, da die Entscheidung für eine bestimmte Wirtschaftsverfassung eine entsprechende Gestaltung der rechtlichen und sozialen Organisation erfordere“. 185 Grundlegend Claus-Wilhelm Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Auflage 1983; ders., Das Rangverhältnis der „klassischen“ Auslegungskriterien, demonstriert an  





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d) Morphologie und Wirtschaftsverfassung Man begreift die Leistungsfähigkeit des morphologischen Apparats besser, wenn man den Schlüsselbegriff der Wirtschaftsverfassung hinzunimmt, dessen juristische Entsprechung das am Ende der vorliegenden Darstellung zu behandelnde Wirtschaftsverfassungsrecht darstellt.186

aa) Die ‚ordnende Ratio‘ Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass „die moderne industrialisierte Welt im Zuge ihrer Entwicklung nicht von selbst brauchbare Wirtschaftsordnungen erzeugt, daß sie also gewisser Ordnungsgrundsätze oder einer Wirtschaftsverfassung bedarf“ (GN 241). Von dem zentralen Begriff der Wirtschaftsverfassung wird noch oft die Rede sein.187 Namentlich die soeben schon kursorisch erwähnte wirtschaftsverfassungsrechtliche Gesamtentscheidung, von der Eucken im selben Zusammenhang spricht (GN 241), wird am Ende eingehend behandelt.188 Der zuletzt zitierte Gedanke findet sich in etwas anderer Ausprägung auch in den G r u n d s ä t z e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k , wonach „in den Wirtschaftsordnungen der industrialisierten Welt eine ordnende Ratio zur Geltung kommen sollte, die das bewältigt, was in der kleinen Eigenwirtschaft die Ratio des Leiters tagtäglich vollzieht“ (GWP 7). So scheint die Berufung auf die ‚ordnende Ratio‘ am ehesten einen Anklang an das mittelalterliche Ordo-Denken zu enthalten. Allerdings kann wohl die anthropomorph ausgerichtete Formulierung der ‚ordnenden Ratio‘ in ihrer Gegenüberstellung mit der Ratio eines menschlichen ‚Leiters‘ dahingehend verstanden werden, dass Eucken jede deistische Komponente betont vermeiden wollte.189 Diese Stelle gibt jedoch ungeachtet ihrer spontanen Überzeugungskraft Rätsel auf, weil es ja im Unterschied zur mikroökonomischen Einheit, in der ein einzelner alle Fäden in der Hand halten kann, im makroökonomischen Bereich schwerlich eine einzelne Person geben kann, die genügend weiß, um alle Abläufe  





Standardproblemen aus dem Zivilrecht, Festschrift für Dieter Medicus, 1999, S. 25 ff. Ähnlich Detlef Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971; Jens Petersen, Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001. 186 Franz Böhm/Walter Eucken/Hans Großmann-Doerth, Unsere Aufgabe, in: Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung, 1937, S. XIX: „Die Aufgabe aber, die Rechtsordnung als Wirtschaftsverfassung zu begreifen und zu formen, ist nur lösbar, wenn sich der Jurist der Ergebnisse wirtschaftsverfassungsrechtlicher Forschung bedient“. 187 Zu ihm aus volkswirtschaftlicher Sicht Wilhelm Weber, Der ökonomische Begriff der Wirtschaftsverfassung, Festschrift für Franz Korinek, 1972, S. 11. 188 Unter § 4. 189 Ebenso wohl auch Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 56.  











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sinnvoll zu steuern, zumal da man andernfalls in eine gefährliche Nähe zu der von Eucken nachdrücklich abgelehnten Zentralverwaltungswirtschaft kommen würde, in der sich einzelne Funktionsträger eher Wissen anmaßen, als wirklich darüber zu verfügen: „Der Wirtschaftsprozeß in der Zentralverwaltungswirtschaft, der Tag für Tag auf Grund globaler Bewertungen und dirigiert durch Produktionsanweisungen, Rationalisierungen, Dienstverpflichtungen usw. gleichförmig – also in großer Zahl – vor sich geht, rollt im Rahmen eines bestimmten Datensystems ab“ (GWP 103).190 Gerade der ebenso suggestiv wie bildhaft eingeleitete Nachsatz könnte auch in einem Zeitalter, in dem mehr und mehr von Algorithmen vorgegeben wird, noch beklemmende Bedeutung erlangen.191  





bb) Rechtsdenken und Rechtspraxis im Verhältnis zur Wirtschaft und Nationalökonomie Die Herausforderungen, welche die industrialisierte Welt mit ihrem gewaltigen arbeitsteiligen Prozess gerade im Hinblick auf Herrschaft und wirtschaftliche Macht an die Entwicklung und Ausgestaltung von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung stellen (GWP 7/241), zeigen, dass der Staat diesen äußerst komplizierten Wirtschaftsprozess nicht im Einzelnen lenken kann (WV 92), und machen eine engere Verzahnung von Recht und Wirtschaft erforderlich (GWP 329):192 „Durch  



190 Friedrich August von Hayek, Die Anmaßung von Wissen, 1996, und öfter hat diesen Gesichtspunkt am deutlichsten behandelt; dazu Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014. 191 Garri Kasparow, Meine großen Vorkämpfer. Die bedeutendsten Partien der Schachweltmeister, Band 3, 2004, S. 176, berichtet über seinen Lehrer den dreifachen Weltmeister und überzeugten Stalinisten Michael Botwinnik, der über das sperrige Thema der ‚Theorie und Anwendungsmöglichkeiten nichtsynchronisierter Synchronmaschinen‘ promoviert hatte (Harold Schonberg, Grandmasters of Chess, 1973, p. 226): „Am Ende seines Lebens bestand seine Lieblingstheorie darin, dass der Kapitalismus ein elementarer Markt sei, auf dem es keinerlei Gesetze gäbe. Die Vorzüge des Sozialismus würden sich in vollem Maße entfalten, wenn es uns gelänge besser zu planen – mit Hilfe leistungsfähiger Computer!. Er glaubte aufrichtig daran, dass Computer die Planwirtschaft würden retten können (und versuchte u. a. deshalb, sein ‚denkendes‘ Programm zu entwickeln)“. – Mag das eine skurrile Kuriosität sein, so könnte die Realität in China schon bald Anlass zur Besorgnis geben. 192 Kritisch gegenüber Euckens Morphologie Ernst Eckelt, Die natürliche Wirtschaftsordnung der wirtschaftlichen Arbeitsdreiteilung, 1982, S. 26 f.; ferner, und zwar auch im Hinblick gerade auf das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zueinander Gerhard Stavenhagen, Geschichte der Wirtschaftstheorie, 4. Auflage 1969, S. 353: „Doch ist seine Morphologie darauf angelegt, zwischen der Wirtschaftsordnung, die Bestandteil des 6ten Datums ‚rechtliche und soziale Organisation‘ ist, und der theoretischen Analyse eine möglichst enge Beziehung herzustellen, da der Wirtschaftsordnung als Basis und Bedingungskonstellation der letzteren ein besonderes  



















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diese Wendung, in der wir heute stehen, verändert sich das Verhältnis von Rechtsdenken und Rechtspraxis zur Wirtschaft und zur Nationalökonomie“ (GN 241). Hier geht es nicht einfach nur um Interdisziplinarität, sondern darüber hinaus um die bereits in der Einleitung angesprochene Aufgeschlossenheit der Juristen gegenüber ökonomischen Fragestellungen,193 die Franz Böhm zu einer unverzichtbaren Bedingung erhoben hat.194 Dazu gehört etwa, dass sich die Rechtswissenschaft und die Rechtspraxis mit bestimmten wirtschaftswissenschaftlichen Kategorien, wie etwa den Formen des Marktes, vertraut macht und darauf in der Entscheidungspraxis eingeht, sofern es sich mit den Sachgesetzlichkeiten und normativen Vorgaben der jeweiligen Rechtsmaterie vereinbaren lässt, also vor allem im Wettbewerbs- und Kartellrecht:195 „Gerade auch die Marktformenlehre sollte für Rechtsdenken und Rechtspolitik fruchtbar gemacht werden. (…) Die Fragen der Eigentumsbeschränkung und des Kontrahierungszwangs haben je nach der realisierten Marktform eine durchaus verschiedene Bedeutung; sie sollten deshalb rechtspolitisch und rechtswissenschaftlich je nach der Marktform verschieden behandelt werden“ (GN 272).196 Bemerkenswert hieran ist, dass Eucken als Ökonom überhaupt Rechtswissenschaft und Rechtspolitik unterscheidet, was selbst unter Juristen nicht immer mit allen Konsequenzen unternommen wird. Zu diesen Folgerungen gehört etwa, was Eucken ebenfalls sieht, wie die hier weggelassene Stelle beweist, dass die genannten Probleme des Kontrahierungszwangs und der Eigentumsbeschränkung in Abhängigkeit von wirtschaftlichen Machtverhältnissen zu beurteilen sind. Wo eine eklatante wirtschaftliche Machtposition ausgenutzt zu werden droht, ist ein Kontrahierungszwang eben leichter begründbar, der ansonsten als Ein 



Gewicht zukommt und von ihr das Gepräge des Alltags in entscheidender Weise bestimmt wird. Mit einem solchen Bemühen, die Daten als Grundlage der theoretischen Analyse genau zu bestimmen und systematisch zu erfassen, greift Eucken ein Anliegen der historischen Schule auf, auch wenn er ihre Methode für völlig unzureichend hält und deshalb auf das entschiedenste verwarf“. – Diese Kritik verfängt jedoch nicht, da sich Eucken von der Stufenlehre der Historischen Schule mit seiner morphologischen Vorgehensweise gerade absetzte (GN 38 f.). 193 Klaus Mathis, Nachhaltige Entwicklung und Generationengerechtigkeit. Eine interdisziplinäre Studie aus rechtlicher, ökonomischer und philosophischer Sicht, 2017, verdient in dieser Hinsicht besondere Beachtung. 194 Franz Böhm, Die Bedeutung der Wirtschaftsordnung für die politische Verfassung, in: Die staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft für die politische Verfassung (Hg. Ulrich Scheuner) 1946, S. 85, 88. 195 Siehe auch Alexander Nützenadel, Stunde der Ökonomen. Wissenschaft, Politik und Expertenkultur in der Bundesrepublik 1949–1974, 2011, S. 36. 196 Siehe dazu auch Gerhard Lehmann, Marktformenlehre und Monopolpolitik. Eine Gesamtwürdigung monopolistischer und kompetitiver Märkte in der freien Verkehrswirtschaft, 1956, S. 57 f.  













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schränkung des die Wettbewerbsordnung konstituierenden Prinzips der Vertragsfreiheit möglichst vermieden werden sollte. Zur Bewältigung dieser verantwortungsvollen Herausforderung nimmt Eucken also vor allem die Vertreter der Rechtsordnung in die Pflicht, die sich im Hinblick auf Rechtswissenschaft und Rechtsprechung auf die Wirtschaftsverfassung einzustellen hat: „Denn Rechtsdenken und Rechtspraxis werden in steigendem Maße die Aufgabe haben, am Aufbau und an der Durchsetzung dieser Wirtschaftsverfassung mitzuarbeiten“ (GN 241).197 Vor diesem Hintergrund wird deutlicher, was es mit der eingangs angesprochenen morphologischen Analyse auf sich hat, wonach der morphologische Apparat eine exakte Bestimmung darüber ermöglicht, auf welche Weise die rechtlichen Regelungen ihre Zielsetzung durch die Ordnungsformen der Wirtschaftsverfassung ändern.  

6. Wissenschaftsverständnis Eucken geht davon aus, dass die denkende Gestaltung selbst die wirtschaftliche Wirklichkeit zu gestalten imstande ist (GWP 342): „Das ökonomische Denken ist eine wirtschaftspolitische Macht“ (WW 65). Die Formulierung ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert, weil sie einerseits nahe bei der wirtschaftlichen Macht angesiedelt ist, die jedoch das ökonomische Denken gerade in die Schranken weisen soll, und andererseits eine terminologische Nähe aufweist zur ‚ordnenden Potenz‘ (GWP 340). Man kann sich sogar fragen, ob nicht speziell das ordoliberale Wirtschaftsdenken der vergangenen Jahrzehnte einen Standortfaktor darstellt, der sich im Verbund mit der davon begleiteten Rechtsstaatlichkeit (GWP 48) infolge der damit einhergehenden Rechtssicherheit ein investitionsfreundliches Klima schafft.198  







197 Ludwig Raiser, Wirtschaftsverfassung als Rechtsproblem, Festschrift für Julius von Gierke zu seinem goldenen Doktorjubiläum, 1950, S. 101; Georg Stickrodt, Die Idee der Wirtschaftsverfassung als Gestaltungs- und Integrationsprinzip, Juristenzeitung 1957, 361; Peter W. Tettinger, Neuer Streit um die „Wirtschaftsverfassung“, Betriebsberater 1977, 1617; Moritz Klaus, Das Argument von der Wirtschaftsverfassung. Die Verwendung nationalökonomischer Kategorien im juristischen Denken, 1972, haben in diese Richtung vor- und weitergearbeitet. 198 Zur Rechtsstaatlichkeit als ökonomischem Standortfaktor Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 137, 279 und öfter.  





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a) Auffinden der Elementarformen Eucken spricht einer Wissenschaft das Wort, die sich nicht im Reden über die Dinge erschöpft, sondern von den Dingen spricht: „In der Nationalökonomie ertönt sehr oft der Ruf: An die Sachen, zu den Dingen, wider die Herrschaft des Wortes! Richtig. Aber die Forderung reicht nicht aus. Ihre Durchführung ist die Hauptsache. Sonst bleibt die Forderung – ein Wort“ (GN 22). Der genannte Imperativ bezieht sich offenbar darauf, auch die vermeintlichen wirtschaftlichen Niederungen der konkreten Haushalte und Betriebe nicht außer Acht zu lassen (SF 131). Zur verpönten Herrschaft des Wortes gehören für ihn wohl insbesondere wertgeladene Begriffe wie Kapitalismus und Sozialismus (GWP 3). Diesen einzigen Weg wirtschaftswissenschaftlicher Vorgehensweise, den er vorbehaltlos anerkennt, hat Eucken folgerichtig nicht nur in seinen G r u n d s ä t z e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k propagiert (GWP 340), sondern vor allem in den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e allenthalben verfochten. Alles andere sind für ihn Irrwege: „Die Wirklichkeit zeigt eine unabsehbare Mannigfaltigkeit von Wirtschaftsordnungen individueller Prägung, wobei jede einzelne sehr kompliziert aufgebaut ist“ (GN 110).199 Die Vielgestaltigkeit der einzelnen Wirtschaftsordnungen lässt sich in ihrer jeweiligen Komplexität also nicht ohne weiteres entschlüsseln, wenn es nicht gelingt, die Komplexität dadurch zu reduzieren, dass sie auf vergleichsweise einfache Ordnungsformen zurückgeführt werden.200 Immerhin gibt er eine Hilfestellung, die er auch in seinem Hauptwerk noch präzisiert (GWP 60): „Wie kann diese Mannigfaltigkeit erkennbar gemacht werden? (…) Die Antwort lautet: Durch Auffinden der Elementarformen, aus denen sich die konkreten Wirtschaftsordnungen der Vergangenheit und Gegenwart zusammensetzen“ (GN 110). Wichtig an diesem methodischen Hinweis ist die Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit. Euckens Methode ist historisch ausgerichtet, ohne die Unzulänglichkeiten der Historischen Schule zu wiederholen. Damit ist sie aber auch aus heutiger wirtschaftswissenschaftlicher Sicht im Hinblick auf bestimmte Strömungen anschlussfähig, die etwa Wirtschaftskrisen historisch zurückverfolgen.201  















199 Thomas Fischer, Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staatsund rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1993, S. 30, zur Lehre von den Marktformen. 200 Niklas Luhmann, Vertrauen. Ein Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität, 4. Auflage 2001, steht bei der im Text gewählten Erläuterung ersichtlich Pate. 201 Adam Tooze, Crashed. Wie zehn Jahre Finanzkrise die Welt verändert haben, 2018, wäre aus dem heutigen Schrifttum bei allen fundamentalen Unterschieden vielleicht am ehesten zu nennen. Siehe zu den deutlich divergierenden Ansätzen moderner ökonomischer Schulen und gedanklichen Richtungen unter Berücksichtung Euckens Raphaël Fèvre, From Barter to Monetary  



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b) Rechtlicher und sozialer Rahmen Zudem hier ist zu beachten, dass es Eucken nicht nur um die gegenwärtigen Wirtschaftsordnungen geht, sondern auch um eine Möglichkeit zur Entschlüsselung der unendlich vielen, die in der Vergangenheit bestanden. Damit stellt sich die heuristische Frage, auf welche Weise man zu diesen Formen finden kann. Von besonderer Bedeutung ist für Eucken die Sichtung des Datenmaterials, aufgrund dessen die wirtschaftliche Wirklichkeit zu erkennen ist: „Alles politisch-historische Werden äußert sich in Veränderung von Daten“ (GN 161).  

aa) Weites Verständnis zur Erfassung wirtschaftlicher Wirklichkeit Daten in diesem Sinne sind aber nicht einfach die historischen und gegenwärtigen Fakten (NW 39), sondern vielmehr diejenigen Ordnungsfaktoren, welche die Gesamtordnung verständlich machen und unter denen die bereits weiter oben behandelte Rechtsordnung eine besondere Rolle einnimmt: „Vor allem des Datums ‚Rechtliche und soziale Organisation‘ oder auch des Datums ‚Arbeit‘ oder ‚Bedürfnisse‘ oder ‚Technisches Wissen‘“ (GN 161). Für den vorliegenden Zusammenhang von primärem Interesse ist ersichtlich das bereits behandelte Datum der rechtlichen und sozialen Organisation. Eucken geht es also nicht allein um rechtsdogmatische Fragen, sondern auch um eine Zusammenführung, die in die Richtung rechtssoziologischer Erkenntnisse geht.202 Aber gerade auch der darüber hinaus genannte Gesichtspunkt des technischen Wissens ist bedeutsam, macht er doch Euckens Ansatz prinzipiell zukunftsoffen. Es geht ihm also nicht um vage Ideen, sondern konkrete Daten, welche die wirtschaftliche Wirklichkeit abbilden. Gerade die rechtliche und soziale Organisation ist für Eucken ein zentrales Datum, das dementsprechend weit zu verstehen ist: „Man fasse dieses (…) Datum – soziale und rechtliche Organisation – nicht zu eng. Es ist hier nicht nur an traditionelle Ordnung, an Gesetze und an Sitten gedacht, sondern auch an den Geist, in dem die Menschen leben und in dem sie sich an die Spielregeln halten“ (GN 133 f.).203 Hier erweist sich, warum Eucken das  











Economy: Ordoliberal Views on the Post-WWII German Economic Order, in: War in the History of Economic Thought. Economists and the Question of War (Hg. Yukihiro Ikeda/Annalisa Roselli) 2017, S. 219 ff. 202 Jens Petersen, Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2. Auflage 2014, § 1. 203 Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 48, zum Umfeld dieser Stelle sowie den Gossenschen Gesetzen; vgl. Hermann Heinrich Gossen, Entwickelung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln, 1854, S. 4, 12. Erhellend zu diesem Zusammenhang auch Vittorio Hösle, Eine kurze Geschichte  











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Datum rechtlicher und sozialer Organisation mit dem des technischen Wissens sowie den Faktoren Arbeit und Bedürfnisse verbindet, weil sich erst in der Gesamtschau ein Bild auf die wirtschaftliche Wirklichkeit ermitteln lässt. Es geht also nicht nur um einen rechtlichen, sondern auch um einen sozialen Rahmen. Interessant ist beiläufig der für den Ordoliberalismus bezeichnende Begriff der Spielregel (GN 134), der mithin ebenfalls nicht verengend juridisch verstanden werden muss (GWP 54). Ebenfalls in den K a p i t a l t h e o r e t i s c h e n U n t e r s u c h u n g e n findet sich eine ähnliche Bestimmung dieses Datums der rechtlich und sozialen Organisation, wenn auch mit anderer Akzentsetzung: „Die Lebensform des Volkes, seine staatliche Gliederung und soziale Struktur, seine Sitten und Gesetze (…) sind gestaltende Kräfte des Wirtschaftsprozesses“ (KU 65). Dies verdeutlicht erneut die Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung. Hier wird zudem die rechtssoziologische Dimension sogar noch deutlicher, zumal da die Lebensformen noch vor den Rechtsformen genannt werden und diese wiederum in einem Atemzug mit den Sitten.204 Zur rechtlichen und sozialen Organisation gehört also die Gesamtheit individueller Verhaltensweisen und Normen ebenso wie das Gefüge der Institutionen. Es ist letztlich der Inbegriff aller Normen und Gegebenheiten, die den Wirtschaftsprozess prägen können. Das Datum der rechtlichen und sozialen Organisation betrifft daher insbesondere auch die Geldpolitik und das Geldsystem (OP 52), von dem unter anderem die Leistungsfähigkeit des Preissystems abhängt (GWP 47).205  





bb) Ineinandergreifen von Rechts- und Wirtschaftsordnung Wie weit das Datum der rechtlichen und sozialen Ordnung in historischer und internationaler Hinsicht zu begreifen ist, veranschaulichen Beispiele, die er an anderer Stelle gibt und die außerordentlich aufschlussreich für sein Wissenschaftsverständnis sind:206 „Mag nun eine griechische Polis des vierten vorchristlichen der deutschen Philosophie, 2013, S. 183: „Insbesondere ist Marx‘ Radikalisierung der Werttheorie Adam Smiths und David Ricardos durch die neoklassische Revolution, die endlich den Unterschied zwischen Gesamt- und Grenznutzen begriff, noch in den 1870er Jahren (ja, dank Hermann Heinrich Gossen schon früher) theoretisch widerlegt worden“. Zu Gossen auch GN 134/246/260. 204 Jens Petersen, Recht bei Tacitus, 2018, S. 565 ff., mit dem Versuch der Veranschaulichung, dass dieses Vorrangverhältnis für den römischen Historiker bestimmend ist. 205 Andreas Renner, Der ökonomische Ansatz Walter Euckens, in: Ordnungstheorie und Ordnungspolitik. Konzeptionen und Entwicklungsperspektiven (Hg. Helmut Leipold/Ingo Pies) 2000, S. 1, 9. 206 Helmut Leipold, Neuere Ansätze zur Weiterentwicklung der Ordnungstheorie, in: Soziale Institutionen zwischen ökonomischer und politischer Realität, Jahrbuch für Neue Politische Öko 









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Jahrhunderts ein Weizenmonopol einführen oder mag die Königin Elisabeth von England bestimmte Löhne festsetzen oder mag das Deutsche Reich einer Bank das ausschließliche Recht zur Notenausgabe übertragen oder mag es eine Neuordnung der Arbeitsvermittlung oder des Steuerrechts durchführen“ (GN 162). Alle diese Beispiele aus unterschiedlichen zeitlichen Epochen und geographischen Räumen betreffen letztlich rechtliche Fragen: Einführung von Monopolen, Lohnfestsetzungen, Einräumung exklusiver Rechte, Änderung der Steuerordnung. Mit dem Datum der rechtlichen und sozialen Organisation lassen sich also Erkenntnisse über die Wirtschaftsordnung gewinnen (KU 65). Das ist nicht nur deswegen aufschlussreich, weil es um Rechtseinräumungen bzw. Steuerrechtsänderungen geht, also spezifisch juristisch gefärbten wirtschaftspolitischen Akten, die das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung unmittelbar betreffen.  

(1) Polyhistorische Berücksichtigung der beiden Ordnungen Darüber hinaus bemerkenswert ist wiederum Euckens historisch ausgerichtetes Wirtschaftsverständnis, weil für ihn auch die rechtlichen Weichenstellungen der Wirtschaftsordnung aus längst vergangenen Zeiten zum wirtschaftsrelevanten Erfahrungsraum zählen. Strukturell ähnlich wie in der zuletzt genannten Stelle verfährt übrigens Montaigne, den Eucken eingangs seiner wirtschaftspolitischen Grundsätze durchaus hochachtungsvoll zitiert (GWP 27).207 Ganz ähnlich äußert sich Eucken in den K a p i t a l t h e o r e t i s c h e n U n t e r s u c h u n g e n , wo er ebenfalls mit polyhistorischer Bildung kulturgeschichtlich vergleichend argumentiert und als bestimmenden Faktor die Rechts- und Wirtschaftsordnung in Betracht zieht: „Wer die persische Geschichte des 6. und 5. vorchristlichen Jahrhunderts darstellt, kann den wirtschaftlichen Alltag ohne Anwendung der nationalökonomischen Theorie ebensowenig verstehen wie die Historiker etwa des Solonischen Athen oder des Augusteischen Rom oder Nürnbergs im 15. Jahrhundert oder des heutigen Indiens.208 Kein Zweifel kann allerdings daran bestehen, daß in jedem einzelnen dieser Fälle die gesamte natürliche und gesellschaftliche Um 



nomie, Band 8 (Hg. Erik Boettcher/Philipp Herder-Dornreich/Karl-Ernst Schenk) 1989, S. 13, 16, macht allerdings darauf aufmerksam, dass Euckens Sicht insoweit bei den modernen Institutionenökonomen nicht auf ungeteilte Zustimmung stößt. 207 Näher Jens Petersen, Montaignes Erschließung der Grundlagen des Rechts, 2. Auflage 2019. 208 Zu den Historikern des Augusteischen Roms Jens Petersen, Recht bei Tacitus, 2018, auch zu markanten Besonderheiten der augusteischen Wirtschaftspolitik, etwa der Getreideversorgung, und ihren unmittelbaren oder mittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsordnung.  





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gebung, in der gewirtschaftet wird, einzigartig ist. Landschaft und Klima,209 Bevölkerung, religiöse Anschauungen, Rechts- und Wirtschaftsordnung, Sitten, Bedürfnisse und technisches Wissen waren z. B. im alten Persien völlig anders geartet als im spätmittelalterlichen Nürnberg“ (KU 44). Eucken hat die Wirtschaftsgeschichte als bestimmenden Faktor für das Verständnis vergangener Epochen und ihren Erfahrungen mit der Rechts- und Wirtschaftsordnung früher erkannt als viele andere (GWP 182; GN 177). Vor allem aber nimmt er die Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung ausdrücklich in Bezug, wenn er die beiden inmitten seiner Aufzählung von Religionen und Sitten sowie der Gesellschaft insgesamt nennt.  





(2) Wissenschaft und Wirtschaftsverfassung So bildet die beispielhafte Anordnung unterschiedlicher Epochen zugleich eine Veranschaulichung der Interdependenz von Gesellschaftsordnung, Religionsordnung, Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung, weil sich die markanten Merkmale einer jeden genannten Epoche nur im Zusammenwirken der verschiedenen Ordnungen erschließen lassen. Auf welche Weise dies konkret geschieht, ist Aufgabe der Wissenschaft, für deren Bewertung es nicht zuletzt auf die rechtlichen und sozialen Institutionen ankommt: „Wie diese Tatsachen auf das wirtschaftliche Geschehen wirken, hat gerade die theoretische Forschung herauszuarbeiten; sie wirken durch die Daten hindurch, indem sie Bedürfnisse, Arbeitsfähigkeit, technisches Wissen, rechtliche und soziale Institutionen usw. maßgebend bestimmen“ (NW 40). Auch hier kommt wiederum, ebenso wie an der zuvor zitierten Stelle (KU 44), das technische Wissen als für Innovation und Fortschritt maßgebliches Datum zum Vorschein (GN 161). Vor allem aber zeigt sich besonders klar das Ineinandergreifen von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung. Am deutlichsten wird dies an einer Stelle, die  



209 Die Bedeutung des Klimas, insbesondere für die im Folgenden genannte Rechts- und Wirtschaftsordnung, hat wohl als einer der Ersten Montesquieu erkannt; Eucken ordnet ihn an einer auch für den vorliegenden Zusammenhang bemerkenswerten Stelle der G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e rechts- und geistesgeschichtlich treffend ein: „Montesquieu z. B., der den Geist des 18. Jahrhunderts wirkungsvoll repräsentiert und der im übrigen auch auf Adam Smith stark gewirkt hat, besaß bekanntlich ein ungeheures Wissen über einzelne Staaten und Völker von der Antike bis zur Neuzeit. Aber die Erforschung der einzelnen Tatsachen, Staaten und Völker war ihm nicht Selbstzweck. Er wollte durch Untersuchung der Einzelheiten zu allgemeinen Erkenntnissen über das Staats- und Völkerleben und die wirksamen historischen Kräfte vorstoßen und dadurch die Grundlage für den Aufbau eines richtigen, vernunftgemäßen Staates schaffen. In den positiven, tatsächlichen Ordnungen und durch deren geistige Durchdringung wollte er die richtige Staatsordnung finden“ (GN 25). Zu der im Text genannten Wirkung Montesquieus auf Smith Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 99 f., 166, 196, 210 f., 211, 254 f., 271 ff. und öfter.  

















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nicht von ungefähr die Aufgabe der Wissenschaft mit dem zentralen Begriff der Wirtschaftsverfassung zusammenführt, von dem noch eingehend die Rede sein wird: „Auch die Bemühungen der Wissenschaft, die Schaffung einer funktionsfähigen Wirtschaftsverfassung gedanklich vorzubereiten, zielen darauf ab, das Datum der rechtlich-sozialen Organisation in bestimmter Weise zu gestalten“ (GN 158). Hier kommt Euckens Wissenschaftsverständnis besonders deutlich zum Vorschein: Es ist die vornehmste Aufgabe der Wirtschaftswissenschaft, die rechte Wirtschaftsverfassung denkend zu ergründen, indem namentlich die rechtlichsoziale Organisation im Wortsinne ordnungsgemäß ausgestaltet wird.  

c) ‚Begriffsnationalökonomen‘ und Begriffsjurisprudenz Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, was Wissenschaft nicht soll und auf welche Weise sie nicht verfahren darf, wenn sie den Anspruch der Wissenschaftlichkeit aufrechterhalten möchte. Eucken ist vor allem das ‚Gerede‘ (GN 67) der von ihm so genannten ‚Begriffsnationalökonomen‘ ein Dorn im Auge:210 „Solche Versuche, durch Begriffsanalysen zum Wesen der Wirtschaft vorzudringen, (…) Systeme von Begriffen – die man ‚Theorien‘ nennt – zu schaffen und von da aus durch Deduktion zu Einzelergebnissen zu gelangen, sind in der Nationalökonomie des letzten Jahrhunderts sehr verbreitet“ (GN 27). Vor dem Hintergrund des hier interessierenden Zusammenhangs zwischen Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung wirkt diese Kritik wie eine passgenaue Bestandsaufnahme dessen, was ungefähr zur selben Zeit von der – heute mehrheitlich aus ganz ähnlichen Gründen abgelehnten211 – Begriffsjurisprudenz unternommen wurde.212 Auch daran lässt sich ersehen, dass Euckens Wirtschaftsdenken dem juristischen Denken methodisch vergleichsweise nahesteht. Die Begriffsökonomie erscheint geradezu wie ein – wenn auch gleichermaßen unzureichendes – funktionales Äquivalent zur Begrifffsjurisprudenz.213 Mit  















210 Walter Eucken, Kritik der ‚Begriffsnationalökonomie‘, in: Gegenstand und Methoden der Nationalökonomie (Hg. Reimut Jochimsen/Helmut Knobel) 1971, S. 161; siehe auch Ingo Pies, Eucken und von Hayek im Vergleich: Zur Aktualisierung der ordnungspolitischen Konzeption, 2001, S. 75 Fußnote 212. 211 Gerhard Hassold, Rechtsfindung durch Konstruktion, Archiv für die civilistische Praxis 181 (1981) 131, hat jedoch gezeigt, dass für die Begriffs- und Konstruktionsjurisprudenz noch ein gewisser Raum ist. Voraussetzung ist jedoch, dass die gefundenen Ergebnisse wertungsmäßig fundiert sind; näher Jens Petersen, Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001. 212 Grundlegend Hans-Peter Haverkamp, Georg Friedrich Puchta und die „Begriffsjurisprudenz“, 2004. 213 Peter Behrens, Laudatio, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike  







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der Begriffsnationalökonomie könne man die erforderlichen Sachzusammenhänge nicht erfassen, zumal da regelmäßig nichts zu den Sachen selbst gefunden werde. So ist nach Eucken etwa „gegenüber einem weitverbreiteten intellektuellen Gerede über die Institution des Marktes zunächst einmal nüchtern zu fragen, Was heißt Markt? Markt ist eine universale menschliche Lebensform. Auf ihm werden Leistungen und Produkte zwischen Menschen getauscht“ (GWP 321). Ungeachtet seines hohen methodischen Anspruchs ist Euckens Verständnis elementarer Begriffe, wie die vorliegende Stelle zeigt, vergleichsweise bodenständig. Hier begegnet zudem erneut der für Eucken bedeutsame Begriff der Lebensform der Menschen (KU 65). Sie hat sich durch die Industrialisierung und moderne Technik von Grund auf geändert (GWP 1). Euckens wissenschaftliches Anliegen erschöpft sich denn auch nicht in begrifflichen Klassifikationen, sondern geht den ökonomischen Herausforderungen der konkreten Lebenswirklichkeit nach. Von daher versteht sich, dass er der Arbeitsweise der Begriffsökonomen nichts abgewinnen kann. Zudem fehle ihnen jedes kantische Verständnis der Deduktion. Nicht ohne eine Spur von Resignation, aber zugleich mit einem gewissen Sarkasmus stellt er fest: „,Die Kritik der reinen Vernunft‘ wurde für die Begriffsnationalökonomen umsonst geschrieben“ (GN 29).214 Auch in dieser Hinsicht drängt sich ein Vergleich zur überkommenen Begriffsjurisprudenz auf, die durch begriffliche Konstruktionen ohne wertungsmäßige Fundierung nicht zur ‚Lebensforschung und Lebenswertung‘ gelangte, wie ihr nicht nur die Vertreter der nachfolgenden Interessenjurisprudenz vorhielten,215 die wiederum im Wege eines neuerlichen Paradigmenwechsels durch die Wertungsjurisprudenz abgelöst wurde.216  





Schweitzer) 2018, S. 13, kommentiert die unmittelbare Nachkriegszeit methodologisch aufschlussreich im Hinblick auf einen gewissen Gleichklang von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung: „Es war die Stunde der Befreiung der Nationalökonomie von einem sterilen Historismus und der Rechtswissenschaft von einer bornierten Begriffsjurisprudenz“. 214 Zu dieser Stelle auch Moritz Peter Haarmann, Wirtschaft – Macht – Bürgerbewusstsein. Walter Euckens Beitrag zur sozioökonomischen Bildung, 2015, S. 354 Fußnote 478 („veranschaulicht unmittelbar das Gefälle an intellektueller Substanz zwischen breit gebildeten Ökonomen wie Walter Eucken und den Apologeten einer gleichsam in sich selbst ruhenden Ökonomie“). 215 Philipp Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932, S. 17. Zum Ganzen auch Jens Petersen, Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2. Auflage 2014. 216 Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 34, zieht eine interessante Parallele: „Dies ist im Grunde dasselbe Vorgehen wie nach der aus der Rechtswissenschaft bekannten Subsumtionsmethode, nur daß es sich bei dieser um eine Normwissenschaft handelt, während die Nationalökonomie eine Sozialwissenschaft ist.“ Zum Verhältnis zwischen Normwissenschaft und Sozialwissenschaft auch Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014.  















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7. Wirtschaftsordnung und Ordnung der Wirtschaft Diesem tatsächlichen und konkreten Verständnis der Wirtschaftsordnung stellt Eucken jedoch ein nicht minder wichtiges normatives Verständnis an die Seite, von dem in der Einleitung bereits am Beispiel des mittelalterlichen Ordo-Gedankens die Rede war.217 Dieser Idealzustand der Wirtschaftsordnung soll die Freiheit verwirklichen, indem die alltäglichen Ungerechtigkeiten hinter sich gelassen werden.

a) Doppeldeutigkeit der Wirtschaftsordnung und Ordo Die Doppeldeutigkeit des Begriffs der Wirtschaftsordnung, der eine tatsächliche und eine normative Komponente innewohnt, führt zu einer für Eucken wesentlichen Begriffsunterscheidung: „Wir trennen diese Begriffe, indem wir die konkreten ‚Wirtschaftsordnungen‘ von dem Streben nach ‚Ordnung der Wirtschaft‘ unterscheiden“ (GN 239). Wirtschaftsordnung und Ordnung der Wirtschaft sind für Eucken also nicht gleichbedeutend. Letztere meint eher das ordnende Gestalten der Wirklichkeit.218 Man kann die unterschiedliche Begrifflichkeit am besten ermessen, wenn man das Zusammenwirken der Vertreter der Freiburger Schule berücksichtigt.219 Wiederum ist es neben Walter Eucken Franz Böhm, darüber hinaus Hans Großmann-Doerth,220 mit dem sich der erklärte221 NS-Gegner Eucken aber wegen  

217 Siehe dazu auch Carl-Martin Hißler, Zwischen Liberalismus und Christentum. Die sozialethischen Aspekte der Sozialen Marktwirtschaft, 2014, S. 116. 218 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 357, erblickt hierin einen Anknüpfungspunkt für das Recht, indem der Begriff der Ordnung der Wirtschaft einen möglichen Bedeutungsraum gibt für die Begründung „einer bewusst gesetzten Wirtschaftsverfassung“. Siehe auch Karl Paul Hensel, Ordnung der Wirtschaft als wissenschaftliches Problem, ORDO 15/16 (1965) 3. 219 Nils Goldschmidt, Die Entstehung der Freiburger Kreise, Historisch-Politische Mitteilungen 4 (1997) 1. Vgl. neben den im Folgenden Genannten auch Wilhelm Röpke, Die Ordnung der Wirtschaft, 1948. 220 Knut Wolfgang Nörr, Die Leiden des Privatrechts. Kartelle in Deutschland von der Holzstoffkartellentscheidung zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1994, S. 142. 221 Unrichtig Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II (Übersetzung Jürgen Schröder) 4. Auflage 2015, S. 150, wonach „sich Eucken während der Nazizeit schweigsam verhielt“. Walter Eucken, Wettbewerb als Grundprinzip der Wirtschaftsverfassung, Schriften der Akademie für deutsches Recht, Gruppe Wirtschaftswissenschaften, Band 6, 1942, wurde zwar in einer nationalsozialistischen Institution bzw. Schriftenreihe publiziert, ist aber, wie bereits der Titel nahelegt, einer Themenstellung verpflichtet, die Eucken auch nach dem Krieg weiter vertiefte.  











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I. Freiheit durch Ordnungsrahmen

einer nationalsozialistischen Publikation222 überworfen hatte und daher auch die Mitherausgeberschaft der ‚Ordnung der Wirtschaft‘ diesem gegenüber aufkündigte.223 Maßgeblichen Einfluss hatte Franz Böhm,224 der die Ordnung der Wissenschaft nicht nur juristisch durchdrang, sondern auch ‚rechtsschöpferisch‘ Bedeutendes leistete.225 Die konkret vorhandene Wirtschaftsordnung mit all ihren Ungerechtigkeiten und Unzulänglichkeiten sagt also noch nichts darüber aus, wie die Wirtschaft zu ordnen ist. Die Ambivalenz des Begriffs der Wirtschaftsordnung erweist sich vor diesem Hintergrund als stetige Herausforderung gerade in krisenhaften Zeiten: „Vor allem zu Zeiten versagender oder ungerechter positiver Ordnungen gewinnt diese Idee der Wesensordnung oder der Naturordnung oder des Ordo regelmäßig eine große Kraft“ (GN 239). Man muss sich jedoch hüten, daraus ein Bekenntnis zum Naturrecht ableiten zu wollen; dagegen hat sich Eucken selbst ausdrücklich verwahrt (GWP 290). Das Naturrecht gehörte für ihn zu einer überkommenen Epoche (GN 13). Allerdings muss sich Eucken wohl entgegenhalten lassen, dass die Unterschiede nicht immer ganz trennscharf auszumachen sind. Denn die ‚Naturordnung‘ ist bereits terminologisch so nahe am Naturrecht, dass nicht auszumachen ist, ob Eucken sie nicht sogar damit gleichsetzt. Die von ihm beschworene ‚Idee einer Wesensordnung‘ jedoch ist allen Einwänden ausgesetzt, die gegen Wesensargumente seit jeher vorgebracht werden.226 Vor diesem Hintergrund aber fragt sich, wie sich die  





222 Es handelt sich um Hans Großmann-Doerth, Recht der deutschen Wirtschaftsordnung, in: Die Verwaltungsakademie. Ein Handbuch für den Beamten im nationalsozialistischen Staat, Band II: Grundlagen, Aufbau und Wirtschaftsordnung des nationalsozialistischen Staates (Hg. Hans-Heinrich Lammers/Hans Pfundtner) 1941, S. 30. Darin finden sich erschütternd antisemitische Aussagen, die Walter Oswalt dokumentiert hat in WW 104 Fußnote 40. 223 Alexander Hollerbach, Hans Großmann-Doerth im Kontext der Freiburger Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, in: Das selbstgeschaffene Recht der Wirtschaft. Zum Gedenken an Hans Großmann-Doerth (Hg. Uwe Blaurock/Nils Goldschmidt/Ders.) 2005, S. 19, 31. 224 Ernst-Joachim Mestmäcker, Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts. Beiträge zu Recht, Wirtschaft und Gesellschaft in der EU, 2016, S. 181; ders., Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 17, zu Böhms äußerst mutigen Verhalten während der NS-Diktatur, das zur baldigen und durch den Reichsdisziplinarhof bestätigten Entfernung aus dem öffentlichen Dienst führte. 225 Franz Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung, 1937; zu ihm auch Traugott Roser, Protestantismus und Soziale Marktwirtschaft. Eine Studie am Beispiel Franz Böhms, 1998; zu Eucken darin etwa S. 49, 54; Ernst Joachim Mestmäcker, Zur Erinnerung an Franz Böhm aus Anlass seines 90. Geburtstages, in: Recht und Gesittung einer freien Gesellschaft. Zur Erinnerung an Franz Böhm. Standpunkte 2, Veröffentlichungen der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1986, S. 49. 226 Wilhelm Scheuerle, Das Wesen des Wesens, Archiv für die civilistische Praxis 163 (1964) 429.  

















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§ 1 Freiheit und Ordnung

durch die alternative Formulierung gleichgesetzte Idee des Ordo von den beiden anderen Erscheinungsformen unterscheidet.227

b) Überwindung der Diktatur Wenn man bedenkt, dass Eucken seine G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e bereits in der Zeit des Nationalsozialismus, dem er sich nach Kräften entgegen setzte,228 verfasst hatte, dann versteht man, warum er auch noch nach dem Krieg die Überwindung der Erfahrungen mit der Diktatur und die Bannung anderer diktatorischer Systeme durch eine geordnete Wirtschaftspolitik propagierte: „Heute lebt diese Idee wieder auf, angesichts der dringenden Notwendigkeit, für die industrialisierte Wirtschaft die fehlende funktionsfähige und menschenwürdige Ordnung der Wirtschaft, der Gesellschaft, des Rechtes und des Staates zu finden“ (GN 239). Hier sind sie wieder, die Ordnungen der Wirtschaft, der Gesellschaft, des Rechts und des Staates. Zudem ist es kein Zufall, dass Eucken gerade in diesem Zusammenhang die ‚menschenwürdige‘ Ordnung der Wirtschaft hervorhebt. Davon wird weiter unten noch die Rede sein, wenn es um Parallelstellen geht (GWP 313/369; WW 75). Einstweilen kann es bei dem Hinweis bewenden, dass auch darin die Überwindung der Diktaturerfahrung aufscheint. Es ist kein Zufall, sondern gerade eine Konsequenz des Systemdenkens Euckens, dass so unterschiedliche Stellen, die hunderte Seiten weit auseinanderliegen (GWP 14), und Passagen, die auf andere Werke des Autors Bezug nehmen, dasselbe Konglomerat von Ordnungen voraussetzen: die Wirtschaftsordnung, die Gesellschaftsordnung, die Rechtsordnung und die Staatsordnung. Indem sich jedoch in dieser letztgenannten Stelle zugleich die Erfahrung mit der Diktatur des Nationalsozialismus spiegelt, gewinnt dasjenige an Bedeutung, was weiter oben zur Bedingung der Funktionsfähigkeit dieser Ordnungen erklärt wurde, nämlich das Rechtsstaatsprinzip. Nur unter der Voraussetzung eines funktionsfähigen, das heißt Rechtssicherheit verheißenden Prinzips der Rechtsstaatlichkeit, kann die Wirtschaftsordnung gedeihen, und zwar in ihrer doppelten Bedeutung.229 Das aber ist, wie noch zu zeigen sein wird, lediglich in einer Wettbewerbsordnung möglich.  







227 Gustav Radbruch, Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, Süddeutsche Juristenzeitung 1946, 105, hat in ähnlichem Zusammenhang die nach ihm benannte Formel geprägt. Zu ihr Giuliano Vassalli, Radbruchsche Formel und Strafrecht, 2010; Jens Petersen, Schopenhauers Gerechtigkeitsvorstellung, 2016, S. 71. 228 Walter Oswalt, Liberale Opposition gegen den NS-Staat. Zur Entwicklung von Walter Euckens Sozialtheorie, in: Wirtschaft, Politik und Freiheit (Hg. Nils Goldschmidt) 2005, S. 315. 229 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933,  



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II. Rechtsstaat als Bedingung der Freiheit

II. Rechtsstaat als Bedingung der Freiheit Nach den zuletzt angestellten Überlegungen erweist sich das Rechtsstaatsprinzip als maßgebliche Bedingung, unter der Freiheit im Staat und Freiheit des einzelnen Bürgers überhaupt nur bestehen können: „Ohne Verwirklichung des Rechtsstaates aber gibt es keine Freiheit der Person“ (GWP 130). Ziel des Rechtsstaates ist es nicht zuletzt, „ein funktionsfähiges Staatswesen zu schaffen, in dem die Freiheitsrechte der Einzelnen gerecht gegeneinander abgegrenzt sind“ (GWP 332). Auch an dieser Stelle zeigt sich die kantische Prägung des Gedanken Euckens ebenso wie andernorts (NW 87). So ist für ihn die „ordnungspolitische Frage, wie ein leistungsfähiger Rechtsstaat aufgebaut werden kann“ (GWP 331).  







1. Gedanke des Rechtsstaats Der Rechtsstaat garantiert also nicht nur die institutionelle Freiheit, sondern ebenso die individuelle. Die eine wie die andere kann nur zu Geltung kommen, wenn auch der Staat selbst gebunden ist: „Der Staat soll unter dem Recht stehen“ (GWP 48). Die diesbezüglichen historischen Betrachtungen Euckens entsprechen denjenigen Friedrich August von Hayeks, der ebenfalls die strikte Gewährleistung des Rechtsstaatsprinzips im Sinne der Rule of law zur Bedingung der Freiheit erklärt hat.230 Von daher verwundert es nicht, dass auch Eucken davon ausgeht, dass es „insoweit also möglich war, in der Epoche liberaler Wirtschaftspolitik den Rechtsstaat zu realisieren“ (GWP 49).231 Es sind nämlich dieselben staatlicherseits zu gewährleistenden Garantien in Gestalt eines Grundrechtsschutzes durch die Verfassung,232 der dem einzelnen Bürger effektive Abwehrrechte gegen den Staat bietet, die durch eine unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit und die strikte  



Nachdruck 2010 (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker), S. 170, zur Rechtunsicherheit, „die durch die Kartellierung und private Monopolisierung der Märkte selbst und durch den Monopolkampf (…) in das Wirtschaftsleben hineingetragen worden ist“. 230 Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, passim. Auch er bezieht sich – ebenso wie Eucken (GW 49 Fußnote 1) – auf Rudolf von Gneist, Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte in Deutschland, 2. Auflage 1879. 231 Thomas Fischer, Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staatsund rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1993, S. 100, zur „Interdependenz von liberalem Rechtsstaat und Wettbewerbsordnung“. 232 Siehe auch Helmuth Liesegang, Die verfassungsrechtliche Ordnung der Wirtschaft. Zentralfragen und Strukturprinzipien unter besonderer Berücksichtigung grundrechtstheoretischer Überlegungen, 1977.  











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§ 1 Freiheit und Ordnung

Beobachtung des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verwirklicht werden (GWP 48).233 Der Rechtsstaat bedeutet also in erster Linie eine Verpflichtung des Staates dem Einzelnen gegenüber:234 „Deshalb soll er die Freiheits- und Rechtssphären der einzelnen Bürger anerkennen und schützen. Das ist der Gedanke des Rechtsstaats“ (GWP 48). Darüber hinaus macht Eucken auf etwas Wesentliches aufmerksam, dass das Verhältnis der einzelnen Rechtsunterworfenen zueinander und damit ebenfalls das Wirtschaftsrecht betrifft. Der Rechtsstaat soll nämlich auch Übergriffe einzelner, insbesondere wirtschaftlich mächtiger Bürger, gegen andere unterbinden. Es geht also zugleich um Gefahren, die dem einzelnen Bürger nicht von staatlicher Seite, sondern von Seiten seiner Mitbürger drohen (GWP 48 f.).235  







2. Wirtschaftsrecht und Rechtsstaat Die Bindung verläuft also nicht nur vertikal, sondern auch horizontal, so dass sich die einzelnen Rechtsunterworfenen sicher sein können, dass sie, sofern sie selbst das Recht achten, effektiv am Wettbewerb teilnehmen können, der seinerseits wiederum der Machtausübung entgegenwirkt. Zunächst betrachtet Eucken die Wirtschaftspolitik des Laissez-faire, deren Grundlage Freiheit und Rechtsstaatlichkeit war, die er dort als ‚Rechtsprinzip‘ bezeichnet: „Diese Wirtschaftspolitik des Laissez-faire basierte auf der Überzeugung, daß brauchbare Formen, also im ganzen eine zweckmäßige Wirtschaftsordnung, sich von unten her aus den spontanen Kräften der Gesellschaft von selbst entfalten, wenn Freiheit bestehe und das Rechtsprinzip gewahrt werde“ (GWP 27). Diese Richtung ‚von unten‘ her ist abhängig von der Wirtschaftsordnung (GWP 181). Wichtig ist im Ausgangspunkt die – auch in den Formulierungen Euckens mitschwingende – Feststellung, dass der Bestand der Freiheit und die Wahrung des Rechtsprinzips nur notwendige, aber noch keine hinreichenden Bedingungen für eine adäquate Rechts- und Wirtschaftspolitik sind. Für Eucken  







233 Siehe etwa Bruno Schönfelder, Vom Spätsozialismus zur Privatrechtsordnung. Eine Untersuchung über die Interdependenz zwischen Recht und Wirtschaft am Beispiel von Gläubigerschutz und Kredit, 2012, S. 18. 234 Grundlegend Philip Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip. Überlegungen zu seiner Bedeutung für das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1986. 235 Franz Böhm, Der Rechtsstaat und der soziale Wohlfahrtsstaat, in: Grundsatzfragen der Wirtschaftsordnung, Wirtschaftsverfassungsrechtliche Abhandlungen, Volks- und betriebswirtschaftliche Schriftenreihe der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität, Heft 2, S. 96 (=Reden und Schriften, Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker, 1960, S. 82).  





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II. Rechtsstaat als Bedingung der Freiheit

stellt sich unter dem Gesichtspunkt der allfälligen Bannung privater Macht die drängende Frage: „Sind die Rechtsordnungen des Rechtsstaats mit den Wirtschaftsordnungen, die aus der Politik des Laissez-faire entstehen, vereinbar?“ (GWP 49).  

a) Form und Wirtschaftsordnung Diese Frage zielt ersichtlich ins Herz der vorliegenden Themenstellung, weil das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung berührt ist. Interessanterweise formuliert Eucken hier im Plural. Auf diese Weise wird deutlich, dass es eben nicht nur die eine Rechtsordnung und die eine Wirtschaftsordnung gibt, da gerade die Wirtschaftsordnung ebenso von der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen abhängig ist, wie es umgekehrt eine ‚Mannigfaltigkeit der Wirtschaftsordnungen‘ (GWP 61) gibt.  

aa) Bezug zur Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung Für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung ist aber gerade im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik des Laissez-faire die folgende Stelle eines späten Londoner Vortrags erhellend: „Der Staat hatte gerade in dieser Zeit ein strenges Eigentums-, Vertrags-, Gesellschafts-, Patentrecht usw. geschaffen. Jeder Betrieb und jeder Haushalt bewegte sich tagtäglich im Rahmen solcher staatlich gesetzter Rechtsnormen, mochte er kaufen oder verkaufen oder einen Kredit nehmen oder einen Arbeiter einstellen. Man sollte also nicht von ‚staatsfreier Wirtschaft‘ der damaligen Zeit sprechen“ (WW 11 f.). Gerade den wirtschaftsrechtlich relevanten Gesichtspunkt der Schaffung eines strengen Eigentums-, Vertrags-, Gesellschaftsund Patentrechts in der damaligen Zeit betont Eucken immer wieder.236 Auffällig und bezeichnend für den Ordoliberalismus ist der dort wörtlich so genannte ‚Rahmen solcher – also in den genannten Bereichen des Wirtschaftsrechts – staatlich gesetzter Rechtsnormen‘, auch wenn dies hier auf die Wirtschaftspolitik des Laissez-faire bezogen und von Eucken als zu eng gezogen empfunden wird (GWP 26). Durch die vielfältigen tatsächlichen Ausprägungen möglicher Wirtschaftsordnungen, die sich gerade dann ergeben können, wenn der Staat dem freien Spiel der Kräfte ohne jeden Eingriff zusieht, sind auch unterschiedliche rechtsstaatliche Ordnungen denkbar.  









236 Speziell zum Patentrecht instruktiv Tobias Lettl, Gewerblicher Rechtsschutz, 2019, S. 21 ff.  



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§ 1 Freiheit und Ordnung

bb) Unzureichende Abstimmung zwischen Rechts- und Wirtschaftsordnung Die jeweiligen Rechtsordnungen hängen also mit den Wirtschaftsordnungen zusammen und jeweils voneinander ab. Auch das wird am Beispiel der Fortsetzung des soeben wiedergegebenen Gedankens deutlich, weil Eucken im Unterschied zu vielen Interpreten des Laissez-faire das Vorhandensein einer umfänglichen Rechtsordnung betont, die jedoch nicht spezifisch auf die Wirtschaftsordnung bezogen war: „Ebenso besaßen die Staaten Rechtsordnungen; es galten umfassende Gesetze des allgemeinen Zivilrechts, des Handelsrechts usw. Aber die W i r t s c h a f t s o r d n u n g und ihre Gestaltung wurde nicht als besondere staatliche Aufgabe angesehen“ (WW 12). Es zeugt von Euckens juristischem Interesse, dass er das Zivilrecht und Handelsrecht ausdrücklich nennt, auch wenn man dieses jenem als Sonderprivatrecht der Kaufleute zuordnen kann.237 Eucken denkt beim Zivilrecht wahrscheinlich in erster Linie an das Schuldvertragsrecht. Wichtiger als diese Einzelheiten, die stellvertretend für die Rechtsordnung stehen, ist aber ohnehin der Bezug zur Wirtschaftsordnung, um die sich die betreffenden Staaten zu wenig gekümmert hätten. Ob man allerdings, wie Eucken meint, Adam Smith als „gedanklichen Schöpfer dieses Systems der Wirtschaftspolitik“ (GWP 28) des Laissez-faire ansehen kann, ist zweifelhaft, auch wenn man eine weitere Stelle in die Betrachtung einstellt, die ebenfalls auf Adam Smith anspielt: „Trotzdem wurde die Wirtschaftspolitik, soweit sie unter dem Einfluß der Klassiker stand, nicht zureichend auf das Ordnungsproblem gerichtet“ (GWP 195). Denn Adam Smith war gerade im Hinblick auf den Zusammenhang von Rechtsordnung und Wirtschaftssystem moderner eingestellt, als man annehmen könnte.238 Das verbreitete Vorurteil, dass es keinerlei Gesetze mit Ausnahme des allgemeinen Rechtsprinzip des neminem laedere gegeben habe, stimmt also nicht. Vielmehr war es aus Euckens Sicht eher eine Überreglementierung, die in die falsche Richtung ging, weil Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung unzureichend aufeinander abgestimmt waren. Dass nämlich dieser Zusammenhang von den Verfechtern des Laissez-faire nicht hinreichend erkannt wurde, verdeutlicht Eucken in einem Aufsatz über die soziale Frage: „In Wahrheit gilt für die funktionsfähige und freie Wirtschaftsordnung ähnliches, was auch für die staatliche und rechtliche Ordnung richtig ist: Die Formen, in denen gewirtschaftet wird, können nicht dem Laissez-faire überlassen werden“ (SF 120).  







237 Claus-Wilhelm Canaris, Handelsrecht, 24. Auflage 2006, § 1; Jens Petersen, Allgemeiner Teil des BGB und Handelsrecht, 2012. 238 Grundlegend Ernst-Joachim Mestmäcker, Die sichtbare Hand des Rechts. Über das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftssystem, 1978, S. 139; Knud Haakonssen, The Science of a Legislator. The Natural Jurisprudence of David Hume and Adam Smith, 1981; vgl. auch Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017.  







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II. Rechtsstaat als Bedingung der Freiheit

Damit betont er beiläufig die Interdependenz zwischen Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung.

cc) Keine Gleichsetzung der Wirtschaftsordnungen mit den Rechtsordnungen Zu berücksichtigen ist des Weiteren eine unscheinbare Wendung des oben genannten Zitats, wonach die freie Entfaltung ‚brauchbare(r) Formen, also im ganzen eine(r) Wirtschaftsordnung‘ unter der Geltung des Rechts(staats)prinzips erfolge (GWP 27). Denn auch dies betrifft das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung, wenn man eine wichtige Stelle aus den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e hinzuzieht, wo es ebenfalls nicht von ungefähr um die adäquaten Formen geht, welche die Wirtschaftsordnungen ausmachen, und nicht so sehr um die rechtlichen Normen: „Die jeweiligen Wirtschaftsordnungen sind nicht etwa den jeweils geltenden R e c h t s o r d n u n g e n gleichzusetzen. Auf die w i r t s c h a f t l i c h e n Ordnungstatsachen kommt es bei ihnen an, auf die Formen, in deren Rahmen der alltägliche Wirtschaftsprozeß vor sich geht, nicht auf die Rechtsnormen“ (GN 54). Die erforderliche Abstimmung zwischen Wirtschafts- und Rechtsordnung bedeutet also nicht, dass diese deckungsgleich sind. Insbesondere hat sich die Wirtschaftsordnung nicht nach den gesetzlichen Vorschriften zu richten. Die Geltung der allgemeinen Grundsätze gerechten Verhaltens unter Einschluss des Rechtsstaatsprinzips erwies sich daher nur als notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung einer ordnungsgemäßen Wirtschaftspolitik. In der Konsequenz bestand eine Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf die Formen des Wirtschaftsprozesses, die weiter reichte, als es der Staatsordnung guttat: „Man war damals auch in Deutschland der Überzeugung, daß sich bei Wahrung des Rechtsprinzips von selbst eine gute Wirtschaftsordnung aus den spontanen Kräften der Gesellschaft entwickeln würde. Dies war die Wirtschaftspolitik des Laissez-faire. Es bestand die Freiheit, auch die Formen zu gestalten, in denen der Wirtschaftsprozeß alltäglich abläuft“ (WW 12). Dieses Letztere geht ihm freilich zu weit. Den ungetrübten Glauben an eine spontane Ordnung, auf die von Hayek weitgehend vertraut,239 teilt Eucken nicht (GWP 27).240  







239 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 40, macht allerdings mit Recht darauf aufmerksam, dass im Unterschied zur Konzeption Foucaults „die spontane Ordnung bei Hayek durch dezentrale Rechtsregeln geordnet wird“. 240 Ingo Pies, Eucken und von Hayek im Vergleich: Zur Aktualisierung der ordnungspolitischen Konzeption, 2001, hat die unterschiedlichen Vorstellungen am gründlichsten analysiert. Hayek genügte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen die Einhaltung des von Euckens so genannten ‚Rechtsprinzips‘, das er zumeist als ‚die allgemeinen Regeln gerechten Verhaltens‘ bezeichnete;  

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§ 1 Freiheit und Ordnung

b) ‚Gottgewollte Ordnung‘ Es gab also in der Wirtschaftspolitik des Laissez-faire durchaus eine Ordnung, die möglicherweise Ausdruck eines religiös konnotierten Ordo-Denkens ist: „Der Wirtschaftspolitik des Laissez-faire lag ein großer Gedanke zugrunde.241 Freiheit soll gegeben werden, damit sich die natürliche, gottgewollte Ordnung entwickelt“ (GWP 53). Mag man die Bedeutung dieses letztgenannten Satzes noch dahingehend relativieren, dass Eucken lediglich die Wirtschaftspolitik des Laissez-faire gleichsam Revue passieren lässt, so ist die folgende Aussage Euckens genuin eigene: „Die Wirtschaftspolitik aber soll die freie natürliche gottgewollte Ordnung verwirklichen“ (GWP 176).242  



aa) Deismus in der Wirtschaftspolitik? Möglicherweise spiegelt sich an dieser Stelle Euckens Vorstellung von einer moralisch fundierten Wirtschaftspolitik mit seinem Gottesverständnis.243 Buchstäblich verbrieft ist im Übrigen Euckens Wort, das er wohl nicht von ungefähr an Alexander Rüstow gerichtet hat (GN 221):244 „Ich aber könnte weder existieren noch arbeiten, wenn ich nicht wüßte, daß Gott existiert.“245  

näher und speziell zu spontanen Ordnungen Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, §§ 1 und 3. 241 Eucken spielt offenbar an auf Friedrich Gottlieb Klopstock, Der Zürchersee (1750): „Und die Unsterblichkeit / Ist ein großer Gedanke, / Ist des Schweisses der Edlen werth“. 242 Zu dieser Stelle auch Johan van der Walt, The Horizontal Effect Revolution and the Question of Sovereignty, 2014, S. 248. Er folgert daraus allerdings zurückhaltend: “Deism, however, does not quite capture the ordo-liberal understanding of sovereignty. The state interventionism required to sustain God’s order would suggest that they contemplated a more interactive God, or at least a more interactive state that would act constantly to maintain an order that could easily fall apart otherwise, as Weimar Germany would seem to have underlined for them”. Hervorhebungen auch dort. 243 Zur religiösen Bindung Nils Goldschmidt, Christlicher Glaube, Wirtschaftstheorie und Praxisbezug. Walter Eucken und die Anlage 4 der Denkschrift des Freiburger Bonhoeffer-Kreises, Historisch-Politische Mitteilungen 5 (1998) 33. 244 Alexander Rüstow, Das Versagen des Wirtschaftsliberalismus als religionsgeschichtliches Problem, 1945. 245 Brief Walter Euckens an Alexander Rüstow aus dem Jahre 1942; zitiert nach Hans Otto Lenel, Walter Euckens Briefe an Alexander Rüstow, ORDO 42 (1991) 11, 12. Siehe auch Alexander Rüstow, Wirtschaftsethische Probleme der sozialen Marktwirtschaft, in: Der Christ und die soziale Marktwirtschaft (Hg. Patrick Boarmann) 1955, S. 53.  





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II. Rechtsstaat als Bedingung der Freiheit

(1) ‚Freie natürliche gottgewollte Ordnung‘ und Humanität Dieser kühne Gedanke würde folgenden Parallelismus zugrunde legen: Wenn Gott einmal eine Ordnung geschaffen hat, greift er nicht bei jeder Gelegenheit ein, sondern lässt dem Menschen innerhalb dieses Ordnungsrahmens bewusst Freiheit. In gleicher Weise soll auch der Staat nur einen Ordnungsrahmen setzen, innerhalb dessen der Mensch eigenverantwortlich wirtschaften kann, solange er die Gesetze einhält. Das liefe jedoch auf einen Deismus hinaus,246 dessen Übertragung auf die Wirtschaft durchaus problematisch ist.247 So richtig es ist, dass man dies nicht allein in Richtung eines gleichordnenden Parallelismus‘ zu verstehen hat, so bedeutsam ist es doch, dass Eucken das Prädikat ‚gottgewollt‘ an ganz unterschiedlichen, jeweils aber wesentlichen Stellen seines Werks verwendet (GWP 53/176)248 – und dies an der zuletzt betrachteten Stelle sogar im Hinblick auf die Verwirklichung der gottgewollten Ordnung durch die Wirtschaftspolitik. Nicht nur die Paraphrase zur Laissez-faire-Politik (GWP 53), sondern ausdrücklich auch das von Eucken selbst aufgestellte Postulat an späterer Stelle (GWP 176) bezieht sich nämlich unmissverständlich auf die Wirtschaftspolitik. Die zentrale letztgenannte Sentenz weist überdies einen markanten Ordnungszusammenhang auf, weil sie im folgenden Satz voraussetzt, dass „der Mensch, der in dieser Ordnung steht“ (GWP 176), die Freiheitssphären achten muss. Die Ordnung, auf die sich dies bezieht, ist aber die ‚freie natürliche gottgewollte‘. Bereits die fehlende Interpunktion markiert die Zusammengehörigkeit der drei Attribute dieser Ordnung, in welcher der Mensch steht.  









(2) Verschränkung der Ordnung mit der Humanität Als wollte Eucken hier alle Mehrdeutigkeiten vermeiden, verschränkt er diese Achtung wechselseitiger Freiheitssphären in den beiden Folgesätzen mit dem

246 Zu dessen Begriffsbestimmung und Abgrenzung zum Theismus geistesgeschichtlich aufschlussreich Rudolf Eucken, Geschichte der philosophischen Terminologie, Nachdruck 1964, S. 172 f. Siehe in diesem Zusammenhang auch Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 56: „Die unsichtbare Hand beruht nicht auf Gottvertrauen und nicht auf rechtsfreien ökonomischen Wundern. Sie erklärt die oft entfernten positiven Wirkungen der Arbeitsteilung, die ohne ein darauf gerichtetes Interesse eintreten, aber gleichwohl rationales und rechtmäßiges Handeln voraussetzen“. 247 Zum Deismus bei Adam Smith Claudius Luterbacher-Maineri, Adam Smith – Theologische Grundannahmen. Eine textkritische Studie, 2008, S. 73 ff.; Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017. 248 Vgl. bereits Friedrich-Wilhelm Dörge, Menschenbild und Institution in der Idee des Wirtschaftsliberalismus bei A. Smith, L. v. Mises, W. Eucken und F. A. v. Hayek, Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 4 (1959) 82, 90.  













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§ 1 Freiheit und Ordnung

Schlüsselbegriff der Humanität:249 „Hier an der Freiheitssphäre der anderen findet seine Person ihre Grenzen. Indem er diese Freiheitssphäre achtet, übt er Humanität“ (GWP 176). Doch auch dieser Gedanke geht nicht nur von der ‚freien natürlichen‘, sondern eben auch von der ‚gottgewollten‘ Ordnung aus. Eucken spricht noch an einer anderen Stelle von der ‚göttlichen Ordnung‘, dort allerdings eher referierend als zustimmend,250 nämlich wiederum in einer Paraphrase der Wirtschaftspolitik des Laissez-faire: „Man war von dem Glauben beherrscht, endlich die allein richtige, natürliche, göttliche Ordnung entdeckt zu haben und zu verwirklichen; die Ordnung nämlich, in welcher die Gesetze der vollständigen Konkurrenz die Produktion und die Verteilung beherrschen“ (GWP 27). Im Schrifttum haben diese Passagen ungläubiges Staunen ausgelöst: Baut hier ein moderner Wirtschaftsdenker auf naturrechtlichem Fundament,251 huldigt er einer überkommenen Metaphysik252 oder liegt gar ein naturalistischer Fehlschluss vor?253 Gewiss war Eucken weder Metaphysiker noch war er dezidierter Naturrechtler (GN 13; GWP 291). Ein Pfahl im Fleische derer, die Euckens Ordnungsdenken vollständig von religiösen Spuren gereinigt sehen wollen, bleibt freilich das ausdrückliche Postulat, wonach die Wirtschaftspolitik ‚die freie natürliche gottgewollte Ordnung‘ verwirklichen soll (GWP 176). Der Satz bleibt rätselhaft,254 stellt vielleicht sogar die Gretchenfrage, zumal da er nicht durch Kommata  









249 Michael C. Behrent, Liberalism without Humanism: Michel Foucault and the free-marked creed, 1976–1979, in: Foucault and Neoliberalism (Hg. Daniel Zamora/Ders.) 2016, S. 391, sieht nicht zuletzt in der unzureichenden Berücksichtigung des Humanismus‘ sowie des Rechts bei Foucault ein Defizit seiner Theorie; zustimmend im Hinblick auf letzteres Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 41. 250 Ingo Pies, Eucken und von Hayek im Vergleich: Zur Aktualisierung der ordnungspolitischen Konzeption, 2001, S. 7 f. mit eingehender Begründung gegen die im Folgenden zitierten Standpunkte. 251 Hajo Riese, Ordnungsidee und Ordnungspolitik – Kritik einer wirtschaftspolitischen Konzeption, Kyklos 25 (1972) 24. Verhaltener Viktor Vanberg, Die normativen Grundlagen von Ordnungspolitik, ORDO 48 (1997) 707, 713 („Anklänge an naturrechtliche Denkmuster“). 252 Stefan Voigt, Die konstitutionelle Ökonomik als Herausforderung für die Theorie der Wirtschaftspolitik – zugleich eine Skizze zur Weiterentwicklung einer ökonomischen Theorie der Verfassung, in: James Buchanans konstitutionelle Ökonomik (Hg. Ingo Pies/Martin Leschke) 1996, S. 157, 160. 253 Andeutungsweise Manfred E. Streit, Die Interdependenz der Ordnungen – Eine Botschaft und ihre aktuelle Bedeutung, in: Freiburger Beiträge zur Ordnungsökonomik, 1992, S. 135, 146; ders, Economic Order, Private Law, and Public Policy – The Freiburg School of Law and Economics in Perspective, Journal of Institutional and Theoretical Economics 148 (1992) 675, 681. 254 Ingo Pies, Theoretische Grundlagen demokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik – Der Beitrag Walter Euckens, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ders./Martin Leschke) 2002, S. 27, erklärt sie zum „Falschzitat“, gibt aber zu, dass „der inkriminierte Satz bei Eucken schwarz  























II. Rechtsstaat als Bedingung der Freiheit

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abgetrennt ist. Damit scheint ‚gottgewollt‘ zwar kein eigenständiges Merkmal dieser Ordnung zu sein; auch steht es zwar erst an letzter Stelle, dafür aber der Ordnung zunächst.255 Und ebenfalls an Alexander Rüstow schreibt Eucken, eine jede Ordnung habe einen „religiös-metaphysischen Gehalt“.256 Wie auch immer man es wendet, man kann das Prädikat ‚gottgewollt‘, auf das Eucken interessanterweise in seinem nationalökonomischen Leitfaden aus dem Jahre 1938 im selben Zusammenhang wohl zeitbedingt vorsichtshalber verzichtete (NW76), nicht wegdiskutieren, so dass Raum für das eingangs skizzierte Argument bleibt.257

bb) Katholisches Subsidiaritätsprinzip und Wettbewerbsordnung Einen Fingerzeig gibt insoweit auch Euckens Heranziehung der katholischen Soziallehre, vor allem in Gestalt der beiden päpstlichen Enzykliken ‚Rerum Novarum‘ (1891) und ‚Quadragesimo Anno‘ (1931) mit ihrem bestimmenden Grundprinzip:258 „Von unten nach oben soll der Aufbau der Gesellschaft erfolgen. Was die

auf weiß an der angegebenen Stelle steht“ (Hervorhebung auch dort). Seine Prämisse, dass „der kürzeste Sinnabschnitt in einem theoretischen Text nicht der Satz, sondern der Absatz ist“ (Hervorhebung ebenfalls dort), ist jedoch ebenso angreifbar wie die Behauptung: „Euckens Satz, dass die Wirtschaftspolitik die gewollte Ordnung verwirklichen soll, ist nicht direkte Rede, sondern indirekte Rede.“ – Denn zumindest in GWP 176 handelt es sich um ein unmissverständliches Postulat in direkter Rede, das man als solches zitieren kann, ohne dem Verdikt anheimzufallen, eine für sich betrachtet missverständliche Aussage aus dem Zusammenhang zu reißen. Bezüglich der anderen Stellen (GWP 27, 53) hat Pies freilich gute Gründe dafür ins Feld geführt, diese gleichsam als oratio obliqua zu begreifen. Allerdings lässt sich aus diesem quantitativ ausgerichteten Argument schwerlich e contrario folgern, dass auch GWP 176 zwingend ebenso zu deuten sei, da weder der Wortlaut noch der Sinnzusammenhang noch die äußere systematische Anordnung dies zwingend nahelegt. 255 Zu ähnlichen Auslegungsproblemen bei Adam Smith siehe Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 81 ff. 256 Brief Walter Euckens an Alexander Rüstow aus dem Jahre 1942; zitiert nach Hans Otto Lenel, Walter Euckens Briefe an Alexander Rüstow, ORDO 42 (1991) 11, 12. 257 Treffend Franz Böhm, Die Idee des Ordo im Denken Walter Euckens, ORDO 3 (1950) XV, IL: „Und dieser prästabilierte Vorgang verdient das Wort ‚Harmonie‘, wo immer er die Tendenz hat, bei gleichbleibenden Bedingungen zu einem Gleichgewicht zu führen und auf eine Veränderung der Bedingungen mit der Ingangbringung berechenbarer Bewegungsabläufe auf ein neues Gleichgewicht hin zu reagieren“. Ähnlich ders., Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, Nachdruck 2010 (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker), S. 170. 258 Zu letzterer grundlegend Oswald von Nell-Breuning, Die soziale Enzyklika, 1932. Nicht von ungefähr zitiert dieses Werk im Hinblick auf die Rolle des Marktes für die menschliche Gesellschaft auch Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 1933, am Ende des Vorworts. Siehe auch Oswald von Nell-Breuning, Sinnbestimmung der Wirtschaft aus letzten Gründen, in: Grundsatzfra 















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Einzelnen oder die Gruppen selbständig leisten können, das sollen sie aus freier Initiative nach besten Kräften tun. Und der Staat soll nur da eingreifen, wo seine Mithilfe in keiner Weise zu entbehren ist“ (GWP 348). Diese von unten nach oben gehende Richtung, die Eucken hier fordert, ist uns bereits im Zusammenhang mit der Ermittlung wirtschaftlicher Wirklichkeit begegnet, wo es darum ging, dass man in die konkreten Haushalte und Betriebe zu gehen habe. Aber die Stelle wird im vorliegenden Zusammenhang aus einem anderen Grund zitiert. Denn auch hier gibt es mithin einen gewissen Parallelismus, den Eucken sogar noch mit einer für sein Systemdenken typischen Wettbewerbsanalogie anreichert, indem er die gesamtgesellschaftliche Systemgerechtigkeit mit einem strukturellen Gleichlauf aufzeigt: „Die Vereinbarkeit des Subsidiaritätsprinzips mit der Wettbewerbsordnung liegt auf der Hand. Auch in der Wettbewerbsordnung wird der Akzent auf die Entfaltung der individuellen Kräfte gelegt – unter Beschränkung des Staates auf die Aufgaben, die das freie Spiel der Kräfte nicht zu leisten vermag. Auf jeden Fall ist die Wettbewerbsordnung die einzige Ordnung, in der das Subsidiaritätsprinzip voll zur Geltung kommen kann“ (GWP 348). Letztlich ist dieser Gedanke ebenfalls eine Ausprägung seiner Theorie der Interdependenz: Religiöse Ordnung, Gesellschaftsordnung, Rechtsordnung und Staatsordnung können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, sondern nur in ihrer Wechselbezüglichkeit und ihren lebensweltlichen Verschränkungen (GN 242).  







c) Kein Schluss von der Rechtsordnung auf die Wirtschaftsordnung Dass die Rechtsordnungen mit den Wirtschaftsordnungen nicht notwendigerweise identisch sind (GN 55), ist für die vorliegende Themenstellung ersichtlich eine zentrale Grundeinsicht Euckens, auf die noch zurückzukommen sein wird.259 Man muss sich jedoch vor Missverständnissen hüten: „Falsch wäre die Ansicht, die Wirtschaftsordnung wäre gleichsam der Unterbau, und darauf erhöben sich die Ordnungen der Gesellschaft, des Staates, des Rechtes und andere Ordnungen“ (GWP 182). Ein solches Basis-Überbau-Schema würde nicht nur die Zuschreibung marxistischen Gedankenguts provozieren, sondern auch die Interdependenz der Ordnungen missachten.  



gen der Wirtschaftsordnung, Wirtschaftsverfassungsrechtliche Abhandlungen, Volks- und betriebswirtschaftliche Schriftenreihe der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität, Heft 2, 1954, S. 232; dort (S. 244) auch zu Eucken. 259 Paraphrasierend dazu Sven Weberbauer, Shareholder Value orientierte Unternehmenspolitik. Eine wirtschaftsethische und wirtschaftstheoretische Untersuchung von Adam Smith und Walter Eucken, 2014, S. 192.  





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Die Verschiedenheit und Unabhängigkeit der Rechtsordnung von der Wirtschaftsordnung findet sich mit historischer Ausrichtung noch an anderer Stelle, an der Eucken betont, „daß Mitteilungen über Rechtsinstitutionen noch keinen sicheren Schluß auf den faktischen Aufbau der Wirtschaftsordnung gestatten“ (GN 177). Das entspricht der eingangs der Untersuchung referierten Beobachtung Euckens, wonach man in Jahrtausenden nichts Verlässliches über die Wirtschaftsordnung aussagen könnte, wenn man nur die wichtigsten Rechtsnormen unserer Zeit kennte. Der Schluss von der Rechtsordnung auf die Wirtschaftsordnung ist also nicht möglich (GN 55). Zudem würden Normativität und Faktizität vermengt, auch wenn es kein naturalistischer Fehlschluss wäre, weil gerade die Gegenrichtung betroffen ist.  



d) Ordnungsformen und Spielregeln Wie eng die zuletzt behandelten Gesichtspunkte mit der Rechtsstaatsidee verwoben ist, ergibt sich, wenn man einen wichtigen Satz aus den G r u n d s ä t z e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k zu Rate zieht: „In der modernen industriellen Welt wird folglich der Rechtsstaat nur einseitig verwirklicht, wenn er die Bildung der wirtschaftlichen Formen der Entwicklung selbst überläßt“ (GWP 52). So offen sich Eucken gegenüber evolutionären Standpunkten zeigt, wenn es um die allmähliche Transformation von Sitten in rechtliche Regelungen oder überhaupt den Stellenwert historischer Argumente geht, so skeptisch ist er gegenüber einem Wirtschaftsdenken, das nur auf spontane Ordnungen setzt (GWP 27). Denn das liefe auf ein weitgehend ungehindertes Laissez-faire hinaus und würde wie dieses einen Rückschritt bedeuten, weil Ordnungsrahmen und Wirtschaftsformen den Individuen überantwortet würden: „Die Methode besteht darin, daß ein entschiedenes Ordnungswollen sich auf die Gestaltung der Wirtschaftsformen erstreckt aber auch beschränkt, während der Wirtschaftsprozeß selbst seiner Eigengesetzlichkeit überlassen wird“ (GWP 369).260 Die Spielregeln sollen im Ordoliberalismus vorgegeben sein, während hinsichtlich der Spielzüge Freiheit besteht.261 Der Staat setzt also einen gewissen Ordnungsrahmen, greift aber nicht in den Wirtschaftsprozess ein. Es ist die prinzipielle Unterscheidung zwischen Form und Prozess: „Der Grundgedanke dieser Wirtschaftspolitik ist e i n f a c h , und alle Prinzi 





260 Grischa Klawe, Die Prinzipien des deutschen Wirtschaftswunders von der Finanzmarktkrise bis zur Staatsschuldenkrise. Aus der Sicht von Walter Eucken, dem Wegbereiter des Wirtschaftswunders, 2015, S. 24 f. behandelt (nicht nur) Euckens Haltung zur Laissez-faire-Politik etwa holzschnittartig. 261 Carl Christian von Weizsäcker, Ist Eucken noch aktuell? Anmerkungen zu „Walter Euckens Ordnungspolitik“, herausgegeben von Ingo Pies und Martin Leschke, ORDO 55 (2004) 345, 349.  



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pien dienen seiner Verwirklichung: Er beruht auf der fundamentalen Scheidung von F o r m und alltäglichem P r o z e ß des Wirtschaftens“ (GWP 308). In der folgenden Kontrastierung mit der von ihm abgelehnten Wirtschaftspolitik des Laissez-faire, die ein typisches Stilmittel seiner Darstellung ist (GWP 2), wird denn auch deutlich, was sich Eucken unter einem angemessenen Ordo gerade nicht vorstellt, weil es wiederum darauf hinausliefe, dass die Einzelnen auch bezüglich der Wirtschaftsformen vollkommene Freiheit hätten, wenn nur das allgemeine Rechtsprinzip eingehalten ist. Das ist jedoch wie mehrfach gesehen, nur eine notwendige und noch keine hinreichende Bedingung, zumal da die Ordnungsformen eben nicht der Disposition der Wirtschaftenden unterstehen: „Das prinzipielle Kennzeichen dieser Wirtschaftspolitik (sc. des Laissez-faire) bestand (…) darin, daß sie s o w o h l d i e G e s t a l t u n g d e r S p i e l r e g e l n , d e s R a h m e n w e r k s o d e r der Formen, in denen gewirtschaftet wird, als auch den alltäglichen K a m pf u m M e n g e u n d P r e i s , al s o d e n W i r t s c h a f t s p r o z e ß , d e n E i n z e l n e n ü b e r l ä ß t . Sie läßt den Kampf der Ordnungsformen frei –, wenn er nur gewissen Prinzipien des Rechts entspricht“ (GWP 54).262  







e) Wechselseitige Abhängigkeit von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung Es bedürfte der Hervorhebungen nicht, um die Fragwürdigkeit dieses Standpunktes vor dem Hintergrund Euckens eigener Annahmen zu erkennen. In der dort gezeichneten Vorstellung der Wirtschaftspolitik des Laissez-faire kommt nur scheinbar ein pauschaler Primat der Wirtschaftsordnung gegenüber der Rechtsordnung zur Geltung. Die Rechtsordnung hatte in dieser Epoche aus Euckens Sicht lediglich die Aufgabe, einen Kernbereich des Rechts zu sichern – ob das historisch im Einzelnen zutrifft, sei hier dahingestellt. Aber selbst wenn man sie nur auf die Geltung der Prinzipien des Rechts beschränkt, um es mit Eucken zu sagen, dann  

262 Zu den Spielregeln im Sinne Euckens Viktor Vanberg, The Constitution on Markets. Essays in Political Economy, 2001, S. 145 Anmerkung 7 mit aufschlussreichen Briefstellen; zur Bedeutung der Spielregel-Metapher bei Adam Smith Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017. Siehe auch Christian Warns, Spielregeln eines solidarischen Krankenversicherungswettbewerbs. Wettbewerb, Solidarität und Nachhaltigkeit nach der Gesundheitsreform 2007, 2009, S. 47; zu diesem Themenkreis auch Heike Schweitzer, Die Anwendung des Wettbewerbsrechts auf Krankenkassen, in: Das deutsche Kartellrecht nach der 8. GMB-Novelle (Hg. Florian Bien) 2013, 159; dies./Ulrich Becker, Welche gesetzlichen Regelungen empfehlen sich zur Verbesserung des Wettbewerbs der Versicherer und Leistungserbringer im Gesundheitswesen?, Neue Juristische Wochenschrift-Beilage 3/2012, S. 82; dieselben, Schutz der Versicherten vor unlauterem Kassenwettbewerb, Neue Juristische Wochenschrift 2014, 269; dieselben, Unbehandelt zurückgelassen: Der kränkelnde Kassenwettbewerb nach der 8. GWB-Novelle, Wettbewerb in Recht und Praxis 2013, Heft 8 Editorial.  







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kann damit immerhin noch die Rule of law gemeint sein, deren rechtsstaatlicher Gehalt sich auf die Wirtschaftsordnung auswirkt. Denn die Rechtsordnung prägt ihrerseits gerade in Gestalt der Bedingung strikter Rechtsstaatlichkeit umgekehrt ebenso die Wirtschaftsordnung, so dass immer auch eine Wechselbezüglichkeit besteht.263 Und dennoch ist diese Form der Wirtschaftspolitik des Laissez-faire für Eucken nicht zureichend, weil ihr der rechtliche Rahmen fehlt, mithin die Formgebung durch die Rechtsordnung, die damit gleichwohl nicht in der Wirtschaftsordnung aufgeht: „Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung sind also nicht identisch. – Dies feststellen, heißt nicht, den Einfluß leugnen oder verkleinern, den die Gestaltung der Rechtsordnungen auf die Wirtschaftsordnungen vielfach ausübt (…). Ebensowenig darf bestritten werden, daß auch umgekehrt die Entwicklung der Wirtschaftsordnungen häufig auf die Gestaltung der Rechtsordnungen wirkt. Die Rechtsordnung – soweit sie wirtschaftlich relevant ist – entsteht meist, um gewisse v o r h an d e n e Wirtschaftstatsachen zu gestalten“ (GN 55). Darin kommt ein zumindest zeitliches Vorrangverhältnis der Wirtschaftsordnung im Verhältnis zur Rechtsordnung zum Vorschein, weil diese in normativer Hinsicht auf faktische Gegebenheiten jener reagiert.264 Doch läuft dies eben nicht auf einen prinzipiellen Vorrang der Wirtschaftsordnung hinaus, weil Eucken im Ausgangspunkt eben auch die Gestaltungskraft der Rechtsordnung hervorhebt. Jetzt wird deutlich, dass Eucken die Wirtschaftspolitik des Laissez-faire als eine Art Kontrastmittel verwendet, um die Defizite im Bereich der rechtlichen Formgebung zu verdeutlichen. Die Epoche des Laissezfaire ist aus seiner Sicht buchstäblich ungeordnet, weil ihr auch dort, wo sie Regulierungsansätze zeigt, der Sinn für die erforderliche Interdependenz der  







263 Überzeugend hierzu für das Bankvertrags- und Kapitalmarktrecht Stefan Grundmann, in: Großkommentar HGB, 5. Auflage 2015, Band 11: Bankvertragsrecht Zweiter Teil, Randnummer 81: „Viel stärker als das von Böhm diskutierte und propagierte Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen leuchtet diese Idee von der Wechselbezüglichkeit für das (jüngere) Kapitalmarktrecht ein.“ Wie sich aus dem zuvor (ebenda Randnummer 80) Kommentierten ergibt, betrifft dies in gleicher Weise die Konzeption Euckens. 264 Weiterführend Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 358, der im Übrigen zwischen einem ‚frühen‘ (=GN) und einem ‚späten‘ (=GWP) Eucken trennt, während in der vorliegenden Arbeit eher der Kontinuität stiftende werkimmanente Zusammenhang betont wird: „Der Gedanke der Wirtschaftsordnung bestimmt für den frühen Eucken also den Rechtsbegriff, dieser ist vornehmlich wirtschaftsfunktionaler Natur. Auch heute noch tun sich Vertreter der Ökonomie schwer, das Primat des Rechts mit seinen formalen Erfordernissen Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Justiziabilität und seiner materiellen Ausrichtung am durch die Verfassung konkretisierten Gemeinwohl anzuerkennen“. – Gerade diesen ‚formalen Erfordernissen‘ wohnt ja – für den vorliegenden Zusammenhang nicht unwichtig – eine materiale Komponente in Gestalt des dadurch gewährleisteten Rechtsstaatsprinzips inne.  











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Rechts- und Wirtschaftsordnung fehlt. Auch wenn der Begriff der Interdependenz an der zuletzt zitierten Stelle nicht ausdrücklich aufscheint, liegt diese Vorstellung unausgesprochen zugrunde, wie sich aus dem werkimmanenten Zusammenhang mit entsprechenden Stellen ohne weiteres ergibt (GWP 104).  

f) Historische Erfahrung und Interdependenz Das folgt auch daraus, dass im Abschnitt über die Interdependenz der Ordnungen eine vielsagende historische Erfahrung wiedergegeben wird: „Die Geschichte der neueren Zeit lehrt ebenso eindeutig wie die Geschichte früherer Epochen, daß auch die staatlichen Ordnungen oder die Rechtsordnungen Einfluß auf die Gestaltung der Wirtschaftsordnung ausüben“ (GWP 182). Damit wird die soeben zitierte Aussage aus den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e noch durch die Dimension historischer Erfahrung erweitert. Daran zeigt sich, dass Euckens Theorie der Interdependenz keine blutarme Kopfgeburt darstellt, sondern auch als Resultat empirischer Beobachtung bestehen kann. Im Unterschied zu vielen anderen Ökonomen, die historischen Fragestellungen gegenüber offen sind, bezieht Eucken aber eben auch die alte und älteste Geschichte mit ein (GN 177). Andeutungsweise kommt das durch die Antithese der ‚neueren Zeit‘ einerseits und der ‚früherer Epochen‘ andererseits zum Ausdruck. Die Erkenntnis dieses Zusammenhangs historischer Erfahrung mit der in ihnen zum Vorschein kommenden Interdependenz der Ordnungen ist seine ureigene Schöpfung. Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung bedingen also einander in jeder Hinsicht: „Nicht also eine einseitige Abhängigkeit der übrigen Ordnungen von der Wirtschaftsordnung besteht, sondern eine wechselseitige Abhängigkeit, eine ‚Interdependenz der Ordnungen‘“ (GWP 183). Diese Klarstellung, die zugleich eine der prägnantesten Begriffsbestimmungen der Interdependenz darstellt, ist deswegen wichtig, weil Eucken bewusst nicht ‚pro domo‘ spricht, also keinem gleichwie gearteten Primat der Wirtschaftsordnung vor den übrigen Ordnungen, insbesondere der Rechtsordnung, das Wort redet, sondern die wechselseitige Abhängigkeit propagiert.  





g) ‚Idee des Rechtsstaats‘ und Interdependenz Wie dieser Funktionsmechanismus genau vonstatten geht, wird sich erst im Rahmen der ausführlichen Behandlung der Interdependenz der Ordnungen zeigen. Doch kann einstweilen festgehalten werden, was Eucken zum Wechselspiel von Rechtsstaatlichkeit und Wirtschaftsordnung wie folgt zusammenfasst: „Der Rechtsstaat kann sich nur dort vollständig durchsetzen, wo zugleich mit seiner rechtlich-staatlichen Ordnung eine ‚adäquate‘ Wirtschaftsordnung verwirklicht ist“

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(GWP 52).265 In der bestmöglichen Verwirklichung des Rechtsstaatsprinzips bildet sich somit die Interdependenz der Rechtsordnung, der Staatsordnung und der Wirtschaftsordnung ab. Das Rechtsstaatsprinzip ist also nicht nur wie eingangs hervorgehoben, Bedingung der Gewährleistung – auch wirtschaftlicher – Freiheit, sondern kann umgekehrt auch nur dort zur Geltung kommen, wo es zum effektiven Instrument der Gewährleistung einer angemessenen Wirtschaftsordnung wird. Dabei spielt der Gedanke der Formen nicht nur bei der Wirtschaftsordnung, sondern auch für den Rechtsstaat eine Rolle, weil die Formen des Rechtsstaats in seiner jeweiligen Ausprägung zwar historisch variabel, die Essenz aber unverzichtbar ist: „Die Idee des Rechtsstaates als Gegensatz zum Zwangsstaat ist eine dauernde. (…) Die Formen wechseln, und es gibt verschiedene Typen des Rechtsstaates. Aber er ist ein geschichtlich-universales Phänomen, das überall erscheint, wo mit der Realisierung der Freiheit ernst gemacht wird“ (GWP 48). Das führt zum Kapitelanfang zurück und damit jenem Wort Euckens, wonach die Möglichkeit zur Freiheit in der Gestaltung der Ordnungsformen besteht (GWP 217).  









3. Gefährdung des Rechtsstaats durch wirtschaftliche Macht So sinnfällig dies auf den ersten Blick wirkt, so schwierig ist die Umsetzung dieses Befunds in die konkrete Wirtschaftspolitik, wenn man bedenkt, dass aus Euckens Sicht eine Wirtschaftsordnung unangemessen ist, in der Monopole herrschen. Euckens diesbezügliches Verdikt ist eindeutig: „Monopole und Teilmonopole aber sind dem Rechtsstaat nicht adäquat, dürfen also nicht Bestandteile einer solchen Wirtschaftsordnung sein“ (GWP 52).266 Diese Annahme ist für Euckens wirtschaftspolitische Theorie grundlegend und berührt auch seine Idee der Interdependenz der Ordnungen (GWP 49).267  



265 Zu dieser Stelle auch Moritz Peter Haarmann, Wirtschaft – Macht – Bürgerbewusstsein. Walter Euckens Beitrag zur sozioökonomischen Bildung, 2015, S. 464 Fußnote 625, wonach darin „Euckens sozioökonomischer Argumentationsgang über das ökonomische und soziale Problem wirtschaftlicher Macht“ zum Ausdruck kommt. 266 Dazu auch Daniel Seikel, Der Kampf um öffentlich-rechtliche Banken. Wie die Europäische Kommission Liberalisierung durchsetzt, 2013, S. 97 f. 267 Zu ihr Manfred E. Streit, Die Interdependenz der Ordnungen – eine Botschaft und ihre aktuelle Bedeutung, in: Freiburger Beiträge zur Ordnungsökonomik (Hg. Ders.) 1995, S. 135.  















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a) Unrechtmäßige Einschränkung der Freiheitssphären Allerdings ist der historische Befund, auf den er seine Monopoltheorie im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip gründet, nicht von der Hand zu weisen. Denn einerseits war der Rechtsstaat im 19. Jahrhundert in vielerlei Hinsicht zufriedenstellend verwirklicht, so dass auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit gewährleistet schien: „Der Rechtsstaat und die Wirtschaftsordnungen, die sich bei dieser Wirtschaftspolitik entwickelten, waren insoweit miteinander vereinbar“ (GWP 49). Es bestand also eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung. Andererseits grassierte in der wirtschaftlichen Wirklichkeit die ungehinderte Entfaltung privater Macht, die durch ungehemmte Monopolbildung die Entfaltung wirtschaftlicher Freiheit hinderte und dadurch soziale Verwerfungen mit sich brachte:268 „Trotzdem konnte der Rechtsstaat in diesem Zeitalter nicht voll verwirklicht werden. Und zwar gerade deshalb nicht, weil Monopole und Monopolkämpfe seine Realisierung durchkreuzten“ (GWP 49). Bei unbefangener Betrachtung der wirtschaftspolitischen Zustände des 19. Jahrhundert wäre einem wohl dieser Missstand zumindest nicht als erstes aufgefallen. Ein näheres Hinsehen ergibt jedoch, dass damit ein neuralgischer Punkt berührt ist. Nachdenklich stimmt vor allem Euckens Beobachtung, dass die mit der Monopolisierung einhergehende private Macht Tendenzen Vorschub leisten kann, die in letzter Konsequenz zu rechtsstaatlich bedenklichen Auswüchsen führen können:269 „Wenn aber Privateigentum eine Monopolstellung konstituiert, ist mit ihm private Macht verbunden. Drohung mit Sperren und anderem Zwang, also Einschränkung der Freiheitssphären der Abnehmer oder der Arbeiter ist möglich, die – in schweren Fällen – mit dem Grundgedanken des Rechtsstaats unvereinbar war und ist“ (GWP 50).270 Das darf keinesfalls als Absage an das Institut des Privateigentums missverstanden werden, das für ihn im Gegenteil ein konstituierendes Prinzip der Wettbewerbsordnung bedeutet. Vielmehr richtet sich Euckens Kritik gegen Auswüchse privater wirtschaftlicher Macht, von denen noch eingehend die Rede sein wird.  













268 Bruno Schönfelder, Vom Spätsozialismus zur Privatrechtsordnung. Eine Untersuchung über die Interdependenz zwischen Recht und Wirtschaft am Beispiel von Gläubigerschutz und Kredit, 2012, S. 18. 269 Siehe auch Brigitte Young, Ordoliberalismus – Neoliberalismus – Laissez-faire-Liberalismus, in: Theorien der Internationalen Politischen Ökonomie (Hg. Joscha Wullweber/Antonia Graf/Maria Behrens) 2013, S. 33, 40. 270 Grundlegend Franz Böhm, Private Macht, Das Problem der privaten Macht, Die Justiz 3 (1928) 324. Zur arbeitsrechtlichen und arbeitsökonomischen Seite unter Bezugnahme auf Eucken Torsten G. Christen, Arbeitsförderungsrecht und Arbeitsmarktökonomik. Eine rechtsvergleichende und interdisziplinäre Untersuchung, 2001, S. 84 ff.  











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b) Gestaltung der Marktformen als Immunisierung gegen Willkürherrschaften Hier sind es vor allem die leiseren Töne, die dem Gedanken Überzeugungskraft verleihen, wenn etwa der parenthetisch vorgetragene Vorbehalt beachtet wird und die Modalität der Drohung bzw. des Zwangs in Visier genommen wird. Denn Drohung und Zwang sind Zeichen der Willkür, die ihrerseits das Gegenteil von Recht und Freiheit ist (GWP 369):271 „In den richtigen Marktformen ist auch die Entartung der Freiheit zur Willkürherrschaft einzelner über viele andere unmöglich“ (SF 130). Auch dieses Wort liest sich wie ein Komplement zu dem soeben zitierten und diesem Kapitel vorangestellten Satz, nach dem in der Gestaltung der Ordnungsformen die Möglichkeit zur Freiheit liegt (GWP 217). Die Wahl der Marktform entscheidet mithin darüber, wie stark sich ein Gemeinwesen gegen Gefährdungen des Rechtsstaats immunisieren kann. Wenn die Markt- und Ordnungsformen verantwortungsvoll – also gerade nicht ‚planwirtschaftlich‘, sondern der Idee der Wettbewerbsordnung gemäß – entworfen sind, dann harmonieren Rechtordnung und Wirtschaftsordnung in einer Weise, die ungerechtfertigten Zwang von vornherein ausschließt. Das setzt jedoch voraus, dass man bereits bei der Bestimmung der Marktformen das Monopolproblem erkennt (GWP 30). Insbesondere Sperren vertragen sich nicht mit dem Prinzip der Wettbewerbsordnung, weil dann keine vollständige Konkurrenz herrschen kann: „In der vollständigen Konkurrenz aber kann es keine Sperre geben“ (GWP 247). Den Grund dafür, der wiederum im Phänomen wirtschaftlicher Macht begründet ist,272 hat Eucken in einem nationalökonomischen Leitfaden lapidar bezeichnet: „Denn in der vollständigen Konkurrenz ist der einzelne Anbieter und der einzelne Nachfragende weitgehend entmachtet“ (NW 49). Es stellt gewiss ein Verdienst Euckens dar, den „Zusammenhang von Monopol und Rechtsstaat“ (GWP 53) sichtbar gemacht zu haben, ohne dass man seine kategorische Folgerung daraus zwangsläufig teilen muss.  

















4. Rechtsstaatsverlust in der Zentralwirtschaft Entsprechendes gilt für seine Kritik des Rechtsstaats, der zwar den Grundrechtsschutz verwirklicht habe, die Willkür unter Privaten jedoch nicht vollständig zu

271 Jens Petersen, Recht vor Gnade in Ovids Tristia, Gedächtnisschrift für Hannes Unberath, 2015, S. 351, 362. 272 Eugen von Böhm-Bawerk, Macht oder ökonomisches Gesetz, Gesammelte Schriften, 1924; Joseph Schumpeter, Das Grundprinzip der Verteilungstheorie, Archiv für Sozialwissenschaft 42 (1916/17) 1, werden von Eucken selbst zu diesem auch von ihm so genannten ‚Phänomen‘ (NW Fußnote 9) zitiert.  



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unterdrücken vermochte:273 „Wenn es also dem Rechtsstaat gelang, seine Bürger gegen die Willkür des Staates selbst zu schützen, so gelang es ihm nicht, ihn vor den Willkürakten anderer Bürger zu bewahren“ (GWP 52). Auch hier ist die rechtsstaatliche Sensibilität Euckens bemerkenswert, der wohl nicht zuletzt durch die Erfahrungen der unlängst zurückliegenden Diktatur geschärft war. Jedoch gehen seine Folgerungen mitunter sehr weit, wie sich insbesondere am Beispiel seiner noch verschiedentlich zu besprechenden Kritik Allgemeiner Geschäftsbedingungen paradigmatisch veranschaulichen lässt: „Dieses Recht der Geschäftsbedingungen, das von privater Macht gesetzt wird, hat Zwangsgewalt“ (GWP 51). Der in doppelter Hinsicht kräftige Ausdruck (‚Zwangsgewalt‘) ist erstaunlich und soll wohl in erster Linie zum Nachdenken über die Auswüchse solcher einseitiger Diktate von Seiten der Wirtschaft einladen und aufrütteln.  



a) ‚Geist der Freiheit‘ und Industrialisierung Es wäre freilich ungerecht Euckens Kritik privater Macht agitatorische Tendenzen zu unterstellen, da auch sie in kantischer Tradition begründet wird:274 „K a n t sah es als die Aufgabe des Staates an, die absolute Freiheit des Naturzustandes (status naturalis) durch Gesetze einzuschränken, in deren Rahmen der Einzelne gegen Willkür von anderen gesichert sei; so werde ein friedliches Zusammenleben möglich, ein status civilis, in dem alle ihre Fähigkeiten entfalten könnten. Dieses Ziel wurde im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert trotz aller Bemühungen um einen Rechtsstaat nicht erreicht – eben wegen der privaten wirtschaftlichen Machtkörper“ (GWP 52). Was die Entwicklung des Rechtsstaates im Verhältnis zum genannten Naturzustand betrifft, so ist am Beispiel dieses Gedankens auf das im Schrifttum festgestellte Näheverhältnis der ordnungspolitischen Konzeption Euckens zur Konstitutionenökonomik aufmerksam gemacht worden.275 Beiden gemeinsam ist nicht  





273 Lüder Gerken/Andreas Renner, Die ordnungspolitische Konzeption Walter Euckens, in: Walter Eucken und sein Werk. Rückblick auf den Vordenker der sozialen Marktwirtschaft (Hg. Lüder Gerken) 2000, S. 1, 18. 274 Vgl. auch Gottfried Dietze, Kant und der Rechtsstaat, 1982; sowie aus der Schriftenreihe des Walter Eucken Instituts Peter Koslowski, Staat und Gesellschaft bei Kant, 1985, S. 12. 275 Bernd Hansjürgens, Walter Eucken und das Denken in Verfassungen, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ingo Pies/Martin Leschke) 2002, S. 37, 45: „Schließlich ist im Bereich der Wirtschaftspolitik bis vor Euckens Zeit nichts dem Rechtsstaats-Gedanken Vergleichbares geschaffen worden. (…) Die Konstitutionenökonomik und die Euckensche normative Ordnungspolitik entsprechen sich spiegelbildlich“. Eingehend Viktor Vanberg, Privatrechtsgesellschaft und ökonomische Theorie, in: ders., Wettbewerb und Regelnordnung (Hg. Nils Goldschmidt/Harald Wohlgemuth) 2009, S. 72; zustimmend Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 14 f.  











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nur eine verwandte demokratietheoretische Fundierung sowie das Denken in Ordnungen bzw. Verfassungen, sondern auch die prinzipielle Unterscheidung zwischen vorgegebenen Spielregeln und freien Spielzügen.276 Eucken lässt es allerdings nicht bei der kantischen Staatsaufgabe bewenden, sondern dehnt diese über den Zeitraum der Industrialisierung hinaus aus und versieht sie mit weitergehenden Postulaten, weil die Industrialisierung zugleich Produkt und Gefährdung der Freiheit ist: „Der Geist der F r e i h e i t hat die Industrialisierung schaffen helfen – und diese Industrialisierung ist zu einer schweren Bedrohung der Freiheit geworden“ (GWP 175).277 Daher ist es Aufgabe der Wissenschaft herauszuarbeiten, auf welche Weise die Industrialisierung die Wirtschaftsordnung transformiert (GN 61). Man kann in diesem Punkt Eucken nur dann gerecht werden, wenn man zumindest nochmals seine Kritik an der Wirtschaftspolitik des Laissez-faire berücksichtigt.278 Dieser Wirtschaftspolitik billigt er bei aller Kritik gerechterweise etwas zu, das gerade für den vorliegenden Zusammenhang von Rechts- und Wirtschaftsordnung aufschlussreich ist. Wenn man diese gedanklichen Errungenschaften zusammenfasst, indem man auf eine privatautonom gestaltete, dezentrale Ordnung setzt und zugleich den Auswüchsen privater wirtschaftlicher Macht Grenzen zieht, dann sind wesentliche Bedingungen für das genannte friedliche Zusammenleben im Sinne Kants und Euckens geschaffen.279  





276 Martin Leschke, Walter Euckens Demokratieanschauung: das Ideologieproblem und die Theorie des Rent seeking, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ingo Pies/Ders.) 2002, S. 80 f. unter Verweis auf James Buchanan, Die Grenzen der Freiheit, 1975; zu dessen staatsphilosophisch eindrucksvoller Konzeption auch Jens Petersen, Wilhelm von Humboldts Rechtsphilosophie, 3. Auflage 2015, S. 289–309. 277 Michael Köhler, Europas Geist der Freiheit, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 23, zeichnet die geistesgeschichtlichen Grundlagen nach. 278 Siehe dazu auch Hans Willgerodt, Die Liberalen und ihr Staat – Gesellschaftspolitik zwischen Laissez-faire und Diktatur, ORDO 49 (1998) 43. 279 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 57, fasst seine tiefdringende Untersuchung denn auch in Anlehnung an Immanuel Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, Berlinische Monatsschrift 1784, 385, folgendermaßen zusammen: „Wenn man der Menschengattung zentrale Planung in die Wiege legt, ist der Weg zu dezentralen Ordnungen verschlossen, in der freie und gleiche Menschen die Spielregeln für friedlichen Wettbewerb entwicklen“.  















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b) Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung unter der Politik des Laissez-faire Eucken anerkennt durchaus, dass die Befürworter des Laissez-faire eine Konvergenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung herzustellen bemüht waren: „Ebenso schufen sie Rechtsordnungen durch umfassende Kodifikation. Eine Gesamtentscheidung auch für die Wirtschaftsordnung war damit gegeben“ (GWP 26). Beiläufig betrachtet illustriert dies, dass die Ordnung der Wirtschaft mitunter von der Rechtsordnung abhängt, wie Eucken ebenfalls an anderer, bereits behandelter Stelle voraussetzt (GWP 182). Eine rege Gesetzgebungstätigkeit bestimmt notwendigerweise die Wirtschaftsordnung, weil die wirtschaftspolitischen Akte durch entsprechende Vorgaben das Verhalten der Rechtsunterworfenen lenken und damit auch ihre ökonomischen Entscheidungen betreffen. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass die Wirtschaftspolitik des Laissez-faire nicht notwendigerweise zur vollständigen Konkurrenz führt, sondern häufig in Richtung anderer Marktformen übergeht (GWP 191). Eucken dämpft daher den daraus resultierenden Optimismus, der darauf hinausläuft, dass es allein damit getan sei: „Man war der Überzeugung, daß sich im Rahmen des Rechtes eine zureichende Wirtschaftsordnung von selbst entwickeln würde“ (GWP 27). Die Tonstelle liegt hier ersichtlich auf dem Wort ‚zureichende‘ – ein Adjektiv, das er auch an anderer Stelle zur Veranschaulichung einer wünschenswerten Wirtschaftsordnung wählt (GWP 337). Eine adäquate Rechtsordnung ist eben nur notwendige Bedingung einer funktionsfähigen Wirtschaftsordnung, aber noch keine hinreichende Bedingung, solange sie den Auswüchsen des Laissez-faire nicht Vorschub leistet, indem sie einen bestimmten Ordnungsrahmen setzt. Dementsprechend würdigt Eucken sie als eine mit gutem Grund verkehrswirtschaftliche Betrachtungsweise, die jedoch nicht schon deshalb alle Fragen beantworten konnte: „Die Wirtschaftspolitik des Laissez-faire war ein Versuch, mit verkehrswirtschaftlichen Methoden das Ordnungsproblem zu lösen“ (GWP 29). Doch bedeutet der verkehrswirtschaftliche Ansatz der Laissez-fairePolitik immerhin einen wesentlichen Erkenntnisfortschritt. Jedoch erwies sie sich nicht zuletzt deswegen als unzulänglich, weil die Rechtsordnung konzeptionell nicht genügend auf die Wirtschaftspolitik zugerichtet war, sondern eine mehr oder minder arbiträre Gesetzesvielfalt in einem kruden Nebeneinander zur Wirtschaftsordnung steht (GN 57).  















c) Kollision der Ordnungen Anders sieht es aus, wenn Lenkungssysteme des zentralwirtschaftlichen Typs mit verkehrswirtschaftlich ausgerichteten kollidieren, zum Beispiel eine zentralwirtschaftliche Wirtschaftsordnung auf eine verkehrswirtschaftliche Rechtsordnung stößt. Das begegnet etwa im internationalen Handel, wovon noch im Einzelnen

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die Rede sein wird.280 Einstweilen genügt die Feststellung, dass eine harmonische Gesamtordnung in einer solchen Konstellation in weite Ferne gerückt ist: „Zentralgeleitete Ordnungen der Wirtschaft und freie Ordnungen des Staates, des Rechtes, der Erziehung müssen in Konflikt miteinander geraten. Es besteht eine ‚Kollision‘ der Ordnungen, ein tiefgehender innerer Widerspruch“ (GWP 133). Die Widerspruchsfreiheit als Postulat einer jeden Wissenschaft ist aber auch von ausschlaggebender Bedeutung für die Wirksamkeit des Ordnungsgefüges (GN 56). Denn nach dem Grundsatz der Interdependenz der Ordnungen entfaltet jedwede Störung einer Ordnung – etwa der Wirtschaftsordnung – unweigerlich Auswirkungen auf die anderen Ordnungen, namentlich die Rechtsordnung: „Darüber hinaus zerstört die Zentralverwaltungswirtschaft auch andere Ordnungen, die der Gesamtheit dienen: so vor allem die Ordnung des Rechtes“ (GWP 364).281 Der Grund dafür liegt auch hier in der Erosion des Rechtsstaats durch die Zentralverwaltungswirtschaft (NW 80), da dieser die Überprüfung von Exekutiventscheidungen durch unabhängige Verwaltungsgerichte voraussetzt, wie sogleich noch näher darzustellen ist. Daran fehlt es aber in Zentralverwaltungswirtschaften typischerweise, weshalb sie mit dem Rechtsstaat prinzipiell unvereinbar sind (GWP 130). Hier offenbart sich das Zusammenspiel zwischen Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung unter negativen Vorzeichen.  













d) Rechtsstaatlichkeit und Ordnungsproblem So zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass jedweder zentralwirtschaftliche Versuch der Lösung des Ordnungsproblems unweigerlich an die Grenzen des Rechtsstaats stoßen muss: „Wird die Politik zentraler Leitung des Wirtschaftsprozesses konsequent durchgeführt, so verliert der Staat den Charakter des Rechtsstaates“ (GWP 130).282 Diese kategorische Aussage, auf die bereits weiter oben angespielt  

280 Thomas Fischer, Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staatsund rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1993, S. 72, zum „Erfordernis eines funktionsfähigen Lenkungssystems“. 281 Ingo Pies, Theoretische Grundlagen demokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik – Der Beitrag Walter Euckens, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ders./Martin Leschke) 2002, S. 23, paraphrasiert und kommentiert Euckens empirisch fundierte Favorisierung der Wettbewerbsordnung weiterführend: „Gestützt auf die theoretische Verarbeitung historischer Erfahrungen, besagt es statt dessen, dass eine auf soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit abzielende Befürwortung einer Zentralverwaltungswirtschaft wider Willen zu Unfreiheit, Ungerechtigkeit und Unsicherheit führen würde und dass es eine vergleichsweise überlegene Option gibt, um mehr Freiheit, aber auch mehr Sicherheit und mehr Gerechtigkeit zur Geltung zu bringen“. 282 Zu ähnlichen Stellen Euckens Johann Baptist Müller, Determinanten politischer Entscheidung, 1985, S. 50; Johann Braun, Einführung in die Rechtswissenschaft, 3. Auflage 2007, S. 128.  











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wurde, markiert eine Weichenstellung in Euckens Wirtschafts- und Rechtsdenken. So unentbehrlich für ihn eine behutsame Wirtschaftsplanung ist, der durch das Recht bestimmte Leitplanken gesetzt sind, innerhalb derer der einzelne freiverantwortlich wirtschaften kann, so sehr lehnt er gerade aus dem letztgenannten Grund eine zentralverwaltungswirtschaftliche Bevormundung ab, weil sie seiner Vorstellung diametral entgegengesetzt ist, wonach die Gestaltung der Ordnungsformen Ordnung Freiheit ermöglichen soll (GWP 217). Denn der Staat schränkt in einer Zentralverwaltungswirtschaft elementare Grundrechte und Rechtspositionen, wie die Freizügigkeit oder die Vertragsfreiheit, faktisch ein, so dass eine solche Form der Wirtschaft mit der Freiheit unvereinbar ist (NW 80): „In dieser Richtung bedrohen die Wirtschaftsordnungen, welche aus einer Politik zentraler Leitung des Wirtschaftsprozesses entstehen, den Rechtsstaat gleichsam von einer anderen Seite. Die eine Bedrohung – durch Private – mag verschwinden; die andere Bedrohung aber – durch den Staat selbst – wächst stark an“ (GWP 129).283 So gravierend das Problem privater wirtschaftlicher Macht auch sein mag – und nur wenige, wie namentlich Franz Böhm,284 haben für den bedrohlichen Stellenwert dieser Ausprägung von Macht ein so feines Sensorium wie Eucken –, ist sie doch das entschieden geringere Übel als eine Zentralverwaltungswirtschaft, die eine von Natur aus mächtige Instanz noch gewaltiger macht und jeden einzelnen bevormundet. Insofern kommt es zu einer Art beweglichem System:285 „Je mehr die Freiheit der Person durch rechtsstaatlichen Schutz oder die Freiheit des Denkens und der Bildung gewahrt bleiben, um so weniger kann sich die Politik zentraler Leitung des Wirtschaftsprozesses durchsetzen. Was dem einen gegeben wird, wird dem andern genommen“ (GWP 133). Beachtung verdient insbesondere der Nachsatz, der auch für die Privatrechtsordnung von besonderer Bedeutung  



















Beide Stellen berücksichtigt Rolf Krüger, Das wirtschaftspolitische Instrumentarium. Einteilungsmerkmale und Systematisierung, 1967, S. 84. Siehe auch Ulfried Weißer, Die Bundesrepublik Deutschland – ein Erfolgsprojekt, 2015, S. 178. 283 Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 68, kommentiert dies unter Verweis auf WV 12 treffend: „Die wachsende Konzentration wirtschaftlicher Macht macht es also nicht wahrscheinlicher, daß es zu einer Güterverteilung kommt, die im Vergleich zum Marktmechanismus gerechter ist“. 284 Franz Böhm, Die Bedrohung der Freiheit durch private ökonomische Macht in der heutigen Gesellschaft, Universitas 18 (1963) 37. 285 Zur Wirkungsweise dieser von Walter Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, 1950, ausgearbeiteten prinzipienorientierten Betrachtungsweise Jens Petersen, Unternehmenssteuerrecht und bewegliches System. Betriebsaufspaltung, Mitunternehmerschaft, verdeckte Gewinnausschüttung, 1999.  







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ist.286 Die Entscheidung für Gedankenfreiheit und Rechtsstaat bedeutet zugleich eine prinzipielle Absage an eine Zentralverwaltungswirtschaft.

e) Prinzipienlosigkeit widerspruchsvoller Ordnungspolitik Prinzipielle Festlegungen dieser Art lassen Euckens Darlegungen zwar mitunter starr und doktrinär erscheinen, gewährleisten jedoch ein Höchstmaß an Rechtssicherheit und Konstanz der Wirtschaftspolitik als konstituierendes Prinzip (WV 46), die einander im Sinne der Interdependenz der Rechts- und Wirtschaftsordnung bedingen. Das Hauptproblem einer widerspruchsvollen Ordnungspolitik ist demgegenüber ihre Prinzipienlosigkeit, die sich gerade im Verhältnis zwischen Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung rächt: „Es gibt auch auf anderen Lebensgebieten keine Möglichkeit, sinnvoll konkrete Ordnungen herzustellen, wenn nicht derartige Prinzipien erarbeitet sind; so z. B. die Ordnungen des Rechtes und des Staates. Deshalb hat auch die alte Weisheit vollkommen recht, nach welcher der Verfall der Ordnungen mit dem Verstoß gegen die Prinzipien beginnt“ (GWP 252). Hieran erkennt man Euckens durchaus konservative Gesinnung. So geht also der Mangel an Prinzipen unweigerlich mit einem Mangel an Harmonie und damit möglicherweise auch der Gleichgewichtslosigkeit einher (GWP 164). Dann aber kann es nicht mehr zu einer Konkordanz der Ordnungen kommen, weil die Ordnungen einander nicht mehr im Sinne der Interdependenz bedingen, sondern sogar stören: „Aber stets behindert die eine Ordnung die andere. Weil die einzelnen Ordnungen nicht aufeinander abgestimmt sind, entsteht keine funktionsfähige G e s a m t o r d n u n g “ (GWP 133). Damit ist der zentrale Begriff der Gesamtordnung gefallen, den Eucken nicht von ungefähr hervorhebt. Das Vorliegen einer Gesamtordnung ist somit eine Voraussetzung der Interdependenz der Ordnungen. Wie wichtig dieses Ziel der Herstellung einer Gesamtordnung ist, wird uns noch weiter unten beschäftigen, wenn es um das Wirtschaftsverfassungsrecht im Sinne Euckens gehen wird.287 Einstweilen kann es bei der Folgerung, die er daraus zieht bewenden und die er um ihrer Bedeutsamkeit willen ebenfalls hervorhebt: „Die Ordnungsprinzipien der Wirtschaft sollten mit den Prinzipien anderer Ordnungen – z. B. des Staates – von vornherein abgestimmt sein“ (GWP 133). Ebenso gut hätte er die Rechtsordnung beispielhaft nennen können. Doch zeigt sich  

















286 Dieter Medicus, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Privatrecht, Archiv für die civilistische Praxis 192 (1992) 35, 57; dazu auch Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, S. 342. 287 Siehe dazu auch Gernot Gutmann, Die Wechselseitigkeit von Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik, in: Zukunftsfähige Gesellschaft. Beiträge zu Grundfragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik (Hg. Anton Rauscher) 1998, S. 101, 108.  



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die Interdependenz am Beispiel der Staatsordnung und Wirtschaftsordnung nicht anders, weil auch diese beide nur Teile einer Gesamtordnung sind, die es herzustellen gilt (GWP 338).  

5. Rechtsstaatsidee und Wettbewerbsordnung Die grundlegende Entscheidung für ein verkehrswirtschaftliches System ist also für Eucken notwendig, aber vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsgedankens noch nicht hinreichend. Denn wie weiter oben gesehen, ist das Bestehen privater wirtschaftlicher Macht zwar allemal besser als eine Zentralverwaltungswirtschaft, mitnichten aber gut und – sofern man beides überhaupt vergleichen kann – allenfalls das geringere Übel (GWP 129). Ungebremste private wirtschaftliche Macht führt jedoch unter entsprechenden Umständen jedenfalls dann unweigerlich zu Monopolen, wenn es nach dem Willen des Begünstigten geht, denn „jeder erspäht Möglichkeiten, um Monopolist zu werden“ (GWP 31). Unausgesprochen schwingt dabei mit, dass Monopole eher früher als später missbraucht werden und ihre Existenz daher per se verdächtig ist.288 Zudem können Monopole zu einem selbstgerechten Anspruchsdenken derer führen, die dadurch privilegiert werden und in eigener Sache Ausnahmen von der gegenüber anderen als prinzipiell sinnvoll empfundenen Einhegung ungebremster Marktwirtschaft fordern.289 Dementsprechend negativ aber fällt Euckens Urteil über die Wirtschaftspolitik nach den Grundsätzen des Laissez-faire aus, da sie letztlich das kantische Postulat der angemessenen Scheidung der Willkürsphären aller Privatrechtssubjekte nicht hinlänglich zu verwirklichen vermochte: „Die Politik des Laissez-faire ließ (…) keine Wirtschaftsordnungen entstehen, die dem Rechtsstaat adäquat sind und  







288 Dazu Ernst-Joachim Mestmäcker, Marktzugang und Monopolmissbrauch auf deregulierten Märkten, Festschrift für Ernst Steindorff, 1990, S. 1045. 289 Franz Böhm, Reden und Schriften. Über die Ordnung einer freien Gesellschaft, einer freien Wirtschaft und über die Wiedergutmachung (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker) 1960, S. 154, hat dies mit markigen Worten sinnfällig auf den Punkt gebracht: „Hier liegen die Dinge nicht bloß so, daß ein Streit zwischen denjenigen besteht, die sich mehr um die Funktionserhaltung der marktwirtschaftlichen Teilordnung sorgen, und denjenigen, denen vor allem der gestaltende Eingriff in die politischen und sozialen Daten am Herzen liegt, oder aber zwischen Anhängern und Gegnern der marktwirtschaftlichen Ordnung, sondern hier sehen wir uns vielmehr einer allgemeinen Rebellion der allerbreitesten Schichten von Wirtschaftsbeteiligten gegenüber, die ganz gleichgültig, ob sie Anhänger, Kritiker oder Gegner der marktwirtschaftlichen Ordnung sind, mindestens für ihre eigene Person die marktwirtschaftliche Ordnung zum Teufel wünschen und verlangen, daß für sie eine spielregel- und ordnungswidrige Extrawurst gebraten wird“. Zu dieser Stelle weiterführend Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 61 f.  







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zwar deshalb nicht, weil sich bei dieser Wirtschaftspolitik unkontrollierte Monopole oder Teilmonopole bilden können“ (GWP 128). Monopolbildung und Rechtsstaatsidee stehen daher stets in einem Spannungsverhältnis zueinander, weil diese eine Voraussetzung der Wettbewerbsordnung darstellt, die durch jene gerade gefährdet werden kann. Wie bedenklich die mit der Monopolbildung einhergehende private Macht ist und wie entschieden letztlich auch im Wege der Rechtsordnung dagegen vorzugehen ist, hat Eucken wiederholt gefordert: „In der Wettbewerbsordnung aber muß alles geschehen, um die Monopolbildung zu verhindern, die das wichtigste Ordnungsinstrument, nämlich die Konkurrenz, zerstört“ (NW 85).  



a) Gewaltenteilung und Gleichgewicht der Gewalten Dieses zeitlos gültige Wort wäre ein würdiger Abschluss seiner Ausführungen zum Zusammenhang zwischen Wettbewerbsordnung und Rechtsstaat, wenn Eucken dessen Gefährdungen nicht gerade durch wirtschaftliche Macht und insbesondere Monopolbildung gegeißelt hätte, wie wir bereits weiter oben gesehen haben. Doch gerade das darin zum Ausdruck kommende seismographische Sensorium gegenüber wirtschaftlicher Macht in ihren offen ausgelebten und untergründig wirkenden Erscheinungsweisen macht seine wirtschaftspolitischen Grundsätze so lesenswert und über den Tag hinaus bedeutend. Denn die bohrenden Fragen, denen im Folgenden insbesondere für das Verständnis des Verhältnisses von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung nachgegangen werden muss, hat Eucken selbst wieder und wieder gestellt, so dass sie auch hier als Arbeitsauftrag zitiert seien:290 „Wie weit ist der ‚Rechtsstaat‘ mit den verschiedenen Wirt290 Ernst-Joachim Mestmäcker, Vorwort GWP S. IX, fasst sie in anderem Zusammenhang (GWP 179) zusammen und legitimiert das Vorgehen gegen wettbewerbshindernde Monopole: „Es kommt darauf an, anhand der Einsicht in die Eigengesetzlichkeit spontaner Ordnungen die Regeln zu entwickeln, die sie für ihre Funktionsfähigkeit voraussetzen und die mit den normativen Funktionen von Freiheitsrechten verbunden sind. Deshalb sind die Gewährleistung des Wettbewerbs bei offenen Märkten und der Kampf gegen private und öffentliche Monopole nicht nur wirtschaftspolitisch geboten, sondern ein notwendiger Bestandteil der Machtkontrolle in der Demokratie“. Diesen Gedanken konsequent auf intertemporaler und internationaler Ebene fortführend ders., Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts, 2016, S. 611: „Die Übergänge zu internationalen Monopolkämpfen sind unverkennbar. So hat der deutsche Gesetzgeber die zeitlich begrenzte Aufrechterhaltung der staatlichen Monopole im Kommunikationsbereich damit begründet, dass die privatisierte Telekom international wettbewerbsfähig werden müsse. Das läuft aber auf die schon für die Grundstoffkartelle vergangener Epochen in Anspruch genommene Rechtfertigung hinaus, mit den zu Haus erzielten Monopolgewinnen erfolgreich zu sein“. – Dieser ebenso zutreffende wie den Monopolisten entlarvende Gedanke ist wohl durchaus im Sinne Euckens (SF 119), zumal da sich auch hier zeigt, wie wirtschaftliche Eigeninteressen durch vorgebliche Gemeinwohlaspekte ersetzt werden, wenn es der jeweiligen Interessenten-Ideologie zugutekommt.  









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schaftsordnungen vereinbar? Welche Grundrechte können garantiert werden? (…) Welche Grundrechte bleiben? Welchen Einfluß haben private wirtschaftliche Machtgruppen in anderen, vorwiegend verkehrswirtschaftlichen Wirtschaftsordnungen auf den Rechtsstaat? Wieweit verdrängt das autonome Recht privater Machtgruppen, z. B. in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Industrie, Banken, Versicherungsgesellschaften, staatlich gesetztes Recht? Wie hat das ‚Selbstgeschaffene Recht der Wirtschaft‘ die Rechtsordnung umgestaltet?“ (GWP 182).291 Als wäre diese Kanonade von Fragen nicht schon Grund genug, die genannten Punkte auf den Prüfstand der Untersuchung über Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zu stellen, legt Eucken doch sicherheitshalber noch einmal den Finger in die Wunde: „Es ist heute unmöglich, unter Umgehung dieses Fragenkomplexes sinnvoll über die Verwirklichung des Rechtsstaates zu sprechen“ (GWP 182). Einzelne Fragen hat er bereits zuvor beantwortet, etwa die Unvereinbarkeit von Zentralverwaltungswirtschaft und Rechtsstaat (GWP 129).  







aa) ‚Gleichgewicht der Gewalten‘ als rudimentäre Form der Interdependenz? Die ungehinderte Anhäufung privater Macht, der die Staaten des 20. Jahrhunderts nicht nur tatenlos zugesehen, sondern die sie mitunter sogar selbst betrieben hätten, hat aus Euckens Sicht die Rechtsstaatsidee ausgehöhlt, weil die Staaten eine in sich widersprüchliche Wirtschaftspolitik verfolgt hätten: „Dann gefährdeten sie selbst mit der einen Hand den Rechtsstaat, den sie mit der anderen Hand – z. B. durch die Trennung der Gewalten, Grundrechte usw. – zu erhalten suchten“ (GWP 52). Es ist also weniger böse Absicht, wie man daran erkennt, dass elementare Rechtsschutzgarantien gewährleistet werden, als vielmehr mangelnde Einsicht in die Interdependenz der Ordnungen, welche die Gesetzgeber der unterschiedlichen Staaten dazu bewog, Vorschriften zu erlassen, die dasjenige außer Kraft setzten, was durch die Gewaltenteilung gerade gewährleistet werden sollte, wenn auch auf der Ebene der Bändigung wirtschaftlicher Macht. Denn im Bereich der Gewaltenteilung gilt ebenfalls die Interdependenz, weil die Gewalten idealerweise harmonisch ineinandergreifen sollen (GWP 307). Wenngleich der Individualrechtsschutz eine notwendige Bedingung einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung ist, erweist er sich nicht als hinreichend, sofern unzureichend miteinander abgestimmte wirtschaftspolitische Akte einander durchkreuzen. Gerade das war aber der Fall, als die Staaten durch eine irritie 











291 Zur Rolle der im Zitat genannten Grundrechte Thomas Brockmeier, Wettbewerb und Unternehmertum in der Systemtransformation. Das Problem des institutionellen Interregnums im Prozeß des Wandels von Wirtschaftssystemen, 1998, S. 340 mit Fußnote 62. Zu den im Zitat genannten Versicherungsgesellschaften Jens Petersen, Versicherungsunternehmensrecht, 2003.  



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rende Handels- und Kartellpolitik die Anhäufung privater wirtschaftlicher Macht begünstigt haben (GWP 52). Darüber hinaus referiert Eucken einen geistesgeschichtlich anregenden, aus dem Kreis der Saint-Simonisten herrührenden Gedanken,292 der aus dem Widerstreben gegen zentralistische Tendenzen geboren wurde und trotz aller Vorbehalte gegen ein unabänderliches Entwicklungsgesetz von daher schon seine tendenzielle Sympathie hat (GWP 208), auch wenn ihm nicht erst seit seiner Antrittsvorlesung bewusst war, wie beschränkt sich solche Experimente in wirtschaftshistorischer Hinsicht erwiesen haben:293 „In den Bestreben, ‚Gegengewichte‘ gegen zentrale Planstellen und ihre Machtpositionen durch Ausbau freier politischer, kultureller und rechtlicher Ordnungen zur Geltung zu bringen, kommt ein alter Gedanke in neuer Form zum Ausdruck. Es soll nämlich ein neuartiges ‚Gleichgewicht der Gewalten‘ entstehen. Nicht etwa ein Gleichgewicht von Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung und auch der Notenbank, wie es die Staaten des 19. Jahrhunderts versuchten. Wohl aber ein Gleichgewicht der vermachteten Wirtschaftsordnung zentraler Planung und freier Ordnungen in Politik, Recht und Kultur. So soll sich eine geschlossene funktionsfähige Gesamtordnung bilden“ (GWP 132 f.).294 So unausgereift diese Vision einer Gesamtordnung auch im Einzelnen gewesen sein mag, kann sie doch als eine rudimentäre, verbesserungsfähige Frühform einer Vorstellung der Interdependenz der Ordnungen begriffen werden, unter denen neben der Wirtschaftsordnung auch die Rechtsordnung ihren Platz hat. Eucken wandelt den herkömmlichen Gedanken der Gewaltenteilung also dahingehend ab, dass er ebenso im Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft Geltung  









292 Zu ihnen aus heutiger Sicht Wolf Lepenies, Die Macht am Mittelmeerraum: französische Träume von einem anderen Europa, 2016, S. 99–111, über „die Saint-Simonisten und das Mittelmehrsystem“. 293 Walter Eucken, Zur Würdigung Saint Simons, Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich 15 (1921) 115. Einen anderen Mittelweg ist Walther Rathenau gegangen (siehe nur Walther Rathenau, Vom Aktienwesen, 1917; dazu Holger Fleischer, Juristenzeitung 2017, 991), den Eucken wiederholt (GWP 140) würdigt; auf seine Rolle und die von ihm vorbereiteten Sozialisierungsgesetze (GWP 57/170 f.) kann hier nicht im Einzelnen eingegangen werden; zu seinem Rechtsverständnis sei verwiesen auf Jens Petersen, Walther Rathenaus Utopie des Rechts, Festschrift für Peter Gauweiler, 2009, S. 107, wo auch auf seine Vorstellung des Wirtschaftsrechts Bezug genommen wird. Zur Rolle der Utopie bei Eucken GWP 366–368. 294 Sabine Riedel, Die kulturelle Zukunft Europas. Demokratie in Zeiten globaler Umbrüche, 2015, S. 87, paraphrasiert zutreffend: „Wirksame Gegengewichte zur ‚vermachteten Wirtschaftsordnung‘ sieht Eucken nicht nur in der Gewaltenteilung und ihrer Gesetzgebung“. Zum Zusammenhang zwischen politischer und kultureller Ordnung unter dem Gesichtspunkt der Interdependenz im Sinne Euckens Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 48.  















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hat, damit die Bürger einerseits frei und unabhängig vom Staat wirtschaften können, dieser aber umgekehrt frei von Einflüssen der Wirtschaft seinen politischen Aufgaben nachgehen kann.295

bb) Wirtschaftsverfassungsrechtliche Vorgaben an die drei Gewalten Hierfür lässt sich auch noch eine andere Überlegung Euckens ins Feld führen, die nicht von ungefähr im Rahmen der wiederholten Behandlung der Interdependenz ihren Platz hat (GWP 180), nachdem die von ihm sogenannten konstituierenden Prinzipien der Wettbewerbsordnung entwickelt wurden (GWP 254).296  



(1) Gesetzgebung In der Folge gibt Eucken nämlich der Legislativen und der Judikativen auf, die konstituierenden Prinzipien in die Tat umzusetzen: „Und zwar genügt es nicht, daß allein die G e s e t z g e b u n g die Prinzipien der Wettbewerbsordnung überall – von der Agrarpolitik bis zur Währungspolitik – verwirklicht. Allerdings fällt der Gesetzgebung in erster Linie die Aufgabe zu, die Einheit der Wirtschaftspolitik durch die Koordination der einzelnen wirtschaftspolitischen Akte zu gewährleisten“ (GWP 306). Hier bestätigt sich, was weiter oben bereits herausgearbeitet wurde, dass Gesetze zwar bei weitem nicht die einzige Form wirtschaftspolitischer Akte darstellen, aber doch zu den wirksamsten Lenkungswerkzeugen in der Rechtsund Wirtschaftsordnung gehören. Die Gesetzgebung als wichtigstes Instrument der Rechtsordnung prägt somit maßgeblich die Wirtschaftsordnung, ohne sie dadurch zu dominieren, weil beide Ordnungen einander im Sinne der Interdependenz bedingen. Die Rechtsordnung steht damit unter einer beträchtlichen Verantwortung für eine funktionstüchtige Wirtschaftsordnung, da sie die Voraussetzungen für ein sinnvolles Zusammenwirken der wirtschaftspolitischen Maßnahmen schaffen muss.  





295 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 20, hat das am klarsten herausgearbeitet: „Die Wirtschaftsverfassung ergänzt das Prinzip der Gewaltenteilung im Verhältnis zur Wirtschaft; sie erstreckt die Kontrolle und Begrenzung von Macht von der staatlichen Herrschaft auf gesellschaftlich und/oder wirtschaftlich begründete mächtige Organisationen, insbesondere auf die privatrechtlich begründeten Kartelle und Monopole“. 296 Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 83 f., folgert in anderem, aber auch hier passenden Zusammenhang treffend: „An dieser Stelle wird also die Interdependenz aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen besonders deutlich: Nur wenn alle anderen konstituierenden Prinzipien auch tatsächlich umgesetzt werden, kann die Wettbewerbsordnung verwirklicht werden“.  





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Eucken lässt jedoch erkennen, dass die Steuerung durch entsprechende Gesetze, die sich in die Wirtschaftsordnung einfügen und die Interdependenz aller wirtschaftspolitischen Akte achten, zwar eine notwendige Bedingung zur Herstellung einer harmonischen Gesamtordnung darstellen, aber noch keine hinreichende: „Man muß sich daran gewöhnen, Währungspolitik, Sozialpolitik, Handelspolitik, Agrarpolitik, Steuerpolitik usw. als Teile der WirtschaftsordnungsPolitik aufzufassen. Auf die sinnvolle Lenkung des Gesamtprozesses kommt es an“ (NW 75). Hiermit ist ersichtlich die Interdependenz der Ordnungen angesprochen.297 Darüber hinaus geht es aber auch um die Harmonisierung disparater Gesetzgebungsmaterien und denkbar weit auseinanderliegender Rechtsgebiete, wie es die von Eucken beispielhaft genannten nun einmal sind. Gerade das Handelsund Wirtschaftsrecht muss mit dem den jeweiligen Sachverhalt betreffenden und ihm sachgesetzlich korrespondierenden Steuerrecht abgestimmt sein.298 Wirtschaftsrechtliche Bestimmungen müssen dieselbe Handschrift tragen wie steuer- und sozialrechtliche, vor allem aber einem einheitlichen Konzept entsprechen, das die Wechselwirkungen der einzelnen Regelungen auf durchaus andersartige Bereiche vorausschauend berücksichtigt. Die erstrebte ‚Einheit der Wirtschaftspolitik‘ wird darüber hinaus annäherungsweise dadurch hergestellt, dass bestimmte Prinzipien der Wirtschaftsverfassung, von denen gegen Ende der Untersuchung noch die Rede sein wird, verwirklicht werden, das heißt insbesondere durch die Rechtsprechung zur Geltung gebracht werden (GWP 307).  



(2) Rechtsprechung Daher ist zudem die Judikative aufgerufen, am Aufbau einer solchen Ordnung durch eine vorausschauende Rechtsprechung mitzuwirken: „Aber die R e c h t s p r e c h u n g spielt hierbei auch eine unentbehrliche und selbständige Rolle. Die Erfahrung zeigt, daß an die Rechtsprechung neue Probleme zuerst herantreten und daß sie deshalb oft vorausgegangen ist“ (GWP 306). Auch in dieser Hinsicht bewährt sich Euckens empiristischer Zugriff, der mit einer guten Beobachtungsgabe für juristische Besonderheiten gepaart ist. In der Tat sind die Gerichte gerade nach gesetzgeberischen Reformen buchstäblich die ersten Instanzen, an die Entscheidungsfälle herangetragen werden, welche die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten mitunter ebenso wenig vorhergesehen haben, wie die den Gesetzgebungs 

297 Eingehend Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685. 298 Jens Petersen, Schenkungsteuer bei der identitätswahrenden Umwandlung eines Vereins in eine AG, Betriebsberater 1997, 1981.

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prozess kritisch begleitenden Rechtswissenschaftler.299 Über das Beispiel aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts, das Eucken hierfür im Folgenden und im weiteren Verlauf der Untersuchung noch öfter nennt (GWP 306 f.), wird weiter unten im Zusammenhang mit der Ausübung privater wirtschaftlicher Macht im Kartellrecht noch eingehend zu sprechen sein, weshalb diese hier einstweilen unberücksichtigt bleiben kann.300 Interessanter für den vorliegenden Zusammenhang sind die weiteren Maßgaben, die er an die Rechtsprechung stellt: „Aber die wirtschaftspolitischen Aufgaben kann die Rechtsprechung nicht dadurch erfolgreich behandeln, daß sie die Generalklauseln von Treu und Glauben oder von den guten Sitten anwendet und dem Richter dabei nur sehr unbestimmte Vorstellungen über die wirtschaftlichen Hergänge vorschweben. Vielmehr ist es nötig, daß der Richter sich der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung unterordnet und ein genaues Bild von den gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen hat“ (GWP 307).301 So wünschenswert dies idealerweise im Hinblick auf die Einheit und Folgerichtigkeit der Rechtsund Wirtschaftsordnung ist, stellt es doch eine nicht zu unterschätzende Zumutung an die Rechtsprechung dar. Zunächst scheint es, als werde die richterliche Unabhängigkeit auf eine harte Probe gestellt. Sodann ist zu bedenken, dass über die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz) hinaus vom Richter  









299 Claus-Wilhelm Canaris, Die Reform der Leistungsstörungen, Juristenzeitung 2001, 449, ist allerdings insofern ein gutes Gegenbeispiel, als dort vom Vorsitzenden der den Gesetzgebungsprozess vorbereitenden und begleitenden Sachverständigenkommission bereits eine Fülle von Problemen und Fallgestaltungen vorhergesehen und mit konkreten Lösungsvorschlägen bedacht wurden, die mitunter in die ersten Urteile zum reformierten Schuldrecht maßgeblich eingingen. 300 RGZ 38, 155 (Sächsisches Holzstoffkartell); dazu für den vorliegenden Zusammenhang aufschlussreich und ganz im Sinne Euckens (GWP 306) bereits Franz Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung, 1937, S. 153: „Sie (sc.: die Kartelle) verdanken ihre Blüte und ihre reale Lebenskraft einem Mißverständnis der Judikatur, das allerdings von der öffentlichen Meinung und der staatlichen Wirtschaftspolitik durchaus geteilt wurde. Einem Mißverständnis in bezug auf den Sinn der Gewerbeordnung und auf die leitenden Grundsätze des Wettbewerbsrechts. Weder die rechtliche noch die wirtschaftspolitische Tragweite dieser gerichtlichen Entscheidungen (sc.: außer RGZ 38, 155 noch RGZ 28, 244) ist dem Reichsgericht, der Rechtslehre, der Wirtschaftswissenschaft und der öffentlichen Meinung zum Bewußtsein gekommen“. 301 Zustimmend Franz Böhm, Die Idee des Ordo im Denken Walter Euckens, ORDO 3 (1950) XV, XXXIII f.: „Im übrigen ist es notwendig, daß die gesamte Rechtsordnung, namentlich alle wichtigen Einrichtungen des privaten und des Handelsrechts sowie des Steuerrechts, ferner die Grundsätze der Rechtsauslegung durch die Gerichte, sodann aber auch die gesamte Verwaltungspraxis sämtlicher Ressorts auf die Grundprinzipien der Wettbewerbsordnung abgestimmt und untereinander koordiniert werden“.  





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eine Unterordnung bezüglich der ‚wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung‘ verlangt wird (GN 241). Dieser Begriff wird gegen Ende der Untersuchung noch eine Schlüsselstellung einnehmen, so dass darauf verwiesen sei. Dort wird sich allerdings zeigen – und das relativiert die genannten Bedenken und möglichen Gegenargumente –, dass die wirtschaftsverfassungsrechtliche Gesamtentscheidung eben auch eine Grundentscheidung auf dem Boden des Grundgesetzes ist. Eucken selbst rechtfertigt seine Maßgaben an die Judikative ebenso bündig wie pragmatisch: „Rechtsprechung ist oft Wirtschaftspolitik“ (GWP 307). So richtig dies im Ergebnis ist, so sehr sollte man jedoch auch berücksichtigen, dass den Richtern mitunter schlicht die erforderlichen wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisse fehlen werden. Ökonomisches Fachwissen, das man einem Kartellrechts-Senat ohne weiteres wird ansinnen können, ist zumindest in den unteren Instanzen der Gerichtsbarkeit nicht notwendigerweise vorhanden. Zu den in der Einleitung skizzierten hohen Anforderungen, die Eucken stellt, gehören eminente Kenntnisse: Wirtschaftswissenschaftler sollten idealerweise philosophisch gebildet sein, Juristen seine G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e verinnerlicht haben (GN 240). Der Bezug zum Verhältnis der Rechtsstaatsidee zur Wettbewerbsordnung, das Ausgangspunkt der vorliegenden Betrachtung war, wird durch eine zusammenfassende Überlegung hergestellt, welche die Rolle der Gerichte würdigt. Dabei kann Eucken zunächst an frühere Ergebnisse anknüpfen, da sich letztlich nur die Wettbewerbsordnung als adäquate Wirtschaftsordnung erwiesen hat, die den Rechtsstaat gewährleisten kann (GWP 52): „In einem Lande der Wettbewerbsordnung ist (…) die Realisierung des Rechtsstaates möglich; die Gerichte können also in ihm das große Gewicht besitzen, das zur Konstituierung des Rechtsstaates notwendig ist. Deshalb gewinnen dort die Entscheidungen des Gerichts auch für die Gestaltung der Wirtschaftspolitik besondere Bedeutung“ (GWP 307).302 Auch hierin kann man eine Ausprägung der Interdependenz erblicken: Die Wettbewerbsordnung  











302 Zu einer gleichsam umgekehrten Frage Heike Schweitzer, Zur Bedeutung des „more economic approach“ für die Unionsgerichte, in: 6. Luxemburger Expertenforum zur Entwicklung des Unionsrechts. Aktuelle Herausforderungen für den Unionsrichter (Hg. Thomas von Danwitz/ Juliane Kokott) 2012, S. 121. Zum economic approach auch Carl Christian von Weizsäcker, Konsumentenwohlfahrt und Wettbewerbsfreiheit. Über den tieferen Sinn des „economic approach“, Wirtschaft und Wettbewerb 2007, 1078; Dieter Schmidtchen, Der „more economic approach“ in der Wettbewerbspolitik, Wirtschaft und Wettbewerb 2006, 6; Daniel Zimmer, Law and Economics im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Festschrift für Cornelis Canenbley, 2012, S. 525; Peter Behrens, Abschied vom „more economic approach“? Festschrift für Wernhard Möschel, 2011, S. 115; Josef Drexl, Privatrechtsdogmatik und Kartellrecht, Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2017, S. 1019, 1025; Stefan Grundmann, Privatrecht und Regulierung, Festschrift für Claus-Wilhelm  







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ermöglicht den Rechtsstaat, der wiederum die Wettbewerbsordnung funktionstüchtig erhält. Und eine unabhängige Rechtsprechung, die an Gesetz und Recht gebunden ist, verwirklicht nicht nur den Rechtsstaat und die Gewaltenteilung, sondern prägt auch die Wirtschaftspolitik, weil und sofern eine Wettbewerbsordnung besteht und keine zentralverwaltungswirtschaftliche Zuweisung erfolgt (GWP 332 f.).  



(3) Exekutive Aber auch von der Exekutive verlangt Eucken eine weitreichende Subordination: „Ebenso müssen sich die Organe der Verwaltung der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung unterordnen. Und zwar nicht nur die Ministerien, sondern auch die lokalen Verwaltungsstellen. Sie dürfen z. B. nicht mit baupolizeilichen Mitteln versuchen, aufkommende Konkurrenz im Handwerk einer Stadt zu verhindern“ (GWP 307). Dieses Postulat ist im Hinblick auf die nach Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz verfassungsrechtlich verbindliche Bindung nicht nur der Rechtsprechung, sondern auch der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht problematisch. So richtig es ist, dass die Verwaltung nicht unter bau- oder feuerpolizeilichen Vorwänden Allgemeinverfügungen oder Verwaltungsakte erlassen kann, die nichts mit dem Gegenstand etwaiger Zuwiderhandlungen zu tun haben und auf diese Weise zugunsten bestimmter kommunaler eigenmächtig in den Wettbewerb innerhalb einer Selbstverwaltungskörperschaft eingreift, um gleichsam auf eigene Faust die Wirtschaftspolitik zu gestalten, so bedenklich ist die Annahme einer Pflicht der Verwaltungsorgane, sich einer gleichwie gearteten ‚wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung‘ zu fügen.  







aaa) Normierung einer ‚wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung‘ Denn eine solche wirtschaftsverfassungsrechtliche Gesamtentscheidung müsste, um in der von Eucken postulierten Form verbindlich zu sein, entsprechend dem Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber konkret normiert worden sein. Liegen die Voraussetzungen eines baupolizeilichen Einschreitens vor und ist dies zur Abwendung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich, dann muss das seitens der Verwaltung ebenfalls dann möglich sein, wenn dies einer vergleichsweise diffusen ‚wirt-

Canaris, 2017, S. 907, 920. Zur wettbewerbsrechtlichen Praxis Ernst-Joachim Mestmäcker/Heike Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 3. Auflage 2014, § 3 Randnummer 43 ff.  







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schaftspolitischen Gesamtentscheidung‘ zuwiderlaufen könnte. Auf die Unterordnung der Ministerien bezogen könnte man etwa auch die Fragwürdigkeit einer Ministererlaubnis im Kartellrecht in Betracht ziehen, die an der Harmonisierung der Wettbewerbsordnung ausgerichtet sein sollte und von der fraglich ist, ob und inwieweit sie soziale Belange wie etwa den Erhalt von Arbeitsplätzen im Rahmen einer Fusion in Betracht ziehen sollte.303 Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass Eucken Sympathie für die Arbeiter erkennen lässt, wenn es um die Eindämmung willkürlich ausgeübter monopolistischer Macht geht, bei der sich beiläufig auch die Interdependenz in die Richtung einer Arbeitsordnung zeigt: „Damit ist auch für die soziale Gestaltung der Arbeitsordnungen in den Betrieben eine Voraussetzung gegeben, die dann fehlt, wenn sich die Arbeiter auf den Arbeitsmärkten, monopolistischen Positionen der Arbeitgeber oder Staatsmonopolen gegenübersehen. Macht auf den Arbeitsmärkten und Macht in den Betrieben hängen zusammen“ (SF 130). Denn eine absolutistische Ausübung wirtschaftlicher Macht zu Lasten der wirtschaftlich Schwächeren – noch dazu von Seiten eines Staatsmonopolisten – widerstreitet allem, was sich Eucken unter der allfälligen Teilung der Gewalten vorstellt.304  





bbb) Rechtsschutzlücken in der Zentralverwaltungswirtschaft Einschränkungslos zustimmen kann man ihm allerdings bezüglich seiner profunden Kritik zentralwirtschaftlicher Lenkungssysteme im Hinblick auf das dadurch gefährdete Rechtsstaatsprinzip, das überall dort bedroht ist, wo Funktionäre

303 Zu dieser vieldiskutierten Problematik etwa Andrea Pomana/Jennifer Nahrmann, Ministererlaubnis für den Erhalt von Arbeitsplätzen?, Betriebsberater 2016, 1155; Rupprecht Podszun, Die Ministererlaubnis – Einbruch der Politik ins Recht der Wirtschaft, Neue Juristische Wochenschrift 2016, 617; Franz Jürgen Säcker, Rechtliche Grenzen der Ministererlaubnis am Fusionsfall EDEKA/ KT, Betriebsberater 2016, 1859; Florian Bien, Die Berücksichtigung nichtwettbewerblicher Aspekte in der Fusionskontrolle – Gibt es Alternativen zur Ministererlaubnis?, Neue Zeitschrift für Kartellrecht 2016, 445. 304 Carl Christian von Weizsäcker, Ist Eucken noch aktuell? Anmerkungen zu „Walter Euckens Ordnungspolitik“, herausgegeben von Ingo Pies und Martin Leschke, ORDO 55 (2004) 345, 348: „Eucken vergleicht seine Theorie der Wirtschaftspolitik mit der Verfassungstheorie von Montesquieu, also der Lehre von der Teilung der Gewalten“. Ferner ebenda, S. 351, zur fortdauernden Aktualität Euckens: „Hier bleibt Eucken aktuell – gerade auch, weil er sich in der Tradition von Montesquieu sieht, der mit seinem „Esprit des Lois“ für das staatliche Prinzip der Gewaltenteilung das geleistet hat, was Eucken für die Wettbewerbsordnung im wirtschaftlichen Bereich leisten will“. Nicht ohne eine gewisse Resignation folgert er zutreffend: „Wir können nur konstatieren, daß die Ansätze der Ökonomen, zu Verfassungen zu kommen, bisher im Staatsrecht und bei seinen Verwaltern, den Staatsrechtslehrern, nicht rezipiert worden sind. Schon Montesquieu war sich der Schwierigkeit einer Integration von Staatslehre und Ökonomie bewußt“.  







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planwirtschaftlich walten: „In der Praxis sind die Leiter der Planstellen geradezu gezwungen, rechtsstaatliche Garantien zu ignorieren – auch wenn sie die Bedeutung dieser Rechtsgarantien durchaus kennen“ (GWP 129). Das ist der schlagende Beweis für die mangelnde Freiheit einer Zentralverwaltungswirtschaft. Dieses scheinbare Paradoxon einer vermeintlichen Rechtsdurchsetzung in Kenntnis des damit einhergehenden Rechtsbruchs verdeutlich in prägnanter Weise das Skandalon planwirtschaftlicher Verwaltung, die gleichsam gerichtsfest agieren kann. Damit bestätigt sich einmal mehr, dass sich eine Zentralverwaltungswirtschaft nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip verträgt (GWP 130): „Auch der Nachprüfung durch Verwaltungsgerichte können die Entscheidungen der Planstellen nicht unterworfen werden, wenn die Planstellen ihrer ökonomischen Aufgabe entsprechen sollen“ (GWP 129). Diese Komplementärüberlegung allein wäre geeignet, die Unvereinbarkeit mit der Rechtsstaatsidee zu begründen, weil es gerade zu ihren tragenden Strukturprinzipen gehört, dass gegen hoheitliche Eingriffe individueller Rechtsschutz vor unabhängigen Verwaltungsgerichten begehrt werden kann.305 Das funktioniert in einer zentralgeleiteten Wirtschaft ersichtlich nicht. Denn jedes verwaltungsgerichtliche Urteil, das in Rechtskraft erwächst, könnte die zentralwirtschaftliche Planung ad absurdum führen:306 „Zentrale Planung würde unmöglich gemacht, wenn die Verwaltungsgerichte generell gegen ihre Entscheidungen angerufen werden könnten. Und so zeigt sich, daß N a c h p r ü f u n g d e r G e setzmäßigkeit der Verwaltung und zentrale Lenkung des Wirtschaftsp r o z e s s e s a u s s a c h l i c h e n G r ü n d e n u n v e r e i n ba r s i n d “ (GWP 129). Euckens Hervorhebung verdeutlicht die zwischen Rechtsstaatsprinzip und Zentralverwaltungswirtschaft bestehende Aporie auch äußerlich. Diese Inkompatibilität spricht jedoch allem zuwider, was als Errungenschaft des Rechtsstaats gilt und vor Diktaturen schützt: „Diese Kontrolle der Verwaltung durch Gerichte hat sich aber gerade im 20. Jahrhundert als ein unentbehrliches Instrument des Rechtsstaates erwiesen. Wo sie fehlte, hat der Rechtsstaat aufgehört zu bestehen“ (GWP 129). Die Erfahrungen der nationalsozialistischen Terrorherrschaft, der er sich selbst nach Kräften und unter Gefahren widersetzte, hat Eucken nicht nur in moraltheoretischer sondern eben auch in rechtstheoretischer Hinsicht in sein wirtschaftspolitisches Konzept eingefügt.307  













305 Siehe nur Philip Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip. Überlegungen zu seiner Bedeutung für das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1986. 306 Siehe auch Hans Willgerodt, Warum Staatsplanung in der Marktwirtschaft?, ORDO 17 (1966) 153. 307 Walter Oswalt, Liberale Opposition gegen den NS-Staat. Zur Entwicklung von Walter Euckens Sozialtheorie, in: Wirtschaft, Politik und Freiheit (Hg. Nils Goldschmidt) 2005, S. 315.  

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(4) Zwischenergebnis Eine schöne Formulierung, welche die bisherigen Überlegungen zu den drei Gewalten zusammenfasst, findet sich im Hinblick auf die allfällige Interdependenz bezüglich der Gewaltenteilung:308 „Ineinandergreifend wirken die drei Gewalten zusammen“ (GWP 307). Hierin kommt eine umfassende Harmonie der Gesamtordnung zum Ausdruck, welche die Rechts- und Wirtschaftsordnung als Teilordnungen einbezieht. In verfassungsrechtlicher Hinsicht entspricht dem von Eucken vorausgesetzten Ineinandergreifen der drei Gewalten wohl am ehesten die Gewaltenverschränkung bzw. Gewaltengliederung, die an Stelle einer starren Gewaltenteilung besteht und grundgesetzlich legitimierbar ist.309  

cc) Analogieschluss zur Gewaltenteilung im Hinblick auf die Wettbewerbsordnung Mit der Trennung der Gewalten bzw. der Gewaltengliederung ist ein letzter zentraler Gesichtspunkt angesprochen, der gleichermaßen das Rechtsstaatsprinzip wie die Wettbewerbsordnung berührt (GWP 332) – jedenfalls, wenn man einem eindrucksvollen Gedanken Euckens folgt, der auf einem ungewöhnlichen Analogieschluss beruht, der gerade aus juristischer Sicht anregend ist. Eucken kleidet seine Argumentation, was gleichfalls rechtstheoretisch interessant ist, in die Form einer doppelten Wenn-dann-Implikation, wie sie für die juristische Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge typisch ist. „In analoger Weise hat die Staatslehre das Prinzip von der Teilung der Gewalten entwickelt, das dann in vielen Staaten eine verschiedenartige Verwirklichung erfahren hat. W e n n der Staat den Charakter eines Rechtsstaates haben soll, so ist diese Teilung der Gewalten notwendig – so wurde argumentiert“ (GWP 252 f.). Ebenfalls unter Hervorhebung der streitgegenständlichen Bedingung entwickelt nun Eucken seinen Analogieschluss im Hinblick auf die Wettbewerbsordnung: „Parallel argumentieren wir: W e n n die Wettbewerbsordnung realisiert werden soll, so sind die nunmehr zu entwickelnden Prinzipien anzuwenden. Ebenso wie das Prinzip von der Teilung der Gewalten aus der geschichtlichen Erfahrung über den Mißbrauch der Exekutive entstanden ist – so sind auch die Prinzipien, deren Verwirklichung die Wettbewerbsordnung konstituiert, aus der wirtschaftspolitischen und wirtschaftlichen Erfahrung gewonnen“ (GWP 253).310  













308 Bernd Hansjürgens, Walter Eucken und das Denken in Verfassungen, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ingo Pies/Martin Leschke) 2002, S. 37, 44, zur Gewaltenteilung bei Eucken. 309 Christoph Möllers, Die drei Gewalten. Legitimation der Gewaltengliederung in Verfassungsstaat, Europäischer Integration und Internationalisierung, 2008. 310 Ernst-Joachim Mestmäcker Vorwort GWP XV, hat dieses Postulat in zeitlos gültiger Weise auf den Punkt gebracht: „Es ist die Aufgabe des Wirtschaftsrechts, rechtsstaatliche Prinzipien nicht  

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b) Parallelismus von Rechtspolitik und Ordnungspolitik Dieser Gedanke entfaltet eine gewisse Suggestivkraft. Die Analogiebasis ist offenbar jeweils die für Eucken überhaupt sehr wichtige geschichtliche Erfahrung (GWP 210), also ein empirisches Moment. Es ist etwas Faktisches, aus dem dergestalt Lehren gezogen wurden, dass eine bestimmte Ordnung – im einen Fall das durch Gewaltenteilung geordnete Gemeinwesen, im zweiten Fall die Wettbewerbsordnung – sich als überlegen erwiesen hat. Es würde zu kurz greifen, Eucken einen naturalistischen Fehlschluss von einem faktisch-empirischen Sein auf ein Sollen in Gestalt der Entscheidung für die Gewaltenteilung bzw. die Wettbewerbsordnung, zu unterstellen. Denn dieses faktisch-empirische Moment ist ja, wie wohl auch von Eucken vorausgesetzt, das Resultat eines evolutiven historischen wie geistesgeschichtlichen Prozesses, aus dem sich durchaus ein erfahrungsgesättigtes Sollen ergeben kann. Systematisch fügt sich dieses Argument aber ohne weiteres in Euckens rechts- und wirtschaftspolitisches Gedankengebäude ein, wie folgende ideengeschichtliche Stelle zur Evolution des Rechtsstaatsprinzips zeigt, das zur Idee der Gewaltenteilung in einem systematischen Näheverhältnis steht:311 „Das 19. und das beginnende 20. Jahrhundert zeigt nun folgende große historische Tatsache: Die gesamte Verfassungs- und Rechtspolitik stellt sich in den Dienst der Durchsetzung des Rechtsstaats-Gedankens. – Zugleich wird wirtschaftspolitisch die Politik des Laissez-faire betrieben.312 Ein Parallelismus im rechtspolitischen und wirtschaftspolitischen Denken und Handeln bestand, der von grundsätzlicher Bedeutung ist“ (GWP 49). Es ist klar, dass dieser Parallelismus letztlich wiederum im „Fragenkomplex der Interdependenz der Ordnungen“ (GWP 49) seinen systematischen Ort hat.  













nur im Verhältnis von Staat und Wirtschaft, sondern auch im Verhältnis der Bürger zueinander zur Geltung zu bringen“. 311 Lars B. Feld/Annabelle Doerr/Daniel Nientiedt/Ekkehard A. Köhler, Ordnungspolitische Herausforderungen der Digitalisierung, 2016, S. 18, stellen in dieser Hinsicht den Zusammenhang zwischen Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung her: „Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und ein demokratisches Gemeinwesen unterstützen (…) die Funktionsweise der Wettbewerbsordnung“. 312 Otto Schlecht, Zur Ethik in Euckens Werk, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000, S. 59, 67, fasst diese im Sinne Euckens in einer Weise zusammen, die gerade für die hier interessierende Themenstellung des Verhältnisses zwischen Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung aufschlussreich ist: „Dort gestalte der Staat zwar auch über die Rechtsordnung den Ablauf der Wirtschaft. Es werde aber nicht als Aufgabe angesehen, eine eigene Politik zur Gestaltung der Wirtschaftsordnung zu betreiben“.  



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Ungewöhnlich an dem oben genannten Parallel-Argument (GWP 253) ist allerdings, dass Eucken auf der Folgenseite die Anwendung von Prinzipien postuliert, die erst noch hergeleitet werden müssen. Diese strukturelle Offenheit des Analogieschlusses bringt es mit sich, dass dieser auch hier noch nicht abschließend bewertet werden kann. Erst am Ende der Untersuchung wird sich erweisen, dass Eucken gerade mit den konstituierenden Prinzipien einen wegweisenden Beitrag zu einem Wirtschaftsverfassungsrecht geleistet hat. Bevor dies jedoch unternommen werden kann, muss das für die Wirtschaftsverfassung maßgebliche Problem privater wirtschaftlicher Macht vor dem Hintergrund des Recht geklärt werden.313  

6. Gleichgewicht zwischen Freiheit und Ordnung Am Schluss der Betrachtung soll jedoch ein Gedanke stehen, der die Größe der Rechtsstaatsidee mit ihrer Gefährdung durch die Anhäufung privater Macht verknüpft, weil Begründung und Begrenzung der Freiheit denkbar dicht beieinanderliegen. Nicht von ungefähr hat Eucken ihn gleichermaßen in den G r u n d s ä t z e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k und in einem späten Londoner Vortrag niedergelegt (WW 21): „Es ist das feierliche Grundprinzip des Rechtsstaates, daß die Freiheit und Rechtssphäre des einzelnen Bürgers nach zwei Seiten hin gesichert wird: Gegen die Bedrohung durch andere Bürger und gegen den Staat selbst, vor allem gegen die Zwangsgewalt staatlicher Verwaltungsorgane. Träger privater Macht aber sind imstande, garantierte Freiheitsrechte anderer zu beseitigen“ (GWP 175).314 Private wirtschaftliche Macht kann also schlimmstenfalls das Rechtsstaatsprinzip aushöhlen.315 Davon war bereits andeutungsweise die Rede. Dieses Menetekel wird uns im Folgenden beschäftigen. Bevor wir jedoch dazu übergehen, sollen drei Sätze Euckens aus seinen nachgelassenen Ü b e r l e g u n g e n z u m M o n o p o l p r o b l e m – also gleichfalls dem, was im nächsten Kapitel folgt – den vorliegenden Abschnitt über Ordnung und Freiheit beschließen, die das Gesagte auf den Punkt bringen und gleichsam  







313 Grundlegend dazu Ernst-Joachim Mestmäcker, Macht – Recht – Wirtschaftsverfassung, Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht 137 (1973) 97. 314 Bündig Helmut Leipold, Einige unzeitgemäße Denkrelikte im Denken in Verfassungen, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ingo Pies/Martin Leschke) 2002, S. 72: „Die Hauptfunktion des Wettbewerbs sieht Eucken in der Begrenzung wirtschaftlicher Macht, damit in der Sicherung elementarer Freiheitsrechte“. 315 Siehe aber auch Gregor Bachmann, Zur Legitimation privater Macht, in: Private Macht und privatrechtliche Gestaltungsfreiheit (Hg. Florian Möslein) 2016, S. 603.  







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Euckens Credo bedeuten:316 „In der Wettbewerbsordnung (…) zielt der Staat darauf ab, eine bestimmte Ordnung zu fördern und aufrechtzuerhalten. Die wirtschaftlichen Vorgänge des täglichen Lebens entspringen f r e i e n Entscheidungen der Menschen im Rahmen dieser Ordnung. Auf diesem Weg wird das alles entscheidende Gleichgewicht zwischen Freiheit und Ordnung hergestellt“ (WW 84). Das bestätigt noch einmal, dass die Begründung und Aufrechterhaltung der Wettbewerbsordnung durch den Staat für Eucken der sicherste Weg zur Freiheit der Bürger ist.317  

316 Zutreffend Gerold Blümle/Nils Goldschmidt, Zur Normativität ordoliberalen Denkens, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000, S. 15, 36, wonach „erst der ordnungstheoretische Ansatz Euckens sein Verständnis von Freiheit erklärt“. 317 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 19, bringt dies im Hinblick auf den gleichgesinnten Franz Böhm auf den Punkt: „Der Wettbewerb und die Wettbewerbsordnung sind wesentliche Teile der Wirtschaftsverfassung“.  



§ 2 Private wirtschaftliche Macht I. Wirtschaftliche Macht Wirtschaftliche Macht ist für Eucken die Kehrseite der Freiheit:318 „Das Problem der wirtschaftlichen Macht i s t d i e a n d e r e S e i t e d e s P r o bl e m s d e r Fr e i h e i t in der modernen industrialisierten Wirtschaft“ (WW 22=GWP 175). Euckens Menschenbild ist im Hinblick auf das Problem der Machtausübung geistesgeschichtlich in verschiedener Hinsicht aufschlussreich: „Macht hat oft die Tendenz, maßlos zu werden“ (NW 63). Seine Hervorhebung des auf bestimmte Zwecke sinnenden menschlichen Egoismus, der nicht mit dem auf die Mittel bezogenen wirtschaftlichen Prinzip zu verwechseln ist (GWP 352 f.), erinnert beinahe an Schopenhauer, für dessen Rechtslehre der Egoismus ebenso prägend ist wie die allgegenwärtige menschliche Bosheit und den er in den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e verschiedentlich erwähnt (GN 11/222/245).319 An Nietzsche, mit dem sich übrigens Euckens Vater gut verstand, während sie in Basel zweieinhalb Jahre lang zusammen lehrten,320 bevor Nietzsche den akademischen Dienst quittierte, gemahnt eine Prämisse der G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k :321 „Ein Anstoß zu  











318 Kurt Biedenkopf, Über das Verhältnis wirtschaftlicher Macht zum Privatrecht, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. 113, 114: „Immer hat so die kartellrechtliche Münze neben der wirtschaftsrechtlichen zugleich eine privatrechtliche Seite“. Bedenkenswert auch der abschließende Gedanke auf S. 135: „Das subjektive Recht ist eines der rechtlichen Instrumente zur Verwirklichung einer herrschaftsfreien Ordnung unter gleichen Bürgern. Es ist nicht Selbstzweck, sondern funktionell auf diese Ordnung ausgerichtet. Wenn es die Erhaltung der Bürgerfreiheit und der Gleichheit ihrer Chancen verlangt, muß sein Zuweisungsgehalt vermindert werden können. Andernfalls relativieren wir Freiheit und Gleichheit des Bürgers zugunsten eines Systems scheinbar inhaltlich gleicher subjektiver Rechte, die mit dem Verlust dieser Freiheit selbst ihren Zweck verlieren“. Hervorhebung auch dort. Vor den Gefahren wirtschaftlicher Macht warnt auch Tim Wu, The Curse of Bigness. Antitrust in the New Gilded Age, 2018. 319 Jens Petersen, Schopenhauers Gerechtigkeitsvorstellung, 2016. 320 Friedrich Nietzsche, Der Wille zur Macht, Kröner-Ausgabe ist zwar wissenschaftlich durchaus anfechtbar, führt aber immerhin ausnahmslos Stellen des Autors zusammen und bringt den beherrschenden Gesichtspunkt seiner Philosophie auf den Begriff; dazu Jens Petersen, Nietzsches Genialität der Gerechtigkeit, 2. Auflage 2015, S. 1; mit guten Gründen kritisch gegenüber Nietzsche wegen der zu starren Fixierung auf den dominierenden Gedanken des Willens zur Macht Vittorio Hösle, Eine kurze Geschichte der deutschen Philosophie, 2013, S. 185 ff. 321 Timo Hoyer, Nietzsche und die Pädagogik. Werk, Biografie und Rezeption, 2002, S. 182 Fußnote 143. Walter Eucken kannte immerhin noch Nietzsches Schwester, Elisabeth Förster-Nietzsche; Uwe Dathe/Nils Goldschmidt, Wie der Vater, so der Sohn? Neuere Erkenntnisse zu Walter Euckens Leben und Werk anhand des Nachlasses von Rudolf Eucken in Jena, ORDO 54 (2003) 49, 56 mit Fußnote 36.  

















https://doi.org/10.1515/9783110666229-003

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§ 2 Private wirtschaftliche Macht

einer Politik zentraler Leitung geht von dem stets lebendigen Trieb zur Macht aus“ (GWP 149). Eine besondere geistige Verwandtschaft, die wohl auch aus den geteilten zurückliegenden Erfahrungen mit der Diktatur des Nationalsozialismus geprägt ist, verbindet Eucken schließlich mit dem großen niederländischen Historiker Johan Huizinga, den er sogar wörtlich zitiert (GWP 189).322 Es ist eine an Tacitus erinnernde Anthropologie, die von der ungebremsten Eigennützigkeit und Bosheit der Menschennatur ausgeht oder sie wenigstens der Möglichkeit nach immer in Rechnung stellt, selbst und vor allem dort, wo sie fremdnützig erscheint.323 Nicht von ungefähr hat Eucken die wirtschaftswissenschaftliche Bedeutung der Menschenkenntnis in einem anspruchsvollen philosophischen und ideengeschichtlichen Rückgriff von den klassischen Ökonomen bis hin zu Kant und Descartes betont: Insofern war ihre (sc. der klassischen Nationalökonomen) Menschenkenntnis größer“ (GN 268). Allerdings geht es Eucken nicht so sehr um moralische Missbilligung als vielmehr um eine möglichst akribische Beschreibung wirtschaftlicher Gegebenheiten, die auch die naheliegenden Interessen der wirtschaftlichen Akteure in Rechnung stellen muss, um über die Alltagserfahrung hinaus wissenschaftlich exakt arbeiten zu können.  





1. Wirtschaftliche Macht und Interessenten-Ideologien Um das Problem der privaten Macht und des selbstgeschaffenen Rechts der Wirtschaft besser ermessen zu können,324 empfiehlt sich zunächst ein Blick auf die wirtschaftliche Macht im Allgemeinen, die Eucken in seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e in einem eigenen Abschnitt abhandelt. Auffällig ist dabei eine Selbstverpflichtung und Selbstvergewisserung, die auch den Juristen angeht: „Auch wir Nationalökonomen müssen den Vorhang lüften, welchen die Interessenten-Ideologien vor die wirtschaftlichen Machtballungen und Machtkämpfe ziehen“ (GN 197).325 Denn dieselben Interessenten-Ideologien verbergen die Arcana der  

322 Johan Huizinga, Wenn die Waffen schweigen, 1945, S. 186: „Der Staat, der für sich die Erhebung über ethische Bindungen beansprucht, erklärt sein Aktionsgebiet zum Asyl der Schlechtigkeit und zieht wie ein Gravitationszentrum die ewig gleichbleibende Bosheit der Menschen an“. 323 Jens Petersen, Recht bei Tacitus, 2018, S. 5 ff. 324 Franz Böhm, Das Problem der privaten Macht, Die Justiz 3 (1927/28) 324 (= Reden und Schriften, Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker, 1960, S. 25), war der erste publizierte Aufsatz, dieses für den Ordoliberalismus so bedeutenden Rechtsdenkers, dessen erste Festschrift (1965, Hg. Helmut Coing/Heinrich Kronstein/Ernst-Joachim Mestmäcker) nicht von ungefähr den Titel ‚Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung‘ trägt. 325 Lars P. Feld/Ekkehard A. Köhler, „Die spinnen, die Deutschen“, Samstagsessay Süddeutsche Zeitung vom 2.7.2016, S. 26, zeichnen die historischen Beweggründe in einer auch und gerade  









I. Wirtschaftliche Macht

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Machtzusammenschlüsse auch im Konzern- und Kartellrecht, so dass auch aus juristischer Sicht Transparenz nottut, wenn eine wirklich neutrale wissenschaftliche Beurteilung angestrebt wird. Er erkennt die gezielte Camouflage, mit der die wahren und mitunter niedrigen, jedenfalls aber höchst eigennützigen Beweggründe verschleiert werden. Es ist für ihn Aufgabe einer objektiven und dem Wahrheitsanspruch verpflichteten Wissenschaft, diese Motive offenzulegen, will man sich nicht der Komplizenschaft verdächtig machen.

a) Einwirkung auf die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften Die Interessenten-Ideologien wirken ebenfalls auf die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften: „Interessentenideologien werden von der Wissenschaft angenommen“ (GN 13). In dieser Hinsicht darf man sich auch als Jurist angesprochen fühlen. Nicht selten sind es nämlich subtile Einflüsterungen von interessierter Seite, deren Absichten nicht immer ebenso scharf erkannt werden, wie man divergierende Rechtsansichten im wissenschaftlichen Streit zurückzuweisen pflegt. Noch schwärzer zeichnet Eucken die Machtversessenheit der Interessenten-Ideologen in den G r u n d s ä t z e n d e r W i r t s ch a f t s p o l i t i k , weil sie oft mit Ignoranz und Pseudodifferenzierungen oder Pseudotheoremen arbeitet (NW 29): „Unbrauchbare Ordnungen und reflektierendes Geschwätz, die Ideologie von Machtgruppen und die Doktrinen von Schwärmern beherrschen das Feld“ (GWP 197). Neben unredliche Absichten tritt hier die schiere Inkompetenz als Feindbild, wobei die Kombination beider Erscheinungsformen, wie immer, am schlimmsten ist, weil und sofern in plumper Absicht Ordnungsformen postuliert werden, die nur bestimmten Interessengruppen dienlich sind. Das Denken in Ordnungen ist demgegenüber nur dann leistungsfähig und wissenschaftlich weiterführend, wenn es rechtsfolgenbezogen ist. Die folgende Stelle ist für den vorliegenden Zusammenhang sogar noch interessanter, weil darin auch das Recht und die Gerechtigkeit in wenig schmeichelhaftem Zusammenhang erscheinen: „Kennzeichnend ist, daß in diesem Machtkampf auch Worte mit sehr ernstem Inhalt wie ‚Freiheit‘ oder ‚Gerechtigkeit‘ oder ‚Recht‘ zu einem ganz bestimmten Zweck gebraucht werden. Es sind Waffen im  





für das Verhältnis der Wirtschaftsordnung zur Rechtsordnung aufschlussreichen Weise nach: „Euckens Ausgangspunkt lag in der Beobachtung, dass die Wirtschaftsordnung der Weimarer Republik zusehends von Interessengruppen vermachtet wurde und nicht mehr den Bürgern, sondern dem Interesse Dritter diente: Rechtlich anerkannte Kartellvereinbarungen, staatlich tolerierte Banken- und Unternehmenskonzentrationen sowie monetäre Krisen und eine fallweise, unstetig ausgeführte Wirtschaftspolitik waren mit seinem freiheitlichen ‚Grundgedanken der Wirtschaftsverfassung‘ unvereinbar“.

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§ 2 Private wirtschaftliche Macht

Kampfe, Mittel zur Eroberung oder Verteidigung der Macht. Stets aber ist ihr Streben auf Durchsetzung ihrer wirklichen oder vermeintlichen Interessen gerichtet“ (GWP 17 f.).326 Die Instrumentalisierung höchster Werte ist für gewöhnlich ein untrügliches Zeichen dafür, dass massive Eigeninteressen verfolgt werden; kaum ein in rechtsstaatlicher Hinsicht fragwürdiges System, deren dominierende Partei nicht zum Machterhalt für Freiheit, Recht und Gerechtigkeit einzutreten vorgibt. Insbesondere vor dem Hintergrund des Verhältnisses von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung ist jedoch die Missbrauchsanfälligkeit juristischer Begriffe zu ökonomischen Zwecken bedenklich. Von daher wird verständlich, warum gerade ein hellsichtiger Historiker den Begriff der Gerechtigkeit eher mied, weil er in der Berufung darauf eher Machtinteressen am Werk sah.327 Der beinahe nietzscheanische Duktus macht offenbar auch vor der Wirtschaft nicht Halt und beschreibt ungeschminkt ein ungehemmt utilitaristisches Streben, das auf einseitige Interessenverwirklichung gerichtet ist und eine schlichte Gleichung nahelegt (GWP 149): „Macht bleibt Macht, von wem auch immer sie ausgeübt wird. Und sie erreicht ihre höchste Stufe nicht einmal in privater, sondern gerade in öffentlicher Hand“ (WW 20).328 Vor allem die letztgenannte Steigerung zeigt, dass Eucken mitnichten wirtschaftsfeindlich ist, sondern sich eine Staatsskepsis bewahrt, sofern sich dort wirtschaftliche Macht ansammelt.  







b) Wissenschaftliche Erkenntnis wirtschaftlicher Wirklichkeit Das führt zu einem manifesten Glaubwürdigkeitsproblem. Insbesondere wirft es für Eucken folgende Fragen auf: „Wie läßt sich wissenschaftliche Erkenntnis wirt-

326 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, Nachdruck 2010 (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker), S. 176, hat einen nicht unähnlichen Gedanken zwar weniger polemisch, aber nicht weniger energisch zum Ausdruck gebracht: „Wenn also die ‚wirtschaftliche Entwicklung‘, wenn das ‚wirtschaftliche Leben‘ sich anschickt, dieses oberste Ordnungsprinzip einer herrschaftsfreien Sozialordnung zu berennen, wenn sich die Kräfte zu regen beginnen, die unter der Herrschaft dieses Ordnungsprinzips nicht auf ihre Kosten kommen, die mit der Machtverteilung, wie sie sich unter der Einwirkung der fairen Leistungskonkurrenz herstellt, nicht zufrieden sind, sondern einen Machtzuwachs auf Kosten anderer Beteiligten wünschen, dann sieht sich der Jurist vor eine wesentlich andere Aufgabe gestellt“. Hervorhebung nur hier. 327 Ronald Syme, Tacitus, 1958, Volume I, S. 414; Volume II, S. 755; näher Jens Petersen, Recht bei Tacitus, 2018, S. 545–551. 328 Vgl. nur Moritz Renner, Machtbegriffe zwischen Privatrecht und Gesellschaftstheorie, in: Private Macht und privatrechtliche Gestaltungsfreiheit (Hg. Florian Möslein) 2015, S. 505, sowie die anderen Beiträge dieses Sammelbandes.  









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schaftlicher Wirklichkeit vollziehen, trotzdem die Welt voll von Interessentenmeinungen und Interessentenideologien ist?“ (GN 14). Damit ist wiederum der für Eucken zentrale Begriff der wirtschaftlichen Wirklichkeit vorausgesetzt, von dem bereits so oft die Rede war. Auch und gerade für die Bewertung der privaten wirtschaftlichen Macht kommt es also auf die Ermittlung der wirtschaftlichen Wirklichkeit an. Mit der Durchdringung der wirtschaftlichen Wirklichkeit steht und fällt für ihn auch der Wissenschaftsanspruch der Wirtschaftswissenschaften: „Durchstoß zur wirtschaftlichen Wirklichkeit ist die Hauptforderung, die an die Nationalökonomie gestellt werden m u ß “ (GN 21). Allerdings muss sich die Nationalökonomie davor hüten, wirklichkeitsfremde Lösungen zu propagieren, die einer scheinbaren Lösung entsprechen: „Immer (…) schwebt die theoretische Nationalökonomie in Gefahr, daß das Denken sich von seinem Gegenstand ablöst, daß logische Präzision mit Wirklichkeitsfremdheit erkauft wird“ (NW 28). Auch hier wird seine allgegenwärtige Sorge sichtbar, dass die Nationalökonomie nicht in den konkreten Betrieben und Unternehmen Aufschluss sucht, sondern sich in wolkigen Theorien ohne die nötige Bodenhaftung ergeht. Eine breiten Bevölkerungskreisen nicht mehr vermittelbare Volkswirtschaftslehre geriete zudem in Gefahr, zum Spielball von Interessenten-Ideologien zu werden. Die Meinungen einzelner Interessenten und ihre Ideologien sind jedoch ersichtlich hinderlich für den wissenschaftlichen Anspruch, der von Seiten dieser machtvollen Interessengruppen ausgeht: „Wenn aber Wissenschaft und Interessenideologie ineinanderfließen, verliert die Wissenschaft ihren Wert, und der Einfluß der Interessentenideologie wird verstärkt“ (GN 14 f.). Wenn man sich fragt, worin der Bezug zur privaten wirtschaftlichen Macht als dem Gegenstand des vorliegenden Kapitels besteht, dann ist es vor allem das Zusammentreffen von falsch verstandener Wissenschaft und Ideologie zum Zwecke der Implementierung wirtschaftlicher Eigeninteressen. Private wirtschaftliche Macht ist also für Eucken mitnichten die einzige problematische Ausprägung der Macht. Vielmehr kann die Macht auch durch den Einfluss von Interessenten-Ideologien die Wissenschaft infiltrieren. Das kann dann schlimmstenfalls den Trägern wirtschaftlicher Macht zugutekommen, indem sie beispielsweise Auftragsforschung vergeben. Insofern sollte man auch die Bedeutung wirtschaftlicher Macht bei Eucken vor dem Hintergrund seines Wissenschaftsverständnisses betrachten. Macht ist für ihn ein zweischneidiges Phänomen, einerseits missbrauchsanfällig, andererseits in Grenzen unverzichtbar: „Die Macht stellt den Menschen und die Politik stets vor ein Dilemma. Die ganze Geschichte ist erfüllt von Machtmißbrauch. Besitz von Macht provoziert Willkürakte, gefährdet die Freiheit anderer Menschen, zerstört gewachsene und gute Ordnungen. Indessen: Es gibt kein Sozialleben ohne Machtpositionen, weil für jedes Leben in der Gemeinschaft Autorität notwendig ist, sei es im Staat oder in einem Betrieb“ (WW 20). Macht ist also, wie sich etwa am Beispiel  











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von Informationsvorsprüngen und ihren Auswirkungen auf einen Zuwachs privater Macht zeigt,329 ein gleichermaßen makro- und mikroökonomisch notwendiges Übel.330

c) Partikularinteressen und Allgemeinwohl Was das in der Praxis mit sich bringt, lässt sich im Bereich des grassierenden Lobbyismus allenthalben studieren, vor dem im Übrigen auch die Rechtswirklichkeit nicht gefeit ist, wenn man bedenkt, dass private Rechtsanwaltskanzleien dienstfertig Gesetzesentwürfe im Interesse ihrer Mandanten unterbreiten, die von den einzelnen Fachministerien nicht selten dankbar als Entwurf zugrunde gelegt werden.

aa) Macht, Wissenschaft und Interessenten-Ideologien Euckens Beleg aus dem Bereich der Rechtsphilosophie mutet demgegenüber geradezu in liebenswürdiger Weise antiquiert an, wenn er – historisch und machtpolitisch fraglos richtig – folgendes Beispiel aus der juristischen Geistesgeschichte bringt: „Wissenschaftliche Lehren werden bisweilen zu Interessentenideologien. So etwa die Naturrechtslehre in der Hand des Fürsten als Kampfmittel gegen die Stände während des 17. und 18. Jahrhunderts“ (GN 13). Die Stelle belegt, was weiter oben schon beobachtet wurde, nämlich den Zusammenhang zwischen Macht und Wissenschaft am Beispiel der Interessenten-Ideologien. In besonderen Fällen können solche einflussreichen gedanklichen Strömungen sogar zu einer ordnenden Potenz werden (GWP 340). Zudem zeigt sich hieran beispielhaft, dass Euckens wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse auf einer eminenten rechtshistorischen und rechtsphilosophischen Tradition gründen, die auch die Erkenntnisse anderer juristischer Grundlagendisziplinen, wie etwa der Rechtssoziologie, nicht ignorieren (GN 54), auch wenn er argwöhnt, dass den Rechtstatsachen mitunter zu große Bedeutung beigemessen werde (GWP 331). Doch bringt Eucken den Einfluss institutionalisierter Interessengruppen sogar mit dem ‚Zerfall des Staates‘ in Verbindung: „Diese Macht- oder Herrschaftsgruppen nehmen sowohl auf die Organe der Gesetzgebung, die Parlamente, als auch auf  













329 Dazu George A. Akerlof, „The Market for Lemons“: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, The Quarterly Journal of Economics 84 (1970) 488; Holger Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001; Stefan Grundmann, Europa- und wirtschaftsrechtliche Grundlagen der Privatrechtsgesellschaft, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 105, 124. 330 Zu den darüber hinaus gehenden Ausprägungen der Macht und des Machtmissbrauchs Jens Petersen, Recht bei Tacitus, 2018, § 2 und passim.  



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die Rechtsprechung, und auf die Ministerien und andere zentrale Verwaltungsbehörden Einfluß. Abhängig von einem Geschiebe von Machtgruppen – das ist das Bild, das der heutige Staat gewährt“ (GWP 328). Daran hat sich leider wenig geändert, wenn man bedenkt, dass es immer wieder einzelnen Interessentengruppen gelingt, Gesetzesentwürfe in den Gesetzgebungsprozess einzuspeisen.331 Eucken hat den verhängnisvollen Einfluss des im politischen Leben allgegenwärtigen Lobbyismus schonungslos herausgestellt; kaum anders allerdings als knapp zwei Jahrhunderte zuvor Adam Smith, der die Einflüsterungen von Seiten der Unternehmer im Hinblick auf den Gesetzgeber mitunter noch kaustischer darstellte.332  



bb) Juristischer Scharfsinn im Dienste von Machtansprüchen Doch gibt es für Eucken keinen Anlass zur Resignation, weil der Staat bei entsprechender Wirtschaftspolitik durchaus das Potential hätte, der Ordnungsaufgabe allein Herr zu werden, ohne zu einem bloßen Versorgungsstaat zu geraten: „So falsch es ist, im vorhandenen Staat einen allweisen und allmächtigen Betreuer allen wirtschaftlichen Geschehens zu erblicken, so unrichtig ist es auch, den faktisch vorhandenen, von Machtgruppen zersetzten Staat als Datum hinzunehmen und dann – folgerichtig – an der Möglichkeit der Bewältigung des wirtschaftspolitischen Ordnungsproblems zu verzweifeln“ (GWP 338). Es spricht für ihn, dass er keiner blinden Staatsbejahung mit Tendenz zum vollständigen Versorgungsstaat das Wort redet, andererseits aber ebenfalls keiner Neigung zu Perhorreszierungen des Staates nachgibt, sondern sich auch und gerade hier um Maß und Mitte bemüht. Eucken hat einen bemerkenswerten Tiefblick auf die Gepflogenheiten, die gerade von fachjuristischer Seite aus Partikularinteressen systematisch über In 





331 Vittorio Hösle, Ethik und Wirtschaftswissenschaft, oder: Wieviel Egoismus braucht der moderne Kapitalismus? Machiavellis, Mandevilles und Malthus‘ neue Erkenntnis und ihre Herausforderung, Festschrift für Johannes Strangas, 2017, S. 21, 43, differenziert demokratie- und moraltheoretisch verantwortungsvoll in einem Sinne, dem wohl auch Eucken beipflichten würde: „Ein weniger direkter Weg (sc. als durch Korruption) die Gesetze zu ändern, ist aber fast überall verbreitet: Lobbyismus in Parlamenten. Zweifellos müssen in einer Demokratie Akteure in der Lage sein, ihren Gesetzgebern vernünftige Gesetze vorzuschlagen; aber die vorgeschlagenen Änderungen sind nicht immer im allgemeinen Interesse, und die Charakterstärke, die erforderlich ist, sie zurückzuweisen, mag seltener werden in einer Gesellschaft, die Profite höher bewertet als alles andere. Wenn darüber hinaus die Meinung vorherrschend wird, dass es keine objektiven Kriterien für gerechte Wirtschaftspolitik gibt, sollte man nicht überrascht sein, wenn sich Politiker an Aktivitäten beteiligen, bei denen es wahrscheinlich ist, dass sie ihre eigenen Interessen fördern, sei es unmittelbar wirtschaftlich oder in ihrem Streben, ihre politische Macht zu erhalten und vielleicht auszudehnen“. Hervorhebungen nur hier. 332 Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, § 2.  





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teressen des Allgemeinwohls stellen, wenn es denn an der Zeit ist:333 „Wieviel j u r i s t i s c h e r Scharfsinn ist im Laufe der Geschichte aufgeboten worden, um nachzuweisen, daß Ansprüche von Machtgruppen in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht oder doch mit dem Rechtsempfinden stehen“ (GN 12). Diese Beobachtung verrät gerade in ihrer ironischen Färbung beträchtliche Weisheit, weil sie voraussetzt, dass nicht zuletzt juristische Fähigkeiten, die Eucken daher auch hervorhebt, seit jeher in den Dienst des Machterhalts gestellt wurde. Dass es dabei nicht immer um die Gerechtigkeit gegangen sein kann, verdeutlicht der Umstand, dass sich das vorgebliche Recht stets und kaum ganz zufällig nach der Macht ausrichtete.334 Wenn es überhaupt ein Geschichtsgesetz gibt, was Eucken ja bezweifelt, dann scheint es aus seiner Sicht am ehesten in diese Richtung zu gehen. Doch ist es damit natürlich im strengen Sinne kein Geschichtsgesetz, sondern vielmehr eine Ausprägung des allgegenwärtigen menschlichen Opportunismus‘ und Geltungsdrangs.  

cc) Distanzlosigkeit der Juristen und Ökonomen gegenüber Interessenten-Ideologien Jedoch können auch solche Beweggründe die Autorität des Staates auf Dauer untergraben. Die damit einhergehende Erosion des Staates kann dann paradoxerweise zu einer bedenklichen Kompensation führen, infolge derer sich staatliches Handeln – und das dürfte nicht zuletzt in Gestalt reger Gesetzgebungstätigkeit erfolgen – ausdehnt: „Überall handelt es sich um die Unterhöhlung der Staatsautorität durch partikulare Gewalten, die partikulare Interessen vertreten. Und  



333 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 522, folgert in anderem, aber auch hier einschlägigen Zusammenhang unter Berufung auf Eucken zutreffend: „Auch aus der (…) ordnungsökonomischen (ordoliberalen) Betrachtung können gemeinwohlindizierte Regulierungsgründe ein Abweichen von den Ergebnissen eines freien Wettbewerbsprozesses rechtfertigen, sofern die Gemeinwohlziele nicht auf wettbewerbsschonenderem Wege zu erreichen sind (Interdependenz der Ordnungen)“. Siehe auch Heike Schweitzer, Staatliche Gemeinwohlverantwortung und Wettbewerb, in: Gemeinwohlverantwortung und Binnenmarkt (Hg. Ulrich Becker/Jürgen Schwarze) 2010, S. 1–26. 334 Ronald Syme, The Roman Revolution, 1939, p. 48 Footnote 1. Der große Althistoriker, bringt es zwar in anderem, aber mutatis mutandis auch hier passenden Zusammenhang interessanterweise mit deutschsprachigen Begriffen zum Ausdruck: “What is commonly called the ‘Rechtsfrage’, and interminably discussed, depends upon a ‘Machtfrage’”. Dieses epochale Werk wurde übrigens in überaus gehaltvoller Weise besprochen von Alexander Rüstow, Die Römische Revolution und Kaiser Augustus, Revue de la Faculté des Sciences Economiques de l’Université d’Istanbul 5 (1944) 224. Zu der zitierten Stelle Symes auch Jens Petersen, Recht bei Tacitus, 2018, S. 551.  







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eine Eigenart der modernen Entwicklung ist es eben, daß mit diesem Autoritätsverlust eine rasche Expansion der Staatstätigkeit verbunden ist“ (GWP 329).335 Diese Gesetzmäßigkeit wäre in der Tat alarmierend, weil sie zu hektischer Ad-hoc-Gesetzgebung führen kann, mit der ein vergleichsweise schwacher Staat Ansehensverluste kompensieren will oder zum Spielball der Interessen wird. Allerdings verläuft die Berufung auf bestimmte Partikularinteressen konjunkturabhängig,336 so dass sich die jeweiligen Ideologien und Ideologen „in Zeiten des Naturrechts auf das Naturrecht berufen, in Zeiten der Gewerbefreiheit auf die Freiheit der Einzelnen, Kartellabreden untereinander abzuschließen, und in Zeiten der Sozialisierung darauf, daß Kartelle und andere Monopolbindungen Wegbereiter des Sozialismus seien“ (GN 13). Daran zeigt sich eine gewisse Distanz gegenüber dem Naturrecht, das für Eucken offenbar eine abgeschlossene Epoche darstellt (GWP 290). Interessenten-Ideologien zeichnen sich also durch eine besondere Geschmeidigkeit aus. Bedauerlicherweise nicht im Haupttext, sondern nur in den Anmerkungen findet sich ein wichtiger Hinweis, der den Juristen ins Stammbuch geschrieben und im Ausgangspunkt sogar noch höflich formuliert ist: „Arglosigkeit und Distanzlosigkeit gegenüber wirtschaftlichen Interessenten-Ideologien finden sich nicht nur bei Nationalökonomen, sondern oft auch bei wissenschaftlichen und praktischen Juristen“ (GN 245). Damit wird ein Gedanke fortgeführt, der bereits an früherer Stelle aufschien, wo es bereits im Hinblick auf die Nähe zur Macht um eine gewisse Anfälligkeit der Juristen ging, die eine Neigung zum Opportunismus haben.  







d) Interessenten-Ideologien im Wirtschaftsrecht Wirtschaftliche Macht wirkt leicht korrumpierend: „Vertretern wirtschaftlicher Machtgruppen gegenüber, die mit bestimmten Auslegungen und Forderungen im Kartellrecht, Gesellschaftsrecht, Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Wettbewerbsrecht usw. auftreten, haben sie in der Regel nicht die nötige Sicherheit.

335 Zum Umfeld dieser Stelle weiterführend Viktor Vanberg, Liberalismus und Demokratie: Zu einer vernachlässigten Seite der liberalen Denktradition, Freiburger Diskussionspapiere zur Ordnungsökonomik 2014/4, S. 9. 336 Siehe auch Fritz W. Meyer, Warum feste Preise für Markenartikel? Auseinandersetzung mit einer Interessentenideologie, ORDO 6 (1954) 133; Theo Thiemeyer, Gemeinwirtschaftlichkeit als Ordnungsprinzip. Grundlegung einer Theorie gemeinnütziger Unternehmen, 1970, S. 57 ff. unter der Überschrift ‚Gemeinnützigkeit und Interessentenideologien‘. Zur Interessenten-Ideologie des Mittelstandes in historischer Sicht Emil Lederer, Kapitalismus, Klassenstruktur und Probleme der Demokratie in Deutschland 1910–1940, 1979, S. 44. Ausgewogen in dieser Hinsicht Franz Böhm, Die Bedeutung des Mittelstandes und die Ursachen seiner Gefährdung, in: Der mittelständische Unternehmer in der sozialen Marktwirtschaft, 1955, S. 9.  









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Dadurch wird die Einflußmöglichkeit wirtschaftlicher Machtgruppen im öffentlichen Leben wesentlich erweitert“ (GN 245). Fasst man die von Eucken genannten Rechtsgebiete zusammen, so passen sie nicht von ungefähr allesamt unter den Begriff des Wirtschaftsrechts. Dort ist allerdings die Gefahr einer gewissen Interessenten-Jurisprudenz allgegenwärtig. Es ist zum einen also schlichte Unkenntnis, in Folge derer wissenschaftlich und praktisch tätige Juristen Interessentenideologien auf den Leim gehen. Die Auslegung der Syntax legt sogar die Annahme nahe, dass die Arglosigkeit auf die wissenschaftlichen Juristen bezogen ist und die Distanzlosigkeit auf die praktische, doch dürfte auch diese Deutung durch die wirtschaftsrechtliche Praxis und das unternehmensrechtliche Schrifttum zumindest zwischenzeitlich überholt worden sein.337 Nicht von ungefähr nennt Eucken beispielhaft das Kartellrecht, das Wettbewerbsrecht, das Gesellschaftsrecht und das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Diese wirtschaftsnahen Gegenstände juristischer Praxis sind gewiss besonders interessentenanfällig, zumal da es dort erfahrungsgemäß um hohe Streitwerte oder die generelle Zulässigkeit praktischer Verfahren oder industrieller Praxis geht, von denen die Bindung beträchtlicher Finanzmittel abhängt, so dass auch die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit finanziell folgenreich ist. Technische Innovationen taten ein Übriges, Begehrlichkeiten zu wecken und Interessen zu befördern:338 „Die industrielle Konzentration der letzten hundert Jahre ergab sich aus einem Bündel von Ursachen. Streben nach Macht, Hang zur Monopolbildung, Wirtschafts- und Rechtspolitik bewirkten oder begünstigten die Konzentrationen“ (GWP 235). Beschleunigung des Wirtschaftswachstums durch technischen Fortschritt bringt auf Seiten des werdenden Monopolisten nicht unbedingt die edelsten moralischen Motive zur Entfaltung. An der beispielhaften Verdeutlichung erkennt man, dass eben auch der Wille zur wirtschaftlichen Macht in Gestalt der Monopolbildung eingewurzelt ist. Denn der Wille zur Macht und zur Monopolbildung ist für Eucken beinahe gleichbedeutend: „Universal besteht der Hang zur Monopolbildung – ein Faktum, mit der (sic) alle Wirtschaftspolitik zu rechnen hat“ (GWP 31). Interessanter noch als diese düsteren anthropologi 







337 Siehe zum Ganzen auch Roy F. Bär, Grundlagen der wettbewerbsrechtlichen Unternehmensverantwortlichkeit im europäischen Bußgeldverfahren, 2019. 338 Zum Schutz technischer Innovationen Johannes Laitenberger, Entwicklungslinien des Wettbewerbsrechts der Europäischen Union, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 109, 145. Siehe auch Dietmar Harhoff, Erfindungen und Innovationen in der globalen Wirtschaft – Zur Entwicklung des Patentsystems, in: Wissen – Märkte – Geistiges Eigentum (Hg. Stefan Leible/Ansgar Ohly/Herbert Zech) 2010, S. 37.  











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schen Prämissen ist für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung der gleichfalls genannte Faktor einer ungeeigneten Wirtschafts- und Rechtspolitik. Eucken spielt damit auf die Konzernierung an, die machtvolle Unternehmenszusammenschlüsse ermöglichen und auf diese Weise die durch den technischen Fortschritt ohnehin rasant anwachsende wirtschaftliche Macht unternehmensrechtlich stabilisierte und bei wenigen Entscheidungsträgern konzentrierte.339 Ein feines Sensorium für die zeitlos gültigen praktischen Verfahrensweisen und Missbräuche verrät auch folgende summarische Feststellung: „Stets läuft die Beweisführung darauf hinaus, die Übereinstimmung von Gruppeninteresse und Gemeinwohl nachzuweisen. Sehr oft ist die Wirkung solcher Ideologien – besonders auf die Rechtsprechung und auf die Verwaltungspraxis – bedeutend“ (GN 13). Wie sehr Eucken die Rechtspraxis durchschaut hat, veranschaulicht insbesondere die Parenthese. Aber nicht nur die ausdrücklich genannte Judikative und Exekutive sind Einbruchstellen für den Lobbyismus, sondern vor allem die Legislative. Dem Widerstreit zwischen Gruppeninteresse und Gemeinwohl ist wohl nicht von ungefähr das abschließende Kapitel seiner nachgelassenen wirtschaftspolitischen Grundsätze gewidmet (GWP 350).  







e) Interessenten-Jurisprudenz und Interessenten-Ideologien Ebenso wie sich Juristen vor einer methodologisch verbrämten Interessenjurisprudenz, die mitunter reine Interessenten-Jurisprudenz ist, hüten müssen, wenn die auf dem Spiel stehenden Interessen nicht gesetzlich gewertete, sondern nur dem Egoismus der Einzelnen folgende sind,340 sollten sich die Ökonomen – jedenfalls wenn man Eucken folgt – über Triebkräfte der Ausübung wirtschaftlicher Macht nichts vormachen.341 Gerade bei Kartellen gilt für Eucken, „daß hier  



339 Aus heutiger Sicht Lukas Beck, Konzernrecht und Konzernwirklichkeit. Haftungsvermeidende Unternehmensorganisation innerhalb und außerhalb des Gesellschaftsrechts, Aktiengesellschaft 2010, 726. 340 Näher zum Ganzen Jens Petersen, Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001. 341 Bernd Hansjürgens, Walter Eucken und das Denken in Verfassungen, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ingo Pies/Martin Leschke) 2002, S. 37, 43, stellt den Zusammenhang zutreffend her: „Die Ausführungen zur Interdependenz der Ordnungen machen deutlich, dass die Wechselwirkungen zwischen Recht, Staat, Gesellschaft und Wirtschaft im Fokus von Euckens Betrachtungen standen und den Kern seines Anliegens ausmachen. (…) Doch Euckens Bezüge zum Rechtsdenken gründen nicht nur auf der beschriebenen Interdependenz von Rechts-, Staats-, Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung, sondern auch auf der methodischen Vorgehensweise, die im Rechtsdenken angelegt ist“. Hervorhebungen auch dort.  

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der Egoismus in der Ausprägung des G r u p p e n egoismus zum Siege gelangt“ (GN 197 f.).342 Diese Form potenziert die nachteiligen Wirkungen des Egoismus gleichsam. Eucken greift diesen Gedanken in den G r u n d s ä t z e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k unmittelbar auf und verknüpft ihn mit dem Problem wirtschaftlicher Macht, die dadurch noch unkontrollierbarer wird: „Der Gruppenegoismus neigt zur Wucherung, weil die Gruppen Macht besitzen“ (WW 16=GWP 171). Schlimmer als der Gruppenegoismus ist jedoch die aus Euckens Sicht verkannte Gefahr der Gruppenanarchie, die der Kampf der Monopolisten mit sich bringt und das Gleichgewicht empfindlich stört (GWP 171).343 Der heilsame Gegenentwurf ist auch hier wieder die Wettbewerbsordnung: „Die Wettbewerbsordnung aber zwingt auch den reinen Egoisten, für das Gesamtinteresse tätig zu sein“ (GWP 365). Allerdings geschieht dies, wie bereits Adam Smith und Adam Ferguson wussten, nicht kraft besserer oder geläuterter Einsicht, sondern vor allem durch die Folgen menschlichen Handelns ohne darauf zielende menschliche Absicht.344 Eucken hält seinen Zunftgenossen unverblümt vor, dass sie die Augen vor der wirtschaftlichen Realität verschlössen und mitunter schlicht nicht wüssten, was in der Praxis vorgehe: „Ihnen fehlt die einfache Kenntnis der alltäglichen Wirtschaft mit ihren Kämpfen, die mit List und Verschleierung und Brutalität geführt werden“ (GN 198). Gerade dieser Gesichtspunkt enthebt Eucken von der in Anbetracht seiner Provenienz und theorielastigen Ausführungen naheliegenden, aber falschen Vorstellung, er sei allein im wissenschaftlichen Elfenbeinturm beheimatet.345 Seine kantische Gesinnung hat ihm nicht den Blick auf die raue Wirklichkeit in ihrer ungeschlachten, von Verschlagenheit und unbedingtem Beherrschungswillen geprägten Form verstellt (GWP 149).346  















342 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, Nachdruck 2010 (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker), S. 167, hat dies bereits auf rechtlicher Ebene vorausgesehen: „Eine Rechtsentwicklung, die den modernen privaten Unternehmer mit zusätzlicher sozialer Markt- und Monopolmacht bewidmet, vermag keine Umwandlung des Wirtschaftssystems in ein Selbstverwaltungssystem liberal-politischer Prägung zu erzeugen; sie erzeugt vielmehr bloß eine Emanzipation der rein privategoistischen Individualfreiheit von jener allgemeinen obersten Spielregel der fairen Leistungskonkurrenz, deren Funktion es ist, den privaten Vorteil des Individuums im Einklang mit dem Vorteil der Gesamtheit zu halten“. 343 Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 73 344 Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, passim. 345 Pointiert, aber ohne Zielrichtung gegen Eucken Thomas Mayer, Die Ökonomen im Elfenbeinturm. Eine österreichische Antwort auf die Krise der modernen Makroökonomik und Finanztheorie, Beiträge zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik, Band 177, 2014 (in Vortragsform zunächst Freiburger Diskussionspapiere zur Ordungsökonomik 2013/1). 346 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 20 Fußnote 27, macht im Hinblick auf die kantische Rechts- und Moralphilosophie mit Recht darauf auf 











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2. Bedrohung der Freiheit Gerade dort, wo die illegitime Ausübung staatlicher Macht zeitweise überwunden wurde, sieht Eucken eine neue Gefahr für die Freiheit in Gestalt wirtschaftlicher Macht, wie seine G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k allenthalben vergegenwärtigen: „Und zwar war es die wi r t s c h a f t l i c h e Sphäre, der die Freiheit so sehr zu statten kam, aus der die Freiheit zuerst bedroht wurde“ (GWP 176). Nicht zuletzt die Vertragsfreiheit, an sich vorbehaltlos zu begrüßen und für eine freiheitliche Wirtschaftsordnung schlechterdings konstitutiv,347 konnte dort, wo Kartelle grassierten und wirtschaftliche Zusammenschlüsse den Leistungswettbewerb verzerrten, selbst zu einer Gefährdung der Freiheit führen, wie die Geschichte gezeigt hat (GWP 276): „Nun wurde die Vertragsfreiheit selber dazu benutzt, um einen Zustand herzustellen, in dem sie faktisch ausgeschaltet war“ (GWP 170).  





a) Freiheitsparadoxon und Vertragsfreiheit Diese Erscheinung ist nicht neu, weil der Freiheit nach dem so genannten Freiheitsparadoxon immer auch die Freiheit innewohnt, die Freiheit auszuschalten.348 Genau das droht mit Euckens Worten, die nur scheinbar einen hegelianischen Anklang haben, weil die Aufhebung hier ohne alle Dialektik gemeint ist: „Freiheitsrecht hebt Freiheitsrecht auf“ (GWP 50).  

merksam, „dass der moralische Begriff der Verbindlichkeit auf den Ursprung des Rechts verweist, nicht aber auf die Moralität der im Rahmen eines Rechtsverhältnisses handelnden Personen. Dem Gegensatz kommt in der literarischen Auseinandersetzung über den Charakter wettbewerblicher Handlungen maßgebliche Bedeutung zu“. 347 Vgl. nur Ernst-Joachim Mestmäcker, Über die normative Kraft privatrechtlicher Verträge, Juristenzeitung 1964, 441; Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015. 348 Wolfgang Fikentscher, Die Freiheit und ihr Paradox, 1997; ders./Andreas Heinemann, Schuldrecht, 11. Auflage 2017, Randnummer 1764, aus juristischer Sicht. Aus dem philosophischen Schrifttum Karl Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band II, 7. Auflage 1992, S. 54, unter Verweis auf die kantische Rechtsphilosophie. Siehe auch Ernst-Joachim Mestmäcker, Der Kampf ums Recht in der offenen Gesellschaft, Rechtstheorie 20 (1989) 273: Josef Drexl, Privatrechtsdogmatik und Kartellrecht, Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2017, S. 1019, 1025.  







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aa) Abhängigkeit der Freiheit von der Wirtschaftsordnung und den Rechtsprinzipien Die historische Erfahrung war durchaus entmutigend: „Das Recht der Vertragsfreiheit durfte auch dazu benutzt werden, um Konkurrenz zu beseitigen und um – durch Sperren, Boykott usw. – die Freiheit anderer zu beschränken“ (WW 14). Das war nun gar nicht mehr mit dem Prinzip der Wettbewerbsordnung in Einklang zu bringen, weil die ursprünglich förderungswürdige Gewährleistung wirtschaftlicher Freiheit sich als zu weitgehend und verhängnisvoll erwies, da sie Machtanhäufungen zuließ, die der Freiheit insgesamt gefährlich werden konnten. Unter einer ambivalent zu beurteilenden Bedingung kann also „die Gewährung von Freiheit eine Gefahr für die Freiheit werden, wenn sie die Bildung privater Macht ermöglicht, daß zwar außerordentliche Energien durch sie geweckt werden, aber daß diese Ideen auch freiheitszerstörend wirken können“ (GWP 53).349 Nicht zuletzt der Gesichtspunkt der Freisetzung entsprechender Energien verdient Beachtung, wie sich bereits weiter oben im Zusammenhang mit den technischen Innovationen gezeigt hat, deren Aufkommen positive Begleiterscheinungen sein können – freilich ebenfalls um den Preis der Bildung privater wirtschaftlicher Macht. Das muss keineswegs in böser Absicht geschehen; mitunter ist es gerade ein von hehrer Gesinnung getragenes verfehltes Ordnungsdenken, das zu einer Gefährdung der Freiheit führen kann, wie Eucken nicht von ungefähr am Beispiel der Wirtschaftsordnung veranschaulicht: „Zum Beispiel streben Männer, die es mit der Freiheit der Person sehr ernst nehmen, bisweilen Wirtschaftsordnungen an, welche die Freiheit bedrohen“ (GWP 197). Hieran zeigt sich, warum es für Eucken so wichtig ist, die richtige Wirtschaftsordnung auf wissenschaftlich gesicherter Grundlage unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Wirklichkeit von den Einzelbetrieben her zu ermitteln. Andernfalls kann eine noch so reine grundrechtliche Gesinnung eine Wirtschaftsordnung hervorbringen, die diese Freiheitsrechte nicht durchzusetzen ver 











349 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 365, folgert zutreffend: „Indem er eine Verbindung zwischen Wettbewerbsordnung und Vertragsfreiheit herstellte, lud Eucken den Freiheitsbegriff mit ordnungspolitischen Inhalten auf, in heutiger Diktion ‚materialisierte‘ er ihn.“ Unter Verweis auf Wolfgang Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2010, S. 170; zur vorausgesetzten Materialisierung grundlegend Claus-Wilhelm Canaris, Wandlungen des Schuldvertragsrechts – Tendenzen zu seiner „Materialisierung“, Archiv für die civilistische Praxis 200 (2000) 273; Gerhard Wagner, Materialisierung und Konstitutionalisierung des Privatrechts – Ende der Privatautonomie, Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe, Jahresband 2009, S. 67; ders., Materialisierung des Schuldrechts unter dem Einfluss von Verfassungsrecht und Europarecht – Was bleibt von der Privatautonomie?, Obligationenrecht im 21. Jahrhundert (Hg. Uwe Blaurock/Günter Hager) 2010, S. 1.  















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mag, weil sie schlicht unbrauchbar ist oder nur auf hehren Worten beruht. Das ist namentlich dann der Fall, wenn die für die Freiheitsentfaltung konstituierenden Prinzipien verkannt werden, die gerade in elementaren Rechtsinstituten bestehen und mit der Wirtschaftsordnung verschränkt werden müssen: „Hier äußert sich das Fehlen der Freizügigkeit, der freien Wahl des Arbeitsplatzes, der Vertragsfreiheit und Konsumfreiheit. Und das Fehlen dieser Freiheitsrechte bewirkt Unsicherheit“ (GWP 125). Das ist sehr vorsichtig formuliert. Denn an Stelle der dadurch verursachten Unsicherheit hätte man wohl auch noch entschiedener von Unfreiheit sprechen können. Es ist also namentlich die Vertragsfreiheit, die zu diesen konstituierenden Prinzipien gehört (GWP 275). Inwieweit gerade die Vertragsfreiheit das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung berührt, veranschaulicht Euckens Fragestellung: „Wie beeinflußt die Gestalt der Wirtschaftsordnung den Inhalt des Rechtes auf Vertragsfreiheit?“ (GWP 277).  





bb) Vertragsfreiheit und Wettbewerbsordnung So kann auch die genannte Vertragsfreiheit in ihrer rigorosen Entfaltung zu enttäuschten Erwartungen führen, wenn sie nur auf dem Papier steht, wirtschaftliche Macht perpetuiert und den Leistungswettbewerb letztlich sogar ausschaltet, wie sich immer wieder gezeigt hat: „In vielen Fällen wurde also die Vertragsfreiheit in der Hand privater Macht etwas anderes, als man früher erwartet hatte. Es erwies sich, daß Vertragsfreiheit keineswegs Konkurrenz auf beiden Marktseiten herstellen m u ß und daß dann Vertragsfreiheit nur formal gilt“ (GWP 277). Es gibt also offenbar auch auf der Ebene der konstituierenden Prinzipien und nicht nur der Ordnungen etwas, das man tendenziell als Transformation bezeichnen könnte (GWP 198).  



(1) Immunisierung der Vertragsfreiheit gegen wirtschaftliche Macht Nur in einer Wettbewerbsordnung im Gleichgewicht erweist sich die Vertragsfreiheit als weitgehend immun gegen den korrumpierenden Einfluss wirtschaftlicher Macht.350 Vertragsfreiheit und Wettbewerbsordnung hängen also zuinnerst zu-

350 Ernst-Joachim Mestmäcker, hat dies im Vorwort der hier zitierten Ausgabe am deutlichsten herausgearbeitet (GWP XIV): „Die Erfahrung bestätigt, dass mit dem Verlust der wirtschaftlichen Freiheitsrechte auch die formal geltenden politischen Freiheitsrechte ausgehöhlt werden. Die Gewaltenteilung zwischen Staat und Wirtschaft fordert ferner die politische Unabhängigkeit des Staates von der Wirtschaft. In marktwirtschaftlichen Ordnungen kann diese Unabhängigkeit durch Inhaber wirtschaftlicher Macht gefährdet werden. Diese Gefahr ist deshalb besonders groß, weil das Privatrecht, mit dessen Hilfe dezentrale Wirtschaftsplanung erst möglich wird, zugleich die Instrumente

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sammen (GWP 279). Daraus leitet Eucken – entsprechend dem zum Freiheitsparadoxon Gesagten – das Postulat ab, dass „Vertragsfreiheit nicht zu dem Zwecke gewährt werden darf, um Verträge zu schließen, welche die Vertragsfreiheit beschränken oder beseitigen“ (GWP 278). Auch hier droht also die Gefahr der Aufhebung von Freiheitsrechten durch Freiheitsrechte (GWP 50). Die Vertragsfreiheit des wirtschaftlich Überlegenen kann somit im Falle eklatanter Imparität den Leistungswettbewerb aushebeln. Auch insoweit zeigte sich ein Spannungsverhältnis: „Das Prinzip der Vertragsfreiheit geriet in offenen Konflikt mit dem Prinzip des Wettbewerbs“ (WW 14). Dadurch wurde jedoch die Wettbewerbsordnung insgesamt infrage gestellt, wie die Erfahrungen aus der Epoche des Laissez-faire eindrücklich zeigten: „Darüber hinaus aber wurde die Vertragsfreiheit sogar dazu benutzt, um Konkurrenz zu beseitigen, z. B. zur Gründung von Kartellen und anderen monopolistischen Verbänden. Das Prinzip der Vertragsfreiheit führt damit zu einer Aufhebung des Grundprinzips der Wettbewerbsordnung“ (GWP 277).351 Euckens Abneigung gegen Monopole aller Art erklärt sich also nicht zuletzt historisch. Sie ist aber darüber hinaus und damit zusammenhängend noch tiefer begründet, nämlich im Argwohn gegenüber privater wirtschaftlicher Macht, die das staatliche Gefüge insgesamt ins Wanken bringen kann.  















(2) Interdependenz der Staats- und Wirtschaftsordnung Letztlich geht es auch dabei um eine Ausprägung der Interdependenz der Ordnungen, hier in Gestalt der Wirtschafts- und Staatsordnung. Eucken hat allerdings bereits vergleichsweise früh die Gefahr erkannt, die von dem dort so genannten ‚Wirtschaftsstaat‘ ausgehen kann und die sich als nach wie vor aktuell erweist, wenn man von den zeitbedingten Besonderheiten der betreffenden For-

für den Erwerb wirtschaftlicher Macht zur Verfügung stellt. Es gehört deshalb zu den wesentlichen Aufgaben der Ordnungspolitik, der Entstehung wirtschaftlicher Macht entgegenzuwirken“. Hervorhebung nur hier. Peter Behrens, Laudatio, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 18, sieht es daher richtigerweise auch als Mestmäckers „bleibendes Verdienst, (…) immer wieder mit Nachdruck betont (zu) haben, die Marktwirtschaft sei keine regellose, sich selbst stabilisierende Wirtschaftsordnung, sondern ein institutionell sehr voraussetzungsvoller Mechanismus zur Koordinierung individueller Wirtschaftspläne im Eucken’schen Sinne“. 351 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, Nachdruck 2010 (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker), S. 177, sieht es der Sache nach nicht anders: „Ein Kartell aber, das nicht in der Lage ist, seine Zwecke im Wege des redlichen Leistungswettkampfes durchzusetzen, hat keinerlei Anspruch auf eine künstliche Beihilfe des Rechtes“.  





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mulierungen reinigt: „Die Tatsache, daß der Wirtschaftsstaat im Gegensatz zum liberalen Staat aufs engste mit dem mit dem jeweiligen Stand der Konjunktur verknüpft ist, und daß heute jede schwere wirtschaftliche Depression eine Erschütterung des Staates bewirkt, zeigt bereits die Fesselung des Staates durch die Wirtschaft. (…) Seine Handlungen werden abhängig von dem Willen der wirtschaftlichen Gruppen, denen er mehr und mehr als Werkzeug dient“ (SK 307).352 Die konjunkturelle Abhängigkeit zeigt sich wohl am deutlichsten in der internationalen Wirtschaftsordnung im gemeineuropäischen Rahmen, hat sich aber bereits beim Ausbruch der weltweiten Wirtschaftskrise vor rund zehn Jahren erwiesen, als allein der bange Blick auf die Börsen anderer Zeitzonen zu Zitterpartien wurde, die die Ohnmacht der politischen Akteure vor der schieren Marktmacht bedrückend dokumentierte. Diese Schreckensvorstellung wirkt wie eine Vorahnung der am dunkelsten getönten Stellen seiner G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k (GWB 187).353

cc) Widerspruchsfreiheit der Rechts- und Wirtschaftsordnung Die Aufhebung der Wettbewerbsordnung bringt unweigerlich die Vertragsfreiheit selbst in Gefahr, wie ebenfalls die Erfahrung in Deutschland lehrt. „Nun wurde die Vertragsfreiheit selber dazu benutzt, um einen Zustand herzustellen, in dem die Vertragsfreiheit faktisch ausgeschaltet war“ (WW 14).354 Das Freiheitsparadoxon hat sich damit im schlechten Sinne entfaltet.  

352 Zu dieser Stelle auch Viktor Vanberg, Liberalismus und Demokratie: Zu einer vernachlässigten Seite der liberalen Denktradition, Freiburger Diskussionspapiere zur Ordnungsökonomik 2014/4, S. 8; ders., Privatrechtsgesellschaft und ökonomische Theorie, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 160; ders., „Freiheit statt Sozialismus“? Ein Kommentar zu Sahra Wagenknechts Buch aus Freiburger Sicht, Freiburger Diskussionspapiere zur Ordnungökonomik 2015/3, S. 7, mit guten Gründen gegen Sahra Wagenknecht, Freiheit statt Kapitalismus – Über vergessene Ideale, die Eurokrise und unsere Zukunft, 2012, S. 281. 353 Jan Renker, Die Krisis der Moderne bei Rudolf Eucken, Edmund Husserl und Walter Eucken, in: Phänomenologie und die Ordnung der Wirtschaft. Edmund Husserl – Rudolf Eucken – Walter Eucken – Michel Foucault (Hg. Hans-Helmuth Gander/Nils Goldschmidt/Uwe Dathe) 2009, S. 41, zeichnet diesen Topos kundig nach, der womöglich auch den geistigen Nährboden für den im zitierten Text des vergleichsweise frühen Werkes (SK) mitschwingt. 354 Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 85 f., zur korrespondierenden und wortgleichen Stelle GWP 54.  























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(1) Missachtung der Interdependenz der Ordnungen Damit stellt sich die Frage nach einem sinnvollen Ausweg, nachdem sich Gesetze und gegenläufige wirtschaftspolitische Akte gleichsam aufgehoben und als wirkungslos erwiesen haben, so dass schließlich die Widerspruchsfreiheit der Wirtschafts- und Rechtsordnung in Frage stand. So beginnt Eucken etwa ein Gutachten Ü b e r d i e G e s a m t r i c h t u n g d e r Wi r t s c h a f t s p o l i t i k , das er im Auftrag der Alliierten erstellt hat, mit dem Obersatz und dem nachfolgenden Beispiel, das die drohenden Widersprüche aufzeigt: „Alle einzelnen wirtschaftspolitischen Maßnahmen müssen, um sinnvoll und erfolgreich zu sein, koordiniert werden; sonst ist die Wirtschaftspolitik in sich widerspruchsvoll und führt oft zu schädlichen, unheilvollen Ergebnissen. Zum Beispiel haben manche Staaten zwar Anti-Monopolgesetze erlassen; aber gleichzeitig haben sie durch ihre Handelspolitik, ihr Gesellschaftsrecht, ihre Patentpolitik usw. die Bildung von Monopolen indirekt begünstigt. Sie haben mit der einen Hand zu bekämpfen versucht, was die andere Hand förderte“ (OP 1). Dieser Grundgedanke findet sich bereits in den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e an einer Stelle, die unausgesprochen die Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zum Gegenstand hat (GN 240). Es ist augenfällig, dass hier wie dort in wirtschaftspolitischer Hinsicht der Gesamtzusammenhang aller wirtschaftspolitischen Akte, in dem sie zueinanderstehen, missachtet wurde, mithin die Interdependenz der Ordnungen (OP 3).  

(2) Ambivalenz der Wirtschafts- und Rechtspolitik Euckens Rezept gegen die Verkennung der Interdependenz der Rechts- und Wirtschaftsordnung lautet an anderer Stelle ebenso lapidar wie prinzipiengerecht: „Die Grundidee eines Antimonopolgesetzes sollte einfach die sein, dass die Vertragsfreiheit einer Person grundsätzlich nicht dazu missbraucht werden darf, die Vertragsfreiheit anderer zu beschneiden“ (WW 82 f.).355 Das erscheint sehr allgemein, ist aber entsprechend Euckens moraltheoretischen und rechtsphilosophischen Prämissen durchaus kantisch gedacht.356 Die einzige Möglichkeit, dem  



355 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, Nachdruck 2010 (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker), S. 175, sieht dies der Sache nach ebenso, wenn er die Monopolfrage auf die Ebene des Wirtschaftsverfassungsrechts hebt, für das ja nicht von ungefähr auch die im Eucken-Zitat angesprochene Vertragsfreiheit ein konstituierendes Prinzip bildet: „Die Monopolfrage ist (…) eine Frage des wirtschaftlichen Verfassungsrechts“. 356 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 20 f., macht die Unterscheidung zwischen Moralität und Legalität in konsequenter Fortführung bzw. sogar direkter Anwendung der kantischen Prämissen (nämlich unter Verweis auf Immanuel Kant, Meta 





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Problem Herr zu werden, besteht für Eucken darin, die Bildung von Monopolen bereits im Ansatz zu verhindern und die betreffenden wirtschaftlichen Machtgebilde gar nicht erst wuchern zu lassen. Denn einmal groß geworden, erweist sich der Kampf gegen die Monopole als permanente Flickschusterei in Gestalt jener punktuellen Gesetzgebung, die für Eucken die Wurzel allen Übels darstellt (GWP 251): „Die Wirtschafts- und Rechtspolitik der meisten Industriestaaten hat in dieser Frage eine zwiespältige und widerspruchsvolle Haltung eingenommen. Durch ungezählte Bestimmungen des Gesellschaftsrechts, des Steuerrechts, des Patentrechts, des Konkursrechts, der Handelspolitik, der Kreditpolitik usw. ist der Konzentrationsprozeß in der Industrie entscheidend gefördert, vielfach überhaupt erst angeregt worden. Stellten sich dann die schweren Nachteile der Konzentration heraus, so suchten manche Staaten durch eine besondere Anti-Monopolgesetzgebung gewisse Schäden zu bekämpfen“ (NW 83). Hier zeigt sich die Interdependenz der Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung besonders deutlich. Eucken geht dabei sogar, anders als an vielen vergleichbaren Stellen nicht mehr nur von wirtschaftspolitischen Akten aus, die wie gesehen zumeist ebenfalls Gesetze meinten, sondern spricht unmittelbar von gesetzlichen Bestimmungen. In der Tat nahm die Konzernierung bedrohlich zu, wie Eucken ja auch an anderen Stellen feststellt (GWP 280).357 Die repressiven Entflechtungsbestrebungen bzw. die präventive  





physik der Sitten, Akademieausgabe, 1914, Band VI, S. 230) für die Wettbewerbsordnung fruchtbar: „Im Gegensatz zu den Geboten der Moral betreffen Rechtsregeln für wirtschaftliches Handeln immer Handeln im Außenverhältnis zu anderen Rechtssubjekten. Das gilt insbesondere für das Handeln im Wettbewerb. Kant hat die daraus für eine regelgebundene Ordnung folgenden Grundsätze klar definiert: Der Begriff des Rechts, sofern er sich auf eine ihm korrespondierende Verbindlichkeit bezieht, betrifft nur das Äußere und zwar praktische Verhältnis einer Person gegen eine andere, sofern ihre Handlungen als Fakta aufeinander (unmittelbar oder mittelbar) Einfluss haben können. Dazu gehört der an Regeln gebundene Wettbewerb. Er besteht aus gesetzlichen Handlungsfreiheiten, die über den Markt aufeinander bezogen sind und betrifft immer auch die Nachfrager oder Anbieter, die mit ihren Entscheidungen über den Erfolg im Wettbewerb entscheiden. Die Institution des Wettbewerbs, die auf der Gewerbe- und Wettbewerbsfreiheit beruht, gilt für Staat und Unternehmen. Der Staat muss die Ordnungsprinzipien der Gewerbefreiheit in seiner Gesetzgebung und seiner Wirtschaftspolitik respektieren. Die Unternehmen sind an Spielregeln des Leistungswettbewerbs gebunden.“ – Wendet man dies auf den von Eucken genannten Missbrauch der Vertragsfreiheit an, so steht die von ihm postulierte Tendenz der gegen Monopole gerichteten Gesetzgebung in der Tat im Einklang mit kantischem Denken, weil ein solcher Institutionsmissbrauch staatlicherseits nicht hingenommen werden darf, sondern wettbewerbsrechtlich und wirtschaftspolitisch wirksam sanktioniert werden muss. 357 Lukas Beck, Konzernrecht und Konzernwirklichkeit. Haftungsvermeidende Unternehmensorganisation innerhalb und außerhalb des Gesellschaftsrechts, Aktiengesellschaft 2010, 726, bestätigt bereits dem Titel nach Euckens Befürchtungen. Entsprechendes gilt für den Beitrag von  



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ausgerichtete Kartellrechtsregulierung bekämpfte dann mitunter ein Übel mit einem anderen, nicht notwendigerweise geringeren.

b) Surrogation von Privilegien durch private Machtpositionen Wirtschaftliche Macht kann für Eucken nur zu leicht zu einer Versuchung werden, die gerade wiedergewonnene Freiheit infrage zu stellen, was überall dort zu beobachten ist, wo im Laufe der Geschichte zweifelhafte Privilegien durch vorderhand begrüßenswerte Erscheinungen wie die Vertragsfreiheit oder Freizügigkeit beseitigt wurden: „Aber rasch entstanden jene wirtschaftlichen Machtpositionen, die die Freiheit wieder bedrohten. (…) Ungezählte öffentliche Privilegien verschwanden zwar, aber an ihre Stelle traten schon im 19. Jahrhundert private Machtpositionen: Soziale Machtkörper auf den Arbeitsmärkten und weitreichende Herrschaftsansprüche in vielen Betrieben; Macht auf den Märkten und Macht im einzelnen Betrieb; dadurch wirtschaftlicher und sozialer Druck“ (GWP 176). Zu den sozialen Machtkörpern auf dem Arbeitsmarkt dürften wohl vor allem die Gewerkschaften gehört haben (GWP 46), die damit ebenfalls Machtkörper wurden und ein gewisses Gefährdungspotential für die Wettbewerbsordnung darstellten (GWP 323). Schon in den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e beklagt er die entstandenen „Machtballungen, Machtkämpfe und sozialen Spannungen“ (GN 240). Ähnlich wie er es mit Begriffen wie dem ‚Kapitalismus‘ oder dem ‚Sozialismus‘ hält, verfährt Eucken allerdings eher zurückhaltend mit dem Begriff ‚sozial‘: „Der Wortgebrauch ‚sozial‘ verschleiert die Gefahr, die gerade in sozialer Hinsicht von der Sozialisierung droht“ (GWP 192).358 Er hat jedoch nicht nur die Herausforderungen der sozialen Sicherheit und der sozialen Gerechtigkeit gesehen (GWP), sondern auch ganz allgemein diejenigen der sozialen Frage (SF 111). Auch aus einer anderen Stelle ergibt sich nicht nur der bereits bekannte Befund, dass Euckens Diagnose rechtshistorisch begründet ist, sondern zudem mittelbar die Einsicht, dass Privilegien jeder Art zugunsten bestimmter Interessenvertreter unbedingt zu vermeiden sind:359 „Ähnlich wie in der Zeit des mittel 













Holger Altmeppen, Gesellschafterhaftung und „Konzernhaftung“ bei der GmbH, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 321. 358 Das erinnert phänotypisch an Hayek, hat aber genotypisch wohl andere Gründe; Eucken würde denn wohl auch das Wort ‚sozial‘ nicht als „Wieselwort“ bezeichnet haben, wie es Hayek häufiger tat; näher dazu Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014. 359 Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685,

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alterlichen Lehnswesens werden die verliehenen Hoheitsrechte und Privilegien dazu benutzt, erneut weitere Rechte und Privilegien zu erkämpfen“ (GWP 334). Hier argumentiert Eucken ebenfalls rechtsgeschichtlich und bemüht Beispiele aus einer scheinbar nicht mehr verallgemeinerungsfähigen oder auch nur paradigmatischen Epoche. Es gilt ihm wohl über die historische Würdigung hinaus als Beleg dafür, dass jedwede Rechtszuerkennung und Vergüngstigung zu einem unstillbaren Ehrgeiz nach weiteren Zuwendungen führt. Diese Beobachtungen münden in eine anthropologische Einsicht, die wiederum aus den rechtsgeschichtlichen Erfahrungen gespeist wird: „Oft wurde Freiheit als das Recht des Einzelnen angesehen, die Freiheit anderer zu unterdrücken“ (GWP 176). Freiheit diente damit nicht mehr der Selbstverwirklichung, sondern der Fremdschädigung. Auch in dieser Hinsicht bot das Zeitalter des Laissez-faire reichhaltiges Anschauungsmaterial: „Die Wirtschaftspolitik des Laissez-faire gewährte eben den Privaten die Freiheit, durch Verträge die Formen, in denen der Wirtschaftsprozeß abläuft, nach Belieben, d. h. ohne Rücksicht auf irgendeine wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundentscheidung, zu gestalten“ (GWP 277). Die Tonstelle liegt hierbei allerdings auf dem Gesichtspunkt der fehlenden wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundentscheidung, von der noch die Rede sein wird.  







3. Konvergenz mit Kants Rechtsbegriff Man darf freilich Eucken nicht als Misanthropen schildern. Im Gegenteil: Gerade die zuletzt zitierten Sentenzen sind bewusst in der Vergangenheitsform gehalten. Euckens Credo hingegen geht insbesondere von den Errungenschaften der Aufklärung aus:360 „Freiheit – richtig verstanden – und Humanität und Recht gehören zusammen, sind untrennbar miteinander verbunden“ (GWP 176). Auf die bewusst  





687: „Der Ordoliberalismus beruht damit auf dem Werturteil, dass eine auf den Prinzipien der Privilegienfreiheit und Rechtsgleichheit basierende marktwirtschaftliche Ordnung anderen Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen überlegen ist, weshalb die Marktwirtschaft sowohl gegen Monopolisierungsversuche von Marktteilnehmern als auch gegen die Privilegiensuche bestimmter Interessengruppen zu schützen sei“. 360 Thomas Fischer, Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staatsund rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1993, S. 176, sieht Euckens Leistung gerade in dieser Hinsicht in seiner abschließenden Betrachtung skeptisch und diagnostiziert einen Rückschritt, womit er ihm insgesamt ein schlechtes Zeugnis ausstellt: „Wenngleich eine ideelle Ambiance aufgeklärt wirkt, begibt sich das Euckensche Denken damit in die Gefahr, Prinzipien verhaftet zu bleiben, die bereits die erste Epoche des Staatsbildungsprozesses der Neuzeit geprägt haben“.  

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in einem Atemzug mit dem Recht genannte Humanität ist am Schluss der vorliegenden Abhandlung noch einmal einzugehen. Einstweilen soll es um den Zusammenhang von Recht und Freiheit gehen. Das Recht muss die Freiheit sichern, wenn es Recht der Freiheit sein soll.361 Eucken scheut sich auch nicht eine religiös konnotierte Begründung zu geben, die bekenntnishaften Charakter aufweist: „Die Wirtschaftspolitik aber soll die freie natürliche gottgewollte Ordnung verwirklichen. Sowenig der Mensch, der in dieser Ordnung steht, seine eigene Freiheit selber aufheben darf, sowenig darf er die Freiheitssphäre der anderen mißachten“ (GWP 176). Von der gottgewollten Ordnung war weiter oben schon die Rede. Dort wurde insbesondere festgestellt, dass Eucken an dieser Stelle – anders als einer früheren, an der ebenfalls von der gottgewollten Ordnung die Rede ist (GWP 53) – nicht über die Vergangenheit, etwa die Zeit des Laissez-faire, spricht, sondern seine eigene Weltsicht formuliert. Wie sehr Eucken zugleich den Philosophen des 18. Jahrhunderts verpflichtet ist, zeigt sein Verhältnis zu Freiheit und Ordnung:362 „Aus der Freiheit heraus entstehen spontan Ordnungsformen. Sie sind insoweit gerechtfertigt, als sie wettbewerbskonform sind“ (GWP 179).363 Das ist eine wichtige Präzisierung, weil Eucken einem blinden Zutrauen in spontane Ordnungen wenig abgewinnen kann (GWP 27). Ihre Legitimation steht daher unter dem Vorbehalt eines Bekenntnisses zur Wettbewerbsordnung.364 Allerdings verliert er an keiner Stelle die Grundeinsicht aus dem Blick, dass Wirtschaften Anpassung bedeutet (GWP 5), selbst wenn Inhaber wirtschaftlicher Macht insoweit privilegiert sind (GWP 40). Doch auch sie müssen grundsätzlich über unternehmerische Freiheit  













   

361 Siehe dazu auch Axel Honneth, Das Recht der Freiheit. Grundriss einer demokratischen Sittlichkeit, 2011. 362 Ingo Pies, Theoretische Grundlagen demokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik – Der Beitrag Walter Euckens, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ders./Martin Leschke) 2002, S. 25 f., bringt dies in einen konsistenten Zusammenhang, der das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung im Sinne Euckens erschließt: „Genauso, wie Juristen und Philosophen im 17. und 18. Jahrhundert einer auf Verfassungsprinzipienberuhenden Rechtsordnung gedanklich vorgearbeitet haben, will er mit seiner Ordnungstheorie einer auf analogen Verfassungsprinzipien beruhenden Wirtschaftsordnung vorarbeiten“. Bernd Hansjürgens, Walter Eucken und das Denken in Verfassungen, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ingo Pies/Martin Leschke) 2002, S. 37, 49, betont die „Vorbildfunktion“ des Rechtsdenkens, die aus Euckens Sicht im „juristische(n) Denken in Verfassungen“ am Beispiel der Rechts- und Staatsphilosophen des 17. und 18. Jahrhunderts zum Ausdruck komme. 363 Zum diesbezüglichen Gedankengut der Philosophen des 18. Jahrhunderts Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017; ders., Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014; ders., Wilhelm von Humboldts Rechtsphilosophie, 3. Auflage 2016. 364 Eingehend Gregor Bachmann, Zur Legitimation privater Macht, in: Private Macht und privatrechtliche Gestaltungsfreiheit (Hg. Florian Möslein) 2016, S. 603.  



















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verfügen: „Wenn die Unternehmer nicht eine gewisse Freiheitssphäre haben, in der sich die spontanen Kräfte dauernd äußern, können sie diese schwierige, fortlaufende Anpassung nicht zureichend vornehmen“ (GWP 271).  

a) Hinnehmbarkeit unter der Bedingung vollständiger Konkurrenz Ebenso wie spontane Ordnungsformen für Eucken legitimierbar sind, wenn eine Wettbewerbsordnung besteht (GWP 179), verhält es sich auch mit der wirtschaftlichen Macht. Unter einer Bedingung ist wirtschaftliche Macht hinnehmbar, nämlich wenn vollständige Konkurrenz besteht, wie Eucken in seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e formuliert: „Nur in einer einzigen Marktform tritt das Phänomen der wirtschaftlichen Macht ganz zurück: nämlich bei Verwirklichung der v o l l s t ä n d i g e n K o n k u r r e n z “ (GN 201).  



aa) Partielle Entmachtung durch vollständige Konkurrenz Hier kommt wieder Franz Böhms tiefsinniges Wort vom Wettbewerb als dem ‚großartigste(n) und gewaltigste(n) Entmachtungsinstrument der Geschichte‘ zur Geltung.365 Denn im gedanklichen Gleichschritt mit Franz Böhm konstatiert auch Eucken:366 „In der vollständigen Konkurrenz ist der Einzelne fast entmachtet, nicht völlig entmachtet“ (GN 202). Wirtschaftliche Macht auf der einen Seite führt zwangsläufig zur Abhängigkeit und Unfreiheit auf der anderen; es sind zwei Seiten derselben Medaille, wie eingangs zitiert wurde (GWP 175). Allerdings macht sich Eucken gerade gegenüber den der vollständigen Konkurrenz widerstrebenden Kräften keine Illusionen: „Im ganzen ist es ein gewaltiges System privater und staatlicher Maßnahmen, die in der modernen Wirtschaft die Tendenz zur vollständigen Konkurrenz abzuschwächen oder zu vernichten unternimmt“ (WW 30). Zu  





365 Franz Böhm, Demokratie und ökonomische Macht, in: Kartelle und Monopole im modernen Recht. Beiträge zum übernationalen und nationalen europäischen und amerikanischen Recht, Internationale Kartellrechtskonferenz in Frankfurt am Main im Juni 1960, Band I, 1961, S. 1, 22. Ernst-Joachim Mestmäcker/Heike Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 3. Auflage 2014, § 3 Randnummer 77, verweisen auf die Bedeutung für die Wettbewerbspolitik der Europäischen Union, insbesondere die wirtschaftswissenschaftliche Ausprägung der contestable markets; solche ‚bestreitbaren Märkte‘ entstünden bei der Öffnung geschlossener Märkte. 366 Viktor Vanberg, Privatrechtsgesellschaft und ökonomische Theorie, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 131, 142, bringt den Gleichklang ganz allgemein auf den Punkt: „Franz Böhm wie Walter Eucken sahen sich in ihren Auffassungen dezidiert in der liberalen Tradition, mit der sie die Überzeugung von der Vorzugswürdigkeit einer sich selbst steuernden Marktwirtschaft gegenüber realisierbaren alternativen Wirtschaftsordnungen uneingeschränkt teilten“.  







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diesen wirtschaftspolitischen Akten gehören gerade auch rechtliche Instrumente, namentlich alle gesetzlichen Beschränkungen der Gewerbefreiheit, aber auch staatlicherseits verbotene Investitionen oder Zulassungssperren aller Art (GWP 286). Derartige staatliche Gesetzesbeschränkungen der Handelspolitik folgten nicht selten den von Eucken argwöhnisch beäugten Interessenten-Ideologien: „Und zugleich arbeitete die staatliche Wirtschaftspolitik gegen die Konkurrenz – meist unter dem Druck von Interessenten“ (WW 29). De facto – und bedauerlicherweise eben auch de iure – besteht die vollständige Konkurrenz, die allein wirtschaftliche Macht rechtfertigen könnte, weitaus seltener, als idealerweise anzunehmen wäre, und dies sehr zum Schaden der wirtschaftlichen Freiheit insgesamt, inbesondere den Interessen der Verbraucher.367 Ohne vollständige Konkurrenz jedenfalls richtet das zugrundeliegende Gesetz unerbittlich: „W i r t s c h a ft l i c h e M a c h t is t n i c h t s I r r a t i o n a le s , M y s t i s c h e s ; w i r t s c h a f t l i c h e M a c h t i s t e t w a s r a t i o n a l F a ß ba r e s , r a t i o n a l Z u g ä n g l i c h e s . Ebenso das Gegenstück der Macht: Wirtschaftliche Abhängigkeit und Unfreiheit“ (GN 204).  











bb) Ausrichtung des Wirtschaftsrechts auf die Verwirklichung vollständiger Konkurrenz Wirtschaftliche Macht wird zu einem Gradmesser der (Un-)Freiheit. Nur im Falle vollständiger Konkurrenz ist für Eucken ein Gleichgewichtszustand erreicht,368 der wirtschaftliche Macht von ihren negativen Auswirkungen her in Grenzen hält:369 „Die vollständige Konkurrenz dient in der Wettbewerbsordnung nicht nur dazu, die Leistung zu steigern, sondern sie ist die Marktform, deren Preise den Wirt-

367 Siehe dazu aus zeitgenössischer europarechtlicher Sicht Heike Schweitzer, The role of consumer welfare in EU competition law, in: Technology and Competition. Contributions in Honnour of Hanns Ulrich (Hg. Josef Drexl et alt.) 2009, S. 511. 368 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 31, zeigt, dass diese Annahme mitnichten unumstritten ist und stellt ihr den wohl wirkungsmächtigeren Ansatz von Hayeks gegenüber: „Mit der Annahme von Markttransparenz und vollkommener Kenntnis der relevanten Faktoren auf Seiten aller Teilnehmer, wie es im Modell vollständiger Konkurrenz vorausgesetzt wird, würden die empirischen Fragen durch Fiktionen ersetzt. Bei Hayek ist es das Preissystem, das die für individuell rationales Handeln notwendigen Informationen unter der Voraussetzung vermittelt, dass sich die Preise im Wettbewerb bilden. Nur dann wirkt der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren.“ Zu letzterem auch Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014. 369 Vgl. auch Franz Böhm, Der vollständige Wettbewerb und die Antimonopolgesetzgebung, in: Das Programm der Freiheit, 1953, S. 23.  





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schaftsprozeß lenken“ (GWP 249).370 Aber gerade deswegen, weil wirtschaftliche Macht für Eucken keine atmosphärische Größe ist, sondern ein rational kalkulierbarer Faktor, stellt ihre wissenschaftliche Durchdringung ein zentrales Desiderat der Nationalökonomie – und man könnte hinzufügen: des Wirtschaftsrechts – dar: „Zu diesen Tatsachen vorzustoßen, sie gegeneinander abzugrenzen und die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen wirtschaftlicher Macht ans Licht zu heben, ist Aufgabe der Wissenschaft“ (GN 203). Aber auch hier hängen Theorie und Praxis für Eucken zusammen; was einmal als wissenschaftliches Postulat erkannt worden ist, führt nach seiner Erfüllung nicht nur zu einer in sich konsistenten, widerspruchsfreien Wirtschaftspolitik, sondern auch zu einer Verbesserung des Wirtschaftsrechts: „Entscheidend ist also, daß in dieser Hinsicht ein Wandel eintritt und die gesamte Wirtschaftspolitik und das Wirtschaftsrecht vom Gesellschaftsrecht bis zur Handelspolitik auf die Realisierung der vollständigen Konkurrenz ausgerichtet werden und dadurch eine sinnvolle Einheit erhalten“ (NW 83). Letztlich sind es also für Eucken durchweg heilsame handels-, gesellschafts- und wirtschaftsrechtliche Folgerungen, die sich aus dem Vorliegen vollständiger Konkurrenz ergeben, auch wenn diese seltener vorliegen wird als von ihm angenommen.371 Wie dem auch sei, jedenfalls zeigt diese Forderung, dass Eucken auf Schritt und Tritt eine Harmonisierung der Rechtsordnung mit der Wirtschaftsordnung im Sinne der Interdependenz erstrebt.  









370 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 357, zu Euckens Wort vom ‚Regulator des Wirtschaftsprozesses‘. 371 Wolfgang Fikentscher, Systemfragen im europäischen Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. 261, 263, macht dies für das Kartellrecht fruchtbar, relativiert aber zugleich die praktische Bedeutung: „Diese Konkurrenz der einseitigen Abhängigkeit hat Eucken als die vollständige Konkurrenz bezeichnet. Sie begegnet uns in der Praxis, wenn auch nicht sehr häufig, so doch, wie immer wieder gesagt wird, in der Landwirtschaft. Man kann sich in der Tat einen Obstbauern am Bodensee vorstellen, der sich in der von Eucken beschriebenen Situation befindet. Die vollständige Konkurrenz gilt zwar auch als Modellfall, doch kommt sie immerhin in der Praxis gelegentlich vor. In der vollständigen Konkurrenz herrscht kein Wettbewerb in dem Sinne, daß der einzelne bewußt die Möglichkeit wahrnimmt, durch die Variation des Angebots seinen Gewinn zu beeinflussen. Es handelt sich um eine Marktsituation, in der kein Leistungsanreiz verspürt wird. Am besten bezeichnet man die in der vollständigen Konkurrenz vorgefundene Lage, in der sich der einzelne befindet als ‚Wettbewerbsdruck‘. Die Frage, ob dieser Wettbewerbsdruck schützenswerter Wettbewerb im Sinne der Kartellgesetzgebung ist, muß unbedenklich bejaht werden“.  



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b) Faktizität und Normativität Um dem gerecht zu werden, empfiehlt sich ein Blick auf historische Konstellationen wirtschaftlicher Macht sowie die alltäglichen Erscheinungsformen, deren Abwägung und Bewertung den Ordnungszusammenhang kenntlich macht: „In der Mannigfaltigkeit früherer und heutiger Machtpositionen und im Gewirr der wirtschaftlichen Machtkämpfe entdeckt man Wiederkehr der g l e i c h e n Ordnungsformen und g l e i c h a r t i g e Zusammenhänge der Tatbestände“ (GN 204). Das läuft auf einen strukturellen Gleichlauf von Faktizität und Normativität hinaus. Gleichartige wirtschaftliche Tatbestände, die sich realiter in Wirtschaftsordnungen zeigen, können normativ gleichgeordnet werden. In diesem strukturellen Gleichlauf offenbart sich dann unweigerlich die Interdependenz von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung. Wirtschaftliche Macht birgt also unweigerlich die Gefahr des Machtmissbrauchs: „Die Wirtschaftspolitik wird wie alle Politik vor das Problem der Macht gestellt. Wie die ganze Geschichte ist die Wirtschaftsgeschichte von Machtmißbrauch erfüllt“ (GWP 169). Was die Abstufung betrifft, so konzentriert sich wirtschaftliche Macht am stärksten in der von Eucken abgelehnten Zentralverwaltungswirtschaft, weniger stark in einer Verkehrswirtschaft mit Monopolen und am erträglichsten in einem Wirtschaftssystem mit vollständiger Konkurrenz auf allen Märkten (GWP 102).372 Wirtschaftliche Macht ist auf diese Weise zu einer Alltagserfahrung geronnen, die auch vor dem Hintergrund der weiter oben behandelten Rechtsstaatsidee gefährlich ist, weil sie den Rechtsstaat auszuhöhlen im Stande ist: „Die Konzentration der wirtschaftlichen Macht, ihre Vereinigung mir der politischen Gewalt, die Unsicherheit und Geringfügigkeit der Versorgung mit Konsumgütern, die Steigerung der sozialen Abhängigkeit, die Bedrohung des Rechtsstaates und der Freiheit – davon brauchen wir nicht in Büchern zu lesen, sondern wir erlebten und erleben sie im Alltag“ (GWP 243). Allerdings wurde weiter oben auch schon zu bedenken gegeben, dass Eucken abgrundtiefes Misstrauen gegenüber Monopolen hegte und ihre behauptete tendenzielle Rechtsstaatswidrigkeit ihrerseits zumindest nicht frei von Zweifeln ist. Daher sollen im Folgenden zunächst Kartelle und Monopole, sodann die von Eucken ebenfalls genannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf den Prüfstand gestellt werden.  









372 Siehe zum Ganzen auch Ernst-Joachim Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb. Eine vergleichende Untersuchung über den Schutz von Freiheit und Lauterkeit im Wettbewerbsrecht, 1984, dort auch zur wettbewerbspolitischen Problematik, die ein allgemeines Diskriminierungsverbot mit sich bringt (S. 104). Für letzteres aber tendenziell Friedrich August von Hayek, Die Verfassung der Freiheit, 4. Auflage 2005, S. 358 ff.  







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II. Kartellrecht

II. Kartellrecht Ein aus wirtschaftsrechtlicher Sicht besonders interessanter Bereich, in dem Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zueinander finden, ist die wissenschaftliche Behandlung von Kartellen und Monopolen.373 Beiden hat sich Walter Eucken in besonderer Weise zugewendet, da sie nicht nur – buchstäblich – die G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e betreffen, sondern auch die G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k und daher auch in beiden Hauptwerken eingehend dargestellt werden. Wenn die nachfolgende Erörterung Kartellrecht und Monopoltheorie aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit und Abschichtung nacheinander behandelt, so widerspricht dies einer Grundeinsicht Walter Euckens, der sich seit jeher dagegen aussprach, die beiden Bereiche wissenschaftlich voneinander abzusondern.374 Bereits in seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e diagnostizierte er eine Zweiteilung, die den Sachzusammenhängen nicht gerecht werde: „Die Wissenschaft war bemüht, die Kartelle zu beschreiben, ihre Gründung, ihre Schicksale, die Auswirkungen von Außenseitern und Abnehmern darzustellen. Sie schilderte also die konkreten Erscheinungen. Daneben besitzen wir eine Monopoltheorie, die die generellen Zusammenhänge zu erforschen sucht. Beide – Historie und Theorie – gehen nebeneinander her, und nur wenige Nationalökonomen sind bemüht, beide zu verbinden“ (GN 32 f.). Dieses Nebeneinander läuft Euckens Idee der Interdependenz ersichtlich zuwider. Er spricht daher mitunter sogar von einem „chaotischen Nebeneinander“ (GN 57), das sich allerdings, wie in der soeben zitierten Stelle, als scheinbares herausstellen kann, weil und sofern die Tatsachenvielfalt nicht zunächst nach strengen Ordnungsprinzipien gesondert wurde, die deren Sichtung dann auch tragfähige Rückschlüsse auf das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung ermöglichen kann (GN 56). Selbst wenn er sie im vorliegenden Zusammenhang nicht ausdrücklich erwähnt, bemängelt er doch die Ziellosigkeit des wissenschaftlichen Zugriffs und vermisst die wissenschaftliche Durchdringung des Ineinandergreifens von Kartellpolitik und Monopoltheorie:375 „Gerade weil  















373 Dazu auch Walter Eucken, Wettbewerb, Monopol und Unternehmer (Hg. Edith Eucken) 1953. Aus neuerer Zeit wichtig Heike Schweitzer, Wettbewerbsrecht und das Problem privater Macht, in: Private Machte (Hg. Florian Möslein) 2015, S. 447; dies., Kartellschadensersatz – Der rechtliche Rahmen, in: Schadensersatz und Schadensermittlung bei Hardcore-Kartellen (Hg. Kai Hüschelrath/Nina Leheyda/Kathrin Müller/Tobias Veith) 2012, S. 39. 374 Vgl. nur Hans Merz, Kartellrecht – Instrument der Wirtschaftspolitik oder Schutz der persönlichen Freiheit, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. 227; Tobias Lettl, Kartellrecht, 4. Auflage 2017. 375 Siehe auch Josef Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 1950, S. 143 ff., zu den Praktiken und Ausprägungen der Monopolisten und Monopole.  















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aber das Zusammenwirken fehlt, ist die wissenschaftliche Behandlung konkreter Kartellfragen meist unbefriedigend. Denn erst in der Verbindung von beiden entsteht die wissenschaftliche Erkenntnis der konkreten, von den Kartellen ausgehenden Wirkungen und der Faktoren, von denen die Kartellbildung abhängt, im Ganzen also der realen Zusammenhänge dieses Sachgebiets“ (GN 33). Da jedoch auch Eucken zumindest der äußeren Übersichtlichkeit halber Kartelle und Monopole trennt, sei es im Folgenden gestattet, diese Unterscheidung in Kenntnis ihrer systematischen Zusammengehörigkeit zugrunde zu legen.  

1. Die Linie des Reichsgerichts In kartellrechtlicher Hinsicht ist es vor allem eine wegweisende Grundentscheidung des Reichsgerichts, die Euckens Unmut erregt, weil durch sie eine verhängnisvolle Entwicklung ihren Lauf nahm (GWP 30 f.): „Hätte das Reichsgericht zu Ende des vorigen Jahrhunderts die Rechtsgültigkeit von Kartellabreden nicht bejaht, so hätte sich die deutsche Kartellentwicklung nicht so vollzogen, wie es tatsächlich geschah“ (GN 55). Was war geschehen?  





a) Sächsisches Holzstoffkartell Der Fall aus dem Jahre 1897 betraf ein Holzstoffkartell.376 Mehrere Firmen in Sachsen hatten sich zu einem Holzstoff-Fabrikanten-Verband zusammengeschlossen, um „in Zukunft einen verderblichen Wettbewerb der Fabrikanten untereinander zu verhindern und für ihr Fabrikat einen angemessenen Preis zu erzielen“.377 Zu diesem Zweck vereinbarten die Fabrikanten den ausschließlichen Verkauf ihres Fabrikats über eine gemeinsame Verkaufsstelle und versprachen bei Zuwiderhandlungen eine Vertragsstrafe. Auf eine solche klagte nun der Verband gegen ein Mitglied desselben, das der Vereinbarung zuwidergehandelt habe. Das Reichsgericht wendet sich zunächst der Problematik zu, ob und inwieweit durch solche Zusammenschlüsse, mit denen Mindestpreise erzielt werden sollen, die gesetzlich beabsichtigte Förderung der Gewerbefreiheit in unzulässigem Maße beschränkt werde. Das Gericht zitiert allerdings nur Literatur aus dem nationalen und – bemerkenswerterweise auch – internationalen Schrifttum, das sich kritisch äußert und  



376 Siehe dazu aus neuerer Zeit Klaus Richter, Die Wirkungsgeschichte des deutschen Kartellrechts vor 1914 – eine rechtshistorisch-analytische Untersuchung, 2007. 377 RGZ 38, 155.  

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II. Kartellrecht

von der Unzulässigkeit eines solchen Vorgehens ausgeht.378 Ohne sich mit diesen Stimmen im Einzelnen auseinander zu setzen, vertritt das Reichsgericht den entgegengesetzten Standpunkt mit einer Begründung, die viel Widerspruch erfahren hat: „Sinken in einem Gewerbszweige die Preise der Produkte allzu tief herab, und wird hierdurch der gedeihliche Betrieb des Gewerbes unmöglich gemacht oder gefährdet, so ist die dann eintretende Krisis nicht nur dem Einzelnen, sondern auch der Volkswirtschaft im Allgemeinen verderblich, und es liegt daher im Interesse der Gesamtheit, daß nicht dauernd unangemessen niedrige Preise in einem Gewerbszweige bestehen“.379

b) Franz Böhms Fundamentalkritik Dieser entscheidende Satz ist vor allem von Euckens Mitstreiter Franz Böhm aufs Schärfste angegriffen, ja geradezu auf den Kopf gestellt worden, da er seines Erachtens genau umgekehrt hätte lauten müssen, wenn das Reichsgericht ‚den Sinn und Zweck der Wettbewerbsordnung richtig verstanden‘ hätte – nämlich so: „Sinken in einem Gewerbezweig die Preise allzu tief hinab und wird hierdurch der gedeihliche Betrieb des Gewerbes unmöglich gemacht oder gefährdet, so liegt darin bei einwandfreier Führung des Wettbewerbs der Beweis, daß der betreffende Gewerbezweig entweder übersetzt oder überhaupt überflüssig ist. Die dann eintretende Krisis ist allerdings für einzelne, vielleicht für alle Unternehmer des Gewerbezweigs verderblich, im Interesse der Volkswirtschaft aber unerläßlich, wenn die Erzeugung mit dem Bedarf wieder in Einklang gebracht werden soll.380 Es liegt daher im Interesse der Gesamtheit, daß, sofern die Staatspolitik nicht aus wohlerwogenen Gründen mit hoheitlichen Maßnahmen den freien Marktverlauf abändert, volkswirtschaftlich überflüssige Gewerbe mittels eines dauernden Tiefstands der Preise aus der Wirtschaft entfernt, übersetzte Gewerbe mittels vorübergehenden Preistiefstandes bereinigt, zu schwach besetzte Gewerbe mittels hoher Preise mit gesteigerter Anziehungskraft ausgestattet  

378 Ludwig Pohle, Die Kartelle der gewerblichen Unternehmer, Preußische Jahrbücher 85, S. 407; Josef Kohler, Die Ideale im Recht, Archiv für Bürgerliches Recht 5 (1891) 161, 218 ff.; Bruno Schönlank, Die Kartelle, Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik 3 (1890) 489, 493; sowie einige Beiträge, die im 60. Band des Vereins für Socialpolitik veröffentlicht wurden und ‚Kartelle in Russland‘ (G. Jollos, S. 43), ‚Industrielle Unternehmer- und Unternehmungsverbände in den Vereinigten Staaten von Nordamerika‘ (Ernst von Halle, S. 97, 112 ff.) und Industriellenkartelle in Frankreich (Claudio Jannet, S. 20) betrafen. 379 RGZ 38, 155, 157. 380 Zum Bedarf Walter Eucken, Kritische Betrachtungen zum deutschen Geldproblem, 1923, S. 20: „Jede Privatwirtschaft hat, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, einen außerordentlich großen Bedarf, und zwar ist er um so größer, je ärmer die Privatwirtschaft ist“.  

















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werden.“381 Man muss Böhms Einwände wörtlich wiedergeben, um Euckens darauf aufbauende Ausführungen besser verstehen zu können.

c) Kampfprivileg und Boykottaufruf Diese zutreffende Kritik Böhms macht sich Eucken nämlich zu eigen (GN 245). In seinen G r u n d s ä t z e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k hebt er darüber hinaus den entscheidenden Gesichtspunkt hervor, der in der Tat überaus anstößig ist: „Besonders wichtig war, daß das Reichsgericht sogar die Anwendung drastischer Formen des unmittelbaren Schädigungskampfes gestattete – wie z. B. Boykott, dessen Prinzip nicht auf Überflügelung des Gegners durch bessere Leistung beruht, sondern auf Schädigung des Gegners mittels Störung und Untergrabung seiner Geschäftsbeziehungen. Kartellen und sonstigen Monopolgebilden wurde also ein Kampfprivileg gegeben“ (GWP 170=WW 13 f.). Mit einem untrüglichen Judiz – flankiert allerdings durch die hellsichtigen Ausführungen seines Mitstreiters Franz Böhm, der umgekehrt ein bemerkenswert feines Sensorium für die volkswirtschaftlichen Wünschbarkeiten zeigt – hebt Eucken den Entscheidungsgesichtspunkt des Leistungswettbewerbs und der Unrechtmäßigkeit von Boykottaufrufen hervor. So ist vielleicht auch der enigmatische Satz zu verstehen, dass „konkretes Unrecht nicht mehr als solches empfunden wird“ (GWP 330). Die kartellrechtsgeschichtlichen Einzelheiten dieser Entscheidung brauchen hier nicht vertieft zu werden.382 Eine einschneidende rechtspolitische Folgerung hat Eucken in einem 1946 für die Alliierten über die I n d u s t r i e l l e K o n z e n t r a t i o n erstellten Gutachten formuliert: „Dem Bestreben der Unternehmer, durch Abschluß von Marktvereinbarungen oder durch Anwendung von wettbewerbswidrigen Kampfmethoden Monopole zu schaffen, ist jeder Rechts- und Verwaltungsschutz zu versagen. Das bedeutet: Verbot von Marktabreden jeder Art mit Nichtigkeits- und Schadenersatzfolge, Unterdrückung aller Formen von Monopolkampf als unerlaubter Wettbewerb mit allen zu Gebote stehenden Mitteln des Wettbewerbsrechtes und der Wettbewerbspolizei“ (OP 36).383 Schließlich ist Monopolkampf für Eucken  

















381 Franz Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtschöpferischer Leistung, 1937, S. 151; noch entschiedener, ebenda, S. 152: „Man wird in der Rechtsgeschichte aller Zeiten gründlich Umschau halten müssen, um einen ähnlich schwerwiegenden Fall richterlicher Verfassungsdurchbrechung zu entdecken. Wichtig zum Ganzen auch Thomas Ackermann, Wettbewerbsschutz durch Private, Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2017, S. 1057, 1059 ff. 382 Grundlegend Knut Wolfgang Nörr, Die Leiden des Privatrechts. Kartelle in Deutschland von der Holzstoffkartellentscheidung zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1994, S. 8 ff. 383 Siehe dazu auch Roy F. Bär, Grundlagen der wettbewerbsrechtlichen Unternehmensverantwortlichkeit im europäischen Bußgeldverfahren, 2019.  











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nichts anderes als Behinderungs- oder Schädigungswettbewerb (NW 81). Er geht hier im Wesentlichen den Weg, den Franz Böhm bereits im verhängnisvollen Jahr 1933 in seiner grundlegenden Schrift vorausschauend gewiesen hat.384  

2. Einbindung in die Rechts- und Wirtschaftsordnung Ebenso wichtig für den vorliegenden Zusammenhang ist, auf welche Weise Eucken diese Entscheidung für sein Verständnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung fruchtbar macht. Um dies zu ermessen, muss man sich vergegenwärtigen, dass Eucken diese kartellrechtliche Entwicklung just im Zusammenhang mit seinen Ausführungen über Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung innerhalb der G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e abhandelt und die kartellrechtliche Entwicklung folgendermaßen würdigt: „Daß aber überhaupt die Kartellbewegung in Gang kam und daß sich bestimmte Kartellformen in bestimmten Industrien bildeten, während in anderen Industriezweigen die Kartellbildung unerheblich blieb, und so eine ‚gemischte‘ Ordnung der industriellen Wirtschaft entstand, ist aus ganz anderen Gründen zu erklären“ (GN 55).  

a) Wechselseitiges Bedingungsverhältnis Die bewusste Beiläufigkeit, mit der Eucken hier auf das Urteil des Reichsgerichts anspielt, kann als Stilmittel gewertet werden, um das eigentliche Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung besser verständlich zu machen. Gewiss hat die fragwürdige Entscheidung des Reichsgerichts den Anstoß gegeben, das

384 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933. Dass Eucken diese wegweisende Schrift in dem Gutachten gegen seine Gewohnheit nicht zitiert, dürfte daran liegen, dass er seine praktischen Handlungsanleitungen an die Alliierten nicht durch wissenschaftliches Schrifttum befrachten und damit möglicherweise sogar ihre Durchsetzungsfähigkeit gefährden wollte. Dazu passt, dass er in diesem Gutachten nur Walter Lippmann, An Inquiry into the Principles of the Good Society, 1927, zitiert. Zu diesem Werk findet sich eine hellsichtige Bemerkung bei Louis Rougier, Le libéralisme économique et politique, Les essais 11 (1961) S. 47 (in: Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II, Übersetzung Jürgen Schröder, 4. Auflage 2015, S. 214): „Er legt dar, daß die Marktwirtschaft nicht das spontane Ergebnis einer natürlichen Ordnung war, wie die klassischen Ökonomen glaubten, sondern daß sie das Ergebnis einer Rechtsordnung war, die einen juridischen Interventionismus des Staates fordert“. Vor diesem Hintergrund, der im Hinblick auf das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung aufschlussreich ist, erweist sich möglicherweise auch das Lippmann-Zitat bei Eucken (OP 36) als interessant und weiterführend.  





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Kartellrecht von Neuem zu überdenken – eben weil sie als anstößig empfunden wurde. Jedoch ist es Eucken wichtig herauszustellen, dass nicht die Rechtsordnung in Gestalt des Gewerberechts und der dazu ergangenen Rechtsprechung das Verständnis der Wirtschaftsordnung geprägt hat, weil auch ohne diesen Impuls wirtschaftsverfassungsrechtliche Festlegungen getroffen worden wären, welche die Wirtschaftsordnung als solche konstituieren.385 Eucken betont zudem hier, wovon bereits die Rede war, nämlich den Umstand, dass weniger die rechtlichen als vielmehr die wirtschaftlichen ‚Ordnungstatsachen‘, also die „Formen, in deren Rahmen der alltägliche Wirtschaftsprozeß vor sich geht“ (GN 54), entscheidend seien und nicht so sehr die Rechtsnormen: „Feststellungen über das Vorhandensein von bestimmten Rechtsinstitutionen erlauben nur wenige und unsichere Schlüsse auf das Ordnungsgefüge der Wirtschaft“ (GN 55). Man würde Eucken missverstehen, wenn man ihm vorwürfe, er schätze die rechtlichen Vorgaben vergleichsweise gering. Es wird vielmehr noch ausführlich die Rede davon sein, dass er bestimmte normative Grundbedingungen, wie etwa die Vertragsfreiheit oder das Privateigentum, das er im Übrigen zuvor behandelt hat (GN 54), im Gegenteil als Prinzipien besonders betont, ja sogar als im Wortsinne konstitutiv für eine funktionierende Wettbewerbsordnung erachtet (GWP 270– 279). Eucken anerkennt durchaus, dass das Wirtschaftsrecht gestaltend auf bestimmte Tatsachen der Wirtschaft einwirkt, die konkret vorhanden sind, aber er sieht im selben Zuge, was dieser Abhandlung vorangeschickt wurde, nämlich die Unmöglichkeit eines im Nachhinein gezogenen Schlusses von bestimmten tragenden Gesetzen einer bestimmten Rechtsordnung auf die korrespondierende Wirtschaftsordnung (GN 55). Wenn jedoch die genannten Ordnungstatsachen ermittelt sind, dann können die wirtschaftspolitischen Akte in Gestalt korrespondierender und dazu passender Gesetze darauf zugerichtet werden. Insofern besteht zwischen Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung also ein wechselseitig wirksames Bedingungsverhältnis im Sinne seiner allgemeinen Lehre der Interdependenz der Ordnungen.  











b) Wirtschaftsrecht als Kristallisationspunkt Innerhalb der Rechtsordnung ist naturgemäß das Wirtschaftsrecht der Kristallisationspunkt, der dieses anschaulich macht. Allerdings lässt sich dies allein aus der

385 Bernd Hansjürgens, Walter Eucken und das Denken in Verfassungen, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ingo Pies/Martin Leschke) 2002, S. 37: „Eucken hatte bei seinen Überlegungen auch bestimmte Vorstellungen von dem, was eine Wirtschaftsverfassung ausmacht, vor Augen. Danach stellen Wirtschaftsverfassungen nicht nur eine konkrete rechtliche Umsetzung der jeweils gegebenen Wirtschaftsordnung dar. Sie repräsentieren vielmehr ein ganz spezifisches Denken“.  

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Rechtsordnung nicht ersehen, noch lassen sich Rückschlüsse darüber ziehen, wie die Wirtschaftsordnung beschaffen ist. Eucken hat dies in der eingangs dieser Untersuchung zitierten Sentenz verdeutlicht (GN 55).  

aa) Kein Schluss von der Rechtsordnung auf die Wirtschaftsordnung Der naive Schluss von der Rechtsordnung auf die Wirtschaftsordnung geht also fehl. Die wirtschaftliche Wirklichkeit lässt sich nicht aus dem bloßen Gefüge rechtlicher Normen rekonstruieren. Gerade im Bereich der Kartellbildung und ihrer rechtlichen Würdigung zeigt sich Euckens Verständnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsbildung, wenn man den werkimmanenten Zusammenhang seiner G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e und seiner G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k begreift. Jene beschreiben die Formung der Wirtschaftsordnung im Wege detaillierter Analyse: „Vergrößerung der Betriebe kann zu Kartellbildung führen, also zur Verwirklichung einer anderen Marktform“ (GN 184). Hier zeigt sich wiederum, dass das Monopolproblem entscheidend von den Marktformen abhängt (GWP 30). In diesem Zusammenhang erwähnt Eucken das Phänomen ‚unstabile(r) Ordnungen‘ (GN 185). Solche unstabilen Ordnungen beschreibt er in den G r u n d s ä t z e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k eingehend und grenzt die Ursache gleichsam negativ ein: „Nicht durch einen mystischen Kapitalismus, sondern durch den Verfall des Ordnungsdenkens wurde die Unstabilität verursacht“ (GWP 197). Ebenso wenig verhindere diese ‚mythische Figur‘ die Verwirklichung von Grundrechten, sondern dies sei gewissen Marktformen zuzuschreiben (GWP 50). Kapitalismus ist für Eucken ohnehin „ein vager, gefühlsbetonter, politischer Begriff, der als wissenschaftlich-analytisches Instrument unbrauchbar ist und der auch für wirtschaftspolitische Entscheidungen nichts leistet“ (NW 52). Da er den von ihm so genannten Begriffsökonomen ohnehin skeptisch gegenübersteht (GN 27), geht es ihm folgerichtig auch hier nicht um Begrifflichkeit, sondern um den entscheidenden Sachgesichtspunkt, der für ihn namentlich im Problem wirtschaftlicher Macht besteht. Diesen Gedanken präzisiert er in seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e : „Es besagt auch wenig, in etwas mystischer Weise von den ‚Mächten des Kapitalismus‘ und ihrem geheimnisvollen Wirken zu sprechen. Die Hauptsache ist vielmehr, den Kern des Phänomens wirtschaftlicher Macht sichtbar zu machen. Nicht anders läßt sich wirtschaftliche Wirklichkeit begreifen“ (GN 203). Hier wird beispielhaft deutlich, was Eucken mit der im ersten Paragraphen der vorliegenden Abhandlung behandelten wirtschaftlichen Wirklichkeit meint und wie sie sich konkret auswirkt. Was sich phänotypisch als wirtschaftliche Macht darstellt, muss also genotypisch auf die konkret realisierte Marktform zurückbezogen werden, die wiederum ihre Ursache in bestimmten betrieblichen Abläu 















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fen oder unternehmerischen Umstrukturierungen liegen mögen – eben allem, was die wirtschaftliche Wirklichkeit ausmachen kann.  

bb) Umwandelbarkeit unstabiler Ordnungen Eucken veranschaulicht diese tendenzielle Umwandelbarkeit unstabiler Ordnungen nicht von ungefähr am Beispiel der Kartellbildung:386 „Ein Markt, auf dem z. B. beiderseitiges Monopol oder beiderseitiges Teilmonopol oder Angebotsoligopol besteht, ändert nicht selten seine Marktform. Die Gleichgewichtslosigkeit des Wirtschaftsprozesses in diesen Marktformen erzeugt ein Streben, in eine stabilere Marktform überzugehen. Nicht selten werden z. B. Angebotsoligopole zu Kollektivmonopolen; aus oligopolistischen Machtkämpfen weniger Firmen entwickeln sich Kartelle“ (GN 185). Die Gleichgewichtslosigkeit des Marktes ist für Eucken eine typische Folge und Ausprägung des Monopolproblems (GWP 35). Unstabil sind nach Eucken alle ‚Zwischenlösungen‘, also Ordnungen, die zwischen Zentralverwaltungswirtschaft und Wettbewerbsordnung changieren, weil ihnen eine ‚Tendenz zur Transformation‘ (GWP 198) innewohnt. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, warum Eucken in der soeben zitierten Stelle aus den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e zur Kartellbildung davon ausgeht, dass die Gleichgewichtslosigkeit des Wirtschaftsprozesses eine Tendenz und ein Streben erzeugt, in eine stabilere Marktform überzugehen. Der entscheidende Grund besteht mithin für Eucken in der Gleichgewichtslosigkeit (GWP 108): „Hier wirkte sich also der Wirtschaftsp r o z e ß – durch seine Gleichgewichtslosigkeit – auf die Gestaltung der Wirtschaftso r d n u n g aus. – Aber auch hier liegt keine Zwangsläufigkeit der Entwicklung vor. Aus dem Angebotsoligopol m u ß kein Kartell entstehen, und es gibt Staaten, die durch Streiks und Aussperrungen nicht bewogen werden, die Formen der Arbeitsmärkte zu ändern“ (GN 185).387 Wichtig ist Eucken wohl auch an dieser Stelle der Hinweis, dass die Transformation nicht zwangsläufig eintritt, wie er überhaupt der Notwendigkeit entwicklungsgeschichtlicher Vorgänge skeptisch gegenübersteht.388 Es geht also  



















386 Siehe auch Nils Goldschmidt, Gibt es eine ordoliberale Entwicklungsidee? Walter Euckens Analyse des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels, Freiburger Diskussionspapiere zur Ordnungsökonomik, 2012/3. 387 Franz X. Keilhofer, Wirtschaftliche Transformation in der Tschechischen Republik und in der Slowakischen Republik. Das ORDO-liberale Konzept der Wettbewerbsordnung und seine Bedeutung für die wirtschaftlichen Herausforderungen in Mittel- und Osteuropa, 1995, zu der von Eucken auch im vorliegenden Zitat vorausgesetzten transnationalen Perspektive. 388 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 23, macht in einer zeit- und wirtschaftsgeschichtlich aufschlussreichen Weise auf eine gleichsam gewalttätige  

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eher um eine Disposition, die einen derartigen Übergang der einen Marktform in eine andere begünstigt, aber eben nicht alternativlos verursacht. Auch zu dieser Überlegung findet sich nicht von ungefähr eine korrespondierende Stelle in den G r u n d s ä t z e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k , wo derselbe Gedanke unter dem Gesichtspunkt der Transformation von Ordnungen gleichsam evolutiv ausgeführt und verallgemeinert wird: „Es besteht zwar keine Zwangsläufigkeit, daß sich aus einer gegebenen Ordnungsform eine bestimmte andere Form entwickelt. Aber ein ‚Ansatz‘ liegt vor. Die Gleichgewichtslosigkeit von Arbeitsmärkten beiderseitigen Monopols z. B. legt es nahe, daß der Staat vermittelt, und hieraus können sich staatliche Kontrolle der Lohnbildung und zentrale Lenkung der Arbeitskräfte ergeben“ (GWP 215). Mit der Frage nach der Zwangsläufigkeit, die ‚von schlechthin entscheidender Bedeutung‘ ist (GWP 200), stehen und fallen letztlich nicht nur Euckens G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k , weil dann an die Stelle der Freiheit Notwendigkeit tritt (GWP 213): „Denn die These von der Zwangsläufigkeit der Entwicklung enthält ganz allgemein die Verleugnung der Freiheit“ (GWP 204 f.).  











c) Transformation und Interdependenz Wenn wir vor diesem Hintergrund zu den unstabilen Ordnungen zurückkehren, dann beinhaltet dies implizit eine Absage an zentralverwaltungswirtschaftliche Ordnungen, in denen zwar äußere Stabilität besteht, jedoch um den Preis der Gleichgewichtslosigkeit des Wirtschaftsprozesses (GWP 198). Eucken sieht allerdings, dass es „oft schwer ist, einer Tendenz auszuweichen, und die vorhandene unzureichende Wirtschaftsordnung in eine funktionsfähige Ordnung umzuwandeln“ (GWP 219). Er trennt daher mit einem von ihm ohnehin bevorzugten Begriffspaar strikt zwischen einer ‚unzureichenden‘ und einer ‚zureichenden‘ Wirtschaftsordnung (GWP 332). Aus instabilen Ordnungen gehen eben nicht selten andere Ordnungen gleicher Validität hervor (GWP 218). Dass Veränderungen der Rechtsordnung zur einer Transformation in andere Marktformen führen kann, veranschaulicht Eucken am Beispiel von Koalitionsfreiheit und Gewerkschaften: „Weiter hat die Bildung von Gewerkschaften, welche durch die Gewährung der  







und verhängnisvolle Transformation aufmerksam: „Franz Böhm hat daran erinnert, wie einfach es war, die kartellierte deutsche Wirtschaft nach 1933 in eine Planwirtschaft umzuwandeln. Die Regierung brauchte nur die aus Kartellen hervorgegangenen Organisationen in öffentlich-rechtliche Planeinheiten umzuwandeln und die Kartellgeschäftsführer zu ‚Geheimräten‘ zu ernennen. Das geschah mit dem Gesetz zur Errichtung von Zwangskartellen vom 15.6.1933 (RGBl I S. 488/89) und dem Gesetz zur Vorbereitung des Aufbaus der deutschen Wirtschaft vom 27.2.1934 (RGBl I S. 185 ff.)“.  





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Koalitionsfreiheit möglich war, die Arbeitsmärkte in andere Marktformen transformiert“ (GWP 46). Hier folgt die Wirtschaftsordnung nicht einfach der Rechtsordnung im Sinne eines notwendigen Vorrangs, der Euckens System generell nicht entspricht (GN 52).389 Schließlich ist die Änderung in Richtung der Koalitionsfreiheit ihrerseits im Sinne der Interdependenz der Ordnungen mitbeeinflusst durch bestimmte Strömungen innerhalb der Gesellschaftsordnung.390 Allerdings gehört dazu umgekehrt, dass die Gewerkschaften ihre mit der Koalitionsfreiheit einhergehende Macht nicht missbrauchen:391 „Aber Gewerkschaften werden zu Machtkörpern, welche die Wettbewerbsordnung gefährden, wenn sie die Löhne darüber hinaus zu treiben suchen oder die Beweglichkeit der Arbeiter beeinträchtigen“ (GWP 323). Erneut erweist sich, warum Eucken weltanschaulich aufgeladenen Klassifizierungen, wie ‚sozialistisch‘ oder ‚kapitalistisch‘, wenig abgewinnen kann (NW 52). Denn er wendet sich eben mit seiner Kritik privater wirtschaftlicher Macht nicht einseitig gegen die Unternehmer oder Konzerne, sondern versteht die wirtschaftliche Macht gleichsam objektiv: Wo auch immer sie sich zeigt – also etwa beim Zusammenschluss von Arbeitern zu Gewerkschaften, aber ebenfalls umgekehrt bei Arbeitgeberverbänden (NW 58) – wird sie auf etwaigen Missbrauch oder anderweitige Missstände hin überprüft. Missbrauchte Macht führt dann wiederum zu einer Rückkoppelung, welche auch die Rechtsordnung über die Gesellschaftsund Wirtschaftsordnung wieder ändern könnte.  













3. Vertragsfreiheit und Kartellproblem Wenn wir vor dem Hintergrund dieser Überlegung noch einmal zur rechtlichen Behandlung der Kartellbildung zurückkommen und uns vergegenwärtigen, dass das Reichsgericht in seiner eingangs behandelten Entscheidung aus dem Jahre 1897 nicht nur aus Sicht Walter Euckens und Franz Böhms keine verallgemeine-

389 Otto Schlecht, Zur Ethik in Euckens Werk, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000, S. 59, 68: keine „Primordialität der Wirtschaftsordnung“. 390 Vgl. dazu auch Thomas Döring, Die Interdependenz von Marktwirtschaft und Föderalismus: Komplementäre Elemente einer effizienten und freiheitssichernden Gesellschaftsordnung, in: Theorie der Ordnungen – Lehren für das 21. Jahrhundert (Hg. Peter Engelhard/Heiko Geue) 1999, S. 261. Siehe ferner Franz Böhm, Die verantwortliche Gesellschaft, Reden und Schriften (Hg. ErnstJoachim Mestmäcker) 1960, S. 3. 391 Siehe dazu von Euckens späterem Weggefährten Franz Böhm, Kartelle und Koalitionsfreiheit, 1933.  









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rungsfähige Lösung gefunden hat, da sogar ein Boykottaufruf und Kampfprivileg ermöglicht wurde, erweist sich Euckens Diagnose als richtig: „Auf dieser Rechtsgrundlage konnten sich Kartelle und kartellähnliche Gebilde in Deutschland entfalten“ (GWP 170).392  

a) Keine Vertragsfreiheit zur Beseitigung von Konkurrenz Das galt vor allem für die Kartellbildung in der Kohle- und Eisenindustrie (GN 191). Eucken lässt es jedoch nicht bei Einzelheiten bewenden, sondern sieht die prinzipielle Dimension: „Diese Haltung zum Kartellproblem ist von grundsätzlicher Bedeutung. Das Recht der Vertragsfreiheit durfte auch dazu benutzt werden, um Konkurrenz zu beseitigen und um – durch Sperren, Boykott usw. – die Freiheit anderer zu beschränken. Das Prinzip der Vertragsfreiheit geriet in offenen Konflikt mit dem Prinzip des Wettbewerbs“ (GWP 170).393 Bereits weiter oben war die Rede davon, dass die beispielhaften Schädigungsmaßnahmen der Sperren und des Boykotts sowie jede andere Form rechtswidrigen Drucks in einer Wettbewerbsordnung keinen Platz haben dürfen. Die Vertragsfreiheit verdient unbedingten Bestand innerhalb eines geordneten Wettbewerbs. Sie ist daher kein anerkennungswürdiges Mittel, um Mitbewerber oder unliebsame Konkurrenz im weitesten Sinne aus dem Weg zu räumen, weil dies die Wettbewerbsfreiheit anderer Marktteilnehmer beseitigen würde. Auch hier zeigt sich wieder, dass grenzenlose Vertragsfreiheit letztlich zur Aufhebung der Freiheit, wenigstens der Wirtschaftsfreiheit anderer führen kann (GWP 50). Das ließ sich bereits im Zusammenhang mit dem Freiheitsparadoxon beobachten, dessen vornehmste Ausprägung es ist.394 Des Weiteren rächt sich,  









392 Kurt Biedenkopf, Über das Verhältnis wirtschaftlicher Macht zum Privatrecht, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. 113, 122: „Zu Recht ist man deshalb der Ansicht, daß die Kartellentscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1897 zur umfassenden Kartellierung der deutschen Industrie wesentlich beigetragen hat“. 393 Gregor Bachmann, Zur Legitimation privater Macht, in: Private Macht und privatrechtliche Gestaltungsfreiheit (Hg. Florian Möslein) 2016, S. 603, 604, macht mit Recht geltend, dass die Zielrichtung des Ordoliberalismus weit verstanden werden kann: „Der ordoliberale Ansatz erschöpfte sich indes nicht in wettbewerbspolitischen Forderungen, sondern zielte generell darauf, der Gefahr einer „Re-Feudalisierung“ der Gesellschaft zu wehren? Mit diesem Postulat ist sein Ansatz unverändert aktuell geblieben, liegt ihm doch die zeitlos gültige Annahme zugrunde, dass Gefahren für eine freiheitliche Zivilgesellschaft nicht nur von ungezügelten Staatsgewalten, sondern auch von solchen Mächten drohen, die innerhalb und mit Mitteln des Privatrechts wirken“. 394 Josef Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers. Eine Studie zum Privatund Wirtschaftsrecht unter Berücksichtigung gemeinschaftlicher Bezüge, 1998, S. 110; zustimmend Matthias Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb. Eine grundlagenorientierte  





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§ 2 Private wirtschaftliche Macht

dass seit den Zeiten des Laissez-faire keine hinreichende gesetzliche Grundlage gefunden wurde, die diese Erosion der Wirtschaftsfreiheit durch Verabsolutierung der Vertragsfreiheit prinzipiell zu bannen vermochte: „Die Gesetzgebung hat im Zeitalter des Laissez-faire keinen durchgreifenden Versuch unternommen, um diesen Konflikt, der immer wieder ausbrach und die Gerichte dauernd beschäftigte, grundsätzlich zu lösen“ (GWP 170). Es fehlte eben an einer über das allgemeine Rechtsprinzip des neminem laedere hinausgehenden gesetzlichen Instrumentariums, das Auswüchse wirtschaftlicher Macht hätte bändigen können.  

b) Ungenügen einer ‚gewissen Rechtsordnung‘ Daher ist das Prinzip des Laissez-faire, wenn man überhaupt von einem solchen sprechen darf, nicht zuletzt deswegen überkommen, weil es an einer sinnvoll begleitenden Rechtspolitik fehlte und dadurch die Interdependenz von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung außer Betracht gelassen wurde: „Die Zeit des Laissez-faire ist vorbei. Das weiß heute jeder. Tagtäglich greifen alle Staaten in den Wirtschaftsprozeß ein und begnügen sich nicht damit, eine gewisse Rechtsordnung aufrecht zu erhalten, wie sie es seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts getan hatten“ (NW 57). Wenn Eucken hier vorsichtig von einer ‚gewissen Rechtsordnung‘ spricht, dann liegt die Tonstelle auf der abschwächenden Formulierung. Denn wie wir bereits weiter oben gesehen haben, bedeutet dies nur wenig mehr als die Aufrechterhaltung von ‚gewissen Prinzipien des Rechts‘ (GWP 54). Es sind also wiederum nur die allgemeinen Regeln gerechten Verhaltens im weitesten Sinne. Aus diesem Grund ist für Eucken auch die Frage nach der generellen Möglichkeit staatlicher Eingriff nicht weiterführend, auch wenn den genannten Auswüchsen illegitimen Drucks wohl kaum anders als durch eine die Vertragsfreiheit einschränkende Regelung beizukommen ist. Da eine zentralwirtschaftliche Ordnung zwar die Instabilität beseitigt, dafür aber gleichgewichtslos ist (GWP 108) und damit „die größte Konzentration wirtschaftlicher Macht darstellt, die möglich ist“ (GWP 102), zerstört sie letztlich auch das Recht, zumal da die Rechtsstaatlichkeit verloren geht (GWP 50).  











Studie unter besonderer Berücksichtigung der europäischen Perspektive, 2007, S. 55 f. Fußnote 229. Wolfgang Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz – Die Stellung des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen in der Rechtsordnung, 1958, S. 14 ff.  











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II. Kartellrecht

c) Keine Vertragsfreiheit zur Schaffung von ‚Machtgebilden‘ In einem für die Alliierten erstatteten Gutachten Ü b e r d i e G e s a m t r i c h t u n g d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k hat Eucken daher den einzigen aus seiner Sicht möglichen Ausweg gewiesen: „Sehr im Gegensatz zur Vergangenheit darf in Zukunft die Vertragsfreiheit nicht mehr dazu mißbraucht werden, um die Freiheit einzuschränken; Kartelle, Konzerne, Pools und andere Machtgebilde zu schaffen; den Wettbewerb auszuschalten und den Wirtschaftsprozeß zu stören“ (OP 22). Das ist durchaus kategorisch und bezüglich der Konzerne zu weitgehend postuliert, unter dem Eindruck der Nachkriegssituation aber begreiflich, da das Gutachten Anfang 1946 erstellt wurde. Den Gedanken selbst haben wir im Verlauf der Untersuchung schon verschiedentlich kennengelernt (GWP 50; WW 14). Es geht der Sache nach wieder um das Freiheitsparadoxon (GWP 278). Nicht zum ersten Mal begegnet ferner das ordoliberale Credo, dass Eingriffe in den Wirtschaftsprozess tunlichst zu vermeiden sind (GWP 308/369). Auch die Kombination dieser beiden Gedanken mit der Befürchtung, wirtschaftlicher Macht Vorschub zu leisten, ist uns nicht neu. In diesem Sinne hat Eucken es mit ganz ähnlichen Worten auch schon vor dem Krieg unverhohlen ausgesprochen, so dass man sein Verdikt nicht zeitbezogen relativieren sollte: „So die Tatsache, daß sie nicht – wie erwartet – zur Verwirklichung der Wettbewerbsordnung führte, daß vielmehr die Vertragsfreiheit, die der Einzelne besaß, vielfach dazu verwandt wurde, die Freiheit zu beschränken, die Konkurrenz zu beseitigen und Machtgebilde zu schaffen: in Kartellen, Konzernen, Trusts, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften. Es entstanden Machtkämpfe – zwischen Kartellen und Außenseitern, zwischen Angebots- und Nachfragemonopolen und andere Kämpfe –, die es nahelegten, daß der Staat eingriff, um einen gleichgewichtslosen Zustand zu beseitigen“ (NW 58). Überall dort, wo wirtschaftliche Macht entsteht, wird sie eben auch zum eigenen Vorteil missbraucht. Und dennoch kann man nicht alle von Eucken genannten Verbände und Zusammenschlüsse hinsichtlich ihrer Daseinsberechtigung kategorisch in Acht und Bann tun. Das meint wohl auch Eucken nicht; es handelt sich eher um einen generellen Argwohn bezüglich der genannten Vereinigungen, denen nach seiner Auffassung eine gewisse Tendenz zur Anhäufung von Macht zu eigen ist. Bei rechtswidrigen Maßnahmen zur Schädigung von Mitbewerbern bleibt freilich nur das Verbot.395  

















395 Gregor Bachmann, Zur Legitimation privater Macht, in: Private Macht und privatrechtliche Gestaltungsfreiheit (Hg. Florian Möslein) 2016, S. 603, 610: „Wer private Macht generell als illegitim empfindet, muss danach trachten, sie von vornherein zu unterbinden. Rechtliches Mittel der Wahl ist das Verbot. Dieses Rezept, das uns Böhm zu Bekämpfung von Kartellen und Monopolen anempfohlen hat, wird durch das Wettbewerbsrecht in Gestalt des Kartellverbots und des Verbots nicht freigegebener Zusammenschlüsse (Fusionskontrolle) angewandt. Im Privat- wie im Strafrecht wird  

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§ 2 Private wirtschaftliche Macht

4. Ideal der Gesamtordnung nach ethischen Prinzipien Aber auch im Hinblick auf eine moralische Verbesserung des Menschen macht sich Eucken keine Illusionen, weil der Mensch eben ist wie er ist: „Eine ethische Besserung des Menschen kann die Schäden der Ordnung nicht beseitigen, auch nicht den Zerfall des Rechts, der mit der zentralverwaltungswirtschaftlichen Ordnung verbunden ist“ (GWP 199). Einer eigenständigen oder auch nur begleitenden Disziplin der ‚Wirtschaftsethik‘ dürfte Eucken wenig abgewonnen haben können. Doch auch hier ist es zumindest nicht ausschließlich ein schlichter anthropologischer Pessimismus, der ihm dies diktiert, sondern eine verantwortungsbewusste kantische Prägung, die zu einer freiheitsfördernden Verbesserung der gesamten Ordnung führen kann:396 „Die Gesamtordnung sollte so sein, daß sie den Menschen das Leben nach ethischen Prinzipien ermöglicht“ (GWP 199).397 Dieses hehre Postulat ist für Euckens Ordnungsdenken von elementarer Bedeutung. Im tiefgreifenden Unterschied zu Friedrich August von Hayeks Rechts- und Wirtschaftsdenken, in dem die Moral zugunsten einer evolutionären Betrachtungsweise zurücktritt,398 ist Euckens Verständnis der Wirtschaft nach ethischen Prinzipien geordnet.399 Daher ist auch das jeweilige Freiheitsverständnis ein fundamental unterschiedliches:400 Im Gegensatz zu Hayek tritt der Staat, wie noch eingehend zu behandeln sein wird, bei Eucken viel stärker, allerdings mit Einschränkungen und unter Bedingungen, als mögliche ordnende Potenz auf, weil er – anders als private Mitbewerber – frei von eigenen Interessen ist und daher einen neutralen Ordnungsrahmen setzen kann (GWP 338).  









es darüber hinaus seit jeher durch Verbote gewaltsamen oder betrügerischen Verhaltens verwirklicht. Wiewohl das Verbot als Regelungsinstrument besonders rigide erscheint, trägt es auch freiheitlichen Charakter, weil der Staat damit nur das freie (= machtlose) Marktgeschehen ermöglicht, sich im Übrigen der steuernden Einflussnahme enthält“. 396 Kurt Biedenkopf, Erneuerung der Ordnungspolitik, in: Wirtschaftsordnung als Aufgabe. Zum 100. Geburtstag von Franz Böhm, Ludwig-Erhard-Stiftung, 1995, S. 15, 22: „Die mit der Freiheit verbundene Verantwortung bildet erst in ihrer Gemeinsamkeit – Freiheit plus Verantwortungsfähigkeit und -bereitschaft – die Grundlage für eine wirkliche Bürgergesellschaft“. 397 Zu dieser Stelle auch Carl-Martin Hißler, Zwischen Liberalismus und Christentum. Die sozialethischen Aspekte der Sozialen Marktwirtschaft, 2014, S. 122. In der Tendenz ähnlich wie Eucken Hans Küng, Anständig wirtschaften. Warum Ökonomie Moral braucht, 2010, passim. 398 Ausführlich Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, passim. 399 Otto Schlecht, Zur Ethik in Euckens Werk, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000, S. 59 ff. 400 Zu weiteren Gemeinsamkeiten und Unterschieden grundlegend Ingo Pies, Eucken und von Hayek im Vergleich: Zur Aktualisierung der ordnungspolitischen Konzeption, 2001, S. 123 ff.; speziell zur sozialen Gerechtigkeit auf S. 58.  





















II. Kartellrecht

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Deshalb darf der Staat nach Euckens Konzeption auch Vorkehrungen treffen, um private Macht in Grenzen zu halten, sofern er nicht unkontrolliert in den Wirtschaftsprozess eingreift, sondern nur die Spielregeln bestimmt.401 Es hieße ihn daher misszuverstehen, wenn man dächte, dass er eine Ausflucht in derlei allgemeine Wünschbarkeiten suchen würde, wo – gerade am Beispiel wirtschaftlicher Macht durch Kartell- und Monopolbildung – konkrete Lösungen erforderlich sind.402 Eucken sieht sehr wohl, dass, wie er eingangs seiner Untersuchungen feststellt, „soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit die großen Anliegen der Zeit sind“ (GWP 1).403 Diese Feststellung steht gleichsam vor der Klammer seines nachgelassenen Hauptwerkes und sollte daher ebenso für sein Verständnis wirtschaftlicher Macht mitberücksichtigt werden. Gerade dieser Befund aber führt zu unabsehbaren Bewegungen, die letztlich auch vom Problem wirtschaftlicher Macht ausgehen: „Ist einmal der Aufmarsch sozialer Machtgruppen auf den Arbeitsmärkten erfolgt, so drängen die Tatsachen dazu, die Gleichgewichtslosigkeit durch staatliche Intervention zu überwinden. Wäre es aber nicht möglich, die Bildung monopolistischer Gruppen zu begrenzen oder nur in gewissem Rahmen zu erlauben?“ (GWP 217).404 Diese vorsichtige Frage mit ihrer weitreichenden Wei 







401 Aufschlussreich Franz Böhm, Recht und Macht, Die Tatwelt 1934, 115. 402 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, Nachdruck 2010 (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker), S. 175, dürfte der Sache nach dasselbe meinen, wenn er von einer Ordnung spricht, „die nur funktionieren kann, wenn das mittelbar ordnungserzeugende Verfahren von allen Beteiligten eingehalten und von der Rechtsprechung mit allem Nachdruck verteidigt wird“. Zum privatrechtstheoretischen Hintergrund der Problematik auch Dieter Reuter, Die ethischen Grundlagen des Privatrechts – formale Freiheitsethik oder materiale Verantwortungsethik?, Archiv für die civilistische Praxis 189 (1989) 199; ders., Wirtschaftsethische Einflüsse auf die Auslegung wirtschaftsrechtlicher Generalklauseln?, Zeitschrift für Unternehmensund Gesellschaftsrecht 16 (1987) 489. 403 Ernst-Joachim Mestmäcker, denkt diese Feststellung in zeitlos gültiger Weise fort, wenn er sie im Vorwort der hier zitierten Eucken-Ausgabe mit der Herrschafts- und Sozialordnung in Einklang zu bringen sucht und damit beiläufig der Interdependenz der Ordnungen Rechnung trägt (GWP XV): „Nur ein demokratisch legitimierter und von wirtschaftlichen Mächten unabhängiger Staat ist auch in der Lage, ein die marktwirtschaftliche Ordnung ergänzendes Sozialsystem zu gewährleisten. Dazu gehört der Schutz der Bürger gegen wirtschaftliche Risiken, die von ihnen nicht beherrscht werden können, und die Korrektur der aus dem Wettbewerb hervorgehenden Verteilung der Einkommen und Vermögen zur Erfüllung der Staatsaufgaben“. – Diese richtige und wichtige Feststellung, die sich aus der konsequenten Fortführung der Grundgedanken Euckens geradezu zwangsläufig ergibt, verdeutlicht in besonderer Weise den fundamentalen Unterschied zur Konzeption Hayeks; zu ihr Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, § 3. 404 Johannes Laitenberger, Entwicklungslinien des Wettbewerbsrechts der Europäischen Union, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers  







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§ 2 Private wirtschaftliche Macht

chenstellung führt zur damit aufgeworfenen Problematik der Monopolbildung. Es ist also an der Zeit, sich Euckens viel diskutierter Haltung zur Ausprägung wirtschaftlicher Macht durch Monopole zuzuwenden.

III. Monopoltheorie Besondere Bedeutung für das Verständnis der Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung im Sinne Walter Euckens hat seine Theorie der Monopole, die von einem ganz schlichten Befund ausgeht: „Der Monopolist weiß, daß er den Preis bestimmen kann und daß von seinem Angebot die Preisbildung auf dem Markt abhängt“ (GWP 33). Es ist also eine verhängnisvolle Abhängigkeit der Allgemeinheit von einem einzelnen Anbieter, die private wirtschaftliche Macht unter Beweis stellt, indem die Entscheidung einer Einzelperson ungebrochen auf den Markt durchschlägt. Eucken stellt im Ausgangspunkt den bereits verschiedentlich angesprochenen ‚stets und überall lebendigen‘ (GWP 29) ‚Hang zur Monopolbildung‘ (GWP 31) als anthropologische Konstante in Rechnung. Seine Monopoltheorie ist gewisser Weise konstitutiv für sein Wirtschafts- und Rechtsdenken, nimmt er dort doch einen tendenziell ablehnenden Standpunkt ein, der von der heute herrschenden Lehre abweicht, jedoch so viele originelle Gedanken über die wirtschaftliche Macht im Allgemeinen und das Kartellrecht im Besonderen enthält, dass die Grundgedanken des Ordoliberalismus auch in dieser Hinsicht mitnichten überkommen sind.405  





1. Das wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundprinzip Die Monopoltheorie ist ein klassischer Bereich der Volkswirtschaftslehre (NW 47): „Auch im Zeitalter der Klassiker gab es in europäischen Kulturländern viele ge 

aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 109, 121, fasst die Herausforderungen richtig zusammen: „Für die Ordoliberalen folgte daraus die Notwendigkeit einer aktiven Wettbewerbspolitik des Staates, jedoch nicht diskretionär interventionistisch, sondern im Wege der systematischen Anwendung allgemein gültiger Regelungen durch eine von politischen Einflüssen unabhängige Wettbewerbsbehörde“. Siehe zu der im Zitat genannten staatlichen Intervention auch Hans Ilau, Intervention und demokratischer Kompromiß in der Wirtschaftspolitik, Festschrift für Ludwig Erhard, 1957, S. 109. 405 Wohlabgewogen Gregor Bachmann, Zur Legitimation privater Macht, in: Private Macht und privatrechtliche Gestaltungsfreiheit (Hg. Florian Möslein) 2016, S. 603, 626 f.: „Für das Recht stellt sie nicht mehr und nicht weniger als ein Aufgreifkriterium dar, das zum Nachdenken über regulatorische Eingriffe nötigt. Wenigstens insoweit ist die ordoliberale Tradition lebendig“.  









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III. Monopoltheorie

schlossene Zünfte, Monopolrechte und andere Bindungen sowie Wirtschaftsgebilde mit zentraler Wirtschaftslenkung, so daß schon damals die konkrete geschichtliche Wirklichkeit durch Untersuchung der vollständigen Konkurrenz nicht voll erfaßt wurde“ (GN 26). In der Tat hat bereits Adam Smith gerade im Hinblick auf den allenthalben obwaltenden Zunftgeist und die Zusammenschlüsse in bestimmten Wirtschaftszweigen vielfältige Störungen des Systems der natürlichen Ordnung festgestellt.406 Insofern ist die Monopoltheorie aber auch rechtlich bedeutsam.407 Davon war bereits im Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsprinzip die Rede. So konnte festgestellt werden, dass private Machtentfaltung durch Monopolbildung die Verwirklichung persönlicher Freiheit auch dann erschweren kann, wenn elementare rechtsstaatliche Garantien an sich eingehalten werden: „Wo Monopole (…) bestehen, ist die persönliche Freiheit – trotz aller verfassungsmäßiger Grundrechte – sehr beschränkt“ (GWP 49). Es ist bemerkenswert, dass Eucken in der Parenthese die Grundrechte als Wertentscheidungen der Rechtsordnung in Betracht zieht; zumal dann, wenn man bedenkt, dass er kein Jurist war und im Jahr seines Todes – acht Jahre vor dem Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts408 – die Grundrechtsdogmatik noch nicht so ausgefeilt war, wie es heute der Fall ist.409 Die Monopoltheorie bildet also einen wichtigen Anwendungsfall des Verhältnisses von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung.  











a) Mathematisch-formales Begriffsverständnis versus wirtschaftliche Wirklichkeit Aufschlussreich ist Euckens Begriffsverständnis des Monopols, weil sich darin auch seine Skepsis gegenüber formal-mathematischen Darstellungsformen ausdrückt, von denen wir ja bereits in der Einleitung gesehen haben, dass er sie –  

406 Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017. 407 Aus dem früheren Schrifttum Jole B. Dirlan/Alfred E. Kahn, Fair Competition: The Law and Economic of Antitrust Policy, 1954; Edward S. Mason, Economic Concentration and the Monopoly Problem, 1957; aus aktueller Sicht Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbsund Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 23, 63, 78, 83, 152 f., 198 f., 326 f., 527 ff., 574 ff., 592, 597, 611, 625 und öfter, behandelt die monopoltheoretischen Fragen bei aller grundsätzlichen Gewogenheit gegenüber Eucken nach zeitgemäßem Standard und damit ungleich differenzierter, so dass auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen sei. 408 BVerfGE 7, 198; siehe auch Hans Carl Nipperdey, Boykott und freie Meinungsäußerung, Deutsches Verwaltungsblatt 1958, 445. 409 Gregor Bachmann, Zur Legitimation privater Macht, in: Private Macht und privatrechtliche Gestaltungsfreiheit (Hg. Florian Möslein) 2016, S. 603, 627, schließt seine Einschätzung mit Recht: „Die Antwort, die das Recht am Ende gibt, muss konträre Grundrechtspositionen ins Lot bringen“.  















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§ 2 Private wirtschaftliche Macht

entgegen der modernen Volkswirtschaftslehre – nicht favorisiert: „Mathematischformal gesehen ist das Monopol ein Grenzfall der Konkurrenz oder auch umgekehrt die Konkurrenz ein Grenzfall des Monopols. I n d e r w i r t s c h a f t l i c h e n W i r k l i c h k e i t i s t d a s M o n o p o l e t w a s g a n z a n d e r e s a l s d i e K o n k u r r e n z “ (GN 100). Diese Gegenüberstellung ist deswegen so aufschlussreich, will sie zugleich die Sollbruchstelle offenlegt, die von Interessenten-Ideologien genutzt werden kann.  



aa) Grund und Grenze des mathematisch-formalen Verständnisses Hieran lässt sich beispielhaft ersehen, dass mathematisch-formale Darstellungsweisen der wirtschaftlichen Wirklichkeit und ihrer ethischen Dimension, um die es Eucken ebenfalls zu tun ist (GWP 176), zumindest nicht erschöpfend gerecht werden, auch wenn man, zumal als mathematisch nicht hinlänglich geschulter Jurist, kein Recht hat, an ihrer Sinnhaftigkeit zu zweifeln.410 Mathematische Modelle, die er durchaus zur Kenntnis nimmt (GN 267),411 interessieren Eucken traditionell weniger als die auf dem Spiel stehenden wirtschaftlichen Interessenten-Ideologien, die auch dort am Werk sind, wo man es am wenigsten vermutet, weil insbesondere das Verhältnis von Monopol und Konkurrenz so klar und eindeutig bestimmbar zu sein scheint, dass es – zumal unter Hinzuziehung mathematischer Modelle – keinen Zweifel zu geben scheint. Dieser Schein trügt jedoch:  







410 Vittorio Hösle, Ethik und Wirtschaftswissenschaft, oder: Wieviel Egoismus braucht der moderne Kapitalismus? Machiavellis, Mandevilles und Malthus‘ neue Erkenntnis und ihre Herausforderung, Festschrift für Johannes Strangas, 2017, S. 21, 37 f., hat dies aus moralphilosophischer Sicht mit bemerkenswerter intellektueller Rechtschaffenheit in einer Weise verdeutlicht, die vermutlich auch Eucken mit Abstrichen – etwa, was den Begriff des Kapitalismus betrifft – angenommen hätte: „Jede ethische Analyse des Kapitalismus, die nicht erkennt, dass dieses System in vorher unbekannter Weise Mechanismen nutzt, die von menschlichen Handlungen nicht beabsichtigt, aber doch in ihnen enthalten sind, ist hoffnungslos naiv. Der moralische Protest, der mit diesen Mechanismen nicht vertraut ist, trifft zurecht auf Geringschätzung seitens der Wirtschaftswissenschaftler, deren hauptsächliches Ziel es ist, sie zu erforschen – eine Forschung, die zunehmend anspruchsvoller geworden ist durch eine Mathematisierung, die nur zum Teil die mathematischen Operationen der ökonomischen Akteure wiedergibt; zum Teil beschreibt sie Prozesse, die sich wie Prozesse der Natur ereignen, ohne dass sich die Handelnden der mathematischen Logik bewusst sind, die ihnen zugrundeliegt. Wirtschaftstheorie spiegelt jedoch nicht einfach die wirtschaftliche Wirklichkeit wider; sie wirkt auf sie ein, denn intelligente Akteure versuchen, von ihr zu lernen. (…) Andererseits bleibt eine intelligente moralische Kritik wirtschaftlichen Handelns möglich und nötig. Auch wenn im Lauf des neunzehnten Jahrhunderts die Sozialwissenschaften, einschließlich der Wirtschaftswissenschaften, sich von der Ethik lösten, und wertfrei wurden, bleibt jedes menschliche Handeln Gegenstand einer moralischen Beurteilung“. 411 Unter Verweis auf Heinrich von Stackelberg, Angebot und Nachfrage in der Produktionswirtschaft, Archiv für mathematische Wirtschafts- und Sozialforschung 4 (1938) 73.  









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III. Monopoltheorie

„Den Unterschied von Konkurrenz und Monopol zu verwischen, liegt im Interesse wirtschaftlicher Machtgruppen. Dadurch wird die Wirksamkeit von Monopolen verharmlost, und es werden die besonderen wirtschaftsverfassungsrechtlichen Probleme, die das Vorhandensein privater Machtkörper stellt, verschleiert“ (GN 101).412 Unscheinbar eingeführt wird damit der eigentliche Sitz des Problems, das wirtschaftsverfassungsrechtlicher Natur ist. Das Wirtschaftsverfassungsrecht wird im letzten Abschnitt der vorliegenden Untersuchung noch näher behandelt. Einstweilen interessiert daran nur, dass die Existenz privater wirtschaftlicher Macht in dieser Hinsicht besonders problembeladen ist, weshalb sie hier auch vorrangig erörtert wird. Es liegt daher nahe, dass die Interessenvertreter bestrebt sind, dasjenige als Zustand einer von freier Konkurrenz getragenen Wettbewerbsordnung auszugeben, was in der wirtschaftlichen Wirklichkeit ein Monopol darstellt. Euckens Verdienst besteht nicht zuletzt darin, dass er in Kenntnis der mathematischen Beschreibung der ökonomischen Verhältnisse zugleich die Grenzen eines solchen mathematisch-formalen Verständnisses erkennt, indem er die Einbruchstellen von Interessenten-Ideologien offenlegt, durch deren erfolgreiches Wirken solche Modelle pseudo-objektiv verbrämen, was in sie hineingelegt wurde.  

bb) Wirtschaftliche Wirklichkeit und Wirtschaftsverfassung Der Begriff der Wirtschaftsverfassung ist für Eucken, ebenso wie für den gesamten Ordoliberalismus, von so zentraler Bedeutung,413 dass er an späterer Stelle zu sei-

412 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, Nachdruck 2010 (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker), S. 175, hat wirtschaftsverfassungsrechtlich Entsprechendes im Sinn, wenn er postuliert: „Die wirtschaftliche Verfassung einer freien Verkehrswirtschaft wiederum ist (…) die Verfassung einer herrschaftsfreien Sozialverfassung (…)“. 413 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 19, setzt mit Recht voraus, dass es sich bei Ausarbeitung der Wirtschaftsverfassung über die reine Begrifflichkeit hinaus um ein spezifisch rechtswissenschaftliches Anliegen handelt, das dementsprechend einen Theorieanspruch erheben kann, zumal da es notwendigerweise zu einer Verschränkung und Abgleichung der historisch gewachsenen Erkenntnisse der Nationalökonomie mit den Ergebnissen der Jurisprudenz führt, die in der Zusammenschau den auch für Eucken zentralen Begriff der Gesamtordnung einbeziehen, woran sich im Übrigen zeigt, dass dessen Theorie der Interdependenz der Ordnungen durchaus im Sinne Böhms ist: „Im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Werkes von Franz Böhm steht die Theorie der Wirtschaftsverfassung. Er hat das seit dem 19. Jahrhundert wirtschaftswissenschaftlich erkannte und mit Erfolg praktizierte System der freien Verkehrswirtschaft in Bezug genommen, um die hier vorausgesetzten und praktizierten Handlungsfreiheiten als Teil einer auch rechtlich verfassten Gesamtordnung zu begründen.“ Siehe auch Horst Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, 1961.  





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§ 2 Private wirtschaftliche Macht

ner Ordnungstheorie in Beziehung gesetzt werden wird.414 Wichtig ist aber schon hier die Feststellung, dass sich die Ermittlung der wirtschaftlichen Wirklichkeit als vorrangig im Verhältnis zur wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung erweist und diese somit nicht jene verzichtbar erscheinen lässt (GN 241): „Vor der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung ist die wissenschaftliche Untersuchung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit notwendig“ (GWP 340). Die wirtschaftsverfassungsrechtliche Gesamtentscheidung ist, wie am Ende noch zu zeigen sein wird, ein Schlüsselbegriff Euckens, der jedoch die Einsicht in die tatsächlichen Verhältnisse voraussetzt. Die wissenschaftlich exakte, methodisch angeleitete Ermittlung der Faktizität muss der normativen Würdigung und Schlussfolgerung vorausgehen. Daher ist auch im bisherigen Verlauf der vorliegenden Untersuchung zunächst das Augenmerk auf die Ermittlung der wirtschaftlichen Wirklichkeit und der besonderen wissenschaftstheoretischen Methode Euckens gelegt worden. So wenig interessant dies mitunter erscheinen mochte, so bedeutsam ist es zur allfälligen Abschichtung der Problematik einerseits, aber damit verbunden natürlich auch für das Verhältnis von der Wirtschaftsordnung zur Rechtsordnung. Denn Eucken hat erkannt, dass jedes noch so exakt erscheinende mathematisch-formale Bild, das man von den ökonomischen Verhältnissen entwirft, Einbruchstellen für Wertungsspielräume enthält, weil es notwendigerweise auch Grenzfälle, wie im Ausgangspunkt der vorstehenden Betrachtung den Unterschied zwischen Konkurrenz und Monopol voraussetzt und abbildet, der zwar in der Theorie mathematisch genau beschreibbar, in der Praxis aber der Gefahr von Einflüsterungen ausgesetzt ist.  



b) Verschiebung der Rechtsordnung durch Änderung der Wirtschaftsordnung Auf diese Weise wird der Weg geebnet für die juristisch eigentlich interessante Problematik. Denn mit der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung ist ein Merkposten für die abschließende gefallen, der noch systematisch behandelt wird. Einstweilen genügt der Hinweis darauf, der in eine Mahnung an seine Zunftgenossen mündet: „Um so mehr sollte es die Wissenschaft vermeiden,

414 Bernd Hansjürgens, Walter Eucken und das Denken in Verfassungen, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ingo Pies/Martin Leschke) 2002, S. 37, gibt einen anschaulichen Überblick: „Walter Eucken hatte bei seinen Überlegungen auch bestimmte Vorstellungen von dem, was eine Wirtschaftsverfassung ausmacht, vor Augen. Danach stellen Wirtschaftsverfassungen nicht nur eine konkrete rechtliche Umsetzung der jeweils gegebenen Wirtschaftsordnung dar. Sie repräsentieren vielmehr ein ganz spezifisches Denken“. Hervorhebung auch dort.  

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III. Monopoltheorie

den Unterschied (sc.: zwischen Konkurrenz und Monopol) zu verwischen. Sie entfernt sich dabei nicht bloß von der wirklichen Wirtschaft, sondern sie dient hiermit zugleich – meist ohne es zu wollen – bestimmten Interessengruppen“ (GN 101). Wenn man so will, kann man eine subtile Kritik in dem unscheinbaren Wörtchen ‚meist‘ erblicken; es schließt die Möglichkeit mit ein, dass auch Wissenschaftler in gleichsam kollusivem Zusammenwirken mit Monopolisten einseitig zu Lasten anderer Marktteilnehmer argumentieren und damit der Wettbewerbsordnung im Interesse einzelner Interessengruppen schaden. Was jedoch für Eucken mit der Monopolbildung auf dem Spiel steht, betrifft die Nationalökonomen gleichermaßen wie die Juristen, die mitunter nicht weniger einseitig argumentieren. Damit aber kann das Ordnungsmodell insgesamt aus den Fugen geraten, und zwar entsprechend der zwischen ihnen bestehenden Interdependenz mit Wirkung für die Rechtsordnung, die Wirtschaftsordnung und sogar die Staatsordnung: „Die Monopolbildung, also die Änderung der Wirtschaftsordnung, kann auch Verschiebungen der Staats- und Rechtsordnung verursachen“ (GWP 220). Die Rückwirkung auf die Staatsordnung erklärt sich nicht zuletzt daraus, dass es zu den demokratietheoretisch bedenklichsten Erscheinungen des Monopolwesens gehört, dass Monopolisten Einfluss auf die Gesetzgebung gewinnen können (WW 74).415  









aa) Monopolbildung und Interdependenz der Ordnungen Hier wird deutlich, dass das Monopolproblem für Eucken zugleich auch eine Frage der Interdependenz der Ordnungen betrifft, hängen die einzelnen Ordnungen, insbesondere die Rechts‑, Staats- und Wirtschaftsordnung doch dergestalt voneinander ab, dass sie sich wechselseitig beeinflussen können, wenn die Statik sich verschiebt: „Denn die Monopole können Einfluß auf die Gesetzgebung gewinnen, und ihr selbstgeschaffenes Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen schiebt staatlich gesetztes Recht in diesem Bereich beiseite“ (GWP 220). Diese Begründung verdeutlicht, warum die Überschrift des vorliegenden Kapitels sich nicht in der privaten Macht erschöpft,416 sondern darüber hinaus auch das selbst 

415 Franz Böhm, Demokratie und ökonomische Macht, in: Kartelle und Monopole im modernen Recht, Band I, 1961, S. 1, 3. 416 Gregor Bachmann, Zur Legitimation privater Macht, in: Private Macht und privatrechtliche Gestaltungsfreiheit (Hg. Florian Möslein) 2016, S. 603, 610, hat herausgearbeitet, dass „die ordoliberale Tradition private Macht mit ökonomischer Macht identifiziert, für die sie in der Privatgesellschaft als einem Reich der Machtlosen keinen Platz sieht. Dieser Ansatz ist in zweierlei Hinsicht zu erweitern: Weder stellt sich private Macht nur als ökonomische dar, noch begnügt sich das Recht damit, sie als schlechthin illegitim zu verbannen“.  



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§ 2 Private wirtschaftliche Macht

geschaffene Recht der Wirtschaft einbezieht.417 Die mit der Monopolbildung einhergehende Vergrößerung wirtschaftlicher Macht führt also unweigerlich zu erhöhten Anstrengungen im Bereich der Rechtsetzung. Da dies mit der staatlichen Rechtsetzungskompetenz in Widerstreit gerät, bleibt nur, aber immerhin die Möglichkeit der Rechtsetzung durch selbstgeschaffenes Recht.418 Unter diesem selbstgeschaffenen Recht der Wirtschaft nehmen für Eucken die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Sonderstellung ein, weshalb sie weiter unten auch gesondert behandelt werden.419 Einstweilen genügt die Feststellung, dass der mit der Monopolbildung zunehmende Faktor wirtschaftlicher Macht zu Begehrlichkeiten im Bereich der Gesetzgebung führt, wodurch neben das staatliche Recht ein privates Recht der Wirtschaft tritt. Indem sich also das Verhältnis zwischen Wirtschaftsordnung und Staatsordnung bewegt, ändert sich unweigerlich auch die Beziehung zwischen Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung.

bb) Monopolbedingte Verschiebungen zwischen Wirtschafts- und Rechtsordnung Die Interdependenz der Rechts- und Wirtschaftsordnung, um die es hier unausgesprochen geht, veranschaulicht auch der historische Befund: „Je mehr monopolistische und später zentralverwaltungswirtschaftliche Stellen den Wirtschaftsprozeß lenkten, um so geringer wurden auch die Funktionen des Händlers, der mehr und mehr zum Verteiler wurde und der nunmehr vielfach von diesen Machtpositionen abhängt“ (GWP 180). Monopolbedingte Verschiebungen im Verhältnis zwischen Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung berühren also erfahrungsgemäß die Wettbewerbsordnung unmittelbar, weil an die Stelle freier Preisbildung wirtschaftliche Abhängigkeit tritt. Für Eucken steht demgegenüber das folgende Postulat fest: „Wirtschaftliche Macht sollte in einer Wettbewerbsordnung nur soweit bestehen, wie sie notwendig ist, um die Wettbewerbsordnung aufrecht zu  

417 Kurt Biedenkopf, Über das Verhältnis wirtschaftlicher Macht zum Privatrecht, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. 113, 122 f.; dort auch zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. 418 Grundlegend Hans Großmann-Doerth, Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und staatliches Recht, 1933. Dazu Moritz Renner, Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft? – Öffentliche Interessen in privaten Rechtsregimes, Kritische Justiz 2010, 66. Wichtig auch Heike Schweitzer/Friedemann Kainer, Ansätze für eine Systematisierung von privater Macht und der Begrenzung privatrechtlicher Gestaltungsmacht, in: Private Macht (Hg. Florian Möslein) 2015, S. 629. 419 Detlef Leenen, BGB Allgemeiner Teil: Rechtsgeschäftslehre, 2. Auflage 2015, § 20, bietet die in ihrer Ausgewogenheit und Wertungsgerechtigkeit wohl profundeste Darstellung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen innerhalb der Lehrbuchliteratur.  











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erhalten“ (GWP 291). Die auf den ersten Blick pleonastisch anmutende Formulierung betont nur das bereits weiter oben festgestellte Bedingungsverhältnis sowie den Primat der Wettbewerbsordnung. Private wirtschaftliche Macht erscheint als notwendiges Übel; sie wird dadurch legitimiert, dass sie „in der Wettbewerbsordnung durch den Preismechanismus der notwendigen, strengen, alltäglichen Kontrolle unterworfen wird“ (GWP 291).420 Auch hier ist der Gesichtspunkt der Alltäglichkeit zu beachten. Es gibt eben keine unerbittlicher richtende Instanz in einer auf Wettbewerb gegründeten dezentralen Wirtschaftsordnung als den wirtschaftlichen Alltag, in dem sich Preise am Markt bilden.421  



c) Konstanz der Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsverfassungsrecht Ausufernder wirtschaftlicher Macht durch Monopolbildung und Konzentration kann im Wege der Konstanz der Wirtschaftspolitik entgegengewirkt werden:422 „Konstanz ist ein zentrales Erfordernis der Wirtschaftspolitik der Wettbewerbsordnung. Die Wirtschaftspolitik stelle einen brauchbaren wirtschaftsverfassungsrechtlichen Rahmen für den Wirtschaftsprozess her; an diesem Rahmen halte sie beharrlich fest und ändere nur mit Vorsicht“ (WV 46). In moderner Diktion gesprochen, verspricht dieses konstituierende Prinzip der Konstanz der Wirtschaftsordnung eine gewisse Nachhaltigkeit.423 Hiermit wird bewusst vorgegriffen, da die Konstanz der Wirtschaftsordnung weiter unten innerhalb des Wirtschaftsverfassungsrechts behandelt wird, dieses wiederum, wie weiter oben gesehen, auch vorher schon angesprochen werden muss, um Euckens Prämissen verständlich zu machen. Der Zusammenhang konstanter Wirtschaftspolitik mit dem Wirtschaftsver420 Gregor Bachmann, Zur Legitimation privater Macht, in: Private Macht und privatrechtliche Gestaltungsfreiheit (Hg. Florian Möslein) 2016, S. 603. 421 Prägnant Ernst-Joachim Mestmäcker, Vorwort GWP S. IX: „Das Lenkungsprinzip der Marktwirtschaft besteht in der Herstellung eines funktionsfähigen Preissystems“. 422 Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 81, kommentiert den Zusammenhang über die mit der Unbeständigkeit der Wirtschaftspolitik einhergehende Konzernierung richtig: „Durch Konstanz der Wirtschaftspolitik läßt sich auch eine Ursache für eine andere negative Erscheinung beseitigen: Instabilität der Wirtschaftspolitik zwingt die Unternehmen nämlich zur Diversifikation, die dadurch erreicht wird, daß man sich mit Unternehmen anderer Branchen zu Konzernen zusammenschließt. Mangelhafte Stabilität der Wirtschaftspolitik ist also auch eine der Ursachen für die industriellen Konzentrationsprozesse. Je konstanter deshalb die Wirtschaftspolitik ist, desto weniger leistet man den Konzentrationstendenzen Vorschub“. 423 Grundlegend Klaus Mathis, Nachhaltige Entwicklung und Generationengerechtigkeit. Eine interdisziplinäre Studie aus rechtlicher, ökonomischer und philosophischer Sicht, 2017. Zu einer praktisch wichtigen Sparte Christian Warns, Spielregeln eines solidarischen Krankenversicherungswettbewerbs. Wettbewerb, Solidarität und Nachhaltigkeit nach der Gesundheitsreform 2007, 2009.  





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fassungsrecht besteht nicht zuletzt darin, dass sie – ebenso wie das Recht nach den Grundsätzen des Ordoliberalismus‘ – eine verlässliche Ordnungsfunktion ausübt und dadurch in eine Wechselwirkung mit den Anforderungen der Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit eintritt. Damit zeigt die Konstanz der Wirtschaftspolitik mit ihren Folgen für das wirtschaftsverfassungsrechtliche Gefüge die Interdependenz zwischen Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung in einem besonders wichtigen Bereich. Eucken hat an späterer Stelle das Postulat der Konstanz der Wirtschaftspolitik noch einmal präzisiert, indem er das Verhältnis von Wettbewerbsordnung und Preismechanismus so zusammengefasst hat: „Die Wettbewerbsordnung ist imstande, die Investitionen auf die Dauer richtig aufeinander abzustimmen. Denn sie besitzt mit ihrer Preismechanik das Instrument, um Disproportionalitäten festzustellen und um sie schließlich zu korrigieren. Darin ist sie allen anderen Ordnungen überlegen“ (GWP 288). Der Preismechanismus erweist sich also innerhalb einer Wirtschaftsordnung verkehrswirtschaftlichen Typs als ein Regulativ bezüglich der Einkommensbildung (GWP 124), vermittels dessen die Wettbewerbsordnung funktioniert (GWP 33).424 Ziel- und Orientierungspunkt ist auch hier wieder die in der weiter oben skizzierten Als-ob-Betrachtung zum Ausdruck kommende vollständige Konkurrenz, die möglichst hergestellt werden soll.425 Es geht Eucken folglich darum, dass „die Herstellung eines funktionsfähigen Preissystems vollständiger Konkurrenz zum wesentlichen Kriterium jeder wirtschaftspolitischen Maßnahme gemacht wird“ (GWP 254). Gewicht hat vor allem die im Original hervorgehobene prinzipienmäßige Fundierung dieses Desiderats, dessen Aufgabe es ist, „den Preismechanismus funktionsfähig zu machen“ (GWP 255). Denn dieses Ziel ist nicht nur der entscheidende Punkt moderner Wirtschaftspolitik, sondern es ist mehr für Eucken: „Dies ist das wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundprinzip“ (GWP 254).426  















424 Viktor Mayer-Schönberger/Thomas Ramge, Das Digital. Markt, Wertschöpfung und Gerechtigkeit im Datenkapitalismus, 2017, S. 50. 425 Thomas Müller, Wettbewerb und Unionsverfassung. Begründung und Begrenzung des Wettbewerbsprinzips in der europäischen Verfassung, 2014, S. 57: „Als-ob-Wettbewerb“. 426 Siehe auch schon Walter Eucken, Wettbewerb als Grundprinzip der Wirtschaftsverfassung, in: Der Wettbewerb als Mittel volkswirtschaftlicher Leistungssteigerung und Leistungsauslese, in: Schriften der Akademie für deutsches Recht, Gruppe Wirtschaftswissenschaften, Band 6 (Hg. Günter Schmölders) 1942, S. 29. Ernst-Joachim Mestmäcker, Franz Böhm und die Lehre von der Privatrechtsgesellschaft, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 35, 46 f., weist mit Recht darauf hin, dass „die „Wettbewerbspolitik des ‚Als-ob‘ (…) von Walter Eucken für eine Kontrolle der Infrastrukturmonopole empfohlen wurde“.  











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2. Gleichgewichtsstörungen Zu den prägnantesten Sätzen Euckens gehört dieser: „Wirtschaften ist Anpassen“ (GWP 5). Mit nur drei Worten umschreibt Eucken die wesentliche Aufgabe der Wirtschaft. Aber genau genommen ist es weniger die Wirtschaft selbst, die er beschreibt, als vielmehr den Akt des Wirtschaftens, der zugleich dem dynamischen Charakter der industrialisierten Wirtschaft Rechnung trägt (GWP 6). Eben diese Dynamik der konkreten Wirtschaft (GN 180) kommt in der knappen Wendung zum Ausdruck, die nicht von ungefähr Infinitive und keine Substantive enthält.427 Es ist bezeichnend für Euckens Systemdenken, dass ein vorderhand unscheinbar wirkendes Echo auf diesen prägnanten Basissatz an ganz anderer Stelle erfolgt, sich aber unausgesprochen darauf bezieht. Denn auf die lakonische Aussage, dass ‚Wirtschaften Anpassen ist‘ antwortet nahezu drei Dutzend Seiten später der ebenfalls schnörkellose Satz: „Aber der Monopolist braucht sich nicht anzupassen“ (GWP 40). Die systematische Verschränkung beider Sätze ist so evident, dass sie ohne weiteres aufeinander hätten folgen können. Gerade wegen dieser Sperrung verdienen diejenigen Stellen zwischen den beiden Aussagen Interesse, die sich mit dem Monopolproblem befassen.  







a) Patentrecht als Rechtsinstitution und Hort systemfremder Wirtschaftsformen Unter ihnen sticht eine hervor, die scheinbar nur paradigmatischen Charakter hat, im Zusammenhang aber etwas sehr Wesentliches über das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung aussagt: „Auch jedes Patentrecht, welches die Monopolbildung fördert, wirkt sich auf Ausmaß und Richtung der Investitionen und hiermit auf den Wirtschaftsprozeß aus“ (GWP 9).428 Der Relativsatz deutet  

427 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 353, sieht dies – allerdings auf die Wettbewerbstheorie bezogen – etwas anders: „Euckens Wettbewerbstheorie ist also (…) komparativ-statisch und nicht dynamisch“. 428 Wie auf den Zusammenhang von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung bei Eucken gemünzt und möglicherweise auch durch ihn inspiriert, liest sich die insoweit treffende Aufzählung der erkenntnisleitenden Gesichtspunkte der von ihm so genannten Neoliberalen von Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II (Übersetzung Jürgen Schröder) 4. Auflage 2015, S. 192 f.: „Außerdem eine juridische Analyse der Funktionsbedingungen des Rechts, die die Monopolbildung ermöglicht oder begünstigt haben. Inwiefern konnten Erbschaftspraktiken, die Existenz eines Rechts für Aktiengesellschaften und auch das Problem der Patentrechte usw. die Erscheinungen der Monopolbildung hervorbringen, und zwar auf der Grundlage der Rechtsprechung und keineswegs aus wirtschaftlichen Gründen?“. Foucault selbst glaubt jedoch im Unterschied zum Ordoliberalismus der Wirtschaftsordnung weitgehend ohne verbindli 











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das Problem privater wirtschaftlicher Macht an, das mit der Zuerkennung langfristiger Patentrechte angesprochen ist.429 Zugleich verdeutlicht der Satz die Interdependenz der Rechts- und Wirtschaftsordnung. Indem die Rechtsordnung bestimmte Schutzfristen zur ungehinderten Merkantilisierung von Patenten einräumt, wirkt sie unweigerlich auf die Wirtschaftsordnung ein, weil zumindest für diese Frist eine Rechtsposition mit vergleichsweise geringeren Investitionen ausgenutzt werden kann.

aa) Patentrecht als monopolfördernde ‚Rechtsinstitution‘ Andererseits darf nicht übersehen werden, dass dadurch Anreize zu innovationsfreudigem und damit letztlich investitionsfreundlichem Handeln gesetzt werden, zumal da einem jeden Patent eine gewisse Entwicklungsphase vorangeht, die durch die Schutzfrist gleichfalls ausgeglichen wird. Dieser Gesichtspunkt schwingt heute noch bei der patentrechtlichen ‚Ansporntheorie‘ mit.430 Man darf Euckens Kritik daher nicht als fortschrittsfeindlich missverstehen. Vielmehr schafft er die nötige Sensibilität dafür, dass jede noch so unmerklich erscheinende Justierung der Rechtsordnung Auswirkungen auf die Wirtschaftsordnung hat, die im Vorhinein durchdacht worden sein wollen. Demzufolge hat das Patentrecht hier eher beispielhafte Funktion.431 Allerdings ist es aufgrund seines mit technischen Voraussetzungen behafteten Gepräges ein von den Juristen vielfach unterschätztes Gebiet von eminenter wirtschaftsrechtlicher Tragweite.

(1) Zuweisungsgehalt als Brücke zwischen Rechts- und Wirtschaftspolitik So nimmt denn auch Eucken auf das Patenrecht an markanten Stellen seiner Hauptwerke Bezug (GWP 265), wie folgende aufschlussreiche Stelle über system 

che Rechtsregeln beikommen zu können bzw. schenkt der Formulierung solcher Regelungen keine hinreichende Aufmerksamkeit, so dass sein Ansatz zwar ideengeschichtlich interessant ist, aber dem Verhältnis von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung zueinander nicht gerecht wird; zutreffend Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 41: „Ohne Recht kommt Ordnungstheorie und Ordnungspolitik dafür (sc. die von Foucault, oben S. 402 f., postulierte Ausübung der Regierungskunst ‚in einem Raum der Souveränität‘) jedoch nicht in Betracht“. 429 Zum Patentrecht Tobias Lettl, Gewerblicher Rechtsschutz, 2019, S. 21 ff. 430 Friedrich-Karl Beier, Die Bedeutung des Patentschutzes für den technischen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Internationaler Teil (GRUR Int.) 1979, 227. 431 Kurt Biedenkopf, Über das Verhältnis wirtschaftlicher Macht zum Privatrecht, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. 113, 131, verfährt im Hinblick auf die Privatrechtsordnung ähnlich.  











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fremde Wirtschaftsformen mit Tendenz zur Monopolbildung veranschaulicht: „Wirtschaftsformen, die mit der Wettbewerbsordnung unvereinbar sind, systemfremde Wirtschaftsformen also, entstanden oft in Anknüpfung an das moderne P a t e n t r e c h t . Auch das Patentrecht gehört zu den vielen neueren Rechtsinstitutionen, die anderes verursachten, als der Gesetzgeber wollte. (…) Anders als erwartet, hat das Patentrecht trotz gewisser gesetzlicher Vorsichtsmaßregeln starke Tendenzen zur Monopolbildung und zur Konzentration in der Industrie ausgelöst. Sie ergaben sich daraus, daß das Patent ein ausschließliches Recht begründet, einen Gegenstand herzustellen, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen und zu verkaufen“ (GWP 268). Es ist bemerkenswert für einen Wirtschaftswissenschaftler, dass er die Einordnung als ausschließliches Recht in ihrer rechtsdogmatischen Tragweite erkennt.432 Denn damit ist nicht nur begrifflich, sondern auch wertungsmäßig die Ausschlussfunktion erfasst, die den Immaterialgüterrechten als absoluten Rechten zukommt.433 Zudem ist es von daher nicht weit zum heute dafür ebenfalls als maßgeblich erkannten Zuweisungsgehalt,434 der rechtsgrundlose Eingriffe in das Patentrecht bereicherungsrechtlich abzuschöpfen hilft.435 Der Zuweisungsgehalt schlägt gleichsam eine rechtsdogmatische Brücke auf der Prinzipienebene zwischen Euckens wirtschaftspolitischer und einer juristischen Würdigung des Patentrechts. Allerdings muss man im Hinblick auf die von Eucken erwähnten systemfremden Wirtschaftsformen immer beachten, dass selbst unter Beachtung der von ihm genannten konstituierenden Prinzipien der Wettbewerbsordnung nicht auszuschließen ist, dass es in concreto zu ‚systemfremden Ordnungsformen‘ kommt (GWP 291). Unbeschadet dessen geht es ihm hier jedoch um die  



432 Das zeigt, wie wichtig es umgekehrt für die Juristen ist, sich in wirtschaftsrechtlichen Fragen um das Verständnis der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse zu bemühen. Zu einem wichtigen und besonderen, aber verallgemeinerungsfähigen Problem paradigmatisch Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 31: „Wir haben es mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Beitrag zur Wettbewerbstheorie zu tun, dem für das Recht der Wettbewerbsbeschränkungen – für die Regelordnung und für ihre Anwendung im Einzelfall – maßgebliche Bedeutung zukommt“. 433 Stephan Neuhaus, Sekundäre Haftung im Lauterkeits- und Immaterialgüterrecht, 2011, S. 163. Siehe aber andererseits auch Julian L. Hacker, Die fehlende Legitimation der Patentierungsausschlüsse, 2015. 434 Grundlegend Walter Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach österreichischem und deutschem Recht, 1934. Siehe auch Ernst-Joachim Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung, Juristenzeitung 1958, 521; Anne Röthel, Die Lehre vom Zuweisungsgehalt, Juristische Ausbildung 2018, 1004. 435 Siehe dazu am Beispiel des Patentrechts Reinhard Ellger, Bereicherung durch Eingriff. Das Konzept des Zuweisungsgehalts im Spannungsfeld zum Ausschließlichkeitsrecht und Wettbewerbsfreiheit, 2002, S. 372.  









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Wirtschaftsform als solche, die er durch eine unzureichende Patentrechtsentwicklung gefährdet sieht, weil sie einer Monopolbildung Vorschub leistet.

(2) Ausschließlichkeitsrecht und Patentgesetzgebung Wie problematisch, weil monopolträchtig gerade das Patentrecht als Ausschließlichkeitsrecht und die damit einhergehende Lizenzierungsbefugnis im modernen Wirtschaftsrecht ist (GWP 269), hat Eucken in einem späten Londoner Vortrag nochmals auf den Punkt gebracht (GWP 268):436 „In hohem Maße hat das Patentrecht konzentrationsfördernd gewirkt. Das Patent hat einzelnen Firmen ein individuelles Monopol verliehen. Wichtiger ist aber, daß Patente die Kartell- oder Konzernbildung ausgelöst oder befestigt haben. Dabei ist nicht nur an die eigentlichen Patentkartelle oder Patenttrusts zu denken. Der Austausch von Lizenzen erleichtert die Kartellbildung; die Gefahr, die ein Mitglied im Falle des Ausscheidens läuft, das Recht an gewissen Patenten zu verlieren, kittet viele Kartelle zusammen“ (WW 32). Dass diese Bedenken nicht unbegründet sind, zeigt ein flüchtiger Blick auf die Gepflogenheiten in der Pharma-Industrie, der das Patentrecht zu einem temporär zugebilligten Monopol verhilft.437 Gewiss sind die dortigen Entwicklungskosten und -risiken beträchtlich, so dass die Rechtsordnung den damit verbundenen Aufwand durch die Möglichkeit zeitweiser exklusiver Verwertbarkeit ausgleichen muss,438 wie dies ebenfalls in der patentrechtlichen ‚Belohnungstheorie‘ mitschwingt.439 Auch Eucken selbst dachte nicht zuletzt an die chemische Industrie:440 „Das Patentbüro ist dort der Kern wichtiger Konzerne. Durch die Rechtsprechung wurden die Bedingungen für die Ingangsetzung und Beschleunigung des Konzentrationsprozesses wesentlich gefördert und zugleich wurden hierdurch die Kräfte, die zur vollständigen Konkurrenz drängten, eingedämmt oder unwirksam gemacht“ (GWP 269).  







436 Joachim F. Reuter, Forschungspolitik und Forschungsplanung. Der technische Fortschritt als Objekt der Finanz- und Wirtschaftspolitik, 1970, S. 69 Fußnote 139, macht darauf aufmerksam, dass Eucken das Glühlampen-Monopol von Osram zu einem bevorzugten Beispiel seiner Kritik machte. 437 Guido Barsuglia, Parallelimporte und der Pharmamarkt. Eine wohlfahrtsökonomische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Schweiz, 2007, S. 54. 438 Vgl. nur Dominik Drerup, Patentauslauf und Markteintritt generischer Arzneimittel. Marktmodellierung bei Existenz von Rabattverträgen, 2013, S. 9 ff. 439 Sonia Elisabeth Koikkara, Der Patentschutz und das Institut der Zwangslizenz in der Europäischen Union, 2010, S. 18, gibt einen Überblick zu den vertretenen Theorien mit weiteren Nachweisen. 440 Oliver Gassmann/Martin A. Bader, Patentmanagement. Innovationen erfolgreich nutzen und schützen, 2. Auflage 2007, S. 127, speziell zur Chemie- und Pharma-Branche.  















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(3) Wirtschaftliche Macht und Monopolisierung durch Immaterialgüterrechte Nicht zuletzt diese Stelle veranschaulicht, wie wichtig Euckens Feststellungen auch für die Juristen sind, die ja gleichsam die Rechtsordnung repräsentieren und sich mitunter kaum im Klaren darüber sind, welchen Stellenwert die Patentabteilung in bedeutenden Unternehmen einnimmt und das deren Größe nicht zuletzt darauf beruht, weshalb es jedoch zu kartellrechtlichen Problemen überhaupt erst kommen kann. Eucken hat das zentrale Desiderat über die genannte Erscheinung hinaus noch zu einem allgemeinen Prinzip erhoben und damit eine wirtschaftsverfassungsrechtliche Linie gezogen: „Die Patentgesetzgebung, die vielfach zur Stützung von Monopolen verwandt wird, muß wieder ausschließlich ihrem eigentlichen Zweck dienstbar gemacht werden“ (WW 35).441 Eine strukturell ähnliche Problematik gibt es in einem anderen Bereich des Immaterialgüterrechts,442 nämlich im modernen Urheberrecht:443 Der Schutz geistigen Eigentums, an sich dem Urheber selbst vorbehalten,444 wird immer stärker durch Medienkonzerne ausgeübt, die mannigfaltige Rechte als Wirtschaftsgüter gebündelt halten, um den Profit abzuschöpfen, von dem der Urheber selbst nichts (mehr) hat.445 Eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Funktion der jeweiligen Rechtsinstitute könnte in der Tat zum Rückgang wirtschaftlicher Macht führen. Jedenfalls stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der Rechtsordnung zur Wirtschaftsordnung auch im Immaterialgüterrecht und dürfte gerade in Zukunft noch wichtiger werden, als bisher angenommen.  

441 Siehe dazu auch Dietmar Harhoff, Erfindungen und Innovationen in der globalen Wirtschaft – Zur Entwicklung des Patentsystems, in: Wissen – Märkte – Geistiges Eigentum (Hg. Stefan Leible/ Ansgar Ohly/Herbert Zech) 2010, S. 37. 442 Andreas Heinemann, Immaterialgüterschutz in der Wettbewerbsordnung. Eine grundlagenorientierte Untersuchung zum Kartellrecht des geistigen Eigentums, 2002. Zum besseren Verständnis der Hintergründe und der Einbettung in die Rechtsordnung Wolfgang Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz – Die Stellung des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen in der Rechtsordnung, 1958. 443 Dazu für den vorliegenden Zusammenhang aufschlussreich Ernst-Joachim Mestmäcker, Gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte in der Eigentums- und Wirtschaftsordnung, Festschrift für Ulrich Immenga, 2004, S. 261; ders., Urheberrechte auf dem Marktplatz der Ideen, Liber Amicorum Reinhold Kreile, 2005. 444 Siehe nur Jens Petersen, Medienrecht, 5. Auflage 2010, S. 207 f.; zu einem Spezialproblem Ernst-Joachim Mestmäcker, Zur Urhebervergütung für Tonträger im europäischen Gemeinschaftsrecht, Festschrift für Ernst Reichhardt, 1990, S. 141. 445 Siehe dazu Axel Metzger, Vom Einzelurheber zu Teams und Netzwerken: Erosion des Schöpferprinzips?, in: Wissen – Märkte – Geistiges Eigentum (Hg. Stefan Leible/Ansgar Ohly/Herbert Zech) 2010, S. 79.  

























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bb) Rechtliche und soziale Ordnung als stabilisierender Faktor Eucken betrachtet die wirtschaftliche Wirklichkeit auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung. Diese ist zwar – insoweit ähnlich wie bei der reichsgerichtlichen Kartellrechtsrechtsprechung (GN 245) – nicht der Ausschlag gebende Faktor, so dass die Rechtsordnung die Wirtschaftsordnung gewiss nicht einseitig bestimmt. Jedoch ist auch hier das Datum der rechtlichen und sozialen Ordnung immerhin einflussreich genug (KU 65), dass es sich als stabilisierender Faktor einer von Eucken für fragwürdig gehaltenen ordnungspolitischen Weichenstellung erweist (GWP 236). In diesem Sinne versteht Eucken auch in den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e das Patentrecht als Beispiel für die rechtliche Bewältigung der Problematik zunehmenden technischen Wissens: „Darüber hinaus hat die Schaffung der modernen Patentgesetze, die einen gewissen, wenn auch befristeten Schutz vor Nachahmungen boten, den Strom der Erfindungen wahrscheinlich vermehrt“ (GN 157).446 Eucken gesteht also durchaus zu, was weiter oben unter dem Gesichtspunkt der patentrechtlichen Ansporntheorie für möglich gehalten wurde.447 Jedoch zeigt sich auch hier etwas, das für das Verhältnis der Rechtsordnung zur Wirtschaftsordnung bezeichnend ist, nämlich, dass die rechtliche Normierung nicht zwingend kausal ist für bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (GN 55), wenn es sie auch sicherlich positiv begünstigt hat: „Es besteht kein wirtschaftlich-notwendiger Bedingungszusammenhang zwischen Änderung der rechtlich-sozialen Organisation und der wachsenden Erfindertätigkeit“ (GN 157). Dass dies nicht zwangsläufig der Fall ist, stimmt wohl. Indes ist hier aufgrund seiner generellen Skepsis gegenüber patentrechtlichen Ausschließlichkeitsrechten vielleicht auch der Wunsch Träger des Gedankens, weil die immerhin typische Folge zunehmender Innovationsbemühungen nach Modifizierungen der rechtlich-sozialen Organisation zumindest alles andere als fernliegend ist, wie Eucken an der zuvor zitierten Stelle einräumt. Das kann jedoch letztlich dahinstehen.  













b) Wirtschaftsverfassungsrechtliche Reichweite Wichtiger für den vorliegenden Zusammenhang ist nämlich die Folgerung, die sich daraus für Euckens Theorie der Interdependenz der Ordnungen, insbesondere im Hinblick auf die Rechts- und Wirtschaftsordnung ergibt. Vor allem aber ist

446 Weiterführend Dietmar Harhoff, Erfindungen und Innovationen in der globalen Wirtschaft – Zur Entwicklung des Patentsystems, in: Wissen – Märkte – Geistiges Eigentum (Hg. Stefan Leible/ Ansgar Ohly/Herbert Zech) 2010, S. 37. 447 Sonia Elisabeth Koikkara, Der Patentschutz und das Institut der Zwangslizenz in der Europäischen Union, 2010, S. 18, zu ihr mit instruktivem Überblick.  









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dies wirtschaftsverfassungsrechtlich weitreichend, weil geringfügig scheinende Weichenstellungen beträchtliche Folgen zeitigen können, wie der Hinweis auf die mögliche Monopolbildung zeigt. Jede noch so kleine Änderung in diesem sensiblen Teilbereich der Rechtsordnung kann die Kräfteverhältnisse neu ordnen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich der einleitende Satz: „Jede Teilordnung ist als Glied der Wirtschaftsordnung zu sehen“ (GWP 9). Der Sache nach ist hiermit wiederum die weiter unten noch zu vertiefende Interdependenz der Ordnungen angesprochen. Einstweilen kann es an dieser Stelle mit dem Hinweis darauf bewenden, dass minimal erscheinende Änderungen in einem Teilbereich der Rechtsordnung zu maximalen Verschiebungen der Wirtschaftsordnung führen können – insbesondere dann, wenn durch sie die wirtschaftlichen Machtverhältnisse nachhaltig verändert werden. Nicht minder aufschlussreich ist Euckens Analyse der umgekehrten Konstellation. Wenn eine für die Wirtschaftsordnung maßgebliche Grundentscheidung getroffen wurde, etwa die von Eucken abgelehnte Zentralwirtschaft befördert wird, dann erscheinen Rechtsakte von vornherein in einem anderen Licht. Er veranschaulicht dies am Beispiel kartellrechtlicher Bestimmungen der unmittelbaren Nachkriegszeit: „Im Jahre 1947 erschienen Gesetze zur Kartellauflösung und Konzernentflechtung in Deutschland, um wirtschaftliche Machtstellungen zu zerstören“ (GWP 10). Es spielt hier keine Rolle, welcher Art und wie beschaffen diese Regelungen im Einzelnen waren; wichtig ist nur, dass der Wirtschaftsprozess seinerzeit zentralwirtschaftlich gelenkt wurde. Es gab also keine freie Preisbildung, weil der Preismechanismus außer Kraft gesetzt war.448 Das erklärt die folgende Hypothese: „Wäre aber die Wirtschaftsordnung eine andere gewesen, als sie es in Deutschland 1947 tatsächlich war, hätten nicht Zentralverwaltungsstellen die Lenkungsfunktionen ausgeübt, sondern hätten Preise als Regulatoren gedient, dann hätte das Antimonopolgesetz etwas ganz anderes und zugleich sehr viel mehr bedeutet“ (GWP 10). Der Effekt eines Gesetzes hängt somit von der Wirtschaftsordnung ab. In einer zentral geleiteten Wirtschaftsordnung entfaltet ein Gesetz zur Eindämmung von Monopolen nicht die gewünschte Wirkung. Der Preismechanismus als Regulativ hätte eine größere Unabhängigkeit von den Einschätzungen  







448 Zum Preismechanismus auch Viktor Mayer-Schönberger/Thomas Ramge, Das Digital. Markt, Wertschöpfung und Gerechtigkeit im Datenkapitalismus, 2017, S. 50, 58 f., die ihn maßgeblich an Hayek knüpfen (ähnlich Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, passim). Sie geben allerdings auch zu bedenken, dass preisbasierte Märkte „auch ein Anachronismus sind. Im Informationszeitalter, einer Ära geprägt durch beispiellose Fortschritte in unseren Fähigkeiten, Informationen zu kommunizieren und zu verarbeiten, ist deren Verdichtung in einer Zahl überholt“. Siehe zum Preismechanismus nach Hayek auch Yuval Noah Harari, Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen, 2018, S. 566.  





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möglicher Entscheidungsträger bedeutet, die in einer Zentralverwaltungswirtschaft einen gerichtlich nicht nachprüfbaren Einfluss zu nehmen pflegen.

c) Entwicklung der Wirtschaftsordnung und Gestaltung der Rechtsordnung Euckens hypothetische Überlegung verdeutlicht zugleich eine für das Verständnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung wesentliche Grundlegung, die Eucken nicht von ungefähr in seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e ausgearbeitet hat. Denn dort hat er festgestellt, wie „die Entwicklung der Wirtschaftsordnungen häufig auf die Gestaltung der Rechtsordnungen wirkt“ (GN 55). Auch hieran erkennt man, wie sein nationalökonomisches Grundlagenwerk auf seine wirtschaftspolitischen Grundsätze bezogen ist. Er veranschaulicht das mit einer sinnfälligen Parallele aus dem Familienrecht: „Wie das staatliche Familienrecht nicht die Familie geschaffen hat, sondern die Familie sich erst gebildet hatte, und die Gesetzgeber ihr dann eine gewisse Form geben wollten, so liegt es auch meist in der Wirtschaft“ (GN 55 f.). Das sinnfällige Beispiel ist nicht zuletzt für Juristen bedenkenswert, weil es zeigt, dass sich bestimmte soziale Erscheinungsformen von selbst entwickeln, bevor sie rechtlich reglementiert und fortgestaltet, aber eben nicht geschaffen werden. Die Evolution des Wirtschaftsprozesses und die Setzung positiven Rechts bedingen einander also nicht notwendigerweise, auch wenn sie mitunter typischerweise aufeinander folgen. Wie erinnerlich, hat Eucken gerade in diesem Zusammenhang am Beispiel der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zur Kartellbildung verdeutlicht, dass es nicht zwangsläufig die Vorgaben der Rechtsprechung sind, welche die Wirtschaftsordnung prägen, sondern dass dieser selbst gewisse wirtschaftliche Ordnungstatsachen zugrunde liegen, die auch dann prägende Kraft entfalten würden, wenn die Rechtsordnung sie nicht mitbestimmt hätte: „Daß aber überhaupt die Kartellbewegung in Gang kam und daß sich bestimmte Kartellformen in bestimmten Industrien bildeten, während in anderen Industriezweigen die Kartellbildung unerheblich blieb, und so eine ‚gemischte‘ Ordnung der industriellen Wirtschaft entstand, ist aus ganz anderen Gründen zu erklären“ (GN 55). Dieser Rückblick auf das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung mit ihrer wechselseitigen Abhängigkeit und Beeinflussung ist deswegen weiterführend, weil er gerade im Bereich der Monopolbildung veranschaulicht, dass Verschiebungen und Vergrößerungen wirtschaftlicher Macht zu Störungen des wirtschaftlichen Gleichgewichts führen können:449 „Die Rentabilitäts 







449 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 390 f., hat  



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rechnung des Monopolisten führt nicht notwendig dazu, die bestmögliche Versorgung des Marktes zu bewirken“ (GWP 33). Das ist zugleich ein Seitenhieb auf jene, die einer unbedingten und vor allem ohne jede Rahmengesetzgebung eingeschränkten spontanen Ordnung vertrauen, durch die Eigeninteresse und Allgemeininteresse automatisch zu einem für alle förderlichen Ausgleich gelangen. Dieser Verabsolutierung der Idee einer spontanen Ordnung hat Eucken bereits im Rahmen seiner Kritik des Laissez-faire eine Absage erteilt (GWP 27). Beim Monopolisten verfängt diese Idealvorstellung schon deswegen nicht, weil er sich eben nicht anzupassen braucht (GWP 40). Er kann seinen Gewinn eigennützig auskehren, ebenso gut aber reinvestieren, um seine Marktmacht noch weiter auszudehnen. Doch beeinträchtigt auch diese Erweiterung des Handlungsspielraums durch wirtschaftliche Macht das Gleichgewicht: „Das Monopol verursacht partielle Unterinvestition“ (GWP 37). Es fehlt der Anreiz, in die Verbesserung des eigenen Produkts zu investieren, wenn es auch in unveränderter Form garantierte Gewinne abwirft. Von daher beurteilt Eucken Monopole generell als nachteilig für das gesamtwirtschaftliche System, weil sie dessen Gleichgewicht aus den Fugen bringen: „Je stärker sich die Monopole in einem Lande vermehren, um so größer sind die Gleichgewichtsstörungen, die entstehen“ (GWP 43). Wenn also die Rechtsordnung wirtschaftliche Machtballungen ermöglicht, kommt es unweigerlich zu Irritationen im Bereich der Wirtschaftsordnung. Auch hieran zeigt sich unausgesprochen die Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung.  









3. Vollständige Konkurrenz als Ziel der Monopolgesetzgebung Die Wettbewerbsordnung muss nach Eucken von der Verwirklichung vollständiger Konkurrenz geprägt sein (GWP 249).450 Er stellt die Frage nach ihrem Wesen  

dies in anderem Zusammenhang durch die weiterführende Überlegung einer eigenständigen Legitimationswirkung angereichert, die durchaus im Sinne Euckens Verständnis des Zusammenwirkung von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung sein dürfte: „Durch ein Verständnis des Privatrechts, wonach dessen Institute auf der Grundlage des Gedankens der ‚Interdependenz der Ordnungen‘ bei Erwerb und Ausübung von Marktmacht eingeschränkt werden können, werden die individuellen wirtschaftlichen Freiheiten zwar bei formaler Betrachtung beschränkt. Sie gewinnen aber einen neuen inneren Legitimationsgrund hinzu, da Fehlentwicklungen als Herausforderungen an das durch die Idee individueller Selbstbestimmung gekennzeichnete marktwirtschaftliche System verstanden werden“. 450 Aus dem älteren angloamerikanischen Schrifttum Edward Chamberlin, The Theory of Monopolistic Competition. A Reorientation of the Theory of Value, 1933 (6. Auflage 1969); Joan Robinson, The Economics of Imperfect Competition, 1933; Arthur Burns, The Decline of Competition, 1936.  

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und beantwortet sie sogleich: „Was ist vollständige Konkurrenz? Sie ist eine bestimmte, exakt definierbare Marktform und ist nicht mit dem Laissez-faire zu verwechseln. Sie ist auch etwas ganz anderes als ‚Monopolkampf‘“ (GWP 247). Die Tonstelle liegt hier wohl auf der genauen Bestimmbarkeit. Das erschließt sich leichter, wenn man sich eine weiter oben behandelte Formulierung vergegenwärtigt, wonach das Monopol einen Grenzfall der Konkurrenz bzw. diese einen Grenzfall des Monopols darstellt (GN 100).  



a) Vollständige Konkurrenz durch Leistungswettbewerb Auch hieran zeigt sich, wie eng Euckens Werk mit den Erkenntnissen der grundlegenden Schrift seines Freiburger Mitstreiters Franz Böhm über ‚Wettbewerb und Monopolkampf‘ verzahnt ist, auf die er denn auch verweist.451 Die vollständige Konkurrenz ist also eine Marktform, welche die Wettbewerbsordnung beherrscht (GWP 246). Sie ist nicht auf Konfrontation angelegt. Vielmehr geht sie davon aus, dass sich die über Preisbildung und Preismechanismus ermittelte attraktivere Leistung am Markt durchsetzen wird: „Vollständige Konkurrenz besteht nicht im Kampf von Mann gegen Mann, sondern vollzieht sich in paralleler Richtung. Sie ist nicht Behinderungs- oder Schädigungswettbewerb, sondern ‚Leistungswettbewerb‘“ (GWP 247). Martialische Wettbewerbsvorstellungen sieht er offenbar am ehesten in ganz und gar unregulierten spontanen Ordnungen verwirklicht, in denen allenfalls das Rechtsprinzip des neminem laedere gilt (GWP 26). Der von ihm interessanterweise apostrophierte Leistungswettbewerb setzt hingegen ein unkoordiniertes Zusammenwirken unterschiedlicher Individuen mit je eigenen Zielen voraus, die einander nicht zielgerichtet bekämpfen, sondern jedes auf seine Weise am Markt eine Leistung anbietet. Es geht letztlich um die Einhaltung der die Wirtschaftspolitik konstituierenden Prinzipien.452 Behinderung oder Schädigung von Mitbewerbern sind rechtswidrige Instrumente, denen die Rechtsordnung unter keinen Umständen und in  





451 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933. 452 Zutreffend Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 352, wonach „für Eucken die vollständige Konkurrenz gleichbedeutend ist mit der Einhaltung der Spielregeln des Leistungswettbewerbs, als da sind: Geldwertstabilität, offene Märkte, Privateigentum, Haftung und Konstanz der Wirtschaftspolitik“. Ebenso zur Bindung der Unternehmen an die Spielregeln des Leistungswettbewerbs Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 19; speziell zu den offenen Märkten bereits ders., Offene Märkte im System unverfälschten Wettbewerbs in der EWG, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. 345.  





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keiner Weise, auch nicht durch schiere Duldung, Vorschub leisten darf. Daher gilt auch für Eucken das Prinzip: „Wer Monopolkämpfe gewähren läßt, behindert die Entwicklung des Leistungswettbewerbs. Und wer den Leistungswettbewerb will, kann nicht Monopolkämpfe bejahen und gewähren lassen“ (GWP 43). Diese Betonung des Leistungsprinzips liegt ganz auf der Linie, die schon Franz Böhm in seiner Habilitationsschrift gezogen hat.453 Das ist zunächst eine klare Absage gegen jegliche Form des Behinderungswettbewerbs, der „oft die Öffnung der Märkte durch die Gesetzgebung unwirksam machte und den Wettbewerb der Leistung verhinderte“ (GWP 42). Wiederum entfaltet also die Gesetzgebung eine maßgebliche Auswirkung auf die Gestaltung der Wirtschaftsordnung, hier jedoch eine potentiell verhängnisvolle. Gesetzgebung und Wissenschaft müssen in diesem Bereich zusammenwirken. „Ziel der Monopolgesetzgebung und der Monopolaufsicht ist es, die Träger wirtschaftlicher Macht zu einem Verhalten zu veranlassen, als ob vollständige Konkurrenz bestünde“ (GWP 295).454 Das ist rechtstheoretisch aufschlussreich. Gesetzgebung wird von Eucken ganz selbstverständlich als Instrument der Verhaltenssteuerung eingesetzt, allerdings nicht so sehr bevormundend-paternalistisch als vielmehr ausgleichend. Das erinnert an eine moderne Diskussion der Verhaltenssteuerung durch Anreizsysteme, die seit einigen Jahren international erörtert wird.455  





b) Interdependenz wirtschaftspolitischer Akte Die vollständige Konkurrenz ist in den Kategorien des Kantianers Eucken gesprochen eine Art regulative Idee; sie ermöglicht eine Als-ob-Betrachtung.456 Es soll 453 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, Nachdruck 2010 (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker), S. 169, führt dies wortgewaltig aus: „Im Gegensatz zu dem klassischen Leistungsprinzip hat das Prinzip der monopolistischen Marktausbeutung und hat das Prinzip des nichtleistungsmäßigen Monopolkampfes ausschließlich produktionseinschüchternde, wirtschaftslähmende Wirkung. Die nachteiligste Wirkung besteht darin, daß eben die echte wirtschaftliche Bewährung und Leistungsanstrengung ihres Lohnes nicht mehr sicher sein kann. In einer Wirtschaft, in der es möglich ist, einen lästigen Konkurrenten auch auf andere Weise als durch Überflügelung loszuwerden (…), in einer solchen Wirtschaft herrscht keine Berechenbarkeit und keine Sicherheit mehr“. – Das entspricht der Sache nach auch dem, was Eucken zu den Erfordernissen der Rechtsstaatlichkeit sagt (GWP 48 ff.). 454 Zur Wettbewerbspolitik des ‚Als ob‘ im Verhältnis zu Hayek Ernst-Joachim Mestmäcker, Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts. Beiträge zu Recht, Wirtschaft und Gesellschaft in der EU, 2016, S. 162, 180 f. 455 Richard H. Thaler/Cass. R. Sunstein, Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt, 2009. 456 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 458, hat  













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also verhindert werden, dass Preisbildung und Preismechanismus gestört werden, damit die Wettbewerbsordnung nicht aus den Fugen gerät: „Die Rentabilitätsrechnung des Monopolisten führt nicht notwendig dazu, die bestmögliche Versorgung des Marktes zu bewirken“ (GWP 33). Auch hier begegnet man wieder dem Gedanken, dass im Falle des Monopols Eigeninteresse und Gemeinwohlinteresse nicht harmonisch zusammenwirken, wenn ein Anbieter über erdrückende Marktmacht verfügt. Zumindest dann, wenn der Monopolist zu rechtswidrigen Maßnahmen greift, kommt man nicht umhin, gesetzliche Regulierungen zu erlassen. Euckens diesbezügliche Haltung, die ein gesetzgeberisches Einschreiten und legislatorische Eingriffe für unerlässlich hält, ist gegenüber unredlichen Wettbewerbern unmissverständlich, wobei er bedenklich weit geht, wenn er sogar Treueprämien untersagen möchte: „Jede Art des ‚Behinderungswettbewerbes‘, also Sperren jeglicher Form, Treurabatte, Exklusivverträge und Kampfpreise gegen Außenseiter mit dem Ziel der Vernichtung oder Abschreckung sind zu verbieten“ (GWP 267). Dass Eucken auch den in diesem extrem weiten Sinne verstandenen ‚Behinderungswettbewerb‘ apostrophiert und verboten wissen möchte, ist wohl sichtbarster Ausdruck einer gewissen Überspitzung und nur dadurch ansatzweise zu  



dies besonders deutlich formuliert: „Diese Ansicht basiert auf dem zutreffenden Kern, dass ein wirksamer Wettbewerb – wie bereits der frühe Ordoliberalismus betonte – als Mindestbedingung die Aufrechterhaltung autonomer Interessenträger erfordert, die ihre Freiheit zur Veranstaltung von Wettbewerb auch tatsächlich ausüben, im Sinne eines Handelns unter Ungewissheit über die Reaktion der Wettbewerber auf die Ausübung eines unternehmerischen Aktionsparameters“. Siehe auch ebenda, S. 363, der Euckens Kontrollmaßstab dahingehend zusammenfasst, dass Unternehmen in Fällen natürlicher Monopole „zu einem wettbewerbsanalogen Verhalten (Als-obWettbewerb) zu verpflichten sind“. Ernst-Joachim Mestmäcker, Das Privatrecht vor den Herausforderungen der wirtschaftlichen Macht. Zugleich eine Besprechung des Buches von Knut W. Nörr „Die Leiden des Privatrechts. Die Kartelle in Deutschland von der Holzstoffkartellentscheidung zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“, Tübingen 1994, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 60 (1996) 59, 60, nimmt dies richtigerweise bei natürlichen Netzmonopolen an (siehe auch dens./Heike Schweitzer, Netzwettbewerb, Netzzugang und „Roaming“ im Mobilfunk. Eine Untersuchung nach TKG, GWB und dem Recht der EG, 1999; siehe auch Thomas Fetzer/Martin Peitz/Heike Schweitzer, Ökonomische und juristische Grundlagen der Netzneutralität, 2012; dieselben, Flexible Geschäftsmodelle der Telekommunikation und die Netzneutralitätsdebatte, Wirtschaftsdienst 2013, 695; Heike Schweitzer/Thomas Fetzer, Wettbewerbsrechtliche Aspekte der Netzneutralität, 2012). Zu einer wichtigen Spezialfrage des damaligen Rechts, freilich mit zeitlos gültigen Problempotential, bereits vor einem halben Jahrhundert ders., Verpflichtet § 22 GWB die Kartellbehörde, marktbeherrschenden Unternehmen ein Verhalten aufzuerlegen, als ob Wettbewerb bestünde, Der Betrieb 1968, 1800; grundlegend ders., Das marktbeherrschende Unternehmen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1958. Aus dem älteren Schrifttum prägend Leonhard Miksch, Wettbewerbspolitik des „Als-Ob“, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 105 (1949) 310.  







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rechtfertigen, dass die – schwer erweisliche – Abschreckungs- oder gar Vernichtungsabsicht belegt sein muss.457 Der freie Markt findet also dort seine Grenze, wo die Freiheit ausgenutzt wird, um Mitbewerber an der Entfaltung ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit vorsätzlich und sittenwidrig zu hindern.458 Allerdings warnt Eucken mit Recht davor, die Diskussion zu stark auf das Sittenwidrigkeitsurteil zu verlagern, weil die Entscheidung über die Wirtschaftsverfassung in Gestalt eines Bekenntnisses zum Leistungswettbewerb als Ordnungsprinzip bei allfälliger Unterscheidung der Marktformen häufig schon in die richtige Richtung weist (GN 241).459  





aa) Koordination der Wirtschafts- und Rechtspolitik In einem seiner späten Londoner Vorträge hat Eucken einen Lösungsweg des Problems wirtschaftlicher Macht skizziert und beispielhaft verdeutlicht: „Das Problem der wirtschaftlichen Macht ist nur zu lösen, wenn eine sinnvolle Koordination der gesamten Wirtschafts- und Rechtspolitik stattfindet“ (WW 35). Dieser Satz ist wiederum eine Ausprägung von Euckens Theorie der Interdependenz, weil die wechselseitige Abhängigkeit der unterschiedlichen Teilordnungen – hier in Gestalt der Wirtschaftsordnung und der Rechtsordnung – ebenso mitgedacht sind wie die Abhängigkeit bestimmter Akte der Rechtssetzung von der Wirtschaftsordnung (GWP 9 f.).460 Alle wirtschaftspolitischen Akte müssen demnach in dem soeben genannten Sinne aufeinander bezogen sein: „Die Wirkung jedes wirtschaftspolitischen Aktes – mag es sich um den Erlaß eines Kartellgesetzes oder um eine Veränderung des geltenden Notenbankgesetzes oder um eine Verordnung der Arbeitsvermittlung oder um irgendeine andere Frage handeln – hängt, wie man festhalten muß, von der Wirtschaftsordnung ab, in der er erfolgt“ (GWP 250).461 Dieser  















457 Gregor Bachmann, Zur Legitimation privater Macht, in: Private Macht und privatrechtliche Gestaltungsfreiheit (Hg. Florian Möslein) 2016, S. 603, 626, neigt mit guten Gründen einem moderateren Standpunkt zu: „Die danach verbleibenden Fälle, namentlich die monopolartigen Verbände, stellen aus ordoliberaler Sicht einen Sündenfall dar. Uns hat ein eher mittleres Machtkonzept angeleitet, was bei der Einzelanalyse zu der Erkenntnis führte, dass es Formen privater Macht gibt, die nicht nur legal, sondern auch legitim sind“. 458 Siehe auch Franz Böhm, Die Aufgabe der freien Marktwirtschaft, Schriftenreihe der Hochschule für politische Wissenschaft München, Heft 14, 1951. 459 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 21. 460 Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685. 461 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 14, macht am Beispiel dieser Stelle auf einen bislang so noch nicht erkannten Zusammenhang zwischen den beiden Hauptwerken Euckens im Sinne einer Kontinuität aufmerksam: „Die (sc. in GN grundgelegte)  





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Grundgedanke durchzieht die gesamte Untersuchung und wird mit immer neuen Beispielen und Akzentsetzungen wiederholend vertieft.

(1) Überspitzungen im gewerblichen Rechtsschutz und Steuerrecht Zu den wirtschaftspolitischen Akten, die koordiniert werden müssen (GWP 306), gehören also auch gesetzliche Bestimmungen, wie Eucken in einem für die Alliierten erstellten Gutachten über die I n d u s t r i e l l e K o n z e n t r a t i o n ebenso beispielhaft wie das ganze Wirtschaftsrecht überschauend auseinandergesetzt hat. Bereits die Aufzählung der unterschiedlichen, vielfältigen und mitunter indisparat erscheinenden Teilgebiete des Wirtschaftsrechts, die miteinander in Einklang gebracht und wertungsmäßig möglichst aufeinander bezogen werden müssen, veranschaulicht, dass Eucken den Grundgedanken der Interdependenz bis hinein in die Verästelungen der Rechtsordnung und ihrer einzelnen Teile verfolgt: „So das moderne Gesellschaftsrecht, insbesondere das Aktienrecht, das die Beherrschung von Unternehmen durch andere Unternehmen erleichterte und nahelegte. So ferner das Patentrecht (einschl. des Lizenzrechtes), das die Konzentration der Fertigungen bei wenigen Firmen begünstigte. Ebenso der Markenschutz mit dem Schutz der Preisbindungen der zweiten Hand, ohne die große Konzentrationen (…) nicht entstanden wären. Ferner die Handelspolitik, die (…) wesentlich den Konzentrationsprozeß förderte, weil sie die internationale Konkurrenz abschwächte oder verhinderte. Weiter das Steuerrecht, das z. B. durch Einführung und Erhöhung der Umsatzsteuern die Konzentration begünstigte. Daß auch die rechtspolitische Behandlung der Kartelle in den meisten Ländern ihren Aufbau und ihre Politik (Monopolkämpfe) begünstigte oder nur in bescheidenem Maße zu beeinträchtigen suchte, hat zur Entfaltung der Kartelle ebenfalls wesentlich beigetragen“ (OP 30 f.).462  





funktionale Interdependenz wird in den Grundsätzen der Wirtschaftspolitik als normative Interdependenz fortgesetzt“. 462 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, S. 38, stellt die Art, wie sich diese Monopolkämpfe im Unterschied zu gewöhnlichen Kampfhandlungen im Wettbewerb vollziehen, anschaulich dar und erklärt den Mechanismus, durch den die von Eucken vorausgesetzte Annahme praktisch vonstatten geht: „Die Kampfhandlung des Monopolkämpfers dagegen besteht darin, dass er einen fremden Wettbewerbserfolg vereitelt, (…), dessen Wirkung für ihn selbst nicht notwendig einem unmittelbaren Geschäftserfolg zu bestehen braucht, ja sogar nachteilig sein kann. Der Monopolkämpfer ist also nicht darauf angewiesen, im Kampfe selbst, solange er dauert, und vermittels seiner Kampfhandlungen Gewinne zu erzielen; er kann vielmehr eigene Verluste und schwere Opfer in Kauf nehmen, weil der typisch monopolistische Geschäftsgewinn erst nach erfolgreich beendetem Kampf verwirklicht werden kann, sozusagen durch nachträgliche Brandschatzung des mehr oder weniger teuer eroberten Gebietes (des  

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Auch in dieser wirtschaftsrechtlichen Hinsicht wird man Eucken nicht in allen Einzelheiten zustimmen können, weil er, wie weiter oben gesehen (GWP 268), gerade im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes zu Überspitzungen neigt (WW 35), während es eines wirksamen Schutzes von Marken oder Patenten in einer Verkehrswirtschaft durchaus bedarf.463 Wichtiger ist wohl aus heutiger Sicht, dass seine tiefgreifende Skepsis zumindest eine Richtung angibt, die bedenkenswert ist, wenn es darum geht, dass ein von Interessenten-Ideologien oder Lobbyisten ihrerseits überzogener Marken- und Patentschutz ohne zureichende rechtliche oder ökonomische Rechtfertigung gefordert wird, weil sich damit private wirtschaftliche Macht ungehindert ausbreiten kann (GN 101). Noch besser nachvollziehbar ist der allgemeine Gerechtigkeitsgesichtspunkt, dass nationale Steuerrechtsvorschriften möglichst nicht den Zweck verfolgen dürfen, international agierende Unternehmen zu diskriminieren; zumindest sollten solche Regelungen zum Schutz der inländischen Wirtschaft auf Extremfälle beschränkt sein. Dass schließlich Umsatzsteuererhöhungen unter Umständen Fusionen faktisch begünstigen oder zumindest nahelegen können, wie Eucken ebenfalls befürchtet, wird man hinnehmen müssen; es ist seit jeher die Crux des Steuerrechts, dass es um der Einnahmenerzielung des Staates willen, unwillkommene oder unvorhergesehene Reflexwirkungen in Kauf nehmen muss, durch welche das Steuerrecht zu einem Beweggrund für gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen führt.464  





(2) Internationale Wettbewerbsordnung und Gesellschaftsrecht Allerdings darf die vorderhand ausschließlich juristisch scheinende Auflistung nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch hier nicht nur die Rechtsordnung in Rede steht, sondern es gerade um ihre Übereinstimmung mit der Wirtschaftsordnung geht, wie die stichwortartig aufgezeigten Entartungsformen veranschaulichen. Bemerkenswert daran ist zudem die internationale Sichtweise, die Eucken dabei zugrunde legt, weil dies veranschaulicht, wie sehr es ihm zudem um die Verwirklichung einer internationalen Wettbewerbsordnung zu tun ist – so fernlie 

Marktes)“. Zum von Eucken genannten Aktienrecht praktisch wichtig Lars Rühlicke, Entlastung und Rechtsverlust, 2015, weil die Entlastung im Aktien- und GmbH-Recht auch für die von Eucken für so bedeutsam gehaltene Haftung wichtig ist. 463 Zu den genannten Materien Tobias Lettl, Gewerblicher Rechtsschutz, 2019. 464 Brigitte Knobbe-Keuk, Das Steuerrecht – eine unerwünschte Rechtsquelle des Gesellschaftsrechts?, 1986; Jens Petersen, Nutzen und Grenzen steuerrechtlicher Argumente im Zivilrecht, in: Kontinuität im Wandel der Rechtsordnung, Beiträge für Claus-Wilhelm Canaris zum 65. Geburtstag, 2002, S. 113, mit verschiedenen Beispielen.  





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gend diese seinerzeit (1946) auch war. Eucken hält jedenfalls unmissverständlich fest, dass „die Wettbewerbsordnung zur internationalen Ordnung in hohem Maße geeignet ist“ (NW 81). Gerade die im Zitat weiter oben genannte Abschwächung internationaler Konkurrenz durch wirtschaftspolitische Akte (OP 30), also namentlich Gesetze, birgt ein gewisses Problempotential.465 Daraus ergibt sich die an anderer Stelle formulierte Folge speziell für das Gesellschaftsrecht:466 „Das Aktienrecht z. B. hat alles zu vermeiden, was die Vergrößerung der Unternehmungen über das technisch erforderliche Maß hinaus begünstigt. (…) Jede einzelne Maßnahme der Wirtschaftspolitik muss – wenn sie erfolgreich sein soll – als Teil einer Politik zur Herstellung und Erhaltung einer G e s am t o r d n u n g angesehen werden“ (WW 35).467 Ob das Eingrenzungskriterium des ‚technisch erforderlichen Maßes‘ im Hinblick auf das Aktienrecht wirklich sachgerecht oder sachgesetzlich begründbar ist, kann man wohl mit Fug bezweifeln. Auch hier soll wohl eher eine Tendenz angezeigt werden, nämlich die Verschränkung der wirtschaftspolitischen Akte und die daraus resultierenden Gefahren, wenn einzelne Rechtsgebiete wirtschaftliche Macht unkontrolliert zulassen. Der von Eucken selbst hervorgehobene Begriff der Gesamtordnung unterstreicht nicht nur die Interdependenz, sondern ist unausgesprochen bereits ein Fingerzeig auf dem Weg zu einem umfassenden Wirtschaftsverfassungsrecht, von dem gegen Ende der Untersuchung noch ausführlich die Rede sein soll.  









bb) Überschießende Wirkung wirtschaftspolitischer Akte Letztlich handelt es sich zwar um eine gesetzgeberische Aufgabe, die aber durch die Wissenschaft begleitet, vorbereitet und reflektiert werden muss. Denn die historische Erfahrung lehrt Eucken, dass legislatorische Eingriffe dann nicht effizient sind, wenn das erforderliche Rechtsbewusstsein fehlt und die entgegen gerichte-

465 Vgl. nur Ernst-Joachim Mestmäcker, Staatliche Souveränität und offene Märkte. Konflikte bei der extraterritorialen Anwendung von Wirtschaftsrecht, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 52 (1988) 205, auch wenn dies vorderhand ein etwas anders gelagertes Problemfeld betrifft. 466 Siehe dazu im Hinblick auf das folgende Zitat etwa Peter O. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Auflage 1996. 467 Siehe zum Zusammenspiel von Aktienrecht, Konzernrecht und dem Problem wirtschaftlicher Macht auch die grundlegende Arbeit von Ernst-Joachim Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre. Eine rechtsvergleichende Untersuchung nach deutschem Aktienrecht und dem Recht der Corporations in den Vereinigten Staaten, 1958. Aus dem neueren Schrifttum Wolfgang Zöllner, Qualifizierte Konzernierung im Aktienrecht, Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 369.  



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ten Beharrungskräfte gesetzlichen Regelungen entgegenwirken:468 „Die Interdependenz der wirtschaftspolitischen Akte müßte uns immer wieder beschäftigen. Wenn z. B. der Versuch gemacht wird, durch ein Antimonopolgesetz die Monopole zu bekämpfen, so wird die historische Tendenz zur Konzentration, die gerade durch die übrige Wirtschaftspolitik und die Bedingungskonstellationen, die sie setzt, ausgelöst wird, stärker sein als dieses Gesetz“ (GWP 221). Der einleitende Imperativ erklärt die vielen Wiederholungen innerhalb seines Werkes, weil er offenbar den Gesichtspunkt wechselseitiger Abhängigkeit wirtschaftspolitischer Akte immer noch nicht hinreichend gewürdigt sah, woran sich aber auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod noch nicht so viel geändert hat, wie man angesichts der Breitenwirkung meinen könnte.469 Erneut ist es also der Schlüsselbegriff der Interdependenz, der es erforderlich macht, alle wirtschaftspolitischen Eingriffe auf einander abzustimmen, weil jede isolierte Beförderung unweigerlich zu Verschiebungen innerhalb der anderen Ordnungen führt. Man kann das von Eucken skizzierte Phänomen als überschießende Wirkung wirtschaftspolitischer Akte bezeichnen. Diese sollen in der Regel primär einen einzelnen Missstand bekämpfen, ein bestimmtes Problem lösen, aber sie wirken sich, ohne dass dies primär beabsichtigt wäre, zumindest sekundär in Bereichen aus, für die sie nicht vorgesehen waren. Daher müssen alle wirtschaftspolitischen Akte im Vorhinein so folgenbezogen durchdacht werden, dass ihre Ausstrahlungswirkung kalkulierbar bleibt und keine unwillkommenen Querschläger zu gewärtigen sind. Der Begriff der wirtschaftspolitischen Akte ist dabei denkbar weit gefasst, wie folgende Beispiele zeigen: „Mag es sich um ein Betriebsrätegesetz oder um ein Gesetz über Devisenmärkte oder mag es sich um die Rechtsprechung zur Umsatzsteuer oder um einen anderen wirtschaftspolitischen Akt handeln“ (WW 35). Wirtschaftspolitische Akte sind also nicht nur wirtschaftsrechtliche Gesetze, sondern es kann sich auch um eine bestimmte Rechtsprechung handeln; sie kön 





468 In diese Richtung auch Franz Böhm, Die Idee des Ordo im Denken Walter Euckens, ORDO 3 (1950) XV, XXXV. 469 Ernst-Joachim Mestmäcker, bringt im Vorwort der hier zitierten Eucken-Ausgabe dessen Methode und interdisziplinäre Ausrichtung nicht zuletzt im Hinblick auf das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zur Geltung (GWP VII): „Die Grundlagen seiner Antworten sind in methodischer Strenge gewonnene Einsichten in den Aufbau von Wirtschaftsordnungen. Die Anschauungen der wirtschaftlichen Wirklichkeit und die Lehren der Wirtschaftsgeschichte werden (…) zum Gegenstand und zum Prüfstein der Ordnungstheorie. Sie ist, wie jede gute politische Ökonomie, keine nur ökonomische Theorie. In Frage steht vielmehr die Bedeutung der Ordnung der Wirtschaft als einer Teilordnung für Staat und Gesellschaft im Ganzen. Damit kommen die Fragen in den Blick, die im Zeichen von Freiheit und Gleichheit über das Verhältnis der Wirtschaftsordnung zur Staatsverfassung und zur Rechtsordnung entscheiden“. Hervorhebungen nur hier.

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nen somit, wie wir bereits weiter oben gesehen haben, von allen drei Gewalten ausgehen. Gerade die Rechtsprechung nimmt Eucken zur Verwirklichung der Grundsätze der Wirtschaftsordnung in die Pflicht; die Richter sollen sich ihrer Bedeutung für die Wettbewerbsordnung im Klaren sein: „Würde etwa die Rechtsprechung in Fragen des Patentwesens, des Markenschutzes, der Haftung, der Vertragsfreiheit usw. Urteile ergehen lassen, welche den Prinzipien der Wettbewerbsordnung widersprechen, so wäre die Erhaltung oder die Funktionsfähigkeit der Wettbewerbsordnung bedroht“ (GWP 307). Wir haben bereits weiter oben gesehen, wie problematisch diese Forderung ist, weil sie in Extremfällen geeignet sein kann, die Unabhängigkeit der Judikative in Frage zu stellen. Es ist interessant zu beobachten, dass Eucken wiederum, wenn auch unter dem Gesichtspunkt einer anderen Art wirtschaftspolitischer Akte, von Besonderheiten des gewerblichen Rechtsschutzes, wie dem Patent- und Markenrecht ausgeht.470 Hieran zeigt sich erneut, dass er gerade aus diesem Sektor Gefahren für die Wettbewerbsordnung aufkommen sah, wenn die betreffenden Schutzgüter zeitlich oder sachlich so weitgefasst würden, dass daraus eine Konzentration privater wirtschaftlicher Macht entstehen könnte, die unwillkommenen Konzentrationsprozessen Vorschub leisten könnte.  

c) Entstehungsbedingungen wirtschaftspolitischer Akte Die Bedeutung von höchstrichterlichen Entscheidungen als wirtschaftspolitischen Akten veranschaulicht die eingangs angesprochene Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Sächsischen Holzstoffkartell, die sich in dieser Hinsicht als wenig förderlich erwiesen hat.471 Es ist somit Aufgabe der Wissenschaft, die genannten Bedingungskonstellationen detailliert zu untersuchen, da sich nur dadurch ermitteln lässt, wie die einzelnen wirtschaftspolitischen Akte – insbesondere gesetzliche Eingriffe – sich auswirken werden: „Der Leser mache die Probe und untersuche irgendeinen wirtschaftspolitischen Akt, den er in seinem Entstehen miterlebt: etwa ein Gesetz über Innungen, über Sparkassen, über den Außenhandel. Er wird auf die geschichtliche ‚Tendenz‘ stoßen, auf deren Entstehung aus einer bestimmten Bedingungskonstellation, und rückwärts gehend auf einen ‚Moment der  



470 Dazu eingehend Tobias Lettl, Gewerblicher Rechtsschutz, 2019. 471 RGZ 38, 155; ablehnend – wie weiter oben dargestellt – Franz Böhm, Das Reichsgericht und die Kartelle, ORDO 1 (1948) 197; ders., Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung, 1937, S. 150 ff.; versöhnlicher Wernhard Möschel, 70 Jahre deutsche Kartellpolitik. Von RGZ 38, 155 „Sächsisches Holzstoffkartell“ zu BGHZ 55, 104 „Teerfarben“, 1972, S. 4, wonach „dem Urteil des Reichsgerichts weitgehend mildernde Umstände zuzuerkennen sind“.  









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Krisis‘, in welchem die Serie von Tendenzen und Bedingungskonstellationen begann“ (GWP 222). Es ist rhetorisch und didaktisch aufschlussreich, dass Eucken seinen Leser auf diese Weise in seinen Gedankengang einbezieht und zum Mitdenken auffordert. Wichtig dürfte ihm der Relativsatz sein, wonach es darauf ankommt, dass der Betrachter den betreffenden wirtschaftspolitischen Akt entstehungsgeschichtlich mitverfolgt hat; hier kommt nämlich wiederum das evolutionäre Wirtschafts- und Rechtsverständnis Euckens zur Geltung.  

aa) Vertragsfreiheit als Scheinargument zur Perpetuierung von Missständen Als einen solchen wirtschaftspolitischen Akt kann man auch die Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Kartellrecht begreifen, die Eucken wohl nicht zuletzt im Blick hatte. Denn gerade durch die genannte Kartellrechts-Rechtsprechung konnte vergleichsweise längerfristig und nachhaltig ein kartellfreundliches Klima begründet werden, das sich auch gesetzlichen Regelungen in der Praxis leicht widersetzt.472 Damit erklärt sich zudem Euckens Mahnung, die sich zu einem Desiderat der Forschung verdichtet: „Eine Durchleuchtung der gesamten Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivilsachen von diesem Gesichtspunkt aus wäre notwendig“ (GN 245). Der genannte Gesichtspunkt ist aber nichts anderes als die Rechtsprechung, die sich im Gefolge der Entscheidung des Reichsgerichts über den ‚Sächsischen Holzstoff-Fabrikanten-Verband‘ entwickelt hat.473 Denn dadurch wurde sogar der Schädigungswettbewerb ermöglicht, wie er etwa durch Boykottaufrufe zu einem regelrechten Kampfprivileg geriet, weil selbst Sperren gegen Außenseiter gestattet wurden. Der Fehler im System bestand für Eucken vor allem darin, dass das an sich unverzichtbare Prinzip der Vertragsfreiheit im Gefolge dieser Rechtsprechung zu einem Scheinargument wurde, wodurch rechtliche Missstände perpetuiert wurden: „Es wurde etwa – unter Berufung auf die Vertragsfreiheit – ein Kohlensyndikat gebildet, dem gegenüber die Kohlenhändler und die Konsumenten keine Vertragsfreiheit mehr besaßen, weil sie auf einen Anbieter angewiesen waren und seine Bedingungen annehmen mußten“ (GWP 170). Es handelt sich mit anderen Worten um eine Pervertierung der konstituierenden Prinzi 







472 Siehe auch Burkhardt Röper, Der wirtschaftliche Hintergrund der Kartell-Legalisierung durch das Reichsgericht 1897, ORDO 3 (1950) 239. 473 Dazu Hans Willgerodt, Der Neoliberalismus – Entstehung, Kampfbegriff und Meinungsfreiheit, ORDO 57 (2006) 47, 59; Walter Strauß, Gewerbefreiheit und Vertragsfreiheit, Festschrift für Franz Böhm, 1975, S. 603, 610; Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685, 686; Thomas Ackermann, Wettbewerbsschutz durch Privatrecht, Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2017, S. 1057, 1059.  





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pien. Daran lässt sich zugleich ersehen, dass diese Prinzipien – also im vorliegenden Zusammenhang insbesondere die Vertragsfreiheit – eines gleichgesinnten und prinzipiengerechten wirtschaftsverfassungsrechtlichen Umfeldes bedürfen, um wirksam zu werden.  



bb) Haftung und Gewerbefreiheit als Institutionen der Wirtschaftsverfassung Auch hier steht man wieder vor der wechselseitigen Aufhebung von Freiheitsrechten durch rücksichtslose Ausübung dieser Rechte: „Die Berufung auf das eigene Freiheitsrecht dient in solchen Fällen dazu, rechtlich garantierte Freiheitsrechte anderer zu beseitigen“ (GWP 50). Nur im Verein mit den anderen konstituierenden Prinzipien entfaltet sich die Kraft der Vertragsfreiheit, die dadurch zugleich immunisiert wird gegen Missbräuche der dargestellten Art. Aber selbst dann drohen noch Gefahren, wenn nicht zugleich auch als negative Voraussetzung die wirtschaftliche Macht eingedämmt wird, durch die die Wahrnehmung von Freiheitsrechten empfindlich gestört werden kann. Ebenso wie die Vertragsfreiheit im Allgemeinen ist vor allem die Gewerbefreiheit im Besonderen gefährdet, wenn machtvolle Konsortien unter Berufung auf jene zu Lasten des wirtschaftlich weniger Einflussreichen diese, nämlich die Gewerbefreiheit, faktisch beschneiden und damit die Vertragsfreiheit zugleich ad absurdum führen. Gerade rechtsmissbräuchliche Auswüchse wirtschaftlicher Macht unter dem Gewande der Vertragsfreiheit sind jedoch die unweigerliche Folge, wenn Rechtsprechung und Gesetzgebung nicht wenigstens rechtswidrige Akte unter Privaten verbieten, zu denen Eucken namentlich die Sperrung zählt (WW 22): „Eine Firma, die mit Zement handeln will, besitzt nur formal das Recht der Gewerbefreiheit, wenn das Zementsyndikat jede Lieferung an sie ablehnt, sie also sperrt. Auf das Recht der Vertragsfreiheit pocht das Zementsyndikat: Die Mitglieder hätten das Freiheitsrecht, sich zusammenzuschließen. Und in Ausübung dieses Freiheitsrechts wird das Freiheitsrecht anderer – der Händler – annulliert“ (GWP 50). Hieran zeigt sich beiläufig, wie außerordentlich wichtig die uneingeschränkte Gewerbefreiheit für die Vertreter der Freiburger Schule ist.474  









474 Franz Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung, 1937, S. 40: „Die Einführung der Gewerbefreiheit bedeutete also eine grundsätzliche wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundentscheidung“. Zu dieser Stelle im werkimmanenten Zusammenhang zu Böhm weiterführend Viktor Vanberg, Privatrechtsgesellschaft und ökonomische Theorie, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 131, 142 mit Fußnote 36. Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 19 mit Fußnote 25, zeichnet die Bedeutung der Gewerbefreiheit für Franz Böhm – entsprechendes gilt für Eucken – vor dem illustrativen Hintergrund der Rechtsprechung des US-Supreme Court im Hinblick auf die Wirt 













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Nicht von ungefähr hat Eucken dies am Ende seiner G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e noch einmal bekräftigt und in institutioneller Weise abgesichert. Dabei ist seine Betonung der Interdependenz von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung augenfällig, auch wenn er sie nicht ausdrücklich hervorheben muss, weil sie sich aus dem Sinnzusammenhang zwanglos ergibt: „Ebenso können Rechtswissenschaft und Rechtsprechung den Sinn der Gewerbefreiheit oder der unbeschränkten Haftung nur verstehen, wenn sie in ihnen Institutionen der Wirtschaftsverfassung sehen“ (GN 242). Mit der unbeschränkten Haftung im Zusammenhang mit den von ihm sogenannten ‚Institutionen der Wirtschaftsverfassung‘ ist bereits ein wichtiges Segment seines Verständnisses des Wirtschaftsverfassungsrechts angesprochen, das am Ende der Untersuchung noch näher beleuchtet wird.  

d) Monopolkontrolle gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht? Eucken hat aus der historischen Erfahrung gelernt, dass gerade im Kartellrecht mitunter erst dann eingegriffen wurde, wenn es zu spät war: „Eine Monopolkontrolle, die sich gegen den sogenannten ‚Mißbrauch‘ wirtschaftlicher Machtstellung wendet, scheitert. Der Begriff des ‚Mißbrauchs‘ ist nicht exakt zu definieren. Die Machtkörper gewinnen bekanntlich ihrerseits einen großen politischen Einfluß in einem Staat, indem sie zu wuchern beginnen“ (GWP 172). Mit feinem Sensorium gegenüber den Mehrdeutigkeiten juristischer Begriffsbildung erkennt Eucken, dass man allein mit dem Begriff wirtschaftlicher Macht legislatorisch wenig ausrichten kann. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an Euckens Skepsis gegenüber den Begriffsökonomen, die mit ihren Deduktionen den Blick auf die Sachzusammenhänge verstellen (GN 27). Eucken zieht in bemerkenswerter Weise die Konsequenzen aus den von ihm diagnostizierten Unzulänglichkeiten der eigenen Wissenschaft und zeigt sich mit einem für einen Nicht-Juristen ungewöhnlich rational reflektierten Judiz imstande, die neuralgischen Punkte einer entsprechenden Gesetzgebung im Vorhinein zu erkennen und die diesbezüglichen Klippen zu umschiffen. Die zu gewärtigen Schwierigkeiten vorausschauend, ist ihm klar, dass die unweigerlichen Unschärfen eines am pauschalen Missbrauchs wirt 



schaftsverfassung nach und belegt damit die auch für das Verständnis des Wirtschaftsverfassungsrechts im Sinne Euckens bedeutsame Feststellung: „Eine maßgebliche rechtliche Erscheinungsform der wirtschaftlichen Handlungsfreiheiten ist die Gewerbefreiheit, die den Zugang zu Berufen und Märkten garantiert. (…) Aus dem übergreifenden Prinzip der Planungs- und Handlungsfreiheit und dem Vorrang vor staatlicher Regulierung folgt der Zusammenhang mit der politischen Verfassung“.

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schaftlicher Macht orientierten Tatbestandes die Begriffsjuristen herausfordern und die Auslegungskünste der Interessenten-Ideologen anregen werden.

aa) Prävention durch vorausschauende Rechts- und Wirtschaftspolitik Das Problem muss vielmehr im Wortsinne radikal, nämlich von der Wurzel her angegangen werden: „N i c h t i n e r s t e r L i n i e g e g e n d i e M iß b r äu c h e v o r h a n d e n e r M a c h t k ö r pe r s o l l t e s i c h d i e W i r t s c h a f t s p o l i t i k w e n d e n , s o n d e r n g e g e n d i e E n t s t e h u n g d e r M a c h t k ö r p e r ü be r h a u p t . Sonst besitzt sie keine Chance, mit dem Problem fertig zu werden“ (GWP 172). Hat sich private wirtschaftliche Macht erst einmal gebildet und womöglich in Gestalt eines Monopols verfestigt, so erweist es sich als entsprechend schwierig, repressiv dagegen vorzugehen, zumal da bezahlte Interessenvertreter ein Übriges unternehmen werden, die wirtschaftliche Macht zu zementieren. Daher muss dem Phänomen wirtschaftlicher Macht präventiv begegnet werden, und zwar durch die Herstellung einer Wettbewerbsordnung, die ihrerseits konzeptionell durch eine entsprechende Wirtschaftspolitik und Rechtspolitik getragen ist. Euckens Invektive ist jedoch dann weniger rigide, als es den Anschein hat, wenn man wiederum den Gesichtspunkt der Interdependenz berücksichtigt, wonach Rechtspolitik und Wirtschaftspolitik harmonisch ineinandergreifen müssen, wie er am Beispiel der Wettbewerbsordnung erläutert: „Hier wird der Hauptstoß in einer anderen Richtung geführt: Die Entstehung von monopolistischen Machtgebilden wird verhindert. Und zwar nicht nur durch Kartellverbote, sondern – was weit wichtiger ist – durch eine Wirtschafts- und Rechtspolitik, welche die starken Kräfte der Konkurrenz, die in der modernen Wirtschaft vorhanden sind, durch Anwendung der konstituierenden Prinzipien zum Durchbruch bringen. Der Staat befreit sich dadurch weitgehend vom Einfluß privater Machtgruppen“ (GWP 292 f.).475 Hier scheint die wirtschaftsverfassungsrechtliche Bedeutung der von Eucken entwickelten Prinzipien auf, deren konsequente Durchsetzung die Rechts- und Wirtschaftsordnung gegen wirtschaftliche Macht durch wettbewerbsfeindliche Kartellierung unempfänglich machen soll.476 Kaum etwas ist dazu besser geeignet als die Wettbewerbsordnung mit ihrem belebenden Element der Konkurrenz.  









475 Siehe dazu auch Ernst-Joachim Mestmäcker, Warum das Kartellverbot nicht am Privatrecht scheitert. Zur funktionalen Interpretation von Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Wirtschaft und Wettbewerb 1971, S. 83; Kurt Biedenkopf, Freiheitliche Ordnung durch Kartellverbot. Vom Sinn eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, in: Aktuelle Grundsatzfragen des Kartellrechts (Hg. Ders./Rudolf Callmann/Arved Deringer) 1957, S. 11. 476 Zum Ganzen auch Kurt Biedenkopf, Vertragliche Wettbewerbsbeschränkung und Wirtschaftsverfassung. Die Ausschließlichkeitsbindung als Beispiel, 1958.  



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bb) Unsichtbare Hand der Güterströme und ‚sichtbare Hand des Rechts‘ Eucken hat die Problematik der Monopole anhand eines illustrativen Bildes erklärt, das an Adam Smiths berühmte unsichtbare Hand erinnert:477„Würden wir aus der Vogelperspektive ein Land betrachten, würden wir also gleichsam makroökonomisch die Phänomene sehen, so würde sich zeigen: tagtäglich fließen die vorhandenen Vorräte an Weizen, Eisen, Leder, Brot und anderen verbrauchlichen Produktionsmitteln und Konsumgütern Teilmenge für Teilmenge in die einzelnen Betriebe und Haushalte“ (GWP 39).478 Dieser perspektivische Blick von oben erinnert deswegen an Adam Smith,479 weil sich die unterschiedlichen Leistungen und Vertragserfüllungen vom Standpunkt eines Beobachters, der dies von oben erblickt, als ungeordnet darstellen, während sie in Wahrheit einem natürlichen System der Freiheit entspringen,480 in dem alle Leistungen aufeinander abgestimmt sind, und sich auf diese Weise eine spontane Ordnung unter Wahrung des konstituierenden Prinzips der Vertragsfreiheit herausbilden kann.481  

477 Grundlegend dazu Ernst-Joachim Mestmäcker, Die sichtbare Hand des Rechts. Über das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftssystem, 1978, S. 139 ff. Siehe auch Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 209 ff. 478 Jochen Mohr, Der Begriff des Verbrauchers und seine Auswirkungen auf das neugeschaffene Kaufrecht und das Arbeitsrecht, Archiv für die civilistische Praxis 204 (2004) 660, hat unter Berücksichtigung der Unzulänglichkeiten der – auch von Eucken abgelehnten – Richtung des Laissez-faire aufgezeigt, warum eine allein die Vertrags- und Wirtschaftsfreiheit gewährleistende Rechtsordnung noch keine hinlängliche Wirtschaftsordnung schaffen könnte. 479 Wichtig zur Einordnung Ernst-Joachim Mestmäcker, A Legal Theory without Law. Posner v. Hayek on Economic Analysis of Law, 2007, S. 24: “The Adam Smith approach was taken up and elaborated by Hayek and German liberals. Hayek associated himself with, and was part of, the so-called Freiburg School. Other representatives of the school included the economist Walter Eucken and the lawyer Franz Böhm. Both developed the concept of an economic order that combined the rationality of the market economy with the mandates of economic and political liberty”. 480 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 233, zu einem anderen Gesichtspunkt, der die Lehre von Adam Smith mit derjenigen Euckens von der Interdependenz der Ordnungen in Einklang bringt. 481 Ebenso anschaulich wie rechtstheoretisch und dogmatisch weiterführend Detlef Leenen, BGB Allgemeiner Teil: Rechtsgeschäftslehre, 2. Auflage 2015, Randnummer 8: „Wenn morgens unzählige Personen landauf landab in alle Himmelsrichtungen eilen, per PKW, mit dem Handwerker-Transporter, mit dem ‚Brummi‘-Laster, mit dem Fahrrad, mit der Bahn und mit dem Flugzeug, dann sind die meisten von ihnen unterwegs um Verträge zu erfüllen, die sie in Ausübung ihrer Privatautonomie eingegangen sind. Was als Chaos miteinander nicht abgestimmter, weil nicht zentral geplanter Einzelvorgänge erscheint, fügt sich – wie von unsichtbarer Hand gesteuert – zu einem geordneten marktwirtschaftlichen System der bestmöglichen Versorgung aller mit Gütern und Leistungen zusammen“.  























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Allerdings muss man dies mit einem entscheidenden Vorbehalt versehen, weil Eucken spontanen Ordnungen, die nur durch das allgemeine Rechtsprinzip gebändigt sind, skeptisch gegenübersteht (GWP 341). Der von ihm geschilderte Zustand eines dezentral bewirkten Gleichgewichts stellt sich seines Erachtens dann nicht ein, wenn einzelne Marktteilnehmer über Monopolmacht verfügen, da „durch das Vorhandensein von Monopolen diese Koordination der Pläne und Handlungen aller dieser Betriebe und Haushalte zu einem gesellschaftlichen Wirtschaftsprozeß des Gleichgewichts gestört wird, daß die Annäherung an das allgemeine Gleichgewicht nur zufällig gelingt“ (GWP 40). Überhaupt ist Eucken skeptisch im Hinblick auf das Wirken der unsichtbaren Hand, weil er sie gerade in ihrer von den prominenten Vertretern der Schottischen Aufklärung, namentlich Adam Smith und Adam Ferguson betonten und später von Hayek gerühmten Absichtslosigkeit in gewisser Weise für form- und ziellos hält:482 „Die ‚unsichtbare Hand‘ schafft nicht ohne weiteres Formen, in denen Einzelinteresse und Gesamtinteresse aufeinander abgestimmt werden“ (GWP 360). Deswegen ist es so wichtig, neben der gleichsam von unsichtbarer Hand gelenkten Güterströme ‚die sichtbare Hand des Rechts‘ zu betonen, deren begriffsprägende Erkenntnis zu den bedeutendsten dogmengeschichtlichen Entdeckungen innerhalb des Wirtschaftsrechts des letzten halben Jahrhunderts zählen dürfte, weil darin eine kontinuierliche und ungebrochene Linie vom Rechtsdenken der Schottischen Aufklärung bis hin zur Freiburger Schule auf einen geistesgeschichtlich gewachsenen und teleologisch konsistenten Begriff gebracht wird.483 Dass Eucken selbst hier noch Diskontinuitäten im Verhältnis zur Wirtschaftstheorie diagnostiziert hat, dürfte weniger entscheidend sein, weil sich gerade im Hinblick auf seine Theorie der Interdependenz von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung Linien aufzeigen lassen, die von der richtig verstandenen – nämlich insbesondere die Eucken wohl noch nicht bekannten Vorlesungsmitschriften berücksichtigenden484 – Rechtstheorie Adam  







482 Adam Ferguson, An Essay of the History of Civil Society, 1767; ders., Principles of Moral and Political Science, 1792; Friedrich August von Hayek, Die Ergebnisse menschlichen Handelns, aber nicht menschlichen Entwurfs (1967), in: ders., Rechtsordnung und Handelnsordnung: Aufsätze zur Ordnungsökonomik, zitiert nach Gesammelte Schriften (GS) Abteilung A, Band 4, 2003, S. 178. 483 Grundlegend Ernst-Joachim Mestmäcker, Die sichtbare Hand des Rechts. Über das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftssystem, 1978, S. 139 ff., der diesen Zusammenhang – unausgesprochen auch und gerade im Hinblick auf das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung – in bahnbrechender Weise ausgearbeitet hat. 484 Knud Haakonssen, The Science of a Legislator. The Natural Jurisprudence of David Hume and Adam Smith, 1981, hat dies in einer beeindruckenden und bis heute unübertroffenen Pionierarbeit bewältigt.  











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Smiths der Sache nach zu den Einsichten des Ordoliberalismus führen können.485

e) Rechtfertigung von Kartellvereinbarungen durch die Kartellverordnung Die Kartellverordnung aus dem Jahre 1923, durch die Kartellvereinbarungen wirksam und damit gerechtfertigt waren (GWP 171), hat nach Euckens Ansicht – so wichtig die Verordnung auch war (WW 16) – das Problem missbräuchlicher Ausnutzung wirtschaftlicher Macht ebenfalls nicht gelöst (GWP 172), obwohl seinerzeit im Wirtschaftsministerium eigens ein hierfür zuständiger Stab begründet und im gleichen Zug ein Kartellgericht eingesetzt wurde. Doch auch dieses Vorgehen scheiterte an den Interessenten-Ideologien (GN 14): „Und so wurde von seiten der Interessenten die populäre Einrichtung der Staatskontrolle selbst nicht mehr bekämpft, dafür aber um so nachhaltiger die Methode, den Wettbewerb zu fördern“ (GWP 172). Interessenten-Ideologien stehen mit der Wettbewerbsordnung naturgemäß auf dem Kriegsfuß. Damit wurde jedoch die Wettbewerbsordnung noch nachhaltiger gestört, als es ohne den staatlichen Eingriff der Fall gewesen wäre. Ebenso aussichtslos ist für Eucken die Lösung des Problems privater wirtschaftlicher Macht dadurch, dass „der S t a a t selbst die wirtschaftliche Macht in die Hand nimmt“ (GWP 173). Denn dadurch werden Staatsordnung und Wirtschaftsordnung in einer dem Gedanken der Interdependenz zuwiderlaufenden Weise verbunden, so dass sich eher gegenteilige Effekte zeigen: „Indem die beiden Sphären der Wirtschaft und des Staates sich vereinigen, tritt eine Konzentration ein, durch die das Problem der  















485 Ernst-Joachim Mestmäcker, Soziale Marktwirtschaft – Eine Theorie für den Finanzmarkt nach der Krise?, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt? (Hg. Eberhard Kempf/Klaus Lüderssen/ Klaus Volk) 2011, S. 13, 20, zeigt anhand moderner Probleme die geistesgeschichtliche Linie von Adam Smith zu Eucken und Böhm exemplarisch auf. Ihm folgend Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 189 f. und öfter. Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 15, hat dies neuerdings noch einmal mit vornehmem Understatement und feiner Ironie bekräftigt: „Die Bereitschaft von Ökonomen, der rechtlichen Relevanz der eigenen Theorie Rechnung zu tragen, gehört nicht zum Mainstream der Disziplin. Selbst dem Begründer der Ökonomie, Adam Smith, hat man sein Grundlagenwerk über Recht und Moral nur verziehen, weil er sich von dem Geschirr oder der Fessel ‚Ethik und Recht‘ schrittweise befreit und es mit dem Werk über den Reichtum der Nationen hinter sich gelassen habe.“ Unter Verweis auf James Buchan, Crowdes with Genius, 2003, S. 227. – Dass Eucken in gleicher Weise gesündigt hat, indem er ebenfalls sowohl dem Recht als auch der Ethik einen erheblichen, ja schlechterdings konstitutiven Stellenwert innerhalb seines Wirtschaftsdenkens eingeräumt hat, wird ihm umso nachtragender vergolten, als er sich zu allem Überfluss der Sache nach gegen ein rechtlich unkontrolliertes Wuchernlassen spontaner Ordnungen ausspricht (GWP 28/195).  

















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Macht erneut verstärkt wird“ (GWP 174). Aus Sicht der Wettbewerbsordnung ist diese Zusammenführung der Macht – staatlicher wie wirtschaftlicher – ersichtlich die ungünstigste Konstellation. Der Staat ist für Eucken ein eher selbstgerechter Monopolist: „Die staatliche Monopolverwaltung fühlt sich nämlich zu diesem Verhalten berechtigt, weil die Einnahmen dem Staat oder der Stadt zufließen, also eine indirekte Steuer darstellen und nicht zu privaten Zwecken verwandt werden“ (WW 19). Eucken sieht selbst Reflexe, die sich ihrerseits wie wirtschaftspolitische Akte auswirken, überaus hellsichtig. In seinen nachgelassenen Ü b e r l e g u n g e n z u m M o n o p o l p r o b l e m fällt sein Urteil noch harscher aus: „Der Staat ist stets der rücksichtsloseste Monopolist“ (WW 83). Aus den historischen Erfahrungen ergibt sich für Eucken, dass die ungehinderte Zulassung der Vertragsfreiheit ebenso wenig zum Ziel führt, wie eine staatliche Kontrolle der Monopole, die sie zwar im Ausganspunkt gestattet, dann aber im Missbrauchsfalle einschränkt.  









f) Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung im Gesellschafts- und Steuerrecht Es ist überaus aufschlussreich, auf welche Weise Eucken an späterer Stelle erneut auf die mangelnde Effizienz der Kartellverordnung von 1923 blickt, die er zuvor schon behandelt hat (GWP 171). Denn im späteren Verlauf nennt er weitere Faktoren, die gerade für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung hochinteressant sind: „Handelspolitik, Gesellschaftsrecht, Steuerpolitik, Kartellrecht und Kartellrechtsprechung und darüber hinaus das ganze Wirtschaftsrecht haben dort und damals die Monopolbildung erleichtert und gefördert“ (GWP 292). Ohne in eine Untersuchung der rechtsgeschichtlichen Einzelheiten jener Epoche einzutreten,486 ist der Überblick jener Materien vielsagend, die Eucken kursorisch nennt. Im Rahmen seiner anaphorischen Auflistung ist es gewiss kein Zufall, dass jeweils zunächst ein wirtschaftspolitischer Bereich und sodann ein wirtschaftsrechtlicher genannt werden und sich abwechseln: Auf die Handelspolitik folgt die Nennung des Gesellschaftsrechts, auf die Steuerpolitik das Kartellrecht mitsamt der Kartellrechtsprechung. Damit bringt Eucken zum Ausdruck, dass Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsrecht einander flankierend zur Seite standen – und doch nicht zum gewünschten Ziel fanden. Mit ähnlicher Zielrichtung verdeutlicht er das Verhältnis von Steuerrecht und Gesellschaftsrecht zueinander in einem Gutachten Ü b e r d i e G e s a m t r i c h t u n g  





486 Siehe auch insoweit Knut Wolfgang Nörr, Die Leiden des Privatrechts. Kartelle in Deutschland von der Holzstoffkartellentscheidung zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1994, S. 49 ff.; ferner Rudolf Isay, Die Geschichte der Kartellgesetzgebungen, 1955, S. 38; Franz Böhm, Kartelle und Krise, Beginn einer Auseinandersetzung mit dem Isay-Gutachten, Wirtschaft und Wettbewerb 4 (1954) 367.  





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d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k : „Die Schaffung von Aktiengesellschaften haben manche Staaten aus wirtschaftspolitischen Gründen durch Umgestaltung des Gesellschaftsrechts neuerdings erschwert; gleichzeitig wurde eine Steuerpolitik betrieben, welche die Aktiengesellschaften in gewissen Fällen gegenüber Einzelfirmen begünstigte. Steuerpolitik und Gesellschaftsrecht waren nicht zureichend koordiniert, was zur Folge hatte, daß die beabsichtigte Zurückdrängung der Aktiengesellschaft nicht gelang“ (OP 3).487 Auch wenn man die konkreten wirtschafts- und rechtspolitischen Zielsetzungen in Gestalt der tendenziellen ‚Zurückdrängung‘ der Aktiengesellschaft aus heutiger Sicht schwerlich nachvollziehen kann, ist das prinzipielle Anliegen Euckens klar. Die wirtschaftspolitischen Akte verliefen hier gegenläufig und hoben sich teilweise gegenseitig auf, wenn sie nicht sogar widersprüchlich im Verhältnis zueinander waren. Rechtsordnung und Steuerordnung müssen aufeinander abgestimmt sein, um sich nicht gegenseitig zu behindern, und dürfen keine gegenläufigen Zwecke verfolgen.488 Diesen Gedanken hat Eucken bereits in seinen Grundlagen der Nationalökonomie geprägt, wo er Rechtsordnungen tadelte, „die im Gesellschaftsrecht die Bildung von Kapitalgesellschaften erschwerten, aber nicht beachteten, daß sie durch ihre Steuerpolitik die Wirkung dieser Gesetze überkompensierten“ (GN 240). Es geht hier ersichtlich einmal mehr um den Vorhalt, dass die Interdependenz der wirtschaftspolitischen Akte von den betreffenden Staaten nicht hinlänglich erfasst wurde.  

4. Monopolaufsicht als rechtsstaatskonformer Ausweg Das Problem der ‚Wucherung wirtschaftlicher Macht‘ (GWP 175) konnte also auch durch die zusammenwirkenden Mechanismen der Wirtschaftspolitik in Gestalt der Handels- und Steuerpolitik einerseits sowie des Wirtschaftsrechts in Form des Gesellschaftsrechts und Kartellrechts andererseits nicht gebannt wer 

487 Heike Schweitzer, Due Dilligence und der Markt für Unternehmensbeteiligungen. Das unternehmerische Ermessen des Vorstands einer Ziel-AG zwischen Gesellschaftsinteresse und Neutralitätsgebot, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts. Deutsches europäisches und internationales Handels- Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht (Hg. Harald Baum/Andreas M. Fleckner/Alexander Hellgardt/Markus Roth) 2008, S. 263, behandelt in gewissem Sinne eine paradigmatische Konstellation für das von Eucken Gemeinte. Siehe zu dem ebenfalls im Text angesprochenen steuerpolitischen Gesichtspunkt im Hinblick auf das Gesellschaftsrecht aus moderner Sicht auch Brigitte Knobbe-Keuk, Das Steuerrecht – eine unerwünschte Rechtsquelle des Gesellschaftsrechts?, 1986; Jens Petersen, Nutzen und Grenzen steuerrechtlicher Argumente im Zivilrecht, in: Kontinuität im Wandel der Rechtsordnung, Beiträge für Claus-Wilhelm Canaris zum 65. Geburtstag, 2002, S. 113. 488 Grundlegend und auch im Hinblick auf die Interdependenz zwischen Rechts- und Wirtschaftsordnung bedeutsam Werner Flume, Steuerwesen und Rechtsordnung, 1986.  







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den.489 Offenbar fehlte es an einem hinlänglich planvollen Vorgehen der Lenkung des Wirtschaftsprozesses, die Eucken nicht von ungefähr an den Anfang seiner Darstellung der G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k stellt (GWP 2). Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung dürfen also nicht beliebig zusammenwirken, sondern auf eine Weise, die einem konsistent gefassten Gesamtplan folgt. Die Wirtschaftspläne geben Aufschluss über die Wirtschaftsformen, und zugleich besteht eine Abhängigkeit der Wirtschaftsformen von der Art, wie die Wirtschaftspläne zustande kommen (GWP 21). Es ist unnötig zu sagen, dass hier wiederum das eingangs dargestellte Verfahren der morphologischen Analyse im Hintergrund steht.  



a) Arbeitsrecht und Monopolbildung Um aber vor diesem Hintergrund auf das Problem wirtschaftlicher Macht durch Monopolbildung zurückzukommen, ist Euckens Befund in Erinnerung zu rufen, wonach die Verstaatlichung der Monopole ebenso wenig aussichtsreich ist, wie es etwa eine von der Arbeiterschaft kontrollierte Monopolbildung vermochte: „Ist die Arbeiterschaft am Monopolgewinn beteiligt, so hat sie am Monopol ein ebenso starkes Interesse wie die Unternehmer. (…) Dadurch vereinigte sich die Arbeitergruppe mit der Unternehmergruppe zu e i n e r Monopolgruppe, und durch diese Vereinigung wurde das Gesamtinteresse nicht gewahrt“ (WW 15). Das aber würde die Güterversorgung empfindlich und nachhaltig stören. Eucken ist zwar grundsätzlich durchaus offen für Fragen der Arbeitnehmermitbestimmung und Betriebsverfassung (GWP 320).490 Seine rigiden Bedenken gegenüber jeder Art von Monopolen greifen somit durch auf die Beschäftigten, die ein wirtschaftliches Eigeninteresse am Unternehmensgewinn haben. Eine einschränkende Bedingung stellt Eucken in dieser Hinsicht daher an die Rechtsordnung:491 „Das Gewerkschaftsrecht darf eine monopolistische Vermach 



489 Zum systematischen Zusammenhang und zur Einbettung in die Privatrechtsordnung wegweisend Karsten Schmidt, Kartellverfahrensrecht – Kartellverwaltungsrecht – Bürgerliches Recht, Kartellrechtspflege nach deutschem Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1977; ders., Wirtschaftsrecht: Nagelprobe des Zivilrechts – Das Kartellrecht als Beispiel, Archiv für die civilistische Praxis 206 (2006) 169; ders., Die kartellrechtliche „Schutzobjektsdiskussion“ als Problem interdisziplinärer Wissenschaft – Rückblick auf einen Grundlagenbeitrag nach 25 Jahren, Festschrift für Erich Hoppmann, 1994, S. 372. 490 Zur aktuellen Rechtslage umfassend Mathias Habersack/Martin Henssler, Mitbestimmungsrecht, 4. Auflage 2018. 491 Kurt Biedenkopf, Erneuerung der Ordnungspolitik, in: Wirtschaftsordnung als Aufgabe. Zum 100. Geburtstag von Franz Böhm, 1995, S. 15, 21, stellt im Hinblick auf Böhm aus Sicht der Rechtsordnung klar, was wohl, wie das im Text folgende Zitat mit seinem Schlüsselbegriff der ‚Vermach 















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tung des Arbeitsmarktes nicht erlauben“ (OP 21).492 Die Objektivität dieser Erkenntnis zeigt sich für Eucken nicht zuletzt daran, dass sich nicht einmal die Arbeitnehmer und ihre Vertreter der Einsicht verschlossen hätten, dass weder Staatsmonopole noch von den Arbeitern selbst kontrollierte Machtgebilde eine angemessene Alternative seien: „Selbst in Kreisen der Gewerkschaft und der Arbeiterschaft erkennt man, dass das Problem wirtschaftlicher Macht nicht durch die Konzentration von Macht in den Händen des Staates gelöst werden kann“ (WW 79). Der Staat als Inhaber wirtschaftlicher Macht ist ihm zutiefst suspekt, weil er kraft seiner ohnehin bestehenden Autorität (GWP 327) ein Maß an Rücksichtslosigkeit ausüben könne, das die Macht noch potenziert (WW 83). Denn damit entstehen die von ihm verpönten „öffentlich-rechtlichen Gebilde, auf die auch private Machtgruppen dauernd einwirken“ (SF 131).  







b) Monopolamt zur Wahrung der Wettbewerbsordnung und des Rechtsstaats Den einzigen Ausweg erblickt Eucken in der Monopolaufsicht durch ein staatliches Aufsichtsamt, das unter dem Gesetz steht und unabhängig walten kann.493 Ohne ein solches Monopolamt „ist die Wettbewerbsordnung und mit ihr der moderne Rechtsstaat bedroht“ (GWP 294). Hier scheint in aufschlussreicher Weise das Zusammenspiel von wirtschaftlicher Macht und Rechtsstaatsidee auf, das weiter oben behandelt wurde. Erneut wird deutlich, warum Eucken davon ausgeht, dass die ungehemmte Entfaltung wirtschaftlicher Macht die Rechtsstaatsidee ins Wanken bringt und der Rechtsstaat nur dann wirksam verwirklicht wird, wenn mit der rechtsstaatlichen Ordnung eine angemessene, das heißt die Idee der Wettbewerbsordnung verwirklichende Wirtschaftsordnung einhergeht, wie Eucken in  

tung‘ zeigt, auch für Eucken gilt: „Die Vermachtung der Verkehrswirtschaft, die mit übermäßigem staatlichen Interventionismus unvermeidbar verbunden ist, hat immer auch eine Verringerung ihres Gerechtigkeitsgehalts zur Folge“. Im Einklang mit dieser zutreffenden Einschätzung stehen die Postulate von Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 36: „Eine an Markt und Wettbewerb orientierte Wettbewerbspolitik soll den Gesetzgeber von Interventionen und die Regierung von Regulierungen entlasten. Ausnahmen, die zu Eingriffen in subjektive Rechte führen, sind durch Rechtsprechung zu kontrollieren“. – Gerade letzteres steht im Einklang mit GWP 306. 492 Siehe dazu auch Franz Böhm, Das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht der Arbeiter im Betrieb, ORDO 4 (1951) 21. Dazu auch Dieter Reuter, Die wirtschaftliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer, in: Wirtschaftsordnung als Aufgabe. Zum 100. Geburtstag von Franz Böhm, Ludwig-ErhardStiftung, 1995, S. 71. 493 Ernst-Joachim Mestmäcker, Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts. Beiträge zu Recht, Wirtschaft und Gesellschaft in der EU, 2016, S. 145, nennt in ordnungstheoretischer Tradition daneben das Erfordernis einer unabhängigen Zentralbank.  











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der bereits zitierten Ablehnung von Monopolen zum Ausdruck bringt: „Monopole und Teilmonopole aber sind dem Rechtsstaat nicht adäquat, dürfen also nicht Bestandteile einer solchen Wirtschaftsordnung sein“ (GWP 52). Auch Eucken anerkennt unter bestimmten Bedingungen die Systemgerechtigkeit von Monopolen, wenn und weil die einzelnen ‚monopolistischen Positionen‘ „auf Grund echter Kostenvorteile entstanden – also ‚systemgerecht‘ – sind“ (GWP 292).494  







c) Verhaltenssteuerung durch Wettbewerbsanalogie und Haftung Doch soll hier nur sein Postulat eines unabhängigen und unter dem Gesetz stehenden Monopolamts verfolgt werden. Es hat die Aufgabe, dass „sich der Produktionsapparat wettbewerbsanalog dem ökonomischen Optimum annähert“ (GWP 297).495 Zugleich sollte die Monopolaufsicht der Wettbewerbsordnung vorausschauend ausgerichtet sein und „nach dem einfachen und realistischen Prinzip der Wettbewerbsanalogie“ (GWP 298) vorgehen. Das könne im Übrigen dazu führen, dass sich auch die Oligopolisten veranlasst sehen, „sich konkurrenzanalog zu verhalten“ (GWP 299). Dieser Gesichtspunkt der Wettbewerbsanalogie spielte schon weiter oben eine bedeutsame Rolle (GWP 348). Die damit bewirkte vorausschauende Verhaltenssteuerung wird durch die Haftungsbegründung vervollständigt.496 Davon wird noch weiter unten im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsverfassungsrecht die Rede sein. Doch soll einer der Kernsätze bereits hier zitiert werden, um den Gedankengang vorzubereiten: „Investitionen werden um so sorgfältiger gemacht, je mehr der Verantwortliche für diese Investitionen haftet. Die Haftung wirkt insofern also prophylaktisch gegen eine Verschleuderung von Kapital  







494 Erhellend dazu, auch wenn er nicht speziell diese Stelle im Blick hatte, Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II (Übersetzung Jürgen Schröder) 4. Auflage 2015, S. 230: „Es ist diese ökonomisch-rechtliche Gesamtheit, diese Gesamtheit von geregelten Aktivitäten, die Eucken – hier in einer mehr phänomenologischen als Weberschen Perspektive – das ‚System‘ nennt“. Diese Feststellung ist nicht nur wegen der Diagnose einer phänomenologischen Provenienz des Systemdenkens Euckens von Bedeutung, sondern ersichtlich auch für das Verhältnis der Rechtsordnung zur Wirtschaftsordnung. Zur damit vorausgesetzten Perspektive Webers Jens Petersen, Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2. Auflage 2014. 495 Siehe dazu auch Ernst-Joachim Mestmäcker/Heike Schweitzer, Europäisches Wirtschaftsrecht, 3. Auflage 2014, § 3 Randnummer 19. 496 Aus moderner rechtsdogmatischer Sicht weiterführend Gerhard Wagner, Die Aufgaben des Haftungsrecht – eine praktische Untersuchung am Beispiel der Umwelthaftungs-Reform, Juristenzeitung 1991, 175; ders., Haftung und Versicherung als Instrumente der Techniksteuerung, Versicherungsrecht 1999, 1441; ders., Persönliche Haftung der Unternehmensleitung: die zweite Spur der Produkthaftung?, Versicherungsrecht 2001, 1057.  















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und zwingt dazu, die Märkte vorsichtig abzutasten“ (GWP 280).497 Euckens Systemdenken erweist sich auch vor dem Hintergrund dieser Parallele als in sich geschlossen und konsistent. Zugleich veranschaulicht dies den Zusammenhang zwischen Instrumenten der Wirtschaftsordnung in Gestalt der Wettbewerbsanalogie und der Rechtsordnung in Form der Haftung.  

5. Begrenzte Leistungsfähigkeit punktueller Gesetzgebung Erneut ist es das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zueinander, das den rechten Weg weist, wenn man bedenkt, dass im Einklang mit alledem, was Eucken in seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e festgestellt hat (GN 54 f.), Gesetze allein das Problem nicht zu lösen vermögen.  



a) Sozialpolitik und Sozialgesetzgebung Dass die punktuelle Wirtschaftspolitik nicht weiterführt (GWP 9), veranschaulicht Eucken auch am Beispiel der Sozialpolitik: „Im Laufe der Zeit hat es sich jedoch gezeigt, daß mit Regelungen die aus punktuellem Denken hervorgegangen sind, soziale Fragen nicht zureichend gelöst werden können“ (GWP 312). Diese Erkenntnis bestimmt bereits den unmittelbaren Beginn seines nachgelassenen Hauptwerks (GWP 1). Das gilt namentlich für die soziale Frage selbst, deren Aufkommen Eucken nicht von ungefähr im Zusammenhang mit den rechtlichen Gegebenheiten, den Gesetzen als wirtschaftspolitischen Akten sowie dem Auseinanderfallen von normativer Gleichberechtigung und faktischer Ungleichheit veranschaulicht:498 „Entstanden war diese soziale Frage in einer Zeit der Industrialisierung und Technisierung und nach der großen freiheitlichen Gesetzgebung um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert. Freier Arbeitsvertrag, Freizügigkeit und Privateigentum herrschten. Aber während Freiheit und Gleichberechtigung der Menschen politisch und rechtlich gesichert erschienen, waren wirtschaftlich und sozial die Industriearbeiter unfrei (SF 113). Manche Umwälzungen geschahen im Zuge der französischen Revolution (GWP 12), die jedoch trotz aller Gleichheit und Freiheit die so 











497 Zu dieser Stelle im Hinblick auf Adam Smith Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 189. 498 Vgl. auch Franz Böhm, Freiheitsordnung und soziale Frage, in: Grundsatzfragen der Wirtschaftsordnung, Wirtschaftsverfassungsrechtliche Abhandlungen, Volks- und betriebswirtschaftliche Schriftenreihe der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität, Heft 2, 1954, S. 71.  





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zialen Herrschaftsverhältnisse auch in Frankreich nicht durchgängig geändert hat.499 Die industrielle Revolution brachte einen zweiten Umbruch (GWP 13). Hier wird das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zueinander besonders deutlich. Eucken hat es noch an anderer Stelle im Hinblick auf die genannte Zeitenwende vom 18. zum 19. Jahrhundert speziell auf die Rechtsordnung bezogen präzisiert: „Von den klassischen Ideen hat auch die Rechtsbildung Impulse erhalten – so das Schuldrecht und das Zwangsvollstreckungsrecht, das Konkursrecht, die Gewerbeordnung, das Gesellschaftsrecht, um nur einige Rechtsgebiete zu nennen“ (NW 56). Die ‚klassischen Ideen‘, die Eucken anspricht, waren philosophische und haben sich durch die Einwirkung auf die Rechtsordnung zu einer ‚ordnenden Potenz‘ entwickelt (GWP 340). Mit vollem Recht mahnt Eucken die Juristen, auch wenn er es nicht immer gleichermaßen offen ausspricht, die historischen, philosophischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Zusammenhänge der Gesetzgebung zu begreifen und die Abhängigkeit von der jeweiligen Wirtschaftsordnung zu erkennen. Verbriefte Freiheiten helfen wenig, wenn die Lebenswirklichkeit eine andere Sprache spricht. Das eingangs zitierte Diktum zeigt sich in aller Deutlichkeit (GN 55): Wenn man um die besagte Zeit herum nur die wichtigsten Rechtsnormen kennte, wüsste man noch vergleichsweise wenig von der wirtschaftlichen Wirklichkeit, in der sich die dadurch scheinbar Begünstigten zurechtfinden mussten.  











b) ‚Denkende Durchdringung‘ der Wirtschafts- und Rechtsordnung Von zeitloser Gültigkeit ist Euckens Skepsis gegenüber einem wissenschaftlichen Spezialistentum, deren Vertreter „manche Akte der Gesetzgebung beeinflußten“ (GWP 344) und nur punktuelle Lösungen bieten konnten, wo ein übergeordneter Blick die Interdependenz berücksichtigt (GN 50): „Dieser Punktualismus, der (…) die Wirtschaftspolitik noch weitgehend beherrscht, wird in der Wissenschaft zur Zeit in eigenartiger Weise überwunden: nämlich nicht durch die methodologisch 



499 Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Band VII: Die wiedergefundene Zeit (Übersetzung Eva Rechel-Mertens, Suhrkamp-Ausgabe 1984), S. 223 f., ironisiert dies in humorvoller Weise: „Denn fast ebenso glücklich wie darüber, seine Kollegin erschrecken zu können, war unser erster Diener, wenn er seinem Herrn zeigen konnte, daß er, wiewohl ein ehemaliger Gärtner aus Combray und jetzt einfacher Hausangestellter, zudem ein guter Franzose nach den Regeln von Saint-Andre-des Champs, aus der Erklärung der Menschenrechte die Befugnis ableitete, in voller Unabhängigkeit von ‚Werbe‘ – statt ‚Verve‘ – zu reden und sich in seiner Sache keine Befehle erteilen zu lassen, die seinen Dienst nicht betraf, und in deren Bereich infolgedessen seit der Revolution ihm niemand etwas zu sagen hatte, da er in seiner Herrschaft ja rechtsgleich war“.  







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allgemeine Reflexion, sondern in der Arbeit der Spezialisten selbst“ (GWP 344).500 Diese Klage stimmt er zwar immer aufs Neue an, erweitert sie jedoch stets um einen entscheidenden Gesichtspunkt, hier das grassierende Spezialistentum innerhalb der Wissenschaft, das sich seither noch verstärkt hat.  

aa) Interdependenz der Ordnungen versus Spezialistentum Diese Schieflage wirkt sich unweigerlich auf das Verhältnis von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung aus: Wo an die Stelle ‚denkender Durchdringung‘ (GWP 252) der Wirtschaftspolitik punktuelles Stückwerk und Flickschusterei durch Spezialisten treten, beeinflussen eben diese wissenschaftlichen Spezialisten ohne eine Ahnung von Wirtschaftsordnungspolitik die Gesetzgebung (GWP 345).501 Das führt zu einem Verfall der Ordnungspolitik insgesamt, weil der Gesamtzusammenhang der wirtschaftlichen Lenkungsmaßnahmen und damit die Interdependenz der Ordnungen aus dem Blick gerät (NW 74): „Hier, im punktuellen Denken, liegt vielleicht die stärkste Kraft, die das wirtschaftspolitische Ordnungsproblem verdunkelt. (…) Stets wird punktuell gedacht und gehandelt, wenn das Denken in Ordnungen verfällt“ (GWP 195). Das Spezialistentum gerät also zwangsläufig mit der Interdependenz der Ordnungen in Konflikt, weil niemand mehr das Ganze sieht, sondern sich hinter kleinteiligen Sachgesetzlichkeiten des eigenen Faches verschanzt. Nur eine konzeptionelle Neuorientierung, die auch denjenigen Ordnungen Rechnung trägt, die durch die moderne Technik geschaffen werden, kann der Lebenswirklichkeit gerecht werden, freilich nur durch „größte denkerische Anstrengung“ (GWP 1). Punktuelle Problembehebungen lehnt er generell ab, weil sie die strukturellen Fragen nicht zu beantworten vermögen (GWP 313): „Wer da meint, man könne Handelspolitik, Preispolitik, Patentpolitik, Agrarpolitik und überhaupt Wirtschaftspolitik punktuell und unter den Eindrücken des Tages treiben, irrt – wie wir wissen – völlig“ (GWP 251).  















bb) Gesamtzusammenhang statt wirtschaftspolitischer Einzelentscheidung Eine Wirtschafts- und Rechtspolitik, die dem Erfordernis der Interdependenz der Ordnungen nicht gerecht wird, gerät unweigerlich zum Durcheinander, weil neue Regelungen immer wieder nur ausmerzen, was krude Vorgängerbestimmungen an Unordnung hinterlassen haben: „Die Mißerfolge, welche die Wirtschaftspolitik der 500 Zur Kritik des Punktualismus auch Ingo Pies, Eucken und von Hayek im Vergleich: Zur Aktualisierung der ordnungspolitischen Konzeption, 2001, S. 32 ff. 501 Dazu auch die feinsinnige Würdigung von Franz Böhm, Die Idee des Ordo im Denken Walter Euckens, ORDO 3 (1950) XV, XXXIX.  



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meisten Länder während des letzten halben Jahrhunderts erlitten hat, sind zum erheblichen Teil auf diese Nichtbeachtung des Gesamtzusammenhangs (der sog. »Interdependenz«) aller wirtschaftlichen Tatsachen, also auf die mangelnde Koordination der wirtschaftspolitischen Einzelentscheidungen zurückzuführen“ (NW 74). Auch hieran zeigt sich, dass jede übertrieben fachspezifische Beurteilung das große Ganze aus dem Blick zu verlieren droht, wenn nicht wenigstens die Belange der benachbarten Materien mitberücksichtigt werden. Damit soll keinem oberflächlich generalisierenden Räsonnieren das Wort geredet werden, sondern der Blick auf Störungen des wirtschaftspolitischen Gesamtzusammenhangs gelenkt werden. Andernfalls werden falsche Anreize gesetzt, wie Eucken gerade am Beispiel wirtschaftsrechtlicher Regelungen veranschaulicht: „Durch zahllose Bestimmungen des Währungs-, des Steuer-, des Patent-, des Handelsrechts usw. wurde der Konzentrationsprozess sowie die Entstehung monopolistischer Machtgebilde in der Industrie entschieden vorangetrieben; in vielen Fällen ging sogar der erste Anstoß von diesen Gesetzen aus“ (WW 81).502 Hier kommt ein gewisser Gesetzespessimismus zum Ausdruck.503 Dieser gilt freilich nicht den Gesetzen insgesamt, die als wirtschaftspolitische Akte unerlässlich sind. Vielmehr wendet er sich gegen planlose Ad-hoc-Gesetzgebung. Den Zusammenhang zwischen Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung verdeutlicht er noch an anderer Stelle mit einer suggestiven Formulierung: „Wenn Wirtschaftspolitik punktuell getrieben wird, Stück für Stück, kasuistisch und fragmentarisch, dann handelt der Staat so wie der Mann, der willkürlich Eisenteile zusammensetzt. Zum Beispiel fördert in manchen Ländern das Gesellschaftsrecht die industrielle Konzentration, welche die Kartellpolitik und die Handwerkerpolitik bekämpfen“ (GWP 196). Das ist eine besonders plastische Darstellung des Sachverhalts, dass Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung nicht aufeinander abgestimmt sind.  





502 Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II (Übersetzung Jürgen Schröder) 4. Auflage 2015, S. 196, beschreibt die Tendenz des GWB aus dem Geiste der Theorie Euckens und Böhms teleologisch folgendermaßen: „Und so findet man in der deutschen Gesetzgebung einen gewaltigen anti-monopolistischen Rahmen, der jedoch keineswegs den Zweck erfüllt, in das wirtschaftliche Geschehen einzugreifen, um die Wirtschaft selbst an der Schaffung von Monopolen zu hindern. Der Zweck besteht darin, äußere Prozesse darin zu hindern, Monopolerscheinungen hervorzubringen“. Konkreter Ernst-Joachim Mestmäcker, 50 Jahre GWB: Die Erfolgsgeschichte eines unvollkommenen Gesetzes, Wirtschaft und Wettbewerb 2008, 6; ders., Der Böhm-Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Wirtschaft und Wettbewerb 1955, 285. Vor allem hat ders., Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 39 ff., wie bereits weiter oben dargestellt, die unzulängliche Behandlung des Rechts bei Foucault herausgearbeitet, die sich im Übrigen auch am Beispiel der zuletzt zitierten Stelle spiegelt: „Offen bleibt damit auch, ob und welche Rechtsregeln für die Ausübung der Regierungskunst und für die Konflikte gelten sollen, die in der Wirtschaftsgesellschaft entstehen“ (ebenda, S. 41). 503 Dazu Jens Petersen, Recht bei Tacitus, 2018, S. 1 f.  













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c) Wirkungslosigkeit und Schaden planloser Antimonopolgesetzgebung Euckens Systemdenken zeigt sich daran, dass er die Kritik gegen konzeptionslose Gesetzgebung auf alle wirtschaftsrelevanten Lebensbereiche ausdehnt, und auch auf das Kartellrecht: „Spezielle Gesetze gegen Monopole z. B. werden das Monopolproblem nicht lösen. Die Monopolentwicklung hat der punktuellen Gesetzgebung und Rechtsprechung gespottet. Bei scharfer Bekämpfung gedieh sie gut“ (GWP 305).  



aa) Komplementarität von Rechts- und Wirtschaftspolitik Diese Stelle berührt das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung unmittelbar. Sie kann am besten verstanden werden, wenn man einen weiteren Gedanken hinzuzieht, der sich im Zusammenhang mit dem noch weiter unten zu besprechenden konstituierenden Prinzip der Haftung zeigt: „Wieder ist der Inhalt einer Rechtsinstitution von der Form abhängig, in der gewirtschaftet wird. Wir fanden dies beim Eigentumsrecht und finden es jetzt beim Vertragsrecht. (Dabei wird freilich die Wirtschaftsform auch von der Rechtspolitik bestimmt, so daß eine gegenseitige Abhängigkeit besteht.)“ (GWP 278). Hier leuchtet ebenfalls der Gesichtspunkt der Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung auf. Denn die ‚gegenseitige Abhängigkeit‘ im Verhältnis der Wirtschaftsform zur Rechtspolitik bedeutet nichts anderes als eine – freilich besonders wichtige – Ausprägung der Interdependenz der Ordnungen. Besonders verhängnisvoll wirkt sich das im Bereich der Anhäufung privater wirtschaftlicher Macht aus. Eucken veranschaulicht dies am Beispiel des angloamerikanischen Kartellrechts:504 „Auch die amerikanische Antitrust-Gesetzgebung ist nicht wegen der Gesetzgebung als solcher gescheitert, sondern weil es an der komplementären Wirtschaftspolitik völlig fehlte und die Handels- und Patentpolitik, das Gesellschaftsrecht usw. Bedingungen herstellten, unter denen Monopole wucherten“ (GWP 305). Wichtig für den Umgang mit zu großer wirtschaftlicher Macht ist das Stichwort der ‚komplementären Wirtschaftspolitik‘. Es genügt also nicht, sondern schadet vielmehr, einfach eine Vielzahl gesetzlicher Bestimmungen zu erlassen, durch die Symptome wirtschaftlicher Macht bekämpft werden. Vielmehr muss die Gesetzgebung die Wirtschaftspolitik sinnvoll ergänzen und ihre Gesamtentscheidung wirtschaftsverfassungsrechtlich fortdenken.  







504 Dazu aus neuerer Sicht Herbert Hovenkamp, Implementing Antitrust’s Welfare Goals, Fordham Law Review 81 (2012) 2471. Siehe auch Andreas Heinemann, Die Anwendbarkeit ausländischen Kartellrechts, Mélanges en l’honneur de Bernard Dutoit, 2002, S. 115.  

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bb) Gefahren widersprüchlicher Rechts- und Wirtschaftspolitik Abermals zeigt sich, dass eine hektische Ad-hoc-Gesetzgebung, die keinem konzeptionellen Wirtschaftsplan folgt, das Problem verschärft.505 Bestenfalls neutralisieren sich inhomogene Bestimmungen, die nicht dem Prinzip der Einheit und Folgerichtigkeit der Wirtschafts- und Rechtsordnung verpflichtet sind: „Was Wunder also, dass sich bei einer dermaßen widersprüchlichen Wirtschafts- und Rechtspolitik die großen Konzerne und Kartelle weiter ausgebreitet haben und die spezifischen Antimonopolgesetze im großen und ganzen wirkungslos geblieben sind“ (WW 82). Dieser Gedanke zur Wirtschafts- und Rechtspolitik begegnet bei Eucken auch schon vor dem Krieg (NW 83). Aber selbst zu Beginn des Krieges war ihm die Unerlässlichkeit einer Abstimmung von Wirtschafts- und Rechtspolitik stets gegenwärtig, wie er am Ende seiner G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e abschließend festhält: „Die rechtspolitische Behandlung der Einzelprobleme erhält ihren Sinn, und die Koordination der einzelnen rechtspolitischen Maßnahmen gelingt, wenn die Rechtspolitik an den wirtschaftlichen Ordnungsgrundsätzen, deren Verwirklichung bejaht wird, ausgerichtet ist“ (GN 242). Auch dieses Desiderat steht in einem erweiterten Sinnzusammenhang mit dem Problem wirtschaftlicher Macht und dem Problem des Monopolkampfes. Überdies ist die zuletzt zitierte Stelle ersichtlich eine sinngemäße Ausprägung seiner Lehre von der Interdependenz der Ordnungen am Beispiel des Verhältnisses der Rechtsordnung zur Wirtschaftsordnung. Rigoros ist das Postulat, das er nach dem Zweiten Weltkrieg in einem 1946 für die Alliierten erstellten Gutachten über die I n d u s t r i e l l e K o n z e n t r a t i o n aufstellt: „Die besonderen Entstehungs- und Daseinsvoraussetzungen von Konzernen sollten beseitigt werden. Zu diesem Zwecke ist eine umfassende Reform des gesamten Rechts notwendig, soweit es die Richtung der Investition zu beeinflussen vermag, sowie eine Ausrichtung der Verwaltungspraxis auf die Ordnungsgrundsätze der Wettbewerbswirtschaft“ (OP 36).506 Programmatische Empfehlungen dieser Art waren wohl nur in einer Zeit des Umbruchs und Neubeginns möglich, müssen also auch vor diesem historischen Hintergrund gelesen werden und können nicht beliebig verallgemeinert werden, weil die betreffenden Forderungen sonst nur zu leicht als Aufweichungen der Gewaltenteilung missverstanden werden könnten.  





505 Wichtig zum Ganzen Erich Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, 1988; ders., Wettbewerb als Normen der Wettbewerbspolitik, in: Grundtexte zur Freiburger Tradition der Ordnungspolitik (Hg. Nils Goldschmidt/Harald Wohlgemuth) 2008, S. 659. 506 Zu einer moderneren Ausprägung Axel Metzger, Energiepreise auf dem Prüfstand: Zur Entgeltkontrolle nach Energie-, Kartell-, und Vertragsrecht, Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht 172 (2008) 458.  

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6. Staatspolitische G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k Dass Eucken für einen Staat eintritt, der private Macht und Monopolbildung in Grenzen hält, veranschaulicht ein von ihm formulierter „E r s t e r G r u n d s a t z : D i e P o l i t i k d e s S t a a t e s s o ll t e d a r a u f g e r i c h t e t s e i n , w i r t s c h a ft l i c h e M a c h t g r u p p e n a u f z u l ö s e n o d e r i h r e F u n k t i o n e n z u b e g r e n z e n . Jede Festigung der Machtgruppen verstärkt die neufeudale Autoritätsminderung des Staates“ (GWP 334).507  

a) Gestaltung der Ordnungsformen statt Lenkung der Wirtschaft Wüsste man es nicht besser, so könnte man zumindest bei oberflächlicher Lektüre meinen, dieser Satz stamme von Karl Marx.508 Indes setzt sich Eucken gerade bei der Lösung des Monopolproblems von Marx ab, weil das mit dessen Lehren einhergehende Fehlen vollständiger Konkurrenz der Ausgangspunkt aller Monopolkämpfe sei: „Gerade wenn die vollständige Konkurrenz verschwindet, können Monopolkämpfe entstehen. Der Anbieter oder Nachfrager der vollständigen Konkurrenz ist nicht fähig und nicht bereit, Marktstrategie zu treiben“ (GWP 41). Denn in diesem Fall versagte der Marktmechanismus, also das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage (GWP 358). Gleichwohl hat Euckens erster staatspolitischer Grundsatz der Wirtschaftspolitik eine martialisch anmutende Komponente, wenn wirtschaftliche Machtgruppen, wie wohl namentlich Kartelle und Monopole, in erster Linie aufzulösen oder wenigstens funktional zu limitieren sind (GWP 334).509 Er formuliert durchaus selbstgewiss und kampflustig: „Nur der kennt die Wirtschaft, der das weiß und der die Kampfesweise und die Ideologien der Machtgruppen durchschaut“ (NW 48). Darin kommt neben einer bemerkenswerten  







507 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 37, betont bezüglich dieser Stelle „die Übereinstimmung mit den Prioritäten von Franz Böhm“ und fährt mit einer instruktiven Paraphrase fort, die nicht nur Euckens Grundsätze betreffen (GWP 327/336), sondern ebenfalls auf der Linie der Prämissen seines Lehrers Böhm liegen dürften: „Die Gefahren eines neuen Feudalismus sieht Eucken bei allen wirtschaftlichen Großmächten. Die zunehmende Zentralisierung der Staatstätigkeiten habe zu einer gleichzeitigen Abnahme der Staatsautorität beigetragen. Dieser Verlust werde verschleiert durch den entscheidenden Einfluss von Verbänden der Industrie, Landwirtschaft und des Handels, von Monopolen und Gewerkschaften. Solche Einflüsse seien besonders ausgeprägt im Handel und bei internationalen Konventionen, die teilweise an die Stelle des Staates getreten seien.“ 508 Zu ähnlichen Beobachtungen beim Begründer der Nationalökonomie Jens Petersen, Adam Smiths als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017. 509 Grundlegend Franz Böhm, Wettbewerbsfreiheit und Kartellfreiheit, ORDO 10 (1958) 167.  





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Menschenkenntnis zugleich der bereits verschiedentlich beobachtete anthropologische Pessimismus zum Vorschein. Ins Lot bringt den allfälligen Interessenausgleich Euckens der Sache nach dessen schon mehrfach behandelte „Z w e it e r G r u n d s a t z : D i e w ir t s c h a f t s p o l i t i s c h e T ä t i g k e i t d e s S t aa t e s s o l l t e a u f die Gestaltung der Ordnungsformen der Wirtschaft gerichtet sein, n i c h t a u f d i e L e n k u n g d e s W i r t s c h a f t s p r o z e s s e s “ (GWP 336).510 Die beiden auf die Errichtung einer angemessenen Staatsordnung zugeschnittenen Grundsätze, die mit den konstituierenden und regulierenden Prinzipien der Wettbewerbsordnung in Einklang stehen (GWP 254/291),511 bedingen einander und werden von Eucken mit der Gewaltenteilung verglichen (GWP 52), woran sich ihr Rang zeigt (GWP 337).512  







b) Zerschlagung mächtiger Konzerne? Hier wird – auf das Monopolproblem bezogen – klar, dass bestehende Monopole nicht einfach zerschlagen werden sollen, wie es der erste Grundsatz nahelegen könnte, obwohl es zugegebenermaßen eine rigorose Stelle in den nachgelassenen Ü b e r l e g u n g e n z u m M o n o p o l p r o b l e m in diese Richtung gibt: „Es gibt nur einen Weg, den wirtschaftlichen Druck zu brechen: die Errichtung einer ‚Wettbewerbsordnung‘ und die Zerstörung der bestehenden mächtigen Konzerne“ (WW 80). Doch findet sich im kanonisierten Werk Euckens soweit ersichtlich kein weiterer Hinweis auf die Zerschlagung.513 Vielmehr geht es darum, das Aufkommen von Monopolen und wirtschaftlicher Macht im Allgemeinen zu verhindern (SF 131).  







510 Siehe dazu bereits ansatzweise Walter Eucken, Staatliche Strukturwandlungen und die Krisis des Kapitalismus, Weltwirtschaftliches Archiv 36 (1932) 297. 511 Helmut Leipold, Einige unzeitgemäße Denkrelikte im Denken in Verfassungen, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ingo Pies/Martin Leschke) 2002, S. 72, erklärt den Wirkungszusammenhang, der sich mitunter eher reflexartig vollzieht: „Indem die wirtschaftspolitischen Aufgaben des Staates auf die Schaffung und Sicherung einer Wettbewerbsordnung konzentriert werden, soll der Staat zugleich als Ordnungsmacht gestärkt werden. Die Interdependenz zwischen Wirtschaftsund Staatsverfassung wird bei Eucken also eher indirekt thematisiert“. 512 Ernst-Joachim Mestmäcker (GWP XIV) hat dies am klarsten auf den Punkt gebracht, weshalb der Gedanke auch zusammenhängend und wörtlich wiedergegeben sei: „Demgegenüber gilt, daß die Gewaltenteilung zwischen Staat und Wirtschaft die wichtigste Voraussetzung für die Vereinbarkeit politischer Freiheitsrechte mit den Erfordernissen ökonomischer Effektivität ist. Ihr kommt ebenso großes Gewicht zu wie der Teilung der Staatsgewalt in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Die Gewaltenteilung zwischen Staat und Wirtschaft fordert die wirtschaftspolitische Unabhängigkeit des Staates von der Wirtschaft“. 513 Siehe auch Thomas Brockmeier, Wettbewerb und Unternehmertum in der Systemtransformation. Das Problem des institutionellen Interregnums im Prozeß des Wandels von Wirtschaftssystemen, 1998, S. 360.  



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Denn wenn sich Monopole einmal gebildet haben, können sie nicht einfach durch staatlichen Eingriff in den Wirtschaftsprozess beseitigt werden: „Weder die Verstaatlichung von Monopolen noch die Kontrolle durch ihre Arbeiterschaft kann somit das Monopolproblem in der Wettbewerbsordnung lösen“ (GWP 294). Dass die Kontrolle durch die Belegschaft kein taugliches Mittel gegen Monopole ist, liegt nach Eucken, wie erinnerlich, daran, dass diese am Monopolgewinn typischerweise unmittelbar oder mittelbar partizipieren (WW 15). Den Staat, der durch seine Wirtschaftspolitik einerseits private Machtgebilde unwillkürlich fördert, andererseits im Wege der Kartell- und Monopolgesetzgebung einzudämmen sucht, vergleicht er einprägsam mit einem uneinsichtigen Patienten: „Er handelte wie ein Raucher, bei dem sich infolge des Nikotingenusses Krankheitserscheinungen zeigen, der dagegen einige Arzneimittel nimmt – aber in alter Weise weiterraucht. (…) Kein Wunder auch, daß sich bei einer derartigen allgemeinen Wirtschafts- und Rechtspolitik industrielle Machtkörper immer weiter ausdehnten und daß die eigentliche Monopolpolitik nicht ausreichende Erfolge zeitigte“ (WW 35). Erneut zeigt sich der Nachteil widersprüchlicher Rechts- und Wirtschaftspolitik (WW 82).  









7. Unabhängig waltendes Monopolamt als Kontrollinstanz Schließlich ist der Ausgleich von Einzelinteresse und Gesamtinteresse gerade dort besonders schwer zu bestimmen, wo auf der Ebene der Einzelinteressen der von Eucken bereits früh diagnostizierte ‚Anreiz‘ (WW 32) bzw. sogar ‚Hang zur Monopolbildung‘ (GWP 31) am Werk ist: „Soweit nun das Einzelinteresse sich bei der Gestaltung der Marktposition in einem ‚Hang zur Monopolbildung‘ äußert, kann es mit dem Gesamtinteresse in Widerspruch geraten. Denn dann handelte es sich um die Eroberung von Machtpositionen. Je mehr Macht die einzelnen besitzen, um so größer ist die Gefahr, daß ein Konflikt zwischen dem Einzelinteresse und dem Gesamtinteresse entsteht“ (GWP 359).514 Wachsende wirtschaftliche Macht führt also nie zu einer Sättigung, sondern zu neuen Begehrlichkeiten. Private wirtschaftliche Macht erodiert damit letztlich den Gemeinsinn, zumindest aber minimiert sie die Berücksichtigung des Monopolisten von Gemeinwohlaspekten. Der Interessenausgleich kann Eucken zufolge nur durch ein unabhängig waltendes Monopolamt hergestellt werden: „Die Monopolaufsicht sollte also einem staatlichen Mono 





514 Dass Eucken auch an dieser Stelle die ethische Fundierung der wirtschaftspolitischen Grundsätze am Herzen liegt, veranschaulicht sein Literaturverweis auf Joseph Höffner, Wirtschaftsethik und Monopole im 15. und 16. Jahrhundert, 1941. Siehe auch Franz Klüber, Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsethik im Denken Walter Euckens, Jahrbuch des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 1966/67, S. 583.  



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polaufsichtsamt übertragen werden. Um es den stets gefährlichen (wenn auch in der Wettbewerbsordnung geschwächten) Einflüssen der Interessenten zu entziehen, sollte es ein unabhängiges Amt sein, das nur dem Gesetz unterworfen ist“ (GWP 294). Gerade der letztgenannte Gesichtspunkt ist von besonderer Bedeutung, weil er die Gewaltenteilung akzentuiert;515 das Monopolamt darf sich daher auch nicht darin erschöpfen, eine bloße Abteilung des Wirtschaftsministeriums zu sein, womit es im weitesten Sinne der Exekutive zugeordnet wäre. Andererseits soll ein solches Monopolamt auch nicht der Judikative zugehören, wenngleich es für Eucken in gleicher Weise unverzichtbar ist:516 „Das Monopolamt ist ebenso unentbehrlich wie der Oberste Gerichtshof“ (GWP 294). Mit diesen grundlegenden Überlegungen hat Eucken dem Bundeskartellamt den Weg geebnet.517 Euckens Hoffnung geht dahin, „daß durch die Befolgung der konstituierenden Prinzipien ein großer Teil der Monopolpositionen verschwindet“ (GWP 299). Gemeint sind damit nicht zuletzt die „regulierenden Prinzipien der Wettbewerbsordnung“ (GWP 297 f.). Die regulative Idee, die dem Ganzen zugrunde liegt, besteht darin, denjenigen „Zustand herzustellen, der sich in der vollständigen Konkurrenz bilden würde“ (GWP 296). Die Preiskontrolle des Monopolamts erfolgt demnach notfalls im Wege der Wettbewerbsanalogie (GWP 297). Immer wieder betont Eucken, dass es ihm darum geht, Monopole erst gar nicht zur Entstehung gelangen zu lassen: „Nicht gegen die Mißbräuche vorhandener Machtkörper sollte sich die Wirtschaftspolitik wenden, sondern gegen die Entstehung der Machtkörper überhaupt“ (WW 17). Das Heilmittel gegen Monopolisierungstendenzen besteht also in der Prophylaxe: „Die Monopolaufsicht einer Wettbewerbsordnung sollte so entschieden sein, daß sie stark prophylaktisch wirkt“ (GWP 298). Diesen Gesichtspunkt der Prophylaxe haben wir bereits im Zusammenhang mit dem Haftungsprinzip kennengelernt (GWP). Auch diese aufschlussreiche Wortwiederholung legt zumindest äußerlich nahe, dass ebenfalls das Phänomen privater wirtschaftlicher Macht in ei 

















515 Zu ihr wegweisend Christoph Möllers, Die drei Gewalten. Legitimation der Gewaltengliederung in Verfassungsstaat, Europäischer Integration und Internationalisierung, 2008. 516 Werner Lachmann, Volkswirtschaftslehre, 2. Auflage 2004, S. 38 hat den Bezug zur Gewaltenteilung besonders klar formuliert: „Ähnlich wie der Philosoph und Staatsrechtler Montesquieu vor über zweihundert Jahren das Prinzip der Gewaltenteilung als Voraussetzung für das Funktionieren der Demokratie formulierte, so hat der Nationalökonom Walter Eucken grundlegende wirtschaftspolitische Prinzipien für eine funktionsfähige Marktwirtschaft aufgestellt, welche nicht verletzt oder missachtet werden dürfen, wenn die bestehende Wirtschaftsordnung und damit das staatliche Gemeinwesen nicht Schaden nehmen soll“. 517 Ralf Ptak, Vom Ordoliberalismus zur Sozialen Marktwirtschaft. Stationen des Neoliberalismus in Deutschland, 2004, S. 183; Klaus-Peter Kruber, Theoriegeschichte der Marktwirtschaft, 2002, S. 52, meint, dass das Bundeskartellamt „Euckens Forderung nahe kommt“.  







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IV. Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft

nem werkimmanenten Zusammenhang mit den wirtschaftsverfassungsrechtlichen Prinzipien Euckens steht, die am Ende der Abhandlung näher betrachtet werden.

IV. Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft Eucken verweist unter anderem auf Hans Großmann-Doerth (GN 56), den anderen Juristen der Freiburger Schule, der mit seiner bahnbrechenden Monographie begriffsprägend wurde für das selbstgeschaffene Recht der Wirtschaft (GN 250).518 Euckens Vorstellung vom Wirtschaftsrecht ist nämlich durch eine unwillkommene Ausprägung privater Rechtssetzung überlagert, die er mit abgrundtiefem Misstrauen beobachtet und immer weiter um sich greifen sieht: „Das selbstgeschaffene Recht der Wirtschaft hat das staatliche Recht in weiten Bezirken verdrängt“ (GWP 51). Beinahe wortgleich, aber mit einem charakteristischen Zusatz findet sich die Aussage erneut im Zusammenhang mit dem Monopolproblem in der Wettbewerbsordnung: „Das selbstgeschaffene Recht der Wirtschaft hat das staatliche Recht vor allem a u s d e n m o n o p o l i s i e r t e n B e z i r k e n der Wirtschaft verdrängt“ (GWP 295). Neben den Kartellen und Monopolen gilt sein Augenmerk einer Erscheinungsform privater Macht, die aus seiner Sicht die staatliche Rechtssetzungskompetenz in bedrohlicher Weise durchkreuzt und die Wettbewerbsordnung gefährdet: „Diese Übernahme staatlicher Kompetenzen durch private Machtgruppen greift aber noch viel weiter, wohl am stärksten infolge der Selbstherrlichkeit, mit der das autonome Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sich durchgesetzt hat“ (GWP 328).  









1. Allgemeine Geschäftsbedingungen Gewiss war diese Skepsis gegenüber dem selbstgeschaffenen Recht der Wirtschaft durch die Statuierung vorteilhafter Allgemeiner Geschäftsbedingungen seinerzeit wichtig und richtig. Insofern ist auch seine Feststellung im Ausgangspunkt nachvollziehbar, selbst wenn sie sehr apodiktisch anmutet: „Dieses Recht der Geschäftsbedingungen, das von privater Macht gesetzt wird, hat Zwangsgewalt“ (GWP 51).519 Für ihn ist das deswegen alarmierend, weil auf diese Weise diejenigen  

518 Hans Großmann-Doerth, Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und staatliches Recht, 1933; ders., Die Rechtsfolgen vertragswidriger Andienung, 1934; ferner zitiert er die auch aus heutiger rechtsdogmatischer Sicht noch grundlegende Monographie von Ludwig Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935. 519 Nach diesem Satz folgt ein sehr ausführliches Zitat aus Franz Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung, 1937, S. 158. Bemerkenswert  

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Normen setzen, die am Wirtschaftsprozess beteiligt sind und dadurch die gesamte Wirtschaftsordnung prägen: „Oft werden Rechtsnormen unmittelbar von Vollziehern des Wirtschaftsprozesses innerhalb einer Wirtschaftsordnung geschaffen“ (GN 56). Hier ist also wiederum, wie bereits die auf die Exekutive hindeutende Wortwahl erahnen lässt, jenes eigentümliche Verständnis der Gewaltenteilung berührt, die nicht mit der Teilung der Staatsgewalt zu verwechseln ist, sondern aus der Vertragsimparität herrührt, weil wirtschaftliche Macht sich ungehindert Bahn bricht (GWP 52). Eucken sah gerade am Beispiel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwirklicht, dass „das selbstgeschaffene Recht der Wirtschaft das staatlich gesetzte Recht an die Seite drückt und so die Autorität des Staates schwächt“ (GWP 328 f.). Gewiss sind die Auswüchse Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur eine von vielen Erscheinungen, die im Zuge der Regelungsflut und Regulierungswut sein Missfallen erregen, weil sie in ihrer Gesamtheit tendenziell den wirtschaftlich Stärkeren dienen und eine gerechte Ordnung der Wirtschaft vermissen lassen: „Vorschriften über Kalkulation, Preiserrechnung, Buchführung, über Handelsklassen und über die allgemeinen Geschäftsbedingungen; Preisfestsetzungen, Schaffung von Zwangskartellen, von Einfuhr- und Ausfuhrmonopolen; Investitionsverbote, Anbauverbote, Beimischungszwang und Ablieferungszwang an bestimmte Stellen, der dann oft mit einer Kanalisierung der Absatzwege vom Erzeuger bis zum Verbraucher verbunden war und ist. Bei den hunderten und tausenden von Regulierungen verschiedenartiger Märkte entstanden Einzelfragen von großer Vielfältigkeit, die schwer zu bewältigen waren. Um so mehr gelang es beteiligten wirtschaftlichen Machtgruppen, die Schaffung und Umänderung von Marktregulierungen in ihrem Sinne zu beeinflussen und hierdurch ihre Machtposition zu festigen“ (NW 73). Auch an dieser Stelle fällt auf, wie außerordentlich facettenreich Eucken die Einbruchstellen im Bereich der Rechtsordnung voraussieht, wie viele unterschiedliche Regelungsmaterien er sich vergegenwärtigt und mit welchem Blick für die wirtschaftspolitischen Folgen, also die Einwirkungen auf die Wirtschaftsordnung, er diese beiden Ordnungen im ordnungspolitischen Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen imstande ist.  









für die damalige Zeit – das Jahr 1937 – ist Böhms in GWP nicht aufgenommene grundsätzliche Überlegung auf S. 157: „Daß das Problem der wirtschaftlichen Macht nicht nur ein wirtschaftspolitisches, sondern darüber hinaus auch noch ein allgemeinpolitisches und rechtliches Problem ist, bedarf wohl kaum eines Hinweises. Macht läßt sich niemals auf das Gebiet beschränken, in dem sie entstanden ist. Macht hat auch immer die Neigung, sich alle Attribute anzueignen, die ihrer höchsten Stufe eigentümlich sind: Rechtsetzung, Rechtsprechung, Polizeigewalt und Propaganda“. – Diese hellsichtigen Feststellungen sind bemerkenswert freimütig, wenn man den Verweis auf Polizeigewalt und Propaganda bedenkt. Sie zeigen, dass sich Franz Böhm dem Nationalsozialismus so deutlich widersetzte, wie dies unter den gegebenen Umständen überhaupt nur möglich war.  







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IV. Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft

Selbst wenn seine Ausführungen zum selbstgeschaffenen Recht der Wirtschaft in mancher Hinsicht überholt sein mögen und aus heutiger Sicht überspitzt klingen, muss man ihm zugutehalten, dass er ein bemerkenswertes Sensorium für die wirtschaftlichen Interessen hat, die sich stetig Bahn brechen, wenn man ihnen nicht im Wege der Rechtsetzung Einhalt gebietet: „Denn die industrielle Wirtschaft bietet eine große Chance zur Machteroberung“ (GWP 150). Bezogen auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist dies alles andere als abwegig, wenn man bedenkt, dass man die ausführliche Aufzählung unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen im heutigen § 309 BGB schon seit Inkrafttreten des Gesetztes über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Jahre 1976 gern als ‚Sündenkatalog der deutschen Industrie‘ bezeichnet hat. Vor allem in bestimmten Branchen sieht Eucken das positive Recht durch die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen an den Rand gedrückt: „Bekanntlich haben die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verbände, der Industrie, der Banken und der Versicherungsgesellschaften sowie einzelne Unternehmen wie Gas- und Elektrizitätswerke, Eisenbahn usw. staatlich gesetztes Recht weitgehend beseitigt“ (GWP 295).520 Als positiv-rechtlicher Anknüpfungspunkt und mögliches Korrektiv im Sine der Kritik Euckens und seiner Theorie der Interdependenz der Ordnungen kommt der Begriff der unangemessenen Benachteiligung gemäß § 307 BGB in Betracht.521  







2. Interessentenideologische Vereinnahmung Auch heute noch sind Euckens Überlegungen ernst zu nehmen, die das Verhältnis von Monopolmacht und Rechtsetzung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen betreffen, weil sie das zeitlose Problem wirtschaftlicher Macht in ihren Verschrän-

520 Zu den im Zitat genannten Verbänden allgemein Josua Werner, Die Wirtschaftsverbände in der Marktwirtschaft, 1957; ders., Die Verbände in Wirtschaft und Politik, 1959. 521 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 225 f., hat dies – auch unter dem Gesichtspunkt von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung – treffend herausgearbeitet: „Die Rechtsordnung muss jedoch sicherstellen, dass die Marktteilnehmer ihre Machtposition nicht dazu benutzen (‚missbrauchen‘), die rechtlich anerkannten Freiheitspositionen anderer Individuen unangemessen (vgl. auch § 307 Abs. 1 BGB) bzw. unbillig (vgl. auch § 315 Abs. 3 BGB) durch uni- oder multilaterale Wettbewerbsbeschränkungen zu beeinträchtigen. Die entsprechende Abwägung ist aus juristischer Sicht an der Grundentscheidung für eine freie und soziale Marktwirtschaft im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Uabs. 1 Satz 2 EUV auszurichten (sog. Interdependenz der Ordnungen)“. Siehe zu Letzterem auch Ernst-Joachim Mestmäcker, Soziale Marktwirtschaft und Europäisierung des Rechts, in: Soll und Haben – 50 Jahre Soziale Marktwirtschaft. Marktwirtschaftliche Reformpolitik (Hg. Knut Wolfgang Nörr/Joachim Starbatty) 1999, S. 129.  



















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§ 2 Private wirtschaftliche Macht

kungen beleuchten: „Ein Monopol und auch ein einzelner Betrieb mag mit der Aufstellung allgemeiner Geschäftsbedingungen seinem einzelnen Interesse dienen. Aber sie können dadurch die Rechtssphäre Anderer verletzen und die bestehende staatlich gesetzte Rechtsordnung in ihrem Geltungsbereich beschränken. Wieder drängt sich das Phänomen der Interdependenz der Ordnungen auf “ (GWP 356). Der Zusammenhang von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung ist augenfällig. Die Stelle veranschaulicht beiläufig, warum die Interdependenz der Ordnungen, die nun schon so oft begegnet ist, im folgenden Abschnitt näher zu behandeln ist. Bevor dies geschieht, muss jedoch noch ein Wort zu den Eucken so suspekten Allgemeinen Geschäftsbedingungen verloren werden. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind auch im Hinblick auf die von Eucken beargwöhnte Monopolbildung und Haftungsbeschränkung willkommene Werkzeuge: „Beide greifen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht selten ineinander, indem monopolistische Organisationen die Haftung ihrer Mitglieder beschränken“ (GWP 285). Es würde ersichtlich nicht weiterführen, die Verästelungen der Rechtsprechung zur Wirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen hier im Einzelnen an den von Eucken festgestellten Missständen zu messen, zumal da das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen inzwischen ins Bürgerliche Gesetzbuch übernommen wurde, nachdem ein ‚Jahrhundertgesetz‘ in Gestalt des AGBG 1976 geschaffen wurde.522 Unvermindert bedeutsam ist jedoch Euckens Feststellung in dem zuletzt wiedergegebenen Zitat, wonach Allgemeine Geschäftsbedingungen ‚die Rechtssphäre anderer verletzen können‘, worin sich wiederum die kantische Prägung seiner Gedanken zeigt. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Gedanke Euckens, welcher der zivilrechtlichen Vorstellung der schadensersatzrechtlichen Naturalrestitution nahekommt: „Demgegenüber ist derjenige Zustand herzustellen, der sich in der vollständigen Konkurrenz bilden würde. Wohl sind allgemeine Geschäftsusancen zulässig, welche sich in Ausführung der Gesetze auf  

  



522 Aus dem älteren Schrifttum Ludwig Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935. Verwiesen sei aus moderner Sicht auf die besonders gründliche Darstellung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Detlef Leenen, BGB Allgemeiner Teil: Rechtsgeschäftslehre, 2. Auflage 2015, § 20; eingehend Markus Stoffels, AGB-Recht, 3. Auflage 2015; vgl. ferner Dieter Medicus/Jens Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Auflage 2016, §§ 27, 28; zu wichtigen Spezialfragen Claus-Wilhelm Canaris, Die AGB-rechtliche Leitbildfunktion des neuen Leistungsstörungsrechts, Festschrift für Peter Ulmer, 2003, S. 1073; Mathias Habersack, Der Vorbehalt der Individualabrede (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB) – Zu den Anforderungen an das Aushandeln von Vertragsbedingungen, insbesondere im unternehmerischen Geschäftsverkehr, Festschrift für Helmut Köhler, 2014, S. 209; ders./Jan Schürnbrand, Unternehmenskauf im Wege des Auktionsverfahrens aus AGB-rechtlicher Sicht, Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2007, Band I, S. 354, zur Einführung Jens Petersen, Die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, Juristische Ausbildung 2010, 667.  



















IV. Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft

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den Märkten bilden, nicht aber Geschäftsbedingungen, die zu Ungunsten des Vertragspartners von den gesetzlichen Regelungen abweichen. Schon hiermit wird ein schwerer, von der Rechtspolitik viel zu wenig beachteter Schaden, den gerade die Monopole angerichtet haben, beseitigt“ (WV 68 f.). Diese anregende Überlegung, die wohl nur noch von rechtsgeschichtlichem Interesse ist, leitet bereits über zum Zusammenhang, der in der Praxis häufig zwischen der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen und der Monopolbildung besteht.  

3. Folgerung für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung Bedenkenswert ist schließlich Euckens Verbindung zwischen Monopolbildung und dem selbstgeschaffenen Recht der Wirtschaft, die in ihrer Kombination das positive Recht mitunter aushebeln: „Das selbstgeschaffene Recht der Wirtschaft hat das staatliche Recht vor allem aus den monopolisierten Bezirken der Wirtschaft verdrängt“ (GWP 295). Diese Diagnose wiederholt sich in der weiter oben zitierten Passage, in der Eucken nicht nur die interessentenideologische Nutzung Allgemeiner Geschäftsbedingungen geißelt, sondern neben der drohenden Rechtsverletzung anderer auch die Beschränkung des bestehenden positiven Rechts und der staatlicherseits gesetzten Rechtsordnung hervorhebt: „So ersetzt das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der industriellen Machtkörper vielfach staatliches Recht. Schiedsgerichte von Machtgruppen verdrängen auf vielen Gebieten die staatlichen Gerichte“ (SF 118). Aus heutiger Sicht stimmt der zweite Satz bedenklicher als der erste, zumal da die privaten Schiedsgerichte mitunter länger für die Streiterledigung brauchen als die staatlichen, da vor allem die eingeschalteten Rechtsanwaltskanzleien zu gut davon leben, als dass sie im Interesse ihrer Mandantschaft an einer schnellen Entscheidung interessiert wären. Es ist aber für den vorliegenden Zusammenhang vor allem ein Nachsatz, der das damit wiederum der Sache nach angesprochene Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zueinander auf den Punkt bringt: „Wieder drängt sich das Phänomen der Interdependenz der Ordnungen auf“ (GWP 356). Diese Interdependenz betrifft insbesondere das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung, so dass gerade beim Monopol „die wechselnden Ordnungsformen der Wirtschaft zu neuen Rechtsformen und zur Änderung der Funktion alter Rechtsformen geführt hat und führen muß“ (GWP 104). Daher ist es an der Zeit, Euckens Verständnis der Interdependenz der Ordnungen, von dem nun schon so häufig die Rede war, einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Bevor dies jedoch unternommen wird, sei zum Schluss dieses Abschnitts über die wirtschaftliche Macht ein Satz Euckens hervorgehoben, der den Zusammenhang zwischen Macht und Gerechtigkeit im Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheit auf den Punkt bringt,  







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§ 2 Private wirtschaftliche Macht

womit zugleich der erste Abschnitt über Freiheit und Ordnung in Erinnerung gerufen sei: „Die Herrschaft privater oder öffentlicher Machtkörper gefährdet die Durchsetzung der Gerechtigkeit, und mangelnde Sicherheit entspringt aus mangelnder Freiheit“ (GWP 126). Gerade der kontraintuitiv anmutende Nachsatz, der von der Prämisse ausgeht, dass es keine Sicherheit ohne Freiheit geben kann (GWP 178), formuliert einen Primat der Freiheit,523 der zugleich Exzesse privater wirtschaftlicher Machtentfaltung ausschließt.524 Vor allem spricht Eucken offen aus, dass private wirtschaftliche Macht unmittelbar das berührt, was auch für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung elementar ist,525 nämlich nicht nur die Freiheit,526 sondern (damit) auch die Gerechtigkeit.527  



523 Thomas Fischer, Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staatsund rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1993, S. 69. 524 Insoweit ähnlich dem klassischen Liberalismus Wilhelm von Humboldts; vgl. Jens Petersen, Die rechts- und staatsphilosophischen Ideen Wilhelm von Humboldts als Grundlage seiner Bildungsreform, Festschrift 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin, 2010, S. 115, 118. 525 Stefan Grundmann, Europa- und wirtschaftsrechtliche Grundlagen der Privatrechtsgesellschaft, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 105, 108, betont unter Bezugnahme auf Eucken (GWP 241–250): „Vielmehr ist der Gedanke zentral, dass die Märkte – und die Privatrechtsgesellschaft – auch gegen Freiheitseinschränkung durch private Machtausübung zu schützen seien“. 526 Franz Böhm, Die Bedrohung der Freiheit durch private ökonomische Macht in der heutigen Gesellschaft, Universitas 18 (1963) 37. 527 Thomas Fischer, Staat, Recht und Verfassung im Denken von Walter Eucken. Zu den staatsund rechtstheoretischen Grundlagen einer wirtschaftspolitischen Konzeption, 1993, S. 169, sieht dies zu einseitig, zumal da er sich lediglich auf Ludwig Raiser, Wirtschaftsverfassung als Rechtsproblem, Festschrift für Julius von Gierke zu seinem goldenen Doktorjubiläum, 1950, S. 101, bezieht: „Vor dem Hintergrund der herrschenden Rechtstheorie, für die stellvertretend die Auffassung L. Raisers entwickelt wurde, mag bereits die Institutionalisierung des gesellschaftsrechtlichen Sachverhalts Wettbewerb in die Rechtsverfassung problembehaftet sein. Der Versuch Euckens, diese institutionalisierte Ordnung mit Hilfe eines ausschließlich auf ihre Inhalte und ihre Verwirklichungsansprüche zugeschnittenen Systems von einzelnen Rechtssätzen zu verwirklichen, muß indes scheitern, da sich das Recht solchen Absichten, soll es als Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen unter dem materialen Prinzip der Gerechtigkeit von Bestand sein, nicht beugen darf. Die von Eucken angestrebte Verwirklichung der Gesamtentscheidung für die Wettbewerbsordnung stößt damit im Recht auf ein ihre Durchsetzung hinderndes Moment“. – Diese Herleitung beruht jedoch auf einer folgenschweren Engführung in der Prämissenbildung und zu selektiven Heranziehung der rechtswissenschaftlichen Literatur, im Rahmen derer insbesondere die wegweisenden Arbeiten Ernst-Joachim Mestmäckers außer Betracht bleiben, dessen Vorwort zu Euckens ‚Grundsätzen der Wirtschaftspolitik‘ allein schon die Missverständnisse hätte beseitigen können.  



















§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen I. Ordnung als Möglichkeit zur Freiheit Euckens Theorie der Interdependenz der Ordnungen gehört zu den Grundpfeilern seines wirtschaftspolitischen Denkens, ja seines Systemdenkens überhaupt:528 „,Staatsverfassung‘, ‚Wirtschaftsverfassung‘ und Gesellschaftsordnung bestehen jeweils in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander. D i e s e ‚ I n t e r d e p e n denz der Ordnungen‘ ist ein wesentlicher Tatbestand des Lebens und g e r ad e d e s m o d e r n e n L e b e n s “ (GWP 183).529 Dass er die beiden erstgenannten Verfassungen apostrophiert, wird verständlicher, wenn im nächsten und abschließenden Paragraphen der vorliegenden Arbeit das Eucken der Sache nach vorschwebende Wirtschaftsverfassungsrecht behandelt wird.  

1. Wissenschaftstheoretischer Stellenwert Für den vorliegenden Zusammenhang genügt es, dass in dem zuletzt zitierten Wort wie an anderer Stelle ebenso gut von Staatsordnung und Wirtschaftsordnung die Rede sein könnte (GWP 338), womit im Übrigen ein Gleichlauf zur Gesellschaftsordnung hergestellt würde, die auch im übrigen Werk mitunter in diesem Dreiklang und sinngemäß ergänzt durch die Rechtsordnung (GWP 103) – zur Veranschaulichung der Interdependenz der Ordnungen genannt werden (GWP 342).  







528 Prägnante Funktionsbestimmung bei Ernst-Joachim Mestmäcker, GWP XIV: „Die Wechselwirkungen zwischen diesen Ordnungen (sc.: der Wirtschaftsordnung als einer Teilordnung und anderen Teilordnungen) werden durch die von Walter Eucken begründete Theorie der Interdependenz der Ordnungen erfaßbar“. Zu erinnern ist auch an seine wichtige Entdeckung der Kontinuität von funktionaler und normativer Interdependenz, die er in der Zusammenschau der beiden Hauptwerke Euckens herausgearbeitet hat; vgl. Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 14. 529 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 644, hat sie beiläufig treffend definiert, weil danach „das Privatrecht in die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse eingebunden ist, weshalb es nicht ohne einen Blick auf diese verstanden werden kann (sog. Interdependenz der Ordnungen)“.  



https://doi.org/10.1515/9783110666229-004

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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

a) Begriffliche Ausprägungen und Reichweite Immer wieder führen ihn seine Betrachtungen und Beweisführungen zurück auf den „Fragenkomplex nach der Interdependenz der Ordnungen“ (GWP 49),530 der daher auch für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zueinander folgenreich ist. Explizit findet sich die Interdependenz der Ordnungen, Märkte (GWP 75) und insbesondere der rechtspolitischen Maßnahmen (GWP 183) an vielen Stellen der G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k (GWP 49/223/305). Die Interdependenz ist aber ebenfalls in den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e auch dort allgegenwärtig, wo sie nicht ausdrücklich angesprochen wird (GN 18 f.).531 Doch durchwirkt die Interdependenz ebenso dieses Werk nahezu überall, selbst wenn sie nicht immer beim Namen genannt wird. Mitunter ist schlicht vom Gesamtzusammenhang die Rede (GWP 221), wenn die Interdependenz gemeint ist (OP 3), die Eucken stellenweise erklärtermaßen als Synonym verwendet (NW 74). Um dies zu veranschaulichen, empfiehlt es sich an dem Beginn der Ausarbeitung der vorliegenden Abhandlung zu erinnern, wo von folgendem Wort Euckens ausgegangen wurde: „In der Gestaltung der Ordnungsformen besteht die Möglichkeit zur Freiheit“ (GWP 217). Das ist auch an den Staat adressiert, der zwar in seiner damals bestehenden Form für Eucken noch keine ordnende Potenz war, aber unter der Bedingung der Konzeption einer verantwortungsvollen Wirtschaftspolitik die Möglichkeit hat, eine solche zu werden (GWP 338).532 Freiheit und Ordnung hängen für Eucken also zuinnerst zusammen. Zugleich beklagt er, dass nur mehr wenige diesen Zusammenhang wirklich begreifen: „Wie der Sinn für Freiheit ist auch der Sinn für Ordnungen mehr und mehr verkümmert“ (GWP 180). Der Sinn für Ordnungen kann  





















530 Robert O. Keohane/Joseph S. Nye, Power and Interdependence. World Politics in Transition, 1977, sowie Henry Kissinger, World Order, 2014 (aber auch schon lange zuvor, vgl. Jan Eckel, Die Ambivalenz des Guten. Menschenrechte in der internationalen Politik seit den 1940ern, 2. Auflage 2015, S. 467; Greg Grandin, Kissingers langer Schatten. Amerikas umstrittenster Staatsmann und sein Erbe, 2016, S. 190; siehe auch Matthias Herdegen, Der Kampf um die Weltordnung, 2018; Rüdiger Graf, Öl und Souveränität. Petroknowledge und Energiepolitik in den USA und Westeuropa in den 1970er Jahren, 2014, S. 299 Fußnote 49, spricht treffend von ‚Interdependenz-Rhetorik‘) haben den Gesichtspunkt der Interdependenz immer wieder auf die internationale Ordnung angewandt. Im Unterschied zu diesen realpolitischen Ansätzen geht es Eucken jedoch um eine ethische Fundierung der Ordnungspolitik (SP 127 und öfter). 531 Ernst-Joachim Mestmäcker, Die Interdependenz von Recht und Ökonomie in der Wettbewerbspolitik, in: Zukunftsperspektiven der Wettbewerbspolitik – Colloquium anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Monopolkommission (Hg. Monopolkommission) 2005, S. 19. 532 Eugen Biser, Der Mensch – das uneingelöste Versprechen. Entwurf einer Modalanthropologie, 2. Auflage 1996, hat aus theologischer Sicht eine auf den einzelnen Menschen bezogene, voraussetzungsreiche Theorie der Entfaltung seiner Möglichkeiten ausgearbeitet.  

















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I. Ordnung als Möglichkeit zur Freiheit

jedoch nur geschärft werden, wenn die Wechselbeziehung eingesehen wird, die zwischen ihnen besteht: „Ihre Erkenntnis ist eine Voraussetzung für das Verständnis aller Probleme sowohl der Wirtschaftspolitik als auch der Rechts- und Staatspolitik“ (GWP 183). Die Verbindung einer vorausgesetzten Mehrzahl von Bedingungen mit einem universellen Schlüssel, der es aus Sicht eines Ökonomen ermöglicht ‚alle‘ Probleme nicht nur der Wirtschaftspolitik, sondern auch der Rechtspolitik und Staatspolitik zu begreifen, ist bemerkenswert. Schon zu Beginn der Untersuchung äußert sich Eucken mit einem vielsagenden Polysyndeton, dass den universellen Erklärungswert der Interdependenz gleich dreifach hervorhebt: „Es besteht die vollständige Interdependenz aller wirtschaftlichen Erscheinungen, aller Bewertungen, aller Handlungen“ (GWP 7). Bedenkt man die drei Darstellungsformen – Erscheinungen, Bewertungen, Handlungen –, dann könnte die Interdependenz kaum weiter reichen, zumal da sie insbesondere die Normativität und die Faktizität erfasst. Wenn die Einsicht in die Interdependenz der betreffenden Ordnungen allerdings entsprechend dem weiter oben Zitierten nur eine der Verständnisvoraussetzungen darstellt (GWP 183), dann liegt nahe, dass die übrigen auch auf wissenschaftstheoretischer Ebene angesiedelt sind. Es dürfte sich dabei nicht zuletzt um jenes wissenschaftliche Instrumentarium Euckens handeln, das bereits im ersten Paragraphen behandelt wurde, namentlich den morphologischen Apparat (GWP 23) zur Erkenntnis der wirtschaftlichen Wirklichkeit und der idealtypischen Wirtschaftssysteme (GN 198).  













b) Verkennung der Interdependenz seitens der Historischen Schule Mit dieser Theorie der Interdependenz setzt er sich gegen alle anderen wirtschaftswissenschaftlichen Gedankengebäude ab, namentlich die der Historischen Schule, deren faktengesättigten Erkenntnisse er zudem für wirklichkeitsfremd hält (NW 28):533 „Die Historische Schule, die (…) in Deutschland als ein weiterer Zweig des ökonomischen Denkens noch immer fortlebt, vernachlässigt die Tatsache, daß sämtliche ökonomische Fakten zusammenhängen, daß also alle einzelnen wirtschaftspolitischen Eingriffe mit ihren Wirkungen in allgemeiner Interdependenz stehen“ (WW 76).534 Es ist vor allem die zusammenhanglose Sichtung des empiri 



533 Walter Eucken, Wissenschaft im Stile Schmollers, Weltwirtschaftliches Archiv 52 (1940) 468. Anders noch Walter Eucken, Die Verbandsbildung in der Seeschiffahrt, 1914. Es handelt sich dabei um seine von Hermann Schumacher betreute Dissertation, die noch ganz der Historischen Schule verpflichtet war; vgl. Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 6 f. mit Fußnote 6, 8. 534 Carl Christian von Weizsäcker, Ist Eucken noch aktuell? Anmerkungen zu „Walter Euckens Ordnungspolitik“, herausgegeben von Ingo Pies und Martin Leschke, ORDO 55 (2004) 345, 352,  





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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

schen Materials, mit der die Historische Schule aus seiner Sicht die konkurrierenden Ordnungen der Nachbarwissenschaften vernachlässigte und dadurch gar nicht erst zu den Sachproproblemen der Wirtschaftspolitik vordringen konnte, weil sie den Gesamtzusammenhang außer Betracht ließ, der ja für Eucken nur ein anderes Wort für die Interdependenz ist (OP 3). Er erkennt jedoch auch den bildungspolitischen Einfluss der Historischen Schule, die unmittelbar oder mittelbar auf die Ausbildung der Juristen, insbesondere der Richterschaft einwirkte: „Auf den Universitäten hörten seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die späteren Verwaltungsbeamten, Richter usw. die volkswirtschaftlichen Ansichten der Historischen Schule. Hierdurch wurde ihre nationalökonomische Bildung geprägt. Und dieser Einfluß läßt sich bis in die einzelnen sozialpolitischen, handelspolitischen, kartellpolitischen usw. Entscheidungen hinein bis in unsere Tage verfolgen“ (NW 56). Eucken gesteht der Historischen Schule bei aller Ablehnung ihres wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses und methodischen Zugriffs zwar immerhin zu, dass sie eine gewisse Breite des Wissens vermittelt habe. Doch geschah dies auch in Ermangelung der Einsicht in den Gesamtzusammenhang der Ordnungen systematisch so ungeordnet, dass damit verhängnisvolle Verständnisfehler verbunden waren, die sich bis in das 20. Jahrhundert in das Handelsrecht und Kartellrecht hinein auswirkten. Wenn Eucken zudem nicht von der Richterausbildung, sondern auch von kartellpolitischen Entscheidungen spricht, dann ist nicht auszuschließen, dass er insbesondere auch im Hinblick auf die Kartellverordnung aus dem Jahre 1923 oder sogar schon das weichenstellende Urteil des Reichsgerichts zum sächsischen Holzstoffkartell aus dem Jahre 1897, von dem bereits im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Macht die Rede war, den verhängnisvollen Einfluss der Historischen Schule argwöhnt.535 Für das Verhältnis der Rechtsordnung zur Wirtschaftsordnung ist dies umso interessanter, als sich in einer Zeit, in der die juristische und die volkswirtschaftliche Ausbildung noch nicht so streng getrennt waren wie heute, durch den Einfluss der Historischen Schule aus Euckens Sicht paradoxerweise die Interdisziplinarität nachteilig auswirkte, weil ohne zureichende Berücksichtigung der Interdependenz der Ordnungen eher Missverständnisse verbreitet wurden, die auf Jahrzehnte fortwirkten.  





würdigt sein diesbezügliches Verdienst: „Eucken hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, daß die deutsche Volkswirtschaftslehre sich von der Theorielosigkeit der Historischen Schule befreien konnte“. 535 RGZ 38, 155. Zu dieser Entscheidung Josef Drexl, Privatrechtsdogmatik und Kartellrecht, Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2017, S. 1019, 1022.  

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I. Ordnung als Möglichkeit zur Freiheit

2. Interdependenz innerhalb der Verkehrswirtschaft Die Verwirklichung der Freiheit im Zusammenspiel mit der Staats- und Wirtschaftsordnung stellt für Eucken eine zentrale Herausforderung gerade im Hinblick auf die immer drängender werdende soziale Frage dar, die Bedürfnisse der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit einschließt (GWP 1).  

a) Interdependenz und soziale Frage Dieses Zusammenwirken elementarer Probleme menschlichen Daseins bestimmt die G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k : „Es fragt sich ferner: Wie sich die Ordnungsformen hinsichtlich der sozialen Frage bewährten, im Zusammenhang mit anderen Ordnungen und in der Realisierung menschlicher Freiheit“ (GWP 30).536 Die Antwort hat er ansatzweise an anderer Stelle gegeben (SF 111). Die zuletzt zitierte Stelle macht immerhin deutlich, dass die soziale Frage nur befriedigend beantwortet werden kann, wenn wirtschaftliche Freiheit zugunsten derjenigen, die Not leiden, verwirklicht wird. Eucken sieht sich hier vor ein fundamentales anthropologisches Problem gestellt, dessen Perspektive ihn durchaus pessimistisch stimmt, sofern es um die soeben angesprochene soziale Frage geht sowie die Einbettung in die Staats- und Wirtschaftsordnung, aber eben auch die Rechtsordnung:537 „Ein neuer Menschentypus ist im Entstehen, der aus vermaßten, vom Staate abhängigen Menschen besteht. Das ganze Leben wird allmählich verstaatlicht“ (GWP 187).538  





536 Dazu auch Helmut Paul Becker, Die soziale Frage im Neoliberalismus. Analyse und Kritik, 1965. 537 Hans Otto Lenel, Bemerkungen zur ordnungstheoretischen Diskussion in den letzten vier Jahrzehnten, in: Grundtexte zur Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik (Hg. Nils Goldschmidt/ Michael Wohlgemuth) 2008, S. 323, 327, bestimmt das Postulat von Euckens Wirtschaftspolitik in einer auch für den vorliegenden Zusammenhang weiterführenden Weise, wenn er hervorhebt, dass sie „die Lösung der sozialen Frage erleichtern und mit anderen Ordnungen (zum Beispiel der Rechtsordnung) kompatibel sein soll“. 538 Bedenkenswert Otto Schlecht, Zur Ethik in Euckens Werk, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000, S. 59, 69: „Beim Prozess der politischen und wirtschaftlichen Reformen im Osten wurde diese Interdependenz der Ordnungen ganz deutlich und fühlbar. Mehr wirtschaftliche Freiheit zieht als Konsequenz die Forderung nach politischer Freiheit nach sich, mehr politische gesellschaftliche Freiheit fordert ihr Pendant im Wirtschaftlichen. In China ist versucht worden, den Schritt auf die marktwirtschaftliche Ordnung zu tun, ohne gleichzeitig zu realisieren, dass dies Forderungen nach Auflockerung auch der gesellschaftlichen und politischen Ordnung in Richtung auf mehr Freiheit, auf mehr Demokratie nach sich ziehen wird“ – Speziell für das Verhältnis der Rechtsordnung zur Wirtschaftsordnung aufschlussreich ist seine anschließende Hypothese: „In den mittel- und ost 





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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

Diese düstere Vision verdeutlicht am Beispiel der sozialen Frage den Zusammenhang zwischen Freiheit und Ordnung im eingangs aufgezeigten Sinne. Auch dort ist von Vermassung die Rede (SF 131). Überhaupt ist dies ein häufiger Begriff bei ihm (GWP 16; GN 240),539 den er der ‚Vermachtung‘ an die Seite stellt (OP 15). Man muss sich diese Prämissen Euckens vergegenwärtigen, um zu ermessen, welchen Stellenwert wiederum die Wettbewerbsordnung einnimmt, da nur sie verhindern kann, dass es zu einem ‚verstaatlichten Leben‘ im soeben genannten Sinne (GWP 187) kommt.540 Diese Verstaatlichung ist aber unausgesprochen ein Merkmal einer zentralwirtschaftlichen Ordnung.541 Darüber hinaus geht es Eucken aber – ebenso wie seinem Mitstreiter Böhm542 – mit der Ablehnung einer zentralwirtschaftlichen und der Befürwortung einer verkehrswirtschaftlichen Ordnung noch um etwas damit Zusammenhängendes: individuelle Freiheitsrechte.543  











europäischen Ländern (…) scheint die Entwicklung anders zu verlaufen. Hier erleben wir zur Zeit die Interdependenz zwischen Gesellschafts- und Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung deutlich am praktischen Fall“. 539 Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918, Band I: Arbeitswelt und Bürgergeist, 1990, S. 591, lässt durchblicken, dass „Vermassung“ bereits im 19. Jahrhundert zu den „Kategorien des Denkens“ gehörte und demnach einen beliebten Topos darstellte. 540 Vgl. nur Ernst-Joachim Mestmäcker, Konstituierung und Sicherung der Wettbewerbsordnung, in: Soziale Marktwirtschaft als historische Weichenstellung. Festschrift zum 100. Geburtstag von Ludwig Erhard, 1997, S. 51. 541 Moritz Peter Haarmann, Wirtschaft – Macht – Bürgerbewusstsein. Walter Euckens Beitrag zur sozioökonomischen Bildung, 2015, S. 468. 542 Ernst-Joachim Mestmäcker, Offene Märkte im System unverfälschten Wettbewerbs in der EWG, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. 345, 391. 543 Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685, hat dies besonders deutlich herausgearbeitet und seiner Analyse vorangestellt: „Grundlegend für unser heutiges Verständnis der Überschneidungen von Ökonomie und Recht ist das von Walter Eucken und Franz Böhm entwickelte Konzept der Interdependenz der Ordnungen. Dessen aktuelle Bedeutung liegt aus juristischer Sicht in der Betonung des Eigenwerts individueller Freiheitsrechte vor utilitaristisch inspirierten Effizienzanalysen“. Diese Eigenbedeutung des Rechts wurde soweit ersichtlich erstmals umfassend ausgearbeitet von Ernst-Joachim Mestmäcker, A Legal Theory without Law. Posner v. Hayek on Economic Analysis of Law, 2007. In diesem Sinne betont bereits ders., Offene Märkte im System unverfälschten Wettbewerbs in der EWG, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. 345, 346, im Einklang mit seinem Lehrer Franz Böhm, dass „wir nicht mehr gewohnt sind, wirtschaftliches Handeln als dem Recht vorgegebene Sachverhalte, als zufällige oder zwangsläufige Entwicklungen hinzunehmen“.  

















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I. Ordnung als Möglichkeit zur Freiheit

b) Interdependenz aller Märkte Der Zusammenhang mit der Interdependenz folgt aus einer verschwiegenen inneren Verweisung auf die Bedeutung des Marktes im Rahmen verkehrswirtschaftlicher Ordnungen innerhalb der G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e , wo beispielsweise die „Analyse des Einzelbetriebs und des Einzelhaushalts die Interdependenz a l l e r Märkte zeigt“ (GN 147). Das erklärt auch, warum Eucken stets anmahnt, in die einzelnen Haushalte und Betriebe zu gehen (GWP 23), um von dort aus ein Bild von der wirtschaftlichen Gesamtsituation zu gewinnen (GWP 40). Zudem erlaubt die Analyse der einzelnen Haushalte und Wirtschaften einen Blick auf Notwendigkeiten und Desiderate, die sich unter dem Gesichtspunkt der sozialen Frage ergeben (SF 131). Erst das vermittelt einen Eindruck von der Wirtschaftsordnung (GWP 60). Denn dabei ist die Prämisse mitgedacht, dass sich aus ihrer Untersuchung hochrechnen lässt, wie sich Angebot und Nachfrage insgesamt zueinander verhalten. Deutlicher wird dies, wenn man die Analyse der Nachfragesituation auf den einzelnen Märkten mit der Gesamtsituation innerhalb der Verkehrswirtschaft in Beziehung setzt: „Bei näherer Darstellung würden wir finden, daß diese gesamtwirtschaftlichen Daten der Verkehrswirtschaft den gesamtwirtschaftlichen Daten der zentralgeleiteten Wirtschaft entsprechen. Auch hier sind es sechs: Bedürfnisse, Natur, leitende und ausführende Arbeit, Vorräte an fertigen und heranreifenden Konsumgütern, technisches Wissen sowie schließlich die soziale und rechtliche Organisation der Verkehrswirtschaft, die – zusammen mit den Erfahrungsregeln – das große interdependente Ganze einer Verkehrswirtschaft bestimmen“ (GN 147).544 Die Interdependenz betrifft also nicht nur das Verhältnis der Ordnungen zueinander, sondern ist bereits auf der Ebene derjenigen Daten, aus denen sich die betreffende Ordnung zusammensetzt von Bedeutung, weil die morphologische Analyse der jeweiligen Einzelheiten Rückschlüsse auf das rechtliche, soziale oder wirtschaftliche Ganze zulässt. Unter den genannten sechs Daten ist es abermals zuletzt, doch nicht am letzten die weit zu verstehende soziale und rechtliche Organisation (GN 52), die ins Auge sticht und das Verhältnis der Wirtschaftsordnung zur Rechtsordnung prägt, zumal da unmittelbar im Anschluss die Interdependenz beschworen wird. Wenn  

















544 Ernst-Joachim Mestmäcker, Verbandsstatistiken als Mittel zur Förderung und Beschränkung des Wettbewerbs in den USA und Deutschland, 1952, ist im Hinblick auf die im Zitat angesprochenen gesamtwirtschaftlichen Daten, vor allem aber auf das im Zeitalter von Big Data immer größer werdende Informationsproblem nach wie vor aktuell; ebenso Peter Behrens, Laudatio, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 14, unter dem „Stichwort: Informationsaustausch“.  



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dort das ‚große interdependente Ganze‘ genannt wird, so ist auch dies eine unausgesprochene Verweisung auf den Anfang der G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e : „Dieses Ganze in seinen Zusammenhängen zu erkennen, ist aber der unmittelbaren Anschauung der heutigen Wirklichkeit nicht möglich“ (GN 18). Die Anschauung bedarf um der besseren Einordnung willen der Theorie ebenso wie umgekehrt die Theorie überhaupt erst durch Anschaulichkeit ermöglicht wird, wie Eucken scheinbar paradoxerweise und tautologisch formuliert: „Anschaulichste Anschauung führt zur Theorie“ (WZ 33). Es bedarf als unentbehrliches Instrument eben des ‚morphologischen Apparats‘ (GN 242).  



c) Ideologiefreiheit der Interdependenz Die Unterscheidung zwischen verkehrswirtschaftlicher und zentralwirtschaftlicher Ordnung, die für Eucken schlechterdings konstitutiv ist, zeigt sich insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis der Wirtschaftsordnung zur Rechtsordnung: „Dieser Unterschied (…) macht sich über die Grenze der Wirtschaftsordnung hinaus – also in der Interdependenz der Ordnungen – auch in der Rechtsordnung, in der Gesellschaftsordnung und in der staatlichen Ordnung geltend. Die Einwirkung auf die Rechtsordnung ist eine doppelte. (…) Zunächst zeigt sich nämlich stets, daß gewisse Rechtssätze infolge des Übergangs zu zentralverwaltungswirtschaftlichen Lenkungsmethoden verändert werden: Die Gewerbefreiheit und Freizügigkeit werden eingeschränkt (…). Es erscheinen also viele Gesetze und Verordnungen, die alte Bestimmungen suspendieren, aufheben oder abändern“ (GWP 103 f.).545 Es handelt sich folglich um einen fundamentalen Systemwechsel, der den gesetzlichen Vorschriften einen von Grund auf unterschiedlichen Inhalt gibt. Der Nachsatz ausdrücklicher Gesetzgebungsänderungen und Gesetzesaufhebungen ist dabei nur der besser sichtbare. Unscheinbarer, aber nicht weniger einschneidend sind die Bedeutungsverschiebungen bezüglich der Prinzipien der Eigentumsfreiheit und  







545 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 25, betont unter Verweis auf die bahnbrechende Habilitationsschrift seines Lehrers Franz Böhm die Bedeutung der bei Eucken nicht von ungefähr paradigmatisch genannten Gewerbefreiheit mit ihrem maßgeblichen Einfluss auf das Wirtschaftsverfassungsrecht: „Die Gewerbefreiheit begründet danach nicht nur ein Grundrecht, in das der Staat grundsätzlich nicht eingreifen darf. Gleiches Gewicht hat die These, dass dieses Recht außer Abwehrrechten gegen den Staat eine herrschaftsfreie Sozial- und Wirtschaftsordnung begründet. Sobald die Wirtschaftspolitik im Staat zugunsten eines herrschaftsfreien Ordnungsprinzips auf eine spezifisch staatliche Form der Wirtschaftslenkung verzichte, seien die auf das Wirtschaftsleben bezüglichen Privatrechtsinstitute einzeln wie in ihrer Gesamtheit als rechtliche Strukturelemente der geltenden Wirtschaftsverfassung zu begreifen und auf ihre Ordnungsfunktionen zu untersuchen. Zu diesen Rechtseinrichtungen gehört der Wettbewerb. Erst der Wettbewerb begründet das dynamische Ordnungsprinzip“. Hervorhebungen nur hier.  

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Vertragsfreiheit, weil die Freiheiten nicht mehr dasselbe verbriefen, insbesondere nicht mehr unbedingt Individualrechte, die auch gegen den Staat geltend gemacht werden können. Folglich gerät beim Übergang von der Verkehrswirtschaft in die zentralgeleite Wirtschaft die Interdependenz aus den Fugen, weil das Ineinandergreifen der Ordnungen nicht mehr gewährleistet ist. Eucken argumentiert auch hier nicht ideologisch, indem er – anders als etwa von Hayek546 – keine pauschale Sozialisten-Schelte übt. Vielmehr sieht er durchaus, dass selbst in sogenannten ‚kapitalistischen‘ Wirtschaftsordnungen bestimmte Rechte nur auf dem Papier stehen, faktisch aber nicht durchsetzbar sind:547 „Die sozialistische Kritik hatte mit der Behauptung durchaus recht, dass viele Arbeiter nur formal frei, faktisch aber unfrei seien. (…) Das Recht der Freizügigkeit besteht nur formal, wenn etwa ein amerikanischer Metallarbeiter faktisch nicht in Städte ziehen kann, wo ihn seine Gewerkschaft nicht aufnimmt und er deshalb keinen Arbeitsplatz findet. (…) Oder: Die Gesetzgebung der Staaten hat den einzelnen Menschen Koalitionsfreiheit verliehen. Aber wenn private Machtkörper der Industrie oder der Arbeiterschaft Organisationszwang ausüben, also die Einzelnen zwingen, sich Kollektiven anzuschließen, wird aus der Koalitionsfreiheit Koalitionszwang“ (GWP 50).548 Es versteht sich, dass hierin kein Bekenntnis Euckens zum Sozialismus gesehen werden  





546 Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, passim. 547 Ernst-Joachim Mestmäcker, Vorwort GWP S. XIII, stellt gleichsam die Kehrseite der Medaille dar, womit sich im Hinblick auf die im Folgenden zitierten Ausführungen Euckens ein komplementäres und in sich wiederspruchfreies Gesamtbild ergibt: „Die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik, als Rechtfertigung der Planwirtschaft und des Kollektiveigentums immer wieder in Anspruch genommen, erweist sich als eine der wichtigsten Ursachen für ihre Funktionsunfähigkeit. Die vielfach geforderte verfassungsrechtliche Normierung eines Rechts auf Arbeit ist nicht nur mit der Marktwirtschaft unvereinbar, sie würde auch mit den grundrechtlich gewährleisteten Prinzipien der Berufsfreiheit unvereinbar sein. Wer vom Staat die inhaltliche Gewährleistung seiner Freiheiten erwartet, sollte nicht überrascht sein, wenn der Staat die Freiheitsrechte auf seine Fahnen schreibt, um sie als Herrschaftstitel zu mißbrauchen. Dies erklärt, warum sich die verfassungsrechtlichen Garantien der Meinungs-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit in sozialistischen Staaten als wertlos erwiesen haben“. Hervorhebung nur hier. 548 Das erinnert an das Bonmot von Anatole France, Le Lys Rouge, 1894, VII: „La majestueuse égalité des lois, qui interdit au riche comme au pauvre de coucher sous les points, de mendier dans les rues et de voler du pain“. Wilhelm Röpke, Economics of the Free Society, 1963, p. 183, stellt dieses vielzitierte Wort seinem Kapitel über Armut und Reichtum voran. Siehe dazu auch Friedrich August von Hayek, Grundsätze einer liberalen Gesellschaftsordnung. Aufsätze zur Politischen Theorie und Praxis, 2002, S. 58; Herbert Wiedemann, Die Gleichbehandlungsgebote im Arbeitsrecht, 2001, S. 34; Stefan Arnold, Vertrag und Verteilung. Die Bedeutung der iustitia distributiva im Vertragsrecht, 2014, S. 236.  









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kann, den er bereits begrifflich ebenso beargwöhnt wie umgekehrt den Kapitalismus (GWP 3). Ideologien interessieren Eucken nur insoweit als sie die Wirtschaftspolitik, sei es auch kontrastierend, zu erklären vermögen (GWP 57). Wichtiger als suggestive Begriffe, wie etwa ‚Kollektiveigentum‘, ist für ihn die dahinterstehende Machtfrage, deren falsche Beantwortung Freiheit in Zwang umschlagen lässt (GWP 139) und dann insbesondere in einer Zentralverwaltungswirtschaft zum ‚Zerfall des Rechts‘ beiträgt (GWP 199). Jede Form des Kollektivismus ist Eucken ebenso verdächtig, wie es das Vertrauen auf eine historische Zwangsläufigkeit ist: „Der Glaube an die Zwangsläufigkeit und das Denken in Kollektiven gehören zusammen“ (GWP 212). Daher ist auch das Kollektiveigentum als Rechtsfigur für ihn unannehmbar (GWP 3): „Die Vorschläge – denn es sind Vorschläge und keine Analysen der Wirklichkeit – laufen darauf hinaus, kraft des Kollektiveigentums eine gerechte V e r t e i l u n g durchzuführen“ (GWP 136). Aber dadurch lässt sich Gerechtigkeit ebenso wenig wie Freiheit verwirklichen. Der Grund dafür liegt in der für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung gleichermaßen bedeutsamen Einsicht, dass der Kollektivismus bzw. das Kollektiveigentum ebenso wie die Vorstellung von Notwendigkeit und Zwangsläufigkeit des geschichtlichen Prozesses die Freiheit gefährdet (GWP 205).549  



















d) ‚Straffe‘ Interdependenz der Ordnungen beim Rechtsstaat Eucken sieht, dass es der Sache nach nur eines Federstrichs des Gesetzgebers bedarf, um bei einem entsprechenden Systemwechsel rechtsstaatliche Garantien, Grundrechtsgewährleistungen oder Marktgarantien außer Kraft zu setzen. Selbst scheinbar gleiche Vorgänge wie beispielsweise der in der Zentralwirtschaft wegen des Fehlens von Angebot und Nachfrage ohnehin selten vorkommende (GWP 94) – weil durch Zuweisung ersetzte – Güteraustausch (GWP 88), betreffen  







549 Ernst-Joachim Mestmäcker, Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts. Beiträge zu Recht, Wirtschaft und Gesellschaft in der EU, 2016, S. 595, (= Wirtschaftsordnung und Geschichtsgesetz, in: Wirtschaftsordnung als Aufgabe, Zum 100. Geburtstag von Franz Böhm, Ludwig-Erhard-Stiftung, 1995, S. 111); besonders bedenkenswert ebenda, S. 613: „Die Europäische Union hat sich mit Maastricht auf einen Weg begeben, den man kennzeichnen könnte als Inanspruchnahme Hegelscher Staatsfunktionen auf Raten, aber niemand – auch nicht die beteiligten Regierungen der Mitgliedstaaten – wünscht sich, dass damit ein Zuwachs an politischer Macht bei den Institutionen der Gemeinschaft verbunden sein sollte, wie ihn der Hegelsche Staat in seiner Herrschaft über die bürgerliche Gesellschaft verkörpert“. – Diese hellsichtige Analyse betrifft, wenn man sie aus Euckens Sicht beurteilt, die Interdependenz von Rechtsordnung und Staatsordnung, zumindest mittelbar aber wohl auch der Wirtschaftsordnung, und zwar in einem durchaus brisanten Bereich, der die im Text genannte Gefährdung der Freiheit manifest macht, weil die bürgerliche Gesellschaft berührt ist.  













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gleichwohl nicht denselben Zusammenhang (GWP 98). Denn für Eucken gilt es als ausgemacht, dass „mit zentraler Lenkung der Wirtschaft eine Veränderung von Staats- und Rechtsordnung geradezu provoziert ist. Wir kennen diese Interdependenz der Ordnungen genau“ (GWP 220).  



aa) Auswirkungen auf die Wettbewerbs- und Wirtschaftsordnung Zentrale Institute des Privatrechts, wie es beispielsweise die Vertragsfreiheit oder das Privateigentum sind, ändern mit einem entsprechenden Wechsel der Staatsordnung von der Verkehrswirtschaft zur Zentralverwaltungswirtschaft ihren Inhalt. Diese Inhaltsänderung berührt zwangsläufig die Wettbewerbs- und damit die Wirtschaftsordnung. Daher kommt es bei einem solchen Systemwechsel zu einem tiefgreifenden Funktionswandel der Rechtsinstitute, über den eine nach wie vor gleiche Bezeichnung nicht hinwegtäuschen kann (GWP 101): „Wichtiger ist vielleicht, daß auch solche Rechtsinstitute, die formal unverändert bleiben, ihre Funktion verändern. Das Eigentumsrecht verleiht also dem Eigentum in wesentlichen Fragen nicht mehr das Recht, selbständig zu planen und zu handeln. (…) Es wird sich noch zeigen, dass auch das Vertragsrecht, einschließlich des Arbeitsvertragsrechts, eine neue Funktion erhält, sobald die Wirtschaftsordnung sich verändert“ (GWP 104). Das entscheidende Defizit beim Übergang von einer Verkehrswirtschaft in eine Zentralverwaltungswirtschaft besteht vom Standpunkt der Rechtsordnung aus in der außer Kraft gesetzten Interdependenz auch mit Konsequenzen für die Wirtschafts- und Rechtsordnung, insbesondere durch den Verlust einklagbarer Individualrechte.  



bb) Wechselseitige Abstoßung als negative Seite der Interdependenz Auch wenn Eucken diesen Grund nicht ausdrücklich ausspricht, sind vor allem deswegen Rechtsstaat und Lenkungssystem zentralverwaltungswirtschaftlichen Typs schlechterdings unvereinbar (GWP 129). Eucken bevorzugt entsprechend seiner Grundkonzeption die eher formale Erklärung vermittels der Interdependenz der Ordnungen, die keine harmonische Rechts- und Wirtschaftsordnung in wirtschaftsverfassungsrechtlicher Hinsicht zulässt, wenn die Wirtschaft zentralverwaltungswirtschaftlich ohne wirksamen Preismechanismus und Wettbewerbsordnung gelenkt wird:550 „Mit der G e s a m t e n t s c h e i d u n g für weitgehende Reali 

550 Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auflage 1999, S. 215, hat interessanterweise (wie Bernd Hansjürgens, Walter Eucken und das Denken in Verfassungen, in: Walter Euckens Ordnungspolitik, Hg. Ingo Pies/Martin Leschke, 2002, S. 37, 51, beobachtet), im Hinblick auf die Gewaltenteilung etwas der Interdependenz der Ordnungen Ent 





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sierung der Zentralverwaltungswirtschaft ist die G e s a m t e n t s c h e i d u n g für den Rechtsstaat nicht vereinbar. Hier besteht eine ganz straffe Interdependenz der Ordnungen. Beide Ordnungsformen – Rechtsstaat und Zentralverwaltungswirtschaft, ‚Staatsverfassung‘ und ‚Wirtschaftsverfassung‘ – kollidieren. (…) Wird mit der Realisierung rechtsstaatlicher Prinzipien Ernst gemacht, so kann die Politik zentraler Leitung des Wirtschaftsprozesses nicht mit Konsequenz betrieben werden“ (GWP 130). Bemerkenswert ist die Formulierung der ‚straffen‘ Interdependenz, zumal da Eucken der Sache nach eher ein Verhältnis wechselseitiger Abstoßung ausmacht. Offenbar hat die Interdependenz der Ordnungen für ihn auch eine gleichsam negatorische Seite, die sich in kategorischer Unvereinbarkeit manifestiert. So fragt sich, ob man hier überhaupt noch sinnvoll von Interdependenz sprechen kann oder ob angesichts der rigiden dogmatischen Strenge für die von Eucken sogenannte ‚straffe‘ Interdependenz nicht vielmehr auch hier Schillers Wort gilt: „Zu weit getrieben, verfehlt die Strenge ihres weisen Zwecks. Und allzu straff gespannt zerspringt der Bogen“.551  





3. Wettbewerbsordnung und Interdependenz der Ordnungen Aus dem Gesagten folgt die Unentbehrlichkeit des Privateigentums mit dem von Verfassungswegen eingeräumten Recht eines jeden, privatautonom mit seinen Sachen wirtschaftlich zu planen und eigenverantwortlich darüber zu verfügen.

sprechendes ausgemacht: „In dieser umfassenden Funktion kann Gewaltenteilung nicht allein der rechtsstaatlichen Ordnung zugeordnet werden, wie dies der überkommenen und heute vorherrschenden Auffassung entspricht, nicht nur, weil sie mehr ist als ein Mittel zur Sicherung individueller Freiheit, sondern auch, weil der Schutz individueller Freiheit durch Balancierung der Gewalten nicht allein im Rahmen der rechtstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes bewirkt wird. Alle ihre Elemente sind vielmehr, wenn auch in unterschiedlicher Akzentuierung, wesentliche Bestandteile der demokratischen, der rechtsstaatlichen und der bundesstaatlichen Gesamtordnung des Grundgesetzes, deren Zusammenhang und Wechselbedingtheit auch in diesem Tatbestand sichtbar werden“. Hervorhebung nur hier. 551 Johann Christoph Friedrich von Schiller, Wilhelm Tell, III 3, Verse 1995 f. Lesenswert dazu Ernst-Joachim Mestmäcker, Friedrich Schiller über Freiheit in der europäischen politischen Gesellschaft, in: Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts, 2016, S. 563; wichtig auch Vittorio Hösle, Psychologie des Spielers und Ethik des Va-banque-Spiels. Zu Friedrich Schillers „Die Verschwörung des Fiesko zu Genua“, in: Wege zur Politischen Philosophie (Hg. Gabriele von Sivers/ Ulrich Diehl) 2005, S. 41.  





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I. Ordnung als Möglichkeit zur Freiheit

a) Privateigentum im Zusammenhang der Ordnungen Besonders bedeutsam ist daher für Eucken die Rechtfertigung des Privateigentums aus der Wettbewerbsordnung. Diese ist ein notwendiges Korrelat des Privateigentums, indem sie das Eigeninteresse auf kompetitive Weise in Bahnen lenkt, die zugleich dem Gemeinwohl dienen. Nur auf diese Weise wirkt das Privateigentum allein freiheitsfördernd und ist damit zugleich Basis der Freiheit, weil es schlechterdings konstituierend für die Wettbewerbsordnung ist: „Von einer besonderen Seite aus zeigt sich hier, welche Stellung die Wettbewerbsordnung in der Interdependenz der Ordnungen einnimmt. Nur die Wettbewerbsordnung macht im Rahmen der modernen industrialisierten Wirtschaft das Privateigentum auf die Dauer erträglich. Aber das Privateigentum ist wiederum eine Voraussetzung für eine freie Staats- und Gesellschaftsordnung“ (GWP 275). Die Wettbewerbsordnung spielt somit für die Interdependenz der Ordnungen eine Schlüsselrolle, indem sie dem beim Privateigentum stets mitwirkenden Egoismus die Spitze nimmt.552 Dadurch macht sie das Privateigentum gleichsam gesellschaftsfähig und sozialverträglich, womit sie zugleich in einer der Idee der Interdependenz entsprechende Beziehung zur Gesellschaftsordnung tritt. So stellt die Wettbewerbsordnung ein Bindeglied zwischen Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung dar. Dieser Gedanke veranschaulicht besonders deutlich die Theorie der Interdependenz als „Zusammenhang der Ordnungen“ (SF 117). Die Interdependenz erweist sich mithin als das entscheidende Erklärungsprinzip, das zentrale Rechtsinstitute moralisch zu legitimieren hilft und die Wechselwirkungen auch solcher Ordnungen zueinander nachvollziehbar machen, die einander scheinbar peripher und zusammenhanglos gegenüberstehen. Das zeigt sich gerade beim Institut des Privateigentums im Hinblick auf die Wettbewerbsordnung im Gefüge der Ordnungen: Ohne das Privateigentum gibt es für ihn keine Wettbewerbsordnung (GWP 271).553 Aber ohne eine funktionierende Wettbewerbsordnung kann das Privateigentum zwar individuellen Nutzen maximieren, nicht aber institutionell zu einem gedeihlichen Miteinander führen:554 „Nur im Rahmen der Wettbewerbsord 





552 Dieser platonisch gefärbte Gedanke findet sich auch bei Arthur Schopenhauer, der wirtschaftliche Probleme genauer berücksichtigte, als man bei unbefangener Betrachtung meinen könnte; vgl. Jens Petersen, Schopenhauers Gerechtigkeitsvorstellung, 2016. 553 Ausdrücklich lehnt er die gegenteilige Ansicht „einige(r) Sozialtheoretiker“ ab (GWP 270 Fußnote 1), zu denen er Joseph Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 1950, Kapitel 15, ebenso zählt wie Oskar Lange, On the Economic Theory of Socialism, Review of Economic Studies 4 (1936/37) 53; 123. 554 Ernst-Joachim Mestmäcker, Offene Märkte im System unverfälschten Wettbewerbs in der EWG, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. 345, 391, führt das Zusammenspiel zwischen Individualschutz und Institutionsschutz in aufschlussreicher Weise im Hinblick auf die Wettbewerbspolitik aus: „Im Zusammenhang mit der Wettbewerbspolitik lautet diese Frage: inwieweit schützt das  







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nung gilt der vielgenannte Satz, daß Privateigentum nicht nur dem Eigentümer, sondern auch dem Nichteigentümer Nutzen bringe“ (GWP 274). Allein das in diesem Sinne begriffene Institut des Privateigentums kann die Grundlage für eine gemeinwohlorientierte Gesellschaftsordnung sein (GWP 350).  



b) Privateigentum als Bedingung der Wettbewerbsordnung Euckens Funktionsbestimmung des Privateigentums und der Wettbewerbsordnung ist auch rechtsphilosophisch bedeutsam und wirkt sich überdies dogmengeschichtlich folgenreich aus, weil die vor dem Hintergrund der Interdependenz der Ordnungen maßgebliche Bestimmung des Privateigentums zusammen mit demjenigen der Vertragsfreiheit sowie der später noch zu erörternden Folgenverantwortlichkeit in Gestalt der Haftung letztlich auch in der Schaffung und Aufrechterhaltung der Wettbewerbsordnung liegt: „Zum Beispiel wird die Forderung, Privateigentum herzustellen, vielfach aus der Natur des Menschen deduziert und als ein Gebot des Naturrechtes begründet. – Hier geschieht dies nicht; Privateigentum erwies sich als notwendig, um – zusammen mit den übrigen Prinzipien (sc. der Vertragsfreiheit und der Haftung) – eine Wettbewerbsordnung zu konstituieren“ (GWP 290).  







aa) Methodische Vorüberlegungen Es wäre kleinlich, Euckens Herleitung in rechtsphilosophischer Hinsicht als petitio principii zu kritisieren; etwa mit dem Vorhalt, er begründe die Erforderlichkeit des Privateigentums mit der Notwendigkeit der Begründung der Wettbewerbsordnung, die wiederum auf das Privateigentum als Institut angewiesen sei. Denn Eucken ging es ungeachtet seiner kantischen Prägung nicht um eine philosophisch zwingend folgerichtige Deduktion.555 Entscheidend war für ihn eher eine

Recht mit dem Wettbewerb die individuelle Freiheit? Die Antwort läßt sich nicht funktional auflösen. Denn ob die Wirkungen des Wettbewerbs auf die persönliche Handlungsfreiheit vom Recht als solche erfaßt und aus diesem Grunde durchgesetzt werden, ist Gegenstand eines Werturteils. Es bezieht sich nicht nur auf die Institution des Wettbewerbs, sondern es berührt das Verständnis privatrechtlicher Institutionen ebenso wie das der politischen Verfassung“. Grundlegend zur Unterscheidung zwischen Individualschutz und Institutionsschutz Ludwig Raiser, Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, in: summum ius summa iniuria, 1963, S. 145; zu einer speziellen Ausprägung Jens Petersen, Das Bankgeheimnis zwischen Individualschutz und Institutionsschutz, 2005. 555 Immanuel Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, Metaphysik der Sitten, Erster Teil (hier zitiert nach der von Bernd Ludwig herausgegebenen Meiner-Ausgabe, 1986), S. 38 ff. Grundlegend zur Methode Kants Johannes Haag, Erfahrung und Gegenstand. Das Verhältnis von  





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in sich widerspruchsfreie Begründung konstituierender Prinzipien der Wettbewerbsordnung, die als solche das Privateigentum durchaus axiomatisch zugrunde legen darf, zumal da er die gegenteilige Alternative einer Zentralverwaltungswirtschaft bereits als unvereinbar mit dem Rechtsstaatsprinzip verworfen hat (GWP 130). Angesichts der zuletzt zitierten Äußerung Euckens ist im Übrigen schwer verständlich, warum ihm im Schrifttum der Vorwurf gemacht wird, er habe sein Gedankengebäude auf dem ideologischen Fundament eines diffusen Naturrechts errichtet.556 Denn gerade das unternimmt Eucken hier explizit nicht.557 Er lässt vielmehr eine deutliche Distanz gegenüber naturrechtlichen Herleitungen oder solchen kraft Natur der Sache erkennen.  

bb) Interdependenz im Einklang mit den Prinzipien der Privatrechtsordnung Das Institut des Privateigentums ist damit eine Funktionsbedingung der Wettbewerbsordnung:558 „Daß die Wettbewerbsordnung sich nicht nur wirtschaftlich auswirkt, sondern in der Interdependenz der Ordnungen überaus wirksam ist und z. B. auf die Gesellschaftsordnung und die Rechtsordnung eine starke Rückwirkung ausübt, wissen wir“ (GWP 290). Dass das Privateigentum eine Ausstrahlungswirkung auf die Staats- und Gesellschaftsordnung entfaltet, ja diese als freie Ordnungen eigentlich erst ermöglicht und dadurch als Funktionsgarant auch die Wettbewerbsordnung werden lässt, hat Eucken in der Tat zuvor hinlänglich dargetan (GWP 275). Diese Stelle ist auch deswegen besonders wichtig, weil sie zeigt, dass die weiter oben angesprochenen anthropologischen Prämissen, die von der Menschennatur ein düsteres Bild zeichneten und die Staatsabhängigkeit als Hort der Unfreiheit brandmarkten (GWP 187), entscheidend relativiert werden, wenn eine  







Sinnlichkeit und Verstand, 2007: Dieter Henrich, Identität und Objektivität. Eine Untersuchung über Kants transzendentale Deduktion, 1976. Speziell zur Rechtsphilosophie Jens Petersen, Kants „Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre“ – kritisches Spätwerk oder „Erzeugnis eines gewöhnlichen Erdensohnes“?, Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2007, Band II, S. 1243 ff. 556 Hajo Riese, Ordnungsidee und Ordnungspolitik – Kritik einer wirtschaftspolitischen Konzeption, Kyklos 25 (1972) 24; in diese Richtung auch Gebhard Kirchgässner, Wirtschaftspolitik und Politiksystem: Zur Kritik der traditionellen Ordnungstheorie aus der Sicht der Neuen Politischen Ökonomie, in: Ordnungspolitik (Hg. Dieter Cassel u. a.) 1988, S. 53, 65. 557 Zutreffend Franz Böhm, Eine Kampfansage an Ordnungstheorie und Ordnungspolitik. Zu einem Aufsatz im Kyklos, ORDO 24 (1973) 11; Ingo Pies, Eucken und von Hayek im Vergleich: Zur Aktualisierung der ordnungspolitischen Konzeption, 2001, S. 3. 558 Zum besseren Verständnis Dieter Cassel/Corinne Kaiser, Euckens Prinzipien als Maxime der Wirtschaftspolitik – Zum Problem der Einhaltung wirtschaftspolitischer Grundsätze in der parlamentarischen Demokratie, in: Ordnungstheorie und Ordnungspolitik. Konzeptionen und Entwicklungsperspektiven (Hg. Helmut Leipold/Ingo Pies) 2000, S. 83.  















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angemessene Wettbewerbsordnung besteht, in der die Egoismen der Einzelnen, die durch das Privateigentum geschürt zu werden scheinen, durch eine verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik domestiziert werden: „An dieser Stelle ist die Interdependenz aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen besonders wichtig“ (GWP 275). Daraus lässt sich ersehen, dass die Prinzipien der Privatrechtsordnung einen notwendigen Zusammenhang mit Euckens Theorie der Interdependenz der Ordnungen bilden und beide in ihrer Zusammenschau das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung bestimmen, um insbesondere des Problems wirtschaftlicher Macht Herr werden zu können.559  

c) Privateigentum, Vertragsfreiheit und Wettbewerbsordnung als Ordnungsgrundsätze Der soeben veranschaulichte Zusammenhang erklärt sich noch besser mit Blick auf die G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e , vor allem die Prinzipien, aus denen die Wirtschaftsordnungen hervorgegangen sind. Diese von Eucken durchaus eigentümlich so genannten ‚Ordnungsgrundsätze‘ waren nämlich namentlich das Privateigentum, die Vertragsfreiheit und der Wettbewerb: „Die großen Neugestaltungen der Wirtschaftsordnungen, die sich in der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollzog, gehört hierher. Privateigentum, Vertragsfreiheit und Wettbewerb waren die Ordnungsgrundsätze, mit denen eine Ordnung der Wirtschaft geschaffen werden sollte“ (GN 52). Auch an dieser Stelle wird deutlich, dass es Eucken nicht darum geht, Institute wie das Privateigentum voraussetzungslos und streng philosophisch oder gar nach kantischer Methode zu deduzieren. Vielmehr folgt er auch in dieser Hinsicht seinem historisch-entwicklungsgeschichtlich, also empirisch ausgerichteten Vorgehen. Bestimmte Institute erwiesen sich aus historisch gewachsener Erfahrung schlicht als  





559 Ernst-Joachim Mestmäcker, Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts, 2016, S. 607 f., hat diesen Zusammenhang unter Bezugnahme auf die bahnbrechende Habilitationsschrift seines Lehrers (Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 1933, S. 124) am deutlichsten herausgearbeitet, weshalb das ausführliche Zitat wörtlich wiedergegeben sei: „Zu den Bausteinen der Wirtschaftsverfassung gehören außer dem Wettbewerb alle wirtschaftlich erheblichen Institute des Privatrechts. Franz Böhm hebt das Privateigentum, den Besitzschutz, den Schutz des gutgläubigen Erwerbers, Vertragsfreiheit, Handlungsfreiheit und das Recht der Handelsgesellschaften hervor. Damit wird zum ersten Mal ein rechtlich folgenreicher Zusammenhang zwischen Privatrechtsordnung und Wirtschaftsordnung formuliert. Die Rechtsfolgen sind ebenso vielfältig wie tiefgreifend. Sie folgen aus dem institutionellen Verständnis der Institute des Privatrechts. Walter Eucken hat den entsprechenden Zusammenhang später durch die ‚Interdependenz der Ordnungen‘ gekennzeichnet. Erst auf dieser Grundlage war es möglich, Sonderregeln für den Erwerb und die Ausübung von Marktmacht zu entwickeln“. Hervorhebungen nur hier.  





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erforderlich, um eine belastbare Wirtschaftsordnung zu ermöglichen. Nicht von ungefähr gehören namentlich das Privateigentum und die Vertragsfreiheit zu den konstituierenden Prinzipien der Wettbewerbsordnung (GWP 254). Zugleich erkennt man an der historischen Herleitung der genannten Prinzipien aus der genannten Zeitspanne den entwicklungsgeschichtlichen Zugriff Euckens.560 Allerdings relativiert sich die Bedeutung dieser ‚Neugestaltung‘ mit Blick auf die Behandlung des Privateigentums innerhalb der G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k , wo Eucken gerade den zuletzt genannten Zeitraum auch mit einer Fehlerquelle in Verbindung bringt: „Es war ein fundamentaler Fehler der wirtschaftspolitischen Diskussion und der Wirtschaftspolitik des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts, von der Ordnung des Eigentums die Lösung der sozialen und wirtschaftspolitischen Frage zu erwarten“ (GWP 270). Hier mag wiederum der aus Euckens Sicht verhängnisvolle Einfluss der Historischen Schule eine Rolle gespielt haben, aber wohl eher als nebensächlicher Aspekt, weil der Haupteinwand in eine andere Richtung weist. Dieses Defizit erklärt sich nämlich eher, wenn man berücksichtigt, dass die Frage nach dem Privateigentum entgegen der marxistischen Ansicht eben nicht identisch ist mit der sozialen Frage (GWP 185). Denn damit werden die Freiheitsrechte nicht gebührend berücksichtigt, ja schlechthin verkannt: „Ohne die Gewährung der notwendigen Freiheitsrechte kann es keine Lösung der sozialen Frage geben“ (GWP 189). Das ist ersichtlich eine der bedeutsameren Aussagen der G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k . Es verdient gerade vor dem Hintergrund des Gesamtzusammenhangs von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung Hervorhebung, dass Eucken die ‚Freiheitsrechte‘ in den Mittelpunkt stellt, also die Unentbehrlichkeit einklagbarer Individualrechte. Darüber hinaus hat Eucken diese Einsicht in einem weiteren Beitrag nicht zuletzt im Hinblick auf das Problem der Freiheit noch näher ausgeführt (SF 111). Insofern überrascht es nicht, dass Euckens diesbezügliche Bestimmung entgegen der marxschen Fassung in kantischer Tradition erfolgt: „Die soziale Frage ist heute in ihrem Kern die Frage nach der Freiheit des Menschen“ (GWP 193).561 Sie kann daher auch nur über die Wettbewerbsordnung im Geist der Freiheit gelöst werden (GWP 370).562  















560 Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgertum und starker Staat, 1983, hat die von Eucken genannte Epoche grundlegend und unter Berücksichtigung der wirtschaftspolitischen Herausforderungen dargestellt; dazu Paul Nolte, Lebens Werk. Thomas Nipperdeys „Deutsche Geschichte“. Biographie eines Buches, 2018. 561 Siehe zum Ganzen auch Alfred Müller-Armack, Die Wirtschaftsordnung sozial gesehen, ORDO 1 (1948) 125, den Eucken selbst an einer Stelle zitiert (GWP 324). 562 Michael Köhler, Europas Geist der Freiheit, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Rein 



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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

II. Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung Auch für die Behandlung der sozialen Frage ist die Interdependenz der Ordnungen zu beachten, weil die Durchsetzung punktueller wirtschaftspolitischer Akte das Ganze aus dem Blick verlieren und mehr Schaden anrichten, als Nutzen stiften würde: „Infolge der allgemeinen Interdependenz aller Märkte kann die soziale Frage nur durch eine zureichende Gesamtordnung gelöst werden. Und so ist die soziale Frage ein Teil der großen Frage nach einer zureichenden freien Wirtschaftsordnung. Gerade soziale Gründe zwingen dazu, diese Linie der Wettbewerbsordnung zu verfolgen“ (SF 131). Die soziale Frage bildet vor diesem Hintergrund ein besonders eindrückliches Beispiel dafür, dass punktuelle Gesetzgebungsmaßnahmen nicht geeignet sind, etwas zur Lösung beizutragen. Gerade in diesem Bereich können Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung nicht getrennt voneinander gewürdigt werden. Diese Überleitung zur sozialen Frage schweift nur scheinbar von den genannten Ordnungsgrundsätzen ab, wenn man nämlich auch an dieser Stelle den eingangs skizzierten Unterschied zwischen verkehrswirtschaftlichem und zentralverwaltungswirtschaftlichem System berücksichtigt – und sich bei diesem einen Unterschied zu jenem vergegenwärtigt: „Nicht aus spontanen Kräften baut sich die Gesellschaft auf, sondern sie ist (sc.: in der Wirtschaftsordnung nach der Zentralverwaltungswirtschaft) von oben gelenkt und in ihrer Gliederung von Weisungen abhängig, die von den Funktionären der zentralen Stellen ausgehen. Damit aber wird der einzelne Mensch im Zentrum seiner Existenz bedroht“ (GWP 188).563  





1. Spontane und gesetzte Wirtschafts- und Rechtsordnungen Dieser Unterschied zwischen Spontanität und Setzung auf der Ebene der Wirtschaftsordnung findet eine wichtige Entsprechung im Bereich der Rechtordnungen, wenn man eine für den vorliegenden Zusammenhang zentrale Stelle aus den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e berücksichtigt: „Der Unterschied, der sich in der Entstehung der Wirtschaftsordnungen findet, besteht auf manchen ande-

hard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 23. Zutreffend auch Otto Schlecht, Zur Ethik in Euckens Werk, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000, S. 59, 65, der den Zusammenhang zwischen Freiheitsrechten und menschenwürdigem Leben bei der Lösung der sozialen Frage betont. 563 Zum besseren Verständnis auch Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 25, dort auch zum Einfluss Böhms.  





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II. Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung

ren Lebensgebieten in analoger Weise. So z. B. bei Entstehung der konkreten Rechtsordnungen. Daß Rechtsnormen entweder gewachsen sind oder aber durch Satzung geschaffen werden, haben Rechtshistorie und Rechtssoziologie im einzelnen gezeigt“ (GN 53 f.).  





a) Interdependenz, spontane Ordnung und Verwirklichung des Rechtsprinzips Interessant hieran ist die Entsprechung der Unterschiede, die aber ebenfalls auf eine wechselseitige Abhängigkeit hindeutet. So kann man wohl auch diesen Gedanken als Ausprägung der Interdependenz der Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung verstehen. Zudem ist interessant, dass Eucken auch hier Rechtsgeschichte und Rechtssoziologie mitberücksichtigt, die er auch im Folgenden vertieft (GN 54). Dass die Interdependenz der Wirtschaftsordnung und der Rechtsordnung gerade in diesem Zusammenhang zum Tragen kommt, folgt auch aus einer wichtigen Stelle der G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k : „Die Mannigfaltigkeit der Ordnungsformen, der Zusammenhang aller ökonomischen Erscheinungen und die Interdependenz der Ordnungen sind bei jedem wirtschaftspolitischen Akt wesentlich“ (GWP 341). Auch wenn die Interdependenz der Ordnungen hier nur als drittgenannter Gesichtspunkt aufscheint, ist sie ersichtlich das verklammernde Element. Das ergibt sich auch aus zahlreichen Parallelstellen (GWP 180/184; GN 18). Immerhin bietet die Aussage aber auch durch die syntaktische Gleichordnung mit den erstgenannten beiden Gesichtspunkten – Vielgestaltigkeit der Ordnungsformen und Kontext der wirtschaftlichen Phänomene – einen wichtigen Anhaltspunkt, um die Interdependenz mit Leben zu füllen. Vor allem nämlich wird im Folgenden die geschichtlich begründete Überlegenheit gestalteter Ordnungsformen als unhintergehbarer Fortschritt gepriesen (GWP 195): „Daß das Wachsenlassen der Wirtschaftsordnungen durch bewußte Gestaltung der Ordnungsformen abgelöst wird, ist ein Ergebnis der wirtschaftlich-gesellschaftlichen Entwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts, das nicht rückgängig gemacht werden kann“ (GWP 341). Wenn aber Ordnungsformen willentlich gestaltet werden, dann schafft das unweigerlich einen gewissen rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen frei und eigenverantwortlich gewirtschaftet werden kann, so dass Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung einander im Sinne der Interdependenz wechselseitig prägen.564  

















564 Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685.

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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

Das Denken in spontanen Ordnungen ist für Eucken also nicht mehr zeitgemäß und unumkehrbar überwunden. Darin liegt wohl zugleich einer der prägenden Strukturunterschiede zum Wirtschafts- und Rechtsdenken von Hayeks.565 Denn nicht nur die Klassiker ökonomischen Denkens,566 sondern gerade auch den zuletzt Genannten charakterisiert eine zusammenfassende Einsicht, die eine von Eucken als unzureichend empfundene Haltung durchaus ironisch ins Visier nimmt: „Mit anderen Worten: Der Staat sorge für die Verwirklichung des Rechtsprinzips und vertraue auf die Harmonie von Eigennutz und Gemeinwohl“ (GWP 351). Ähnlich hat er die Rechts- und Wirtschaftspolitik des Laissez-faire bereits an früherer Stelle dargestellt und für unzureichend befunden (GWP 27). Die Einhaltung des Rechtsprinzips ist für ihn zwar eine notwendige, aber mitnichten hinreichende Bedingung. Es muss vielmehr noch ein bestimmter Ordnungsrahmen hinzukommen, innerhalb dessen freiverantwortlich gewirtschaftet werden darf.  



b) Anknüpfungspunkte in Richtung moderner Technologien Euckens wirtschaftspolitische Grundsätze sind denn auch in bemerkenswerter Weise zukunftsoffen. Das gilt insbesondere für den Faktor der modernen Technik durch das vergrößerte technische Wissen.567 Auch hier „besteht eine eigenartige Interdependenz, die sich in der wirklichen Wirtschaft nachhaltig geltend macht. Nämlich: Die Entwicklung des technischen Wissens hat (…) die Marktform – sei es in Richtung Konkurrenz, sei es auch in Richtung auf die Bildung von Monopolen oder Oligopolen – beeinflußt“ (GWP 236). Die im Text genannten Oligopole müssen hier nicht näher verfolgt werden.568 Mit ihnen setzt sich Eucken zumindest in seinen G r u n d s ä t z e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k eher vereinzelt auseinander (GWP 30/298). Wichtiger ist für den vorliegenden Zusammenhang die maßgeb 







565 Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, § 3. Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 24, macht allerdings mit Recht darauf aufmerksam, dass „F. A. von Hayek die Privatrechtsgesellschaft bei Böhm in seine Theorie gerechten Verhaltens einbezieht. Zu unterscheiden seien die zweckunabhängigen Regeln in der spontanen Ordnung von den zweckabhängigen der Organisation“. 566 Entgegen seiner mitunter (GWP 278) etwas zu pauschalen Annahme gilt dies freilich nicht für das Rechtsdenken Adam Smiths; vgl. Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017. 567 Dazu auch Walter Eucken, Technik, Konzentration und Ordnung der Wirtschaft, ORDO 3 (1950) 3. 568 Vgl. zu ihnen nur Alfred Eugen Ott, Grundzüge der Preistheorie, 3. Auflage 1997, S. 42; Lothar Wildmann, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik, 2007, S. 194.  













II. Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung

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liche Bedeutung des technischen Wissens. Hervorhebung verdient das unscheinbare Wort der ‚eigenartigen‘ Interdependenz, weil nämlich diese Eigenart auf technische Innovationen bezogen ist. Denn diese schaffen ein dynamisches Moment dadurch, dass sie naturgemäß mit der Zeit gehen und sich in ihr entwickeln. Dadurch sind aber auch die damit verflochtenen Ordnungen zwangsläufig dieser Dynamik unterworfen. Die moderne Nachrichtentechnik, insbesondere den Rundfunk, hat Eucken unter dem Gesichtspunkt der Konkurrenz in einer auf den ersten Blick etwas antiquiert wirkenden Weise behandelt, die jedoch entgegen dem Anschein auch heute noch Beachtung verdient, weil sie den Wert der Information als solcher sowie der beschleunigten Informationsgewinnung erkennt (GWP 228).569 Hier finden sich zumindest Anknüpfungspunkte in die Richtung moderner Technologien: „Auch noch auf eine andere Weise scheint die moderne Technik den Anstoß zur Konzentration zu geben. (…) Aber auch hier verursacht sie Gegenwirkungen und bringt nicht zwangsläufig das Monopol hervor. Mit der Technik verstärkt sich die internationale Konkurrenz auf allen diesen Märkten – wenn sie nicht durch die Wirtschaftspolitik behindert wird“ (GWP 234). Die Fortschrittsoffenheit dieser Zeilen wird deutlich, wenn man die Wettbewerbsordnung als Entstehungsbedingung für technische Innovationen einerseits und Schutzfilm vor Monopolisierungstendenzen andererseits hinzunimmt (GWP 298/318).  







569 Jan Henrik Klement, Informationsvielfalt und Wettbewerbsfreiheit, Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 153 f., behandelt das Medienkartellrecht eingehend und wendet die Problematik in weiterführender Weise auf den Ordoliberalismus an: „Im Kartellrecht begegnet uns die Alternative von Freiheitsvertrauen und Ergebnissteuerung namentlich in der Auseinandersetzung zwischen der ordoliberalen Lehre der Wettbewerbsfreiheit und der unmittelbar effizienzorientierten Chicago-School. Parallel dazu lässt sich das positive Medienrecht und lassen sich medienpolitische Diskurse bis hinein in die aktuelle Auseinandersetzung über die Sicherung der Informationsvielfalt im Internet als Ausdruck eines Ringens zweier Vielfaltkonzepte verstehen: einer Vielfalt ‚von unten‘ und einer Vielfalt ‚von oben‘.“ Zum Medienkartellrecht auch Jens Petersen, Medienrecht, 5. Auflage 2010, S. 176–207. Eine andere, aber damit zusammenhängende Frage ist, ob zur Ermittlung einer marktbeherrschenden Stellung, etwa bei ubiquitären sozialen Netzwerken oder Online-Kaufhäusern, die über immense Datenmengen ihrer Kunden verfügen, nicht auch diese Informationen kartellrechtlich berücksichtigt werden sollten. Denn diese selbstgeschaffenen Monopole können ein bedenkliches Ausmaß annehmen und immense wirtschaftliche Macht akkumulieren. In diese Richtung versteht sich der Vorschlag, über ein ‚Informationskartellrecht‘ nachzudenken: Jens Petersen, Medienrecht und Informationsrecht. Eine Standortbestimmung am Beispiel des Kartellrechts, 2005, S. 9 ff.  













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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

c) Tauglichkeit im Internetzeitalter Denkt man Euckens Prämissen fort, so lassen sich viele Einsichten mutatis mutandis für die moderne Informationstechnologie fruchtbar machen.570 Dass aber der technische Fortschritt auch heute noch Monopole begünstigt, kann man schwerlich bestreiten, wenn man nur an die Betreiber von Internet-Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken denkt. Die Interdependenz der Ordnungen weist unter dem Gesichtspunkt des technischen Fortschritts somit zugleich eine zeitlich-dynamische Komponente auf. Eucken ist sichtlich erleichtert, bezüglich der modernen Technik und ihrer unvorhersehbaren Fortschritte keinen Systemwechsel in die Richtung der Übernahme zentralverwaltungswirtschaftlicher Elemente vornehmen zu müssen: „Die Wirtschaftspolitik ist durch die moderne Technik nicht in die verzweifelte Situation gedrängt, Ordnungsformen anwenden zu müssen (…), die sozial, wirtschaftlich und für den Aufbau aller anderer menschlicher Ordnungen gefahrdrohend sind“ (GWP 239). Auch in dieser Hinsicht denkt Eucken offen und fortschrittsfreudig, indem er an die Vereinbarkeit technischer Innovationen mit sozialen Elementen glaubt. Euckens wirtschaftspolitische Grundsätze sind damit im Hinblick auf das permanent zunehmende technische Wissen nicht nur systematisch konsistent, son 

570 Lars B. Feld/Annabelle Doerr/Daniel Nientiedt/Ekkehard A. Köhler, Ordnungspolitische Herausforderungen der Digitalisierung, 2016, S. 19: „Während Eucken bereits früh die Bedeutung des Wissens für den Produktionsprozess und die Bedeutung von vernetzten Märkten thematisiert, war er in Unkenntnis über die Informationstechnologie (IT). Wenngleich Eucken keine konkreten Empfehlungen in diese Richtung abgegeben hat, so lassen sich doch die von ihm entwickelten Prinzipien für eine „digitale Ordnung“ indirekt nutzbar machen“. Im Folgenden erörtern die Autoren die Herausforderungen der Digitalisierung mit ordnungspolitischen Empfehlungen für die Wirtschaft (S. 21–28), die Arbeitswelt (S. 29–37), die Netzinfrastruktur (S. 38–46) und erarbeiten unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Bedingungen normative Ziele einer digitalen Ordnungspolitik im Sinne Euckens, die etwa das Datenschutzrecht betreffen. Daran lässt sich beispielhaft die Interdependenz von Staatsordnung, Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung veranschaulichen, wie folgende Feststellung (ebenda, S. 48) zeigt: „Somit handelt es sich bei der Ausgestaltung des Datenschutzrechts um eine politische Fragestellung, die aber nichtsdestotrotz auf den ökonomischen Effekt der Digitalisierung zurückwirkt“. Aus juristischer Sicht überaus plausibel ist insbesondere ihre These (S. 57), dass „der Gesetzgeber durch die bewusste Gestaltung des ordnungspolitischen Rahmens den mit der Digitalisierung verbundenen Strukturwandel fördern, gestalten und zur Grundlage gesellschaftlichen Wohlstands machen kann“. Diese Annahme ist zugleich sichtbarster Ausdruck der von Eucken zugrunde gelegten Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung. Siehe auch Heike Schweitzer, Ordnungsrahmen für digitale Märkte, Neue Juristische Wochenschrift Editorial Heft 33/2015; Johannes Laitenberger, Entwicklungslinien des Wettbewerbsrechts der Europäischen Union, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 109, 137.  















II. Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung

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dern auch potentiell zukunftsoffen. Damit erweisen sie sich, wie bereits angedeutet, auch für die Bewältigung wirtschaftspolitischer und (kartell-)rechtlicher Probleme im Internetzeitalter als tauglich.571 Allerdings macht Eucken sich keine Illusionen darüber, dass es gerade zwischen Technikern und Juristen immer Verständigungsschwierigkeiten infolge der Divergenz ihres jeweiligen Wissens und der wissenschaftlichen Sachgesetzlichkeiten geben wird:572 „Wo immer zwei Denkweisen zusammenstoßen, etwa die des Juristen und des Technikers, ist die Synthese schwierig. (…) Jede Denkweise neigt dazu, ihr Recht zu behaupten“ (GWP 349). Das zeigt sich auch in heutiger Zeit noch in aller Deutlichkeit dort, wo juristische Ordnungsvorstellungen und Normierungsbestrebungen an technische Machbarkeitsgrenzen stoßen können, weil angesichts der extremen Spezialisierung beider Bereiche nur wenige imstande sind, in beiden Sphären sachverständig zu urteilen und gleichsam als kompetente Vermittler zu fungieren.573 Mutatis mutandis gilt hier dasjenige, was Eucken, noch ganz im überschaubaren nationalen Rechtsrahmen befangen, in seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e zur spartenspezifischen Wissensaufteilung festgehalten hat: „Der einzelne deutsche Industrielle oder Handwerker oder Bauer kennt wohl denjenigen  

571 Vgl. auch Jens Petersen, Medienrecht und Informationsrecht. Eine Standortbestimmung am Beispiel des Kartellrechts, 2005, sub II („Auf dem Weg zu einem Internetkartellrecht“). 572 Viktor Mayer-Schönberger/Thomas Ramge, Das Digital. Markt, Wertschöpfung und Gerechtigkeit im Datenkapitalismus, 2017, S. 257, mit dem interessanten Vorschlag, zur beschränkten (Mit-) Teilungspflicht von Daten durch Monopolisten, um auch anderen Marktteilnehmern Zugang zu bestimmten Märkten zu eröffnen: „Das Wichtigste beim Design datenreicher Märkte ist, Konzentrationen zu vermeiden. Bei klassischen Märkten betraf das vor allem die Marktteilnehmer, bei datenreichen Märkten müssen wir hingegen die Konkurrenz auf der Ebene der Entscheidungsprozesse sicherstellen. (…) Die progressive Daten-Sharing-Pflicht – der Mechanismus, den wir vorgeschlagen haben, um eine derartige Vielfalt zu gewährleisten – schützt zum einen gegen eine solche Konzentration von lernenden Systemen. Durch das selektive und nicht vollständige Teilen von Daten verhindert sie jedoch auch, dass alle Wettbewerber ihre Systeme auf der Basis derselben Datenbasis aufbauen. Im Kern geht es darum, eine Vielfalt der Entscheidungsprozesse zu fördern, so dass auf datenreichen Märkten trotz Netzwerk- und Feedbackeffekten gesunder Wettbewerb herrscht“. Julian Nida-Rümelin/Nathalie Weidenfeld, Digitaler Humanismus. Eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz, 2018, könnte mutatis mutandis von der Grundausrichtung her in Euckens Sinne sein, wenn man an GWP 176 denkt. 573 Lawrence Lessig, Code and other Laws of Cyberspace, 2006, ist etwa zu nennen mit seiner anregenden Theorie, bei der allerdings Faktizität und Normativität auf eine Weise ineinandergreifen, dass zumindest nach klassischer Sichtweise die Gefahr naturalistischer Fehlschlüsse lauert (Jens Petersen, Medienrecht, 5. Auflage 2010, § 1). Vor ihnen gefeit ist demgegenüber die beeindruckende Theorie von Viktor Mayer-Schönberger, delete. The Virtue of Forgetting in the Digital Age, 2009, der als Erster das ‚Recht auf Vergessenwerden‘ im Internet durch Markierung mit einem digitalen Verfallsdatum propagiert hat, das inzwischen auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Entscheidung vom 13.05.2014 C 131/12) anerkannt wurde.  











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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

Teil der heutigen deutschen Wirtschaftsordnung, in der er selbst steht. Der Handwerker weiß von seinen Rohstoff- und Absatzmärkten, er kennt die Versorgung seines Betriebes mit Arbeitskräften, ihm sind gewisse für ihn wichtige Rechtsnormen bekannt, und ihm sind auch einige Vorschriften seiner Innung gegenwärtig. Aber die ganze deutsche Wirtschaftsordnung kennt er nicht und kann er nicht kennen“ (GN 56). Das entspricht der Sache nach auch Adam Smiths Beobachtungen zur Bedeutung der Kenntnis der eigenen örtlichen Gegebenheiten und des eigenen Rechtskreises, die für seine Rechtstheorie maßgeblich sind.574 Was Eucken betrifft, so zeigt sich an der zuletzt zitierten Stelle exemplarisch, nämlich auf Innungsvorschriften und branchenspezifische Rechtsnormen bezogen, sein Verständnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung, das bei allem Bekenntnis zur Interdependenz immer auch auf eine Überschaubarkeit der konkreten Lebensverhältnisse und ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Wirklichkeit geprägt ist.  

2. Rechtsdenken und Wirtschaftsdenken Die darin zum Ausdruck kommende Irreversibilität kann wohl als Bekenntnis zu einem bedingt – nämlich durch das hinzutretende Merkmal formender Gestaltung – evolutionären Rechts- und Wirtschaftsdenken gewertet werden. Die abweichende Einschätzung spontaner Ordnungen gegenüber gestalteten Ordnungsformen ist neben der divergierenden Moralvorstellung wohl der entscheidende Unterschied zwischen von Hayeks und Euckens wirtschaftspolitischem Konzept.575 Wichtiger als diese Differenz ist für den vorliegenden Zusammenhang aber, welche Folgerungen sich daraus für Euckens Rechtsdenken ergeben. Denn in der Tat hat er am Schluss der G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e einen Abschnitt über das ‚Rechtsdenken‘ gesetzt, der für sein Verständnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung von bestimmender Bedeutung ist. Da diese Passage entwicklungsgeschichtlich hochinteressant ist, sei sie ununterbrochen wiedergegeben: „R e c h t s d e n k e n und nationalökonomisches Denken sind im Laufe des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre besonderen Wege gegangen und haben sich nur selten berührt. In diesem Zeitraum herrschte die Überzeugung, daß es zwar notwendig sei, eine R e c h t s ordnung durchzusetzen und auszubauen, daß sich aber eine brauchbare W i r t s c h a f t s ordnung aus der Entwicklung heraus spontan bilde. Es sei also nicht nötig, eine Wirtschaftsordnung zu gestalten; sie entstehe von  





574 Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017. 575 Allgemein und grundlegend zu den unterschiedlichen Ordnungsvorstellungen Ingo Pies, Eucken und von Hayek im Vergleich: Zur Aktualisierung der ordnungspolitischen Konzeption, 2001; ders., Ordnungspolitik in der Demokratie, 2000.  

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II. Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung

selbst. Infolgedessen enthielten die Rechtsordnungen keine Prinzipien, nach denen sich die alltäglichen Vertragsabschlüsse und Rechtsgeschäfte, Gesellschaftsgründungen usw. zu einem funktionsfähigen wirtschaftlichen Gesamtprozeß verknüpfen sollten. – Inzwischen ist aber erkannt, daß die moderne industrialisierte Welt im Zuge ihrer Entwicklung nicht von selbst brauchbare Wirtschaftsformen erzeugt, daß sie also gewisser Ordnungsgrundsätze oder einer Wirtschaftsverfassung bedarf“ (GN 241). Das kann man geradezu als entwicklungsgeschichtlich begründetes Credo des Ordoliberalismus begreifen, weil der Glaube an die Leistungsfähigkeit und Gerechtigkeit spontaner Ordnungen im Laufe der Zeit aufgrund negativer Erfahrungen abhandengekommen ist und durch die Einsicht in die Notwendigkeit allfälliger ordnungspolitischer Korrekturen ersetzt wird. Indem sich zuvor jedoch Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung über eine längere Zeit auseinanderentwickelt und verselbständigt hatten, verringerte sich auch die Vermittlungsebene gemeinsamer Prinzipien. Dementsprechend langwierig war es für die beiden Wissenschaften, sich auf einen gemeinsamen Nenner zu einigen. Ungeachtet des scheinbaren Endes dieser Debatte, das Eucken mit seinem Gedankenstrich andeutet, gab es auch unter seinen Zeitgenossen noch maßgebliche Vertreter ungebremst spontaner Ordnungen, die sich nicht bekehrt zeigten.576 Die nachfolgenden Sätze, die ebenfalls noch aufschlussreich sind, müssen hier nicht wiederholt werden, weil sie bereits eingangs im Abschnitt über ‚Morphologie und Rechtsdenken‘ wiedergegeben wurden (GN 241). Entscheidend ist einstweilen, dass die Wirtschaftsordnung nicht isoliert für sich besteht und auch nicht allein aus sich heraus eine die Freiheitsrechte aller zur Geltung oder gar zum gerechten Ausgleich bringende Wirkung entfaltet, sondern auf einen flankierenden Schutz der Rechtsordnung angewiesen ist.577  





576 Namentlich zu von Hayeks Hochschätzung spontaner Ordnungen Ernst-Joachim Mestmäcker, Organisationen in spontanen Ordnungen. Friedrich August von Hayek-Vorlesung 1991, 1992; Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, §§ 3 f. 577 Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685, hat zwar nicht konkret die im Text zitierte Stelle im Blick, doch denken die folgenden Aussagen deren Bedeutungsgehalt in zeitgemäßer Weise fort: „In Konsequenz des Prinzips der Interdependenz der Ordnungen stellt eine wettbewerbliche Marktwirtschaft keine um ihrer selbst willen zu schützende Ordnung dar. Sie erhält ihren besonderen normativen Wert aber durch die untrennbare Verknüpfung mit der Privatrechtsordnung, die mit dem Grundsatz der Privatautonomie – in Konkretisierung der Freiheitsphilosophie Immanuel Kants – ihrerseits auf der Idee chancengleicher individueller Selbstbestimmung beruht. Die Rechtsordnung hat für die Wirtschaft also nicht nur eine instrumentelle Funktion im Sinne einer wohlfahrtsökonomisch zu vernachlässigenden Nebenbedingung. Der Wirtschaftsprozess ist vielmehr zwingend an rechtliche Regeln zu binden, die den  







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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

3. Interdependenz in der internationalen Ordnung Man versteht die vorstehenden Stellen besser, wenn man die darin der Sache nach angesprochene Interdependenz der Ordnungen noch mit jenen Stellen aufhellt, an denen Eucken davon ausdrücklich spricht. Deren erste steht gleich zu Beginn der G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k und ist ihrem äußeren systematischen Standort entsprechend noch vergleichsweise allgemein gehalten, zumal da sie im Ausgangspunkt nur den mikroökonomisch verantwortlichen Leiter einer Eigenwirtschaft betrifft (GWP 7). Diese Interdependenz resultiert nicht zuletzt aus rechtlich-sozialen Daten, die vom Leiter einer solchen Wirtschaft zu berücksichtigen sind: „Seine Weisungen sind außerdem noch von der rechtlichen und sozialen Struktur seines Gemeinwesens abhängig“ (KU 165). Selbst in der überschaubaren Einheit eines kleinen Betriebs müssen also neben den rechtlichen Bedingungen die großen volkswirtschaftlichen Koordinaten mitberücksichtigt werden, weil man von ihnen jederzeit abhängig ist. Auch das veranschaulicht die Interdependenz von Rechts- und Wirtschaftsordnung. In einem Aufsatz über di e s o z i a l e F r a g e hat Eucken ausdrücklich die internationale Wirtschaftsordnung in sein Verständnis der Interdependenz integriert: „Der Wirtschaftsprozeß eines Volkes und darüber hinaus vieler Völker ist e i n zusammenhängendes Ganzes“ (SF 127).578 Hier ist wohl durchaus schon eine europarechtliche Betrachtung avant la lettre mitbedacht. Aber auch auf makroökonomischer Ebene gilt nichts anderes, wie Eucken unmittelbar im Anschluss daran ausführt, was aber auch dem an späterer Stelle Behandelten entspricht (GWP 180): „Genau die gleiche Interdependenz und Einheit des Wirtschaftsprozesses besteht in der industrialisierten Wirtschaft“ (GWP 7). Liest man dies in der Zusammenschau, so ergibt sich, dass die Interdependenz alle Ordnungen durchzieht und an geographische Grenzen ebenso wenig gebunden ist wie an sachliche oder funktionale, weil sie sich angefangen vom Kleinstbetrieb bis hin zur größten wirtschaftlichen Einheit mit Auswirkungen auf andere Länder überall bemerkbar macht.  







Wettbewerb als ‚Bewegungsgesetz der Gesellschaft‘ gewährleisten, um die individuellen Wirtschaftsfreiheiten mit den Freiheitsrechten anderer in einen sachgerechten Ausgleich zu bringen“. – Richtig daran ist insbesondere die unausgesprochene Prämisse, dass gerade die im internationalen Schrifttum mitunter begegnende Einschätzung, dass der Ordoliberalismus ökonomischen Wohlfahrtsgesichtspunkten nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenke, verfehlt ist siehe (Ernst-Joachim Mestmäcker/Heike Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 3. Auflage 2014, § 3 Randnummer 61 f. mit Fußnote 98, unter Verweis auf die ebenfalls zutreffende Einschätzung von Amartya Sen, On Ethics and Economic, 1991, p. 74). 578 Hervorhebung des zweiten unbestimmten Artikels auch dort.  











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II. Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung

a) Arbeitsteiliger Prozess der Weltwirtschaft Präzisiert wird dies erst sehr viel später, nämlich im Zusammenhang mit der Investitionslenkung als einem Aspekt der alltäglichen Wirtschaftslenkung, die vor ganz neuen Herausforderungen steht (GWP 4): „Wie dieses Lenkungsproblem aussieht, wie eminent schwierig es im großen arbeitsteiligen Prozeß der industriellen Weltwirtschaft geworden ist, wie seine Lösung auf andere Ordnungen wirkt, wie es also ein entscheidendes Problem des menschlichen Lebens geworden ist – dies deutlich zu machen, mußte ein Hauptanliegen der Untersuchung sein“ (GWP 156).579 Das Lenkungsproblem betrifft eben nicht nur ausschließlich mikro- oder makroökomomische Fragen, sondern immer zugleich beide und damit den wirtschaftlichen Gesamtprozess (GWP 197). Hier klingt der Gesichtspunkt der Interdependenz – an dieser Stelle sogar mit Bezug zur Weltwirtschaft – an.580 Es ist daher wohl auch in systematischer Hinsicht kein Zufall, dass diese Überlegung etwa in der Mitte der G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k angesiedelt ist, und zwar vor der eingehenden Behandlung der Interdependenz selbst (GWP 180).581 In diesem Zusammenhang ist noch eine weitere Stelle zu berücksichtigen, die gleichfalls vom arbeitsteiligen Prozess der industriellen Weltwirtschaft ausgeht, weil sie eine notwendige Weichenstellung in Richtung einer Verkehrswirtschaft und dementsprechend eine Absage an jegliche Zentralverwaltungswirtschaft formuliert: „Die industrielle Wirtschaft drängt zu großen Märkten und zu internationaler Arbeitsteilung; aber Wirtschaftsordnungen zentralverwaltungswirtschaftlicher Art waren und sind nicht imstande, diesen weltwirtschaftlichen Beziehungen ein festes Fundament zu geben“ (GWP 243).582 Die eminente Rolle Chinas in der gegenwärtigen Weltwirtschaftsordnung scheint diese Aussage je nach Betrachtung der ein 















579 Walter Eucken, Die Stickstoffversorgung der Welt. Eine volkswirtschaftliche Untersuchung, 1921, hat sich bereits in seiner Habilitationsschrift mit volkswirtschaftlichen Fragen der Weltwirtschaft beschäftigt, allerdings noch im Geiste der später nachhaltig abgelehnten Historischen Schule; vgl. Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 6 mit Fußnote 7. 580 Siehe dazu nur Ernst-Joachim Mestmäcker, Rechtsfragen einer Ordnung der Weltwirtschaft, Festschrift für Karl Carstens, 1984, S. 417. 581 Manfred Löwisch, Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz – ein ordnungspolitischer und rechtlicher Irrweg, in Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000, S. 221, meint mit Recht, dass Euckens ‚Grundsätze der Wirtschaftspolitik‘ Bedeutung „in der mehr miteinander verwachsenden Weltwirtschaft“ haben; womit ja in der treffenden Formulierung schon auf den Gesichtspunkt der Interdependenz angespielt wird. 582 Zur Arbeitsteilung bei Eucken, auch unter Berücksichtigung seines vergleichsweise herangezogenen Robinson-Theorems (GWP 160; GN 152), Ernst-Joachim Mestmäcker/Heike Schweitzer, Europäisches Wirtschaftsrecht, 3. Auflage 2014, § 3 Randnummer 18.  

















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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

zelnen Elemente seiner Wirtschaftsordnung paradoxerweise zugleich zu bestätigen wie zu widerlegen und macht darüber hinaus deutlich, wie sich bei einer grundsätzlich zentralgeleiteten Wirtschaftsordnung die Rechtssicherheit auch im internationalen Handel verringert, wo es an einem allgemein verbindlichen Ordnungsrahmen über die Achtung von Patenten und anderen Individualrechten fehlt. Gerade wegen solcher prinzipieller Probleme sind auch diejenigen historisch fundierten Beobachtungen Euckens nach wie vor wesentlich, die sich scheinbar nur mit zeitbezogenen Eigenheiten bestimmter Umbruchslagen beschäftigen. So befürchtete er in einem für die Alliierten erstellten Gutachten Ü b e r d i e G e s a m t r i c h t u n g d e r O r d n u n g s p o l i t i k die Verschlechterung der internationalen Beziehungen innerhalb der Weltwirtschaft für den Fall, dass die Wirtschaftsordnung zentralverwaltungswirtschaftlich verfasst würde: „Sobald die Wirtschaftslenkung in die Hand politisch-zentraler Stellen gerät, werden die weltwirtschaftlichen Beziehungen gefährdet. Darin spricht die Geschichte der russischen Handelspolitik und der deutschen Handelspolitik seit 1933 sowie der japanischen Handelspolitik – um nur einige Beispiele zu nennen – eine deutliche Sprache. Jedes einzelne Geschäft im Außenhandel dieser Länder wird – durchgeführt von politisch-zentralen Stellen – zu einem Akt imperialer Außenpolitik“ (OP 11). Er wusste, womit er seine Auftraggeber vor der Übernahme und Einbeziehung zentralwirtschaftlicher Elementen in der Wirtschaftspolitik abschrecken konnte.  







b) Internationaler Handel Euckens besonderes Augenmerk gilt dem internationalen Handel.583 Schon daran zeigt sich, dass die Alternative der Zentralverwaltungswirtschaft mitnichten überkommen oder allenfalls zeitbedingt bzw. zeitgeschichtlich von Interesse ist. Er stellt sich die Frage, wie in zentralverwaltungswirtschaftlich verfassten Systemen der internationale Handel vonstatten geht (GWP 95).584  

583 Siehe zum Folgenden auch Gralf-Peter Calliess, Transnationales Handelsvertragsrecht. Private Ordnung und staatlicher Rahmen, in: Verrechtlichung – Bausteine für Global Governance (Hg. Michael Zürn/Berhard Zangl) 2004; Klaus Peter Berger, The Creeping Codification of the Lex Mercatoria, 1999; Peer Zumbansen, Lex Mercatoria, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 67 (2003) 637; Peter Behrens, Die Bedeutung des Kollisionsrechts für die Globalisierung der Wirtschaft, Festschrift zum 75jährigen Bestehen des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht, 2001, S. 381; Dieter Schmidtchen, Lex Mercatoria und die Evolution des Rechts, in: Vereinheitlichung und Diversität des Zivilrechts in transnationalen Wirtschaftsräumen (Hg. Claus Ott/Hans-Bernd Schäfer) 2002, S. 1. 584 Dazu aus moderner Sicht Andreas Heinemann, ‚Ökonomischer Patriotismus‘ in Zeiten regionaler und internationaler Integration, Zur Problematik staatlicher Aufsicht über grenzüberschrei 





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II. Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung

aa) Internationaler Handel und Lenkungssysteme Seine Antwort führt zu zwei Grundkonstanten seines Systemdenkens, die in diesem Punkt wechselseitig bestätigt werden, nämlich der Ablehnung wirtschaftlicher Macht und dem Argwohn gegenüber jedweder Einflussnahme durch Interessenten im weitesten Sinne: „Weil die Zentralverwaltungsstellen große Schwierigkeiten hatten, den Austausch mit anderen Ländern durchzuführen, zogen sie den Rat sachverständiger Kreise der Industrie und der Landwirtschaft, des Handels usw. hinzu. Diese Sachverständigen sind stets Interessenten. Interessenten sind dann einflußreich, wenn sie über wirtschaftliche oder politische Macht verfügen. Und so wurde auch auf diesem Gebiet durch die Zentralverwaltungsstellen das Interesse wirtschaftlicher Machtgruppen wirksam“ (GWP 98).585 Diese Beweisführung ist ein Lehrstück der prägnanten Darstellung Euckens, in der sich wirtschaftswissenschaftlich gefilterte Alltagserfahrung und dogmatische Stringenz bündeln. Darüber hinaus veranschaulicht die Stelle, dass Zentralverwaltungswirtschaften typischerweise das für den transnationalen Handel erforderliche Wissen fehlt, weil sie zumeist auf individuellen Kontakten und Erfahrungen beruht, mit denen Handelsrouten erschlossen oder gepflegt wurden. Zentralverwaltungsstellen sind daher typischerweise auf mehr oder minder dubiose Agenten und Makler angewiesen, die in der Regel massive Eigeninteressen verfolgen. Wie verhängnisvoll solche Sonderbelange im internationalen Handelsverkehr sind, hat bereits Adam Smith erkannt, für den im Übrigen die Problematik des Wissensvorsprungs ebenfalls besondere Bedeutung hatte.586 Allerdings gibt es noch ein transnationales Problem beim internationalen Handel zwischen Ländern mit zentralverwaltungswirtschaftlichem Lenkungssystem und solchen, die verkehrswirtschaftlich geprägt sind, weil dies in letzteren zu Störungen des  

tende Unternehmensübernahmen, Walter Eucken Institut, Beiträge zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik, Band 175, 2011, S. 39 ff. zum internationalen Wirtschaftsrecht sowie S. 52 ff. zum europäischen Wirtschaftsrecht; ferner ders./Anton K. Schnyder, Internationales Wirtschaftsrecht, 2017. 585 Mancur Olson, Aufstieg und Niedergang der Nationen. Ökonomisches Wachstum, Stagflation und soziale Starrheit, 2. Auflage 1982, macht für den bezeichneten Niedergang nicht zuletzt die Einflüsterungen durch Interessengruppen verantwortlich. Gary S. Becker, Politischer Wettbewerb zwischen Interessengruppen, in: Familie, Gesellschaft und Politik (Übersetzung Monika Streissler) 1996, S. 185, 192, wendet sich jedoch gegen eine „Verteufelung von Interessengruppen“, die empirisch nicht nachweisbar sei. Siehe dazu auch Markus Dietz, Zur Bedeutung des Rechts für die Ökonomik, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ingo Pies/Martin Leschke) 2002, S. 64, 67 mit Fußnote 3. 586 Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 235, zu Problematik des Lobbyismus bei Außenhandelsgesetzen und internationalem Handelsverkehr.  





















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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

wirtschaftlichen Gleichgewichts führen kann:587„Die Gleichgewichtslosigkeit des zentralverwaltungswirtschaftlichen Produktionsprozesses eines Landes wird durch den Außenhandel in Länder mit verkehrswirtschaftlichen Lenkungssystemen hineingetragen und hindert dort die Lenkungssysteme, das Gleichgewicht herzustellen“ (GWP 112). Hier zeigt sich die Interdependenz von ihrer negativen Seite, weil die internationalen Verflechtungen eben auch zu einer Infektion führen können. Das spricht für transnationale Handelsbeziehungen mit Unternehmen aus Staaten, die gleichermaßen der Wettbewerbsordnung vertrauen.  

bb) Machtgebilde und Theorie des internationalen Handels In seinem Gutachten Ü b e r d i e G e s a m t r i c h t u n g d e r O r d n u n g s p o l i t i k behandelt Eucken ebenfalls den internationalen Handel und beklagt im Hinblick auf die monopolistischen und teilmonopolistischen ‚Machtgebilde‘: „Diese Machtgruppen haben auch den internationalen Handel schwer beeinträchtigt, indem die großen Konzerne, Kartelle, Pools und Trusts ihren Machtbereich über die nationalen Grenzen ausdehnten, dabei oft in Konflikt miteinander gerieten oder – bei Abkommen untereinander – die Märkte erstarren ließen“ (OP 15). Auch hier zeigt sich die Infektionswirkung, freilich bezogen auf den Missstand wirtschaftlicher Machtballungen. Zugleich ist damit das Problem der Zementierung von Marktanteilen angesprochen.588 Wirtschaftliche Macht verflüchtigt sich bei Auslandsberührung oder internationaler Ausdehnung also nicht etwa, sondern breitet sich ungehindert aus und potenziert sich schlimmstenfalls, wenn konkurrierende Unternehmen internationale Streitigkeiten ausfechten, weil sie sich im Ausland womöglich noch mit härteren Mitteln oder im Inland mit unerlaubten bekämpfen.  



(1) Rahmen der bestehenden Rechtsordnung Auch in den K a p i t a l t h e o r e t i s c h e n U n t e r s u c h u n g e n findet sich ein aufschlussreicher Abschnitt, der den internationalen Handel voraussetzt, den

587 Siehe auch Moritz Renner, Zwingendes transnationales Recht. Zur Struktur der Wirtschaftsverfassung jenseits des Staates, 2011. 588 Vgl. dazu etwa Dieter Schmidtchen, Szenarien für eine neue europäische Verkehrspolitik, in: Orientierungen für ordnungspolitische Reformen, Walter Hamm zum 80. Geburtstag (Hg. Helmut Leipold) 2003, S. 26, 53, der dies in aufschlussreicher Weise mit Hayeks Verdikt der Anmaßung von Wissen in Verbindung bringt. Siehe auch Herwig Schlögl, in: Rationalisierung durch Kartelle? (Hg. Erich Hoppmann/Ders.) 1971, S. 226; Annegret Groebel, Problemfelder des neuen europäischen Rechtsrahmens zur Regulierung elektronischer Kommunikationsnetze, 2005, S. 29 mit Fußnote 76.  









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Eucken an folgender Aufgabe veranschaulicht:589 „Es gelte, den Handel zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten im Jahre 1913 in seiner Zusammensetzung zu erklären. (…) Nur durch Anwendung der Theorie des internationalen Handels ist dieses konkrete Problem zu lösen, da nur hierdurch gezeigt werden kann, daß bei der vorhandenen Bevölkerung und deren vorhandenen Bedürfnissen, bei vorhandener Bodenbeschaffenheit, bei der vorhandenen Qualität der Arbeiterschaft und bei vorhandenem Kapitalreichtum im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung bei beiderseitiger Goldwährung, auf Grund der beiderseits geltenden Zölle usw. dieser Austausch stattfinden mußte“ (KU 38).590 Diese Ausführungen sind deutlich zeitbezogen und hier nur in einer Hinsicht von verallgemeinerbarer Bedeutung. Diese besteht im genannten Aspekt des ‚Rahmens der bestehenden Rechtsordnung‘, der bereits einen Anklang auf seine späteren wirtschaftspolitischen Grundsätze verheißt und im Verein mit den geld- und währungspolitischen Gesichtspunkten die Interdependenz der Ordnungen andeutungsweise vorwegnimmt. Vor allem zeigt dies einmal mehr, dass Eucken keinem Primat der Wirtschaftsordnung das Wort redet, sondern den Rahmen der bestehenden Rechtsordnung hinnimmt, sofern dieser systematisch konsistent und frei von Wertungswidersprüchen ist. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung sinnvoll aufeinander abgestimmt werden können.

(2) Internationale Verträge zur Einhaltung währungspolitischer Spielregeln Eine weitere Abhandlung über D i e W e t t b e w e r b s o r d n u n g u n d i h r e V e r w i r k l i c h u n g nimmt Eucken anhand eines hier in den Einzelheiten nicht näher interessierenden Beispiels zum Anlass, um zu verdeutlichen, welche Auswirkungen seine Vorstellung des internationalen Handels auf die von ihm so genannten ‚währungspolitischen Spielregeln‘ hätte: „Ein internationaler Vertrag (…) wäre erforderlich. Es wäre ein Vertrag, der sich ausschließlich auf die währungspolitischen Spielregeln, nicht etwa unmittelbar auf die alltägliche Wechselkursbildung zu erstrecken hätte“ (WV 82). Aufschlussreich ist daran zunächst, dass Eucken auf internationale Verträge setzt, soweit es um Gegenstände geht, die notwendigerweise transnationale Sachverhalte berühren. Gleichwohl geht auch in diesem Bereich

589 Dazu aus dem älteren Schrifttum Gottfried Haberler, Der internationale Handel, 1933; ferner Albert Gamper, Erfolgsfaktoren im internationalen Handel. Das Beispiel europäischer TradingHouses, 1996; Peter Zweifel/Robert H. Heller, Internationaler Handel. Theorie und Empirie, 3. Auflage 1997. 590 Walter Eucken, Das Übertragungsproblem. Ein Beitrag zur Theorie des internationalen Handels, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 123 (1925) 145, hat sich mit dieser Theorie selbst auseinandergesetzt.  

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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

sein Bestreben dahin, das Fundament seiner Theorie möglichst auch auf den internationalen Bereich zu erstrecken. So zeigt sich, dass seine Grundannahme, dass der alltägliche Wirtschaftsprozess nicht gelenkt werden soll, sondern nur die Spielregeln als Rahmen vorgegeben werden müssen, nicht allein die innerstaatliche Tätigkeit berührt, sondern auch den supranationalen Handel bestimmen kann und darüber hinaus auch das konstituierende Prinzip der Geldwertstabilität betrifft.591 Diese wiederum ist für die – auch internationale – Rechts- und Wirtschaftsordnung von besonderer Bedeutung (WV 34).592 Der dafür erforderliche Vertragsschluss setzt freilich voraus, dass auch die Repräsentanten anderer Länder davon überzeugt werden können, in währungspolitischer Hinsicht einvernehmlich zu handeln und zwischen festen Spielregeln und freien Spielzügen zu unterscheiden. Wie schwer dies schon auf europäischer Ebene ist, lässt sich jeden Tag aufs Neue ersehen und hat auch Eucken bereits erkannt (GWP 114).593  





c) Internationales wirtschaftspolitisches Gesetzbuch? Mit den genannten transnational ausgerichteten Beispielen ist zugleich ein gewichtiges Wort zur Globalisierung gesprochen, das Eucken an anderer Stelle sicherheitshalber noch bekräftigt:594 „Wenn also eine wirtschaftliche Ordnungsform – die zentralverwaltungswirtschaftliche – kein Lenkungssystem bietet, das den Erfordernissen der internationalen Arbeitsteilung gerecht wird, so erweist sie sich als ungeeignet, die Erfordernisse der modernen industrialisierten Welt zu erfüllen“ (GWP 115 f.). Erneut bestätigt sich für Eucken, dass Zentralverwaltungswirtschaf 







591 Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 76. 592 Lars B. Feld/Annabelle Doerr/Daniel Nientiedt/Ekkehard A. Köhler, Ordnungspolitische Herausforderungen der Digitalisierung, 2016, S. 16, erläutern anschaulich: „Die Bedeutung der Geldwertstabilität ergibt sich aus der Tatsache, dass auf dem freien Markt die Impulse für die Entwicklung des Wirtschaftsprozesses letztlich von den Preisen ausgehen. Veränderungen des Geldwerts – in Form von Inflation oder Deflation – gefährden diese Signalfunktion. Das Preisniveau soll deshalb über einen automatischen Mechanismus geschützt werden, der die Währung vor politischem Einfluss schützt“. – Dass die Geldwertstabilität damit nicht nur für die Wirtschaftsordnung, sondern auch für eine den Prinzipien des Privateigentums und der Privatautonomie verpflichtete Rechtsordnung konstituierende Bedeutung hat, liegt auf der Hand. 593 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 14, stellt bezüglich der konstituierenden und regulierenden Prinzipien Euckens mit Recht fest: „Die Nähe dieser Prinzipien zur europäischen Wirtschaftsverfassung, die auf Binnenmarkt und einem System unverfälschten Wettbewerbs beruht, ist unverkennbar“. 594 Grundlegend dazu Moritz Schularick, Finanzielle Globalisierung in historischer Perspektive. Kapitalflüsse von Reich nach Arm, Investitionsrisiken und globale öffentliche Güter, 2006.  















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ten der Wirtschaft schaden, weil sie schon ganz elementaren Anforderungen, hier in Gestalt der Arbeitsteilung, im internationalen Bereich ebenso wenig genügen wie im inländischen Handel. Wie bereits weiter oben gesehen, machen zentralverwaltungswirtschaftliche Lenkungssysteme alles noch schlimmer, indem sie im Falle des Zusammentreffens mit internationalen Wirtschafts- und Rechtsordnungen, die verkehrswirtschaftlich ausgerichtet sind, ihre nachteiligen Wirkungen auf diese übertragen können (GWP 112).  

aa) Zukunftsfähigkeit seiner weltwirtschaftlichen Konzeption Hieran zeigt sich beiläufig, wie hellsichtig und zukunftsoffen Euckens Vorstellung einer industriellen Weltwirtschaft ist, welche die internationale Arbeitsteilung bereits Mitte des vorigen Jahrhunderts in ihrer Tragweite erfasste (GWP 317), systematisch einzuordnen wusste und als Herausforderung der Wirtschaftsordnung begriff (GWP 7).595 Bereits am Ende seiner G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e hat er in einer vielsagenden Parenthese, die zugleich die Reihenfolge angibt und dadurch buchstäblich zukunftweisend ist, verdeutlicht, dass die internationale Ordnung im Hinblick auf die Wirtschaftsverfassungen vor besonderen Herausforderungen steht: „Da die Nationalökonomie heute daran arbeitet, brauchbare Ordnungsgrundsätze für den Aufbau von leistungsfähigen Wirtschaftsverfassungen – internationale und einzelstaatlich – zu entwickeln und für alle Teile der Wirtschaftspolitik fruchtbar zu machen, können nunmehr nationalökonomisches Denken und Rechtsdenken ineinandergreifen, – mag es sich um die Behandlung von Kartellen, um das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, um Fragen der internationalen Währungsordnung oder um andere wirtschafts- und rechtspolitische Fragen handeln“ (GN 242). Diese Stelle ist auch deswegen von Bedeutung, weil sie das Ineinandergreifen von Wirtschafts- und Rechtsdenken voraussetzt, also die Interdependenz der Ordnungen nochmals auf die Ebene der wissenschaftlichen Methode anwendet und damit buchstäblich radikal ansetzt. Bemerkenswert ist daran vor allem, dass er im Zeitpunkt der Niederschrift – das Vorwort datiert vom November 1939 – die internationale Währungsordnung in Betracht zieht. Zudem verdient Hervorhebung, dass er die beispielhaft genannten Herausforderungen und Probleme verallgemeinernd mit ‚anderen wirtschafts- und rechtspolitischen Fragen‘ verknüpft. Letztlich geht es für ihn demnach stets nicht nur um Fragen der Wirtschaftspolitik – dafür spricht bereits sein nachgelassenes Hauptwerk (GWP) –, sondern auf juristischer Seite um Rechtspolitik.  



















595 Siehe dazu auch Andreas Heinemann, Korrekturen am Ordnungsrahmen für die globalisierte Wirtschaft, Festschrift für Daniel Thührer, 2015, S. 237.  

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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

bb) Ideologieanfälligkeit internationaler Wirtschaftsordnungen Allerdings dämpft Eucken an anderer Stelle die Erwartungen an eine internationale Gesamtordnung mit einheitlicher Wirtschaftspolitik: „Man kann nicht ein umfassendes wirtschaftspolitisches Gesetzbuch aufstellen, das für alle Länder Geltung gewinnen könnte“ (GWP 251). Der Grund dafür dürfte nicht zuletzt darin liegen, dass die konstituierenden Prinzipien, beispielsweise, was Vertragsfreiheit, Privateigentum und Haftung betrifft, nicht einheitlich sind.596 Das gilt vor allem bei Vorliegen zentralverwaltungswirtschaftlicher Elemente innerhalb einer Wirtschafts- und Rechtsordnung, selbst wenn sie das Privateigentum institutionell anerkennt, da mit der Zentralverwaltungswirtschaft nicht notwendigerweise die Entscheidung für das Kollektiveigentum einhergeht (GWP 60): „Privateigentum hat (…) je nach der Marktform einen ganz verschiedenen Charakter; und je nachdem ändert sich die Funktion des Eigentumsrechts“ (GWP 272). Dieser Gedanke begegnete bereits mehrfach im Verlauf der Untersuchung. Es kann also zu einer Transformation von Rechtsinstituten kommen, die sich gerade im Bereich des internationalen Handels besonders schwerwiegend auswirken kann (GWP 46/198). Andererseits besteht nicht automatisch eine Zentralverwaltungswirtschaft, wenn es kein Privateigentum gibt (GN 54). Auch hieran erkennt man die Interdependenz der Wirtschafts- und Rechtsordnung, weil insoweit eine Abhängigkeit der Institute der Rechtsordnung von den Formen der Wirtschaftsordnung besteht. Es erscheint daher nur auf den ersten Blick überraschend, dass „Rechtsinstitutionen – wie Eigentum, Vertragsfreiheit oder Haftung – je nach der Ordnungsform ihre Funktion ändern“ (GWP 24). Auch die in der Parenthese genannten konstituierenden Prinzipien haben also nicht immer denselben Inhalt, sondern hängen von Marktform und Geldsystem ab (GWP 270). Erst recht gilt dies, wenn es um die Herstellung einer internationalen Rechts- und Wirtschaftsordnung geht. Denn hier kommen ersichtlich ganz unterschiedliche Wertvorstellungen und politische Ziele ins Spiel, die miteinander in Einklang gebracht werden wollen. Insgesamt ist „der Aufbau einer funktionsfähigen internationalen Wirtschaftsordnung von einem (…) dichten Schleier der Ideologien überdeckt“ (GWP 110). Diese waren freilich in Ländern mit zentralverwaltungswirtschaftlichen Lenkungssystemen besonders verbreitet und bildeten seines Erachtens das größte Hindernis: „Alle Versuche, etwa zu einer Wirtschaftseinheit Europa zu kommen, bleiben so lange vergeblich, wie mit dieser Ordnungsform in einzelnen Ländern gearbeitet wird“ (GWP 114). Mag dies scheinbar der Geschichte anzugehören, so haben sich die Probleme einer europäischen Wirtschaftseinheit heute nur verlagert, weil die Ideologien fort 





















596 Aus verfassungsrechtlicher Sicht zum Ganzen Udo Di Fabio, Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, 2001.

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bestehen bzw. ausgewechselt wurden und nach wie vor insbesondere die Einschätzungen darüber divergieren, was Eucken die ‚währungspolitischen Spielregeln‘ nennt (WV 82).597

d) Schaffung einer funktionsfähigen Weltwirtschaft als Aufgabe Eucken spricht sich also nicht blindlings für eine Rechtsvereinheitlichung innerhalb der internationalen Handelspolitik aus. Solange über die Prinzipienorientierung keine im Wortsinne radikale Verständigung besteht, ist jede noch so wohlgemeinte internationale Kodifizierung kaum mehr als eine gutwillige Erklärung, womit sie aber im Wortsinne deklaratorisch ist, ohne konstitutiv wirken zu können.598 Andererseits verficht Eucken seine wirtschaftspolitischen Grundsätze auch in Fragen der internationalen Handelsordnung ebenso konsequent wie rigoros, so dass eine Verständigung letztlich nur auf der Grundlage seiner konstituierenden und regulierenden Prinzipien möglich wäre. Vielleicht haben solche systematischen Rückführungen und kompromisslosen Hinweise auf die von ihm herausgearbeiteten Prinzipien mit dazu beigetragen, dass Eucken die internationale Anerkennung in dem ihm zustehenden Maße bislang versagt blieb. Wenn man jedoch das weiter oben zitierte Gutachten Ü b e r d i e G e s a m t r i c h t u n g i n d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k auch zu dieser Frage konsultiert, stößt man auf eine Antwort, die dem entspricht, was auch im Rahmen der Behandlung des Problems der wirtschaftlichen Macht immer wieder zur Hoffnung Anlass gab, nämlich die Wettbewerbsordnung, die eben auch für die Weltwirtschaft einen Fingerzeig hin zu einer internationalen Ordnung geben kann: „Die Wettbewerbs-

597 Aus moderner Sicht Ernst-Joachim Mestmäcker, Auf dem Wege zu einer Ordnungspolitik für Europa, Festschrift für Hans von der Groeben, 1987, S. 9; ders., Wettbewerbsrecht und Wettbewerbspolitik in der Europäischen Union, in: Europa zwischen Ordnungswettbewerb und Harmonisierung. Europäische Ordnungspolitik im Zeichen der Subsidiarität (Hg. Lüder Gerken) 1995, S. 191; ders., Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts, 2016, S. 117 ff., zu den Herausforderungen der Wirtschafts- und Währungsunion. 598 Hans F. Zacher, Aufgaben und Theorie der Wirtschaftsverfassung, Festschrift für Franz Böhm, 1975, S. 63, 74, äußert sich aufschlussreich zu diesem Zusammenhang: „Die sozialen (ökonomischen) Verhältnisse werden durch die Rechtsordnung mit konstituiert und sind insofern von ihr nicht ablösbar. Aber die Herrschaft des Rechts über die sozialen Zustände und Abläufe ist begrenzt, so daß das Recht diese voraussetzen und hinnehmen muß. Die rechtliche Ordnung der Wirtschaft ist schließlich in sich selbst ein vielgegliederter und -kombinierter Komplex aus Normen und Rechtsverhältnissen verschiedener Geltungskraft, wechselseitiger Zuordnung, Effektivität und Relevanz“ – Auch wenn der Autor sich auf derselben Seite von Euckens Terminologie des ‚Datums‘ absetzt, entspricht die soeben zitierte Stelle der Sache nach zumindest dessen Theorie der Interdependenz, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung.  











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ordnung ist zur internationalen Ordnung in hohem Maße geeignet. Sie zeigt hierin nicht die Mängel, die eine vermachtete Freie Wirtschaft oder eine Wirtschaftsordnung des zentralverwaltungswirtschaftlichen Typs aufweisen. Auf diesen Punkt muss großes Gewicht gelegt werden, weil die Schaffung einer funktionsfähigen Weltwirtschaft eine unabweisbare Aufgabe des jetzigen Zeitalters ist, die zur Lösung drängt“ (OP 18). Wenn man bedenkt, dass diese Postulate kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erhoben wurden, kann man ihre zeitlose Gültigkeit nur bewundern. Im Übrigen hat Eucken seine prinzipiellen Bedenken im Hinblick auf die von vielen gepriesene ‚freie Wirtschaft‘ schon 1938 geäußert, indem er auf historische Erfahrungen Bezug nahm: „Die sog. freie Wirtschaft wurde zu vermachteter Wirtschaft“ (NW 77). Anders als man aufgrund des Zeitpunkts der Niederschrift unter einem Unrechtsregime, dem Eucken von Grund auf ablehnend gegenüberstand,599 meinen könnte, ist das Verdikt der ‚vermachteten‘ Wirtschaft hier wohl nicht oder jedenfalls nicht ausschließlich zeitkritisch gedacht, sondern ein Topos, den er auch nach dem Krieg noch gebrauchte (GWP 132).  



4. Interdependenz aller wirtschaftlichen Erscheinungen Eucken geht es um die Interdependenz aller wirtschaftlichen Erscheinungen (GWP 11). Systematisch in diesen Zusammenhang gehört daher auch eine Stelle, wonach „sämtliche ökonomischen Tatsachen zusammenhängen, daß also die Lenkungsmechanik unteilbar ist, wenn sie funktionieren soll. Infolge ihrer allgemeinen Interdependenz üben alle einzelnen wirtschaftspolitischen Eingriffe Wirkungen auf den gesamten Wirtschaftsprozeß aus“ (GWP 254).  



a) Interdependenz der wirtschaftspolitischen Eingriffe und Lösungsformen Hier ist die schon mehrfach beobachtete Interdependenz der wirtschaftspolitischen Eingriffe und Maßnahmen angesprochen, die eine Ausprägung seiner Theorie der Interdependenz der Ordnungen bildet. Konkret geht es um den Lenkungsprozess und seine Beziehung zur Interdependenz, die Eucken in einen systematischen Zusammenhang stellt. Auch die danach unteilbare Lenkungsmechanik mit ihrer damit notwendigerweise einhergehenden Alternativlosigkeit im Bereich der Wirtschaftsplanung dürfte einer der Gründe dafür sein, dass Euckens wirtschaftspolitische Grundsätze keine so weitreichende internationale

599 Walter Oswalt, Liberale Opposition gegen den NS-Staat. Zur Entwicklung von Walter Euckens Sozialtheorie, in: Wirtschaft, Politik und Freiheit (Hg. Nils Goldschmidt) 2005, S. 315.  

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Geltung erfahren haben, wie es wünschenswert wäre. Doch könnte sich dies allenfalls allmählich und in Gestalt einer Rückbesinnung entwickeln, die jedoch zunächst vor denselben Schwierigkeiten stünde, die Eucken selbst während der Niederschrift seines nachgelassenen Hauptwerks gegenwärtig waren: „Den unabsehbar großen, vielfältigen alltäglichen Wirtschaftsprozeß zureichend zu lenken, erwies sich als die primäre Aufgabe. – Sie zu unterschätzen, ist ein tragischer Irrtum unserer Zeit. Größe, Charakter und Lösungsmöglichkeiten des Lenkungsproblems nochmals beschreiben, hieße das Buch bis hierher erneut schreiben, und es hat genug geleistet, wenn diese Frage und die Interdependenz der Lösungsformen mit anderen Ordnungen voll begriffen sind“ (GWP 156).600 Die ‚zureichende‘ Lenkung des Wirtschaftsprozesses stellt eine für Eucken typische Kennzeichnung dar (WW 77); ebenso wie das negatorische Adjektiv ‚unzureichend‘, das er mit Vorliebe der Brandmarkung punktueller Maßnahmen vorbehält (OP 3).  





b) Fachgesteuerte Aktienrechtspolitik als Paradigma Es wäre wohlfeil, das diesem Innehalten mitschwingende Pathos zu belächeln. Die Ordnungsaufgabe der Nachkriegswirtschaft, vor die sich Eucken gestellt sah, war nicht weniger als eine Herkulesarbeit, die man dem Duktus seines Werks durchaus ansehen darf, zumal da er auf diese Weise wirkungsvoll verdeutlicht, woran ihm gelegen ist. Das wird besonders deutlich, wenn sich Eucken über ‚Fachleute‘ mokiert,601 die nur die Sachgesetzlichkeiten ihrer Disziplin berücksichtigen und dabei Gefahr laufen, das Ganze aus den Augen zu verlieren und dadurch die falschen wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu ergreifen bzw. zu empfehlen: „Viele Fachleute glauben, es sei allein realistisch, die einzelnen Zweige der Wirtschaftspolitik nach den Erfordernissen dieses Teilgebietes zu behandeln. Zum Beispiel sei es geboten, Agrarpolitik nach den Erfahrungen des landwirtschaftlichen Fachmannes,602 Aktienrechtspolitik nach den neuesten Erfahrungen der Aktien-

600 Im Hinblick auf die zitierten Worte ‚unserer Zeit‘ aufschlussreich Alfred Müller-Armack, Diagnose unserer Gegenwart. Zur Bestimmung unseres geistesgeschichtlichen Standorts, 1949. 601 Hier besteht ebenfalls (siehe bereits oben § 1) eine interessante Nähe zu Max Webers Begriff des ‚Fachmenschen‘, die an dieser Stelle nicht vertieft werden muss; lesenswert Friedrich Wilhelm Graf, Fachmenschenfreundschaft. Studien zu Weber und Troeltsch, 2014. 602 Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II (Übersetzung Jürgen Schröder) 4. Auflage 2015, S. 200, hat gerade am Beispiel der Landwirtschaft Euckens Methode anschaulich zusammengefasst: „Bevölkerung, Techniken, Lehre und Ausbildung, Rechtssystem, Verfügbarkeit von Böden, Klima: all das sind Elemente, die (…) keine unmittelbar ökonomischen sind, die die Mechanismen des Marktes nicht selbst berühren, die jedoch für Eucken diejenigen Bedingungen sind, unter denen man die Landwirtschaft wie einen Markt behandeln bzw. sie in einen Markt integrieren kann“. Nicht minder bedeutend ist Foucaults scharf 





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gesellschaften zu treiben“ (GWP 11).603 An diesen beiden Sätzen ist zunächst zweierlei interessant. Zum einen spricht Eucken bewusst von ‚Teilgebieten‘ und nicht von Teilordnungen, weil dieser Begriff für ihn eine wissenschaftstheoretisch höhere Dignität aufweist, da er bereits die Interdependenz impliziert (GWP 9). Deren Verständnis ermangelt es seines Erachtens jedoch den genannten Fachleuten gerade. Zum anderen ist der Begriff der ‚Aktienrechtspolitik‘ aufschlussreich, weil er zeigt, dass jede Maßnahme einschlägiger Gesetzgebung ein wirtschaftspolitischer Akt ist und daher auch zu einem derartigen Terminus verschmolzen werden kann, ohne begriffliche Ungenauigkeiten in Kauf nehmen zu müssen (WW 35). Nach der Nennung der Aktienrechtspolitik folgt der für Eucken typische Gedankenstrich, der die missbilligte Erscheinung dem eigenen Ordnungsdenken subsumiert und damit die vorgeblichen Missverständnisse von einer höheren Warte aus aufhebt:604 „Natürlich sind diese Fachkenntnisse erforderlich; aber sie reichen bei weitem nicht aus. Denn bei solcher punktueller Behandlung wird die Grundtatsache der Interdependenz aller wirtschaftlichen Erscheinungen verkannt. Realistisch ist es, Agrarpolitik, Gesellschaftsrecht usw. als die Gestaltung von Teilordnungen und diese Teilordnungen als Glieder einer Gesamtordnung anzusehen“ (GWP 11). Wirtschaftspolitische und wirtschaftsrechtliche Fachkenntnisse sind also nur eine notwendige und noch keine hinreichende Bedingung für das Erfassen der wirt 







sichtige Folgerung auf S. 201, die gerade auch für das Verhältnis der Wirtschaftsordnung zur Rechtsordnung weiterführend ist: „Man sieht hieraus (…), daß schließlich, sosehr das Eingreifen der Regierung auf der Ebene der wirtschaftlichen Prozesse zurückhaltend sein soll, dieses Eingreifen im Gegensatz dazu massiv sein soll, sobald es um diese Gesamtheit von technischen, wissenschaftlichen, rechtlichen, demographischen, vereinfachend gesagt, gesellschaftlichen Gegebenheiten geht, die nun immer mehr zum Gegenstand des Eingreifens der Regierung werden. Sie sehen übrigens auch, daß dieser Text von 1952 (sc.: GWP) den gemeinsamen landwirtschaftlichen Markt des folgenden Jahrzehnts programmiert, wenn auch nur auf ganz grobe Weise. (…) Der Mansholt-Plan findet sich schon bei Eucken, d. h. er findet sich teilweise bei Eucken im Jahre 1952“. Mit den ‚gesellschaftlichen Gegebenheiten‘ hat Foucault offenbar Euckens (sechstes) Datum der rechtlichen und sozialen Organisation auf den Begriff zu bringen versucht. Insgesamt ist es beeindruckend, wie detailgenau Foucault gerade die Landwirtschaft bei Eucken morphologisch analysiert. Im Ganzen aber hat er dem Recht im Verhältnis zur Wirtschaftsordnung, wie bereits verschiedentlich gesehen, nicht die erforderliche Bedeutung beigemessen, wie namentlich Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 41, herausgearbeitet hat. 603 Vgl. dazu nur Johannes W. Flume, Rechtsgeschäftslehre und Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 2018, 928. 604 Zum Gedankenstrich als Stilmittel aufschlussreich Joachim Kaiser, Grillparzers dramatischer Stil, 1961, S. 11 ff., 63 ff.; speziell bei Nietzsche, für den der Gedankenstrich als erkenntnisleitende Form eine besondere Bedeutung hatte, Jens Petersen, Nietzsches Genialität der Gerechtigkeit, 2. Auflage 2015, S. 61.  















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schaftlichen Wirklichkeit und der Interdependenz (GWP 345). Wiederum ist es das punktuelle Denken, das er angreift, weil es den wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtzusammenhang verkennt (GWP 251).  



c) Verkennung der ‚Grundtatsache der Interdependenz‘ Hier zeigt sich, dass der Begriff der Teilordnung im Unterschied zum Teilgebiet einem Wissenschaftsverständnis vorbehalten ist, das um die Bedeutung der Interdependenz weiß: „Die Wissenschaft kann auch den Zusammenhang der Teilordnungen der Wirtschaft und die Interdependenz der Wirtschaftsordnung, der Staatsordnung und der Gesellschaftsordnung feststellen“ (GWP 342). Subjekt dieser erkennenden Feststellung ist für Eucken aus gutem Grund die Wissenschaft selbst. Dadurch wird deutlich, dass die Erkenntnis der Interdependenz mit allen daraus folgenden Konsequenzen eine spezifisch wissenschaftliche Aufgabe darstellt. Diese setzt die Einsicht in die unterschiedlichen thematischen Zusammenhänge voraus, also Einblick in die jeweiligen Teilordnungen einschließlich ihrer Verschränkung mit den anderen Ordnungen. Das ist eine überaus anspruchsvolle Aufgabe, die einen eminenten Überblick verlangt und vor allem jede punktuelle Betrachtung vermeiden muss (GWP 196). Denn der Mangel punktueller Betrachtungsweisen besteht für Eucken, wie erinnerlich, gerade in der Verkennung der Interdependenz (GWP 305), wie er in einem Gutachten Ü b e r d i e G e s a m t r i c h t u n g d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k klarstellt: „Jede ‚punktuelle‘ Wirtschaftspolitik, die die einzelne wirtschaftspolitische Frage kasuistisch für sich im Rahmen eines Fachgebietes zu lösen sucht, ist unzureichend und gefährlich. In Wirklichkeit besteht ein Gesamtzusammenhang (Interdependenz) aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen“ (OP 3). Es ist aufschlussreich, dass auf diese Weise die Interdependenz mit dem Synonym des ‚Gesamtzusammenhangs‘ verdeutlicht wird, wie Eucken es bereits an anderer Stelle unternommen hat (NW 74). Zugleich kann Euckens ganzheitliche Sichtweise als Ausdruck einer Grundskepsis gegenüber der gerade in der wirtschaftsrechtlichen Gesetzgebung um sich greifenden Expertokratie verstanden werden.605 Dass Fachleute wichtig sind, bestreitet Eucken keineswegs, weil die Spezialisierung historisch unausweichlich ist (GWP 344): „Ein neuer Typus des Fachmannes ist im Entstehen und ist notwendig“ (GWP 345). Er meint damit denjenigen, von dem schon die Rede war, nämlich einen Kenner der Tatsachen und Erfahrungen des betreffenden Spezialgebiets, der darüber hinaus den wirtschaft 











605 Siehe zum Ganzen auch Matthias Ruffert, Enzyklopädie Europarecht, Band 5: Europäisches sektorales Wirtschaftsrecht (Hg. Ders.) 2013, S. 35 f.  





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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

lichen Gesamtprozess überschauen kann und eben die Interdependenz der Ordnungen berücksichtigt: „Die Interdependenz der Erscheinungen drängte sich auf. Man sah also, daß es höchst unrealistisch ist, punktuell zu arbeiten. Die Spezialisierung tötet sich selbst“ (GWP 345). Auch der noch so spezialisierte Fachmann sollte also den Blick für den Gesamtzusammenhang nicht aus den Augen verlieren, weil seine Arbeit sonst Stückwerk ist und die Gefahr besteht, dass einander widersprechende wirtschaftspolitische Akte mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften.  

5. Interdependenz der Wirtschaftsordnung mit den übrigen Lebensordnungen Euckens Theorie der Interdependenz der Ordnungen ist vor allem deswegen so leistungsfähig,606 weil sie nicht nur die Wirtschaftsordnung im Verhältnis zur Rechtsordnung, zur Staatsordnung und zur Gesellschaftsordnung betrifft, sondern schlechterdings für alle Lebensordnungen Geltung beansprucht, die im weitesten Sinne mit Ökonomie, also Haushaltslehre, zu tun haben (GWP 304):607 „Darüber hinaus steht die Wirtschaftsordnung als Ganzes wie in ihren Teilordnungen, die sie umfaßt, in gegenseitiger Abhängigkeit mit allen übrigen menschlichen Ordnungen, in denen auch dieser Haushalt lebt. E s be s t e h t a l s o n i c h t nur eine ökonomische Interdependenz, sondern auch eine Interdependenz der Wirtschaftsordnungen mit allen übrigen Lebensordnung e n “ (GWP 14).608 Lebensordnung ist einer jener Begriffe, die zur Philosophie seines Vaters Rudolf Eucken gehören, wenn er dort auch offenbar nur als singulare tantum verwendet wird.609  



606 Zum Kriterium der Leistungsfähigkeit als Bewertungsparameter (juristischer) Theorien ClausWilhelm Canaris, Funktion, Struktur und Falsifikation juristischer Theorien, Juristenzeitung 1993, 377. 607 Zur Interdependenz mit den übrigen Lebensordnungen auch Hans-Günter Krüsselberg, Ethik, Vermögen und Familie. Quellen des Wohlstands in einer menschenwürdigen Ordnung, 1997, S. 36 ff. 608 Nils Goldschmidt, Das Reich der Wahrheit und die Lebensordnungen. Welche Spuren haben Rudolf Eucken und Edmund Husserl in den Arbeiten Walter Euckens hinterlassen?, in: Phänomenologie und die Ordnung der Wirtschaft. Edmund Husserl – Rudolf Eucken – Walter Eucken – Michel Foucault (Hg. Hans-Helmuth Gander/Ders./Uwe Dathe) 2009, S. 67. 609 Rudolf Eucken, Unsere Forderung an das Leben, Der Euckenbund 1 (1925) 2, 3: „Nur der Gewinn einer neuen Lebensordnung (…) kann uns aus den Verwicklungen der Gegenwart befreien“. Siehe dazu auch Gerold Blümle/Nils Goldschmidt, Zur Normativität ordoliberalen Denkens, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000, S. 15, 29.  













II. Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung

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a) Interdependenz am Beispiel der Kirchen Zu diesen Lebensordnungen gehören beispielsweise auch die religiösen Institutionen (KU 44). Für Eucken gehören nämlich auch die großen Kirchen zu den ordnenden Potenzen (GWP 347): „Der religiöse und sittliche Zweck der Kirchen selber kann ja nicht erreicht werden, wenn die Sachgesetzlichkeit, in diesem Fall die ökonomische Interdependenz, aber auch die Interdependenz der Ordnungen, vernachlässigt wird“ (GWP 350).610 Erkennbar geht es Eucken hier eher um institutionelle Zusammenhänge als um Fragen des persönlichen religiösen Bekenntnisses, wie sie weiter oben am Beispiel einer anderen Stelle über die ‚gottgewollte Ordnung‘ angesprochen wurden (GWP 176). Interessant an der zuletzt wörtlich zitierten Stelle ist der damit vorausgesetzte Zusammenhang zwischen Religion und Ökonomie mit ihren jeweiligen Wechselwirkungen, der an Max Weber erinnert.611 Ohne dass er sich ausdrücklich auf ihn bezieht, scheint er ihm doch in dieser Hinsicht zumindest näher zu stehen, als ein Theologe, der zwar über die Ordnung nachsinnt, aber „von seinem Standpunkt aus die Tatsache der ökonomischen Interdependenz nicht genügend in Rechnung stellt“ (GWP 349).612 Allerdings könnte man hinzufügen, dass es mit der Berücksichtigung der Wirtschaftsordnung noch nicht getan ist, wenn man der Interdependenz im Sinne der Erhellung des Gesamtzusammenhangs entsprechen will (OP 3). Vielmehr darf man dann auch die Gesellschafts- und Rechtsordnung nicht außen vor lassen. Die Sachgesetzlichkeit eines jeden Bereichs, die es herauszuarbeiten gilt (GWP 350), ist für Eucken von besonderer Bedeutung, weil sie nicht nur die Wirtschaftsordnung und die Gesellschaftsordnung – hier am Beispiel der Kirchen – berührt, sondern unweigerlich auch die Rechtsordnung erfasst (GWP 305).  















b) Wertungen und Rechtsprinzipien Denn es sind unweigerlich Wertungen und Rechtsprinzipien betroffen, die sich weder durch eine zu detaillierte Regelung noch umgekehrt aus dem Naturrecht erschließen lassen:613 „Dagegen ist die Erkenntnis durchzusetzen, daß es heute um

610 Siehe auch Ansgar Hense, Katholisches und Rechtsordnung – zwischen religiöser Fundamentierung und „Scheidung in der Wurzel“?, in: Recht und Konfession – Konfessionalität im Recht? (Hg. Christian Waldhoff) 2016, S. 73. 611 Dazu Jens Petersen, Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2. Auflage 2014. 612 Emil Brunner, Gerechtigkeit. Eine Lehre von den Grundgesetzen der Gesellschaftsordnung, 1943, ist gemeint. 613 Siehe zum Ganzen auch die wegweisende Schrift von Claus-Wilhelm Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Auflage 1983.  









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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

viel mehr geht: Um die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft in einem Augenblick, wo die Ratlosigkeit von innen her ebenso groß ist, wie die Bedrohung von außen. Die Lösung der Ordnungsaufgabe ist aber heute nicht mehr in unmittelbarer Erfahrung möglich. Und ebensowenig in unmittelbaren naturrechtlichen Ableitungen. Eine wissenschaftliche Analyse der Probleme ist erforderlich. In der Wirklichkeit muß die Sachgesetzlichkeit entdeckt werden, deren Kenntnis die Gestaltung der Ordnungen (…) erst ermöglicht“ (GWP 347). Gemeint ist hier ersichtlich die nach streng wissenschaftlichen Maßstäben ermittelte wirtschaftliche Wirklichkeit und nicht die lediglich der Alltagserfahrung einleuchtende (GN 10). Der genannten Analyse muss dann freilich immer auch die Synthese folgen (NW 45). Wichtig an der zuletzt zitierten Stelle und daher wohl auch durch einen eigenständigen, wenn auch elliptischen Satz hervorgehoben, ist die Aussage, dass sich naturrechtliche Deduktionen von vornherein verbieten, wie er bereits in anderem Zusammenhang unmissverständlich klarstellt (GWP 290).614 Allerdings macht Eucken zugleich deutlich, dass mit der allfälligen Berücksichtigung der Ökonomie die Wettbewerbsordnung als verklammerndes Prinzip und Rahmen auch für die Kirchen nicht gleichgültig sein kann (GWP 350).  









c) Interdependenz und Gerechtigkeit Eucken geht es um „den Aufbau einer freien und gerechten Gesellschaft in einer völlig veränderten Welt“ (GWP 347). Immer wieder betont er daher die Unerlässlichkeit einer die Interdependenz berücksichtigenden Sichtweise, die universell ausgerichtet ist und alle Lebensordnungen in Rechnung stellt und damit unweigerlich auch das Gerechtigkeitsproblem berührt, auch wenn es sich vorderhand um Details handelt, die für sich betrachtet jedoch nicht weiterführen, wenn die Ordnungsformen nicht erkannt werden (GWP 304): „Die Interdependenz aller wirtschaftlichen Erscheinungen wird verkannt und damit das wirtschaftspolitische Ordnungsproblem. Am einzelnen Punkt – z. B. beim Zins – kann die Gerechtigkeit nicht realisiert werden, sondern nur in Herstellung von Ordnungsformen, die eine gerechte Lenkung des Gesamtprozesses ermöglichen“ (GWP 349). Die Parenthese verdient Hervorhebung, weil die Zinspolitik aufgrund ihrer immensen wirtschaftspolitischen Auswirkungen nicht selten verabsolutiert und zu einem Probierstein der Gerechtigkeit erhoben wird, während sie für Eucken nur in der Gesamtschau wirtschaftspolitischer Maßnahmen zureichend gewürdigt werden kann.615  











614 Zum mittelalterlichen Paradigma, dem damit gleichfalls eine Absage erteilt wird (GWP 347), Jens Petersen, Dante Alighieris Gerechtigkeitssinn, 2. Auflage 2016. 615 Weiterführend zum Gerechtigkeitsgehalt aus juristischer Sicht Tilman Bezzenberger, Das Verbot des Zinseszinses, Wertpapier Mitteilungen 2002, 1617.  



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II. Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung

aa) Ordnungsproblem und soziale Gerechtigkeit Diese Einsicht ist auch rechtstheoretisch bedeutsam, weil sie voraussetzt, dass eine übertriebene Feinsteuerung, die Gerechtigkeit im Kleinen verwirklichen möchte, Gefahr läuft, größere Ungerechtigkeit als vordem hervorzurufen, wenn die Wechselwirkungen mit anderen Einzelfragen unberücksichtigt bleiben. Daher kann die mit der Interdependenz zusammenhängende Erkenntnis des wirtschaftspolitischen Ordnungsproblems, von dem Eucken an der zuletzt zitierten Stelle spricht, auch für elementare Herausforderungen wie etwa die der sozialen Gerechtigkeit von Bedeutung sein, weil jede Maßnahme in diese Richtung die Gesamtordnung tangiert:616 „Das exakte Erkennen der Ordnungsformen und ihrer wechselseitigen Beziehungen ist nötig. U n d d a b e i s t o ß e n D e n k e n u n d H an d e l n i m m e r w i e d e r au f d a s w i r t s c h a f t l i c h e O r d n u n g s p r o b l e m . (…) Mögen wir über eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, der Freiheit oder des Friedens unter den Völkern nachdenken oder über eine – scheinbar – banale Frage der Wirtschaftspolitik, des Einzelhandels oder der Währung: wir werden immer zu ihm geführt“ (GWP 183).617 Die damit vorausgesetzten ‚wechselseitigen Beziehungen‘ bedeuten nichts anderes als die Interdependenz der Ordnungen. Eucken stellt damit zugleich fest, dass man in der Wirtschaftspolitik nicht sinnvoll abstrakt über Wünschbarkeiten wie die soziale Gerechtigkeit oder höchste Werte, wie den Weltfrieden, nachdenken kann, wenn man sich nicht zuvor auf wissenschaftlicher Grundlage darüber vergewissert hat, welche Marktform maßgeblich und wie die wirtschaftliche Wirklichkeit beschaffen ist. Das wirtschaftliche Ordnungsproblem ist also unausweichlich; wer ihm durch Ad-hoc-Maßnahmen entrinnen zu können glaubt, wird eher früher als später feststellen, dass diese zu unerwarteten Verwerfungen in einer anderen Ordnung führen: „Das also ist das große wirtschaftspolitische Ordnungsproblem, das neben den anderen großen Ordnungsfragen der Gegenwart – so des Rechts, des Staates, der Gesellschaft – steht und mit ihnen eng verbunden ist.“ (NW 75). Auch hier nimmt Eucken die Interdependenz der Ordnungen unausgesprochen in Bezug, weil der Sache nach neben der Wirtschaftsordnung sowie der Staats- und Gesellschaftsordnung auch die Rechtsordnung gemeint ist. Es geht Eucken um den Gesamtzusammenhang dieser Ordnungen, der die Interdependenz ausmacht (OP 3).  











616 Vgl. auch Franz Böhm, Die Idee des Ordo im Denken Walter Euckens, ORDO 3 (1950) XV, XLIII. 617 Siehe dazu auch Tilman Repgen, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2001. Speziell zu der im Zitat vorausgesetzten sozialen Gerechtigkeit Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, § 2.  

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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

bb) Störungen des Ordnungszusammenhangs Auf die Rechtsordnung bezogen, kann es durch unbedachte steuer- oder gesellschaftsrechtliche Regelungen zu tektonischen Verschiebungen innerhalb der Wirtschaftsordnung kommen, weil die neu geschaffenen Bestimmungen zwar ein Problem lösen, dafür aber auf einer anderen Ebene ein neues schaffen: „Die Veränderung einer Teilordnung kann Wirkungen auslösen wie der Schneeball, aus dem die Lawine entsteht. Stets ist mit dieser Klimax, mit den drei Stufen zu rechnen: mit dem unmittelbaren Effekt, mit der Auslösung der Tendenz zu einer anderen Wirtschaftsordnung und schließlich mit der Auswirkung auf andere Ordnungen“ (GWP 221). Das kann zu Wertungswidersprüchen und unwillkommenen Effekten innerhalb der einzelnen Ordnungen führen. Bezogen auf die Rechtsordnung sind etwa Normlücken und Wertungswidersprüche denkbar, die aufwendig ermittelt und beseitigt werden müssen.618 Wenn man dies wiederum auf die Jurisprudenz überträgt, zieht Euckens Postulat die Forderung einer Prinzipien- und Wertungsjurisprudenz nach sich.619 In der Wirtschaftspolitik können sich solche Störungen des Ordnungszusammenhangs noch verhängnisvoller auswirken, weil und sofern damit die Interdependenz der Ordnungen missachtet wird (NW 74): „Der Gesamtzusammenhang des Wirtschaftsprozesses und der Ordnungen macht es doch möglich, von einem Punkt aus sehr starke Wirkungen auszuüben. Wer aber diese Gesamtzusammenhänge in der Wirtschaftspolitik nicht beachtet, spielt mit dem Feuer und kann mit scheinbar harmlosen Maßnahmen eine Explosion verursachen – ohne daß die Beteiligten merken, wer der Anstifter war“ (GWP 221). Die Finanz- und Bankenkrise im Jahre 2008 kann man als einen Beleg für die Richtigkeit dieser Befürchtungen erachten.620  







618 Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 280; Claus-Wilhelm Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz. Eine methodologische Studie über Voraussetzungen und Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung praeter legem, 1964, S. 138. 619 Grundlegend Peter Landau, Die Rechtsquellenlehre in der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, in: Juristische Theoriebildung und Rechtliche Einheit, Rättshistorika Studier (Hg. Claes Peterson), XIX (1993) 69; vgl. auch Jens Petersen, Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001. 620 Wichtig in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Ernst-Joachim Mestmäcker, Soziale Marktwirtschaft – Eine Theorie für den Finanzmarkt nach der Krise?, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt? (Hg. Eberhard Kempf/Klaus Lüderssen/Klaus Volk) 2011, S. 13 f., 19, sowie Vittorio Hösle, Ethik und Wirtschaftswissenschaft, oder: Wieviel Egoismus braucht der moderne Kapitalismus? Machiavellis, Mandevilles und Malthus‘ neue Erkenntnis und ihre Herausforderung, Festschrift für Johannes Strangas, 2017, S. 21 (= englische Fassung unter dem Titel ‚Ethics and Economics, or How Much Egoism Does Modern Capitalism Need? Machiavelli’s, Mandeville’s and Malthus’s New Insight and Its Challenge, Archiv für Recht- und Sozialphilosophie 97, 2011, 425), der verdeutlicht, warum wohl auch Eucken die Entstehungsbedingungen der Krise unter Beachtung seiner konstituierenden Prinzipien auf heilsame Weise hätte beeinträchtigen können, wenn man  















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II. Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung

d) Staatsordnung und Wirtschaftsordnung Auch die Staatsordnung und die Wirtschaftsordnung stehen in einem Verhältnis der Interdependenz zueinander (GWP 332).621 Dieser Gedanke wird an späterer Stelle im Zusammenhang mit der Wirtschaftsordnung und der Staatsordnung näher ausgeführt: „Auch die Interdependenz, in der andere Wirtschaftsordnungen mit den übrigen Lebensordnungen stehen, hat uns mehrfach beschäftigen müssen. Es ist möglich, diese Interdependenz exakt zu bezeichnen, also über allgemeine Sätze vom Kapitalismus oder vom kapitalistischen Staat oder vom Imperialismus wesentlich hinauszukommen.622 Weil aber diese allgemeine Interdependenz besteht, kann die Frage nach dem Aufbau des Staates, der die neufeudalen Abhängigkeiten überwindet, nur so gestellt werden, daß die Probleme der Staatsordnung und der Wirtschaftsordnung in Zusammenhang gebracht werden“ (GWP 333 f.). Da also allgemeine Klassifizierungen, wie etwa sozialistisch oder kapitalistisch für Eucken wenig aussagekräftig sind (NW 52), kommt es allein auf die zwischen Staatsordnung und Wirtschaftsordnung bestehende Interdependenz an, indem diese das Verhältnis schon deswegen präziser bezeichnet, weil sie die Probleme  







nur an das Kartellrecht und die Managerhaftung denkt: „Zweifellos hat die Finanzkrise von 2008 viele Ursachen, die meisten von ihnen institutioneller Art. Experten haben eine Reihe von Faktoren genannt, die dazu beigetragen haben: private Ausgabenüberschreitungen, eine spekulative Blase im Immobilienmarkt, unzureichendes Eigenkapital von Banken, die Bildung von Oligopolen im Bankensektor wegen des Fehlens kartellrechtlicher Regelungen, Kapitalflüsse, die nicht mehr unter der Kontrolle traditioneller Nationalstaaten stehen, die beschränkte Haftung von Managern und ein Engagement in Aktivitäten, die zu riskant waren aufgrund von Bonus-Vereinbarungen, die auf kurzfristigen statt auf langfristigen Gewinnen beruhen“. Hervorhebungen nur hier. Was speziell das unzureichende Eigenkapital der Banken betrifft, so hätte Adam Smiths Vorschlag bezüglich eines Bankengesetzes womöglich Abhilfe schaffen können; vgl. Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 178 ff. Siehe vor allem Moritz Schularick/Alan M. Taylor, Credit Booms Gone Bust: Monetary Policy, Leverage Cycles, and Financial Crises, 1770–2007, American Economic Review 102 (2012) 1029. 621 Grundlegend Franz Böhm, Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung, Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart, Heft 153/154, 1950; darauf bezugnehmend Ernst-Joachim Mestmäcker, Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung, Festschrift für Franz Böhm, 1975, S. 383. 622 Eucken zitiert an dieser Stelle neben Friedrich August von Hayek, Der Weg zur Knechtschaft, 1944, den für den vorliegenden Zusammenhang näherliegenden Aufsatz von Franz Böhm, Die Bedeutung der Wirtschaftsordnung für die politische Verfassung, Süddeutsche Juristenzeitung 1 (1946) 141. Zum genannten Werk von Hayek für den vorliegenden Zusammenhang fasst ErnstJoachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 23, prägnant die rechtlichen Implikationen zusammen: „Die Traditionen der verschiedenen Länder Mitteleuropas zeigten zur Genüge, wie selbst eine formale Anerkennung der Persönlichkeitsrechte oder der Gleichberechtigung von Minoritäten jede Bedeutung in einem Staat verliere, der die vollkommene Überwachung des Wirtschaftslebens auf sich nehme“. Allgemein auch Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014.  









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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

nicht isoliert, sondern in einen systematischen Zusammenhang rückt, indem sie die beiden Ordnungen ins Verhältnis zur Wettbewerbsordnung stellt (GN 203). Hintergrund dieser Überlegungen ist der Umstand, dass der Staat nach Euckens Ansicht von Machtgruppen und Interessenten-Ideologien durchdrungen ist und oft nicht mehr als ein bloßer ‚Spielball in den Händen von Interessentengruppen‘ gewesen sei (GWP 326). Dadurch potenziert sich die wirtschaftspolitische Ordnungsaufgabe gleichsam. Daher besteht für ihn das Entscheidende in Folgendem: „Die Interdependenz von Staatsordnung und Wirtschaftsordnung zwingt dazu, den Ordnungsaufbau von beiden in einem Zuge in Angriff zu nehmen. (…) Beide Ordnungen sind nur Teile einer Gesamtordnung, die aufzubauen ist. – Ohne eine Wettbewerbsordnung kann kein aktionsfähiger Staat entstehen und ohne einen aktionsfähigen Staat keine Wettbewerbsordnung“ (GWP 338). Dieser Chiasmus bringt bereits stilistisch die Wechselbezüglichkeit auf den Punkt. Die Wettbewerbsordnung ist conditio sine qua non, aber sie setzt ihrerseits den handlungsfähigen Staat voraus, der seinerseits erst durch die Wettbewerbsordnung zu einem sinn- und planvollen wirtschaftspolitischen Handeln befähigt wird.  







III. Interdependenz, Gleichgewichtsproblem und Gerechtigkeit Die Wettbewerbsordnung steht und fällt aber, wie wir bereits verschiedentlich gesehen haben, mit dem Gleichgewichtsproblem (GN 148), dessen Lösung für das Verhältnis der Ordnungen zueinander entscheidend ist: „Ein weiteres entscheidendes Kriterium jeder Wirtschaftsordnung und ihrer Interdependenz mit anderen Ordnungen ist das Gleichgewicht. Die Antwort auf die Frage, welche Ordnungsformen realisiert werden sollen, hängt vor allem davon ab, ob sie die Herstellung eines Gleichgewichts bewirken. Die Frage nach dem Gleichgewicht oder der Gleichgewichtslosigkeit muß daher die ganze Untersuchung durchziehen“ (GWP 164).  



1. Gleichgewichtslosigkeit des Wirtschaftsprozesses in der Zentralverwaltungswirtschaft Daher hat die Gleichgewichtsfrage auch die bisherigen Betrachtungen zur Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung durchgehend begleitet. Es sei nur daran erinnert, dass jedwede zentralwirtschaftliche Ordnung gerade an diesem Manko leidet, weil „der Wirtschaftsprozeß in der Zentralverwaltungswirtschaft gleichgewichtslos ist“ (GWP 108). Der Begriff des Gleichgewichts kann also sinnvollerweise allein für ein verkehrswirtschaftliches System gebraucht werden, nicht aber für  

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III. Interdependenz, Gleichgewichtsproblem und Gerechtigkeit

eine Zentralverwaltungswirtschaft (GWP 80).623 Dies wiederum hat Folgen für das zentrale wirtschaftliche Problem der Knappheit (GWP 8). Denn in einer zentralverwaltungswirtschaftlichen Ordnung spielen beispielsweise die Preise eine ganz und gar unterschiedliche Rolle im Verhältnis zu einer auf Wettbewerb basierenden Ordnung. Wirtschaftspolitische Maßnahmen fallen demnach je nach Wirtschaftsform unterschiedlich aus, wenn sie in einer Zentralverwaltungswirtschaft getroffen werden, wie Eucken anhand eines hier in den Einzelheiten nicht weiter interessierenden Beispiels veranschaulicht: „Die Interdependenz aller Märkte und des gesamten Wirtschaftsprozesses hätte es nötig gemacht, dann alle Preise frei zu lassen, um so die Knappheitsverhältnisse aller Waren (…) festzustellen“ (GWP 75). Inwieweit die Rechtssetzung von der Art der Wirtschaftsordnung abhängig ist, erläutert Eucken in einem für die Alliierten erstellten Gutachten Ü b e r d i e G e s a m t r i c h t u n g d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k am Beispiel des Genossenschaftsrechts, das innerhalb des Verbandsrechts in rechtsdogmatischer Hinsicht überaus reizvoll ist, darüber hinaus aber auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftsordnung paradigmatische Bedeutung hat:624 „Die Frage, wie Genossenschaften zu behandeln sind, hängt davon ab, nach welchen Grundsätzen die gesamte Wirtschaftspolitik geführt wird. In einer Wettbewerbsordnung wird der Staat in einem Genossenschaftsgesetz einen gesetzlichen Rahmen zur Verfügung stellen, in dem Genossenschaften frei gegründet und verwaltet werden können. In einer Zentralverwaltungswirtschaft aber sind die sogenannten ‚Genossenschaften‘, z. B. der Landwirte, Zwangsverbände und Werkzeuge der Zentralverwaltung, sodaß die Genossenschaftsgesetze hier einen völlig anderen Inhalt besitzen als in einer Wettbewerbsordnung“ (OP 4 f.). Die Darstellung lässt kaum einen Zweifel darüber, welche Ordnung Eucken den Alliierten empfehlen wollte. Darüber hinaus veranschaulicht die Stelle nicht nur anhand eines konkreten wirtschaftsrechtlichen Beispiels das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zueinander, sondern auch die diesbezügliche Interdependenz.  









623 Siehe auch Friedrich A. Lutz, Das Problem des internationalen wirtschaftlichen Gleichgewichts, 1963. 624 Otto von Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, 1868, dürfte Eucken aus dem seinerzeitigen Schrifttum vielleicht noch vor Augen gestanden haben. Nunmehr grundlegend Christian Picker, Genossenschaftsidee und Governance, 2019. Zum dogmatischen Interesse Jens Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001, weil dort gerade wegen der eigentümlichen Nachschusspflicht mannigfache Probleme im Hinblick auf die Kapitalstruktur und für die aus Euckens Sicht so bedeutsame Haftungsproblematik stellen.

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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

2. Gleichgewicht und Interdependenz Hieran lässt sich ersehen, dass die Interdependenz noch vielschichtiger ist, als man nach den bisherigen Überlegungen annehmen könnte, weil sie alle Märkte, ja den gesamten Wirtschaftsprozess erfasst. Durch diesen Blick auf die gleichgewichtslose zentralverwaltungswirtschaftliche Ordnung wird deutlich, warum das Gleichgewicht im eingangs wiedergegebenen Sinne entscheidend für die Wirtschaftsordnung und ihre Interdependenz mit anderen Ordnungen ist (GWP 164).  

a) Distributive und kommutative Gerechtigkeit Es handelt sich hier um weit mehr als eine bloß begriffliche Klassifizierung. Vielmehr geht es um ein elementares Gerechtigkeitsproblem, das sich besser erschließt, wenn man eine eher versteckte Stelle, die Eucken bei der Behandlung der Arbeitsmarktverfassung einführt, mit in die Betrachtung einstellt: „Vorsorge für Sicherheit und ausgleichende Gerechtigkeit ist nicht dem mehr oder weniger guten Willen der Einzelnen, also praktisch dem Zufall zu überlassen, sondern ist Sache der Ordnungspolitik“ (GWP 322).  

aa) Wirtschaftspolitik und Verteilungspolitik Hier zeigt sich der Zusammenhang zwischen Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung besonders deutlich, auch wenn im Sinne der Interdependenz die Ordnung des Arbeitsmarktes neben die der gewerblichen Wirtschaft hinzutritt (NW 25). Im Hintergrund der ordnungspolitischen Entscheidung steht also die Frage nach distributiver und kommutativer Gerechtigkeit,625 die nicht einfach einer gleichwie gearteten Kontingenz überantwortet werden darf, sondern das Verteilungsproblem planvoll angehen muss. Namentlich die austeilende Gerechtigkeit hängt aufs Engste mit der Wirtschaftspolitik zusammen: „Das Verteilungsproblem ist für die meisten Menschen das primäre wirtschaftspolitische Problem. H i e r n e h m e n die stärksten wirtschaftspolitischen Bewegungen der Neuzeit ihren A u s g a n g “ (GWP 12). Ohne an dieser Stelle in einen Diskurs über die widerstreitenden wirtschaftspolitischen Ideologien eintreten zu müssen (GWP 173), lässt sich zumindest bündig mit Eucken sagen: „Die Verteilungspolitik ist ein eminent wichtiger Teil der Wirtschaftspolitik“ (GWP 13). Dem liegt die Befürchtung zugrun 







625 Grundlegend Claus-Wilhelm Canaris, Die iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, Bayerische Akademie der Wissenschaften: Philosophisch-historische Klasse, aktualisierte und stark erweiterte Fassung des Vortrags vom 2. Juli 1993, 1997; wichtig auch Stefan Arnold, Vertrag und Verteilung. Die Bedeutung der iustitia distributiva im Vertragsrecht, 2014.

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III. Interdependenz, Gleichgewichtsproblem und Gerechtigkeit

de, dass punktuelle wirtschaftspolitische Maßnahmen durch einzelfallbezogene Rechtsakte flankiert werden. Damit würde sich in der Gesamtschau ein unausgewogenes Bild der Wirtschafts- und Rechtsordnung offenbaren, das zu evidenten Ungerechtigkeiten führen könnte.

bb) Primat der Geldwertstabilität für die Wettbewerbsordnung Mit dem Verteilungsproblem hängt jedoch das Gleichgewichtsproblem zusammen (GWP 116). Das Gleichgewichtsproblem wiederum wird damit zu einer Frage der Gerechtigkeit schlechthin: „Allgemeine Gleichgewichtsstörungen lassen sich nur durch Beseitigung ihrer Ursachen beheben. Sie lassen sich nur durch Herstellung eines Lenkungssystems überwinden, das geeignet ist, den Wirtschaftsprozeß einem allgemeinen Gleichgewicht zuzuführen“ (GWP 166). Zentralverwaltungswirtschaftliche Ordnungen sind jedoch kein geeignetes Lenkungssystem in diesem Sinne, weil Ordnungen dieses Typs, wie weiter oben dargestellt, gerade durch die Gleichgewichtslosigkeit der Wirtschaftsprozesse gekennzeichnet sind (GWP 117). Sie mögen äußerlich noch so fest erscheinen, doch kann der hier herrschende und die Stabilität verheißende Zwang das Gleichgewicht eben nicht ersetzen (GWP 198). Ergänzt wird die Theorie der Interdependenz im Hinblick auf das Gleichgewichtsproblem durch ein adäquates Geldsystem und eine dieses gewährleistende Währungspolitik, die eine conditio sine qua non für eine funktionsfähige Wettbewerbsordnung darstellt:626 „Alle Bemühungen, eine Wettbewerbsordnung zu verwirklichen, sind umsonst, solange eine gewisse Stabilität des Geldwertes nicht gesichert ist. Die Währungspolitik besitzt daher für die Wettbewerbsordnung ein Primat“ (GWP 256).627  









626 Dazu auch Walter Eucken, Gleichgewichtsprobleme der internationalen Geldordnung, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 5 (1952) 13. 627 Die Zentralität dieser Stelle für die Tradition liberaler Wirtschaftspolitik wurde zuerst hervorgehoben von Ernst-Joachim Mestmäcker, Soziale Marktwirtschaft – Eine Theorie für den Finanzmarkt nach der Krise?, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt? (Hg. Eberhard Kempf/Klaus Lüderssen/Klaus Volk) 2011, S. 13, 19. Wichtig auch seine anschließende Einordnung: „Ein spätes Echo dieser Diskussion ist bei aller Verschiedenheit die umstrittene automatische oder quasi-automatische Sanktion bei Verstößen gegen den europäischen Wachstums- und Stabilitätspakt. Die wichtigsten Ursachen sah nicht nur Eucken darin, dass die Banken zu Münzstätten geworden seien. Geld entstehe durch Kreditgewährung der Banken und verschwinde bei Rückzahlung von Krediten. Deshalb kommt dem Wettbewerb von Banken eine Schlüsselrolle für die Stabilität der Währung zu“.  



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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

b) Geldsystem und Währungspolitik In diesem Sinne sollte, wie Eucken in einem späten Londoner Vortrag forderte, „die Wirtschaftspolitik darauf gerichtet sein, Ordnungsformen zu realisieren, die auf den Märkten ein Gleichgewicht des Wirtschaftsprozesses ermöglichen, wobei gerade auch die Gestaltung des Geldsystems wesentlich ist“ (WW 48). Auch hieran zeigt sich die Bedeutung des Prinzips der währungspolitischen Stabilität (WV 82).  

aa) Bedeutung der Geldwertstabilität für die Wettbewerbsordnung Nicht von ungefähr gehört die Geldwertstabilität für Eucken zu den konstituierenden Prinzipien (GWP 255). In einem weiteren Vortrag über D i e W ä h r u n g s p o l i t i k u n d i h r e K o n s e q u e n z e n gelangt er zu einem unmissverständlichen Ergebnis, indem er zugleich die Bedingung für die Geltung des Gleichgewichts in der Währungspolitik formuliert: „Nur wenn das Geld in die Gleichgewichtsmechanik des Wirtschaftsprozesses eingefügt ist, wird es möglich, ein allgemeines Gleichgewicht durch das Preissystem zu erreichen“ (WW 63). Auch hieraus erklärt sich, warum eine stabile Währungspolitik für Eucken zu den konstituierenden Prinzipien der Wettbewerbsordnung gehört (WV 90). Denn eine probate Währungsverfassung ist zugleich eine Funktionsbedingung für ein adäquates Wirtschaftsverfassungsrecht, weil sie idealerweise ohne regulatorische Eingriffe und Eigenmächtigkeiten seitens der wirtschaftlichen Leitung auskommt: „Wie die Wettbewerbsordnung selber sollte sie möglichst automatisch funktionieren; nicht einfach nur deshalb, weil die ‚Systemgerechtigkeit‘ erfordert, Währungsverfassung und allgemeine Wirtschaftsverfassung auf demselben Prinzip aufzubauen, sondern auch vor allem, weil die Erfahrung zeigt, daß eine Währungsverfassung, die den Leitern der Geldpolitik freie Hand läßt, diesen mehr zutraut, als ihnen im allgemeinen zugetraut werden kann“ (GWP 257).628 Dass Eucken die Systemgerechtigkeit apostrophiert, liegt wohl nicht daran, dass er sie geringschätzt oder sich ironisch davon distanziert. Vielmehr möchte er wohl dem Eindruck entgegenwirken, einem starr-formalistischen Systemdenken anzuhängen, das um seiner selbst willen lebensfremde Analogieschlüsse zieht.  





628 Walter Eucken, Das internationale Währungsproblem. Ein Überblick, 1925; ders., Die deutsche Währungspolitik und das Sachverständigen-Gutachten, Bankarchiv 23 (1924) 233, hat sich bereits früh mit der (internationalen) Währungspolitik wissenschaftlich befasst.

III. Interdependenz, Gleichgewichtsproblem und Gerechtigkeit

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bb) Wirtschaftsordnung, Geldordnung und Rechtsordnung Diese Stelle ist aus heutiger Sicht auch vor dem Hintergrund der Existenz der Europäischen Zentralbank und ihrer Befugnisse von Bedeutung.629 Gehör verdient daher auch eine Bemerkung Euckens zu den zentralverwaltungswirtschaftlich ausgerichteten Ordnungen im Hinblick auf die korrespondierenden Geldordnungen: „Den Wirtschaftsordnungen dieses Typus sind Geldordnungen zugeordnet, in denen Verknappung des Geldes vermieden und Überfüllung mit Geld leicht hergestellt wird“ (GWP 117). Diese Stelle ist nur verständlich, wenn man berücksichtigt, dass es sich um jenen Typ von Wirtschaftsordnungen handelt, die nicht verkehrswirtschaftlicher Art sind und daher von Eucken prinzipiell abgelehnt werden. Er geht aber auch im Übrigen davon aus, dass einer jeden Wirtschaftsordnung eine bestimmte Geldordnung zugehört (GWP 168). Dagegen interessiert ihn erklärtermaßen nicht die nach seinem Dafürhalten von manchen Vertretern im Schrifttum vorschnell bejahte Frage, „ob Geld ein Geschöpf der Rechtsordnung ist“ (GN 117). Das scheint auf den ersten Blick deswegen erstaunlich, weil die historische Herkunft für ihn sonst von größtem Interesse ist, und daher bedauerlich, weil es Rückschlüsse auf sein Verständnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zulassen könnte. Aber es erklärt sich wohl aus einer anderen Stelle, an der Eucken zu einem gänzlich andersgelagerten Gegenstand, nämlich dem staatlichen Familienrecht, bemerkt, dass es nicht die Familie geschaffen hat. Vielmehr war diese zuerst da und machte im Laufe der Zeit eine gesetzgeberische Regelung erforderlich; diese Aufeinanderfolge hält Eucken für wirtschaftstypisch (GN 55). Wendet man diesen Gedanken auf die Geldordnung und Rechtsordnung an, dann spricht dies dafür, dass sich jene zunächst entwickelt hat und diese dann eine  







629 Peter Behrens, Laudatio, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 16 f., formuliert in Anlehnung an das Böckenförde-Dictum nicht ohne einen Anflug von Resignation: „Eine weitere wirtschaftsverfassungsrechtlich erhebliche Herausforderung hat der Vertrag von Maastricht durch die Einführung der Währungsunion und die Schaffung einer europäischen Zentralbank mit sich gebracht. (…) Die Bindung der nationalen Finanz- und Haushaltspolitiken an rechtliche Regeln hat sich als kaum durchsetzbar erwiesen. Kollektive Rettungsschirme der Mitgliedstaaten und die Politik des billigen Geldes der EZB kaufen Zeit, aber die erforderlichen strukturellen Reformen bleiben aus. Es zeigt sich einmal mehr, dass die Wirtschaftsverfassung der EU auf Voraussetzungen beruht, die sie selbst nicht garantieren kann, nämlich dem Rechtsgehorsam der nationalen Regierungen“. Hervorhebung nur hier. – Man darf wohl mutatis mutandis noch den Folgesatz dieses tiefsinnigen Gedankens hinzufügen, der sich dann auch auf der Ebene des europäischen Wirtschaftsverfassungsrechts bewähren könnte: „Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.“ (Ernst-Wolfgang Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1980, S. 60).  









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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

Formung vorgenommen hat: „Gesetzgeber und Rechtsprechung versuchen, durch Normen und Urteile die bereits vorhandene Wirtschaftsordnung umzuformen“ (GN 56). Ebenso interessant wie verallgemeinerungsfähig ist daran die Einsicht, dass sich die Geltungsgründe ganz heterogener Regelungsmaterien, wie es das Geld- und Familienrecht sind, unter einem einheitlichen Denkprinzip erklären lassen.  

cc) Interdependenz und Inflationsvermeidung Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang übrigens auch der Schlusssatz von Euckens Abhandlung aus dem Inflationsjahr 1923,630 die K r i t i s c h e B e t r a c h t u n g e n z u m d e u t s c h e n G e l d p r o b l e m anstellt: „Was uns dringend nottut ist die Kraft d e s S t a a t e s , dem allgemeinen Drängen nach Geldvermehrung Einhalt zu gebieten, eine Kraft, die allerdings, um wahrhaft wirksam zu werden, von klarer Einsicht in die wirtschaftlichen Zusammenhänge beraten sein muß“ (KBG 83). In diesem Postulat kann man in nuce eine rudimentäre Form dessen erblicken, was Eucken später in Gestalt seiner G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k ausgeformt hat. Die im Frühwerk geforderte ‚Einsicht in die wirtschaftlichen Zusammenhänge‘ ist letztlich nichts anderes, als das Wissen darum, dass jeder wirtschaftspolitische Akt – also etwa auch jede, zumal gesetzlich begleitete oder erwirkte, Maßnahme zur Geldvermehrung – nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern die möglichen Wechselwirkungen berücksichtigen muss und die denkbaren Folgen jeder Wechselbezüglichkeit erkennen können sollte. Das wiederum ist nur ein anderes Wort für die Interdependenz.  



3. Herstellung einer ‚gerechten Ordnung‘ Nur eine Ordnung, in der keine Gleichgewichtsstörungen bestehen, kann als Wettbewerbsordnung funktionieren und idealerweise Gerechtigkeit verwirklichen: „Die Aufgabe bleibt immer die gleiche: die Herstellung einer f u n k t i o n s f ä h i g e n und g e r e c h t e n Ordnung“ (GWP 166). Besonders aufschlussreich ist die Hervorhebung der gerechten Ordnung. Auch wenn dies wohl entsprechend Euckens an anderer Stelle unmissverständlich geäußerter Distanzierung nicht als unbedingtes Bekenntnis zu einem gleichwie gearteten Naturrecht verstanden  

630 Später hat er sich noch einmal mit den Ursachen der Inflation auseinandergesetzt; vgl. Walter Eucken, Die Ursachen der potenzierten Wirkung des vermehrten Geldumlaufs auf das Preisniveau, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 125 (1926) 289.

III. Interdependenz, Gleichgewichtsproblem und Gerechtigkeit

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werden darf (GWP 290), spricht es zumindest dafür, dass ein eklatantes und leistungslos bewirktes Auseinanderfallen der Güterverteilung in den Grenzen der Wettbewerbsordnung möglichst vermieden werden sollte (GWP 176). Vor allem aber kann es dann zu einer evidenten Ungerechtigkeit kommen, wenn wirtschaftliche Macht skrupellos ausgenutzt wird und einzelne Marktteilnehmer dadurch ausgebeutet werden (GWP 316). Auch hieran zeigt sich, dass private wirtschaftliche Macht für Eucken unmittelbar mit dem Postulat einer gerechten Wirtschaftsordnung verwoben ist. Wo jene schrankenlos wirkt, kann diese nicht hergestellt werden. Ob und inwieweit die Wettbewerbsordnung funktioniert, hängt aus Euckens Sicht zudem vom Gleichgewicht ab, das umgekehrt – nach dem Prinzip der Interdependenz – wiederum die Wettbewerbsordnung konstituiert: „Was Gleichgewicht bedeutet, kann einem im Angesicht dieser doppelten Aufgabe klar werden: Die Funktionsfähigkeit ist eine Frage des Gleichgewichts. Nicht weniger aber ist es (…) die Gerechtigkeit. Dem Gleichgewicht kommt also mehr als eine bloß ökonomischtechnische Bedeutung zu“ (GWP 166). Dieser Zusammenhang ist in der bisherigen wirtschafts- und rechtsphilosophischen Diskussion noch viel zu wenig bedacht worden.631 Ersichtlich ist er für das Verständnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung, die wiederum im Verhältnis der Interdependenz zueinander stehen, von vitaler Bedeutung. Denn damit wird das wirtschaftswissenschaftliche Gleichgewichtsproblem zu einer wichtigen Weichenstellung für die Herstellung kommutativer und distributiver Gerechtigkeit. Die funktionale Bedeutung des Gleichgewichtsproblems jedenfalls besteht in diesem Zusammenhang darin, über die wirtschaftswissenschaftliche Zuschreibung hinaus ein ansatzweises materielles Gerechtigkeitskriterium aufzustellen (GWP 166). Wenn also die Ursachen von Gleichgewichtsstörungen behoben sind – insbesondere durch eine Abkehr von Wirtschaftsordnungen des zentralverwaltungswirtschaftlichen Typs –, dann kann dies nach Eucken einen ersten wichtigen Schritt zur Gerechtigkeit bedeuten.  

















4. Neue Ordnungen entsprechend dem Stand der Technik? Die eminente ‚Effizienz der Wettbewerbsordnung‘ steht unter einer, freilich wichtigen, Bedingung (GWP 103): Es ist nämlich „geboten, auch Wirtschaftsordnungen  

631 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 361; Christian Müller, Neoliberalismus und Freiheit – Zum sozialethischen Anliegen der Ordo-Schule, ORDO 58 (2007) 99, 102, berücksichtigen diese Stelle aber durchaus.  



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§ 3 Die Interdependenz der Ordnungen

des verkehrswirtschaftlichen Typs, und zwar der Wettbewerbsordnung, konsequent zu verwirklichen. Auch in ihnen sollte der zentrale Baugedanke der Wirtschaftsordnung in allen Teilen der Wirtschaftspolitik zur Geltung kommen. D a n n wird die außerordentliche Effizienz der Wettbewerbsordnung nach der wirtschaftlichen Seite hin und ihre große Wirkung auf die anderen menschlichen Ordnungen deutlich werden“ (GWP 306). Diese Effizienz der Wettbewerbsordnung bringt es mit sich, dass ‚die verschiedenen Privateigentümer miteinander konkurrieren‘ (GWP 274).632 Das kann dann Gerechtigkeit als Verwirklichung allgemeiner Freiheit – das heißt unter Achtung der jeweils anderen Freiheitssphären – bewirken, wie sich wiederum aus der Stellung der Wettbewerbsordnung in der Interdependenz der Ordnungen ergibt: „Es liegt nahe, den Zusammenhang der Eigentumsordnung mit anderen menschlichen Ordnungen zu analysieren, z. B. mit der Gesellschaftsordnung oder der staatlichen Ordnung. Stets würde sich dabei zeigen, daß Privateigentum eine unabdingbare Voraussetzung dafür ist, daß eine private Freiheitssphäre gewahrt bleibt“ (GWP 275). Interessant ist daran der Begriff der ‚anderen menschlichen Ordnungen‘, der vielleicht auch ein gewisses zeitlich-dynamisches Moment aufweist, so dass möglicherweise auch Ordnungen erfasst sein könnten, die Eucken noch gar nicht vorhersehen konnte, für deren Zusammenwirken aber gleichwohl die Interdependenz eine angemessene Beschreibungsform wäre. Dafür spricht auch, dass er gleich zu Beginn seiner wirtschaftspolitischen Grundsätze die neuen naturwissenschaftlichen und technischen Errungenschaften nennt, denen neuartige Ordnungen entsprechen können, die nicht nur punktuell (WV 2; OP 3), sondern konzeptuell durchdacht werden müssen: „Noch sind zu den neuartigen Lebensumständen die entsprechenden Ordnungen nicht gefunden“ (GWP 1). Das Auseinanderfallen von eminentem technischem Wissen und einem Ordnungsdenken, das mit diesen rapiden Fortentwicklungen nicht Schritt hält, begründet eine konzeptionelle Aufgabe von zeitloser Gültigkeit, wie das folgende Postulat veranschaulicht: „Die Disproportionalität zwischen den gewaltigen Leistungen der Naturwissenschaft und Technik auf der einen Seite, den ungenügenden Ordnungen auf der anderen, muß überwunden werden“ (GWP 16). Als eine dem Stand der Technik entsprechende neuartige Ordnung könnte man heute etwa die Informationsordnung ansehen.633 Die Interdependenz der Ordnungen erweist sich unter  















632 Andreas Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole im EG-Vertrag, 1996, S. 1 mit Fußnote 6. 633 Jan Henrik Klement, Informationsvielfalt und Wettbewerbsfreiheit, Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 158, macht mit guten Gründen darauf aufmerksam. Anhand der Informationsordnung könnte man in der Tat ebenfalls die Interdependenz der Staats-, Wirtschafts- und Rechtsordnung veranschaulichen: „Die Vielfalt der von den Menschen in ihre geistige Auseinanderset 







III. Interdependenz, Gleichgewichtsproblem und Gerechtigkeit

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diesem Blickwinkel als nach wie vor gültige Herausforderung für ein zeitgemäßes Wirtschaftsverfassungsrecht im Sinne Euckens.634 Davon soll im Folgenden die Rede sein.

zung mit der Umwelt einbezogenen Informationen ist ein Funktionselement der vom Grundgesetz verfassten staatlichen Ordnung. Das wunschgemäße Wirken zentraler rechtlicher Institute hängt von den gesellschaftlichen Bedingungen der Informationsgewinnung und -verbreitung ab. Die Informationsordnung ist aus diesem Grund nicht erst seit Erfindung des Begriffs ‚Big Data‘ gleichermaßen Voraussetzung, Gegenstand und Bestandteil des Rechts.“ Zum letzteren Begriff Viktor Mayer-Schönberger/Kenneth Cukier, Big Data: Die Revolution, die unser Leben verändern wird, 2013. Siehe auch Martin Peitz/Heike Schweitzer, Ein neuer europäischer Ordnungsrahmen für Datenmärkte?, Neue Juristische Wochenschrift 2018, 275. 634 Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685, 687, dürfte letztlich dasselbe meinen, wenn er (unter Verweis auf Karl Nikolaus Peifer, Individualität im Zivilrecht, 2001, S. 44) zu bedenken gibt: „Nach dem Grundsatz der Interdependenz der Ordnungen erfolgt dieser Schutz in einer Gesamtschau von Wirtschaft, Recht und Gesellschaft, also nicht nur durch ein genuines Wirtschaftsrecht, sondern auch durch die verfassungsrechtliche Gewährleistung einer Marktwirtschaft und durch das allgemeine Privatrecht der Kauf- und Werkverträge“.  

§ 4 Wirtschaftsverfassungsrecht I. Konstituierende und regulierende Prinzipien Im Verlauf der Untersuchung begegnete verschiedentlich der Begriff des Wirtschaftsverfassungsrechts, in Euckens eigener Diktion regelmäßig das Adjektiv ‚wirtschaftsverfassungsrechtlich‘ (GWP 280).635 Ohne auf die vielfältigen terminologischen Abgrenzungsschwierigkeiten eingehen zu müssen,636 die sich im Laufe der Zeit um diesen schillernden Begriff rankten,637 kann festgestellt werden, dass das Wirtschaftsverfassungsrecht im Sinne Euckens – und im Übrigen auch Franz Böhms638 – den Inbegriff der Rechtsprinzipien bedeutet, die für den wirtschaftlichen Prozess und die Wirtschaftspolitik insgesamt von Bedeutung sind:639 „Man muß sich daran gewöhnen, Währungspolitik, Sozialpolitik, Handelspolitik, Agrarpolitik, Steuerpolitik usw. als Teile der Wirtschaftsordnungs-Politik aufzufassen. Auf die sinnvolle Lenkung des Gesamtprozesses kommt es an. Die Gesamtentscheidung über die Ordnungsprinzipien – die Schaffung einer »Wirtschaftsverfassung« – hat am Anfang zu stehen“ (NW 75). Für die Begründung und Stabilisierung einer funktionsfähigen Wirtschaftsverfassung bedarf es der strikten Geltung einiger unent 











635 Ernst-Joachim Mestmäcker, Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts. Beiträge zu Recht, Wirtschaft und Gesellschaft in der EU, 2016, S. 137 f., betont mit Recht den „konstitutiven Zusammenhang“ zwischen Interdependenz der Rechts- und Wirtschaftsordnung einerseits und der „politischen Entscheidung über die Wirtschaftsverfassung“ andererseits. 636 Zu ihnen Ernst Rudolf Huber, Der Streit um das Wirtschaftsverfassungsrecht, Die öffentliche Verwaltung 9 (1956) 97; 135; 172; 200. 637 Näher Kurt Ballerstedt, Wirtschaftsverfassungsrecht, in: Bettermann-Nipperdey-Scheuener, Die Grundrechte, Band 3, 1. Halbband, 1958, S. 1; Horst Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, 1961; Reiner Schmidt/Thomas Vollmöller, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2. Auflage 2004, S. 49; ländervergleichend Nguyen Khanh Bui, Das Wettbewerbsrecht im Rahmen der Wirtschaftsverfassung Vietnams unter Berücksichtigung der deutschen und europäischen Wirtschaftsverfassung, 2007, S. 58 ff. 638 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, Nachdruck 2010 (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker), S. 187; zu seiner Bedeutung in dieser Hinsicht auch Hans F. Zacher, Aufgaben und Theorie der Wirtschaftsverfassung, Festschrift für Franz Böhm, 1975, S. 63, 65 f. 639 Vgl. nur Fritz Rittner, Wirtschaftsrecht, 2. Auflage 1987, S. 26; Peter Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963, S. 281; ders., Grundprobleme des Wirtschaftsverfassungsrechts, Juristische Schulung, 1976, 205.  

























https://doi.org/10.1515/9783110666229-005



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I. Konstituierende und regulierende Prinzipien

behrlicher Prinzipien (GWP 311),640 die Eucken daher die ‚konstituierenden‘ und ‚regulierenden‘ nennt (GWP 254/291), die zusammengehören (GWP 304). Während die konstituierenden Prinzipien die Wettbewerbsordnung herstellen, geht es den regulierenden Prinzipien darum, die einmal hergestellte Wettbewerbsordnung aufrechtzuerhalten, damit sie ihrer Funktion langfristig gerecht werden kann (GWP 253).641  







1. Komplementarität und Interdependenz Konstituierende und regulierende Prinzipien stehen zueinander in einem Komplementaritätsverhältnis (GWP 304).642 Es ist für die Beziehung der Rechtsordnung zur Wirtschaftsordnung aufschlussreich zu sehen, welche Folgerung Eucken daraus zieht: „Damit wird auch eine wesentliche wirtschaftsrechtliche und wirtschaftspolitische Streitfrage überwunden. Dem früheren naiven Glauben, die Rechts- und Wirtschaftspolitik könne erreichen, was sie wolle, wenn sie es nur energisch wolle, ist ein ganz anderer Glaube gefolgt. (…) Und dazu kamen Mißerfolge der Wirtschaftspolitik selbst; so besonders die Mißerfolge der Monopolgesetzgebung.643 Ein so bedeutender Rechtsdenker wie F r a n z K l e i n z. B. hat seine Skepsis schon frühzeitig geäußert. Er zweifelte daran, ob die Zivil- und Strafgesetze überhaupt Einfluß besäßen; die wirtschaftliche Entwicklung werde sich doch durchsetzen“ (GWP 304 f.). Diese Stelle ist deswegen von Bedeutung, weil sie eine repräsenta 







640 Ernst-Joachim Mestmäcker, Macht – Recht – Wirtschaftsverfassung, in: Die sichtbare Hand des Rechts. Über das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftssystem, 1978, S. 28, fasst die Konzeption der Wirtschaftsverfassung mit all ihren – auch und gerade rechtlichen – Implikationen am deutlichsten zusammen: „Zu sprechen wäre von der Entwicklung des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen, das Franz Böhm wissenschaftlich und politisch aus der Taufe gehoben hat; von den Verträgen zur europäischen Integration (…) von den unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen auf Nachbardisziplinen, vor allem auf die Nationalökonomie, deren Interdependenz mit Recht und Rechtswissenschaft durch Franz Böhm und Walter Eucken erneuert wurde“; Hervorhebung nur hier. 641 Man kann den Mechanismus annäherungsweise mit den kapitalgesellschaftsrechtlichen Erfordernissen der Aufbringung und Erhaltung des Garantiekapitals vergleichen; dazu Jens Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001. Zu den einzelnen Umwandlungsarten im Europarecht Heike Schweitzer, Umwandlung / Verschmelzung / Spaltung, in: Handwörterbuch des europäischen Privatrechts (Hg. Jürgen Basedow/Klaus J. Hopt/Reinhard Zimmermann) 2009. 642 Andreas Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole im EG-Vertrag, 1996, S. 2 mit Fußnote 8. 643 Die wiederholte Nennung der ‚Misserfolge‘ ist womöglich mitursächlich dafür, dass Edith Eucken-Erdsiek die fünf Londoner Vorträge, die hier unter WW (Wirtschaftsmacht und Wirtschaftsordnung) zitiert werden, mit dem eher unglücklichen Titel ‚Unser Zeitalter der Misserfolge‘ (1951) versah.  













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§ 4 Wirtschaftsverfassungsrecht

tive Stellungnahme aufgreift, wonach es letztlich immer zu einem faktischen Primat der Wirtschaftsordnung gegenüber der Rechtsordnung kommt.

a) Verfall und Wiederbelebung des Ordnungsdenkens Darüber hinaus ist der Gesichtspunkt der genannten ‚Misserfolge‘ von Interesse, weil sich darin nicht einfach eine pessimistische Grundhaltung spiegelt, sondern vielmehr ein Ansporn zu einem Ordnungsdenken formuliert wird, der alle Bereiche des menschlichen Lebens erfasst, insbesondere aber die Staatsordnung, die Gesellschaftsordnung, die Wirtschaftsordnung und die Rechtsordnung zu ineinandergreifenden Lösungen anhält, die der Interdependenz der Ordnungen Rechnung tragen: „Gerade in unserem Zeitalter verfällt die Fähigkeit der Menschen, brauchbare Ordnungen zu schaffen, ja auch nur Ordnungen zu verstehen und in Ordnungen zu denken. Das gilt für das Recht, für die Gesellschaft, für die Politik, und das gilt auch für die Wirtschaft“ (NW 71). Gewiss muss man diese Ausführungen im zeithistorischen Zusammenhang lesen, stammen sie doch aus einem im Jahr 1938 erschienenen Leitfaden, der der Frage nachgeht, wozu es überhaupt der Nationalökonomie bedarf. Der im Zitat aufscheinende Verfallsgedanke ist einerseits hinreichend anthropozentrisch vorgetragen, um nicht als brandgefährliche politische Kritik gelesen werden zu können. Andererseits sind die zitierten Überlegungen bewusst auch über die unheilvolle Zeit hinausgedacht. Eucken betont daher auch nach dem Zweiten Weltkrieg der Sache nach die Kraft der Interdependenz, freilich unter einer wesentlichen wirtschaftsverfassungsrechtlichen Bedingung:644 „Aber die Skeptiker haben unrecht – w e n n die Wirtschaftspolitik auf Grund einer wirtschaftsordnungspolitischen Gesamtentscheidung vonstatten geht und alle wirtschaftspolitischen Akte sich in Anwendung der erforderlichen Prinzipien ergänzen“ (GWP 305). Bereits an früherer Stelle wurde der zentrale Begriff der ‚wirtschaftspolitischen Gesamtentscheidung‘ hervorgehoben, der wiederholt begegnete (GWP 307).  







b) Interdisziplinarität von Rechts- und Wirtschaftswissenschaft Die allfällige wirtschaftspolitische Gesamtentscheidung, die als solche immer auch der Interdependenz der Ordnungen Rechnung trägt, bildet ersichtlich den Drehund Angelpunkt und zugleich die Voraussetzung einer kohärenten Wirtschaftspolitik (GWP 340). Aus diesem kumulativ zu verwirklichenden Bedingungszusam 

644 Zum Folgenden auch Hans F. Zacher, Aufgaben einer Theorie der Wirtschaftsverfassung, Festschrift für Franz Böhm, 1975, S. 63.  

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I. Konstituierende und regulierende Prinzipien

menhang ergibt sich, dass zwischen konstituierenden und regulierenden Prinzipien über das genannte Komplementaritätsverhältnis hinaus ein Verhältnis der Interdependenz besteht. Das verdeutlicht eine Stelle seiner Abhandlung über D i e W e t t b e w e r b s o r d n u n g u n d i h r e V e r w i r k l i c h u n g : „Die Vielfalt der wirtschaftspolitischen Prinzipien und die Interdependenz ihrer Wirkungen erklärt sich aus der Kompliziertheit der großen arbeitsteiligen industriellen Wirtschaft, in welcher die Menschen seit der industriellen Revolution leben“ (WV 87).645 Die moderne Wirtschaft hat einen Komplexitätsgrad erreicht, der es mit sich bringt, dass alle wirtschaftspolitischen Akte auch bei prinzipiengerechter Planung Auswirkungen zeitigen, die über die Grenzen der Wirtschaftsordnung hinaus andere Ordnungen, wie die Gesellschaft, Staats- oder Rechtsordnung berühren und daher nicht isoliert betrachtet werden können. Euckens Gedanke der Interdependenz der Ordnungen ist daher aktueller denn je. Das zeigt sich nicht zuletzt am Beispiel derjenigen konstituierenden und regulierenden Prinzipien, die, wie das Eigentum, die Vertragsfreiheit und das Haftungsprinzip, der Rechtsordnung entstammen oder in ihr zumindest ihren ursprünglichen Wirkungskreis haben. Jede interdisziplinäre Arbeit im Bereich der Rechts- und Wirtschaftswissenschaft findet daher in Euckens regulierenden und konstituierenden Prinzipien einen sinn- und verheißungsvollen Anknüpfungspunkt.  

2. Regulierende Prinzipien Entgegen der damit vorgegebenen Wirkungsweise und dem logischen Vorrangverhältnis sei hier eingangs nur ein kurzes Wort zu den regulierenden Prinzipien gesagt, da sie nach dem Aufbau der vorliegenden Abhandlung der Sache nach, wenn auch nicht begrifflich, bereits wiederholt vorkamen.646 Von den regulierenden Prinzipien war nämlich schon verschiedentlich – vor allem im Zusammenhang mit dem Monopolproblem in der Wettbewerbsordnung (GWP 291)647 – die  





645 Siehe dazu Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerbspolitik in der Industriegesellschaft, Liberal 1972, S. 610. Zu der bei Eucken vorausgesetzten arbeitsteiligen Wirtschaft Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, § 3. 646 Martin Leschke, Walter Euckens Demokratieanschauung: das Ideologieproblem und die Theorie des Rent seeking, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ingo Pies/Ders.) 2002, S. 77: „Die Euckenschen Prinzipien gelten auch heute noch als Benchmark für eine ‚gute‘ Wirtschaftspolitik. Schwächen bestehender Wirtschaftsordnungen lassen sich auch heute noch mit ihnen aufdecken“. 647 Dazu auch Friedrich A. Lutz, Bemerkungen zum Monopolproblem, ORDO 8 (1956) 19; siehe zum Folgenden auch Rudolf Lukes, Zum Verständnis des Wettbewerbs und des Marktes in der Denkkategorie des Rechts, Festschrift für Franz Böhm, 1965, S. 199.  









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§ 4 Wirtschaftsverfassungsrecht

Rede, so dass darauf verwiesen werden kann. Die weiteren regulierenden Prinzipien, namentlich die Einkommenspolitik (GWP 300) und die Wirtschaftsrechnung (GWP 301) weisen vergleichsweise wenige Besonderheiten im Hinblick auf die Rechtsordnung auf, so dass sie hier nicht weiterverfolgt werden müssen, obwohl namentlich die Wirtschaftsrechnung, jedenfalls soweit sie letztlich mit dem Bilanzrecht zusammenhängt, auch für die Interdependenz der Rechts- und Wirtschaftsordnung in Betracht kommt.648  



a) Einkommenspolitik und soziale Gerechtigkeit Zum regulierenden Prinzip der Einkommenspolitik sollte man jedoch einen Aspekt der sozialen Gerechtigkeit herausgreifen, weil Eucken dabei einen prinzipiellen Punkt anspricht. Hier erhebt sich nämlich die von Eucken eher rhetorisch oder wenigstens didaktisch aufgeworfene Frage, wie in der vollständigen Konkurrenz, in der ein wirtschaftlicher Prozess den Teilnehmern des Wirtschaftsverkehrs über den Preismechanismus ohne Ansehen der Person Vermögenspositionen zuweist, soziale Gerechtigkeit zur Geltung kommen könne. Eucken verweist zur Beantwortung darauf, „daß die Verteilung des Sozialproduktes durch die Preismechanik der vollständigen Konkurrenz – trotz vieler Mängel – immer noch besser ist als die Verteilung auf Grund willkürlicher Entscheidungen privater oder öffentlicher Machtkörper“ (GWP 300).  





aa) Glanz und Grenzen des Preismechanismus Der Preismechanismus kann also eine – freilich beschränkte – Gerechtigkeitsgewähr schaffen, sofern er nicht durch private wirtschaftliche Macht, vor allem durch Monopolmacht, faktisch außer Kraft gesetzt wird. Es ist somit letztlich die Wahl des kleineren Übels, das sich vor allem aus dem Vergleich mit der Zentralverwaltungswirtschaft ergibt, deren Politik die soziale Frage befriedigend beantworten möchte, „indem sie soziale Gerechtigkeit und Sicherheit verbürgt“ (GWP 106).649 Sie scheitert aber praktisch, da Lenkungssysteme zentralverwaltungswirtschaftlicher Prägung tendenziell bereit sind, „die Freiheit einer vermeint 





648 Brigitte Knobbe-Keuk, Bilanz und Unternehmenssteuerrecht, 9. Auflage 1997, ist noch immer heranzuziehen, wenn es um ein teleologisch fundiertes Verständnis des Bilanzrechts geht. Zu einem Teilbereich, in dem das Bilanzrecht einen kontinuierlichen Schutz bezüglich punktueller Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsdefizite vermittelt, auch Jens Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001. 649 Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 64, zum Umfeld dieser Stelle.  



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I. Konstituierende und regulierende Prinzipien

lichen Sicherheit zu opfern“ (GWP 193). Die systemimmanente Konsequenz seiner Ausführungen zeigt sich daran, dass seine Bewertung der Einkommensverteilung von Gesichtspunkten der sozialen Gerechtigkeit in Abhängigkeit zu den Parametern der Wettbewerbsordnung formuliert worden ist, namentlich der Auswüchse wirtschaftlicher Macht und der Bemessung der Knappheit als Herausforderung allen Wirtschaftens (GWP 8/184): „Zu einem Problem der Gerechtigkeit im wirtschaftlichen Sinne wird die Einkommensverteilung in der Verkehrswirtschaft erst dann, wenn sich seine Höhe nicht nach Maßgabe der Knappheitsrelationen, sondern auf Grund von Marktmachtstellungen bestimmt“ (GWP 316).  





bb) Soziale, nicht freie Marktwirtschaft Die Marktwirtschaft ist demnach für Eucken alternativlos.650 Eucken ist allerdings lebensklug genug, dort Raum für allfällige Korrekturen in die Richtung der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit zu sehen, wo auf der einen Seite verschwenderischer Luxus, auf der anderen bittere Armut herrscht.651 Zu erinnern ist daran, dass für Eucken die soziale Frage „heute in ihrem Kern die Frage nach der Freiheit des Menschen ist“ (GWP 193). Und es ist ganz gewiss kein Zufall, dass er, wie zuvor berichtet, bereits auf der ersten Seite der G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k ohne Umschweife feststellt: „Soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit sind die großen Anliegen der Zeit“ (GWP 1).652 Erstere darf allerdings ebenso wenig auf Kosten anderer gewährt werden wie die Freiheit (GWP 318).653 Wie wichtig gerade die letztere ihm ist, zeigt der nicht nur programmatische Satz, der ihn mehr als alles andere von Hayek unterscheidet:654 „Das Anliegen der sozialen Gerechtig 





650 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 24, formuliert im Hinblick auf Franz Böhm, was in gleichem Sinne für Eucken gilt: „In der Wirtschaftsverfassung der Marktwirtschaft erweist sich das Privatrecht als normative und gesellschaftliche Grundlage herrschaftsfreier Ordnungen“. 651 Er verweist auf Eugen von Böhm-Bawerk, Nachteilige Wirkungen des freien Wettbewerbs, in: Gesammelte Schriften, 1924, S. 475. Hierin liegt ein markanter Unterschied zu Hayek, der Maßnahmen sozialer Gerechtigkeit kategorisch ablehnt; eingehend Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, passim. 652 Zur sozialen Sicherheit Heike Schweitzer, Wirtschaftsrechtliche Vorgaben für die Vergabe von Sozialleistungen, Schriftenreihe des deutschen Sozialrechtsverbandes 60 (2011), S. 17–45. 653 Karl Friedrich Maier, Das Verlangen nach sozialer Sicherheit, ORDO 3 (1951) 19, auf den Eucken (allerdings mit ungenauem Erscheinungsdatum) verweist. Siehe auch Manfred Partsch, Prinzipien und Formen sozialer Sicherung in nicht-industriellen Gesellschaften, 1983, S. 18 ff. 654 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 322, sieht dies ähnlich, wie sein Verweis auf die soziale Marktwirtschaft bezeugt: „Anders als etwa Eucken denkt von Hayek also nicht in einer ‚Interdependenz der Ordnungen‘, sondern verfolgt ein norma 











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§ 4 Wirtschaftsverfassungsrecht

keit kann nicht ernst genug genommen werden“ (GWP 315). In der Zusammenschau dieser Stellen wird deutlich, warum es Eucken nicht um eine freie Marktwirtschaft ging (NW 77), die ihm schon begrifflich simplifizierend und nichtssagend erscheint (OP 18): „Also ‚freie Marktwirtschaft‘ ist eine grob vereinfachende und deshalb unzutreffende Bezeichnung, die über die Formelemente der (…) Wirtschaftsordnung und über die Art, wie sie sich zusammenfügten, nichts aussagt“ (GN 57). Vielmehr war es ihm um eine soziale Marktwirtschaft zu tun, die normativ fundiert ist, so dass sich auch daran die Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zeigt.  





b) Wirtschaftsrechnung und Freiheit Hervorgehoben seien aus dem Abschnitt über die Wirtschaftsrechnung pars pro toto die folgenden Aussagen, nach denen auch in einer Wettbewerbsordnung die grundsätzliche Planungsfreiheit ausnahmsweise begrenzt werden darf (GWP 302): „Indem so die Notwendigkeit, die Freiheit der Planung an gewissen Stellen einzuengen, genau bezeichnet wird, ist zugleich auch die Grenze der staatlichen Kontrolle gezogen. Die Gewerbepolizei darf nicht ihre Befugnisse dazu benutzen, um die Konkurrenz zu beschränken“ (GWP 303). Aber nach dem bisher Bedachten ist leicht einzusehen, dass sich auch und gerade diese Überlegungen in das System bruchlos einfügen. Es ist vor allem die exakte Fixierung der Grenzen der Freiheit, die zu den elementaren rechtsstaatlichen Erfordernissen gehört und sie dadurch zugleich verwirklicht. Bei einem Systematiker vom Range Euckens sind es mitunter gerade die allfälligen Ausnahmen, welche die Systemgerechtigkeit veranschaulichen. Schließlich sei erwähnt, dass Eucken insbesondere im Abschnitt über die Wirtschaftsrechnung bemerkenswerte Einschränkungen zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen macht, die nicht nur konjunkturpolitisch sinnvoll sind (WV 91).655  



tives Konzept entgegen der geltenden Wirtschaftsverfassung“. Unter Verweis auf Josef Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers. Eine Studie zum Privat- und Wirtschaftsrecht unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Bezüge, 1998, S. 103. 655 Vittorio Hösle, Ethik und Wirtschaftswissenschaft, oder: Wieviel Egoismus braucht der moderne Kapitalismus? Machiavellis, Mandevilles und Malthus‘ neue Erkenntnis und ihre Herausforderung, Festschrift für Johannes Strangas, 2017, S. 21, 41 f., formuliert ein diesbezügliches Desiderat, dass sich wohl auch mit Euckens Vorstellung der Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung in Gestalt einer verantwortungsvollen Rechts- und Wirtschaftspolitik in Einklang bringen lässt: „Sicher ist es eine der Hauptaufgaben einer gerechten Rechts- und Wirtschaftspolitik, Regeln zu entwickeln, die die Externalisierung von Kosten erschweren, teils, indem der Beitrag der Natur zum nationalen Wohlstand neu bestimmt wird und entsprechend die Preise für  





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I. Konstituierende und regulierende Prinzipien

c) Relevanz der sozialen Frage Darüber hinaus gehen diese Einschränkungen und Vorbehalte durchaus in die Richtung eines effektiven und verantwortungsvollen Umweltschutzes,656 der Mitte des vorigen Jahrhunderts alles andere als selbstverständlich war, und erhebliche Weitsicht verrät.657 Des Weiteren finden sich bei Eucken gerade in diesem Zusammenhang – nämlich der Wirtschaftsrechnung – überaus bemerkenswerte Stellen, von denen die folgende wörtlich genannt zu werden verdient: „Vor allem aber hat sich auf sozialem Gebiet dieser Konflikt zwischen der einzelbetrieblichen Rechnung und dem Gesamtinteresse gezeigt: Kinder- und Frauenarbeit, allzulange Arbeitszeiten, ungenügender Schutz gegen Unfälle in den Betrieben usw. hat gerade in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu schweren Schädigungen Anlass gegeben, die erst mit dem Arbeiterschutz beseitigt oder gemildert werden“ (GWP 302). Hieran lässt sich der werkimmanente Zusammenhang im Verhältnis zu seinen Ausführungen über di e s o z i a l e F r a g e veranschaulichen (SF 129). Eucken setzt dem Individualinteresse gegenüber dem Gemeinwohl deutliche Grenzen, wenn es die Belange der Schwächsten und am wenigsten Privilegierten gebieten, die allfällige Unfallversicherung nahelegt oder Mindestbedingungen aufkeimenden Arbeitsrechts gesetzt werden müssen.658 Da dieser Arbeiterschutz durch Gesetze – also wirtschaftspolitische Akte – verwirklicht wurde, zeigt sich hier ebenso der Zusammenhang zwischen Rechts 









nationale Ressourcen erhöht werden, teils indem die Haftung erweitert wird, und teils durch die Ermächtigung zukünftiger Generationen“. 656 Otto Schlecht, Zur Ethik in Euckens Werk, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000, S. 59, 71, fordert: „Der Staat (…) sollte von vornherein den entsprechenden Rechts- und Ordnungsrahmen für die Erhaltung der Umwelt setzen“. Siehe auch Wolfgang Fikentscher, Die umweltsoziale Marktwirtschaft – als Rechtsproblem, 1991; Klaus Mathis, Nachhaltige Entwicklung und Generationengerechtigkeit. Eine interdisziplinäre Studie aus rechtlicher, ökonomischer und philosophischer Sicht, 2017, S. 137 ff. 657 Dazu grundlegend Hans Jonas, Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, 1984; speziell Ernst Ulrich von Weizsäcker (Hg.), Umweltstandort Deutschland. Argumente gegen die ökologische Phantasielosigkeit, 1994; aus rechtlicher Sicht Gerhard Wagner, Kollektives Umwelthaftungsrecht auf genossenschaftlicher Grundlage, 1990; ders., Öffentlich-rechtliche Genehmigung und zivilrechtliche Rechtswidrigkeit, 1989; Jens Petersen, Anthropozentrik und Ökozentrik im Umweltrecht, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 83 (1997) 361; ders., Duldungspflicht und Umwelthaftung. Das Verhältnis von § 906 BGB zum Umwelthaftungsgesetz, 1996; ders., Beweiserleichterungen für Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Emissionen und nachbarliche Duldungspflicht, Neue Juristische Wochenschrift 1998, 2099. 658 John Rawls, A Theory of Justice, 1971, könnte man aus dem seither erschienenen rechtsphilosophischen Schrifttum als besonders wirkungsmächtige Arbeit in diese Richtung nennen. Siehe dazu auch Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 22.  











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ordnung und Wirtschaftsordnung. Zudem ergibt sich daraus beispielhaft, dass für Eucken – im Unterschied zu Hayek659 – auch bestimmte (Rechts-)Entwicklungen auf sozialem Gebiet innerhalb der vergangenen einhundertfünfzig Jahre zu den unhintergehbaren Umständen gehören, die auch ein evolutionär ausgerichtetes Rechts- und Wirtschaftsdenken schlechterdings nicht außer Betracht lassen darf. Das veranschaulicht bereits ein auf den ersten Blick unscheinbar anmutender Satz auf der ersten Seite der G r u n d s ä t z e d e r W i r t s ch a f t s p o l i t i k , wo er der sozialen Frage „eine eminente geschichtliche Kraft“ (GWP 1) bescheinigt. Ihr hat er denn auch einen eigenen Beitrag über di e s o z i a l e F r a g e gewidmet (SF 111). So erklärt sich außerdem, dass die soziale Frage nur durch eine ‚soziale Moral‘ beantwortet werden kann (GWP 323), zumal da sie das Verteilungsproblem in der industriellen Wirtschaft betrifft (GWP 11).660  











3. Konstituierende Prinzipien Daher geht es im Folgenden schwerpunktmäßig um eines der konstituierenden Prinzipien, die demgegenüber besondere Relevanz im Verhältnis der Rechtsordnung zur Wirtschaftsordnung haben. Bereits in der Einleitung war davon die Rede, dass gut die Hälfte dieser konstituierenden Prinzipien einen rechtlichen Einschlag, wenn nicht gar einen genuin rechtlichen Gehalt aufweisen. Auf sie hat sich daher eine Abhandlung zum Thema Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung zu konzentrieren.

a) Interdependenz und wirtschaftsverfassungsrechtlicher Gehalt Sie darf freilich ihrerseits nicht die Wechselwirkungen außer Acht lassen und muss deshalb die regulierenden Prinzipien zumindest insoweit mitberücksichtigen, als sie in Wechselwirkung zu denjenigen Prinzipien treten können, die eine rechtliche Prägung aufweisen, wie namentlich die Vertragsfreiheit, das Privateigentum oder das Haftungsprinzip. Das folgt schon aus der hier im Mittelpunkt stehenden Interdependenz von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung. Denn die Interdependenz hat Eucken gerade im Zusammenhang mit den konstituieren-

659 Kritisch daher Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, passim. 660 Hans Albert, Freiheit und Ordnung. Zwei Abhandlungen zum Problem der offenen Gesellschaft, Vorträge und Aufsätze des Walter-Eucken-Instituts Freiburg, 1986, S. 99 Fußnote 87, betont am Beispiel dieser Stelle, dass Eucken „ausdrücklich Fragen der sozialen Sicherheit in das Zentrum seiner ordnungspolitischen Analyse gestellt hat“.  



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den Prinzipien und ihrer Bedeutung für die Wirtschaftsverfassung ausdrücklich betont (GWP 290). Dabei kann auf vieles verwiesen werden, das bereits zu einzelnen dieser Prinzipien gesagt wurde.661 So wurden Privateigentum und Vertragsfreiheit im bisherigen Verlauf der Untersuchung schon ausführlich gewürdigt. Auch die Konstanz der Wirtschaftspolitik (GWP 285) stand ebenso wie die Währungspolitik (GWP 255) wiederholt zur Diskussion. Gleiches gilt für die nicht zuletzt für das europäische Wettbewerbsrecht wesentliche Öffnung der Märkte (GWP 264),662 die einen ‚wirtschaftsverfassungsrechtlichen Sinn‘ hat: „Deshalb kann privaten Machtgruppen nicht das Recht verliehen werden, sie zu beseitigen. Sie gehört zur Ordnungspolitik, die Privaten nicht überlassen werden darf“ (GWP 267). Das ist eine zentrale Basiswertung seines Systemdenkens, die man nicht hoch genug veranschlagen kann.  









b) Interdependenz rechtsdogmatischer und wirtschaftsverfassungsrechtlicher Grundsätze Allerdings wurde weiter oben gegen Ende des ersten Paragraphen auch schon zu bedenken gegeben, dass Eucken für die Verwirklichung seiner konstituierenden und regulierenden Prinzipien viel von der Rechtsprechung erwartet, die sich der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung unterzuordnen habe (GN 241): „Aber Wirtschaftspolitik kann erfolgreich nicht nach rechtsdogmatischen Grundsätzen getrieben werden. Erforderlich ist, daß die Entscheidungen auch in Anwendung der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundsätze stattfinden, wobei es  

661 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, hat in der Einleitung (S. 17 der von Ernst-Joachim Mestmäcker herausgegebenen Neuauflage) eine für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung bedeutsame Vorstellung des Wirtschaftsverfassungsrecht entfaltet, indem er den Versuch unternimmt, „die von der Wirtschaftstheorie ermittelten Gesetzmäßigkeiten einer freien Verkehrs- und Konkurrenzwirtschaft auf einem bisher noch nicht begangenen Wege zu veranschaulichen. Und zwar auf dem Wege, daß es sich die Aufgabe stellt, dieses Wirtschaftssystem als eine Rechtsverfassung des Wirtschaftslebens, als eine Rechtsordnung im positiv verfassungsrechtlichen Sinne, von exakter verfassungsrechtlicher Struktur nachzuweisen und darzustellen. Es handelt sich sozusagen um den Versuch, das Lehrgebäude der klassischen Wirtschaftsphilosophie aus der Sprache der Nationalökonomie in die Sprache der Rechtswissenschaft zu übersetzen“. Hervorhebungen auch dort. Ihm folgend Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 5. 662 Dazu Ernst-Joachim Mestmäcker/Heike Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 3. Auflage 2014, § 1 Randnummer 27 mit Fußnote 20, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Eucken (GWP 264 ff.). Siehe auch Roy F. Bär, Grundlagen der wettbewerbsrechtlichen Unternehmensverantwortlichkeit im europäischen Bußgeldverfahren, 2019.  











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ein besonderes Problem darstellt, wie die wirtschaftsverfassungsrechtliche und die rechtsdogmatische Behandlung der Probleme ineinandergreifen“ (GWP 307= WV 87). An dieser für das Verhältnis von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung wichtigen Stelle, die ausweislich des zuletzt zitierten Wortes die Interdependenz voraussetzt, äußert sich Eucken interessanterweise selbst zum Verhältnis von Rechtsdogmatik und seinem Verständnis der Wirtschaftspolitik, dessen Methode ja bereits eingangs eine gewisse Nähe zur rechtsdogmatischen Arbeit nachgesagt wurde. Die praktische wirtschaftsverfassungsrechtliche Arbeit, der eben auch eine planerische Komponente eignet (GWP 20), setzt für Eucken offenbar mehr voraus als die möglichst widerspruchsfreie Wirkungsweise von Rechtsprinzipien im Hinblick auf einen konkreten Entscheidungsfall, zumal da die Wirtschaftsplanung nicht selten vor unvorhersehbaren Anpassungsschwierigkeiten stehen kann (GWP 5). Allerdings steht auch die Rechtswissenschaft vor beträchtlichen Herausforderungen. Denn die Zurückstellung rechtsdogmatischer Bedenken hinter eine ordnungspolitische Gesamtentscheidung (WV 93; GWP 250) würde eine nicht zu unterschätzende Zumutung, wenn nicht gar eine Selbstverleugnung bedeuten, wenn sie nicht ihrerseits wirtschaftsverfassungsrechtlich legitimierbar ist.663 Dass dieses Problem jedoch weniger brisant ist, als es auf den ersten Blick scheint, ergibt sich aus dem systematischen Standort der Überlegungen Euckens. Denn sie setzen nicht nur die Interdependenz im Allgemeinen voraus (GWP 180), sondern im Besonderen, nämlich unter der Geltung der konstituierenden und regulierenden Prinzipien (GWP 254/291). Als Ausformung dieser Prinzipien, die sich selbst in die Privatrechtsdogmatik einfügen, wie allein schon die konstituierenden Prinzipien der Vertragsfreiheit und des Privateigentums, aber auch das sogleich zu besprechende Haftungsprinzip zeigen, steht die wirtschaftsverfassungsrechtliche Gesamtentscheidung niemals im Widerspruch zu einer Rechtsdogmatik,664  











663 Franz Böhm/Walter Eucken/Hans Großmann-Doerth, Unsere Aufgabe, in: Die Ordnung der Wirtschaft, 1937, S. XVIII: „Die Behandlung aller konkreten rechts- und wirtschaftspolitischen Fragen muß an der Idee einer Wirtschaftsverfassung ausgerichtet sein. (…) Gerade auch der praktische Jurist darf diese wirtschaftsverfassungsrechtliche Erfassung des Rechts nie ignorieren. (…) Ebenso muß er sich auch bei der gesetzgeberischen Weiterentwicklung des Rechts stets die Grundgedanken der Wirtschaftsverfassung gegenwärtig halten“. Zu diesen wichtigen Sätzen siehe auch Viktor Vanberg, Privatrechtsgesellschaft und ökonomische Theorie, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 131, 136 f. mit Fußnote 17. 664 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 14, hat dies unausgesprochen mitbedacht: „Die ökonomischen und juristischen Elemente der Wettbewerbsordnung hat Walter Eucken in die Wirtschaftsverfassung eingefügt. Dazu gehören der Primat der Währungspolitik, offene Märkte, Privateigentum, Vertragsfreiheit und das Prinzip der unbeschränkten Haftung für Verbindlichkeiten“. Hervorhebung nur hier.  









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die ihrerseits als Wertungs- bzw. Prinzipienjurisprudenz klassifiziert werden kann.665

4. Prinzipienkonvergenz in der Rechts- und Wirtschaftsordnung Gleichwohl sind weder die konstituierenden noch die regulativen Prinzipien rechtsdogmatische Prinzipien, auch wenn es hier inhaltliche Überschneidungen gibt: „Es handelt sich also nicht um rechtsdogmatische und nicht um naturrechtliche Prinzipien. Einzelne Prinzipien – wie das Prinzip der Vertragsfreiheit, der Haftung oder des Privateigentums – sind von Philosophen und Rechtsdenkern auch als reine Rechtsprinzipien entwickelt worden; etwa als Prinzipien des Naturrechts. Aber aus dem Naturrecht oder aus übergeordneten rechtsdogmatischen Sätzen sind sie in dem Ordnungszusammenhang, von dem hier die Rede ist, nicht abgeleitet“ (GWP 290).666 Eine zu große Nähe zum Naturrecht möchte sich Eucken von seinen Zunftgenossen begreiflicherweise nicht nachsagen lassen. Ebenso verständlich ist, dass er nicht in eine strikte terminologische Abhängigkeit zur Rechtsdogmatik geraten möchte, um die Eigenbedeutung seiner wirtschaftspolitischen Prinzipien nicht zu schmälern, so wie umgekehrt die Rechtswissenschaft richtigerweise auf ihrer Eigenständigkeit und unabhängigen wissenschaftstheoretischen Geltung gegenüber der Ökonomie beharrt.667  





a) Prinzipien einer menschenwürdigen Ordnung Interdependenz der Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung bedeutet also kein pauschales Abhängigkeitsverhältnis der zugrundeliegenden Disziplinen im Hinblick auf ihre jeweiligen Grundbegriffe, die eine unterschiedliche Bedeutung und

665 Zur Prinzipienjurisprudenz Peter Landau, Die Rechtsquellenlehre in der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, in: Juristische Theoriebildung und Rechtliche Einheit, Rättshistorika Studier (Hg. Claes Peterson), XIX (1993) 69; zur Wertungsjurisprudenz Jens Petersen, Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001. 666 Ingo Pies, Theoretische Grundlagen demokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik – Der Beitrag Walter Euckens, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ders./Martin Leschke) 2002, S. 230 mit Fußnote 92, weist auf die unmissverständlich („schwarz auf weiß“) nachzulesende Abwendung von naturrechtlichen Prämissen hin. Anderer Ansicht Dieter Haselbach, Autoritärer Liberalismus und Soziale Marktwirtschaft. Gesellschaft und Politik im Ordoliberalismus, 1991, S. 110 und öfter, der insgesamt ein eher negatives Bild des Ordoliberalismus‘ Euckenscher Prägung zeichnet. 667 Grundlegend Ernst-Joachim Mestmäcker, A Legal Theory without Law. Posner v. Hayek on Economic Analysis of Law, 2007.  







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eine eigenständige Geltung haben können. Die Ökonomie kann daher eine begriffliche Anleihe aufnehmen, ohne damit notwendigerweise alle Ableitungen oder systematischen Implikationen solcher Begriffe wie der Vertragsfreiheit oder der Haftung übernehmen zu müssen. Das ist eine wichtige Präzisierung, die auch und gerade für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung von Bedeutung ist, weil sie die spezifisch ökonomische Herleitung der Prinzipien erforderlicht. Denn sowohl die konstituierenden als auch die regulierenden Prinzipien haben ihren Geltungsgrund in der Wettbewerbsordnung. Die Prinzipien Euckens sind also allesamt gerade auf die Wettbewerbsordnung ausgerichtet und hingeordnet: „Man kann Marktformen und Geldsysteme, im ganzen also ein Preissystem des Wettbewerbs, entstehen lassen. Eine solche Wirtschaftspolitik ist in allen Teilen – vom Recht der Haftung bis zum Recht der Banken oder zur Handelspolitik – darauf gerichtet, in der industrialisierten Wirtschaft Bedingungen herzustellen, unter denen sich eine funktionsfähige und menschenwürdige Wirtschaftsordnung gestaltet“ (WW 75).668 Hier begegnet nicht von ungefähr das Haftungsrecht, weil die Haftung in Euckens wirtschaftsverfassungsrechtlichem System ein konstituierendes Prinzip darstellt (GWP 290). Womöglich noch bedeutsamer ist jedoch vor dem Hintergrund der ihm besonders wichtigen moraltheoretischen Begründung (GWP 176) das Desiderat einer gleichermaßen funktionsfähigen, wie vor allem menschenwürdigen Wirtschaft (GN 239). Denn das verdeutlicht die moralische Komponente seines Wirtschaftsverständnisses (GWP 322).669  













aa) Deduktion der Prinzipien aus der Wettbewerbsordnung Auch soweit sie sich äußerlich entsprechen, stehen die von Eucken erarbeiteten Prinzipien im Dienste einer effizienten Wettbewerbsordnung (GWP 306). Eucken deduziert also alle Prinzipien, insbesondere die der Vertragsfreiheit, des Privateigentums und der Haftung, aus dem Postulat einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung (GWP 307). Diese wiederum dient einer funktionsfähigen Gesamtordnung (GWP 133).  





668 Siehe dazu auch Willibald J. Folz, Das geldtheoretische und geldpolitische Werk Walter Euckens, 1970. 669 Otto Schlecht, Zur Ethik in Euckens Werk, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000, S. 59, 60. In diese Richtung ferner Leonhard Miksch, Wirtschaftsmoral und Wirtschaftsordnung, Wirtschaftsverwaltung 14 (1948) 2; ders., Die sittliche Bedeutung der inneren Koordination ORDO 3 (1950) 29.  

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(1) Funktionsfähige und menschenwürdige Gesamtordnung In einer solchen Gesamtordnung aber geht es nicht nur um eine funktionsfähige, sondern auch um eine menschenwürdige Ordnung der Wirtschaft und des Rechts (GWP 369; GN 239).670 Besonders deutlich wird dies im ersten Satz seiner längsten Aufsatzpublikation, der in vielerlei Hinsicht programmatisch ist. Euckens bohrendes Interesse wird schon dadurch deutlich, dass eine seiner Abhandlungen mit einer direkten Frage beginnt: „Wie kann der modernen industrialisierten Wirtschaft eine funktionsfähige und menschenwürdige Ordnung gegeben werden?“ (WV 1). Diese Herausforderung hat ihn bereits mit ganz ähnlichen Worten am Ende seiner G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e bewegt (GN 240). Eucken präzisiert das Postulat der Schaffung einer menschenwürdigen Ordnung aber gerade im Hinblick auf die Minderprivilegierten, denen sein besonderes Augenmerk gilt (GWP 176): „Die Arbeiter und alle, die sich in Abhängigkeit oder Not befinden, können mehr verlangen als Mitleid, Mildtätigkeit oder sozialpolitische Hilfe von Fall zu Fall. Sie haben Anspruch auf eine Ordnung, die sie bejahen können, weil sie ihnen und ihren Angehörigen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht“ (GWP 313).  











(2) Anspruch und Anspruchsinhalt Die juridische Einordnung (‚Anspruch‘) verdeutlicht, dass zur Rechtsordnung auch ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit gehört (SF 111). Allen Kritikern sozialer Gerechtigkeit – namentlich Hayek, für den es eine Anmaßung von Wissen bedeutete, eine bestimmte Teilhabe sozialen Wohlstands beanspruchen zu können671 – ist hiermit der Wind aus den Segeln genommen, weil Eucken zwar nach Art subjektiver Rechte formuliert, bei näherem Hinsehen aber mit Bedacht den Anspruch nicht auf ein bestimmtes Mindestmaß quantifiziert. Vielmehr ist er entsprechend seinem Ordnungsdenken ‚auf eine Ordnung‘ gerichtet, die ein ‚menschenwürdiges Leben ermöglicht‘. Mit der diesem Anspruchsinhalt innewohnenden, gleichermaßen konsensualen wie konditionalen Formulierung (‚die sie bejahen können‘) bewegt sich das Postulat mit Bedacht in kantischen Bahnen, zumal da der kategorische Imperativ hörbar mitklingt. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass Eucken die Bedingungen mitzuteilen schuldig bleibt, unter denen die Arbeiter diese Ordnung bejahen können. Denn der nachfolgende Kausalsatz kann ohne weiteres so verstanden werden, dass eben die Ermöglichung eines  





670 Jochen Mohr, Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht. Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge, 2015, S. 358, zu dieser Stelle. 671 Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, § 2 und passim.  



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menschenwürdigen Auskommens für die Betroffenen vorausgesetzt wird, damit die Beteiligten zustimmen können (WV 93).

bb) Kantisches Denken und soziale Gesinnung Führt man Euckens Deduktion also auf sein Gesamtsystem des ordnungspolitischen Zusammenhangs zurück, dann ist dieses, wie bereits mehrfach gesehen, in sich widerspruchsfrei und in sich geschlossen (GWP 266).  

(1) Durch das Recht geprägte bürgerliche Gesellschaft So ist denn Eucken bei aller Hochachtung vor dem System Kantianer genug zu erkennen,672 dass jede noch so gefügte Wirtschaftsordnung Brüche und Zwischenräume mit sich bringt, die durch staatliche Akte sozialer Gerechtigkeit mit gesetzlich verbrieften Teilhaberechten – und nicht unter Verweis auf die freiwillige Freigebigkeit Privater – geschlossen werden: „Daß auch bei der besten Ordnungspolitik soziale Hilfsmaßnahmen nötig sein werden, wird niemanden verwundern, der in menschlichen Ordnungszusammenhängen zu denken gewohnt ist; denn vollkommene Lösungen gibt es hier nicht“ (GWP 313). Aber auch das bedeutet nicht zwangsläufig einen quantifizierbaren Anspruch des einzelnen, sondern eher das Eingeständnis, dass keine Wirtschaftspolitik das Armutsproblem durch Umverteilung erschöpfend lösen kann und für gesetzlich bestimmte Wohlfahrtsmaßnahmen immer ein Bedürfnis bestehen wird, das ein Sozialstaat dann aber erfüllen darf und muss. Im Anschluss an Kant gilt auch für ihn, dass die Idee einer durch das Recht geprägten bürgerlichen Gesellschaft bei aller anzustrebenden systematischen Kohärenz nur annäherungsweise verwirklicht werden kann.673 Es handelt sich, kantisch gesprochen, um eine regulative Idee; pragmatisch ausgedrückt: ein  





672 Nicht von ungefähr zitiert er im Anschluss an das im Haupttext folgende Zitat (etwas ungenau) das berühmte Wort von Immanuel Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, Berlinische Monatsschrift 1784, 385, Sechster Satz: „Diese Aufgabe ist daher die schwerste unter allen; ja ihre vollkommene Auflösung ist unmöglich: Aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden. Und nur die Annäherung zu dieser Idee ist uns von der Natur auferlegt“. 673 Ernst-Joachim Mestmäcker, Die Wiederkehr der bürgerlichen Gesellschaft und ihres Rechts, Rechtshistorisches Journal 10 (1991) 177; ders., Kants Rechtsprinzip als Grundlage der europäischen Einigung, in: Freiheit, Gleichheit, Selbständigkeit. Zur Aktualität der Rechtsphilosophie Kants für die Gerechtigkeit der modernen Gesellschaft (Hg. Götz Landwehr) 1999, S. 61 ff. Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685, 691 f., entwickelt namentlich das Selbständigkeitspostulat des Europäischen Gerichtshofs (EuGH vom  





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Optimierungsgebot. Diese systematische Geschlossenheit betont er mit der eingangs hervorgehobenen Eigenständigkeit seiner Prinzipien, die eben keine spezifisch rechtsdogmatischen oder naturrechtlichen sind.674

(2) Wettbewerbsordnung in sozialer Gesinnung Eucken ist auch in dieser Hinsicht weder auf die Rechtsdogmatik noch auf das Naturrecht angewiesen, um die Geltung der konstituierenden und regulierenden Prinzipien zu beanspruchen.675 Allerdings ist auch die bloße Geltung der genannten Prinzipien dann unzureichend, wenn die darauf gegründete Wettbewerbsordnung nicht von einer sozialen Gesinnung getragen ist. Euckens Postulat ist ebenso entschieden wie kompromisslos: „Es kommt alles darauf an, daß der Ordnungsgedanke, der Gedanke der freien Ordnung, auch in die soziale Gesinnung mit aufgenommen wird“ (GWP 323). Es ist bemerkenswert, dass er es in diese Richtung fordert, weil schon viel gewonnen wäre, wenn – graduell etwas schwächer – die soziale Gesinnung in den Gedanken der freien Ordnung einbezogen würde. Aber Eucken formuliert mit Bedacht auf eben diese Weise, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, dass die Ergebnisse etwa von der bloßen Wünschbarkeit sozialer Gesinnung diktiert würden – so edel diese in moraltheoretischer Hinsicht auch sein mag –, sondern sich die soziale Gesinnung vielmehr in sein Ordnungsdenken fügt, aus dessen kantischer Prägung sie bruchlos abgeleitet werden kann, ohne systematisch fragwürdige neue Glieder einführen zu müssen, um zu gewünschten Ergebnissen zu gelangen (GWP 176). Stellen wie die zuletzt wörtlich zitierte belegen, warum Eucken aus gutem Grund als einer der Wegbereiter einer sozialen Marktwirtschaft angesehen wird.676  











31.3.1993 – Rechtssache C-89/85) mit guten Gründen ideengeschichtlich aus Euckens Verständnis der kantischen Rechtsphilosophie. 674 Siehe dazu auch Stefan Arnold, Vertrag und Verteilung. Die Bedeutung der iustitia distributiva im Vertragsrecht, 2014. 675 Ingo Pies, Theoretische Grundlagen demokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik – Der Beitrag Walter Euckens, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ders./Martin Leschke) 2002, S. 17 f. mit Fußnote 56, anschaulich zu dieser Stelle. 676 Begriffsprägend Alfred Müller-Armack, Genealogie der Sozialen Marktwirtschaft. Frühschriften und weiterführende Konzepte, 2. Auflage 1981 (darin auf S. 90–107: Vorschläge zur Verwirklichung der Sozialen Marktwirtschaft, 1948); ders, Das gesellschaftspolitische Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft, 1962, S. 146–162. Vgl. auch Reinhard Blum, Soziale Marktwirtschaft. Wirtschaftspolitik zwischen Neoliberalismus und Ordnungsliberalismus, 1969; Otto Schlecht, Zur Ethik in Euckens Werk, in: Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken (Hg. Bernhard Külp/Viktor Vanberg) 2000 S. 59; Werner Zohlnhöfer, Ordoliberalismus und Soziale Marktwirtschaft aus evolutorischer Sicht, ebenda, S. 75. Vgl. auch Heinz Grossekettler, Die  

















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b) Austeilende und soziale Gerechtigkeit Die bisherigen Überlegungen zu den konstituierenden Prinzipien und zur austeilenden Gerechtigkeit entsprechen Euckens in den G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e ausgearbeiteter Feststellung, dass Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung nicht identisch sind (GN 241). Auch dort, wo sich die Grundsätze phänotypisch gleichen, sind sie genotypisch verschieden. Nichtsdestoweniger können die in ihrem äußeren Erscheinungsbild gleichen Prinzipien – wie etwa die genannten der Haftung, Vertragsfreiheit und des Privateigentums – in der Rechtsordnung ebenso unverzichtbar sein wie in der Wirtschaftsordnung. Sie dürfen sogar einen gleichartigen Aussagegehalt aufweisen.  





aa) Prinzipienkonvergenz und soziale Gerechtigkeit Man kann insofern von einer Prinzipienkonvergenz ausgehen. Die konstituierenden Prinzipien entsprechen einander und bringen auf diese Weise die Interdependenz der Ordnungen sogar besonders klar zum Ausdruck, auch wenn sie jeweils in der Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung auf unterschiedliche Weise hergeleitet wurden und in einem andersartigen Funktionszusammenhang zueinander stehen. Das gilt im Übrigen auch im Hinblick auf die weiter oben angesprochenen Maßnahmen sozialer Gerechtigkeit: „Ob es sich um Geld-, Kredit-, Devisen- oder Kartellpolitik handelt, oder ob von der Stellung des Arbeiters auf dem Arbeitsmarkt, im Betrieb oder von seinem häuslichen Geschick die Rede ist, stets besteht eine allgemeine Interdependenz der Wirtschaftspolitik und stets werden die Arbeiter mitbetroffen. E s g i b t n i c h t s , w a s n i c h t s o z i a l w i c h t i g w ä r e “ (GWP 313). Auch wenn ‚sozial‘ in diesem Zusammenhang nicht verengend allein in Richtung sozialer Gerechtigkeit gedeutet werden kann, weil es eben in einem weiteren Sinne auch alle Handlungen anbelangt, die menschliche Interaktionen betreffen und die daher notwendigerweise im Sinne der Interdependenz aufeinander bezogen sein können, ist die soziale Gesinnung, wie der bereits betrachtete Zusammenhang, in dem die Stelle angesiedelt ist, zumindest miterfasst. Die Hervorhebung verdeutlicht, dass die sozialen Belange in allen Ordnungen, der Rechts- und Wirtschaftsordnung wie der Gesellschafts- und Staatsordnung, mitbedacht werden müssen. Sie stehen gleichsam hinter der Klammer.  

Wirtschaftsordnung als Gestaltungsaufgabe. Entstehungsgeschichte und Entwicklungsperspektiven des Ordoliberalismus nach 50 Jahren Sozialer Marktwirtschaft, 1997; Klaus Adomeit/Jochen Mohr, Rechts- und Wirtschaftsphilosophie, 4. Auflage 2017, S. 279 ff.  





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bb) Verweis auf Bismarcks Sozialgesetzgebung Dabei hat Eucken ein überaus scharfes Auge für die wirklichen Beweggründe der politischen Akteure, nicht zuletzt ihre machtpolitischen Interessen, die selbst bei der Verfolgung sozialer Beweggründe und der Vervollkommnung der Sozialgesetzgebung niemals aus dem Blick geraten, wie bereits eine vergleichsweise frühe Äußerung innerhalb eines für die Entwicklung des Ordoliberalismus prägenden Beitrags zeigt: „Auch Bismarcks Sozialpolitik (…) war eine Politik der Staatsräson und hat in ihren Motiven und in ihrem Geist mit der Sozialpolitik späterer Jahrzehnte nichts zu tun. Festigung des Reichs durch Interessierung des einzelnen Arbeiters an seinem Bestand war z. B. das Ziel der Sozialversicherungsgesetzgebung, ein Gedanke, der in den Einzelbestimmungen des Gesetzgebungswerkes deutlich zum Ausdruck kam“ (SK 303).677 Es ist für sein Verständnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung interessant, dass Eucken einzelne Bestimmungen der Sozialgesetze zumindest anspricht, auch wenn er sie nicht detailliert nennt. Ohne sich etwas darüber vorzumachen, dass Bismarck zumindest nicht ausschließlich die Belange der Arbeiterschaft im Blick hatte, hat er den interessengeleiteten und machtpolitischen Gehalt der Gesetze klar erfasst. Aber auch dort, wo diese sozialen Wohlfahrtsmaßnahmen eher Reflexwirkungen darstellten, markierten sie doch in ihrer Gesamtheit einen evolutionären Schritt in Richtung sozialer Gerechtigkeit. Das hat von Hayek verkannt oder zumindest nicht sehen wollen, weil es seiner kategorischen Ablehnung sozialer Gerechtigkeit bei gleichzeitiger Zugrundelegung eines evolutionären Rechtsdenkens widersprochen hätte.678  

cc) Soziale Gerechtigkeit durch Verwirklichung der Wettbewerbsordnung Wie eng die konstituierenden und regulierenden Prinzipien mit dem Desiderat sozialer Gerechtigkeit verzahnt sind, ergibt sich aus den Kategorien seines Systemdenkens zwanglos, zumal da er immer die wirtschaftliche Wirklichkeit im

677 Siehe auch Franz Böhm, Die Sozialpolitik in der Marktwirtschaft, Sozialer Fortschritt 3 (1954) 125. Zur Sozialpolitik Bismarcks Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918, Band I: Arbeitswelt und Bürgergeist; Band II, 1990, mit seinem berühmten Anfangssatz: „Am Anfang war Bismarck“. Bezüglich des im Text vorausgesetzten Begriffs der Staatsräson aus heutiger Sicht Michael Stolleis, Friedrich Meineckes „Die Idee der Staatsräson“ und die neuere Forschung, in: Friedrich Meinecke heute (Hg. Michael Erbe) 1981, S. 50. 678 Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, passim.  

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Blick hält (GN 100):679 „Die Gestaltung der Tauschvorgänge ist vom gesamten Wirtschaftsgeschehen abhängig, weshalb auch die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit nicht nur von der Verwirklichung des Grundprinzips der Wettbewerbswirtschaft, sondern von der Anwendung aller konstituierenden und regulierenden Prinzipien abhängig ist“ (GWP 315). Unwillkürlich denkt man im Zusammenhang mit den genannten Tauschvorgängen an ein berühmtes Wort seines Mitstreiters Franz Böhm, der die Einzigartigkeit des Tauschvorgangs erkannt hat, und das Eucken an anderer Stelle auch wörtlich zitiert (GWP 321).680 Damit ist zugleich der Bogen zur Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung gespannt, weil die Abhängigkeit der Tauschakte – und damit zugleich auch aller Austauschverträge – von der wirtschaftlichen Wirklichkeit zugleich auch die Interdependenzbeziehung zwischen den beiden Ordnungen zum Ausdruck bringt (GN 203). Nicht minder wichtig ist die zweite Aussage, die Eucken mit Bedacht in Gestalt eines Gleichlaufs zum Ausdruck bringt, der eine symmetrische Abhängigkeitsbeziehung zum Gegenstand hat. Diese Ausprägung der Interdependenz ist noch anspruchsvoller, weil sie insofern ambivalent ist, als die Abhängigkeit der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit eine doppelte ist. Dass die Entfaltung der Wettbewerbsordnung die soziale Gerechtigkeit bestimmt und diese durch jene zur Geltung gebracht wird, ist nämlich nur die eine, für Eucken eher selbstverständliche Aussage.  











dd) Interdependenz der Ordnungen und soziale Gerechtigkeit In der Tat führt die Durchsetzung der Wettbewerbsordnung in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen nahezu zwangsläufig zu einer solchen Mehrung des Wohlstands, dass entsprechend größerer Raum für die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit eröffnet wird. Denn so bedeutsam die soziale Gerechtigkeit ist, darf sie die Prinzipien der Wettbewerbsordnung nicht außer Kraft setzen: „Das Problem der gerechten Verteilung ist daher auch in seiner interdependenten Bedingtheit zu

679 Zu ihr auch Alfred Ammon, Nationalökonomie und wirtschaftliche Wirklichkeit, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 153 (1941) 1 ff.; 129 ff. 680 Franz Böhm, Die Idee des Ordo im Denken Walter Euckens, ORDO 3 (1950) XV, L f.: „Der Mensch tauscht, weil er als einziges Lebewesen zu dieser Transaktion befähigt ist ohne eine Ahnung davon zu haben, wie genial er sich da verhält und daß sich auf dieser bilateralen Ordnung zwischen zwei Parteien eine multilaterale Dauerordnung für einen ganz Völker umfassenden Sozialprozeß aufbaut. Was aber der Mensch in freier Entfaltung unter Aufwand einer von Generationen in vielen Jahrhunderten betätigten Leistung beigetragen hat, das war die volle Entfaltung dieser vorgeformten Ordnungsstruktur des Tausches in einer aufs feinste ausgefeilten und abgewogenen Privatrechtsordnung durch entsprechende Gerichtsverfassungen, Verwaltungsorganisationen, politische Verfassungsordnungen und Regierungsformen“.  





II. Die Haftung in der Rechts- und Wirtschaftsordnung

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sehen“ (GWP 316).681 Der Zusammenhang zwischen Verteilungsgerechtigkeit und der Interdependenz der Ordnungen wurde ja bereits weiter oben behandelt. Eucken schränkt dies jedoch gleichsam ein durch den Verweis auf die Gesetzmäßigkeit, dass auch und gerade die konsequente Anwendung der von ihm herausgearbeiteten Prinzipien bestimmend für die Realisierung sozialer Gerechtigkeit ist (GWP 315). Auch dieser Zusammenhang leuchtet bei näherem Hinsehen unschwer ein. Wo die Geldwertstabilität in Gefahr ist, die Vertragsfreiheit oder das Privateigentum nichts gilt, unverantwortliche Risikoübernahmen infolge weitreichender Haftungsfreizeichnungen sanktionslos möglich sind, entsteht neben empfindlicher Kaufkraftminderung unweigerlich Rechtsunsicherheit und verroht die soziale Gesinnung, ohne die soziale Gerechtigkeit nicht zu verwirklichen ist. Gerade am Beispiel der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit kommt die Interdependenz der Ordnungen, hier in Gestalt der Wirtschafts- und Rechtsordnung, besonders deutlich zum Vorschein. Je genauer die wirtschaftspolitischen Akte aufeinander abgestimmt sind und je kohärenter sie durch ein gesetzliches Rahmenwerk, das die Prinzipien der Haftung, des Privateigentums und der Vertragsfreiheit sichert, flankiert werden, desto größer werden Wirtschaftswachstum und soziale Gesinnung als Entfaltungsbedingungen für weitergehende wirtschaftspolitische Akte sozialer Gerechtigkeit, die planvoll auf die anderen wirtschaftspolitischen Akte bezogen und damit mehr sind als bloße Almosenwirtschaft.  



II. Die Haftung in der Rechts- und Wirtschaftsordnung So werden im Folgenden auch nicht einfach die einzelnen konstituierenden Prinzipien nacheinander vorgestellt, sondern unter den drei genannten ‚konvergenten‘ wird nur noch die Haftung dargestellt, weil die Geltung der anderen beiden bereits in ihrem jeweiligen Funktionszusammenhang erarbeitet und legitimiert wurde. Eucken veranschaulicht die Wirkung der von ihm erarbeiteten Prinzipien, indem er die Auswirkungen von Zuwiderhandlungen gegen das Gebot der Geldwertstabilität, das Kartellverbot, das Prinzip der Privatautonomie und das Haftungsprinzip aufzeigt: „Ob durch Geldentwertung die Sparer enteignet werden, ob durch Schließung der Märkte Anbieter, Nachfrager oder Arbeiter von den Erwerbs-

681 Zur gerechten Verteilung im Privatrecht wegweisend Claus-Wilhelm Canaris, Die iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, Bayerische Akademie der Wissenschaften: Philosophischhistorische Klasse, aktualisierte und stark erweiterte Fassung des Vortrags vom 2. Juli 1993, 1997; ferner Stefan Arnold, Vertrag und Verteilung. Die Bedeutung der iustitia distributiva im Vertragsrecht, 2014.

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§ 4 Wirtschaftsverfassungsrecht

chancen ausgeschlossen oder einseitig bestimmten Bedingungen unterworfen werden, ob durch Mißbrauch der Vertragsfreiheit die Freiheit anderer, Verträge zu schließen, eingeengt oder durch Haftungsbeschränkungen das Risiko auf den Vertragspartner überwälzt wird, immer wird durch solche Manipulationen zugleich auch ein gerechter Austausch der wirtschaftlichen Leistungen unterbunden“ (GWP 315 f.). Mit der ‚Schließung der Märkte‘ meint Eucken im Allgemeinen die Bildung von Kartellen.682 Insbesondere der Missbrauch der Vertragsfreiheit und die zuletzt genannten Haftungsbeschränkungen erweisen sich also auch und gerade in der Wettbewerbsordnung als Problem eines gerechten Leistungsaustauschs. Da die Missbrauchsmöglichkeiten im Hinblick auf die Vertragsfreiheit schon im Rahmen der dadurch regelmäßig akkumulierten wirtschaftlichen Macht erörtert wurden, kann sich die folgende Betrachtung auf die Haftung konzentrieren, die allerdings zu dem weiteren konstituierenden Prinzip der Vertragsfreiheit ihrerseits in einer Beziehung der Interdependenz steht, weil diese nur durch jene gerechtfertigt ist (GWP 254/279).683 Auch das Privateigentum darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss auf die beiden anderen Prinzipien bezogen werden: „Privateigentum an Produktionsmitteln zu verlangen, wenn der Staat zugleich durch sein Vertragsrecht, durch Beschränkungen der Haftung, durch seine Handelspolitik, durch Investitionsverbote, durch sein Markenschutz-, Patentrecht, usw. die Konkurrenz zurückdrängt, ist problematisch“ (GWP 291). Auch hieran zeigt sich, dass nur zu leicht eine Schieflage entstehen kann, wenn die einzelnen wirtschaftspolitischen Akte nicht aufeinander sowie auf die konstituierenden Prinzipien abgestimmt sind.  







682 Stefan Grundmann, Europa- und wirtschaftsrechtliche Grundlagen der Privatrechtsgesellschaft, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 105, 119. 683 Weiterführend dazu Ernst-Joachim Mestmäcker, Soziale Marktwirtschaft – Eine Theorie für den Finanzmarkt nach der Krise?, in: Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt? (Hg. Eberhard Kempf/Klaus Lüderssen/Klaus Volk) 2011, S. 13, 20 unter Verweis auf GWP 260: „In der Wettbewerbsordnung soll die unbeschränkte Haftung zu vorsichtigen kostenorientierten Dispositionen über Kapitalgüter beitragen und das Prinzip der persönlichen Verantwortung verwirklichen. (…) Haftung und Haftungsbeschränkung verweisen innerhalb der Privatrechtsordnung auf ein gemeinsames Ordnungsprinzip. Es geht um die Notwendigkeit, die Haftung für die gesellschaftlichen Wirkungen des eigenen Handelns zu garantieren und so zu begrenzen, dass Handlungsfreiheit und persönliche Verantwortung vereinbar bleiben“.  







II. Die Haftung in der Rechts- und Wirtschaftsordnung

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1. Legitimation der Haftungsbegrenzung als wirtschaftsverfassungsrechtliche Frage Die Begründung des konstituierenden Prinzips der Haftung basiert im Ausgangspunkt auf dem auch im Zivilrecht geläufigen Grundsatz von Vorteil und korrespondierendem Risiko (WV 57):684 „Wer den Nutzen hat, muß auch den Schaden tragen“ (GWP 279).685 Daran erkennt man, dass Euckens Interdependenztheorie  

684 Vgl. nur Ingo Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen. Eine Untersuchung zur Rechtsfortbildung auf dem Gebiet der materiellen Leistungserschwerung, Zweckstörung sowie Schadensersatzhaftung bei Sach- und Dienstleistungen, 1979. 685 Mathias Habersack/Max Ehrl, Verantwortlichkeit inländischer Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen durch ausländische Zulieferer – de lege lata und de lege ferenda, Archiv für die civilistische Praxis 219 (2019) 155, 162, berufen sich mit guten Gründen auf diese Stelle, um einen wichtigen Gedanken von elementarem Gerechtigkeitsgehalt rechtsökonomisch in einer Weise zu fundieren, die so zwingend argumentiert, dass sie ungeachtet ihrer Ausführlichkeit hier wörtlich wiedergegeben werden soll, weil sie in vorbildlicher Weise veranschaulicht, wie Euckens Gedanken mit modernen rechtsökonomischen Erkenntnissen und Verfahrensweisen abgeglichen, mutatis mutandis fortgedacht und für die moraltheoretische Behandlung von Problemen des internationalen Wirtschaftsrechts fruchtbar gemacht werden können, wie es auch in der vorliegenden Abhandlung unternommen wird: „Ausgehend von der Erkenntnis, dass nach der dem Interessenprinzip zugrundeliegenden materiellen Wertung die Vor- und Nachteile einer Tätigkeit nicht auseinanderfallen dürfen, erscheint es – mit einer gewissen Generalisierung – rechtsökonomisch betrachtet sinnvoll und geboten, inländische Unternehmen, die infolge des weltweiten Ausbaus der Arbeitsteilung aus Standortvorteilen in Ländern mit niedrigem Entwicklungsstand wirtschaftlichen Nutzen ziehen, gleichsam für die im Rahmen ihrer globalen Wertschöpfungskette anfallenden sozialen Kosten in Gestalt von Gefahrvermeidungs- und Schadenskosten in Verantwortung zu nehmen. So postuliert auch der deutsche Ökonom und Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft Walter Eucken in seinem Kapitel zur Haftung das ökonomische Prinzip ‚Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen‘ – nach Eucken eines der insgesamt sieben konstituierenden Prinzipien der Wettbewerbsordnung. Andernfalls hätte ein Unternehmen, das aus einer Gefahrenquelle oder gefährlichen Tätigkeit einen persönlichen Vorteil zieht, einen gesteigerten Anreiz, derartige Gefahren auszulösen oder zumindest in Kauf zu nehmen. Treffen den Begünstigten nicht die mit der Gefahrenquelle verbundenen Nachteile, ist insoweit ein unsorgfältiges Verhalten und damit einhergehend eine schädliche Verstärkung des Gefahrenpotentials zu erwarten. Zu einer entsprechenden Veränderung der Ressourcenallokation der Volkswirtschaft wird es deshalb nur kommen, wenn die Schadenskosten dem Unternehmen auch wirklich zugerechnet werden und damit das Risiko der gefährlichen Aktivität ‚internalisiert‘ wird. Für die Effizienz der Allokation volkswirtschaftlicher Ressourcen kommt dem privaten Haftungsrecht also durchaus eine maßgebende Bedeutung zu.“ – Rechtsphilosophisch könnte man diesen Gedanken, um auch in dieser Hinsicht die kantisch geprägten Prämissen Euckens fortzudenken, mit Kants Idee eines ‚Weltbürgerrechts‘ fundieren (Immanuel Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, Berlinische Monatsschrift 1784, 385; dazu GWP 313/360 sowie zu diesem – von ihm treffend ‚Weltbürgeressay‘ genannten – Werk grundlegend Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 46–57). Zudem entsprechen die Gedanken von Habersack und Ehrl auch der  

















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§ 4 Wirtschaftsverfassungsrecht

nicht einseitig utilitaristisch ausgerichtet ist, nicht allein Effizienzgesichtspunkten huldigt, sondern einer umfassenden Verteilungsgerechtigkeit verpflichtet ist (GWP 12).686 Seinem generellen Ansatz entsprechend, begründet Eucken dies entwicklungsgeschichtlich und rechtshistorisch: „Der Raum der Haftung hat sich in den Epochen des späten Laissez-faire und der Experimente wesentlich verkleinert“ (GWP 280). Das sind nicht von ungefähr diejenigen Zeitabschnitte, die den ersten Teil seiner Untersuchung prägen, bevor und auf deren Grundlage er seinen eigenen Standpunkt entwickelt (GWP 26/55).  





a) Haftungsverringerungen zu Lasten der Gläubiger im Unternehmensrecht Indes hat Eucken das Haftungsprinzip bereits zuvor in seinen G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e für unverzichtbar erklärt, an deren Ende er es mit dem Erfordernis der Wettbewerbsordnung verknüpft: „Die unbeschränkte Haftung der Unternehmer hat in einer Wettbewerbsordnung den Zweck, daß die Unternehmer unter dem Druck der unbeschränkten Haftung vorsichtig prüfen, genau disponieren, ob und wie sie Kapital investieren und was sie produzieren, und daß sie bei Mißerfolgen automatisch ausscheiden. Zur Wettbewerbsordnung gehört die unbeschränkte Haftung“ (GN 242). Der letztgenannte Gedanke wird weiter unten noch vertieft. Die Apodiktizität dieser Ausführungen lässt wenig Spielraum für Missverständnisse; der allfällige Präventionsmechanismus wird noch unterstrichen durch das Wort ‚Druck‘, unter dem eben nicht nur die Arbeiter und Angestellten stehen, sondern eben auch der Prinzipal des Unternehmens. Für ihn wird dies vor allem praktisch bei Investitionsentscheidungen.  

aa) Haftungsbegrenzung bei der GmbH Aber man kann rechtsgeschichtlich noch weiter zurückgehen und dieselbe Tendenz ausmachen: „Schon im älteren Recht war dieser Grundsatz entscheidend für

Moral-, Rechts- und Wirtschaftstheorie Adam Smiths, wenn man den Gedanken einer entsprechenden ‚Fernwirkung‘ zugrunde legt (zu ihm Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 309 f.). Zu der Eucken-Stelle auch Alexander Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, 2003, S. 50. 686 Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685, 689, fasst dies (unter Verweis auf Josef Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, S. 112) in einer für das Verhältnis von Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung adäquaten Weise zusammen: „Wenn die Wirtschaftsordnung in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Rechts- und Staatsordnung steht, kann das ökonomische Kriterium der Effizienz nicht allein die Form der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bestimmen“.  









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II. Die Haftung in der Rechts- und Wirtschaftsordnung

die Regelung der Haftung, also für die Zugriffsmöglichkeit in das Vermögen des Schuldners“ (GWP 279). Mit dieser Zentrierung auf den allfälligen Gläubigerschutz ist zugleich das Problem der Haftung juristisch präzise definiert.687 Auch der nachfolgende Befund Euckens ist juristisch gesehen einwandfrei: „Im Gesellschaftsrecht stellte die Rechtsordnung Gesellschaftsformen mit beschränkter Haftung, z. B. in der Aktiengesellschaft und in der G.m.b.H., zur Verfügung, von denen ausgiebig Gebrauch gemacht wurde“ (GWP 280).688 Eucken hielt selbst die GmbH für überaus problematisch. Insofern haben seine diesbezüglichen Ausführungen ebenso wie seine Polemik gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus heutiger Sicht keinen bleibenden Wert, weil sie weithin überkommen sind, wie wir weiter oben gesehen haben. Aber auch wenn man seine tiefsitzende Skepsis gegen die Gesellschaft mit beschränkter Haftung heute schwerlich nachvollziehen wird, ist zumindest nicht von der Hand zu weisen, dass die GmbH „auch zu Zwecken angewandt wird, an die der Gesetzgeber nicht gedacht hatte“ (GWP 284). In der Tat wird die GmbH als Rechtsform inzwischen sogar für Betätigungen gewählt, die zu Euckens Lebzeiten kaum als solche in Betracht gekommen wären, etwa bei Einrichtungen zur Kranken- und Altenfürsorge, was im Übrigen zu unvorhergesehenen Problemen führt.689 Man muss sogar hinzufügen, dass diese Entwicklung noch deutlich weitergegangen ist, seit die GmbH & Co. KG gesetzlich anerkannt wurde,690 bei der die Komplementärstellung durch eine GmbH besetzt werden kann und somit keine natürliche Person mehr unbeschränkt, unmittelbar und persönlich haften muss.691  







687 Auf einen Teilbereich der Rechtsordnung bezogen Jens Petersen, Der Gläubigerschutz im System des Umwandlungsrechts, Der Konzern 2004, 185 (leicht überarbeiteter Ausschnitt aus ders., Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001). 688 Aus dem modernen Schrifttum dazu etwa Hans Christoph Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH. Dezentrale Gewinnverfolgung als Leitprinzip des dynamischen Gläubigerschutzes, 2006; Wolfgang Zöllner, Gläubigerschutz durch Gesellschafterhaftung bei der GmbH, Festschrift für Horst Konzen, 2006, S. 999. 689 Vgl. nur Jens Petersen, Die eingeschränkte Testierfähigkeit beim Pflegeheimbetrieb durch eine GmbH, Deutsche Notar Zeitschrift 2000, 739. 690 Dazu Mark K. Binz/Martin Sorg, Die GmbH & Co. KG im Gesellschafts- und Steuerrecht. Handbuch für Familienunternehmen, 12. Auflage 2017. 691 Zu einer weiteren Kuriosität Jens Petersen, Die GmbH & Co. GbR – Zivil- und steuerrechtliche Aspekte einer neuen Gesellschaftsform, GmbH-Rundschau 1997, 1083. Dieses Verfahren konnte zeitweise aus steuerrechtlichen Gründen auf die Spitze getrieben werden, indem eine GmbH & Co. GbR mbH gegründet wurde. Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, Nachdruck 2010 (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker), S. 175, hat zu derartigen privatautonom fortentwickelten Gebilden zutreffend festgestellt: „Wenn sich also die vom Gesetz zur Verfügung gestellten Gesellschaftsformen als veraltet erweisen oder  







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bb) Bedenkliche Ausweitungen Im Jahr 1997 wurde dann von der Rechtsprechung ein weiteres Tabu gebrochen, indem auch bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) zugelassen wurde, dass Komplementärin eine GmbH werden konnte.692 Außerdem veranschaulicht die vormals vieldiskutierte Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit beschränkter Haftung die Probleme,693 die sich im Hinblick auf Privatautonomie und Verkehrsschutz stellen,694 darüber hinaus aber auch bis ins Steuerrecht reichen.695 Schließlich werden in dem von Eucken ausdrücklich genannten Recht der Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung Schwestergesellschaften ohne Erhöhung des zum Schutz der Gläubiger vorgesehenen Garantiekapitals mitunter nicht selten nur deswegen verschmolzen,696 weil die Gesellschafter auf diesem Wege das Haftungskapital diskret an sich selbst ausschütten können, ohne durch einen mehrmaligen Gläubigeraufruf Aufmerksam-

wenn das Bedürfnis nach neuen Gesellschaftsformen auftaucht, die das Gesetz nicht kennt (…), so verfährt diese Entwicklung doch immer im Sinne des geltenden wirtschaftsrechtlichen Systems, sie schmiedet veraltete Waffen um (…), aber sie tut dies zu dem Zwecke, die Produktivität der Privatwirtschaften zu steigern und zu vervollkommnen, also zu dem gleichen Zwecke, den der Gesetzgeber im Auge hatte, den er aber freilich in unzulänglicher, zeitgebundener Form verwirklichte, als er die Vorschriften für die bürgerliche Gesellschaft, für den Verein, für die offene Handelsgesellschaft, für die Aktien- und Kommanditgesellschaften, für die G.m.b.H und für die Wirtschafts- und Erwerbsgenossenschaften erließ.“ – Wenn man an Euckens Skepsis gegenüber der Haftungsbeschränkung bei der GmbH denkt, kommt man nicht umhin festzustellen, dass Böhm in dieser Hinsicht fortschrittlicher und zugleich wirtschaftsrechtlich folgerichtiger dachte als Eucken. 692 Arnd Arnold, Die GmbH & Co. KGaA, 2001; zur steuerrechtlichen Seite Annette Renz, Die Besteuerung der GmbH & Co. KGaA und ihre Eignung als Rechtsform für kleine und mittelständische Unternehmen, 2006. 693 Claus-Wilhelm Canaris, Die Übertragung des Regelungsmodells der §§ 125–130 HGB auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als unzulässige Rechtsfortbildung contra legem, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 2004, 69. 694 Jens Petersen/Christoph Rothenfußer, Privatautonomie und Verkehrsschutz bei der GbR m.b.H., GmbH-Rundschau 2000, 757. Grundlegend zum ideengeschichtlichen und rechtsökonomischen Hintergrund Ernst-Joachim Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz. Über die Grenzen von Staat, Gesellschaft und Privatautonomie, 2. Auflage 1984; Gerhard Wagner, Privatrechtsdogmatik und ökonomische Analyse, Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2017, S. 281. 695 Jens Petersen/Christoph Rothenfußer, Die GbR m.b.H. im System des Gesellschafts- und Steuerrechts, GmbH-Rundschau 2000, 801. 696 Ernst-Joachim Mestmäcker, Die Beurteilung von Unternehmenszusammenschlüssen nach Artikel 86 des Vertrages über die Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Festschrift für Walter Hallstein, 1966, S. 322, zu den kartellrechtlichen Fragen von Verschmelzungen zum alten Recht, allerdings unter den hier interessierenden Prinzipiengesichtspunkten im Hinblick auf die Grundsätze der Wirtschaftspolitik nach wie vor weiterführend.  











II. Die Haftung in der Rechts- und Wirtschaftsordnung

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keit zu wecken.697 Die Kautelarjurisprudenz offenbart gerade in diesem kapitalstarken und finanziell dementsprechend lukrativen Bereich des Unternehmensrechts die praktische Wirksamkeit der von Eucken beargwöhnten Interessenten-Ideologien. Aktueller denn je ist sein resignierendes Wort, das er gegen Ende seiner G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e im Anschluss an die Feststellung der Unerlässlichkeit der unbeschränkten Haftung ausspricht: „Ihr Abbau durch die Rechtspolitik beeinträchtigt das Funktionieren dieser Ordnung“ (GN 242). Gemeint ist ersichtlich die Wettbewerbsordnung.  

b) Konzentration wirtschaftlicher Macht durch Konzernierung Euckens Befürchtungen haben sich also mehr als bestätigt. Zudem veranschaulicht die Erweiterung der Rechtsformen mit ausgedehnten Haftungsbeschränkungen eine zunehmende Tendenz zur Konzernierung:698 „Haftungsbeschränkende Gesellschaftsformen haben in hohem Maße dazu beigetragen, daß sich Konzerne bildeten“ (GWP 280).699 Auch der dagegen gerichtete Argwohn findet heute schwerlich noch Beifall. Das Konzernrecht ist aus dem modernen Wirtschaftsrecht nicht wegzudenken. Dass Eucken dies argwöhnisch betrachtet, liegt an der Konzentration wirtschaftlicher Macht, die sich im haftungsmäßig privilegierten Konzern vergleichsweise ungehindert entfalten kann. Allerdings entfalten Euckens Befürchtungen auch in dieser Hinsicht eher dogmengeschichtliches Interesse, weil Rechtsprechung und Rechtslehre längst Wege gefunden haben,  

697 Jens Petersen, Vereinfachte Kapitalherabsetzung durch Verschmelzung?, GmbH-Rundschau 2004, 728. Georg Maier-Reimer, Vereinfachte Kapitalherabsetzung durch Verschmelzung?, Replik zu Petersen GmbH-Rundschau 2004, 728, GmbH-Rundschau 2004, 1128, mit dem Versuch, die Bedenken bezüglich des Gläubigerschutzes aus Sicht der Praxis zu neutralisieren. 698 Dazu bereits Ernst-Joachim Mestmäcker, Zur Systematik des Rechts der verbundenen Unternehmen im neuen Aktienrecht, Festschrift für Heinrich Kronstein, 1967, S. 129. Aus neuerer Zeit Wolfgang Zöllner, Qualifizierte Konzernierung im Aktienrecht, Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 369. 699 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, Nachdruck 2010 (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker), S. 175, stellt aber mit Recht die wirtschaftsverfassungsrechtliche Wurzel des Übels klar: „Für die Rechtsbetrachtung unterscheiden sich die Kartelle von anderen Gesellschaften des bürgerlichen und des Handelsrechtes nicht in bezug auf ihre Form, sondern in bezug auf ihren Zweck. Die Kartellfrage ist also kein Anhängsel des Gesellschaftsrechtes, sondern eine Teilfrage des Monopolproblems. Das Monopolproblem ist aber wiederum ein Problem des wirtschaftlichen Verfassungsrechtes, nicht ein Problem des bürgerlichen oder des Handelsrechtes“.  





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seine Befürchtungen zu zerstreuen:700 „Das Streben nach Haftungsbeschränkung ähnelt dem universalen Streben zur Monopolsituation, das stets lebendig ist“ (GWP 284).  

aa) Ungleichgewicht von Herrschaft und Haftung Man muss allerdings sagen, dass die genannte Entwicklung Eucken hinsichtlich seiner schlimmsten Befürchtungen allenfalls bedingt Recht gibt, auch wenn sie dazu führt, dass sich Herrschaft und Haftung ungleichmäßig verteilen: „Wenn aber im Konzern die abhängige juristische Person allein haftet, während die herrschende Person die wesentlichen Entscheidungen trifft, so ist diese Haftungsbeschränkung mit der Wettbewerbsordnung unvereinbar“ (GWP 281).701 Es ist aufschlussreich, dass Eucken das Argument wirtschaftlicher Effizienz,702 das maßgeblich und mitbestimmend für den außerordentlichen praktischen Erfolg der betreffenden Gesellschaftsformen und Konzernbildungen ist, überhaupt nicht berücksichtigt, obwohl man es bei einem Wirtschaftswissenschaftler am ehesten erwarten würde.703 In dieser interdisziplinären Offenheit könnte ein Grund dafür liegen, dass seine Bedenken bis in das moderne aktienrechtliche Schrifttum hinein wenigstens gelegentlich wiederaufgegriffen werden.704 Die ‚Ära zunehmender Haftungsbeschränkungen‘ (GWP 279), von der er spricht, ist je 



700 Volker Emmerich/Mathias Habersack, Konzernrecht, 10. Auflage 2013; dies., Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Auflage 2016, stellen das komplexe Rechtsgebiet didaktisch am besten bzw. für die Praxis gleichermaßen anschaulich wie wissenschaftlich anspruchsvoll dar. 701 Zu praktischen Auswirkungen der Haftungsprivilegierung im Hinblick auf den Gläubigerschutz im Konzern, gerade auch mit Blick auf die im Text genannte abhängige Gesellschaft Jens Petersen, Aufrechnungsverbot gegen Verlustanspruch im GmbH-Konzern, GmbH-Rundschau 2005, 1031; ders., Werthaltigkeit und Einredefreiheit als Parameter des Schutzes der abhängigen Gesellschaft, GmbH-Rundschau 2006, 1246. Christoph Schreiber, Konzernrechtsfreie Kontrolle. Zivilrechtliche Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Geschäftsführung der GmbH, 2017; dazu Thomas Liebscher, Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht 183 (2019) 78. 702 Zu diesem Argument etwa Horst Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995. 703 Klaus Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit. Auf der Suche nach den philosophischen Grundlagen der ökonomischen Analyse des Rechts, 3. Auflage 2009, hat einen wichtigen Brückenschlag zwischen Jurisprudenz und Ökonomie vorgelegt, der auch für das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung über den vorliegenden Zusammenhang hinaus bedeutsam ist. 704 Heinz-Uwe Dettling, Die Entstehungsgeschichte des Konzernrechts im Aktiengesetz von 1965, 1997, S. 197 f.  









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doch mitnichten abgeschlossen,705 sie treibt sogar mitunter immer seltsamere Blüten.706

bb) Änderung der Spielregeln durch Haftungsbeschränkungen Zugleich trifft es zu, dass Eucken diese Entwicklung ganz allgemein – und für den vorliegenden Zusammenhang besonders interessant – ‚der Rechtsordnung‘ zuweist. In der Tat gibt die Rechtsordnung diese Instrumente den Teilnehmern des Rechtsverkehrs großzügig an die Hand. Eucken erblickt hierin, von seinem systematischen Ausgangspunkt gesehen durchaus konsequent, eine ungerechtfertigte Einflussnahme auf die Spielregeln innerhalb der Wettbewerbsordnung: „Wie durch Monopolbildung, so werden durch Haftungsbeschränkung die Spielregeln so verändert, daß der Wirtschaftsprozeß der Verkehrswirtschaft nicht mehr voll funktioniert. (…) Gerade weil es darauf ankommt, ein Rahmenwerk herzustellen, in dem die Firmen bei freier Planung sich zweckmäßig in den gesamten alltäglichen Produktions- und Verteilungsprozeß eingliedern, muß dafür gesorgt werden, daß sie nicht den Aufbau eines solchen Rahmenwerkes verhindern“ (GWP 285). Haftungsbeschränkung ist für Eucken in einer Verkehrswirtschaft ein Fremdkörper, ein Schritt in Richtung einer Zentralverwaltungswirtschaft. Damit stellt sich die Frage der Legitimation dieser Verfügungsbefugnis im Allgemeinen und der Sinnhaftigkeit der Haftung im Besonderen. Eucken ordnet sie nach dem bisher Bedachten wenig überraschend ein: „Es ist also eine wirtschaftsverfassungsrechtliche Frage“ (GWP 280).  







2. Interdependenz der Rechts-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung Wenn es aber bei der Haftungsbeschränkung um ein Instrument der Rechtsordnung geht, dann ist zu klären, inwieweit dies von der Wirtschaftsordnung abhängt.707 Damit ist ersichtlich wiederum das Problem der Interdependenz der

705 Zur rechtstatsächlichen Seite Jutta Limbach, Theorie und Wirklichkeit der GmbH. Die empirischen Normaltypen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ihr Verhältnis zum Postulat von Herrschaft und Haftung, 1966. 706 Das zeigt sich etwa bei sogenannten Einmann-Gesellschaften, die Eucken gewiss noch weniger goutieren würde; vgl. nur Jens Petersen, Die fehlgeschlagene Einmanngründung – liquidationsloses Erlöschen oder Fiktion des Fortbestandes?, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2004, 400. 707 Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685,  

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Ordnungen aufgeworfen. Welche Rolle die Haftung sinnvollerweise spielen darf, bestimmt sich nämlich nach der zugrundeliegenden Wirtschaftsordnung: „Die Funktion auch dieses Rechtsinstitutes hängt von der Wirtschaftsordnung ab“ (GWP 280). Und doch kann man auch aus dieser Stelle keine allgemein bestimmende Wirkung der Wirtschaftsordnung für die Rechtsordnung entnehmen, weil es sich, wie mehrfach gesehen, ebenso oft umgekehrt verhält und erst in dieser Gesamtschau die Interdependenz der Ordnungen mit ihren Wechselwirkungen und Ausschlägen in die eine oder andere Richtung unter Beweis gestellt wird.  

a) Bedeutung der Haftung für die Wettbewerbsordnung Damit geht es erneut um die Gesamtordnung. Als solche kommt jedoch in wirtschaftlicher Hinsicht nach allem, was im Hinblick auf die missliche Alternative der Zentralverwaltungswirtschaft bislang untersucht wurde (GWP 106), nur die Wettbewerbsordnung in Betracht, weil sie in ihrer Effizienz alle anderen Ordnungen überragt (GWP 306).708 Um die Wettbewerbsordnung funktionsfähig auszugestalten, bedarf es in dieser Form der Gesamtordnung allerdings der Haftung: „Die Haftung hat im Aufbau der wirtschaftlichen Gesamtordnung große Funktionen, wenn die Gesamtordnung eine Wettbewerbsordnung sein soll“ (GWP 280). Haftung und Wettbewerbsordnung gehören also zusammen und bedingen einander. Die prinzipielle Entscheidung für die Wettbewerbsordnung erfordert klare Einstandspflichten und Haftungsregelungen für den Fall des Misslingens (GN 242). Umgekehrt kann ein konsequentes Haftungssystem aber nur innerhalb der Wettbewerbsordnung verwirklicht werden, in der Vorteil und korrespondierendes Risiko einander ungefähr die Waage halten, indem Leistungsanreize und Gefahren von den Teilnehmern an der Verkehrswirtschaft im Vorhinein kalkuliert werden können. Das Haftungsprinzip ist demnach ein konstituierendes Prinzip nicht nur der Wettbewerbsordnung, sondern auch der Gesellschaftsordnung: „Haftung ist nicht nur eine Voraussetzung für die Wirtschaftsordnung des Wettbewerbs, son 







691, stellt das Verfahren und die erreichte Wirkung einer funktionsfähigen Wirtschaftsverfassung unter dem Gesichtspunkt des Zusammenhangs zwischen Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung allgemeingültig dar: „In Operationalisierung des Konzepts der Interdependenz der Ordnungen betrachtete Eucken die Marktprozesse in der Verkehrswirtschaft – für seine Zeit innovativ – nicht allein aus ökonomischer, sondern auch aus rechtlicher Perspektive: Eine Wirtschaftsordnung könne sich zwar theoretisch auf der Grundlage historisch-faktischer Gegebenheiten entwickeln. Zumeist beruhe sie aber auf einer Grundentscheidung des Gesetzgebers für eine „Ordnung der Wirtschaft“, also auf einer bewusst gesetzten Wirtschaftsverfassung“. 708 Siehe auch Heike Schweitzer, Efficiency, political freedom and the freedom to compete, in: The Goals of Competion Law (Hg. Daniel Zimmer) 2012, p. 169.  



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dern überhaupt für eine Gesellschaftsordnung, in der Freiheit und Selbstverantwortung herrschen“ (GWP 285).709 Da das Haftungsprinzip zugleich auch ein Rechtsprinzip und als solches konstitutiv für die Rechtsordnung ist, veranschaulicht es damit paradigmatisch die Interdependenz zwischen Wirtschaftsordnung, Rechtsordnung und Gesellschaftsordnung: „Durch die Veränderung der Wirtschaftsordnung ist unter anderen Ordnungen auch die Gesellschaftsordnung verändert worden und zwar sehr tiefgreifend“ (SF 117). Man könnte gerade im Hinblick auf das Haftungsprinzip noch hinzufügen, dass gerade dadurch auch die Rechtsordnung eine bestimmende Wirkung auf die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung entfaltet.  



b) Haftung als Steuerungsinstrument für die Wettbewerbsordnung Auch die Beantwortung der Haftungsfrage steht also unter der Bedingung der Entscheidung für die Wettbewerbsordnung. Hier zeigt sich wieder einmal der Zusammenhang zwischen Wettbewerbsordnung und vollständiger Konkurrenz: „Haftung gehört zur Lenkungsmechanik der vollständigen Konkurrenz. Sie ist ein unentbehrliches ordnungspolitisches Institut der Wettbewerbsordnung“ (GWP 281). Hieran wird deutlich, dass Eucken auch dort, wo er spezifisch juristische Kategorien, wie die Haftung, zu bestimmenden Gesichtspunkten zu erheben scheint, in erster Linie ökonomisch denkt, weil er das Haftungsprinzip als Instrument zur Herstellung vollständiger Konkurrenz begreift. Das ist auch für sein Verständnis des Verhältnisses von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung folgenreich, weil es veranschaulicht, dass die zugrundeliegenden Begriffe in ihrer Ambivalenz gewürdigt werden müssen und nicht einseitig derjenigen Disziplin zugeschlagen werden dürfen, welcher der Interpret zufällig entstammt. Die Haftung ist denn auch nicht nur allgemein als Steuerungsinstrument für die Wettbewerbsordnung unverzichtbar, sondern insbesondere für die Aufrechterhaltung eines funktionstauglichen Leistungswettbewerbs als solchem:710 „Und zugleich ist die Haftung notwendig, um den Wettbewerb der Leistung innerhalb der  

709 Kurt Biedenkopf, Erneuerung der Ordnungspolitik, in: Wirtschaftsordnung als Aufgabe. Zum 100. Geburtstag von Franz Böhm, Ludwig-Erhard-Stiftung, 1995, S. 15, 22, aus rechtlicher Sicht zum Verhältnis von Freiheit und Verantwortung; ferner ders., Wettbewerbsordnung und Sozialmacht, Festschrift für Ernst-Joachim Mestmäcker, 2006, S. 83; ders., Begrenzungskrisen als Problem der Ordnungspolitik, Festschrift für Wernhard Möschel, 2011, S. 753. 710 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf. Eine Untersuchung zur Frage des wirtschaftlichen Kampfrechts und zur Frage der rechtlichen Struktur der geltenden Wirtschaftsordnung, 1933, Nachdruck 2010 (Hg. Ernst-Joachim Mestmäcker), S. 169, betont die „produktionsanspornende, wirtschaftsbelebende Wirkung“ des Leistungsprinzips.  









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Wettbewerbsordnung funktionsfähig zu machen“ (GWP 280). Die Haftung entfaltet gerade im Unternehmensrecht einen nicht zu unterschätzenden Präventionsmechanismus,711 der riskante Fehlentscheidungen durch verantwortungsvolle Folgenkalkulierung verringern und damit auch gesamtgesellschaftlich wohlfahrtsfördernd wirken kann, zumal dadurch der Verlust von Arbeitsplätzen in Grenzen gehalten oder Unternehmensinsolvenzen vermieden werden können.712 Eucken schwebt hier erkennbar der ordentliche Kaufmann als Idealtypus vor: „Wenn man für ein neugekauftes Unternehmen vollständig haftet, so wird man sich genau überlegen, ob man das Unternehmen kaufen soll“ (GWP 280).713 Eine derartige Folgenverantwortung dürfte ihm wohl auch aufgrund der kantischen Prägung seiner Idee des Rechts und seines Wirtschaftsdenkens eingeleuchtet haben.714  



3. Haftungsprinzip Vor diesem Hintergrund konstituiert Eucken für die Wettbewerbsordnung sein berühmtes Haftungsprinzip: „Wer für Pläne und Handlungen der Unternehmen (Betriebe) und Haushalte verantwortlich ist, haftet“ (GWP 281). Es ist kein Zufall, dass im Tatbestand dieser postulierten Norm das Moment des Planens vorausgesetzt wird. Wenn man es in modernen Kategorien ausdrückt, bedeutet dies eine um 

711 Treffend nicht nur der auf das Kartellrecht bezogene Titel von Thomas Ackermann, Prävention als Paradigma: Zur Verteidigung eines effektiven kartellrechtlichen Sanktionssystems, Zeitschrift für Wettbewerbsrecht 2010, 329. Siehe aber auch Gerhard Wagner, Organhaftung im Interesse der Verhaltenssteuerung – Skizze eines Haftungsregimes, Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht 178 (2014) 227; dens., Sinn und Unsinn der Unternehmensstrafe – Mehr Prävention durch Kriminalisierung?, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 2016, 112; ferner Christian Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht. Privatrechtliche Sanktionsinstrumente zum Schutz individueller Interessen im Wettbewerb, 2010; ders., Marktsteuerung durch Abschöpfungsansprüche, Juristenzeitung 2006, 890. 712 Zu einer schwierigen Sonderkonstellation etwa Jens Petersen, Insolvenzrechtlicher Sukzessionsschutz durch verschmelzungsbedingte Sondermasse?, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2001, 836. 713 Vgl. zu der von Eucken im Text vorausgesetzten Haftung des Kaufmanns bei Firmenfortführung nach § 25 Handelsgesetzbuch Johannes W. Flume, Vermögenstransfer und Haftung. Eine Studie zur Nutzbarmachung der Universalsukzession für die Unternehmenspraxis, 2008; siehe auch Jens Petersen, Das Firmenrecht zwischen Bürgerlichem Recht und Handelsrecht, Juristische Ausbildung 2013, 244. 714 Hannes Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, hat einen imposanten Versuch unternommen, das kantische Rechtsverständnis auf das geltende Zivilrecht und seine geistesgeschichtliche Entstehung anzuwenden.  





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fängliche Managerhaftung:715 „Der Einwand, daß Direktoren oder Generaldirektoren oft vermögenslos sind, ihre Haftung also wenig bedeutet, hat kein großes Gewicht. Deshalb nicht, weil faktisch das persönliche Vermögen oft nicht so klein ist, um nicht für den Gläubiger gegebenenfalls sehr ins Gewicht zu fallen“ (GWP 284). Eine mehr als nur symbolische Inanspruchnahme der Handelnden ist auch deswegen veranlasst, weil der Vorwurf der strafrechtlichen Untreue im Raum steht, wenn entsprechende Ansprüche gegen die Verantwortlichen nicht geltend gemacht werden, wie aktuelle Fälle bezeugen.716  

a) Gleichklang von Herrschaft und Haftung Verantwortung im Sinne dieses Prinzips ist denkbar weit zu verstehen.717 Wie bereits weiter oben gesehen, kann die demnach haftende herrschende Person auch eine juristische sein, also etwa das herrschende Unternehmen im Konzern (GWP 283). Das führt unweigerlich zu einer gewissen ‚Entpersönlichung‘ der Wirtschaft und Gesellschaft: „Aber auch hier gilt, daß die Wirtschafts- und Rechtspolitik selbst Bedingungen herstellten, die dazu beitrugen, diese Entpersönlichung herbeizuführen“ (GWP 285). Auch dieses Zusammenwirken von Rechts- und Wirtschaftspolitik ist für Eucken eine zwangsläufige Folgerung des Prinzips der Wett 



715 Siehe dazu aus dem neueren Schrifttum Jens-Uwe Franck, Marktordnung durch Haftung. Legitimation, Reichweite und Steuerung der Haftung auf Schadensersatz zur Durchsetzung marktordnenden Rechts, 2016 (Dörte Poelzig, Archiv für die civilistische Praxis 218 (2018) 983); Stefan Korch, Haftung und Verhalten. Eine ökonomische Untersuchung des Haftungsrechts unter Berücksichtigung begrenzter Rationalität und komplexer Präferenzen, 2015 (dazu Tim W. Dornis, Juristenzeitung 2018, 250). Aus dem früheren Schrifttum Ulrich Hübner, Managerhaftung. Rechtsgrundlagen und Risikopotentiale einer persönlichen Inanspruchnahme der Unternehmensleiter von Kapitalgesellschaften, 1992; Holger Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, 1998; nunmehr grundlegend Mathias Habersack, Managerhaftung, Karlsruher Forum 2009, S. 5 ff. Skeptisch jedoch gegenüber einer so weitgehenden Haftung von Fremdverwaltern, denen der Profit der Unternehmensführung und der Zuwachs des Werts nicht zwangsläufig zugutekommt, Ernst-Joachim Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre. Eine rechtsvergleichende Untersuchung nach deutschem Aktienrecht und dem Recht der Corporations in den Vereinigten Staaten, 1958, S. 25. 716 Man denke an den Korruptionsskandal bei Siemens, aber auch den Fall Kirch gegen die Deutsche Bank und Rolf Breuer persönlich; BGHZ 166, 84; Jens Petersen, Haftung wegen schuldhafter Verletzung des Bankgeheimnisses, Neue Juristische Wochenschrift 2003, 1570; ders., Kirch versus Breuer im Lichte der Heberger-Rechtsprechung, Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht 2004, 47. 717 Inga Cornelia Schad, Ordnungspolitik für irrationale Menschen. Eine Synthese aus Psychologie und Ordoliberalismus, 2012, S. 195, entnimmt dem Haftungsprinzip überdies den Präventionsgedanken, dass „amoralischem Verhalten“ begegnet werden soll.  







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bewerbsordnung. Dadurch wird zugleich die Ausuferung wirtschaftlicher Macht mit all ihren denkbaren Exzessen vermieden: „Möglichst universale Geltung der Haftung wirkt also gegen die Konzentration“ (GWP 280). So fügt sich Euckens Forderung nach umfassender Haftung zumindest bruchlos in seine Kritik privater wirtschaftlicher Macht ein. Damit stellt sich die Frage unter welcher Voraussetzung Haftungsbeschränkungen überhaupt noch in Betracht kommen.718 Euckens Antwort folgt letztlich dem Gleichklang von Herrschaft und Haftung:719 „Haftungsbeschränkungen sind danach, z. B. im Gesellschaftsrecht der Wettbewerbsordnung, nur dort zulässig, wo ein Kapitalgeber nicht oder nur begrenzt für die Geschäftsführung verantwortlich ist: etwa der Kleinaktionär oder der Kommanditist“ (GWP 281).720 Auffallend ist die beispielhafte Nennung des ‚Gesellschaftsrechts der Wettbewerbsordnung‘. Dort verankert er die beklagten Möglichkeiten der Enthaftung. Das entspricht auch der zuvor schon geäußerten Sichtweise seiner früheren Mitstreiter,721 insbesondere Franz Böhms.722 Wer nur geringen Einfluss im Unternehmen ausübt, wie der Kommanditist oder der Kleinaktionär,723 der von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen ist (§§ 166, 170 HGB), soll nicht haften, jedenfalls wenn er als Kommanditist seine Einlage vollumfänglich erbracht hat (§ 171 Absatz 1 HGB) und dessen Haftung auch nicht wegen eines gleichwie gearteten Rückflusses der Einlage wieder auf 











718 Allgemein dazu Justus Meyer, Haftungsbeschränkung im Recht der Handelsgesellschaften, 2000. 719 Ulrich Diez, Die Erstreckung vertraglicher Schuldverhältnisse von der GmbH auf ihre Gesellschafter, 1994, S. 46. 720 In diese Richtung – wie Alexander Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, 2003, S. 50, mit Recht geltend macht – bereits Levin Goldschmidt, Erwerbs- und Wirtschafts-Genossenschaften. Studien und Vorschläge, Zeitschrift für das Gesamte Handelsrecht 27 (1882) 1, 79, sowie Rudolf von Jhering, Der Zweck im Recht, Band I, 3. Auflage 1893, S. 221 ff. 721 Hans Großmann-Doerth, Zur Reform der Kommanditgesellschaft. Eine wirtschaftsverfassungsrechtliche Betrachtung, Archiv für civilistische Praxis 147 (1941) 1, 13. Diesen Beitrag zitiert auch Eucken (GWP 285 Fußnote 1) neben dem Gutachten von Hans Großmann-Doerth, Reform des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Gutachten für den 5. Deutschen Juristentag in der Tschechoslowakei, 1931; ferner ders., Die Rechtsfolgen vertragswidriger Andienung, 1934. 722 Franz Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung, 1937, S. 126. In diese Richtung auch Rudolf Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens, 1948, S. 116; Ulrich Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft. Eine rechtsvergleichende Untersuchung nach deutschem GmbHRecht und dem Recht der Corporations in den Vereinigten Staaten, 1970, S. 117. 723 Bernhard Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 102 ff.  

























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gelebt ist (§ 172 Absatz 4 HGB).724 Dieser Gleichklang von Herrschaft und Haftung ist also ein Kennzeichen ordoliberalen (Rechts-)Denkens.725  

b) Umgestaltung des Unternehmensrechts durch Ausbau der Haftung Die Realisierung des Eucken vorschwebenden Haftungsprinzips bedeutet eine Herausforderung für einzelne Rechtsgebiete, unter denen er beispielhaft das Konkurs- bzw. Insolvenzrecht und das Gesellschaftsrecht erwähnt, das – wie er im Hinblick auf das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung vielsagend formuliert – „als Glied der Wirtschaftsverfassung behandelt werden sollte“ (GWP 282). Das läuft hinaus auf eine „Umgestaltung des Gesellschaftsrechts durch Ausbau der Haftung“ (GWP 284). Er diagnostiziert einen Funktionswandel im Aktienrecht, das ursprünglich großangelegte wirtschaftliche Vorhaben dadurch ermöglichen sollte, dass auch Kleinanleger Kapital aufbrachten, die kein Haftungsrisiko eingehen wollten:726 „Die Haftungsbeschränkung auf die Aktie war erforderlich, um diese Kapitalien heranzuziehen, und sie war wenig bedenklich, weil die einzelnen Aktionäre nur einen geringen Einfluß auf die Leitung besaßen“ (GWP 282). Auch hier macht sich noch der Gleichlauf von (geringer) Herrschaft und (daher zu rechtfertigender Ent-) Haftung bemerkbar. Für Mehrheitsaktionäre, die über entsprechende wirtschaftliche Macht durch Sperrminoritäten etc. verfügen, gilt diese Legitimation der Enthaftung aber nicht, hier muss ein ‚Ausbau der Haftung‘ (GWP 282/284) bestimmt sein: „Sobald die Beherrschung durch einzelne Personen oder durch Gesellschaften gegeben ist, liegt ein neuer, vom früheren Gesetzgeber nicht gekannter Tatbestand vor. Auch für die Beschränkung der Haftung besteht kein Grund mehr“ (GWP 282). Es erinnert ein wenig an den alten Grundsatz cessante ratione legis cessat lex ipsa,727 zumal da Euckens Argumentation auch  













724 Grundlegend Karsten Schmidt, Einlage und Haftung des Kommanditisten, 1977. Er selbst ist allerdings skeptisch gegenüber dem Gleichklang von Herrschaft und Haftung; vgl. Karsten Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften. Eine Untersuchung des gesellschaftsrechtlichen Grundsatzes der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 111 f. 725 Stefan Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern. Bürgerrechtliche, gesellschaftsrechtliche und versicherungsrechtliche Grundlagen der Freistellung und der Versicherung von organschaftlichen Haftungsrisiken im Kapitalgesellschaftsrecht, 2010, S. 149, unter Verweis auf Uwe Runge, Antinomien des Freiheitsbegriffs im Rechtsbild des Ordoliberalismus, 1971, S. 70. 726 Näher Peter O. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt. Die Aktionärsrechte bei Bildung und Umbildung einer Unternehmensgruppe zwischen Verbands- und Anlegerschutz, 2. Auflage 1996. 727 Dazu Wolfgang Löwer, Cessante ratione legis cessat ipsa lex. Wandlungen einer gemeinrechtlichen Auslegungsregel zum Verfassungsgebot?, 1989.  









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juristisch sehr ausgefeilt ist (‚vom Gesetzgeber nicht gekannter Tatbestand‘). Selbst wenn Eucken das Haftungsproblem in erster Linie ökonomisch würdigt, beurteilt er die rechtlichen Verhältnisse durchaus kompetent. Nicht zuletzt deswegen ist Euckens Verständnis des Wirtschaftsverfassungsrechts auch dort, wo es aus heutiger Sicht zu rigide erscheint, zumindest im Hinblick auf das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung in sich folgerichtig.

c) Ungereimtheiten im Konzern- und Steuerrecht Insbesondere das Konzernrecht ist Eucken ein Dorn im Auge:728 „Eine abhängige juristische Person, die faktisch nur eine Filiale darstellt, sollte auch rechtlich als Filiale der herrschenden Firma behandelt werden. Daß ein Konzern, der faktisch ein einheitlich geleitetes Unternehmen ist, in viele juristische Personen zerfällt, erweist sich als unerträglich“ (GWP 283). Im Hintergrund steht das konzernrechtliche Trennungsprinzip, wonach eine jede Konzerngesellschaft unbeschadet etwaiger gesellschaftsrechtlicher Abhängigkeit als eigenständige Gesellschaft behandelt wird.729 Der tiefer liegende Grund dürfte aber auch hier wiederum in der befürchteten Konzentration wirtschaftlicher Macht liegen, von der bereits mehrfach die Rede war. Euckens Argumentation ist nicht nur im Hinblick auf seine Vorstellung der Interdependenz der Wirtschafts- und Rechtsordnung aufschlussreich, sondern auch aus spezifisch juristischer Sicht. Denn er gibt mit gutem Grund zu bedenken, dass das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip im Steuerrecht weniger rigide gehandhabt wird:730 „Hierbei fällt zunächst auf, daß im Steuerrecht solche Skrupel nicht bestanden“ (GWP 283). Dort gelte nämlich die herrschende Organtheorie, die auch umsatzsteuerrechtlich lukrativ sei.  



728 Wegweisend Ernst-Joachim Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte des Aktionärs. Eine rechtsvergleichende Untersuchung nach deutschem Aktienrecht und dem Recht der Corporations in den Vereinigten Staaten, 1958; darauf aufbauend Holger Fleischer, Europäisches Konzernrecht. Eine akteurzentrierte Annäherung, in: Die Verfassung der europäischen Wirtschaft. Symposium zu Ehren Ernst-Joachim Mestmäckers aus Anlass seines 90. Geburtstages (Hg. Reinhard Ellger/Heike Schweitzer) 2018, S. 69. 729 Volker Emmerich/Mathias Habersack, Konzernrecht, 10. Auflage 2013, § 1. Siehe auch den Sammelband von Ernst-Joachim Mestmäcker/Peter Behrens (Hg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991. 730 Zu dem dahinter stehenden prinzipiellen Problem Jens Petersen, Nutzen und Grenzen steuerrechtlicher Argumente im Zivilrecht, in: Kontinuität im Wandel der Rechtsordnung, Beiträge für Claus-Wilhelm Canaris zum 65. Geburtstag, 2002, S. 113, mit dem Vorschlag einer limitierten – nämlich am Schutzzweck der jeweiligen Vorschriften ausgerichteten und daher teleologisch begründbaren – Steuerrechtsakzessorietät.  















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Damit bestätigen sich nicht nur seine Vorbehalte gegenüber einer Zersplitterung und Inhomogenität der einzelnen Teilordnungen im Verhältnis zueinander, sondern auch sein Argwohn gegen die im Wirtschaftsrecht allgegenwärtigen Interessenten-Ideologien (GN 13/17): „Das eine Mal freilich – nämlich im Falle der Haftung – würde durch die rechtspolitische Erfassung der Konzerneinheit die Existenz von Konzernen erschwert oder bedroht; im anderen, steuerrechtlichen Falle wurde sie erleichtert. Auch hier läßt sich erkennen, wie stark Interessenten die Wirtschaftspolitik beeinflussen“ (GWP 283). Der mitschwingende Vorwurf gegenüber jedwedem Lobbyismus ist aktueller denn je und kann auch heute noch nicht ernst genug genommen werden. Auch die Bedenken gegenüber einer mangelnden Abstimmung von Gesellschafts- und Steuerrecht können bis heute nicht als ausgeräumt gelten, um es vorsichtig zu sagen. Wertungswidersprüche der von Eucken ins Feld geführten Art sind daher nach wie vor Legion.  







4. Haftung und soziale Gerechtigkeit Die Haftungsfrage stellt sich Eucken im Anschluss an Überlegungen zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit in der Wettbewerbsordnung. Demnach ist die Haftung, wie alle konstituierenden Prinzipien, in ihrer ‚interdependenten Bedingtheit‘ (GWP 316) mit dem Problem gerechter Verteilung zu beurteilen. Denn Haftungsbeschränkungen verlagern das wirtschaftliche Risiko zu Lasten des Vertragspartners und betreffen daher immer auch die Verteilungsgerechtigkeit (GWP 315).731 Von daher lässt sich auch die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Haftung und sozialer Gerechtigkeit ansatzweise beantworten, nämlich im Sinne der genannten interdependenten Bedingtheit: „Soziale Gerechtigkeit sollte man also durch Schaffung einer funktionsfähigen Gesamtordnung und insbesondere dadurch herzustellen suchen, daß man die Einkommensbildung den strengen Regeln des Wettbewerbs, des Risikos und der Haftung unterwirft“ (GWP 317).732 So zeigt sich zugleich paradigmatisch, wie das konstituierende Prinzip der Haftung einerseits eine Bedingung der Wettbewerbsordnung darstellt und daher nicht ohne weiteres  





731 Siehe dazu auch Stefan Arnold, Vertrag und Verteilung. Die Bedeutung der iustitia distributiva im Vertragsrecht, 2014. 732 Ingo Pies, Theoretische Grundlagen demokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik – Der Beitrag Walter Euckens, in: Walter Euckens Ordnungspolitik (Hg. Ders./Martin Leschke) 2002, S. 22, wonach „die konzeptionelle Leistung Euckens darin liegt, die gesamte Theorie der Wirtschaftspolitik vom Implementierungsproblem her zu denken. Kantisch ausgedrückt, liegt Euckens Entwurf eine strenge Reflexion auf die Bedingungen der Möglichkeit erfolgreicher wirtschaftlicher Beratung zugrunde“.  



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durch einen diffusen Verweis auf Belange der sozialen Gerechtigkeit gegenstandslos gemacht werden darf. Wenn dagegen Haftungsbeschränkungen von der Rechtsordnung ungehemmt, grenzen- und konturenlos zugelassen werden, ergeben sich unweigerlich Probleme der Verteilungsgerechtigkeit, in deren Lösung auch Gesichtspunkte sozialer Gerechtigkeit einfließen können und müssen.

III. Wirtschaftsverfassungsrechtlicher Rahmen Eine Art übergeordnetes Prinzip ist dasjenige der wirtschaftspolitischen Konstanz, das Eucken nicht mehr in allen Einzelheiten ausführen konnte, aber noch ausbauen wollte, wie die folgende Skizze nahelegt: „Konstanz ist ein zentrales Erfordernis der Wirtschaftspolitik der Wettbewerbsordnung. Die Wirtschaftspolitik stelle einen brauchbaren wirtschaftsverfassungsrechtlichen Rahmen für den Wirtschaftsprozeß her; an diesem Rahmen halte sie beharrlich fest und ändere nur mit Vorsicht“ (GWP 289). Wirtschaftspolitische Konstanz hängt für Eucken also zuinnerst mit dem Wirtschaftsverfassungsrecht zusammen. Jede beliebige Ad-hocGesetzgebung ist das Gegenteil dessen, was Eucken vorschwebt, weil sie die Berechenbarkeit mindert und die Interdependenz der Ordnungen stört.  

1. Preissystem und vollständige Konkurrenz Hervorhebung verdient daher der Begriff des wirtschaftsverfassungsrechtlichen Rahmens, auch wenn es Eucken nicht mehr beschieden war, diesen im Einzelnen zu ziehen. Gewiss ist immerhin, dass die genannte Wirtschaftspolitik der Wettbewerbsordnung das erklärte Ziel verfolgt, die spontanen Kräfte zu entfalten, damit der Egoismus der einzelnen Menschen zurücktritt und das Gesamtinteresse in den Vordergrund gerückt wird.

a) Wettbewerbsordnung zur Bändigung egoistischer Kräfte Die Wettbewerbsordnung, die vom Preismechanismus und der Herstellung vollständiger Konkurrenz lebt, ist „der einzige Ordnungstyp, welcher die Kräfte des Egoismus bändigt“ (GWP 365). Vom Preissystem als konstitutiver Bedingung einer Wettbewerbsordnung war bereits verschiedentlich die Rede. Zur Erinnerung erwähnt sei in diesem Zusammenhang das von Eucken selbst so genannte wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundprinzip (GWP 254). Dieses besteht in der Herstellung eines leistungsfähigen Preissystems unter der damit zusammenhän 



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III. Wirtschaftsverfassungsrechtlicher Rahmen

genden Bedingung vollständiger Konkurrenz, worauf jeder wirtschaftspolitische Akt, jede Maßnahme gründen muss. Auch hieran zeigt sich, dass das Prinzip wirtschaftspolitischer Konstanz, ein funktionierendes und durch die Wettbewerbsordnung gewährleistetes Preissystem sowie der wirtschaftsverfassungsrechtliche Rahmen miteinander zusammenhängen. Im Hinblick auf die Bedeutung des Preissystems gelingt Eucken, dessen Sprache sonst von bemerkenswerter Nüchternheit und sprödem Präzisionsbestreben geprägt ist, beinahe ein Bonmot: „Im Preissystem soll gleichsam die List der Idee Geltung erlangen“ (GWP 33). Diese eigentümliche Beschreibung des Wirkungszusammenhangs mutet an wie eine eklektische Verbindung von Kants regulativer Idee mit Hegels List der Vernunft.733  

b) Positive Wirtschaftspolitik zur Herstellung vollständiger Konkurrenz Eucken betont, dass dieses wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundprinzip sich nicht in Verboten erschöpft, sondern vor allem das Gebot der Gewährleistung vollständiger Konkurrenz mit allen daraus folgenden und ausnahmslos zu verwirklichenden Konsequenzen bedeutet: „Das Grundprinzip verlangt nicht nur, daß gewisse wirtschaftspolitische Akte vermieden werden: so etwa staatliche Subventionen, Herstellung staatlicher Zwangsmonopole, allgemeiner Preisstop, Einfuhrverbote usw. Es genügt auch nicht etwa Kartelle zu verbieten. – Vielmehr ist eine positive Wirtschaftsverfassungspolitik notwendig, die darauf abzielt, die Marktform der vollständigen Konkurrenz zur Entwicklung zu bringen und so das Grundprinzip zu erfüllen“ (GWP 255).734 Die Problematik der ausdrücklich genannten Kautelen erschließt sich nach dem Gesagten unmittelbar im Hinblick auf einen möglichen Preisstop, der den Preismechanismus beeinträchtigt. Darüber hinaus versteht sich angesichts des unauslöschlichen Argwohns, den Eucken gegen jede Art von Monopolen hegt, nahezu von selbst, warum ihm staatliche Zwangsmonopole ein Dorn im Auge sind. Denn hier sind es gleich zwei weitergehende Momente, die für Eucken unannehmbar sind: der Zwang als Gegenbegriff zur Möglichkeit der Freiheit und damit der Herstellung jeglicher Ordnungsformen (GWP 217), sowie die  





733 Zum Verhältnis von Hegels List der Vernunft zu Adam Smiths unsichtbarer Hand siehe Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 38 ff. 734 Franz Böhm, Die Bedeutung der Wirtschaftsordnung für die politische Verfassung, Süddeutsche Juristenzeitung 1 (1946) 141. Ernst-Joachim Mestmäcker, Offene Märkte im System unverfälschten Wettbewerbs, Festschrift für Franz Böhm, 1975, S. 345, 390, erinnert an eine Mahnung seines Lehrers, die vielleicht auch für den vorliegenden Zusammenhang gelten kann und darin besteht, „die verfassungspolitischen Entscheidungen zu erkennen, die den scheinbar unpolitischen Institutionen des Privatrechts im nationalen Recht zugrunde liegen“.  







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Vorstellung, dass ausgerechnet der Staat Monopolist werden soll, weil sich wirtschaftliche Macht dann gerade dort in schwerlich zu kontrollierender Weise ansammeln würde, wo sie ohnehin vorhanden ist. Zudem würde sich die wirtschaftspolitische Tätigkeit des Staates dann nicht mehr nur auf die Gestaltung des Ordnungsrahmens beziehen, wie es Eucken für richtig und notwendig hält, sondern darüber hinaus in dem durch das Monopol bestimmten Bereich geradezu zwangsläufig auf die Lenkung des Wirtschaftsprozesses erstrecken. Das aber soll unter allen Umständen vermieden werden (GWP 336).  

2. Widerspruchsfreiheit der Rechtspolitik und des Wirtschaftsrechts In einigen nachgelassenen Ü b e r l e g u n g e n z u m M o n o p o l p r o b l e m entwirft Eucken mit wenigen Federstrichen ein wirtschaftsverfassungsrechtliches Programm, dessen zentraler Satz hier wiedergegeben sei: „Es kommt ganz entscheidend darauf an, eine Änderung zu vollziehen und die gesamte Wirtschaftspolitik und das gesamte Wirtschaftsrecht vom Gesellschaftsrecht über das Patentrecht bis zur Handelspolitik in Richtung der Wettbewerbsordnung zu entwickeln, und so Sinn und Widerspruchsfreiheit zu erreichen“ (WW 82). Wirtschaftsrecht und Wirtschaftspolitik wirken hier gleichsam stellvertretend für die Rechtsordnung und die Wirtschaftsordnung. Zugleich erscheinen Wirtschaftsrecht und Wirtschaftspolitik hier entsprechend dem Grundsatz der Interdependenz als Komplementärbegriffe, weil beide auf die Wettbewerbsordnung hingeordnet sind, durch die Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsrecht miteinander zum Zwecke vollständiger Konkurrenz verklammert werden, wie dies bereits an einer früher behandelten Stelle aufschien (NW 83). Das zeigt sich auch daran, dass Eucken – scheinbar asymmetrisch – eine Richtung vom Wirtschaftsrecht bis hin zur Handelspolitik weist, die auf den ersten Blick als Fremdkörper gegenüber den zwischengeschalteten Rechtsgebieten des Gesellschaftsrechts und des Patentrechts zu sein scheint. Es ist für Eucken jedoch weniger entscheidend, ob das jeweilige Gebiet dem Recht oder der Politik zugehörig ist, weil beispielsweise auch die Handelspolitik entsprechende rechtliche Regelung – naheliegenderweise im Handelsgesetzbuch kodifiziert – erforderlich macht. Wichtig ist nur, dass alle diese wirtschaftspolitischen Akte aufeinander abgestimmt sind. Entsprechend seinem allenthalben aufscheinenden Systemdenken ist für Eucken die Widerspruchsfreiheit das entscheidende Postulat.735  







735 Claus-Wilhelm Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Auflage 1983, behandelt auf der Ebene der Rechtsordnung Rechtsfragen wissenschaftstheoretisch auffal 

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Es gibt nur wenige Sentenzen, in denen sich Euckens Verständnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung so kondensiert, wie es in der soeben behandelten der Fall ist (WW 82). Nicht von ungefähr läuft alles auf die Wettbewerbsordnung zu. Mit ihr steht und fällt das marktwirtschaftliche System,736 das durch den Preismechanismus zusammengehalten wird:737 „Dieser verwickelte Wirtschaftsmechanismus besaß im Preissystem einen empfindlichen und wirkungsvollen Regulator, der seine Bewegungen mit großer Präzision steuerte“ (SK 308). Die Wettbewerbsordnung gibt ganz ausdrücklich die innere Richtung vor; alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen, also auch alle Gesetze müssen auf sie zugerichtet sein. Diese auf die Teleologie – Eucken spricht nicht zufällig von ‚Sinn‘ – der Wettbewerbsordnung hingeordnete Systematik wird verwirklicht durch die Widerspruchsfreiheit der wirtschaftspolitischen Akte.738 Zu ihnen gehören zunächst und vor allem die handels- und wirtschaftsrechtlichen Gesetze, deren Zusammenspiel nur dann den Begriff des Systems verdient, wenn es widerspruchsfrei konzipiert ist.  



3. Transformation des Rechts und der Wirtschaftsordnung Dabei muss das gesamte Wirtschaftsrecht in die Wirtschaftsordnung eingebettet sein, so dass alle Regelungen des Wirtschaftsrechts, namentlich des Gesellschaftsrechts – vom Patentrecht war ohnehin weiter oben schon die Rede739 – im Lichte der Wirtschaftsordnung begriffen werden: „Der Gesamtzusammenhang des  



lend ähnlich, nämlich mit demselben Sinn für die Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, wie es Eucken im Bereich der Wirtschaftsordnung unternimmt. 736 Näher Ernst-Joachim Mestmäcker, Regelbildung und Rechtsschutz in marktwirtschaftlichen Ordnungen, Vorträge und Aufsätze des Walter-Eucken-Instituts Freiburg, 1985 (= ders., Recht in der offenen Gesellschaft, 1993, S. 26–47). 737 Carl Christian von Weizsäcker, Hayek und Keynes: Eine Synthese, ORDO 56 (2005) 95, wonach der Preismechanismus es möglich macht, „mit dem ständigen Wechsel der Bedingungen des Wirtschaftens fertig zu werden“. Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014, S. 185 ff., zu dessen Verständnis des Preismechanismus‘. 738 Beispielhaft etwa Ernst-Joachim Mestmäcker/Erich Hoppmann, Normenzwecke und Systemfunktionen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Vorträge und Aufsätze des WalterEucken-Instituts Freiburg, 1974. 739 Andreas Heinemann, Die Freiburger Schule und ihre geistigen Wurzeln, 1989, S. 78, skizziert unter Verweis auf WV 36 treffend die daraus resultierende Gefahr: „Eine Schließung der Märkte durch Zusammentreffen von Staat und Privaten geschieht z. B. im Patentrecht, in dem der Staat ein rechtliches System zur Verfügung stellt, das Private dann zur Schließung der Märkte, nämlich durch Ausnutzung der ihnen durch das Patentrecht gewährten ausschließlichen Rechte, benutzen können“.  









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Wirtschaftsprozesses macht es nötig, jeden wirtschaftspolitischen Akt im Zusammenhang mit dem Gesamtprozeß und seiner Lenkung, also mit der Wirtschaftsordnung, zu sehen. – Ein Devisengesetz oder eine Verordnung über Preiskontrolle zum Beispiel können zu neuartigen Lenkungsmethoden bei der Verteilung von Rohstoffen führen, also die gesamte Wirtschaftsordnung umformen. Und vice versa: Die gleichen wirtschaftspolitischen Akte bedeuten je nach Art der Wirtschaftsordnung verschiedenes“ (GWP 9 f.).740 Angesichts der zuletzt angestellten Überlegungen zum Preissystem erhellt unmittelbar, warum eine jede Preiskontrollverordnung geeignet ist, nicht nur die Rechtsordnung zu beeinflussen, sondern darüber hinaus die Wirtschaftsordnung umzugestalten. Damit ist einerseits die Interdependenz der Ordnungen angesprochen, denn der genannte ‚Gesamtzusammenhang‘ ist bei Eucken ein anderes Wort für Interdependenz (OP 3). Zugleich findet sich hier eine Präzisierung der Wirtschaftsordnung als solcher, die als der Inbegriff der verwirklichten Formen, des Wirtschaftsprozesses und der Lenkung desselben erscheint (GWP 23). Diese Begriffsschärfung erleichtert Eucken die Erklärung der Transformation der Wirtschaftsordnung. Denn infolge der Interdependenz der Ordnungen kann jede noch so unscheinbare Änderung der Rechtsordnung auf die Wirtschaftsordnung dergestalt einwirken, dass sich auch die Lenkung des Wirtschaftsprozesses in anderem Licht darstellt. Das veranschaulicht auch die immer wieder betonte Bedeutung eines jeden wirtschaftspolitischen Aktes, also im Rahmen der Rechtsordnung insbesondere eines jeden Gesetzes, mit Wirkung für die Wirtschaftsordnung sowie die Gesellschafts- und Staatsordnung. Diesen Gedanken der Transformation der Ordnung verfolgt Eucken noch an späteren Stellen (GWP 200/215).741 Noch empfindlicher wird die Transformation  









740 Zur im Zitat genannten Preiskontrolle etwa Mathias Habersack, Grundlagen und Grenzen der Preiskontrolle nach deutschem Kartellrecht, in: Robert Knöpfle zum Gedenken, Schriften der juristischen Studiengesellschaft Regensburg e.V., Heft 22, 2000. 741 Kurt Biedenkopf, Erneuerung der Ordnungspolitik, in: Wirtschaftsordnung als Aufgabe. Zum 100. Geburtstag von Franz Böhm, Ludwig-Erhard-Stiftung, 1995, S. 15, 18, versteht den Begriff etwas anders, gelangt aber von unterschiedlichen Prämissen aus zu Postulaten, die durchaus im Sinne Euckens sind, was nicht verwundert, da er ganz in den Bahnen Franz Böhms argumentiert: „Diese Transformationsprozesse bedürfen in besonderer Weise ordnungspolitischer Anleitung. Denn angesichts der vielschichtigen politischen und sozialen Probleme, die mit ihnen verbunden sind, ist die Gefahr besonders groß, daß im Namen eines politischen Pragmatismus genau das geschieht, was Franz Böhm immer in besonderer Weise bekämpfte: Die Erzeugung und Vertiefung eines zunehmend undurchdringlichen Wirrwarrs an interventionistischen Einzelmaßnahmen, unter dem die Glaubwürdigkeit einer marktwirtschaftlichen Ordnung als Wirtschaftsverfassung notleidend werden oder sich gar nicht erst entfalten kann. Wir brauchen deshalb die Besinnung auf die ordnungspolitischen Zusammenhänge einer freiheitlichen und  



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des Rechts dann, wenn sich die gesamte Wirtschaftsverfassung ändert, indem etwa eine Zentralverwaltungswirtschaft mit planwirtschaftlichen Zügen an die Stelle einer Verkehrswirtschaft tritt. In diesem Fall verdoppelt sich – angesichts der gravierenden Umgestaltung könnte man vielleicht sogar besser von einer Potenzierung sprechen – die Umformung. Der Grund dafür besteht darin, dass „bei der weiteren Umwandlung der Wirtschaftsordnung in Richtung auf die Zentralverwaltungswirtschaft wiederum diese doppelte Transformation des Rechts stattfindet: Nämlich d i e Ä n d e r u n g d e r R e c h t s s ä t z e u n d d i e Ä n d e r u n g d e r F u n k t i o n k o n s t a n t e r R e c h t s s ä t z e “ (GWP 104).742 Die Rechtsordnung ändert sich also mit der Wirtschaftsordnung, und zwar nicht nur inhaltlich, sondern darüber hinaus auch funktional und damit letztlich fundamental. Denn Begriffe wie Vertragsfreiheit oder Eigentum haben nun eine vollständig andere Bedeutung, ja sie verlieren diese unter Umständen ganz. Selbst wenn im Falle einer solchen Transformation der Wirtschaftsordnung die Rechtssätze gar nicht geändert werden, wie es sich etwa eine Zeitlang mit der Fortgeltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Deutschen Demokratischen Republik verhielt, bis diese ein eigenes Zivilgesetzbuch erließ, dann führte dies doch zu einer vollständigen Änderung des Inhalts der Rechtssätze, weil eben die Basiswertungen der Privatrechtsordnung des BGB – also insbesondere die Vertragsfreiheit und das Privateigentum – weitgehend aufgehoben waren.743 Eucken selbst hat dies übrigens in seinen 1939 erschienenen Grundlagen der Nationalökonomie in einer durchaus mutigen Weise dargestellt, wenn auch in einer sprachlich behutsamen Form, die das wohl seinerzeit gerade noch Sagbare zum Ausdruck brachte, wenngleich ein besonders brisanter Teil der Aussage verständlicherweise in den Klammerzusatz verbannt, aber eben nicht unterschlagen wurde: „Nach 1933 schoben sich neue zentralverwaltungswirtschaftliche Formen in den Vordergrund. Immer war das gleiche Eigentumsrecht in Kraft. (Freilich ist das Eigentumsrecht für die Gestalt der Wirtschaftsordnung nicht nebensächlich. Aber mit dem  









leistungsfähigen Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsverfassung und damit eine Erneuerung ihrer Verbindlichkeit“. 742 Zu einer Transformation von Ordnungen in die umgekehrte Richtung siehe Ernst-Joachim Mestmäcker, Die Kraft des Freiburger Imperativs: Vom Sozialismus zum Kapitalismus: Wirtschaftssysteme im Übergang. Die Bedeutung der Euckenschen Ordnungstheorie für die deutsche Einigung, in: Das deutsche Modell, Freiheitlicher Rechtsstaat und Soziale Marktwirtschaft (Hg. Fritz Ulrich Fack/Friedrich Karl Fromme/Günther Nonnenmacher) 1990, S. 187. 743 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 23, macht nicht von ungefähr darauf aufmerksam, dass „die Auseinandersetzung mit planwirtschaftlichen Systemen, insbesondere mit der sowjetischen Planwirtschaft, vor und nach der Wiedervereinigung schon deshalb unerlässlich war, weil die Wirtschaftsordnung der DDR nach sowjetischem Vorbild eine Planwirtschaft war“.  



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Eigentumsrecht wird nicht eine bestimmte Wirtschaftsordnung hergestellt.) Die rechtliche Norm blieb; aber ihre Funktion änderte sich – mit der Wirtschaftsordnung“ (GN 55).  



4. Wirtschaftspolitik im Besitz der Freiheit Die weiter oben zitierte Stelle, die ganz zu Beginn der G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k ihren Platz hat (GWP 9), wird jedoch entgegen ihrem äußeren systematischen Standort erst recht verständlich, wenn man einen Satz hinzunimmt, der über zweihundert Seiten weiter zu finden ist und in seiner Verschränkung mit den zuletzt zitierten Aussagen Euckens Systemdenken zum Ausdruck bringt, das eher dem inneren System verpflichtet ist als dem äußeren. Der Satz zeigt exemplarisch, auf welche Weise Eucken seine wirtschaftspolitischen Einsichten aus philosophischen ableitet, die ihrerseits wiederum die Grundfrage des Verhältnisses von Freiheit und Notwendigkeit in einer Weise aufwirft, die auf den ersten Blick eher an Hegel denn an Kant erinnert, aber wohl letztlich unabhängig von beiden eine eigenständige Antwort gibt:744 „Nur wer die Notwendigkeit kennt, in die er hineingerät, wird frei. Das gilt für die Wirtschaftspolitik und zwar für jeden ihrer Akte, mag es sich um ein Betriebsrätegesetz oder um ein Zollgesetz handeln. Aus ihnen können Tendenzen auf die gesamte Wirtschaftsordnung und die übrigen Ordnungen hervorgehen, denen schwer zu widerstehen ist“ (GWP 224).  



a) Fernwirkung tektonischer Verschiebungen Der Sache nach geht es einmal mehr um eine exemplarische Darlegung der Interdependenz der Ordnungen. Erneut wird deutlich, dass Gesetze für Eucken die wichtigste Form wirtschaftspolitischer Akte sind, gleichviel welchem Bereich sie entstammen. Erneut exemplifiziert Eucken dies durch denkbar disparate Regelungsmaterien, wie es das Betriebsverfassungsrecht und das Zollrecht nun einmal sind. Jedenfalls wirken sie über ihren sachgesetzlichen Bereich der Rechtsordnung hinaus auf die Wirtschaftsordnung ein. Dabei liegt die Tonstelle hier wohl,

744 Es sei erlaubt, hier die Trennung zwischen innerem System und äußerem zur Hilfe zu nehmen, wie sie maßgeblich begründet wurde von Philipp Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932, S. 139 ff.; vgl. auch Franz Bydlinski, Zum Verhältnis von äußerem und innerem System im Privatrecht, Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2007, Band II, S. 1017; Jens Petersen, Anspruchsgrundlage und Anspruchsaufbau als Abbildung des inneren Systems der Privatrechtsordnung, Festschrift für Dieter Medicus, 2009, S. 295; ders., Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 340, unter dem Gesichtspunkt der Fernwirkungen.  











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anders als in den vielen ähnlich lautenden Wendungen, die wir bereits kennengelernt haben, auf der Totalität (‚gesamte‘) der Wirtschaftsordnung. Unscheinbare Rechtsakte könnten demnach wie tektonische Verschiebungen Beben in der ganzen Wirtschaftsordnung auslösen und ihre Wellen in weitere Ordnungen senden. Von dort entfaltet sich eine Fernwirkung insbesondere auf die Gesellschafts- und Staatsordnung.745 Zur Vermeidung solcher tektonischer Verschiebungen muss jeder wirtschaftspolitische Akt auf die Herstellung der Wettbewerbsordnung bedacht sein: „Mag es sich um ein Umsatzsteuergesetz oder um das Gesetz über Patente und Markenartikel oder um die Zulassung zum Handwerk oder um eine Aktienrechtsnovelle handeln – stets sollte der Gesichtspunkt entscheidend sein, die Wettbewerbsordnung herzustellen oder zu erhalten“ (OP 22). Auch hier nennt Eucken bewusst disparate Rechtsakte, um zu zeigen, dass es keinen Unterschied macht, aus welchem Rechtsgebiet der relevante wirtschaftspolitische Akt herrührt, weil es gerade die Besonderheit der Interdependenz darstellt, dass ein jeder über seinen engen Regelungsbereich hinaus die Rechts- und Wirtschaftsordnung durchwirkt. Jeder beliebige wirtschaftspolitische Akt, so die Kernbotschaft, muss auf seine Auswirkungen auf die Wirtschaftsordnung hin bedacht und der Wettbewerbsordnung verpflichtet sein.  

b) Gleichgewicht von Freiheit und Ordnung Von daher versteht sich Euckens Hilfsüberlegung: Wenn man sich bei jedem gesetzgeberischen Akt im Vorhinein fragt, ob und auf welche Weise er die Wettbewerbsordnung ohne tatkräftigen Eingriff in den Wirtschaftsprozess selbst fördern kann, dann erweisen sich die möglichen nachteiligen Auswirkungen auf die Wirtschaftsordnung als überschaubar. Nur unter dieser Bedingung ist es zu verstehen, dass „die Wirtschaftspolitik Freiheit besitzt (…) und nur frei werden kann, wenn das Denken in Ordnungen das Denken in historischen Zwangsläufigkeiten verdrängt“ (GWP 225). Der etwas raunende Unterton darf nicht den Eindruck etwaiger Unschärfen aufkommen lassen. Es geht hier der Sache nach um das eingangs angesprochene Verhältnis von Ordnung und Freiheit, näherhin die Ordnung als Möglichkeit zur Freiheit (GWP 217). Diese wiederum steht, wie ebenfalls  



745 Auch der Begriff der Fernwirkung geht auf die zuletzt zitierten Arbeiten Philipp Hecks zurück. Er kann ebenfalls herangezogen werden, soweit es um nicht unmittelbare Wirkungszusammenhänge innerhalb der Rechts- und Wirtschaftsordnung geht; Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 310. Angus Deaton, The Great Escape. Health, Wealth and the Origins of Inequality, 2015, S. 270, hat eine solche Sichtweise der Fernwirkung, wenn auch in eher geographischer Hinsicht, der Sache nach bereits auf die Wirtschaftswissenschaften angewendet.  





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eingangs gesehen, in einem Verhältnis zur Wettbewerbsordnung, weil sich Freiheit und Ordnung dort im Gleichgewicht befinden. Das ist wiederum eine unausgesprochene Absage an das hegelianische und marxistische Geschichtsverständnis (GWP 200/204). Sein entscheidender Nachteil liegt in der Verminderung der Freiheit, der durch eine kohärente, dem Prinzip der Interdependenz verpflichteten Abfolge aller wirtschaftspolitischen Akte entgegengewirkt werden kann: „Nur eine Wirtschaftspolitik, in der sich alle Akte an einer Gesamtentscheidung ausrichten, kann ein größeres Maß von Freiheit gegenüber der geschichtlichen Tendenz gewinnen“ (GWP 221). Auch insoweit ist der primäre Punkt der Ausrichtung die Wettbewerbsordnung. Gewiss ist der Begriff der ‚geschichtlichen Tendenz‘ etwas vage und womöglich sogar übertrieben bedeutungsvoll. Gemeint sein dürfte damit wohl eine im Sinne der Wettbewerbsordnung ergebnisoffene Entfaltung der individuellen wirtschaftlichen Möglichkeiten innerhalb einer Verkehrswirtschaft. Darüber hinaus ist mit der genannten Gesamtentscheidung aber wohl noch etwas Normatives gemeint, nämlich die wirtschaftsverfassungsrechtliche Gesamtentscheidung, die in der folgenden abschließenden Betrachtung näher beleuchtet werden soll.746  



746 Carl Christian von Weizsäcker, Ist Eucken noch aktuell? Anmerkungen zu „Walter Euckens Ordnungspolitik“, herausgegeben von Ingo Pies und Martin Leschke, ORDO 55 (2004) 345, 352, gelangt zu einem zwiespältigen Ergebnis, das gerade auch aus juristischer Sicht interessant ist: „Damit aber steht die Gesellschaft vor der Wahl zwischen sehr vielen Formen der gemischten Wirtschaft, und es entsteht in diesem Zusammenhang ohne Zweifel nach wie vor eine Antinomie zwischen marktwirtschaftlicher Freiheit und sozialem Ausgleich oder Gerechtigkeit andererseits. Euckens Idee, diese Antinomie dadurch zu überwinden, daß er eben die Gemischtwirtschaft als Vorhölle der Zentralplanwirtschaft ansah und im Vergleich zwischen reiner Verkehrswirtschaft und Zentralplanwirtschaft eben auch die Aspekte der Gerechtigkeit und des sozialen Ausgleichs in der Verkehrswirtschaft besser gelöst sah, dieses Wegdiskutieren des Gegensatzes zwischen Freiheit und sozialem Ausgleich ist wohl gescheitert. Damit aber muß die Wirtschaftsverfassung, um die es Eucken geht, über das, was Eucken in seinen ‚Grundsätzen der Wirtschaftspolitik‘ formuliert hat, hinaus, das Thema des sozialen Ausgleichs ebenfalls anpacken und hieraus Antworten geben“. – Aber wenn man die rechtlichen Implikationen der ‚Grundlagen der Nationalökonomie‘ und vor allem der ‚Grundsätze der Wirtschaftspolitik‘ expliziert, wie es etwa Ernst-Joachim Mestmäcker in seinem Vorwort zu den letzteren wegweisend unternommen hat (GWP S. V–XVI) und es auch hier ansatzweise in bezug auf erstere versucht wird, dann lässt sich, wie sogleich im Text noch abschließend zu zeigen ist, in Euckens Werk mehr als nur eine ungefähre Vorstellung von einem Wirtschaftsverfassungsrecht ersehen, das auch auf die soziale Frage Antworten bereit hält, die wirtschaftspolitisch vernünftig, moralisch verantwortungsvoll und rechtlich realisierbar sind.  



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IV. Wirtschaftsverfassungsrechtliches und moralisches Vermächtnis

IV. Wirtschaftsverfassungsrechtliches und moralisches Vermächtnis Gegen Ende seiner G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e beschäftigt sich Eucken auf zwei überaus gehaltvollen Seiten mit dem Rechtsdenken, welches das nationalökonomische Denken zu begleiten hat (GN 241 f.). Einige Stellen dieses komplexen Gedankens wurden bereits im Zusammenhang mit der Morphologie und dem Rechtsdenken sowie im Kapitel über die Interdependenz der Ordnungen behandelt. Man findet sie jedoch auch in seinem nachgelassenen Hauptwerk: „Die Rechtspolitik befreit sich dadurch von der selbstverschuldeten Abhängigkeit von dem angeblich zwangsläufigen Geschehen, daß sie sich an der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung orientiert und die Interdependenz aller rechtspolitischen Maßnahmen beachtet“ (GWP 223). Zunächst und vor allem wird an dieser Stelle der soeben behandelte Gedanke der Freiheit von einer gleichwie gearteten Zwangsläufigkeit eines Geschichtsgesetzes fortgedacht und auf das Recht bezogen.747  





1. Wirtschaftsverfassungsrechtliche und ordnungspolitische Gesamtentscheidung Interessant an dieser Stelle ist nicht nur, dass sie ersichtlich das Verhältnis der Rechtsordnung zur Wirtschaftsordnung betrifft, sondern den Begriff der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung voraussetzt, um den es im Folgenden gehen soll und der auch schon an anderer Stelle aufscheint (GWP 307).  

a) Aufklärung im kantischen Sinne Darüber hinaus kann man wohl ohne allzu feinsinnige Deutungsversuche in der Befreiung ‚von der selbstverschuldeten Abhängigkeit‘ eine Anspielung an Kants berühmte Definition der Aufklärung sehen,748 zumal da Eucken Kant an anderer

747 Wegweisend dazu, auch unter Berücksichtigung des europäischen Rechts Ernst-Joachim Mestmäcker, Wirtschaftsordnung und Geschichtsgesetz, in: Wirtschaftsordnung als Aufgabe, Zum 100. Geburtstag von Franz Böhm, Ludwig-Erhard-Stiftung, 1995, S. 111 (=Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts. Beiträge zu Recht, Wirtschaft und Gesellschaft in der EU, 2016, S. 595). 748 Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, 1784, Band IX der von Wilhelm Weischedel herausgegebenen Ausgabe 1977, S. 53. Er beantwortet die Frage folgendermaßen: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ – Für  









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Stelle der Sache nach mit der Aufklärung in Verbindung bringt (GWP 339). Vor allem aber bekennt er sich an einer eher entlegenen Stelle innerhalb der Anmerkungen seiner G r u n d l a g e n d e r N a t i o n a l ö k o n o m i e , an der er die öffentliche Wahrnehmung seiner eigenen Wissenschaft selbstkritisch beleuchtet, zu Kants epochaler Schrift: „Hier stößt man zugleich auf e i n e n Grund für die Tatsache, daß die Nationalökonomie unbeliebt ist: Sie erfordert Freimachung von liebgewonnenen Irrtümern, die stets nur wenige Menschen vollziehen, – worüber Kant z. B. am Anfang seiner Abhandlung von 1784 alles Nötige gesagt hat“ (GN 245). Eucken weist dort dem Rechtsdenken und der Rechtspraxis die Verantwortung zu, immer stärker an der Entstehung und Wirksamkeit der Wirtschaftsverfassung mitzuwirken: „Gerade auch die Gesamtentscheidung ist ohne die Vorbereitung durch wissenschaftliches Denken unmöglich. Wie kann sonst z. B. der Zusammenhang von Rechtsstaat und Wirtschaftsordnung aufgedeckt werden?“ (GWP 342). Der Zusammenhang zwischen Rechtsstaat und Wirtschaftsverfassung spielte ja bereits zuvor eine tragende Rolle (GWP 48). Dort erwies sich die Feststellung als wichtig, dass allein eine verkehrswirtschaftliche und keine zentralgeleitete Wirtschaft mit der Idee des Rechtsstaats vereinbar sei (GWP 129). Aber auch die der Gesamtentscheidung vorangehende und sie vorbereitende wissenschaftliche Durchdringung nach seinen selbstgesetzten Maßstäben hat er schon an früherer Stelle betont (GN 203). Dabei legt er Wert auf die Feststellung, dass dies nicht nach rechtsdogmatischen Prinzipien erfolgen könne (GWP 307).  



















b) Abhängigkeit des Wirtschaftsrechts von der Marktform Eucken macht sogar konkrete Vorgaben im Hinblick auf das einfache Recht, das wiederum – nämlich nach dem unausgesprochen mitklingenden Prinzip der Interdependenz der Ordnungen – von der Marktform abhängt: „Die einzelnen Rechtsgebiete – wie z. B. das Gesellschaftsrecht, das Steuerrecht, das Monopolrecht, das Arbeitsrecht, das Patentrecht, das Recht der Markenartikel – werden nach Inhalt und Auslegung von der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung wesentlich abhängen und werden sehr verschieden aussehen, je nachdem z. B. die Ordnungsprinzipien der vollständigen Konkurrenz oder anderer Marktformen oder der Zentralverwaltungswirtschaft dominieren“ (GN 241). Diese weit ausgreifende Sentenz, in deren Parenthese auch schlicht das Wirtschaftsrecht stehen  











die im Text angestellte Vermutung spricht neben dem wortgleichen Adjektiv (‚selbstverschuldeten‘) auch die gleichsinnige Umrahmung, die natürlich eine gewisse Inkonzinnität in Kauf nimmt, weil das genannte Adjektiv anthropomorph verstanden werden muss, wenn es Sinn ergeben soll – womit man wieder bei der kantischen Definition auskommt, die vom Menschen handelt.  

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IV. Wirtschaftsverfassungsrechtliches und moralisches Vermächtnis

könnte749 – wenngleich es zu begrüßen ist, dass Eucken die einzelnen Disziplinen auffächert und auch das Arbeitsrecht berücksichtigt (GWP 46)750 –, bringt dasjenige, worum es entscheidend geht, auf den Punkt: die wirtschaftsverfassungsrechtliche Gesamtentscheidung (GWP 223/307). Sie ist interessanterweise nicht nur für die Ausgestaltung der einzelnen wirtschaftsrechtlichen Gebiete bestimmend, sondern auch für die Auslegung. Die G r u n d s ä t z e d e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k nennen für diesen Zusammenhang auch den wegweisenden Begriff der ordnungspolitischen Gesamtentscheidung: „Die o r d n u n g s p o l i t i s c h e G e s a m t e n t s c h e i d u n g hat also vor den einzelnen wirtschaftspolitischen Handlungen zu stehen – wenn überhaupt sinnvolle Wirtschaftspolitik getrieben werden soll“ (GWP 250). Diese ordnungspolitische Gesamtentscheidung zu treffen, obliegt dem Staat (WV 93).  











2. Gesamtordnung und Gesamtentscheidung Gesamtentscheidung und Gesamtordnung gehören für Eucken zusammen (GWP 103). Sinnvolle Wirtschaftspolitik aber ist nur möglich, wenn die Formen, in denen gewirtschaftet wird, planvoll gestaltet werden; und zwar nicht durch ein die Vertragsfreiheit missbrauchendes und daher die Freiheit insgesamt zerstörendes Laissez-faire (GWP 174), sondern durch eine verantwortungsvolle Rechts-, Währungs- und Geldpolitik, die im Einklang mit der Wirtschaftspolitik steht und die Interdependenz der Ordnungen beachtet (GN 240): „Die Bildung der Wirtschaftsordnungen sollte sich nicht selbst überlassen werden. Andere Marktformen und Geldordnungen können sich vielleicht bewähren. Hier liegt die große Chance der Wirtschaftspolitik – wenn sie es unternimmt, Bedingungen herzustellen, unter denen sich funktionsfähige Marktformen und Geldordnungen entfalten können“ (GWP 55).751  









749 Stefan Grundmann, Europa- und wirtschaftsrechtliche Grundlagen der Privatrechtsgesellschaft, in: Privatrechtsgesellschaft (Hg. Karl Riesenhuber) 2008, S. 105, 106, stellt begrifflich im Einklang mit Eucken klar: „Wirtschaftsrecht wird verschieden verstanden. Sicherlich zählt hierher der Bereich der hoheitlich ordnenden Regulierung. Für die Freiburger Schule handelt es sich um den Bereich, der mit dem Zentralbegriff der ‚Ordnungspolitik‘ umschrieben wurde. Das Paradebeispiel hierfür bildet das Wettbewerbsrecht, (…) mit dem sich die Freiburger Schule auch schwerpunktmäßig beschäftigte“. 750 Volker Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb. Der Schutz von Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit im Arbeitsrecht, 1996, S. 26 mit Fußnote 133, zitiert Euckens Wort: „Der Arbeiter verkauft sich nicht als Person, er verkauft seine Leistung“ (GWP 322). Ernst-Joachim Mestmäcker, Vorwort GWP S. IX, zählt zu den konstituierenden Prinzipien mit Recht auch die Tarifautonomie. 751 Josef Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers. Eine Studie zum Privatund Wirtschaftsrecht unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Bezüge, 1998, S. 112, fasst  









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Euckens Vertrauen in spontane Ordnungen – eben auch die Bildung von Wirtschaftsordnungen – ist, wie bereits mehrfach gesehen, begrenzt, weil er die schlichte Einhaltung des Rechtsprinzips für einen unzureichenden Ordnungsrahmen und sie daher insgesamt für nicht mehr zeitgemäß hält (GWP 341). Eine verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik ermöglicht demgegenüber alternative Marktformen und Geldpolitik, sofern sie sich in einem bestimmten Ordnungsrahmen bewegen. Wenn man bedenkt, dass das folgende Postulat zur internationalen Geldordnung Mitte des vorigen Jahrhunderts aufgestellt wurde, kann man es nur als zukunftsweisend erachten: „Es erfordert auch, daß eine internationale Geldordnung geschaffen wird, die den Wettbewerb z w i s c h e n den Volkswirtschaften gestattet, auf strengen Regeln aufgebaut ist und möglichst automatisch funktioniert“ (GWP 167). Wie hellsichtig dies gedacht ist, hat wohl erst die Weltwirtschaftskrise sowie die Krise der gemeineuropäischen Währung der vergangenen Jahre in voller Ausprägung gezeigt. Nicht zuletzt der Automatismus, den Eucken einschränkend verlangt, um irrationale menschliche Entscheidungen und Willkürspielräume zurückzudrängen, verdient vor dem Hintergrund wachsender Digitalisierung und Kryptowährungen Interesse. Allerdings muss man die Bindung an strenge Regeln betonen, die Euckens Vision von anderen seinerzeit diskutierten Entwürfen maßgeblich unterscheiden.752 Hierzu passt im Übrigen eine gutachterliche Äußerung Ü b e r d i e V e r s t a a t l i c h u n g p r i v a t e r B a n k e n , in der im An 







den Zusammenhang zwischen der Interdependenz der Ordnungen und der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundentscheidung vor allem im Hinblick auf die Rolle der Effizienz zutreffend zusammen: „Entsprechend kann im Ordoliberalismus das ökonomische Kriterium der Effizienz nicht allein die Form der Wirtschaftsordnung bestimmen. Der Rechtsordnung ist eine entscheidende Rolle bei der Verwirklichung der Funktionsbedingungen der Wettbewerbsordnung zugewiesen“. Tendenziell ebenso Ernst-Joachim Mestmäcker, Gesellschaft und Recht bei David Hume und Friedrich von Hayek – Über die Zivilisierung des Egoismus durch Recht und Wettbewerb, ORDO 60 (2009) 87; sowie ders., Wettbewerbsfreiheit und Effizienz. Eine Erwiderung auf Schmidtchen, ORDO 59 (2008) 185 (= Europäische Prüfsteine der Herrschaft und des Rechts, 2016, S. 215 ff. und S. 325 ff.); Wernhard Möschel, Wettbewerb zwischen Handlungsfreiheiten und Effizienzzielen, Festschrift für Ernst-Joachim Mestmäcker, 2008, S. 357. Dezidiert anderer Ansicht jedoch Dieter Schmidtchen, Freiheit oder Effizienz als Rechtsprinzip?, Zum Freiheitsdilemma im Wettbewerbsrecht, in: Evolution und freiheitlicher Wettbewerb (Hg. Viktor Vanberg) 2010, S. 79; ders., Zur Zweisamkeit von Recht und Ökonomie in der Wettbewerbspolitik, ORDO 59 (2008) 144; siehe auch Martin Hellwig, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, Zur normativen Grundlegung der Wettbewerbspolitik, Festschrift für Ernst-Joachim Mestmäcker, 2008, S. 231. 752 David Hötzel, Virtuelle Währungen im System des deutschen Steuerrechts. Ein Beitrag zur Auslegung des (steuer-) rechtlichen Geldbegriffs, 2018, S. 1 ff., analysiert neue Währungen, wie etwa Bitcoins, auch unter dem Gesichtspunkt von Hayeks Theorie der Entnationalisierung des Geldes, der Eucken wohl wenig abgewinnen könnte.  



















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schluss an eine schonungslose Diagnose die nach wie vor aktuelle Frage gestellt wird: „Die Großbanken sind so groß, daß der Staat – wie die deutsche Erfahrung von 1931 zeigte – sie doch nicht in Konkurs gehen lassen kann. Er übt also praktisch eine Staatsgarantie für sie aus. Sollte er sie dann nicht verstaatlichen?“ (OP 39). Auch wenn er dies, seiner ordnungspolitischen Linie entsprechend, verneint, ist das immer noch aktuelle Argument wesentlich, um dessentwillen er einer Rettung von Privatbanken durch Kredite skeptisch gegenübersteht: „Nur Privatinstitute, die sich bewußt sind, daß aus falscher und leichtsinniger Kreditgewährung die Strafe der Existenzvernichtung steht, machen eine solche Zuleitung möglich“ (OP 51).  



3. Ermöglichung eines Lebens nach moralischen Grundsätzen Auch diese Einsicht ist vor dem Hintergrund der im Jahre 2008 beginnenden Finanzkrise, die nicht zuletzt eine Bankenkrise war, von bleibendem Interesse.753 Denn die staatliche Rettung vorgeblich systemrelevanter Kreditinstitute hätte schwerlich Euckens Gefallen gefunden.754 Seine Erinnerung an die drohende Insolvenz mitsamt all ihrer möglichen Haftungsfolgen entfaltet, wenn sie konsequent durchgeführt wird, einen präventiven Schutz.755 Das entspricht im Übrigen nicht nur dem von Eucken favorisierten Haftungsprinzip (GWP 279), sondern auch einer Grundeinsicht von Adam Smith und David Hume (GN 24).756 Unter dem dieser Untersuchung zugrundeliegenden Gesichtspunkt der Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung sind nach dem soeben Bedachten die von Eucken vorausgesetzte Bedingung der ‚strengen Regeln‘ (GWP 167) hervorzuheben. Erst die so verstandene Gestaltung der Ordnungsformen ermöglicht Freiheit (GWP 217). Was damit gemeint ist, erschließt sich vielleicht am besten mit Blick auf den Schluss von Euckens letztem Londoner Vortrag, den er gesundheitsbedingt schon  







753 Adam Tooze, Crashed. Wie zehn Jahre Finanzkrise die Welt verändert haben, 2018, bietet einen anschaulichen Rückblick. 754 Dazu Jakob Bleinow, Systemrelevante Finanzinstitute. Systemrisiko und Regulierung im europäischen Kontext, 2016, S. 235 mit Fußnote 566; Daniel Zimmer/Lukas Rengier, Entflechtung, Fusionskontrolle oder Sonderregulierung für systemrelevante Banken? Ansätze zur Lösung des „Too-big-to-fail“-Problems, Zeitschrift für Wettbewerbsrecht 2010, 105; Martin Hellwig, Finanzkrise und Reformbedarf, Gutachten zum 68. Deutschen Juristentag, 2010; Justus Haucap/Ulrich Heimeshoff/André Uhde, Zur Neuregelung des Bankensektors nach der Finanzkrise: Bewertung der Reformvorhaben der EU aus ordnungspolitischer Sicht, 2010. 755 Matthias M. Göhner, Bail-in oder Bail-out? Bankeninsolvenzen aus wirtschaftspolitischer Perspektive, 2018, S. 31, zu Einzelheiten unter besonderer Berücksichtigung Euckens. 756 Näher Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 189, dort auch zu Euckens Haftungsprinzip.  









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nicht mehr halten konnte:757 „Welcher Art sollte also die Staatstätigkeit sein? Die Antwort lautet: Der Staat hat die F o r m e n , in denen gewirtschaftet wird, zu beeinflussen, aber er hat nicht den Wirtschaftsp r o z e ß selbst zu führen. Handelsverträge schließen, eine zureichende Geldordnung, ein Patent- und Vertragsrecht herzustellen, dazu ist der Staat imstande. Dabei sollte er eine ordnungspolitische Gesamtentscheidung fällen und so die einzelnen Teile der Wirtschaftspolitik sinnvoll zusammenordnen“ (WW 77).758 In gewissem Sinne enthält die Beantwortung der selbstgestellten Frage nach den Grenzen der wirtschaftlichen Wirksamkeit des Staates in nur drei Sätzen sein ordnungspolitisches und wirtschaftsverfassungsrechtliches Vermächtnis. Denn die Gesamtentscheidung, die dem Staat obliegt (WV 93), ist nicht nur eine ordnungspolitische (GWP 250), sondern eben auch eine wirtschaftsverfassungsrechtliche (GN 241). Allerdings muss man dann noch etwas hinzufügen, das sich bei wortgleichem Anfang dieser Textstelle am Schluss seiner Abhandlung über die W e t t b e w e r b s o r d n u n g u n d i h r e V e r wi r k l i c h u n g außerdem findet: „Der Staat hat die F o r m e n , das institutionelle Rahmenwerk, die Ordnung, in der gewirtschaftet wird, zu beeinflussen, und er hat Bedingungen zu setzen, unter denen sich eine funktionsfähige und menschenwürdige Wirtschaftsordnung entwickelt“ (WV 93). Hier ist wieder die fundamentale Unterscheidung zwischen vorgegebenen Spielregeln und frei wählbaren Spielzügen mitgedacht. Beide Aussagen heben gleich an und setzen doch unterschiedliche Akzente. Sie betreffen jeweils das Verhältnis der Wirtschaftsordnung zur Rechtsordnung; hier in abstrakter Gestalt eines ‚institutionellen Rahmenwerks‘, dort mit konkreten Rechtsgebieten (WW 77). In diesem Sinne findet sich in einem Leitfaden zur Nationalökonomie nochmals ein Bekenntnis zur Wettbewerbsordnung sowie eine bündige Bestimmung der Staatsaufgabe im Hinblick auf Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung: „Der Staat hat das rechtliche Rahmenwerk zu geben, in dem sich die Konkurrenz auf den Märkten entfalten kann“ (NW 83). In moraltheoretischer Hinsicht muss es darüber hinaus darum gehen, eine „menschenwürdige Ordnung der Wirtschaft, der Gesellschaft, des Rechtes und des Staates zu finden“ (GN 239). Das schließt eine Sozialordnung ein, die diesen Namen verdient und die mit der Rechtsordnung dergestalt ver 











757 Franz Böhm, Die Idee des Ordo im Denken Walter Euckens, ORDO 3 (1950) XV. Nachrufe anlässlich seines frühen Todes von Edgar Salin, Walter Eucken in memoriam, Kyklos 4 (1950) 1; Erich Preiser, Walter Eucken in memoriam, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 162 (1950) 241; Walter Adolf Jöhr, Walter Euckens Lebenswerk, Kyklos 4 (1950) 257; später noch Wilhelm Röpke, Blätter der Erinnerung an Walter Eucken, ORDO 12 (1961) 3. 758 Zum besseren Verständnis Carl Christian von Weizsäcker, Staatliche Regulierung – positive und normative Theorie, Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik 118 (1982) 325.  

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schränkt ist, dass ihr auch die soziale Gerechtigkeit nicht fremd ist oder gar sinnlos erscheint (SF 111).  

4. Wirtschaftspolitik in Verantwortung und Humanität Euckens nicht hoch genug zu veranschlagende Leistung besteht in der gedanklichen Gestaltung einer nach festen Prinzipien gefügten Gesellschafts-, Staats-, Geld-, Rechts- und Wirtschaftsordnung (GN 241), also einer Gesamtordnung, die allen ein Leben nach moralischen Grundsätzen ermöglicht (GWP 199). Das setzt freilich die Bindung des Staates selbst an moralische Gesetze voraus, wie Eucken pessimistisch vermerkt: „Dieser Zustand ist umso ernster, weil die modernen Menschen die Lehre, daß der Staat an keine moralischen Gesetze gebunden sei, weitgehend akzeptieren“ (SF 119). Insbesondere die Interdependenz der Rechtsordnung und der Wirtschaftsordnung würde dann idealerweise einen Bedingungszusammenhang schaffen, der es jedermann ermöglicht, nicht nur eigenverantwortlich zu wirtschaften, sondern auch nach moralischen Prinzipien zu leben (GWP 176). Damit ist ein auf der Wettbewerbsordnung und dem Preismechanismus gegründetes verkehrswirtschaftliches System wenigstens der Möglichkeit nach moralisch legitimierbar (GWP 300).759 Obwohl Eucken Adam Smith eher historisch als moraltheoretisch würdigt (GN 24; GWP 53) und sein Vertrauen in die Verwirklichung einer spontanen Ordnung gering ist (GWP 195), hat seine Wirtschaftstheorie, anders als etwa diejenige von Hayeks,760 aber ebenso wie die des großen Schotten (NW 55),761 ein moralisches Fundament im Sinne des kategorischen Imperativs Immanuel Kants (GWP 126).762 Das in diesem Sinne zitierte Wort Euckens steht für die in Aussicht  



















759 Jochen Mohr, Die Interdependenz der Ordnungen als rechts- und wirtschaftsphilosophische Konzeption. Law and Economics bei Walter Eucken und Franz Böhm, Juristenzeitung 2018, 685, 694, resümiert richtig: „Der Ordoliberalismus hat nicht nur die untrennbaren systematischen Verknüpfungen zwischen Rechtsordnung, Wirtschaftsordnung und Gesellschaftsordnung herausgearbeitet, sondern auch den Blick für die ethische Qualität einer sozialen Marktwirtschaft geschärft, die sich nicht nur durch das Erzielen größtmöglicher Effizienzen legitimiert, sondern auch durch den Schutz der chancengleichen Privatautonomie aller Bürger“. 760 Jens Petersen, Freiheit unter dem Gesetz. Friedrich August von Hayeks Rechtsdenken, 2014. Wichtig zur ökonomischen Einordnung Ernst-Joachim Mestmäcker, A Legal Theory without Law. Posner v. Hayek on Economic Analysis of Law, 2007, S. 24. 761 Adam Smith, The Theory of Moral Sentiments, 1759; dazu GWP 356 f. Vgl. auch Jens Petersen, Adam Smith als Rechtstheoretiker, 2. Auflage 2017, S. 46. 762 Ernst-Joachim Mestmäcker, Kants Rechtsprinzip als Grundlage der europäischen Einigung, in: Freiheit, Gleichheit, Selbständigkeit. Zur Aktualität der Rechtsphilosophie Kants für die Gerechtig 









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§ 4 Wirtschaftsverfassungsrecht

gestellte Folge unter zwei kumulativ zu erfüllenden Bedingungen: „Wenn ein Bestreben, das der Ordnung und der Freiheit zugleich gerecht werden will, das alltägliche Handeln, aber auch das verantwortliche Handeln der maßgebenden Persönlichkeiten bestimmt, dann ist der Aufbau einer freien Ordnung möglich, und man dient dem, was der großen deutschen und europäischen geistigen Tradition entspricht, der Humanität“ (GWP 324).763 Gewiss galt und gilt Eucken gerade um solcher Stellen willen – mehr noch aufgrund seines wegen des religiösen Zusatzes vieldiskutierten, aber angesichts seiner Eindeutigkeit schwerlich hinweg zu diskutierenden Postulats, wonach „die Wirtschaftspolitik die freie natürliche gottgewollte Ordnung verwirklichen soll“ (GWP 176) – manchen Ökonomen als sonderbarer Schwärmer. Doch ist Humanität für ihn wenigstens ein wissenschaftlich relevantes Kriterium einer Wirtschaftsordnung (GN 239). So kommt Eucken das Verdienst zu, in einem widerspruchsfreien System die ordnungspolitischen und rechtlichen Bedingungen auseinandergesetzt zu haben, unter denen sich auf moraltheoretischer Basis und in sozialer Verantwortung persönliche Freiheit in einer Wettbewerbsordnung entfalten kann, ohne – ebenfalls in kantischer Tradition – die Freiheit anderer oder das Gemeinwohl außer Acht zu lassen (GWP 351): „Freiheit – richtig verstanden – und Humanität und Recht gehören zusammen, sind untrennbar miteinander verbunden“ (GWP 176). Unverzichtbar ist ihm auch die soziale Gesinnung (GWP 323). Dabei soll die soziale Gerechtigkeit in die Gesamtordnung eingebettet werden und steht damit unter dem Vorbehalt einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung (GWP 317). Konstitutiv für sein System ist die Interdependenz der Wirtschaftspolitik, die auch die Minderprivilegierten nicht aus den Augen verliert (GWP 313/315): „Ohne Freizügigkeit, freie Wahl des Arbeitsplatzes, freien Arbeitsvertrag und Auflösung oder Schwächung einseitiger wirtschaftlich-sozialer Machtpositionen kann es keine Lösung der sozialen Frage geben“ (SF 129). Die Zentrierung derartiger Freiheitsrechte als einklagbare Individualrechte bedeutet eine markante Besonderheit im Hinblick auf den zwischen  





























keit der modernen Gesellschaft (Hg. Götz Landwehr) 1990, S. 61 ff.; Christian Müller, Neoliberalismus und Freiheit – Zum sozialethischen Anliegen der Ordo-Schule, ORDO 58 (2007) 99, 101; Siehe auch Ernst-Joachim Mestmäcker, Wirtschaft und Verfassung in der Europäischen Union, 2. Auflage 2006; ders., Zur Wirtschaftsverfassung in der Europäischen Union, Festgabe für Hans Willgerodt, 1994, S. 263. 763 Erinnert sei an eines der letzten überlieferten, in einem lucidum intervallum gesprochenen Worte des geistig schon sehr geschwächten Kant gegenüber seinem Arzt: „Das Gefühl für Humanität hat mich noch nicht verlassen.“ (Ehregott Andreas Christoph Wasianski, Immanuel Kant in seinen letzten Lebensjahren: Ein Beitrag zur Kenntnis seines Charakters und häuslichen Lebens aus dem täglichen Umgange mit ihm, 1804, S. 287).  











IV. Wirtschaftsverfassungsrechtliches und moralisches Vermächtnis

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Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung bestehenden Gesamtzusammenhang (GWP 189). Auch innerhalb seines nachgelassenen Hauptwerkes hat Eucken von Anfang an die soziale Sicherheit, die freilich – ebenso wie die Freiheit – nicht auf Kosten anderer gehen darf (GWP318), und die soziale Gerechtigkeit als Herausforderungen ‚der Zeit‘ begriffen (GWP 1). Daran hat sich nichts geändert. Bei aller dogmatischen Strenge und statisch anmutenden Rigidität eignet seinen apodiktisch vorgetragenen theoretischen Ausführungen daher ein zeitlich-dynamisches Element (GN 180), das ihnen nachhaltige Aktualität verleiht (GWP 5). Gleiches gilt im Hinblick auf den technischen Fortschritt (GWP 234), der neuartige Ordnungen hervorbringen kann, die der Interdependenz unterfallen (GWP 275). Denn niemand wusste besser als Eucken, dass die „Beziehungen zwischen Wirtschaftsordnung und Rechtsordnung im Laufe der Geschichte wechseln“ (GN 56). So erweisen sich Euckens nationalökonomische Grundlagen und wirtschaftspolitische Grundsätze im Verein mit den Schriften seines Mitstreiters Franz Böhm nicht nur als mit Fernwirkung für die Europäische Union ausgestattete Bausteine einer zukunftsoffenen sozialen Marktwirtschaft,764 sondern auch als Fundament einer moraltheoretisch begründeten Wirtschaftsordnung und einer im Geiste der Aufklärung sowie des europäischen Humanismus‘ verfassten765 – auf durch Gewaltenteilung gebändigte wirtschaftliche Macht wie auf einklagbare Individualrechte setzenden – Rechtsordnung.  





















764 Ernst-Joachim Mestmäcker, Wettbewerb in der Privatrechtsgesellschaft, 2019, S. 34: „Wenn es in der EU gelungen ist, eine Wirtschaftsverfassung zu begründen, die auf der systematischen Einheit von Binnenmarkt und System unverfälschten Wettbewerbs beruht, dann haben darauf die Erkenntnisse von Franz Böhm und Walter Euckens einen wesentlichen Einfluss gehabt. Es ist der Rang, der in ihren Theorien den Wirtschaftsfreiheiten, insbesondere der Wettbewerbsfreiheit, unabhängig von utilitaristischen Wohlfahrtserwägungen zukommt, der sich in der durch Recht verwirklichten europäischen Integration auswirkt“. 765 Immanuel Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, Berlinische Monatsschrift 1784, 385; dazu GWP 313/360.  



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https://doi.org/10.1515/9783110666229-006

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Personenverzeichnis Die kursiv gedruckten Zahlen verweisen auf den Text, die normal gedruckten auf Fußnoten. Ackermann, Thomas 27, 138, 177, 290 Adomeit, Klaus 12, 276 Akerlof, George A. 114 Albert, Hans 3 f., 30, 40, 50, 268 Alexander, Christian 290 Altmeppen, Holger 128, 291 Ammon, Alfred 278 Arnold, Arnd 284 Arnold, Stefan 213, 252, 275, 279, 295  

Bachmann, Gregor 42, 107, 130, 145, 147, 150 f., 155, 157, 171 Bader, Martin A. 162 Badura, Peter 260 Bär, Roy F. 7, 118, 138, 269 Ballerstedt, Kurt 260 Barsuglia, Guido 162 Basedow, Jürgen 20 Beck, Lukas 119, 127 Becker, Gary S. 233 Becker, Helmut Paul 17, 209 Becker, Ulrich 82 Behrens, Peter 14, 42, 66, 101, 124, 211, 232, 255, 294 Behrent, Michael C. 78 Beier, Friedrich-Karl 160 Beitzinger, Franz 52 Berger, Klaus Peter 232 Bezzenberger, Tilman 246 Biedenkopf, Kurt 109, 145, 148, 156, 160, 180, 186, 289, 300 Bien, Florian 103 Bilger, François 2 Binz, Mark K. 283 Biser, Eugen 206 Bleinow, Jakob 309 Blümle, Gerold 11, 108, 244 Blum, Reinhard 275 Böckenförde, Ernst-Wolfgang 255 Böhm, Franz 3, 4 f., 6, 8, 12 f., 21, 27, 34, 39, 41, 57, 59, 68 f., 70, 72, 79, 86, 92, 94, 100, 110, 112, 117, 120, 124, 126, 131, 132,  







https://doi.org/10.1515/9783110666229-007

137 ff., 144, 149, 153, 155, 168 f., 171 f., 175 f., 178, 184, 187, 189, 191, 195, 199, 204, 210, 219 f., 247, 249, 260, 269 f., 277, 278, 283, 285, 289, 292, 297, 310, 313 Böhm-Bawerk, Eugen von 87, 265 Bongard, Willi 48 Braun, Johann 91 Brinkmann, Carl 14 Brockmeier, Thomas 96, 196 Brunner, Emil 245 Bruns, Alexander 282, 292 Buchan, James 183 Buchanan, James 89 Bui, Nguyen Khanh 260 Bydlinski, Franz 302  











Callies, Gralf-Peter 232 Canaris, Claus-Wilhelm 4 f., 33, 52, 56, 74, 100, 122, 202, 244, 248, 252, 279, 284, 298 Cassel, Dieter 25, 219 Chamberlin, Edward 167 Christen, Torsten G. 86 Cukier, Kenneth 259  

Dathe, Uwe 9, 109 Deaton, Angus 303 Dettling, Heinz-Uwe 286 Dietz, Markus 233 Dietze, Gottfried 88 Diez, Ulrich 292 Di Fabio, Udo 238 Dirlan, Jole B. 151 Doerr, Annabelle 106, 226, 236 Dörge, Friedrich-Wilhelm 77 Döring, Thomas 144 Dornis, Tim W. 291 Drerup, Dominik 162 Drexl, Josef 50, 101, 121, 145, 208, 266, 282, 307

348

Personenverzeichnis

Eckel, Jan 206 Eckelt, Ernst 58 Ehmke, Horst 153, 260 Ehrl, Max 281 Eidenmüller, Horst 40, 286 Ellger, Reinhard 161 Emmerich, Volker 24, 286, 294 Engel, Otto 10 Engert, Andreas 40 Engisch, Karl 54 Eucken, Rudolf 8 f., 30, 37, 43, 77, 244

Grandin, Greg 206 Grigoleit, Hans Christoph 22, 283 Groebel, Annegret 234 Grossekettler, Heinz 35, 275 Großfeld, Bernhard 292 Großmann-Doerth, Hans 57, 68, 69, 156, 199, 270, 292 Grundmann, Stefan 15, 40, 83, 101, 114, 204, 280, 307 Gutmann, Gernot 93



Feld, Lars B. 106, 110, 226, 236 Fellmann, Ferdinand 9 Ferguson, Adam 120, 182 Fetzer, Thomas 170 Fèvre, Raphaël 61 Fikentscher, Wolfgang 52 ff., 121, 133, 146, 163, 267 Fischer, Thomas 3, 9, 28, 35, 48, 50, 54, 61, 71, 91, 129, 204 Fleischer, Holger 97, 114, 294 Flume, Johannes W. 242, 290 Flume, Werner 185 Folz, Willibald J. 46, 272 Foucault, Michel 2, 8, 13, 14, 18, 43, 68, 160, 188, 192, 241 France, Anatole 213 Franck, Jens-Uwe 291 Freytag, Andreas 35 Fukuyama, Francis 44  

Gässler, Gregor F. 11 Gamper, Albert 235 Gassmann, Oliver 162 Gerber, David J. 15 Gerken, Lüder 88 Gierke, Otto von 251 Gneist, Rudolf von 71 Göhner, Matthias M. 309 Goethe, Johann Wolfgang von 48 Goldschmidt, Levin 292 Goldschmidt, Nils 11, 30, 43, 68, 76, 108 f., 142, 244 Gossen, Hermann Heinrich 62 Graf, Friedrich Wilhelm 37, 43, 241 Graf, Rüdiger 206  

Haag, Johannes 218 Haakonssen, Knud 74, 182 Haarmann, Moritz Peter 18, 29, 67, 85, 210 Haberler, Gottfried 235 Habermas, Jürgen 6, 35 Habersack, Mathias 24, 186, 202, 281, 286, 291, 294, 300 Hacker, Julian L. 161 Halle, Ernst von 137 Haller, Heinz 55 Hansjürgens, Bernd 88, 105, 119, 130, 140, 154, 215 Harari, Yuval Noah 165 Harhoff, Dietmar 118, 163 f. Haselbach, Dieter 271 Hassold, Gerhard 66 Haucap, Justus 309 Haverkamp, Hans-Peter 66 Hayek, Friedrich August von 1, 16, 25, 36, 58, 71, 75, 134, 148, 182, 213, 224, 228, 249, 265, 268, 273, 277, 311 Heck, Philipp 67, 302 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 17, 44, 51, 297, 302 Heimeshoff, Ulrich 309 Heinemann, Andreas 9, 17, 24, 26, 40, 53, 62, 67, 92, 94, 98, 120 f., 125, 157, 163, 193, 207, 231 f., 236 f., 258, 261, 264, 299 Heisenberg, Werner 53 Heller, Robert H. 235 Hellwig, Martin 308 f. Henrich, Dieter 219 Hense, Ansgar 245 Hensel, Karl Paul 12, 68 Henssler, Martin 186 Herdegen, Matthias 206  









Personenverzeichnis

Herder-Dorneich, Philipp 12 Hesse, Jan-Otmar 15 Hesse, Konrad 215 Hinterberger, Friedrich 18 Hißler, Carl-Martin 12, 68, 148 Höffner, Joseph 197 Hösle, Vittorio 17, 27, 34, 38, 54, 62, 109, 115, 152, 216, 248, 266 Hötzel, David 308 Hollerbach, Alexander 69 Holzwarth, Fritz 9 Honneth, Axel 130 Hoppmann, Erich 194, 299 Hornuf, Lars 40 Hovenkamp, Herbert 193 Hoyer, Timo 109 Huber, Ernst Rudolf 260 Hübner, Ulrich 291 Huizinga, Johan 110 Humboldt, Wilhelm von 36, 44 Husserl, Edmund 9 Ilau, Hans 150 Immenga, Ulrich 292 Isay, Rudolf 184 Jannet, Claudio 137 Jessen, Jens 14 Jhering, Rudolf von 292 Jöhr, Walter Adolf 310 Joerges, Christian 15 Jollos, G. 137 Jonas, Hans 267 Kahn, Alfred E. 151 Kainer, Friedemann 156 Kaiser, Corinne 25, 219 Kaiser, Joachim 242 Kant, Immanuel 17, 27, 34, 51, 89, 110, 126, 129, 218, 274, 281, 297, 302, 305 f., 311, 313 Karsten, Siegfried G. 3 Kasparow, Garri 58 Keilhofer, Franz X. 142 Keohane, Robert O. 206 Kirchgässner, Gebhard 219 Kissinger, Henry 206  

Klawe, Grischa 81 Klaus, Moritz 60 Klement, Jan Henrik 225, 258 Klinckowstroem, Wendula Gräfin von 7 Klüber, Franz 197 Knobbe-Keuk, Brigitte 173, 185, 264 Köhler, Ekkehard A. 106, 110, 226, 236 Köhler, Michael 13, 89, 221 Kofler, Leo 10 Kohler, Josef 137 Koikkara, Sonia Elisabeth 162, 164 Koller, Ingo 281 Korch, Stefan 291 Koslowski, Peter 88 Krings, Hermann 10 Kronstein, Heinrich 5 Kruber, Klaus-Peter 198 Krüger, Rolf 92 Krüsselberg, Hans-Günter 244 Küng, Hans 12, 148 Kuhn, Thomas 52 Kunig, Philip 72, 104 Kunkel, Wolfgang 31 Küppers, Markus 21 Lachmann, Werner 198 Laitenberger, Johannes 3, 118, 149, 226 Landau, Peter 248, 271 Lange, Oskar 217 Larenz, Karl 248 Laum, Bernhard 18 Lederer, Emil 117 Leenen, Detlef 53, 57, 156, 181, 202 Lehmann, Gerhard 59 Leipold, Helmut 35, 63, 107, 196 Leistner, Matthias 145 Lenel, Hans Otto 14, 76, 79, 209 Lepenies, Wolf 97 Leschke, Martin 1, 89, 263 Lessig, Lawrence 227 Lettl, Tobias 24, 73, 135, 160, 173, 176 Levinas, Emmanuel 9 Levy, Ernst 31 Liebscher, Thomas 286 Liesegang, Helmuth 71 Limbach, Jutta 23, 287 Lippmann, Walter 139

349

350

Personenverzeichnis

Lipschitz, Eleonore 38 Löwer, Wolfgang 293 Löwisch, Manfred 231 Lübbe, Hermann 30 Luhmann, Niklas 2, 61 Lukes, Rudolf 263 Luks, Fred 18 Luterbacher-Maineri, Claudius 77 Lutz, Friedrich A. 251, 263

Müller, Thomas 158 Müller-Armack, Alfred 221, 241, 275 Müller-Erzbach, Rudolf 292 Müller-Graff, Peter-Christian 24 Mussgnug, Dorothee 31

Machlup, Fritz 55 Maier, Karl Friedrich 265 Maier-Reimer, Georg 285 Mann, Golo 5 Mason, Edward S. 151 Mathis, Klaus 59, 157, 267, 286 Mayer, Thomas 120 Mayer-Schönberger, Viktor 158, 165, 227, 259 Medicus, Dieter 93, 202 Megay, Edward 3 Merz, Hans 135 Mestmäcker, Ernst-Joachim 1 ff., 12 ff, 18, 20, 27, 39, 43, 44, 47, 49, 51, 55, 57, 69, 74, 75, 77 f., 88 f., 94 f., 98, 102, 105, 107 f., 120 f., 123 f., 126, 131 f., 134, 142, 149, 153, 157, 158, 160 f., 163, 168, 169 ff., 174 f., 178, 180 ff., 187 f., 192, 195 f., 201, 205 f., 210 ff., 216 f., 220, 224, 229 ff., 236, 239, 242, 248 f., 253, 260 f., 263, 265, 267, 269 ff., 274, 280 f., 284 f., 291, 294, 297, 299, 301, 304 f., 307 f., 311 ff. Metzger, Axel 163, 194 Meyer, Fritz W. 117 Meyer, Justus 292 Miksch, Leonhard 51, 170, 272 Möllers, Christoph 105, 198 Möschel, Wernhard 176, 308 Mohr, Jochen 6, 12, 42, 46, 48, 50, 56, 68, 83, 97, 99, 116, 121 f., 128, 133, 151, 159, 166, 168 f., 171, 177, 181, 201, 205, 210, 222 f., 229, 257, 259, 265, 269, 273 f., 276, 282, 287, 311 Mülbert, Peter O. 174, 293 Müller, Christian 257, 312 Müller, Eckart 34 Müller, Johann Baptist 91  















Olson, Mancur 19, 233 Oswalt, Walter 69, 70, 104, 240 Ott, Alfred Eugen 224













Nahrmann, Jennifer 103 Natorp, Paul 9 Nawroth, Egon Edgar 34 Nell-Breuning, Oswald von 79 Neuhaus, Stephan 161 Neuhauser, Gertrud 55 Nida-Rümelin, Julian 227 Nientiedt, Daniel 106, 226, 236 Nietzsche, Friedrich 10, 27, 109, 112, 242 Nipperdey, Hans Carl 151 Nipperdey, Thomas 8, 210, 221, 277 Nörr, Knut Wolfgang 5, 68, 138, 170, 184 Nolte, Paul 221 Nützenadel, Alexander 59 Nye, Joseph S. 206



































Partsch, Manfred 265 Peifer, Karl Nikolaus 259 Peitz, Martin 170, 259 Penrose, Edith 52 Peter, Hans 14 Pfister, Bernhard 55 Picker, Christian 24, 251 Pies, Ingo 1, 8, 11, 30, 35, 66, 75, 78 f., 91, 130, 148, 191, 219, 228, 271, 275, 295 Podszun, Rupprecht 103 Poelzig, Dörte 291 Pohle, Ludwig 137 Pomana, Andrea 103 Popper, Karl 17, 121 Preiser, Erich 310 Proust, Marcel 190 Ptak, Ralf 50, 198  

Radbruch, Gustav 70 Raiser, Ludwig 60, 199, 202, 204, 218 Ramge, Thomas 158, 165, 227

351

Personenverzeichnis

Rathenau, Walther 97 Rauchenschwandtner, Hermann 10 Rawls, John 44, 267 Reese-Schäfer, Walter 15 Reich, Robert 3 Reiß, Winfried 48 Rengier, Lukas 309 Renker, Jan 125 Renner, Andreas 25, 63, 88 Renner, Moritz 112, 156, 234 Renz, Annette 284 Repgen, Tilman 247 Reuter, Dieter 149, 187 Reuter, Joachim F. 162 Richter, Klaus 136 Rieble, Volker 41, 307 Riedel, Sabine 97 Riese, Hajo 78, 219 Ritschl, Hans 2 Rittner, Fritz 260 Robbins, Lionel 16 Robert, Rüdiger 50 Robinson, Joan 167 Röthel, Anne 161 Rothenfußer, Christoph 24, 284 Röper, Burkhardt 177 Röpke, Wilhelm 16, 43, 46, 68, 213, 310 Roser, Traugott 69 Roth, Wulf-Henning 16 Rougier, Louis 139 Rühlicke, Lars 173 Rüstow, Alexander 76, 79, 16 Ruffert, Matthias 243 Runge, Uwe 293 Säcker, Franz Jürgen 103 Salin, Edgar 310 Schad, Inga Cornelia 291 Scheuerle, Wilhelm 69 Schiffers, Joachim 23 Schiller, Johann Christoph Friedrich von 27, 216 Schiller, Karl 2 Schlecht, Otto 2, 11 f., 26, 106, 144, 148, 209, 222, 267, 272, 275 Schlögl, Herwig 234 Schnyder, Anton K. 40, 233  

Schmidt, Karsten 186, 293 Schmidt, Reiner 260 Schmidtchen, Dieter 201, 231, 234, 308 Schönfelder, Bruno 72, 86 Schönlank, Bruno 137 Schonberg, Harold 58 Schopenhauer, Arthur 48, 109, 217 Schreiber, Christoph 286 Schreiter, Carsten 50 Schularick, Moritz 236, 249 Schumpeter, Josef 38, 43, 87, 135, 217 Schürnbrand, Jan 202 Schweitzer, Heike 3, 82, 101 f., 116, 131 f., 135, 156, 170, 185, 188, 226, 230 f., 259, 261, 265, 269, 288 Seikel, Daniel 85 Seiler, Wolfgang 50 Sen, Amartya 230 Sismondi, Jean-Charles-Léonard Simonde de 37 Smith, Adam 12, 16, 44, 63, 65, 74, 77, 79, 82, 115, 120, 151, 181 ff., 189, 224, 228, 233, 249, 282, 297, 309, 311 Söllner, Fritz 42 Sonde, Stephan Lars 28 Sorg, Martin 283 Stackelberg, Heinrich von 14, 51, 152 Stavenhagen, Gerhard 58 Stewen, Marcus 18 Stickrodt, Georg 60 Stoffels, Markus 202 Stolleis, Michael 277 Strangas, Johannes 27 Strauß, Walter 177 Streit, Manfred E. 78, 85 Sunstein, Cass. R. 169 Syme, Ronald 112, 116  







Taylor, Alan M. 249 Taylor, Charles 44 Tettinger, Peter W. 60 Thaler, Richard H. 169 Theile, Carsten 23 Thiemeyer, Theo 117 Thomas, Stefan 293 Tooze, Adam 61, 309 Tuchtfeldt, Egon 39

352

Personenverzeichnis

Uhde, André 309 Unberath, Hannes 290 Vanberg, Viktor 1, 3, 11, 13, 18 f., 46, 78, 82, 88, 117, 125, 131, 178, 270 Vassalli, Giuliano 70 Veit, Otto 11 Vidmar, Milan 27 Vleugels, Wilhelm 14 Vogelmann, Frieder 15 Voigt, Stefan 78 Vollmöller, Thomas 260 Vongehr, Thomas 9  

Wagenknecht, Sahra 19, 125 Wagner, Gerhard 122, 188, 267, 284, 290 Walt, Johan van der 76 Warns, Christian 82, 157 Wasianski, Ehregott Andreas Christoph 312 Weber, Max 4, 19, 31, 36 f., 43, 54, 188, 241, 245 Weber, Wilhelm 57 Weberbauer, Sven 32, 80 Weidenfeld, Nathalie 227  

Weippert, Georg 14 Weißer, Ulfried 92 Weizsäcker, Carl Christian von 1, 46, 81, 101, 103, 207, 299, 304, 310 Weizsäcker, Ernst Ulrich von 267 Werner, Josua 201 Wesel, Uwe 13 Wiedemann, Herbert 213 Wilburg, Walter 33, 92, 161 Wildmann, Lothar 224 Willgerodt, Hans 89, 104, 177 Woll, Artur 18 Wurmnest, Wolfgang 42, 122 Wu, Tim 109 Young, Brigitte 86 Zacher, Hans F. 239 Zieschang, Tamara 260, 262 Zimmer, Daniel 101, 309 Zöllner, Wolfgang 174, 283, 285 Zohlnhöfer, Werner 275 Zumbansen, Peer 232 Zweifel, Peter 235