Rechtliche Governance von Zulieferverträgen: Eine vergleichende Untersuchung in der Automobilindustrie zum deutschen, italienischen und englischen Recht. Dissertationsschrift 9783161593895, 9783161593901, 3161593898

Moderne Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie sind paradigmatisch für komplexe Langzeitbeziehungen. Aus dem Lang

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German Pages 317 [346] Year 2020

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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
A. Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie
B. Disziplinärer Pluralismus
C. Rechtsvergleich und Vertragspraxis
I. Rechtsvergleichender Ansatz
II. Vertragspraxis und private Standardsetzung
D. Gang der Untersuchung
Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?
A. Merkmale von Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie
I. Strategische Entscheidung für Outsourcing
II. Vertragliche und praktische Ausgestaltung der Zulieferbeziehung
III. Produktionsstruktur und Zulieferertypen
1. Systemzulieferer und Modullieferant
2. Auftragsfertiger: Verlängerte Werkbank
3. Standardteile-Zulieferer
4. Resümee
IV. Interessenstrukturen
1. Gleichgerichtete Interessen
2. Entgegengesetzte Interessen
3. Vorzeitige Beendigung der Zulieferbeziehung
V. Fazit
B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung in der Theorie
I. Das Abhängigkeitsverhältnis in der Langzeitbeziehung – institutionenökonomische Hintergründe
1. Transaktionskostentheorie und die Bedeutung beziehungsspezifischer Investitionen
2. Principal-Agent-Beziehung
a) Hold-up- und Lock-in-Effekt
b) Adverse Selection und Moral Hazard
3. Incomplete Contract Theory
4. Resümee
II. Social embeddedness, Bedeutung des Netzwerkcharakters und standardisierte Verträge
1. Die Theorie vom Relationalen Vertrag
2. Social embeddedness und Netzwerkeffekte
3. Theorie langfristiger Vertragsnetze
4. Resümee
III. Steuerung kooperativer Zusammenarbeit und Contract Governance
1. Der Contract-Governance-Ansatz
2. Governance through contract und Network Governance
3. Governance durch „Exit“ und „Voice“ in der Langzeitbeziehung
4. Governance of contracts: Choice Theory of Contract, ökonomische Analyse, Generalklauseln
5. Resümee
IV. Fazit
C. Die Zulieferbeziehung in den untersuchten Rechtsordnungen (im Überblick)
I. Ausgangspunkt: Europarechtliche Entwicklungen
1. Bekanntmachung, Mitteilung und Leitfaden der Europäischen Kommission
2. Europäisches Wettbewerbsrecht
a) Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen nach Art. 101 AEUV
b) Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV
3. Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
II. Die Zulieferbeziehung im deutschen Recht
1. Rechtliche Einordnung der Zulieferbeziehung
a) Rahmenvertrag und Lieferabrufe
b) Austauschvertragliche Elemente
c) Kooperative Elemente und lieferunabhängige Pflichten
d) Dauerschuldverhältnis
2. Grenzen der Vertragsfreiheit im BGB
a) AGB-rechtliche Kontrolle
(1) Anwendbarkeit
(2) AGB-Kontrolle im unternehmerischen Verkehr
(3) Rechtsfolgen unangemessener Geschäftsbedingungen
(4) Kritik am deutschen AGB-Recht
b) Zivilrechtliche Generalklauseln
3. Kartellrechtliche Grenzen der Vertragsfreiheit
a) Relative Marktmacht
b) Kleine und mittlere Unternehmen
c) Missbrauchstatbestand
d) Rechtsfolgen
e) Praktische Relevanz für Automobil-Zulieferbeziehungen
4. Resümee
III. Die Zulieferbeziehung im italienischen Recht
1. Regelung der Zulieferbeziehung mit einem eigenen Gesetz
a) Contratto di subfornitura
(1) Ratio der Legge Subfornitura
(2) Definition und Anwendungsbereich
b) Die Unwirksamkeit bestimmter Klauseln – Schutz des Zulieferers?
(1) Schriftform, Art. 2
(2) Zwingende Vertragsbedingungen, Art. 2 Nr. 4 und 5
(3) Zahlungsfristen, Art. 3
c) Generalklausel gegen den Missbrauch einer wirtschaftlichen Abhängigkeit – Art. 9 Legge Subfornitura
(1) Privatrecht oder Kartellrecht?
(2) Anwendungsbereich
(3) Regelbeispiele und Rechtsfolgen
d) Zwischenergebnis
2. Contratto di rete – der italienische Netzvertrag
3. Allgemeine Regeln des Codice Civile
a) Contratto di appalto und contratto di compravendita
b) Besonderheiten der Langzeitbeziehung: contratto di somministrazione
(1) Bestimmtheit des Leistungsgegenstands
(2) Vertragsbeendigung
(3) Ausschließlichkeitsbindungen: Alleinbezug und Alleinvertrieb
4. AGB-Recht: condizioni generali
a) Anwendbarkeit
b) Formale Einbeziehungskontrolle
c) Inhaltskontrolle
5. Generalklauseln und Treu und Glauben
6. Kartellrechtliche Grenzen
7. Resümee
IV. Die Zulieferbeziehung im englischen Recht
1. Vertraglicher Rahmen und rechtliche Einordnung
a) Vertragsrecht – Sale of Goods
b) Auslegungsregeln im englischen Recht
(1) Auslegung von Gesetzen
(2) Auslegung von Verträgen
2. Umgang mit standardisierten Vertragsbedingungen
3. Sonstige Grenzen
a) Besonderheiten von Dauerschuldverhältnissen und Vertragsauslegung
b) (Nach-)Verhandlungsklauseln
c) Relational contract und good faith
4. Kartellrechtliche Grenzen
5. Resümee
V. Fazit – Grenzen der Vertragsfreiheit und Reaktion auf die Besonderheiten der Zulieferbeziehung
D. Resümee und Ausblick auf die weitere Untersuchung
Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos in der Zulieferbeziehung
A. Überblick
B. Risikovermeidung durch Qualitätssicherung
I. Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung in der Automobilindustrie
1. Funktionen von Qualitätssicherungsvereinbarungen
2. Internationale Standards
3. Erstbemusterungsverfahren
4. Dokumentationspflichten und Informationspflichten des Zulieferers
II. Rechtsfragen im Zusammenhang mit Qualitätssicherungsvereinbarungen
III. Resümee
C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos
I. Gemeinsame EU-rechtliche Regeln
II. Haftung nach englischem Recht
1. Vertragliche Haftung
a) Mängelgewährleistung
(1) Condition, innominate terms, warranty
(2) Schadensersatzanspruch als primärer Rechtsbehelf
b) Vereinbarte Beschaffenheit
(1) Ausdrückliche Vereinbarung (express terms)
(2) Stillschweigende Vereinbarungen kraft Gesetz (terms implied at law)
c) Untersuchung und Anzeige von Mängeln
2. Equity-Haftung
3. Außervertragliche Haftung
4. Mitverschulden und Schadensminderungspflicht
a) Contributory negligence
b) Duty to mitigate the loss
5. Grenzen der Vertragsfreiheit: Haftungsgrenzen
a) Common Law
b) Unfair Contract Terms Act 1977
6. Regelungen in Einkaufsbedingungen nach englischem Recht
a) Geschuldete Beschaffenheit
b) Untersuchung und Mängelanzeige
c) Mängelgewährleistung
d) Mitverschulden des Bestellers, Haftung des Zulieferers für Sublieferanten
7. Resümee
III. Haftung nach italienischem Recht
1. Vertragliche Haftung
a) Mängelgewährleistungssystem des contratto di appalto
(1) Mängelbegriff
(2) Gewährleistungsrechte
(3) Untersuchung und Abnahme
(4) Haftung für die Projektplanung – Mitverantwortung des Unternehmers
(5) Änderungen des Werks während der Vertragsdurchführung
(6) Haftung für Subunternehmer
b) Zwingendes Recht der Legge Subfornitura
(1) Mängelhaftung nach Art. 5 I und II Legge Subfornitura
(a) Mängelarten
(b) Funktionsgarantie?
(c) Haftungsbegrenzung
(d) Mängelanzeige (consegna e collaudo)
(2) Nichtigkeitsfolge nach Art. 5 III Legge Subfornitura: Mindestschutz?
(3) Änderungen des Zulieferprodukts und Vertragsanpassung
(4) Besonderheiten der Lieferkette: sub-subfornitura
c) Zwischenergebnis
2. Weitere Grenzen der Vertragsfreiheit
3. Berücksichtigung des Mitverschuldens (concorso di colpa del danneggiato)
4. Regelungen in Einkaufsbedingungen nach italienischem Recht
a) Geschuldete Beschaffenheit
b) Untersuchung und Mängelanzeige
c) Mängelgewährleistung
d) Mitverschulden des Bestellers und Haftung des Zulieferers für Sublieferanten
5. Resümee
IV. Haftung nach deutschem Recht
1. Vertragliche Haftung: Gewährleistungsrecht
a) Gewährleistungssystematik: Mangelbegriff und Rechtsfolgen
b) Gewährleistung und Lieferantenregress
c) Haftung gegenüber dem Endkunden
2. Außervertragliche Haftung für gewährleistungsrelevante Mängel
3. Mitverantwortung des Herstellers
a) Kaufrechtliche und handelsrechtliche Regelungen
(1) Untersuchung und Mängelanzeige
(2) Verkäuferschützender Charakter der Mängelanzeige
(3) Abdingbarkeit in Standardverträgen
(4) Weitere verkäuferschützende Regelungen im Kaufrecht
(5) Zwischenergebnis
b) § 254 I und II BGB – Mitverschulden bei Entstehung und hinsichtlich der Schadenshöhe
4. Grenzen der Vertragsfreiheit (insbesondere für Haftungsbeschränkungen)
a) Zwingendes Recht
b) Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, §§ 305 ff. BGB
c) Spezialgesetzliche Grenzen im nationalen Kartellrecht
d) §§ 138, 242 BGB: Sitten- und treuwidrige Abreden
5. Regelungen in Einkaufsbedingungen nach deutschem Recht
a) Vereinbarte Beschaffenheit
b) Untersuchung und Mängelanzeige
c) Mängelgewährleistung
d) Mitverschulden des Bestellers und Haftung für Sublieferanten
6. Resümee
V. Resümee
D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen des Herstellers und außervertraglicher Haftung (sicherheitsrelevante Fehler nach Inverkehrbringen)
I. Gemeinsame EU-rechtliche Vorgaben zur Haftungsverteilung
II. Innenausgleich nach englischem Recht
1. Haftungsgrundlagen
a) Außervertragliche Haftung: Tortious Liability
b) Besonderheiten beim Produktrückruf
2. Innenausgleich nach englischem Recht
3. Innenausgleich in Einkaufsbedingungen nach englischem Recht
4. Resümee
III. Innenausgleich nach italienischem Recht
1. Haftungsgrundlagen: außervertragliche Haftung
a) Produkthaftung
b) Rückrufpflichten im italienischen Recht
2. Innnenausgleich nach italienischem Recht
3. Innenausgleich in Einkaufsbedingungen nach italienischem Recht
4. Resümee
IV. Innenausgleich nach deutschem Recht
1. Haftungsgrundlagen im Außenverhältnis und Verkehrssicherungspflichten
a) Verkehrssicherungspflichten von Endhersteller und Zulieferer vor Inverkehrbringen
b) Haftung für präventive Maßnahmen: Warn- und Rückrufpflichten
(1) Deliktische Rückrufverpflichtung
(2) Besonderheiten beim Rückruf von Kraftfahrzeugen
(3) Rückrufpflicht des Zulieferers eingebauter Teile
c) Zwischenergebnis
2. Innenausgleich nach deutschem Recht
a) Grundlagen für den Regress im Innenverhältnis
b) Ausgleich nach der Mitverschuldensquote, § 254 BGB
c) Besonderheiten beim Rückruf
3. Innenausgleich in Einkaufsbedingungen nach deutschem Recht
4. Resümee
V. Resümee und Rückschlüsse zum Innenausgleich
1. Verantwortungszuweisung nach dem Verursachungsprinzip unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Zulieferbeziehung
a) Berücksichtigung der Verantwortlichkeitssphären und Verkehrssicherungspflichten
b) Haftung für das Funktionieren des Qualitätsmanagementsystems
2. Weitere Kriterien für den Innenausgleich
a) Ingerenz und Risikoerhöhung
b) Versicherungsvereinbarungen – Wer kann das Risiko wirtschaftlich übernehmen?
3. Fazit
E. Resümee: Eingeschränkte Governance in der Voice-Phase der Zulieferbeziehung
I. Voice-Elemente bei der Verteilung des Qualitätsrisikos
II. Governance-Perspektive
Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen
A. Einführung und Interessenlage
B. Vertragsbeendigung nach englischem Recht
I. Beendigungsrechte – termination
1. Beendigungsrechte aus Common Law und SGA 1979
2. Vertragliche Beendigungsrechte
3. Rechtsfolgen der Beendigung durch termination
II. Grenzen für die Ausübung von Beendigungsrechten
1. Waiver
2. Erheblichkeitsschwelle
III. Besonderheiten bei langfristig angelegten Zulieferbeziehungen
1. Zulässigkeit der Vereinbarung vertraglicher Beendigungsrechte
a) Kartellrechtliche Grenzen
b) Kontrolle von vertraglichen Beendigungsklauseln: Unfair Contract Terms Act
2. Rechte und Pflichten aus einer Rahmenvereinbarung (umbrella agreement)
3. Vertragsauslegung und Berücksichtigung von Kooperations- und Rücksichtnahmepflichten
IV. Einkaufsbedingungen nach englischem Recht
1. Bentley Motors
2. Ford Global Terms
V. Resümee
C. Vertragsbeendigung nach italienischem Recht
I. Beendigungsrechte
1. Risoluzione
2. Recesso
II. Grenzen für die Vereinbarung und Ausübung von Beendigungsrechten
1. Spezialgesetzliche Einschränkungen
a) Angemessene Kündigungsfrist
b) Nichtigkeitsfolge
2. Missbrauchstatbestand, Art. 9 Legge Subfornitura
a) Missbrauchstatbestand
b) Regelbeispiele
c) Rechtsprechung
(1) Tribunale di Bari: Milly Boutique c. Marina Babini (2002)
(2) Corte di Cassazione Civile: Mazda/Sidauto Vertragshändlernetz (2014)
(3) Tribunale di Roma: CTT c. RAI (2017)
(4) Zwischenergebnis
d) Berücksichtigung von Netzinteressen über Art. 9 Legge Subfornitura
e) Rechtsfolgen
3. Treu und Glauben (Verbot des abuso del diritto)
a) Corte di Cassazione Civile: Alibrandi e altri/Soc. Renault Italia (2009)
b) Tribunale di Bergamo (2017)
III. Einkaufsbedingungen nach italienischem Recht
IV. Resümee
D. Vertragsbeendigung nach deutschem Recht
I. Beendigungsmöglichkeiten beim Dauerschuldverhältnis
1. Ordentliche Kündigung und Beendigung durch Zeitablauf
2. Kündigung aus wichtigem Grund, § 314 BGB
3. Freie Kündigung bei nicht vertretbaren Sachen, § 648 i.V.m. § 650 S. 3 BGB?
4. Rücktrittsrechte
a) Allgemeines Rücktrittsrecht aus § 323 BGB
b) Spezielles Rücktrittsrecht aus § 376 HGB
II. Grenzen für die Vereinbarung von Beendigungsrechten
1. Wirksamkeit von AGB
a) Ausschluss von Kündigungsrechten und fristlose Kündigung
b) Kündigungsgründe
2. Kontrolle von Individualvereinbarungen nach §§ 242 und 138 BGB
III. Grenzen für die Ausübung von Beendigungsrechten
1. Kartellrechtlicher Auslaufschutz und Übergangsfristen
2. Besondere Kündigungsfristen
3. Grenzen bei der Ausübung von Kündigungsrechten, § 242 BGB
a) Erheblichkeitsschwelle
b) Investitionsschutz: Kündigungshemmung und/oder Ausgleichsansprüche?
4. Rechtsprechung: Entscheidung desLGDortmund in der Sache TWB/Volkswagen (2019)
5. Zwischenergebnis
IV. Einkaufsbedingungen nach deutschem Recht
E. Hold-up-Situation und gerichtlicher Rechtsschutz
I. Hold-up des Zulieferers: Lieferstopp
1. Leyland DAF v Automotive Products (1993)
2. Land Rover Group Ltd. v UPF (UK) Ltd. (2002)
3. Aston Martin Lagonda v Automotive Industrial Partnership (2009)
4. LG Braunschweig: Volkswagen AG ./. Car Trim GmbH (2016)
5. OLG Dresden: ES Automobilguss GmbH ./. Volkswagen AG (2018)
II. Hold-up des Abnehmers: Verweigerung des Abschlusses weiterer Lieferverträge für die Zukunft
III. Ergebnis
F. Resümee
I. Vertragspraxis
II. Berücksichtigung der Besonderheiten der Zulieferbeziehung und Einflussnahme der Rechtsordnungen
III. Governance der vorzeitigen Beendigung in Zulieferverträgen
1. Kündigungshemmnisse
2. Investitionsschutz, Übergangsfristen und Ausgleich vertragsspezifischer Investitionen
Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen und betrieblichem Know-how in der Zulieferbeziehung
A. Einführung und Interessenlage
I. Herausforderungen der engen Kooperation
II. Nutzung der Innovationspotentiale
III. Öffentliches Interesse und Agency-Situation
IV. Zwischenergebnis und Ausblick
B. Geheimnisschutz vor und während der Geschäftsbeziehung
I. Gemeinsame europäische Vorgaben für den Geheimnisschutz und nationale Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie
1. Geschäftsgeheimnis-Richtlinie
a) Begriff des Geschäftsgeheimnisses
b) Schutz der Geschäftsgeheimnisse
c) Rechtsfolgen und Sanktionen von Verletzungen des Geheimnisschutzes
2. Geheimnisschutz und Umsetzung der Richtlinie in Italien
a) Lauterkeitsrecht (Verbot der concorrenza sleale)
b) Recht des geistigen Eigentums
c) Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie
3. Geheimnisschutz und Umsetzung der Richtlinie in England
a) Breach-of-Confidence-Action
b) Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie
4. Neuordnung des Geheimnisschutzes in Deutschland
a) Wesentliche Änderungen durch das GeschGehG
b) Geheimnisschutz außerhalb des GeschGehG
II. Geheimnisschutz in der Praxis
1. Geheimhaltungsmaßnahmen im Unternehmen
2. Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen im Rechtsvergleich
3. Vertraglicher Geheimnisschutz
a) Vertraulichkeitsvereinbarungen (non-disclosure agreement, NDA)
b) Geheimhaltungsverpflichtungen in Allgemeinen Einkaufsbedingungen
III. Grenzen des vertraglichen Geheimnisschutzes
IV. Resümee
C. Entwicklungskooperationen: Verwertung und Nutzung von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen
I. Eigentum an und Verwertung von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen
1. Europäische Harmonisierung
2. Zuordnung der Rechte an Entwicklungsergebnissen in Forschungs- und Entwicklungskooperationen
3. Verwertung und Nutzung von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen
a) Übertragung
b) Lizenzierung
c) Besonderheiten der Übertragung und Lizenzierung von Geschäftsgeheimnissen im Rechtsvergleich
II. Europarechtliche Grenzen der rechtsgeschäftlichen Verwertung
1. Allgemeine Voraussetzungen, Art. 101 AEUV
2. Zulieferbekanntmachung der Kommission (1978)
3. Gruppenfreistellungsverordnungen
a) Technologietransfer-Vereinbarungen
b) Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen
c) Vertikale Gruppenfreistellungsverordnung
III. Weitere Grenzen der Verwertung und Nutzung im nationalen Recht
1. Grenzen nach italienischem Recht
2. Grenzen nach deutschem Recht
IV. Allgemeine Einkaufsbedingungen der Automobilindustrie
1. Rechte am geistigen Eigentum und den Geschäftsgeheimnissen des Herstellers
2. Gemeinsame Entwicklung, Rechte des Zulieferers und Entwicklungsergebnisse
V. Resümee
D. Besonderheiten bei vorzeitiger Vertragsbeendigung
I. Nachvertragliche Nutzungsrechte und Nachlaufzeiten
1. Nachvertragliche Nutzungsrechte
2. Zeitliche Bindungen
II. Geheimnisschutz im gerichtlichen Verfahren
III. Fazit
E. Resümee
Kapitel 5: Governance-Ansätze zwischen Exit und Voice. Resümee und Schlussbetrachtungen
A. Ausgangspunkt
B. Vertragliche Governance
C. Governance durch Vertragsrecht
I. Regelungsschwerpunkte
II. Art und Weise der Governance
III. Schlussfolgerungen
D. Fazit
Anhang: Legge Subfornitura (deutsche Übersetzung)
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Rechtliche Governance von Zulieferverträgen: Eine vergleichende Untersuchung in der Automobilindustrie zum deutschen, italienischen und englischen Recht. Dissertationsschrift
 9783161593895, 9783161593901, 3161593898

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 457 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer, Ralf Michaels und Reinhard Zimmermann

Fernanda Luisa Bremenkamp

Rechtliche Governance von Zulieferverträgen Eine vergleichende Untersuchung in der Automobilindustrie zum deutschen, italienischen und englischen Recht

Mohr Siebeck

Fernanda Luisa Bremenkamp, geboren 1990; Studium der Betriebswirtschaftslehre in Aachen (B.Sc.), Studium der Rechtswissenschaften in Berlin (Erste Juristische Prüfung), Rom (Laurea Magistrale in Giurisprudenza) und London (LL.M.); Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin; 2019 Promotion; derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität zu Köln; seit 2019 Referendariat am Landgericht Köln. orcid.org/0000-0001-7110-9861

ISBN 978-3-16-159389-5 / eISBN 978-3-16-159390-1 DOI 10.1628/978-3-16-159390-1 ISSN 0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Sommersemester 2019 als Dissertation angenommen und mit dem Fakultätspreis im Zivilrecht ausgezeichnet. Sie entstand im Rahmen des Europäischen Promotionskollegs „Einheit und Differenz im Europäischen Rechtsraum“ und befindet sich auf dem Stand von Sommer 2019. Neuere Rechtsprechung und Literatur konnte nur vereinzelt Berücksichtigung finden. Meinem Doktorvater, Professor Dr. Dr. Stefan Grundmann, LL.M., danke ich herzlichst für die lehrreiche und prägende Zeit als Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl, für seine wertvollen Anregungen und für seine stete Ermutigung und Förderung. Professor Dr. Eva Ine´s Obergfell danke ich für die engagierte Mitbetreuung und die zügige Zweitbegutachtung der Arbeit. Meine Arbeit hat maßgeblich auch von Gesprächen mit Forschern im Ausland profitiert, insbesondere mit Professor Guido Alpa (Universita` degli Studi La Sapienza in Rom) und Professor John Phillips (King’s College London). Diese Kontakte verdanke ich der Humboldt European Law School, deren internationale Ausrichtung den Ausgangspunkt für meinen rechtsvergleichenden Blick bildete. Wertvolle, zum Teil auch kritische Anregungen erhielt ich im Diskussionskreis des Europäischen Promotionskollegs. Hierfür danke ich den Mitkollegiaten und den beteiligten Professoren der Humboldt-Universität. Hilfreiche Einblicke in die Praxis zog ich aus Hintergrundgesprächen mit Juristen bei Automobilherstellern und -zulieferern im In- und Ausland. In der Abschlussphase und vor allem für die kartellrechtlichen Aspekte war der Austausch am Lehrstuhl von Professor Dr. Torsten Körber, LL.M., in Köln für mich sehr wertvoll. Für ihre Unterstützung beim Korrekturlesen danke ich Antonia Daszenies, Charlotte Förstmann und Insa Tilk. Besonderer Dank gilt schließlich meinen Eltern – meinem Vater auch als Diskussionspartner für rechtliche Fragestellungen. Den zeitlichen Freiraum ermöglichte mir die finanzielle Unterstützung durch das Promotionsstipendium des Landes Berlin (Elsa-Neumann-Stiftung). Meine Auslandsaufenthalte wurden gefördert von der HumboldtUniversität zu Berlin, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst sowie

VI

Vorwort

dem Erasmus-Programm der EU. Dem Verein zur Förderung des Center for Transnational Law (CENTRAL) e.V. und der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung danke ich für die großzügige Förderung der Drucklegung. Köln, im Mai 2020

Fernanda Luisa Bremenkamp

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXIII

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Disziplinärer Pluralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

C. Rechtsvergleich und Vertragspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

9

A. Merkmale von Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie . . .

9

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung in der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

C. Die Zulieferbeziehung in den untersuchten Rechtsordnungen (im Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

D. Resümee und Ausblick auf die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . .

89

Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos in der Zulieferbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

B. Risikovermeidung durch Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos . . . . . . . . . . . . . . .

100

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen des Herstellers und außervertraglicher Haftung (sicherheitsrelevante Fehler nach Inverkehrbringen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

143

VIII

Inhaltsübersicht

E. Resümee: Eingeschränkte Governance in der Voice-Phase der Zulieferbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177

Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

179

A. Einführung und Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

179

B. Vertragsbeendigung nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

181

C. Vertragsbeendigung nach italienischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . .

193

D. Vertragsbeendigung nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209

E. Hold-up-Situation und gerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . .

226

F. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

231

Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen und betrieblichem Know-how in der Zulieferbeziehung . . . . . . . . . .

235

A. Einführung und Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235

B. Geheimnisschutz vor und während der Geschäftsbeziehung . . . . . . .

238

C. Entwicklungskooperationen: Verwertung und Nutzung von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen . . . . . . . . . . . . . . .

261

D. Besonderheiten bei vorzeitiger Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . .

277

E. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

283

Kapitel 5: Governance-Ansätze zwischen Exit und Voice. Resümee und Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

285

A. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

285

B. Vertragliche Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

286

C. Governance durch Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

287

D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

290

Anhang: Legge Subfornitura (deutsche Übersetzung) . . . . . . .

293

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

297

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

315

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXIII

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Disziplinärer Pluralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

C. Rechtsvergleich und Vertragspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsvergleichender Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertragspraxis und private Standardsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 4 5

D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

9

A. Merkmale von Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie . . . I. Strategische Entscheidung für Outsourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertragliche und praktische Ausgestaltung der Zulieferbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Produktionsstruktur und Zulieferertypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systemzulieferer und Modullieferant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auftragsfertiger: Verlängerte Werkbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Standardteile-Zulieferer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Interessenstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gleichgerichtete Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entgegengesetzte Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorzeitige Beendigung der Zulieferbeziehung . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 9 11 12 12 13 14 14 14 15 15 17 17

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung in der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

X

Inhaltsverzeichnis

I.

Das Abhängigkeitsverhältnis in der Langzeitbeziehung – institutionenökonomische Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Transaktionskostentheorie und die Bedeutung beziehungsspezifischer Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Principal-Agent-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hold-up- und Lock-in-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Adverse Selection und Moral Hazard . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Incomplete Contract Theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Social embeddedness, Bedeutung des Netzwerkcharakters und standardisierte Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Theorie vom Relationalen Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Social embeddedness und Netzwerkeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Theorie langfristiger Vertragsnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerung kooperativer Zusammenarbeit und Contract Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Contract-Governance-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Governance through contract und Network Governance . . . . 3. Governance durch „Exit“ und „Voice“ in der Langzeitbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Governance of contracts: Choice Theory of Contract, ökonomische Analyse, Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Zulieferbeziehung in den untersuchten Rechtsordnungen (im Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangspunkt: Europarechtliche Entwicklungen . . . . . . . . . . . . 1. Bekanntmachung, Mitteilung und Leitfaden der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäisches Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen nach Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . II. Die Zulieferbeziehung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Einordnung der Zulieferbeziehung . . . . . . . . . . . . . a) Rahmenvertrag und Lieferabrufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Austauschvertragliche Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kooperative Elemente und lieferunabhängige Pflichten

19 21 22 23 24 24 26 27 27 29 30 31 32 32 33 36 38 39 40 40 41 41 42 42 44 45 45 45 46 47 48

Inhaltsverzeichnis

d) Dauerschuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzen der Vertragsfreiheit im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) AGB-rechtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) AGB-Kontrolle im unternehmerischen Verkehr . . . . . (3) Rechtsfolgen unangemessener Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Kritik am deutschen AGB-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zivilrechtliche Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kartellrechtliche Grenzen der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . a) Relative Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kleine und mittlere Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Missbrauchstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Praktische Relevanz für Automobil-Zulieferbeziehungen 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Zulieferbeziehung im italienischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelung der Zulieferbeziehung mit einem eigenen Gesetz . . . a) Contratto di subfornitura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ratio der Legge Subfornitura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Definition und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Unwirksamkeit bestimmter Klauseln – Schutz des Zulieferers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schriftform, Art. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zwingende Vertragsbedingungen, Art. 2 Nr. 4 und 5 (3) Zahlungsfristen, Art. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Generalklausel gegen den Missbrauch einer wirtschaftlichen Abhängigkeit – Art. 9 Legge Subfornitura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Privatrecht oder Kartellrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Regelbeispiele und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Contratto di rete – der italienische Netzvertrag . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeine Regeln des Codice Civile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Contratto di appalto und contratto di compravendita . . . . . b) Besonderheiten der Langzeitbeziehung: contratto di somministrazione . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bestimmtheit des Leistungsgegenstands . . . . . . . . . . . . (2) Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ausschließlichkeitsbindungen: Alleinbezug und Alleinvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI 48 49 50 50 51 51 52 53 54 55 56 57 58 59 59 60 61 62 62 62 65 65 66 66

66 66 67 68 68 69 71 71 72 73 73 73

XII

Inhaltsverzeichnis

4. AGB-Recht: condizioni generali . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formale Einbeziehungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Generalklauseln und Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kartellrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Zulieferbeziehung im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertraglicher Rahmen und rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . a) Vertragsrecht – Sale of Goods . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auslegungsregeln im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Auslegung von Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auslegung von Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umgang mit standardisierten Vertragsbedingungen . . . . . . . . . 3. Sonstige Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besonderheiten von Dauerschuldverhältnissen und Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) (Nach-)Verhandlungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Relational contract und good faith . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kartellrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit – Grenzen der Vertragsfreiheit und Reaktion auf die Besonderheiten der Zulieferbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74 74 74 75 76 76 76 77 78 78 79 79 79 81 82 82 84 85 87 87 88

D. Resümee und Ausblick auf die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . .

89

Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos in der Zulieferbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

B. Risikovermeidung durch Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung in der Automobilindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionen von Qualitätssicherungsvereinbarungen . . . . . . . . 2. Internationale Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erstbemusterungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dokumentationspflichten und Informationspflichten des Zulieferers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfragen im Zusammenhang mit Qualitätssicherungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

99 100

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos . . . . . . . . . . . . . . .

100

93 94 95 97 97

Inhaltsverzeichnis

I. Gemeinsame EU-rechtliche Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftung nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mängelgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Condition, innominate terms, warranty . . . . . . . . . . . . (2) Schadensersatzanspruch als primärer Rechtsbehelf b) Vereinbarte Beschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausdrückliche Vereinbarung (express terms) . . . . . . . . (2) Stillschweigende Vereinbarungen kraft Gesetz (terms implied at law) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Untersuchung und Anzeige von Mängeln . . . . . . . . . . . . . 2. Equity-Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Außervertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mitverschulden und Schadensminderungspflicht . . . . . . . . . . . a) Contributory negligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Duty to mitigate the loss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Grenzen der Vertragsfreiheit: Haftungsgrenzen . . . . . . . . . . . . a) Common Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unfair Contract Terms Act 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Regelungen in Einkaufsbedingungen nach englischem Recht a) Geschuldete Beschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untersuchung und Mängelanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mängelgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mitverschulden des Bestellers, Haftung des Zulieferers für Sublieferanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftung nach italienischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mängelgewährleistungssystem des contratto di appalto (1) Mängelbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gewährleistungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Untersuchung und Abnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Haftung für die Projektplanung – Mitverantwortung des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Änderungen des Werks während der Vertragsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Haftung für Subunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwingendes Recht der Legge Subfornitura . . . . . . . . . . . . (1) Mängelhaftung nach Art. 5 I und II Legge Subfornitura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Mängelarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Funktionsgarantie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII 101 101 102 102 103 103 104 104 104 105 106 107 107 108 109 109 109 110 111 112 112 113 113 114 115 115 115 115 116 116 117 117 118 118 119 119 120

XIV

Inhaltsverzeichnis

(c) Haftungsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Mängelanzeige (consegna e collaudo) . . . . . . . . . . . (2) Nichtigkeitsfolge nach Art. 5 III Legge Subfornitura: Mindestschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Änderungen des Zulieferprodukts und Vertragsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Besonderheiten der Lieferkette: sub-subfornitura . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Grenzen der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berücksichtigung des Mitverschuldens (concorso di colpa del danneggiato) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Regelungen in Einkaufsbedingungen nach italienischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschuldete Beschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untersuchung und Mängelanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mängelgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mitverschulden des Bestellers und Haftung des Zulieferers für Sublieferanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Haftung nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragliche Haftung: Gewährleistungsrecht . . . . . . . . . . . . . . a) Gewährleistungssystematik: Mangelbegriff und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewährleistung und Lieferantenregress . . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung gegenüber dem Endkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außervertragliche Haftung für gewährleistungsrelevante Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitverantwortung des Herstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kaufrechtliche und handelsrechtliche Regelungen . . . . . . (1) Untersuchung und Mängelanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verkäuferschützender Charakter der Mängelanzeige (3) Abdingbarkeit in Standardverträgen . . . . . . . . . . . . . . (4) Weitere verkäuferschützende Regelungen im Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 254 I und II BGB – Mitverschulden bei Entstehung und hinsichtlich der Schadenshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grenzen der Vertragsfreiheit (insbesondere für Haftungsbeschränkungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, §§ 305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121 121 122 122 123 123 124 124 125 125 126 126 127 128 129 129 129 130 131 132 132 132 132 133 133 134 135 135 135 135 136

Inhaltsverzeichnis

c) Spezialgesetzliche Grenzen im nationalen Kartellrecht d) §§ 138, 242 BGB: Sitten- und treuwidrige Abreden . . . . . . 5. Regelungen in Einkaufsbedingungen nach deutschem Recht a) Vereinbarte Beschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untersuchung und Mängelanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mängelgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mitverschulden des Bestellers und Haftung für Sublieferanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen des Herstellers und außervertraglicher Haftung (sicherheitsrelevante Fehler nach Inverkehrbringen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gemeinsame EU-rechtliche Vorgaben zur Haftungsverteilung II. Innenausgleich nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Außervertragliche Haftung: Tortious Liability . . . . . . . . . . b) Besonderheiten beim Produktrückruf . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Innenausgleich nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innenausgleich in Einkaufsbedingungen nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Innenausgleich nach italienischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftungsgrundlagen: außervertragliche Haftung . . . . . . . . . . . a) Produkthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückrufpflichten im italienischen Recht . . . . . . . . . . . . . . 2. Innnenausgleich nach italienischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innenausgleich in Einkaufsbedingungen nach italienischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Innenausgleich nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftungsgrundlagen im Außenverhältnis und Verkehrssicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verkehrssicherungspflichten von Endhersteller und Zulieferer vor Inverkehrbringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung für präventive Maßnahmen: Warn- und Rückrufpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Deliktische Rückrufverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Besonderheiten beim Rückruf von Kraftfahrzeugen (3) Rückrufpflicht des Zulieferers eingebauter Teile . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV 137 137 138 138 139 140 141 141 142

143 144 146 146 146 147 149 151 153 153 153 154 155 155 157 159 159 159 159 161 162 163 164 165

XVI

Inhaltsverzeichnis

2. Innenausgleich nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen für den Regress im Innenverhältnis . . . . . . . . b) Ausgleich nach der Mitverschuldensquote, § 254 BGB . . . c) Besonderheiten beim Rückruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innenausgleich in Einkaufsbedingungen nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Resümee und Rückschlüsse zum Innenausgleich . . . . . . . . . . . . . . 1. Verantwortungszuweisung nach dem Verursachungsprinzip unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Zulieferbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berücksichtigung der Verantwortlichkeitssphären und Verkehrssicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung für das Funktionieren des Qualitätsmanagementsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Kriterien für den Innenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ingerenz und Risikoerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Versicherungsvereinbarungen – Wer kann das Risiko wirtschaftlich übernehmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165 165 166 167 168 170 170

171 171 172 173 173 175 177

E. Resümee: Eingeschränkte Governance in der Voice-Phase der Zulieferbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Voice-Elemente bei der Verteilung des Qualitätsrisikos . . . . . . . . II. Governance-Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177 177 177

Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

179

A. Einführung und Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

179

B. Vertragsbeendigung nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beendigungsrechte – termination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beendigungsrechte aus Common Law und SGA 1979 . . . . . . . 2. Vertragliche Beendigungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen der Beendigung durch termination . . . . . . . . . . . II. Grenzen für die Ausübung von Beendigungsrechten . . . . . . . . . . 1. Waiver . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erheblichkeitsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten bei langfristig angelegten Zulieferbeziehungen 1. Zulässigkeit der Vereinbarung vertraglicher Beendigungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kartellrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

181 181 181 183 183 183 184 184 185 185 185

Inhaltsverzeichnis

b) Kontrolle von vertraglichen Beendigungsklauseln: Unfair Contract Terms Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechte und Pflichten aus einer Rahmenvereinbarung (umbrella agreement) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertragsauslegung und Berücksichtigung von Kooperationsund Rücksichtnahmepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einkaufsbedingungen nach englischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bentley Motors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ford Global Terms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vertragsbeendigung nach italienischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beendigungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Risoluzione . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recesso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grenzen für die Vereinbarung und Ausübung von Beendigungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Spezialgesetzliche Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Angemessene Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Missbrauchstatbestand, Art. 9 Legge Subfornitura . . . . . . . . . a) Missbrauchstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Tribunale di Bari: Milly Boutique c. Marina Babini (2002) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Corte di Cassazione Civile: Mazda/Sidauto Vertragshändlernetz (2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Tribunale di Roma: CTT c. RAI (2017) . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Berücksichtigung von Netzinteressen über Art. 9 Legge Subfornitura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Treu und Glauben (Verbot des abuso del diritto) . . . . . . . . . . . . a) Corte di Cassazione Civile: Alibrandi e altri/Soc. Renault Italia (2009) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tribunale di Bergamo (2017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einkaufsbedingungen nach italienischem Recht . . . . . . . . . . . . . . IV. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Vertragsbeendigung nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beendigungsmöglichkeiten beim Dauerschuldverhältnis . . . . . . . 1. Ordentliche Kündigung und Beendigung durch Zeitablauf . . .

XVII 185 186 188 190 190 191 191 193 193 193 195 196 197 197 197 198 198 200 201 201 202 203 203 203 204 204 205 206 206 208 209 209 209

XVIII

Inhaltsverzeichnis

2. Kündigung aus wichtigem Grund, § 314 BGB . . . . . . . . . . . . . 3. Freie Kündigung bei nicht vertretbaren Sachen, § 648 i.V.m. § 650 S. 3 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rücktrittsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines Rücktrittsrecht aus § 323 BGB . . . . . . . . . . . . b) Spezielles Rücktrittsrecht aus § 376 HGB . . . . . . . . . . . . . . II. Grenzen für die Vereinbarung von Beendigungsrechten . . . . . . . . 1. Wirksamkeit von AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluss von Kündigungsrechten und fristlose Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontrolle von Individualvereinbarungen nach §§ 242 und 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzen für die Ausübung von Beendigungsrechten . . . . . . . . . . 1. Kartellrechtlicher Auslaufschutz und Übergangsfristen . . . . . 2. Besondere Kündigungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen bei der Ausübung von Kündigungsrechten, § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erheblichkeitsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Investitionsschutz: Kündigungshemmung und/oder Ausgleichsansprüche? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsprechung: Entscheidung des LG Dortmund in der Sache TWB/Volkswagen (2019) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einkaufsbedingungen nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . .

210 211 212 212 212 214 214 214 216 216 217 217 219 220 220 221 223 223 224

E. Hold-up-Situation und gerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . I. Hold-up des Zulieferers: Lieferstopp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leyland DAF v Automotive Products (1993) . . . . . . . . . . . . . . 2. Land Rover Group Ltd. v UPF (UK) Ltd. (2002) . . . . . . . . . . 3. Aston Martin Lagonda v Automotive Industrial Partnership (2009) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. LG Braunschweig: Volkswagen AG ./. Car Trim GmbH (2016) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. OLG Dresden: ES Automobilguss GmbH ./. Volkswagen AG (2018) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Hold-up des Abnehmers: Verweigerung des Abschlusses weiterer Lieferverträge für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

226 227 227 227

F. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertragspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Berücksichtigung der Besonderheiten der Zulieferbeziehung und Einflussnahme der Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

231 231

228 229 229 230 230

231

Inhaltsverzeichnis

XIX

III. Governance der vorzeitigen Beendigung in Zulieferverträgen . . . 1. Kündigungshemmnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Investitionsschutz, Übergangsfristen und Ausgleich vertragsspezifischer Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

233

Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen und betrieblichem Know-how in der Zulieferbeziehung . . . . . . . . . .

235

Einführung und Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herausforderungen der engen Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzung der Innovationspotentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentliches Interesse und Agency-Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235 236 237 237 238

B. Geheimnisschutz vor und während der Geschäftsbeziehung . . . . . . . I. Gemeinsame europäische Vorgaben für den Geheimnisschutz und nationale Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie . . . . . . . 1. Geschäftsgeheimnis-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff des Geschäftsgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz der Geschäftsgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen und Sanktionen von Verletzungen des Geheimnisschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geheimnisschutz und Umsetzung der Richtlinie in Italien . . . a) Lauterkeitsrecht (Verbot der concorrenza sleale) . . . . . . . . b) Recht des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie . . . . . . . . . 3. Geheimnisschutz und Umsetzung der Richtlinie in England a) Breach-of-Confidence-Action . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie . . . . . . . . . 4. Neuordnung des Geheimnisschutzes in Deutschland . . . . . . . . a) Wesentliche Änderungen durch das GeschGehG . . . . . . . b) Geheimnisschutz außerhalb des GeschGehG . . . . . . . . . . II. Geheimnisschutz in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geheimhaltungsmaßnahmen im Unternehmen . . . . . . . . . . . . 2. Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen im Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertraglicher Geheimnisschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertraulichkeitsvereinbarungen (non-disclosure agreement, NDA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geheimhaltungsverpflichtungen in Allgemeinen Einkaufsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzen des vertraglichen Geheimnisschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

238

A. I. II. III. IV.

232 233

239 240 240 241 241 242 242 243 243 245 245 248 249 250 251 252 253 253 255 255 256 259 260

XX

Inhaltsverzeichnis

C. Entwicklungskooperationen: Verwertung und Nutzung von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen . . . . . . . . . . . . . . . I. Eigentum an und Verwertung von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Europäische Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuordnung der Rechte an Entwicklungsergebnissen in Forschungs- und Entwicklungskooperationen . . . . . . . . . . . . . 3. Verwertung und Nutzung von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lizenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten der Übertragung und Lizenzierung von Geschäftsgeheimnissen im Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . II. Europarechtliche Grenzen der rechtsgeschäftlichen Verwertung 1. Allgemeine Voraussetzungen, Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . 2. Zulieferbekanntmachung der Kommission (1978) . . . . . . . . . . 3. Gruppenfreistellungsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Technologietransfer-Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen . . . . . . . . . c) Vertikale Gruppenfreistellungsverordnung . . . . . . . . . . . . III. Weitere Grenzen der Verwertung und Nutzung im nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grenzen nach italienischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzen nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Allgemeine Einkaufsbedingungen der Automobilindustrie . . . . . 1. Rechte am geistigen Eigentum und den Geschäftsgeheimnissen des Herstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinsame Entwicklung, Rechte des Zulieferers und Entwicklungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

261 261 261 262 263 263 264 265 267 267 268 269 269 270 271 271 271 272 273 273 274 275

D. Besonderheiten bei vorzeitiger Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . . I. Nachvertragliche Nutzungsrechte und Nachlaufzeiten . . . . . . . . . 1. Nachvertragliche Nutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitliche Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geheimnisschutz im gerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

277 277 277 278 280 282

E. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

283

Inhaltsverzeichnis

XXI

Kapitel 5: Governance-Ansätze zwischen Exit und Voice. Resümee und Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

285

A. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

285

B. Vertragliche Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

286

Governance durch Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsschwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art und Weise der Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

287 287 288 289

D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

290

Anhang: Legge Subfornitura (deutsche Übersetzung) . . . . . . .

293

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

297

C. I. II. III.

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl. AcP AD AEUV aF AGB ANFIA ArGeZ Art. Aufl. Az. B2B BB BeckFormB BHW BeckOGK BeckOK BeckRS Begr. Beschl. v. BGB BGH BGHZ BKartA BT-Drucks. BVerfG bzw. CA CC CCZ Ch. CISG CLA CMA Cod. Cons. Comm. Corte Cass. Civ. CPA CPI CPR

anderer Ansicht Amtsblatt Archiv für civilistische Praxis Admiralty Division (High Court) Vertrag über die Arbeitsweisen der Europäischen Union alte Fassung Allgemeine Geschäftsbedingungen Associazione Nazionale Filiera Industria Automobilistica Arbeitsgemeinschaft Zulieferer Artikel Auflage Aktenzeichen Business-to-Business BetriebsBerater Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht beck-online.GROSSKOMMENTAR Beck’scher Online-Kommentar Beck-Rechtsprechung Begründung Beschluss vom Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundeskartellamt Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht beziehungsweise Competition Act, Court of Appeal Codice Civile Corporate Compliance Zeitschrift Chancery Division (High Court) UN-Kaufrechtsübereinkommen Civil Liability (Contribution) Act Competition and Markets Authority Codice del Consumo Commercial Court (High Court) Corte di Cassazione Civile Consumer Protection Act Codice della proprieta` industriale Civil Procedure Rules

XXIV d.h. D. Lgs. DB DC Decr. P.R. DIN DStR DTI DVSA EA ebd. ECLR EG EGV EIPR EPÜ ERCL ERPL etc. EU EUI MWP EWS F&E f./ff. FAZ FK GATT GDV GeschGehG GG ggf. GPSR GRUR GRUR-Int. GRUR-Prax GVG GVO GWB GWR HC HCA HGB HK-BGB HK-HGB HL Hrsg. i.d.R. i.S.d.

Abkürzungsverzeichnis das heißt Decreto Legislativo Der Betrieb District Court Decreto del Presidente della Repubblica Deutsches Institut für Normung e.V. Deutsches Steuerrecht Department for Trade and Industry Driver and Vehicle Standards Agency Enterprise Act ebenda European Competition Law Review Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Intellectual Property Review Europäisches Patentübereinkommen European Review of Contract Law European Review of Private Law et cetera (und so weiter) Europäische Union European University Institute Max Weber Programme Working Papers Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Forschung und Entwicklung folgende/fortfolgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Frankfurter Kommentar Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen Grundgesetz gegebenenfalls General Product Safety Regulations Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht,Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht Gerichtsverfassungsgesetz Gruppenfreistellungsverordnung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht High Court High Court of Australia Handelsgesetzbuch Handkommentar zum BGB Handkommentar zum HGB House of Lords Herausgeber in der Regel im Sinne des/der

Abkürzungsverzeichnis i.V.m. IAOB IATF ICC INS insbes. InTeR IP ISMS ISO/TS IWRZ JITE jurisPK-BGB JuS JZ Kap. KBA Kfz KOM KritV LG lit. LRA Ltd. m.w.N. MAH MMR MüKo BGB n. NDA NJOZ NJW NJW-RR NK-BGB Nr. NVWZ NZA NZBau NZKart OEM OFT OLG PatG PPF ProdHaftG ProdSG QBD

XXV

in Verbindung mit International Automotive Oversight Bureau International Automotive Task Force International Chamber of Commerce Innovation mit Normen und Standards insbesondere Zeitschrift zum Innovations- und Technikrecht Intellectual Property (Immaterialgüterrechte) Information-Security-Management-System Techische Spezifikation der International Organization for Standardization Zeitschrift für internationales Wirtschaftsrecht Journal of Institutional and Theoretical Economics Juris Praxiskommentar BGB Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kraftfahrzeug-Bundesamt Kraftfahrzeug Kommission Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Landgericht littera (= Buchstabe) Law Reform (Contributory Negligence) Act Limited mit weiteren Nachweisen Münchener Anwalts-Handbuch Zeitschrift für IT-Recht und Digitalisierung Münchener Kommentar zum BGB numero/number Non Disclosure Agreement Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nomos Kommentar zum BGB Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Kartellrecht Original Equipment Manufacturer Office of Fair Trade Oberlandesgericht Patentgesetz Produktfreigabeprozess Produkthaftungsgesetz Produktsicherheitsgesetz Queens Bench Division (High Court)

XXVI r+s RabelsZ RAW RdE RefE RegE RIW RL Rn. S. SBA SC SchiedsVZ Sec. Sez. SGA SMMT sog. StVG TCC TRIPS TT-GVO TT-Leitlinien Überbl. UCTA UN UrhG Urt. v. US UWG v.a. VDA VDMA VersR vgl. VO Vol. Vorb. VVG VW WRP WTO z.B. ZEuP ZfB zfo ZGE

Abkürzungsverzeichnis Recht und Schaden Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht Automobil Wirtschaft Recht der Energiewirtschaft Referentenentwurf Regierungsentwurf Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Satz; Seite(n) Small Business Act Supreme Court Zeitschrift für Schiedsverfahren Section Sezione Sale of Goods Act Society of Motor Manufacturers & Traders sogenannt Straßenverkehrsgesetz Technology and Construction Court Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-Vereinbarungen Leitlinien zur Anwendung von Art. 101 AEUV auf Technologietransfer-Vereinbarungen Überblick Unfair Contract Terms Act United Nations/Vereinte Nationen Urheberrechtsgesetz Urteil vom Vereinigte Staaten Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vor allem Verband der Automobilindustrie Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau Versicherungsrecht vergleiche Verordnung Volume (Band) Vorbemerkung Versicherungsvertragsgesetz Versicherungswirtschaft Wettbewerb in Recht und Praxis Welthandelsorganisation zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für Führung und Organisation Zeitschrift für Geistiges Eigentum

Abkürzungsverzeichnis ZGS ZHR ZIP ZPO ZRP z.T. ZVertriebsR ZVglRWiss ZWeR

XXVII

Zeitschrift für Vertragsgestaltung, Schuld- und Haftungsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil Zeitschrift für Vertriebsrecht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Wettbewerbsrecht

Einleitung A. Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie Die Unternehmen in der Automobilindustrie1 verfolgen eine Produktionsstrategie, die auf einen hohen Outsourcing-Anteil setzt und eine enge Zusammenarbeit zwischen Zulieferern und Herstellern voraussetzt. Automobilhersteller reagieren auf den internationalen Wettbewerb mit der Konzentration auf ihre Kernkompetenzen und der Verlagerung von Verantwortung und Risiko auf die Zulieferer.2 Probleme in einem Glied der Lieferkette bzw. in einem Knoten des Liefernetzes können zu Lieferstopp und Produktionsausfall beim Endhersteller des fertigen Automobils führen.3 Der VDA-Jahresbericht 2015 bezifferte die mittlere Fertigungstiefe in der Automobilindustrie mit 25 %, d.h. im Schnitt werden 75 % der Produktion von Zulieferern geleistet.4 Diese Aufteilung hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert. Die Produktionsstrategie erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulieferern, die über die meist kaufvertraglich geprägten Kunden-Lieferanten-Beziehungen deutlich hinausgeht. Durch diese Art der Kooperation rechtlich selbstständiger Unternehmen kann der Zugang zu Ressourcen erweitert werden, Risiken und Kosten werden diversifiziert und es lässt sich eine größere strategische Flexibilität erreichen. Sie fördert die Entwicklung der eigenen Kernkompetenzen und den Ausbau der Marke.5 Zwischenbetriebliche Kooperation setzt allerdings

1 Mit Ausnahme ausdrücklichen Ausweises ist mit „Automobilindustrie“ im Folgenden allein der Pkw-Bereich gemeint. 2 Vgl. Schneider, Modernes Sourcing in der Automobilindustrie, 2011, S. 199. 3 Das ist immer wieder in den Nachrichten. Beispielsweise fiel bei BMW 2017 zeitweise die Produktion aus, weil benötigte Lenkgetriebe nicht in ausreichender Zahl geliefert werden konnten: Magenheim, BMW will Schadensersatz von Bosch, 29.05.2017, , 30.07.2020. 4 Verband der Automobilindustrie: Jahresbericht 2015, , 30.07.2020. 5 Sydow/Möllering, Produktion in Netzwerken, 2015, S. 17; Dillerup/Stoi, Unternehmensführung, 2013, S. 480–481; Schneider, Modernes Sourcing in der Automobilindustrie, 2011, S. 39.

2

Einleitung

die Öffnung der internen Anwendungssysteme und Datenbanken für die Geschäftspartner und die Einräumung von Lizenzen oder die Weitergabe produktionstechnischer Informationen voraus.6 Dabei gehen die Beteiligten das Risiko der versehentlichen oder absichtlichen Modifikation von Daten sowie der unbefugten Verwendung und Weitergabe von Know-how ein.7 Hohe beziehungsspezifische Anfangsinvestitionen bergen zudem das Risiko in sich, bei frühzeitiger Auflösung der Lieferbeziehung nicht vollständig amortisiert zu sein. Auch die Zurechnung von Verantwortlichkeiten wird erschwert.8 Diesen Risiken wird durch den Aufbau einer Vertrauensbeziehung zwischen den Kooperationspartnern und durch die Einrichtung von Kontrollmechanismen begegnet.9 So erklären sich die Tendenz zu langfristigen Geschäftsbeziehungen und die Notwendigkeit eines ständigen und kontinuierlichen Informationsflusses in der Zulieferindustrie. Die Besonderheiten der Beziehung zwischen Zulieferern und Herstellern im Produktionsnetz in der Automobilindustrie führen dazu, dass der reine Austauschcharakter nicht mehr im Vordergrund steht, sondern darüber hinaus zahlreiche andere Interessen, insbesondere auch Kooperations- und Koordinierungserfordernisse eine Rolle spielen. Es stellt sich die Frage, wie diese Interessen im Wege rechtlicher Governance Berücksichtigung finden.

B. Disziplinärer Pluralismus Die skizzierten Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie sind Teil eines Phänomens, das nicht nur für die Rechtswissenschaft von Interesse ist, sondern auch in der ökonomischen und soziologischen Forschung untersucht wurde. Die Ökonomik und die Soziologie setzen sich dabei auch mit den Wirkungen und Bedingungen rechtlicher Regelungsansätze auseinander, freilich ausgehend von einer anderen Perspektive. Will man sich nicht auf die Auslegung eines Gesetzes beschränken, so erfordert die Reflektion und Fortentwicklung des Rechts einen umfassenderen Blick auf das untersuchte gesellschaftliche Phänomen.10 Das setzt die Auseinandersetzung auch mit anderen Gesellschaftswissenschaften voraus.11 6

Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, S. 13. König/Beimborn, in: Stanoevska-Slabeva (Hrsg.), 2004, 201 f. 8 Sydow/Möllering, Produktion in Netzwerken, 2015, S. 17. 9 König/Beimborn, in: Stanoevska-Slabeva (Hrsg.), 2004, 203 ff. 10 So auch Jansen/Reimann, ZEuP 2018, 89, 129. 11 Das fordert auch der deutsche Wissenschaftsrat: Wissenschaftsrat, Perspektiven der Rechtswissenschaft in Deutschland, Drs. 2558–12, 2012; für eine pluralistische Privatrechtstheorie zuletzt Grundmann, unveröffentlichtes Manuskript 2020; eine kommentierte Gesamtsicht einer internationalen und interdisziplinären Privatrechtstheorie bieten Grundmann/Micklitz/Renner (Hrsg.), Privatrechtstheorie, 2015. 7

C. Rechtsvergleich und Vertragspraxis

3

In der vorliegenden Arbeit werden vor allem ökonomische und soziologische Theorien berücksichtigt, die sich mit dem Phänomen langfristiger und/oder multilateraler Vertragsbeziehungen auseinandersetzen. Die Soziologie bietet empirische Untersuchungen und Erkenntnisse zur tatsächlichen Ausgestaltung solcher Vertragsbeziehungen und identifiziert mögliche Ursachen. Sie bildet damit gleichzeitig die Basis und den Spiegel für institutionelle Veränderung und die Bewertung von Governance-Mechanismen. Die Ökonomik liefert die ökonomischen Grundlagen für die konkret untersuchten Austausch- und Kooperationsbeziehungen. Sie zeigt Anreizstrukturen und Interessenkonflikte auf, die bei der rechtlichen Analyse zu berücksichtigen sind. In der Privatrechtstheorie12 steht der Langzeitvertrag seit den 1960er Jahren im Fokus. Die Entwicklungslinien gehen dabei von der Untersuchung der Vertrauensbeziehung (Relational Contract und Incomplete Contract) über die Theorie der Vertragsnetze bis hin zur Organisationstheorie. Diese drei zentralen Theoriestränge bilden den Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung, die sich anschließend an andere Arbeiten zu Zulieferbeziehungen13 damit auseinandersetzt, wie sich die Erkenntnisse dieser Theorien im konkreten Anwendungsfall abbilden lassen.14 Es wird untersucht, welche Formen der Regulierung oder der Contract Governance die Interessen der Parteien innerhalb des Netzwerks zur Geltung und zum Ausgleich bringen, ohne dabei die Interessen Dritter zu vernachlässigen.

C. Rechtsvergleich und Vertragspraxis Aufgrund der Globalisierung15 und der ähnlichen ökonomischen Strategien der Automobilhersteller (vor allem Just-in-time-Produktion und hoher Grad an Outsourcing) weisen Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie in Europa sehr ähnliche Strukturen auf, weshalb die rechtsvergleichende Un-

12

Gefolgt wird dabei der Privatrechtstheorie, wie sie in Grundmann/Micklitz/Renner (Hrsg.), Privatrechtstheorie, 2015 aufgearbeitet wird. Sie bringt sowohl rechtswissenschaftliche Forschung als auch Forschung anderer Gesellschaftswissenschaften zusammen. 13 Zentral Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999; Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993. 14 Gewissermaßen durch ein „Hin- und Herwandern des Blicks zwischen privatrechtlichem Problembezug und theoretischem Deutungsangebot“, Grundmann/Micklitz/Renner (Hrsg.), Privatrechtstheorie, 2015, S. 19. 15 Zur Governance von globalen Wertschöpfungsketten Eller, Rechtsverfassung globaler Produktion. Zur sozialen Aufgabe des Rechts der Globalisierung, (im Erscheinen).

4

Einleitung

tersuchung zusätzlichen Erkenntnisgewinn verspricht. Dabei wird nicht nur der jeweilige rechtliche Rahmen in den Blick genommen, sondern auch die korrespondierende Vertragspraxis.

I. Rechtsvergleichender Ansatz Verschiedene Rechtsordnungen bieten konkurrierende Lösungsansätze, die sich gegeneinander abwägen lassen.16 Da die Privatrechtstheorie nicht staatengebunden ist, verspricht der erweiterte Blick auf mehrere Rechtsordnungen ein besseres Verständnis für das Wechselspiel zwischen Regulierung, Interessenverteilung und Vertragspraxis.17 Neben Deutschland spielt die Automobilindustrie auch in England und Italien eine wichtige Rolle. Trotz europarechtlich bedingter Gemeinsamkeiten setzen sich diese Rechtsordnungen auf unterschiedlichen Ebenen mit den Besonderheiten solcher Vertragsbeziehungen auseinander. Dabei wird erwartet, dass die englische Rechtsordnung18 Regeln bereit hält, die den freien Handelsverkehr sehr weitgehend unterstützen und fördern, schließlich gilt das englische Recht als Recht der Händler und Kaufleute.19 In Italien wird der Zulieferindustrie seit den 1980er Jahren besondere Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie beigemessen. Das Zulieferwesen soll dort besonders gefördert und unterstützt, kleine und mittlere Unternehmen sollen geschützt werden. Dazu wurden gesetzliche Regeln geschaffen, die auch auf Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie einwirken.20 Ein lückenloser Vergleich ist freilich kaum möglich und auch nicht angestrebt. Nicht mit jeder aus der deutschen Diskussion bekannten Problemstellung haben sich auch die italienische oder die englische Rechtsordnung auseinandergesetzt. Beobachten lassen sich aber Schwerpunkte, die ein besonderes Regelungsinteresse geweckt haben.

16 Insoweit folgt die Untersuchung der Zielsetzung des Contract-Governance-Ansatzes, vgl. Grundmann/Möslein/Riesenhuber, in: dies. (Hrsg.), Contract Governance, 2015, S. 3, 5. 17 Vgl. die These in Grundmann/Micklitz/Renner (Hrsg.), Privatrechtstheorie, 2015, S. 3. 18 Wenn im Folgenden von dem „englischen Recht“ gesprochen wird, ist das Recht von England und Wales gemeint. 19 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 1996, S. 535. 20 Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, S. 32–33; hierzu später mehr.

C. Rechtsvergleich und Vertragspraxis

5

II. Vertragspraxis und private Standardsetzung Bei der Untersuchung der rechtlichen Governance darf die Vertragspraxis nicht außer Betracht bleiben. Die Ausgestaltung einer langfristigen Geschäftsbeziehung wird nur teilweise durch das Gesetzesrecht bestimmt. In der Praxis setzen die Parteien für ihre Wirtschaftsbeziehungen individuelles Recht. Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie werden durch ein komplexes Vertragswerk geregelt, das beispielsweise Allgemeine Einkaufsbedingungen, Rahmenliefervereinbarungen, Einzelbestellungen, Qualitätssicherungsvereinbarungen, Lagervereinbarungen, Transportvereinbarungen, Versicherungsvereinbarungen, Kontroll- und Dokumentationsvereinbarungen und Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen umfassen kann.21 Der Endhersteller in der Automobilindustrie verfügt gewöhnlich über besondere Markt- und damit Verhandlungsmacht und macht regelmäßig von ihm vorgegebene Regeln zum Vertragsgegenstand. Standardverträge sind dabei der Regelfall,22 individuelle Vertragsbedingungen für jede einzelne von einer Vielzahl von Zulieferbeziehungen wären aus Sicht des Automobilherstellers nicht effizient.23 Das spiegelt sich auch in der Wahl des anwendbaren Rechts in diesen Standardverträgen wider. Die privatvertragliche Wahl der Rechtsordnung bei grenzüberschreitenden Zulieferbeziehungen richtet sich regelmäßig nach dem Sitz des Abnehmers.24 Fast ausnahmslos wird die Wiener Vertragsrechtskonvention (UN-Kaufrecht/CISG) abbedungen und von der Opt-out-Option Gebrauch gemacht.25 Bei den Rechtswahlklauseln der Standardvertragswerke der Automobilhersteller spielt der „Wettbewerb der Rechtsordnungen“26 eine untergeordnete 21 Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, S. 22; Zirkel, NJW 1990, 345–346. 22 Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, S. 22–23. Das bestätigen auch eigene Befragungen von Rechtsabteilungen von Automobilunternehmen und in diesem Bereich spezialisierten Experten sowie die Sachverhaltsdarstellungen in einzelnen Urteilen, z.B. in LG Dortmund, Urt. v. 27.02.2019, Az. 8 O 19/18 Kart, NZKart 2019, 231, Vollversion abrufbar unter , und Land Rover Group Ltd. v UPF (UK) Ltd. [2002] EWHC 3183 (QBD). 23 Das Zuliefernetzwerk eines Automobilherstellers besteht meist aus über tausend Unternehmen – die Synchronisation der Vertragsbeziehungen durch den Hersteller erspart ihm erhebliche Transaktionskosten. Vgl. auch Kannowski, BB 2007, 2301, 2302. 24 So in den untersuchten Allgemeinen Einkaufsbedingungen regelmäßig der Fall. Das wurde der Autorin auch in Gesprächen mit den Rechtsabteilungen einiger Zulieferer und Hersteller bestätigt. Vgl. auch die Umfrageergebnisse von Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, S. 227. 25 Die Rechtslage nach der Wiener Vertragsrechtskonvention kann daher im Folgenden vernachlässigt werden. 26 Vgl. nur Romano, Journal of Law and Economics and Organization 1 (1985), 225, 233 ff.; Eidenmüller, JZ 2009, 641, 643.

6

Einleitung

Rolle – es obsiegt diejenige Rechtsordnung, in der sich die Rechtsabteilung des jeweiligen (global agierenden) Automobilherstellers am besten auskennt. Das ist die Heimatsrechtsordnung. Zwar enthält diese nicht immer die für den Hersteller günstigsten Regeln, die Hersteller sparen aber Kosten ein, die mit der Ausarbeitung spezieller Klauseln, mit der rechtlichen Risikofolgenanalyse sowie der Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung einhergehen.27 Gleichzeitig verfügen die Hersteller über jahrelange Erfahrung im Hinblick auf die Kosten der Rechtsverfolgung und kennen die gängige Rechtsprechung.28 Die Einigung auf eine andere Rechtsordnung ist für die Hersteller nicht effizient, insbesondere wenn sich die „Investition“ in die Erforschung dieser Rechtsordnung nicht amortisiert, weil sie nur in einer einzigen Beziehung zugrunde gelegt wird. Die Untersuchung der Standard-Einkaufsbedingungen der Automobilkonzerne, die ihren Sitz in einem der untersuchten Länder haben, verspricht vor diesem Hintergrund valide Einblicke in die Vertragspraxis.29 Für den amerikanischen Markt haben Ben-Shahar und White die Effizienz der in Standardverträgen getroffenen Regelungen untersucht.30 Sie kommen dabei zu dem Ergebnis, dass die amerikanischen Automobilhersteller zwar unterschiedliche allgemeine Regeln verwenden, aber auch immer wieder Risiken auf ähnliche Weise verteilen, beispielsweise die Risiken bei der Vertragsbeendigung.31 Eine vergleichbare Untersuchung der Standardverträge im europäischen Raum existiert nicht. Es konnte aber auf eigene Gespräche mit Juristen in Zuliefer- und Herstellerunternehmen sowie mit der Rechtsberatung in dieser Branche betrauten Anwaltskanzleien in Deutschland und Italien, teilweise auch auf Umfrageergebnisse aus qualitativen Erhebungen im Bereich der Just-in-time-Zulieferbeziehungen zurückgegriffen werden.32

27

Das gilt allgemein für die Anwendung von standardisierten Vertragsbedinungen, die bereits in der Praxis getestet wurden Kahan/Klausner, Virginia Law Review 83 (1997), 713, 719–724. 28 So auch Becker, Das Vertragsstatut der Outsourcing-Vereinbarung, 2010, S. 59–60. 29 Eine vollständige Wiedergabe der Vertragspraxis ist freilich nicht möglich. 30 Ben-Shahar/White, Michigan Law Review 104 (2006), 953, 953 ff. 31 Unterschiede z.B. bei der Verteilung des Qualitätsrisikos, Ben-Shahar/White, Michigan Law Review 104 (2006), 953, 958 ff. 32 Für Deutschland insbesondere Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002; Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996.

D. Gang der Untersuchung

7

D. Gang der Untersuchung Spannungsfelder in der Zulieferbeziehung sind insbesondere die Bereiche Sicherung der Produktqualität, Interessenausgleich bei Vertragsbeendigung und Schutz des geistigen Eigentums.33 In diesen Bereichen spiegeln die Vertragswerke auch die Berücksichtigung von Netzinteressen wider, etwa bei der Vereinbarung von Produktions- und Prozessfreigabeverfahren (Erstbemusterung) oder bei der Einräumung von Rechten an geistigem Eigentum.34 Diese drei Bereiche sind zugleich paradigmatisch für die in der Zulieferbeziehung auftretenden Governance-Fragen. Die beiden ersten Bereiche betreffen genuin vertragsrechtliche Probleme während der Dauer des Vertrags und bei dessen Beendigung. Fragen des Schutzes von geistigem Eigentum und von spezifischem Know-how sind eher außerhalb der Austauschbeziehung angesiedelt. Der Gang der Untersuchung folgt dieser Dreiteilung. Vorangestellt ist ein Eröffnungskapitel, das die theoretischen und rechtlichen Grundlagen für die Untersuchung der konkreten Problemschwerpunkte schafft.

33

Vgl. Ben-Shahar/White, Michigan Law Review 104 (2006), 953, 958. Näher zu netzspezifischen Problemen in Zulieferbeziehungen Bremenkamp, in: Mittwoch/Klappstein/Botthof/Bühner/Figge/Schirmer/Stöhr/Wolff (Hrsg.), 2016, 11 ff. 34

Kapitel 1

Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance? A. Merkmale von Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie Beispiel einer Automobilzulieferbeziehung ist die Produktion und Entwicklung von Cabrio-Dachsystemen, die vom Bundeskartellamt anlässlich eines Zusammenschlussvorhabens und der damit einhergehenden Marktanalyse näher untersucht wurde.1 Bei der Produktion von Cabrio-Dachsystemen sind einerseits Entwicklungsleistungen erforderlich (Konzeption und Konstruktion, Erprobung von Modellen), die mit hohen Kosten verbunden sind. Andererseits wird für die Produktion ein hoher Anteil modellspezifischer Werkzeuge und Maschinen benötigt: Diese werden oftmals vom Abnehmer (Automobilhersteller) finanziert und verbleiben in dessen Eigentum, während die modellunabhängigen Werkzeuge vom Zulieferer angeschafft werden. Auf diese Weise kann der Abnehmer bei einem Lieferstopp notfalls einen anderen Zulieferer mit der Produktion beauftragen, der Zulieferer die Maschinen und Werkzeuge während der laufenden Vertragsbeziehung unter Umständen aber auch für die Zulieferbeziehungen mit anderen Herstellern nutzen. Die Zusammenarbeit zwischen Zulieferer und Automobilhersteller ist dabei auf eine Dauer von ca. 10 Jahren ausgelegt (Entwicklung, Produktion) und setzt im Anschluss noch die Versorgung mit Ersatzteilen über einen mindestens ebenso langen Zeitraum voraus.

I. Strategische Entscheidung für Outsourcing Hintergrund einer solchen Zulieferbeziehung ist die strategische Entscheidung des Herstellers für Outsourcing durch Kooperation. Aus ökonomischer Sicht gibt es drei Entscheidungsalternativen für ein Tätigwerden am Markt: Eigenproduktion (Make), Fremdbezug (Buy) oder Kooperation (Cooperate).2 Die Eigenproduktion erfolgt effizienter Weise in 1

BKartA, Beschl. v. 21.5.2010 – B 9-29320 Fa-13/10, BeckRS 2016, 14460; unter A.4. sind die Produktionsbedingungen genauer beschrieben. 2 Sydow/Möllering, Produktion in Netzwerken, 2015, 21. Die Unterscheidung von Markt und Hierarchie ist zurückzuführen auf Williamson, The American Economic Re-

10

Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

einem hierarchisch aufgebauten Unternehmen, während der Fremdbezug den Regeln des Markts unterliegt. Durch Kooperation kann ein Unternehmen die Potentiale seiner Kernkompetenzen voll ausschöpfen und Knowhow, Kapital- sowie Kapazitätsgrenzen überwinden, ohne dabei auf Flexibilität verzichten und z.B. das Angebot an Modellvarianten einschränken zu müssen.3 In der Automobilindustrie hat sich in den letzten Jahrzehnten die Kooperationslösung als Produktionsstrategie etabliert. Das lässt sich unter anderem durch den mit der Globalisierung einhergehenden gesteigerten Wettbewerb erklären, der Oligopolrenditen verringert und die Unternehmen zu effizienteren Produktionsformen zwingt.4 Die von den Endherstellern verfolgte Outsourcing-Strategie zeichnet sich dadurch aus, dass eine Vielzahl der für die Herstellung des Endprodukts benötigten Zulieferteile von rechtlich selbstständigen Zulieferunternehmen bezogen wird, mit denen eine langfristige Geschäftsbeziehung besteht. Die Outsourcing-Strategie bringt für den Automobilhersteller strategische Vorteile mit sich: Es lassen sich Skaleneffekte bei den Zulieferern nutzbar machen und eine höhere Kapitalrentabilität erzielen, aber auch neues Know-how und Innovationspotentiale erschließen.5 Die Verteilung der einzelnen Produktionsschritte auf rechtlich selbstständige Unternehmen verbessert auch die Risikostreuung.6 Vorherrschend sind dabei Strategien, die es den Herstellern ermöglichen, Lagerhaltungskosten einzusparen, indem die einzelnen Produktionskomponenten direkt ans Band geliefert werden: Just-in-time- oder sogar Just-insequence-Produktion. Dabei werden Beschaffungs- und Produktionsprozesse synchronisiert und die Organisation der gesamten Wertschöpfungskette verändert.7 Die drei entscheidenden Elemente der Just-in-time-Produktion sind die Segmentierung der Fertigung, die produktionssynchrone Beschaffung sowie eine integrierte Informationsverarbeitung.8 Es werden einzelne Organisationseinheiten für die Fertigung einzelner Teile gebil-

view 63 (1973), 316; Williamson, Markets and hierarchies, analysis and antitrust implications, 1975. 3 Joppert Swensson, Luana F., EUI MWP 2012/28, 1, 1 f.; Picot/Dietl/Franck/Fiedler/ Royer, Organisation, 2012, 248; Glückler/Ne´meth/Melot de Beauregard, Paul, DB 2011, 2701. 4 Vgl. Helper/Levine, Journal of Law, Economics and Organization 8 (1992), 561, 567. 5 Vgl. Bernstein, Journal of Legal Analysis 7 (2015), 561, 611 ff. 6 Wildemann, Das Just-in-Time-Konzept, 2001, 43; Schneider, Modernes Sourcing in der Automobilindustrie, 2011, 56. 7 Wellbrock, Innovative Supply-Chain-Management-Konzepte, 2015, 103 f.; Wildemann, Das Just-in-Time-Konzept, 2001, 16. 8 Wildemann, Das Just-in-Time-Konzept, 2001, 32.

A. Merkmale von Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie

11

det, was die Vorteile von Massenfertigung und Werkstattfertigung miteinander verbindet.9 Für die Zulieferbeziehung besonders einschneidend ist das Element der produktionssynchronen Beschaffung. Sie macht eine dauerhafte Geschäftsbeziehung zwischen dem Zulieferer und Hersteller notwendig und geht regelmäßig mit einer informationellen Vernetzung der Unternehmen durch interne Plattformen und Informationsverarbeitungssysteme einher.10 Automobilhersteller verfügen über ein „Supplier Portal“, über welches der Austausch zentraler Geschäftsdaten – etwa Lieferabrufe, Transportdaten etc. – vollzogen wird. Beispiele sind das Daimler Supplier Portal und das VW Group Supply Portal.11 Auch die Einbindung des (System-)Zulieferers in die Produktions- und Entwicklungsprozesse des Herstellers durch Vereinbarung spezieller Qualitätssicherungs- und/oder Produktionssysteme wird erforderlich.12 In dieser engen Kooperation liegen auch Risiken für die Beteiligten: Sie führt zu gegenseitiger Abhängigkeit, Opportunismusrisiken und dem Abfluss von strategischem Wissen und Know-how. Der Endhersteller büßt dabei Steuerungsmöglichkeiten ein und verliert einen Teil seiner operativen Flexibilität.13

II. Vertragliche und praktische Ausgestaltung der Zulieferbeziehung In der Praxis erfolgt die Anbahnung einer Zulieferbeziehung gewöhnlich über eine Ausschreibung für die Entwicklung und Belieferung mit bestimmten Zulieferteilen und -komponenten. Über eine Nomination Letter oder ein Nomination Agreement wird der Zulieferer als Entwicklungs- und Serienlieferant nominiert,14 werden Qualitätsanforderungen definiert und bereits Termine für die Verwirklichung bestimmter Entwicklungs- bzw. Zwischenziele festgelegt. Bei Erfüllung der Vorgaben aus dem Nomination Agreement beginnt die Phase der Serienfertigung und -belieferung, während der der Be9

Wildemann, Das Just-in-Time-Konzept, 2001, 39. Wellbrock, Innovative Supply-Chain-Management-Konzepte, 2015, 103 f., Fettke, ZfB 77 (2007), 417, 447. Auch „Electronic Data Interchange“ (EDI), vgl. Nagel/Riess/ Theis, DB 1989, 1505, 1505. 11 Vgl. das VW Portal unter , 30.07.2020 und das Daimler Portal unter , 30.07.2020. 12 Z.B. Implementierung des World Class Manufacturing (WCM) Programms bei der Fiat Chrysler Gruppe: Netland: The World Class Manufacturing programme at Chrysler, Fiat & Co., , 30.07.2020. 13 Sydow/Möllering, Produktion in Netzwerken, 2015, 17; Schneider, Modernes Sourcing in der Automobilindustrie, 2011, 59. 14 Zum Nomination Letter Spehl/Schilling, BB 2013, 202. 10

12

Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

steller dem Zulieferer ggf. Fertigungsmittel für die Produktion zur Verfügung stellt. Zur Ausgestaltung der Serienbelieferung werden insbesondere die Liefermengen durch Maximalbedarf, Bedarfsvorschau sowie wöchentliche und schließlich tagesgleiche (Just-in-time)-Lieferabrufe konkretisiert. In der Regel finden die Allgemeinen Einkaufsbedingungen des Endherstellers im Wege der Inbezugnahme Anwendung.15

III. Produktionsstruktur und Zulieferertypen In der Automobilindustrie lassen sich stern- bzw. pyramidenförmige Produktionsstrukturen beobachten.16 Dabei nimmt der Hersteller des Endprodukts die Position des Fokals oder Kernpunktes ein, der die (rechtlich selbstständigen) Zulieferunternehmen koordiniert (fokales Produktionsnetz).17 Auch die Zulieferunternehmen verfügen ihrerseits über Zulieferbeziehungen untereinander oder zu Dritten, sodass sich ein vielfach verzweigtes und überkreuztes, sonnenartiges Netz bildet.18 1. Systemzulieferer und Modullieferant Der Automobilhersteller unterhält direkte vertragliche Beziehungen vornehmlich zu Systemzulieferern.19 Diese liefern ganze Module oder Kompletteile für den Einbau in das fertige Fahrzeug, die einen hohen Komplexitätsgrad aufweisen und auch als „Systemlösungen“ bezeichnet werden.20 Endhersteller arbeiten regelmäßig sehr eng mit den Systemzulieferern zusammen, auch im Bereich der Forschung und Entwicklung.21 Der Systemzulieferer verfügt üblicherweise über ausgeprägtes Produktions- und Prozess-Knowhow und investiert in die Entwicklung seines spezifischen High-End-Pro15 Vgl. etwa LG Braunschweig, Urt. v. 12.08.2016 – 21 O 1578/16, BeckRS 2016, 125240; LG Dortmund, Urt. v. 27.02.2019, Az. 8 O 19/18 Kart, NZKart 2019, 231, Vollversion abrufbar unter ; Land Rover Group Ltd. v UPF (UK) Ltd. [2002] EWHC 3183 (QBD). 16 Vgl. Wellenhofer, KritV 2006, 187, 187; Ben-Shahar/White, Michigan Law Review 104 (2006), 953, 955 f. 17 Dillerup/Stoi, Unternehmensführung, 2013, 492. 18 So für den amerikanischen Markt auch Bernstein, Journal of Legal Analysis 7 (2015), 561, 599. 19 Oftmals auch als Tier-1-Lieferanten bezeichnet. 20 Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, 45; Völker/Neu, Supply Chain Collaboration, 2008, 20. Solche Systemlösungen können beispielsweise das Einspritzsystem oder das Lenk- und Achssystem sein; vgl. Verband der Automobilindustrie: VDAEmpfehlung 4961/3 – Abstimmung der Datenlogistik in SE-Projekten, , 30.07.2020, 44 f. 21 König/Beimborn, in: Stanoevska-Slabeva (Hrsg.), 2004, 209.

A. Merkmale von Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie

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dukts. Die Verflechtungen zwischen Endhersteller und Systemzulieferer sind besonders ausgeprägt und es besteht ein hoher Koordinationsbedarf, beispielsweise werden Prototypen und Entwürfe gemeinsam geprüft und Wertanalysen durchgeführt.22 Systemzulieferer verfolgen ihrerseits eine Outsourcing-Strategie und bündeln Beziehungen zu Subzulieferern23, an die sie vielfach die Vertragsbedingungen ihrer eigenen Vertragsbeziehung mit dem Endhersteller weitergeben.24 Aufgrund der hohen Komplexität der Beziehung ist der Systemzulieferer oft der alleinige Zulieferer für ein bestimmtes System (sog. Single Sourcing). Modullieferanten beliefern die Systemzulieferer, teilweise aber auch direkt den Endhersteller, mit montagefertigen Einheiten wie beispielsweise dem Cockpit oder der Radaufhängung. Sie sind in die Entwicklung und Weiterentwicklung dieser Teile eingebunden und übernehmen typischerweise die geometrische Integration des Teils in das Fahrzeug.25 Die von den Modullieferanten hergestellten Zulieferteile weisen eine geringere Komplexität auf als die der Systemzulieferer. Auch die Vernetzung zwischen Zulieferer und Abnehmer ist typischerweise geringer.26 2. Auftragsfertiger: Verlängerte Werkbank Im Unterschied zum Systemzulieferer und zum Modullieferanten stellt der Auftragsfertiger seine Teile nach den Vorgaben des Abnehmers und (oft) mit vom Abnehmer beigestellten Produktionsmitteln her. Der Auftragsfertiger galt ursprünglich als paradigmatisch für die Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie. Von diesem Zulieferertyp geht die Europäische Kommission noch in ihrer Bekanntmachung aus dem Jahr 197827 aus und er ist auch das Leitbild der italienischen Legge Subfornitura aus dem Jahr 1998.28 Dieser Zulieferertyp agiert gleichsam als verlängerter Arm des Herstellers („verlängerte Werkbank“),29 ohne spezifisches eigenes Know-how oder eigene Entwicklungsleistungen einzusetzen.

22

Völker/Neu, Supply Chain Collaboration, 2008, 20. Sog. Tier–2 und Tier–3-Lieferanten. 24 Schneider, Modernes Sourcing in der Automobilindustrie, 2011, 33. 25 Verband der Automobilindustrie: VDA-Empfehlung 4961/3 – Abstimmung der Datenlogistik in SE-Projekten, , 30.07.2020, 44 f. 26 Völker/Neu, Supply Chain Collaboration, 2008, 19 f. 27 Europäische Kommission, Bekanntmachung vom 18. Dezember 1978 über die Beurteilung von Zulieferverträgen nach Art. 85 EWG-Vertrag, ABl. EG 1979 Nr. C 1/2, (Zulieferbekanntmachung 1978). 28 Legge 192/98 vom 18.06.1998; vgl. dazu ausführlich unter C. III. 29 Im englischen Sprachgebrauch „toll manufacturing“. 23

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

3. Standardteile-Zulieferer Als Standardteile-Zulieferer werden Zulieferer bezeichnet, die genormte Produkte herstellen und regelmäßig am unteren Ende der Wertschöpfungskette angesiedelt sind.30 Der Standardteile-Zulieferer entwickelt eigenständig standardisierte Einzelteile, die nicht oder kaum auf die Bedürfnisse eines speziellen Abnehmers ausgerichtet sind.31 In der Vertragsbeziehung mit diesem Zulieferer überwiegen die Charakteristika eines – ggf. in eine langfristige Geschäftsbeziehung eingebetteten – Austauschvertrags.32 Die Problematiken, die im Zentrum dieser Untersuchung stehen, sind bei diesem Zulieferertyp deutlich weniger ausgeprägt. 4. Resümee Die Untersuchung konzentriert sich auf Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie, die das Outsourcing von Produktionsleistungen zum Gegenstand haben: Der Zulieferer versorgt den Hersteller mit Produkten, die in das spätere Endprodukt eingebaut werden. Nicht behandelt werden Verträge über (unterstützende) Dienstleistungen, etwa im Bereich der Verwaltung, Sicherheit, Raumpflege,33 ebensowenig reine Entwicklungskooperationen. Das Augenmerk liegt auf rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen34 Systemzulieferern und Modullieferanten sowie Auftragsfertigern, da sich die Beziehungen zu diesen Zulieferern in besonderem Maße von den klassischen Austauschverträgen unterscheiden. Bei vertragsspezifischen Zulieferprodukten lässt sich ein höheres Maß an gegenseitiger Abhängigkeit beobachten.35

IV. Interessenstrukturen Die Outsourcing-Strategie der Automobilhersteller bringt es mit sich, dass im Unterschied zu reinen Austauschverträgen die Partein nicht nur entgegengesetzte Interessen verfolgen, sondern auch viele gleichgerichtete oder sogar gemeinsame Ziele haben.

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Völker/Neu, Supply Chain Collaboration, 2008, 19. Vgl. Verband der Automobilindustrie: VDA-Empfehlung 4961/3 – Abstimmung der Datenlogistik in SE-Projekten, , 30.07.2020, 40. 32 Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, 45. 33 So auch das Konzept der Legge Subfornitura im italienischen Recht, vgl. hierzu Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 182 f. 34 Bei Konzernunternehmen ist die Interessenstruktur eine andere. 35 So auch Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, 176. 31

A. Merkmale von Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie

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1. Gleichgerichtete Interessen Gemeinsames Interesse von Endhersteller und Zulieferern ist der Erfolg des Endprodukts am Markt. Alle Beteiligten sind daher grundsätzlich an einer hohen Qualität des End- wie des Zulieferprodukts interessiert und bereit, in die Aufrechterhaltung der Qualität und die Fortentwicklung des (Zuliefer-) Produkts zu investieren. Damit verfolgen sie zugleich Reputationsinteressen: Beide Seiten wollen ihren guten Ruf am Markt aufbauen und erhalten. So dienen Qualitätssicherungsvereinbarungen der Sicherung einer bestmöglichen Produktqualität und sollen zugleich die Reputation des Endherstellers bzw. des Endprodukts auf dem Absatzmarkt stärken.36 Prägend für das Interessengefüge innerhalb der Zulieferbeziehung ist auch ihr langfristiger Charakter. Zulieferverträge werden in der Regel für die Laufzeit eines Produkts abgeschlossen und sollen den Bedarf für die gesamte Lebenszeit eines Modells abdecken und auch die Versorgung mit Ersatzteilen sicherstellen.37 Der Abnehmer will die Belieferung durch den Zulieferer während des gesamten Produktionszeitraums sicherstellen, da ein Ausfall der Belieferung zum Bandstillstand führen und hohe Kosten für den Hersteller nach sich ziehen kann.38 Aber auch der spezialisierte Zulieferer hat ein starkes Interesse daran, den Hersteller während der gesamten Modelllaufzeit zu beliefern: Das gibt ihm Planungssicherheit, sichert langfristige Erträge und erlaubt die vollständige Amortisation seiner beziehungsspezifischen Investitionen39. 2. Entgegengesetzte Interessen Jede Vertragspartei ist in erster Linie daran interessiert, den eigenen Gewinn zu maximieren. So will der Abnehmer die Marktrisiken (Nachfrage- und Preisentwicklungen auf dem Absatzmarkt) auf den Lieferanten abwälzen.40 Das betrifft nicht nur den Ausgangspreis, sondern auch Nachverhandlungsoptionen. Insgesamt lässt sich ein Kostendruck des Herstellers auf den Zu36

Vgl. auch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999,

271. 37 Vgl. für das Beispiel der Cabrio-Dachsysteme BKartA, Beschl. v. 21.5.2010 – B 9-29320 Fa-13/10, BeckRS 2016, 14460. So im Übrigen auch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 91 f., König/Beimborn, in: StanoevskaSlabeva (Hrsg.), 2004, 209. Vgl. auch die Umfrageergebnisse von Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 226. 38 Das Risiko verstärkt sich, wenn das Zulieferprodukt nur von einem Zulieferer bezogen wird (Single Sourcing); vgl. z.B. für Cabrio-Dachsysteme BKartA, Beschl. v. 21.5.2010 – B 9-29320 Fa-13/10, BeckRS 2016, 14460, unter 7.1. 39 Also von Investitionen, die eine einzelne Vertragsbeziehung oder auch die gesamte Geschäftsbeziehung betreffen können. 40 Vgl. Budde/Geks, ZVertriebsR 2012, 37, 38.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

lieferer beobachten: Der Automobilhersteller versucht die Preise, die er den Zulieferern zahlt, gering zu halten. Darüber hinaus übernehmen Zulieferer insbesondere bei der Just-in-time-Lieferung klassische Aufgaben des Herstellers, wie Wareneingangskontrolle und Lagerhaltung, Qualitätssicherung sowie Forschungs- und Entwicklungsleistungen, die dem Hersteller eigene Ausgaben ersparen und die er gleichwohl nicht vergüten will.41 Antagonistisch sind auch das Interesse des Abnehmers an flexiblen Liefermengen und das Interesse des Zulieferers an größtmöglicher Planungssicherheit. Kommt es in der Lieferbeziehung zu Qualitätsproblemen, so stellt sich die Frage der Haftungsverteilung im Innenverhältnis. Der Hersteller hat dabei das Interesse, Haftungsrisiken weitgehend auf den Zulieferer abzuwälzen. Der Zulieferer läuft Gefahr, mit Haftungsrisiken konfrontiert zu werden, die nicht im Verhältnis zum Wert des Zulieferteils stehen, beispielsweise beim globalen Rückruf einer kompletten Modellreihe. Problematisch sind insbesondere Graubereiche, z.B. wenn sich die Verantwortung nicht eindeutig bei der einen oder der anderen Partei verorten lässt. Bei Kooperationen, die Entwicklungsleistungen umfassen, will der Hersteller die Innovationspotentiale des Zulieferers abschöpfen und auch für seine anderen Projekte nutzbar machen können. Der Zulieferer wird hingegen regelmäßig darauf Wert legen, sein Know-how zu schützen, insbesondere wenn Innovationen seine Kernkompetenzen betreffen. Solche gegenläufigen Interessen müssen durch rechtliche Regelungen aufgefangen werden. Wird dies allein den Vertragsparteien überlassen, so kommt in den Vertragsverhandlungen ein Machtungleichgewicht zugunsten des Endherstellers zum Tragen. Einer geringen Anzahl von global agierenden Automobilherstellern steht eine sehr viel höhere Anzahl an Zulieferunternehmen gegenüber, die, abgesehen von einigen prominenten Ausnahmen, vielfach kleine und mittlere Unternehmen sind. Typischerweise kann der Endhersteller daher in den Vertragsverhandlungen die Anwendung seiner Musterverträge und Bedingungswerke durchsetzen.42 Allerdings ist der Abnehmer auf die Kooperation der Lieferanten angewiesen. Während in den 1990er Jahren der Zulieferer häufig als schwächere Vertragspartei angesehen wurde, der ähnlich dem Verbraucher staatlichen Schutz benötigt,43 ergibt sich heute ein differenzierteres Bild. Viele Zulieferer haben auf Spezialisierung gesetzt, ihr Produktwissen und ihre Innovationspotentiale machen sie für den Endhersteller unentbehrlich.44 Die Anzahl der Wettbewerber auf dem 41

Vgl. auch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 38 f.; Martinek, Moderne Vertragstypen – Band III Computerverträge, Kreditkartenverträge sowie sonstige moderne Vertragstypen, 1993, 296. 42 Nickel/Nickel-Fiedler, r+s 2011, 459, 459. 43 So beispielsweise Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, 245 ff. 44 Vgl. zu den Entwicklungstendenzen Schneider, Modernes Sourcing in der Automobilindustrie, 2011, 45 f.

A. Merkmale von Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie

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Zulieferermarkt sinkt, teils aufgrund Marktaustritts von Zulieferern, teils aufgrund von Zusammenschlüssen.45 3. Vorzeitige Beendigung der Zulieferbeziehung Zur vorzeitigen Beendigung der Vertragsbeziehung kommt es, wenn die gleichgerichteten Interessen der Beteiligten die Aufrechterhaltung der Beziehung nicht mehr rechtfertigen – sei es aufgrund unlösbarer Qualitätsprobleme, Unwirtschaftlichkeit für den einen oder den anderen Vertragspartner oder auch, weil die Vertrauensbasis nachhaltig gestört ist. Auch bei Beendigung muss aus der Sicht des Herstellers die Belieferung zumindest so lange sichergestellt sein, bis er einen alternativen Zulieferer gefunden hat. Bei einer Single-Source-Beziehung kann der Hersteller auf einen Know-how-Transfer angewiesen sein, um die Modellaufzeit abzusichern. Der Zulieferer strebt hingegen Ausgleich seiner nicht amortisierten Investitionen an und muss sein Know-how schützen, insbesondere, wenn Kernkompetenzen betroffen sind.

V. Fazit Die strategische Entscheidung der Automobilhersteller für ein kooperatives Outsourcing führt zu Lieferbeziehungen, die über einen einfachen Kaufoder Werk(lieferungs)vertrag hinausgehen. Insbesondere der Systemzulieferer und der Modullieferant, aber auch der Auftragsfertiger, ist eng in die Produktionsorganisation des Herstellers eingebunden. Besonders ausgeprägt ist das bei der Just-in-time-Lieferung. Die Verknüpfung von Autonomie und Abhängigkeit in der Zulieferbeziehung46 führt zu einem Nebeneinander von gleichgerichteten und entgegengesetzten Interessen: So sind beide Vertragsparteien an einer langfristigen und engen Kooperation und an Planungssicherheit interessiert,47 haben aber zugleich gegenläufige Interessen, etwa bei der Preisbildung, aber auch bei der Zuweisung von Haftungsrisiken bei Qualitätsmängeln, beim Know-how-Schutz und nicht zuletzt im Falle einer vorzeitigen Beendigung der Lieferbeziehung.

45 Auf dem Markt von Cabrio-Dachsystemen hat das BKartA beispielsweise einen Zusammenschluss von Zulieferunternehmen nach § 40 II S. 1 i.V.m. § 36 I GWB untersagt, BKartA, Beschl. v. 21.5.2010 – B 9-29320 Fa-13/10, BeckRs 2016, 14460. Vgl. Dölle, Lieferantenmanagement in der Automobilindustrie, 2013, 64. 46 Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, 176.; S. Klein, Interorganisationssysteme und Unternehmensnetzwerke, 1996, 109; Männel, Netzwerke in der Zulieferindustrie, 1996, 33 47 Vgl. Budde/Geks, ZVertriebsR 2012, 37, 38.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung in der Theorie Die Outsourcing-Strategie in der Automobilindustrie führt zu Organisationen und Geschäftsmodellen, die zwischen den beiden Polen Markt (Buy) und Unternehmung (Make) situiert sind.48 Einerseits gehen diese Beziehungen über den klassischen, auch im BGB als Grundfall vorgesehenen, einmaligen Austauschvertrag (Spot-Vertrag) hinaus und die Akteure weisen eine organisatorische Verbundenheit auf, die sie zumindest teilweise dem Preiswettbewerb des Marktes entzieht. Andererseits bilden die Akteure keine einheitlichen Unternehmen und rechtliche Einheit, sondern behalten ihre Autonomie.49 Die Schwierigkeit der Einordung hat zu einer steten Diskussion und Erforschung langfristiger Kooperationsbeziehungen und Netzwerk-Kooperationen in den Wirtschaftswissenschaften geführt50 und ist ebenso von Soziologen51 und auch Rechtswissenschaftlern52 für ihre Untersuchungen fruchtbar gemacht worden. Bereits bei bilateralen Verträgen, die auf eine langfristige Zusammenarbeit ausgerichtet sind, ergeben sich aufgrund der Unterschiede zu den klassischen Spot-Verträgen einige Schwierigkeiten.53 In Langzeitbeziehungen lassen sich zentrale Aspekte der Vertragsbeziehung bei Abschluss des Vertrags nicht hinreichend bestimmen. Die damit einhergehenden Fragestellungen werden durch verschiedene Faktoren potenziert, insbesondere durch die üblicherweise hohen Anfangsinvestitionen, die zu einem nachträglichen „Lock-in“ einer oder beider Vertragsparteien – einem Abhängigkeitsverhältnis – führen. Entscheidend ist in diesen Situationen die Frage, wie Entscheidungen ex post

48 Dazu Powell, Research in Organizational Behavior 12 (1990), 295, 297. Auch etwa Franchising, Joint-Ventures oder Vertriebsnetzwerke. 49 Vgl. dazu auch Glückler/Ne´meth/Melot de Beauregard, Paul, DB 2011, 2701, 2701; Cafaggi, ERCL 2008, 493, 493. 50 Etwa Männel, Netzwerke in der Zulieferindustrie, 1996; Kirchner, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), 1993, 196 f.; Williamson, The economic institutions of capitalism, 1985; zum Teil wird die Diskussion auch unter dem Begriff Heterarchie geführt, vgl: Miura, in: Bevir (Hrsg.), 2007, 410: „A governance mechanism that is neither hierarchy nor market (anarchy) is usually called network. It is described as horizontal and nonhierarchical, but its basic organizing principle can more positively and appropriately be called heterarchy. [...] In a heterarchy a unit can rule, or be ruled by, others depending on circumstances, and hence, no one unit dominates the rest.“ 51 Insbes. Powell, Research in Organizational Behavior 12 (1990), 295. 52 V.a. unter dem Stichwort Theorie der Vertragsnetze, vgl. Möschel, AcP 1986, 187; Rohe, Netzverträge, 1998; Teubner, Netzwerk als Vertragsverbund, 2004; Grundmann, AcP 2007, 718; Amstutz/Teubner, Networks, legal issues of Multilateral co-operations, 2009. 53 Vgl. etwa Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, 43.

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung

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getroffen werden sollen, welche Nachverhandlungsmechanismen greifen und welche Risiken und externen Einflüsse es zu berücksichtigen gilt.54

I. Das Abhängigkeitsverhältnis in der Langzeitbeziehung – institutionenökonomische Hintergründe Die Institutionenökonomik ist eine wirtschaftswissenschaftliche Strömung, die von der neoklassischen Theorie abzugrenzen ist und sich mit dem Einfluss von Institutionen auf das Wirtschaftsleben befasst. Der Begriff Institution wird dabei sehr weit verstanden und umfasst „Einrichtungen […], die helfen, die Ungewißheiten des menschlichen Lebens zu verringern, das Treffen von Entscheidungen zu erleichtern und die Zusammenarbeit zwischen den Einzelnen zu fördern, so dass im Ergebnis die Kosten der Koordination wirtschaftlicher und anderer Aktivitäten abnehmen.“55 Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie sind regelmäßig durch umfangreiche Anfangsinvestitionen gekennzeichnet. Beispielsweise investieren Zulieferer oftmals in spezialisierte Maschinen, Zusatzqualifikationen, für die Produktion benötigte IP-Rechte oder sogar in einen neuen Produktionsstandort. Nicht zu vernachlässigen sind aber auch die Informationskosten und Verhandlungskosten, die für den Abschluss einer langfristigen Vertragsbeziehung erforderlich und regelmäßig weit höher sind als bei einmaligen Austauschverträgen.56 Aufgrund solcher beziehungsspezifischer Investitionen sind die Akteure davon abhängig, dass die Vertragsbeziehung mindestens solange andauert, bis sich ihre Investitionen über die erzielten Gewinne amortisiert haben.57 Der Effekt wird verstärkt, wenn es nur sehr wenige alternative Anbieter und Abnehmer für das Zulieferteil gibt („small numbers situation“).58 Bei vorzeitiger Vertragsbeendigung lässt sich die gesteigerte Produktionskapazität nicht unmittelbar und ohne weitere Kosten an einen neuen Abnehmer transferieren; ggf. sind Maschinen und Abläufe anzupassen.59 Durch die Ausrichtung des gesamten Geschäftsbetriebs eines Zulieferers auf die Belange und Wünsche des Abnehmers wird diese Abhängigkeit oftmals noch intensiviert. Dann würde die Beendigung der Geschäftsbeziehung dazu führen, dass die gesamte Produktion neu orientiert und reorganisiert werden 54

Vgl. Grundmann, ERPL 2010, 1055, 1070. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 2010, 8. 56 Vgl. etwa S. Klein, Interorganisationssysteme und Unternehmensnetzwerke, 1996, 105; Sydow/Möllering, Produktion in Netzwerken, 2015, 17; B. Klein, Economic Inquiry 34 (1996), 444, 446; Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, 43. 57 Vgl. Williamson, Journal of Law and Economics 22 (1979), 233, 242. 58 Williamson, Markets and hierarchies, analysis and antitrust implications, 1975, 26 ff. 59 Vgl. B. Klein, Economic Inquiry 34 (1996), 444, 446. 55

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

müsste.60 Das lässt sich insbesondere bei Zulieferern beobachten, die ursprünglich rechtlich abhängiger Teil des Abnehmers waren, aber dann ausgegliedert wurden und nun als eigenständige Unternehmer tätig sind. Die Abhängigkeit des Abnehmers ist auf der anderen Seite besonders prononciert, wenn er nur einen Zulieferer mit der Produktion eines komplexen Bauteils beauftragt hat (Single Sourcing) und aufgrund der hohen Spezifizität der Transaktion nicht kurzfristig zu einem alternativen Zulieferer wechseln kann. Wegen der produktionssynchronen Beschaffung können bereits kurzzeitige Lieferunterbrechungen hohe Verluste für den Abnehmer verursachen. Er investiert in die Zulieferbeziehung nicht zuletzt die Kosten, die die Auswahl und Instruktion des Zulieferers in Bezug auf Herstellerstandards in der Qualitätssicherung, Konstruktionsvorgaben und Produktabstimmung verursachen.61 Die spezifische Abhängigkeit des Abnehmers beim Single Sourcing kann aber umgekehrt auch dazu führen, dass ein Gleichgewicht zu den beziehungsspezifischen Investitionen des Zulieferers hergestellt wird, das die Stabilität der Beziehung sichert. Das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis in der Zulieferbeziehung wird an aktuellen Streitigkeiten zwischen Zulieferern und Automobilherstellern deutlich. Ein Beispiel ist der Konflikt zwischen Volkswagen und zwei Zulieferern aus der Prevent-Gruppe im Sommer 2016. Ein Lieferstopp der Zulieferer Car Trim (Sitzbezüge) und ES Automobilguss (Getriebeteile) führte zum vorübergehenden Produktionsstopp der Kernmodelle Golf und Passat.62 Das Landgericht Braunschweig verpflichtete die Zulieferer durch einstweilige Verfügung zur weiteren Belieferung auf Abruf bis Mai 2017;63 nach Verhandlungen ließen sich die Zulieferer auf eine Wiederaufnahme der Belieferung ein.64 Letztlich reagierte Volkswagen aber mit der Beendigung der Zulieferverträge mit Gesellschaften der Prevent-Gruppe.65 Die Prevent-

60 S. auch Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 15. 61 Schneider, Modernes Sourcing in der Automobilindustrie, 2011, 57. 62 NWZ Online: VW stellt Lieferverträge auf dem Prüfstand, , 30.07.2020. 63 LG Braunschweig, Urt. v. 12.08.2016 – 21 O 1578/16, BeckRS 2016, 125240. 64 Reiche, Jetzt streiten VW und Prevent in Brasilien vor Gericht, 24.06.2016 , 30.07.2020. Mittlerweile hat die Volkswagengruppe die Lieferbeziehungen mit den Unternehmen der Preventgruppe beendet; Eckl-Dorna, Der Niedergang des Zulieferer-Rebellen Prevent, 05.04.2018 , 30.07.2020. 65 Vgl. Eckl-Dorna, Der Niedergang des Zulieferer-Rebellen Prevent, 05.04.2018 , 30.07.2020; hierzu auch Kap. 3 E.

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung

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Gruppe liegt auch mit dem Automobilhersteller Daimler im Streit: Sie verlangt Schadensersatz wegen Nichterfüllung aus einem nach ihrer Auffassung unrechtmäßig beendeten Vertrag (unmittelbar nach Konditionenneuvereinbarung), während Daimler Prevent vorwirft, neue Konditionen mit der unrechtmäßigen Androhung eines Lieferstopps erzwungen zu haben. In dieser Sache steht eine Entscheidung noch aus.66 Das Maß der Abhängigkeit variiert je nach dem Stadium der Durchführung des Vertragsverhältnisses, nach der Art des Vertragsgegenstands und nach der konkreten Ausgestaltung der Geschäftsbeziehung. 1. Transaktionskostentheorie und die Bedeutung beziehungsspezifischer Investitionen Einen Ansatz für die Analyse und Erklärung des Abhängigkeitsverhältnisses in Langzeitverträgen bietet die Transaktionskostentheorie, die sich mit der Organisation von Austauschbeziehungen zwischen spezialisierten Akteuren in arbeitsteiligen Wirtschaftssystemen beschäftigt.67 Danach entstehen Unternehmen, weil der Fremdbezug am Markt mit Kosten verbunden ist (etwa für Informationen über Preise und für Verhandlung/Abschluss von Verträgen) und die Organisation innerhalb eines Unternehmens das Einsparen dieser Kosten erlaubt.68 Bei zunehmender Größe eines solchen Unternehmens macht es nach Coase immer weniger Sinn, Transaktionen zu internalisieren. Eine wachsende Anzahl an internen Transaktionen69 ist schwieriger zu koordinieren und kann die optimale Ressourcenauslastung innerhalb eines Unternehmens verhindern. Sobald also die Kosten der Eigenproduktion denen des Fremdbezugs entsprechen, entscheidet sich der rationale Unternehmer für den Fremdbezug dieses Produkts – diesen Wendepunkt bezeichnet Coase als „diminishing returns to management“.70 Es werden dabei zwei zentrale Verhaltensannahmen zugrunde gelegt: begrenzte Rationalität der Akteure71 und das Streben nach individueller Nut-

66 Automobilwoche, Prevent gegen Daimler: 40 Millionen? Nicht nachvollziehbar, 23.05.2019 , 30.07.2020. 67 Im Überblick Picot/Dietl/Franck/Fiedler/Royer, Organisation, 2012, 70. 68 Coase, Economica 4 (1937), 386, 392; Williamson, Markets and hierarchies, analysis and antitrust implications, 1975. 69 Im Sinne des Einsatzes eigener Ressourcen. 70 Coase, Economica 4 (1937), 386, 394 f. 71 Begrenzte Rationalität (bounded rationality) beschreibt die Annahme, dass ökonomische Akteure rational handeln wollen, ihr Handeln aber tatsächlich aufgrund der limitierten menschlichen kognitiven Ressourcen begrenzt rational ist; der Begriff wird zurückgeführt auf Herbert A. Simon, siehe z.B. Simon, Models of Man, 1957; Newell/Simon, Human problem solving, 1972; Simon, Administrative behavior, 1976.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

zenmaximierung unter Nutzung von Opportunismuspotentialen72.73 Letztere ergeben sich unter Unsicherheit und werden durch beziehungsspezifische Investitionen verstärkt.74 Ausgangspunkt ist dabei der methodologische Individualismus, d.h. Handlungen, Entscheidungen und Anreizwirkungen auf das Individuum stehen im Zentrum der transaktionskostentheoretischen Untersuchungen.75 Vergleichsmaßstab ist die pareto-optimale, also ökonomisch effiziente Ressourcenverteilung.76 Nach der Transaktionskostentheorie kommt es zur vollständigen vertikalen Integration innerhalb einer Unternehmung, wenn unter Berücksichtigung von Unsicherheit, Opportunismusrisiken und Transaktionskosten die Vorteile des Bezugs am Markt nicht überwiegen.77 Hybride Organisationsformen sind insbesondere bei mittlerer „strategische Bedeutung, Spezifizität und Unsicherheit“ die effiziente Alternative.78 Allerdings spielen noch andere Faktoren bei der Bewertung der Produktionsstrategie eine Rolle. 2. Principal-Agent-Beziehung Die Principal-Agent-Theorie ist ebenfalls ein Ansatz der Institutionenökonomie. Entsprechend gelten die gleichen Grundannahmen wie in der Transaktionskostentheorie: individuelle Nutzenmaximierung, begrenzte Rationalität und Berücksichtigung von Opportunismusrisiken. In der PrincipalAgent-Beziehung beauftragt der Prinzipal (Auftraggeber) den Agenten (Auftragnehmer) mit einer Leistung und delegiert dabei Entscheidungsbefugnisse.79 Zur Bewertung von Entscheidungsalternativen werden die sog. Agencykosten herangezogen: d.h. die Kosten des Prinzipals, Anreiz- und Überwachungsstrukturen zu schaffen, die Signalisierungskosten des Agen-

72 Opportunismus bezeichnet dabei das ggf. unfaire Ausnutzen von Gelegenheiten, Vorteile zu Lasten des Vertragspartners zu ziehen. 73 Vgl. Williamson, Markets and hierarchies, analysis and antitrust implications, 1975, 21 f. 74 B. Klein/Crawford/Alchian, Journal of Law and Economics 21 (1978), 297, 298 ff.; Williamson, Markets and hierarchies, analysis and antitrust implications, 1975, 26 ff. 75 S. etwa Picot/Dietl/Franck/Fiedler/Royer, Organisation, 2012, 40. 76 Vgl. Schweizer, Vertragstheorie, 1999, 194. Ein Zustand ist nach dem Pareto-Kriterium optimal, wenn es nicht mehr möglich ist, die Wohlfahrt der einen Partei zu maximieren, ohne gleichzeitig die eines anderen zu verringern. Zurückzuführen auf die Nutzentheorie des italienischen Ökonomen Vilfredo Pareto, insbes. Pareto, Manuale di Economia Politica, 1906. 77 B. Klein/Crawford/Alchian, Journal of Law and Economics 21 (1978), 297, 298. 78 Picot/Dietl/Franck/Fiedler/Royer, Organisation, 2012, 86; vgl. auch die grafische Darstellung bei Me´nard, JITE 160 (2004), 1, 25. 79 Zentral Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 1976, 305; Fama/Jensen, Journal of Law and Economics 26 (1983), 301.

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung

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ten im vorvertraglichen Bereich sowie sonstige Nachteile (Wohlfahrtsverlust80).81 Die Theorie basiert auf der Annahme, dass der Prinzipal in einer AgencyBeziehung damit rechnen muss, dass der Agent aufgrund von Informationsasymmetrien entstehende Verhaltensspielräume zu seinen Gunsten und auch auf Kosten des Prinzipals versuchen wird auszunutzen.82 Die Lösung des Principal-Agent-Ansatzes besteht darin, Anreizmechanismen zu schaffen, die solch opportunistisches Verhalten weitestmöglich reduzieren und zu einem Interessengleichlauf zwischen Agent und Prinzipal führen.83 a) Hold-up- und Lock-in-Effekt Die Situation des Hold-up, die auf den Abhängigkeitsverhältnissen bei beziehungsspezifischen Investitionen (Lock-in-Effekt) beruht, ist ein paradigmatisches Problem in der Principal-Agent-Theorie.84 Hold-up bezeichnet das Zurückhalten der geschuldeten Leistung durch eine der Vertragsparteien, um so Druck auf die andere Vertragspartei auszuüben. Aktuelle Beispiele sind die vorstehend skizzierten Auseinandersetzungen zwischen der PreventGruppe und den Automobilherstellern Volkswagen und Daimler, bei denen Prevent die Nichtbelieferung als Druckmittel einsetzte. Es stellt sich die Frage, wie der Prinzipal den Agenten trotz der Hold-upSituation dazu motivieren kann, in seinem Interesse zu handeln. Die Principal-Agent-Theorie konzentriert sich dabei vor allem auf die indirekte Verhaltenssteuerung. Eine Möglichkeit ist die Angleichung der Interessen der Akteure durch Anreizsteuerung85, etwa durch strukturierte Kompensationsmechanismen, Risikoverteilung und Schaffung geeigneter Institutionen; die Alternative ist die vertikale Integration innerhalb einer Organisationseinheit.86

80

Nutzen aller Individuen einer Volkswirtschaft bei gesamtwirtschaftlicher Betrach-

tung. 81

Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 1976, 305, 308 insbes. zu Überwachungsmechanismen Alchian/Demsetz, The American Economic Review 62 (1972), 777, 782. 82 Picot/Dietl/Franck/Fiedler/Royer, Organisation, 2012, 89 ff. 83 Vgl. auch Love, JITE 166 (2010), 479, 493. 84 Eine typische Situation auch in langfristigen Zulieferbeziehungen, siehe oben unter B. I. 1. 85 Vertiefend Holmström/Milgrom, Journal of Law, Economics and Organization 7 (1991), 24. 86 Picot/Dietl/Franck/Fiedler/Royer, Organisation, 2012, 98 f.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

b) Adverse Selection und Moral Hazard Die Principal-Agent-Theorie identifiziert neben der Hold-up-Situation zwei weitere paradigmatische Probleme: Adverse Selection und Moral Hazard. Adverse Selection beschreibt die Schwierigkeit für den Prinzipal, die Qualitäten des Agenten vor Vertragsschluss trotz Informationsasymmetrien zuverlässig abzuschätzen. Das Risiko, dass der Agent nachträglich auftretende Informationsasymmetrien auf Kosten des Prinzipals ausnutzt, wenn der Prinzipal die Handlungen des Agenten zwar beobachten, aber nicht qualitativ bewerten kann, wird als Moral Hazard bezeichnet.87 Beispielsweise kann der Prinzipal bei Entwicklungskooperationen nicht sicher beurteilen, ob der andere Vertragspartner wirklich sein Bestes gibt, das Vertragsprodukt zu optimieren. Das Risiko wird in Langzeitbeziehungen dadurch erhöht, dass ex ante Unsicherheit bezüglich verschiedener Merkmale der vertraglichen Leistung (z.B. Produktspezifikation, Bestellvolumina) besteht. Die daraus resultierende Unvollständigkeit der vertraglichen Regelungen kann dann von einer der Vertragsparteien auf Kosten der anderen ausgenutzt werden.88 Wenn keine verbindliche Festlegung besteht, können ungenügende Bemühungen des Vertragspartners nicht nachgewiesen und daher auch nicht durch Rechtsschutz oder die Androhung von Vertragsstrafen vermieden werden.89 Eine Interessenangleichung soll hier beispielsweise über vertragliche Klauseln erreicht werden können, die Haftungsrisiken umverteilen oder leistungsbasierte Preismechanismen vorsehen.90 Moral Hazard kann auch dadurch begegnet werden, dass die Informationsasymmetrie zwischen Agent und Prinzipal durch Kontrollmechanismen (Monitoring) abgeschwächt wird, um so Opportunismus zu vermeiden.91 3. Incomplete Contract Theory Die „Theorie des unvollständigen Vertrags“92 – auch moderne PropertyRights-Theorie93 – berücksichtigt im Unterschied zum Principal-Agent87

Vgl. Picot/Dietl/Franck/Fiedler/Royer, Organisation, 2012, 92–93; Milgrom/Roberts, Economics, organization and management, 1992, 167. 88 Grundmann/Cafaggi/Vettori, in: Grundmann/Cafaggi/Vettori (Hrsg.), 2013, 12. 89 Vgl. Klausner, in: Grundmann/Möslein/Riesenhuber (Hrsg.), 2015, 224. 90 S. Milgrom/Roberts, Economics, organization and management, 1992, 206 ff. Eine Strömung der ökonomischen Analyse des Rechts beschäftigt sich damit, wie das Privatrecht die Lücken in unvollständigen Verträgen füllen kann: im Überblick H.-B. Schäfer/ Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2012, 433 ff. 91 Picot/Dietl/Franck/Fiedler/Royer, Organisation, 2012, 97 f. 92 Maßgeblich Grossman/O. D. Hart, Journal of Political Economy 94 (1986), 691; O. D. Hart/Moore, Econometrica 56 (1988), 755. Auch Tirole, Econometrica 67 (1999), 741. 93 Zu der Bezeichnung siehe Love, JITE 166 (2010), 479, 488.

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung

25

Ansatz auch diejenigen Kosten, die mit Nachverhandlungen einhergehen, wenn ex ante nicht alle Konflikte zwischen den Vertragspartnern vertraglich geregelt wurden und der Vertrag insoweit unvollständig ist.94 Ausgangspunkt ist auch hier das Modell beziehungsspezifischer Investitionen, die zu einem Hold-up-Risiko in der Geschäftsbeziehung führen. Die Theorie des unvollständigen Vertrags ist maßgeblich auf Oliver Hart und seine Koautoren zurückzuführen.95 Grundannahme ist, dass die Vertragsparteien eine langfristige Beziehung unter anderem wegen hoher Anfangsinvestitionen eingehen und dabei nicht alle vertragsrelevanten Fragestellungen ex ante geregelt werden können. Gründe hierfür sind die Unsicherheit künftiger Entwicklungen und die Transaktionskosten, die mit sehr ausführlichen, allumfassenden Vertragswerken einhergehen: das umfasst den Entwurf der Klauseln, die Verhandlung einzelner Klauseln sowie Nachteile aus der Unübersichtlichkeit sehr umfangreicher Vertragswerke.96 Für die Vertragsparteien kann es im Ergebnis günstiger sein, eventuelle Nachverhandlungskosten in Kauf zu nehmen, anstatt alle denkbaren Konfliktfälle vorab zu bedenken und zu regeln.97 Die vertraglichen Pflichten lassen sich dann oftmals nicht vor Gericht durchsetzen, da sich ihre Erfüllung von Dritten und auch den Gerichten nur schwer überprüfen lässt. Die Parteien greifen daher auf andere Governance-Mechanismen zurück, um Opportunismusrisiken zu vermeiden. Eine Hold-up-Situation wird nicht entstehen, wenn es für den betroffenen Vertragspartner ökonomisch sinnvoller ist, sich vertragstreu zu verhalten und auf lange Sicht Gewinne zu erzielen, als kurzfristig den Vertrag zu brechen. Lösungsvorschlag des Modells der Incomplete Contracts ist zudem, Kontrollrechte derjenigen Vertragspartei vertraglich zuzuordnen, die die größeren Einflussnahmemöglichkeiten hat.98 Das kann beispielsweise über eine hierarchische Organisation der Vertragsbeziehungen – wie in Produktionsnetzwerken oftmals der Fall – geschehen.99

94

So O. D. Hart, Firms, contracts, and financial structure, 1995, 21, 25. Für seinen Beitrag zur Vertragstheorie (insbes. Incomplete Contracts) wurde Oliver D. Hart 2016 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet; , O. D. Hart, Firms, contracts, and financial structure, 1995; Grossman/O. D. Hart, Journal of Political Economy 94 (1986), 691; O. D. Hart/Moore, Econometrica 56 (1988), 755. 96 O. D. Hart, Firms, contracts, and financial structure, 1995, 23. 97 So B. Klein, Economic Inquiry 34 (1996), 444, 447; auch Fici, Il contratto incompleto, 2005, 120. 98 Kloyer, Managerial and Decision Economics 32 (2011), 457, 458. Hierin liegt auch die Parallele zum Property-Rights-Ansatz, dazu Furubotn/Pejovich, Journal of Economic Literature 10 (1972), 1137; Alchian/Demsetz, Journal of Economic History 33 (1973), 16. 99 Me´nard, JITE 160 (2004), 1, 23 f. 95

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

Auch durch Selbstregulierungs-Mechanismen (self-enforcing) lassen sich (nachvertragliche) Transaktionskosten reduzieren.100 Selbstregulierend wirken beispielsweise Klauseln, die Vertragsstrafen vorsehen, oder ein Mechanismus, der bei Vertragsverletzung einen Reputationsverlust auf dem Markt auslöst. Solange solche Faktoren dazu führen, dass es sich bei einer KostenNutzen-Gegenüberstellung nicht lohnt, eine Hold-up-Option auszuschöpfen, ist eine gerichtliche Rechtsdurchsetzung entbehrlich.101 Allerdings funktioniert das nur, solange keine unerwarteten erheblichen Veränderungen auf dem betroffenen Markt auftreten. Klein erläutert am Beispiel von General Motors/Fisher Bodies, wie eine unerwartete erhebliche Steigerung der Nachfrage zu einem nicht vorher berücksichtigten Ungleichgewicht und letztlich doch zum Hold-up führen kann.102 4. Resümee Die Transaktionskostentheorie sucht das Auftreten hybrider Organisationsformen ökonomisch zu beschreiben und zu erklären. Dabei führen beziehungsspezifische Investitionen bei beiden Vertragsparteien zum sogenannten Lock-in-Effekt, da die mit einem vorzeitigen Austritt verbundenen Kosten (verlorene Investitionen) eine natürliche Barriere für eine vorzeitige Beendigung der Geschäftsbeziehung sind. Die damit einhergehenden Hold-up- und Opportunismusrisiken sind auch aus makroökonomischer Perspektive ungünstig, denn während der Dauer des Hold-ups, wenn der eine Vertragspartner den anderen von der Potenz seines Druckmittels zu überzeugen sucht, werden ökonomische Ressourcen nicht effizient genutzt.103 Mit seiner Entscheidung für das Outsourcing (gegen die vertikale Integration) nimmt der Endhersteller diese Risiken in Kauf. Die Principal-Agent-Theorie schlägt vor, die Interessen der Vertragsparteien durch geeignete Anreize anzugleichen, um diese Risiken zu reduzieren. Die Incomplete-Contract-Theorie berücksichtigt zusätzlich, dass bei langfristigen Beziehungen die vorherige Regelung aller denkbaren Konfliktfälle entweder nicht möglich ist oder unwirtschaftlich sein kann. Vertragswerke können daher nur als Rahmenwerk für die hybride Organisationsform dienen, die durch andere Mechanismen wie Selbstregulierungsmechanismen und Nachverhandlungsoptionen ergänzt werden sollen.

100

B. Klein, JITE 141 (1985), 594, 595. B. Klein, Economic Enquiry 34 (1996), 444, 449. 102 B. Klein, Economic Enquiry 34 (1996), 444, 454. Siehe zu dem Beispiel näher im Folgenden unter B. III. 1. 103 Vgl. B. Klein, Economic Inquiry 34 (1996), 444, 446; O. D. Hart, Firms, contracts, and financial structure, 1995, 26. 101

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung

27

II. Social embeddedness, Bedeutung des Netzwerkcharakters und standardisierte Verträge Die institutionenökonomischen Theorien vernachlässigen das Umfeld, in das die kooperativen Langzeitbeziehungen in der Automobilproduktion eingebettet sind: Der Blick richtet sich allein auf die Interessen der beiden Vertragspartner. Dabei werden sowohl kontextspezifische Einflüsse, Interessen Dritter als auch beziehungsspezifische Aspekte nicht (vollständig) berücksichtigt. In der Automobilindustrie lassen sich stern- bzw. pyramidenförmige Produktionsstrukturen beobachten, in denen der Endhersteller die Koordinierung übernimmt.104 Die einzelnen Zulieferer, die direkte vertragliche Beziehungen zum Endhersteller unterhalten, stehen ihrerseits im Zentrum eines Netzwerks an Lieferanten. Die Verträge mit diesen Lieferanten bauen wirtschaftlich auf der langfristigen Zulieferbeziehung mit dem Endhersteller auf und werden in ihrer Ausgestaltung davon beeinflusst.105 Die Vorgaben des Endherstellers hinsichtlich Entwicklungsleistungen, Informationsaustausch, Qualitätssicherung und Sublieferantenauswahl beeinflussen das gesamte Produktionsnetz, das dem gemeinsamen Interesse an einem möglichst erfolgreichen Endprodukt verpflichtet ist. Personelle Verflechtungen, wechselnde Mitarbeiter und Mitarbeiterentsendungen beeinflussen den Informationsfluss zwischen den Unternehmen. 1. Die Theorie vom Relationalen Vertrag Der Bedeutung anderer Faktoren, als reinen ökonomischen Nutzenerwägungen, wie insbesondere dem sozialen Umfeld, geht die Theorie des Relationalen Vertrags nach.106 Ihre zentrale Feststellung ist, dass die – durch vertragliche Regelung nicht vollständig zu erzielende – Stabilität der Vertragsbeziehung durch relationale Aspekte befördert wird. Die These gründet in den Arbeiten von Macaulay107 und Macneil108. Macaulay widmete sich als einer der Ersten der Frage, warum Unternehmen zuweilen darauf verzichten, bestimmte Aspekte einer Vertragsbeziehung vertraglich zu planen und zu regeln. Er unternahm dabei eine Fallstudie anhand von Zulieferbeziehungen in der Produktion im US-Staat Wisconsin. Macaulay beobachtete, dass nur einzelne Probleme der Geschäftsbeziehung intensiver geplant wurden: näm-

104

Vgl. Dillerup/Stoi, Unternehmensführung, 2013, 492. Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, 26 f. 106 Letzlich „social embeddedness“, vgl. Grundmann/Micklitz/Renner: Privatrechtstheorie, 2015, 1294. 107 Macaulay, American Sociological Review Vol. 28 (1963), 55. 108 Macneil, in: Nicklisch (Hrsg.), 1987. 105

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

lich insbesondere unvorhergesehene Ereignisse und Sanktionen, Risiken, die sich existenzgefährdend für eine der Parteien auswirken könnten und Fragen der Vertragsbeendigung. Hieran anschließend entwickelte vor allem Macneil in seinen Arbeiten die Theorie des Relationalen Vertrags.109Macneil unterscheidet zunächst zwischen diskreten (discrete) und relationalen (relational) Verträgen. Verträge sind nach dieser Einordnung diskret, wenn sie einen reinen Austauschcharakter aufweisen und sich der Vertrag im (einmaligen) Leistungsaustausch erschöpft. Relationale Verträge sind hingegen langfristig angelegt und bleiben zunächst unvollständig im Hinblick auf die Vereinbarung wichtiger Vertragselemente. Diese Lücken werden durch die (Geschäfts-)Beziehung zwischen den Parteien gefüllt. Eine zentrale These Macneils zur Durchsetzung solcher relationalen Verträge ist, dass Parteien eines relationalen Vertrags ein Interesse daran hegen, die Beziehung aufrecht zu erhalten. Einen ähnlichen Ansatz (relational exchange) verfolgt auch Goldberg, der die Betrachtung der relationalen Aspekte einer Vertragsbeziehung als wichtige Ergänzung der ökonomischen Effizienztheorien sieht und die ökonomische und soziologische Perspektive insoweit zusammenbringt. Nur so lasse sich erklären, dass Parteien zuweilen ineffiziente Entscheidungen treffen, um ihre relationalen Ziele zu verfolgen.110Hadfield identifiziert schließlich als eine fundamentale Erkenntnis der Theorie des Relationalen Vertrags, dass bei einem Vertrag, der in eine typische Geschäftsbeziehung eingebettet ist, die vertraglichen Rechte und Pflichten oftmals durch spezifische soziale Normen der Geschäftsbeziehung überlagert werden.111 Folgerichtig wäre, dass Generalklauseln, die diese beziehungsspezifischen Normen berücksichtigen, bei der Durchsetzung besondere Bedeutung zukommt.112 Die Beobachtungen von Macaulay und Macneil sehen sich durch die Realität der Just-in-time-Produktion in der Automobilindustrie in gewisser Weise bestätigt. Aufgrund des andauernden Abstimmungs- und Kooperationsbedarfes in der Automobilproduktion, ist der Beziehungsaspekt von besonderer Bedeutung und die Akteure sind auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen. Dennoch liegen diesen Kooperationsbeziehungen regelmäßig recht umfangreiche Vertragswerke zugrunde und sie basieren nicht nur auf in-

109

Macneil, Southern California Law Review 47 (1973–1974), 691; Macneil, Wisconsin Law Review 1985, 483; Macneil, The new social contract, 1980. Unter Hinweis auf die „Athmosphäre“ der Vertragsbeziehung auch Williamson, The American Economic Review 63 (1973), 316, 317. 110 Goldberg, American Behavioral Scientist 23 (1980), 337, 338 f. 111 Hadfield, Stanford Law Review Vol. 42 (1990), 927, 929. 112 Hadfield, Stanford Law Review Vol. 42 (1990), 927, 930.

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung

29

formellem Zusammenhalt.113 Gleichzeitig werden die Regelwerke aber nur selten zur (gerichtlichen) Durchsetzung der Interessen genutzt.114 2. Social embeddedness und Netzwerkeffekte Einen zu der Theorie des Relationalen Vertrags komplementären Ansatz verfolgen Granovetter und Powell, die die Bedeutung der Einbettung der Vertragsbeziehungen in ein Netz an anderen sozialen und rechtlichen Beziehungen in den Vordergrund ihrer Untersuchungen stellen. Granovetter hebt unter Einführung des Begriffs der „social embeddedness“ hervor, dass der Rahmen einer Vertragsbeziehung die Wahrscheinlichkeit opportunistischen Verhaltens erheblich beeinflusst.115 Er unterzieht den institutionenökonomischen Ansatz Williamsons unter Berücksichtigung des Einflusses relationaler Kontexte einer kritischen Würdigung und stellt dabei fest, dass sich oftmals zunächst nicht rational erscheinendes Verhalten von Akteuren durch ihr Einbettung in ein soziales Gefüge erklären lässt.116 Obwohl nach den Effizienzkriterien der Transaktionskostentheorie eine voll integrierte, hierarchische Struktur die vorzugswürdige Produktionsform sein sollte, um das Risiko von opportunistischem Verhalten zu minimieren, bestätigt sich diese Annahme in der Realität nicht unbedingt – so Granovetter.117 Gründe sieht er darin, dass eine langfristige Vertragsbeziehung und die Reputation innerhalb eines Industriesektors gewisse Erwartungsstandards für das Verhalten der Akteure in der Branche etablieren und auf diese Weise opportunistisches Verhalten unterbinden.118 Zwar kann dieser Ansatz nicht als Leitfaden für eine adäquate Governance von Beziehungen herangezogen werden, jedoch ist er eine wichtige Ergänzung zu den vor allem ökonomischen Erwägungen der Institutionenökonomik. Die Transaktionskostentheorie und der Principal-Agent-Ansatz beschäftigen sich mit Fallkonstellationen, in denen es an Vertrauen mangelt bzw. das Konzept gegenseitigen Vertrauens aufgrund von Opportunismus versagt. Im Unterschied hierzu erklärt Granovetter, wie sich Vertrauen aufbauen lässt.119 Ein Zusammenspiel

113

Vgl. mit Bezug auf den ähnlich gestalteten US-amerikanischen Markt: Bernstein, Journal of Legal Analysis 7 (2015), 561, 576. 114 Bozovic/Hadfield: Scaffolding: Using Formal Contracts to Build Informal Relations to Support Innovation; vgl. auch die Umfrageergebnisse von Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 228. 115 Granovetter, American Journal of Sociology 91 (1985), 481, 495. 116 Granovetter, American Journal of Sociology 91 (1985), 481, 483, 493 ff., 506. 117 Die Kritik an Williamson lässt sich ihrerseits kritisch sehen, da Granovetter Williamsons Annahmen verzerrt wiedergibt, vgl. auch Grundmann/Micklitz/Renner: Privatrechtstheorie, 2015, 2008. 118 Granovetter, American Journal of Sociology 91 (1985), 481, 503. 119 Vgl. Grundmann, in: Grundmann/Micklitz/Renner (Hrsg.), 2015, 2009.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

beider Ansätze vermag die Besonderheiten der langfristigen Lieferbeziehungen in der Automobilindustrie besser zu erklären. Die oligopolartige Struktur des Marktes, der sich durch eine geringe Zahl an Abnehmern (Automobilendhersteller) und eine Vielzahl an Anbietern auszeichnet, führt zu einer hohen Bedeutung von Reputationsmechanismen. Opportunistischem Verhalten von Zulieferern kann auf diese Weise entgegengewirkt werden.120 Powell etabliert das Vertragsnetz als eigene Kategorie zwischen Markt und Unternehmung. Seine Überlegungen sind daher zentral für die Bedeutung des Netzwerkcharakters in Transaktionsbeziehungen. Er vergleicht in seiner Untersuchung Unterschiede und Gemeinsamkeiten von NetzwerkOrganisationen und anderen Organisationsformen, insbesondere Markt und Unternehmung.121 Dabei stellt er unter anderem fest, dass die Gründe für die Entstehung von Netzwerken vielfältiger Natur sein können und insbesondere auch abhängig von dem politischen, sozialen und historischen Kontext des betroffenen Marktes sind – also nicht rein von Effizienzerwägungen geleitet.122 Granovetter und Powell erweitern insoweit den Blickwinkel der institutionenökonomisches Ansätze aber auch der Theorie des relationalen Vertrags von der Sichtweise des kooperativen Langzeitvertrags zur multidimensionalen Netzwerkperspektive, die den Rückwirkungen der Netzwerkinterdependenzen besondere Bedeutung beimisst. Die Berücksichtigung von Netzwerkeffekten deckt neue, mit Interessenkonflikten einhergehende Risiken auf, die mit der Beteiligung an einem Netz zusammenhängen: Insbesondere besteht die Gefahr von Free-Riding bei Unternehmen, die nur an dem Netz teilhaben wollen, ohne eine Gegenleistung zu erbringen (insbesondere im Know-how-Bereich). Diese Risiken können durch Governance-Mechanismen akzentuiert werden, insbesondere, wenn die Parteien den Rechtsweg nicht beschreiten wollen (oder können, wegen der Unvollständigkeit des Rahmenvertrags).123 3. Theorie langfristiger Vertragsnetze Die Rechtswissenschaft reagiert auf die vermehrte Untersuchung von Netzwerkeffekten und Opportunismusrisiken in den Nachbarwissenschaften mit der Diskussion um die rechtliche Behandlung von Vertragsnetzen.124 120

Vgl. auch Bernstein, Journal of Legal Analysis 7 (2015), 561, 599. Powell, Research in Organizational Behavior 12 (1990), 295, 296. 122 Powell, Research in Organizational Behavior 12 (1990), 295, 323. Vgl. zusammenfassend auch Grundmann, in: Grundmann/Micklitz/Renner (Hrsg.), 2015, 1316. 123 So Bentivogli/Quintiliani/Sabbatini, L’Industria 2013, 347, 353 f. 124 Ausgangspunkt der Diskussion um die Einführung eines eigenen Rechts für Vertragsnetze und Netzwerkbeziehungen in Deutschland: Möschel, AcP 1986, 187 und Rohe, Netzverträge, 1998. Zentral dann vor allem Teubner, Netzwerk als Vertragsverbund, 2004; 121

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung

31

Im deutschen Recht fordert vor allem Teubner die Einführung eines eigenen Vertragsorganisationsrechts für die rechtliche Steuerung von Vertragsverbünden.125 Ähnlich sehen es Amstutz und Cafaggi. Amstutz traut der herkömmlichen Rechtsdogmatik die Lösung der mit Vertragsnetzen einhergehenden Problemstellungen nicht zu. Er plädiert deshalb für neue Regeln, für deren Entwicklung er das aus dem Internationalen Privatrecht bekannte Kollisionsrecht fruchtbar machen möchte.126Cafaggi schlägt vor, im Rahmen der Harmonisierung des Europäischen Vertragsrechts die Netzwerkproblematik durch separate Prinzipien zu berücksichtigen.127 Ein Lösungsweg können aber auch die Generalklauseln im Privatrecht sein.128 Weitgehend anerkannt ist die Annahme besonderer, gesteigerter Treuepflichten im Netzwerk um dem relationalen Charakter der Beziehung gerecht zu werden.129 Das entspricht auch dem Konzept des komplexen Langzeitvertrags, der sich allerdings in erster Linie mit Großprojekten im Baugewerbe befasst.130 Zentral sind hierbei – ebenfalls – gesteigerte Rücksichtnahme- und Treuepflichten zwischen den Parteien, vertragliche Anpassungsmechanismen sowie eine differenzierte Risikoverteilung.131 4. Resümee Neben der ökonomischen Perspektive haben für die Analyse hybrider Organisationformen wie den Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie auch relationale Aspekte eine Bedeutung. Die Theorien zum Relationalen Vertrag lenken den Blick auf die Bedeutung von beziehungsspezifischen Aspekten und sozialen Normen in der Geschäftsbeziehung für die Ausfüllung unvollständiger Verträge. Für dieses Beziehungsgeflecht spielt auch das soziale und ökonomische Umfeld der Geschäftsbeziehung sowie die Integration in ein Netzwerk an Verträgen eine Rolle. So sind gerade im Bereich der Produktion von Kraftfahrzeugen aufgrund der oligopolartigen Struktur des

Teubner, in: Bäuerle/Hanebeck/Hausotter/Mayer/Mohr/Mors/Preedy/Wallrabenstein (Hrsg.), 2004; Teubner, in: Augsberg (Hrsg.), 2009. 125 Teubner, Netzwerk als Vertragsverbund, 2004, 118 f. 126 Bezogen auf das schweizerische Recht, vgl. Amstutz, KritV 2006, 105, 126. 127 Cafaggi, ERCL 2008, 493, 501. 128 Cafaggi, ERCL 2008, 493, 503; Grundmann, AcP 2007, 718, 732; in diese Richtung auch Collins, Regulating Contracts, 1999, 286. 129 OLG Stuttgart, Urt. v. 15.09.1989 – 2 U 63/88, NJW-RR 1990, 491; Cafaggi, ERCL 2008, 493, 503; Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 185; Rohe, Netzverträge, 1998, 406. 130 Grundlegend: Nicklisch: Der komplexe Langzeitvertrag, 1987; Nicklisch/Arnheim, Netzwerke komplexer Langzeitverträge, 2000. Vgl. auch Johannes C. Becker, Das Vertragsstatut der Outsourcing-Vereinbarung, 2010, 22 ff. 131 Johannes C. Becker, Das Vertragsstatut der Outsourcing-Vereinbarung, 2010, 26.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

Marktes Reputationsmechanismen von großer Bedeutung. Die Betrachtung des Produktionsnetzes vermag es schließlich weitere Konfliktpotentiale aufzudecken, die aus einer reinen Betrachtung des Zweipersonenverhältnisses nicht ersichtlich wären. So stellt sich beispielsweise in den Produktionsnetzen der Automobilhersteller die Frage, wie mit den Interdependenzen zwischen einzelnen Zulieferern und Subzulieferern umzugehen ist. Die Qualitätssicherungsstrategie muss auf das gesamte Netz zugeschnitten sein. Für die rechtliche Rezeption der Netzwerkproblematik von Bedeutung, wie die Besonderheiten rechtlich zu beurteilen sind und ob mit spezieller rechtlicher Regulierung reagiert werden sollte.

III. Steuerung kooperativer Zusammenarbeit und Contract Governance In Zuliefernetze eingebettete Langzeitverträge bringen es mit sich, dass ein Spannungsverhältnis zwischen Flexibilität und Stabilität entsteht. Ex ante Unsicherheit hinsichtlich wichtiger Elemente der Vertragsbeziehung und das Bedürfnis der Parteien nach flexiblen Lösungen setzen Grenzen für vertragliche Vereinbarungen, die daher unvollständig bleiben.132 Gleichzeitig erfordert die kooperative Zusammenarbeit ein gewisses Maß an Sicherheit und Vertrauen in die Stabilität der Kooperation.133 Das wirft die Frage nach geeigneten Steuerungsmechanismen auf. 1. Der Contract-Governance-Ansatz Hiermit befasst sich der Contract-Governance-Ansatz, der sich auf Williamson zurückführen lässt und vor allem von Grundmann/Möslein/Riesenhuber als eigener Forschungsansatz eingeführt wurde.134 Der Contract-Governance-Ansatz will die Methoden und Instrumente der Corporate Governance auf (austausch-)vertragliche Beziehungen übertragen. Dabei bezeichnet Governance „das Arrangement, das verbürgen soll, dass später dennoch möglichst die Entscheidungen getroffen werden, die bei Bestellung vorgesehen würden, wenn alle Parteien um die kommende Entwicklung bereits wüssten.“135 Governance-Strukturen sind immer dann notwendig, wenn entweder

132

Me´nard, JITE 160 (2004), 1, 19. Vgl. S. Klein, Interorganisationssysteme und Unternehmensnetzwerke, 1996, 107; Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, 27. 134 Näher im Folgenden: Williamson, Journal of Law and Economics 22 (1979), 233; Grundmann/Möslein/Riesenhuber, in: Grundmann/Möslein/Riesenhuber (Hrsg.), 2015, 6. Einen interdisziplinären Ansatz bei der Erforschung der Regulierung von Verträgen verfolgt auch Collins, Regulating Contracts, 1999. 135 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2011, 255 f. 133

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung

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Opportunismusrisiken auftreten können (wie typischerweise bei Langzeitbeziehungen) oder die Interessen Dritter betroffen sind (wie typischerweise bei netzwerkartigen Strukturen), die in die Vertragsverhandlungen nicht eingebunden waren. Dabei sollen die etablierten Theorien und Forschungsfelder, wie Institutionenökonomik, sozialwissenschaftliche Erkenntnisse und rechtswissenschaftliche Forschung miteinander verknüpft werden, um neue Perspektiven zu eröffnen und ein möglichst vollständiges Bild zu zeichnen.136 Riesenhuber unterscheidet vier unterschiedliche Ebenen, auf denen sich Contract Governance abspielen kann: (1) der Vertrag selbst – governance through contract, (2) der vertragsrechtliche Rahmen – Governance of contracts, (3) Vertragsrecht als Instrument zu Verhaltenssteuerung und zur Regulierung – Governance by means of contract law und (4) der institutionelle Rahmen für vertragsrechtliche Regelsetzung – Governance of contract law.137 Bei der Wahl des geeigneten Governance-Mechanismus sind auch mögliche Folgewirkungen zu berücksichtigen. Eine misslungene Governance through contract schildert Klein am Beispiel von General Motors und deren Zulieferer Fisher Bodies: Eine exklusive Zuliefervereinbarung für die Dauer mehrerer Jahre diente eigentlich dem Zweck, die spezifischen Anfangsinvestitionen des Zulieferers zu schützen. Der Preis für die Zulieferprodukte orientierte sich nach dieser Vereinbarung aber an den variablen Produktionskosten des Zulieferers. Als der Hersteller aufgrund einer gestiegenen Nachfrage am Absatzmarkt zusätzliche Modulteile beziehen wollte, zog der Zulieferer es vor, die variablen Produktionskosten zu erhöhen, anstatt in weitere Produktionsstätten zu investieren.138 2. Governance through contract und Network Governance Williamson sieht bei Langzeitverträgen, die beziehungsspezifische Investitionen beinhalten und unter Unsicherheit geschlossen werden, die Notwendigkeit einer transaktionsspezifischen Governance-Struktur, die zwischen Markt (Buy) und Unternehmung (Make) angesiedelt ist. Erst bei stark beziehungsspezifischen Transaktionen (highly idiosyncratic), großer Transaktionshäufigkeit und großer Unsicherheit fällt die Wahl auf die Unternehmung (vertikale Integration).139 In der Langzeitvertragsbeziehung sollte seiner Meinung nach eine gewisse Flexibilität garantiert werden, die Nachverhandlungsspielräume für die Parteien zulässt, diese aber auch steuert.140 136 Grundmann/Möslein/Riesenhuber, in: Grundmann/Möslein/Riesenhuber (Hrsg.), 2015, 3 f. 137 Riesenhuber, in: Grundmann/Atamer (Hrsg.), 2011, 62. 138 B. Klein, Economic Enquiry 34 (1996), 444, 446. 139 Williamson, Journal of Law and Economics 22 (1979), 233, 259. 140 Williamson, Journal of Law and Economics 22 (1979), 233, 252.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

Beispiel einer solchen governance through contract ist die Entwicklung von Selbstregulierungs-Mechanismen, bei denen die Parteien vertragliche Anreize dafür setzen, opportunistischem Verhalten in der (unsicheren) Zukunft entgegenzuwirken.141 Bis zu einem gewissen Maß ist die Frage der Anreizsteuerung und Selbstregulierung in Langzeitverträgen mit der Corporate Governance im Unternehmen vergleichbar, da sie den Integrationsgrad zwischen den Kooperationspartnern betrifft. Bei einer engen und langfristigen Kooperation, wie sie bei Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie üblich ist, lässt sich die grundlegende Funktion des Vertrags darin sehen, genug Sicherheit zu bieten, dass beide Parteien aus der Zusammenarbeit Wertschöpfung generieren können: Sonst würden sie die Vertragsbeziehung nicht eingehen.142 Klausner untersucht an Fallbeispielen, wie sich verschiedene, aus der Corporate Governance bekannte Steuerungsmechanismen in langfristigen Vertragsbeziehungen auswirken.143 Ähnlich den Modellen für Managementvergütungen, schlägt er die Einführung strukturierter Zahlungsmechanismen vor, die an den Projekt- oder an den Investitionsfortschritt geknüpft werden, um die finanzielle Abhängigkeit von einer ex-post-Zahlung zu minimieren und Anreize für die Fortsetzung der Beziehung zu setzen; solche Zahlungsmechanismen werden vor allem in der Baubranche genutzt. Auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe, die die doppelte Funktion eines zusätzlichen Druckmittels zur Erfüllung des Leistungsversprechens und der erleichterten Geltendmachung eines Schadens hat, kommt als Zahlungsmechanismus in Betracht.144 Eine weitere Option, um Hold-up-Potentiale zu vermindern, können Abreden sein, die die Möglichkeiten der Parteien einschränken, eine Geschäftsbeziehung mit Dritten einzugehen:145 Die Ausschließlichkeitsvereinbarung kann insbesondere bei Entwicklungskooperationen als Ausgleich zum Lock-in-Effekt der beziehungsspezifischen Investitionen dienen und die Stabilität der vertraglichen Beziehung sichern, weil sie Interessenkonflikten und dem Ausspielen von Wettbewerbern gegeneinander vorbeugt.146 Auch hier lässt sich eine Parallele zu den Manager-Verpflichtungen in der Corporate Governance ziehen. Schließlich kann opportunistisches Verhalten auch durch verstärkte Kooperation zwischen den Vertragsparteien reduziert werden. Vermehrter Austausch von Informationen und gemeinsame Entschei-

141

Vgl. oben unter B. I. 3. bereits zur Theorie des unvollständigen Vertrags. Klausner, in: Grundmann/Möslein/Riesenhuber (Hrsg.), 2015, 221. 143 Klausner, in: Grundmann/Möslein/Riesenhuber (Hrsg.), 2015, 225. 144 Klausner, in: Grundmann/Möslein/Riesenhuber (Hrsg.), 2015, 225; Westphalen, BB 2018, 323, 323; BeckOK BGB-Becker: § 309 BGB, Rn. 6 145 Vgl. auch im von Klein beschriebenen Fall von Fisher Bodies und General Motor: B. Klein, Economic Enquiry 34 (1996), 444, 446. 146 Klausner, in: Grundmann/Möslein/Riesenhuber (Hrsg.), 2015, 225 f. 142

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung

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dungsfindungsgremien erhöhen die gegenseitige Kontrolle und bieten so weniger Potentiale für opportunistisches Verhalten,147 ähnlich der Abstimmung und Koordinierung innerhalb des Vorstands einer Gesellschaft.148 Am Beispiel von Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie analysiert Bernstein die Bedeutung der Einbettung der vertraglichen Langzeitbeziehungen in ein Netzwerk.149 Sie vergleicht dabei die in der Automobilindustrie üblichen Rahmenverträge (Master Supply Agreements) mit der rahmengebenden Funktion einer Unternehmensstruktur bei vertikaler Integration im Sinne von Williamson.150 Die enge Vernetzung zwischen den Automobilherstellern und den Zulieferern sowie den Mitarbeitern führe – so Bernstein – zu kurzen Informationswegen. Dieses Phänomen bezeichnet sie als Network Governance, die die Endhersteller von opportunistischem Verhalten abhalten soll: Solches Verhalten des Herstellers würde sich im Netz herumsprechen und das Vertrauen der Zulieferer mindern (z.B. geringere beziehungsspezifische Investitionen beim nächsten Vertragsabschluss auslösen). Gleiches gilt auch umgekehrt, insbesondere da die Zulieferer auf den Vertragsabschluss mit einem kleinen Kreis von Endherstellern angewiesen sind.151 Verliert ein Zulieferer das Vertrauen der Hersteller, kann das seine Existenz in der Branche gefährden.152 Die Einbettung der Vertragsbeziehung in ein Netz von Herstellern und Zulieferern trägt dazu bei, dass ein eigenständiger Sanktionsmechanismus über Reputationsverluste entsteht („broadens the self-enforcing range of these contracts“).153 147 Vgl. hierzu auch die Untersuchung von Bernstein: Bernstein, Journal of Legal Analysis 7 (2015), 561. 148 Klausner, in: Grundmann/Möslein/Riesenhuber (Hrsg.), 2015, 226. 149 Bernstein, Journal of Legal Analysis 7 (2015), 561. 150 Bernstein, Journal of Legal Analysis 7 (2015), 561, 561. 151 Bernstein, Journal of Legal Analysis 7 (2015), 561, 604 ff. 152 Im Anschluss an das Hold-up durch Zulieferer der Prevent-Gruppe hat beispielsweise der Volkswagenkonzern nun die Lieferbeziehungen mit den Gesellschaften der Prevent-Gruppe beendet; Eckl-Dorna, Der Niedergang des Zulieferer-Rebellen Prevent, vom 05.04.2018, , 30.07.2020. 153 Bernstein, Journal of Legal Analysis 7 (2015), 561, 607. In eine ähnliche Richtung gehen auch die Überlegungen von Provan, der insbesondere an Williamson und Granovetter anknüpft. Bei einem insgesamt hohen Grad an Verflechtung („network interdependence“) zwischen den Vertragspartnern und anderen Netzteilnehmern sollen Opportunismusrisiken abnehmen, je stärker ein Zulieferer in das Netzwerk eingebunden ist, vgl. Provan, Journal of Management 19 (1993), 841, 842, 853. Provan stützt sich dabei auch auf die sozialtheoretischen Austausch- und Ressourcenabhängigkeitstheorien, wonach Abhängigkeit entscheidend für das Verständnis interorganisationaler Beziehungen ist, hierzu insbes. Homans, Social behaviour, 1961; Blau, Exchange and Power in Social Life, 1964; Pfeffer/Salancik, The external control of organizations, 1978; Cook/Emerson/Gillmore/Yamagishi, American Journal of Sociology 89 (1983), 275.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

3. Governance durch „Exit“ und „Voice“ in der Langzeitbeziehung Hirschman führte in den 1970er Jahren den Gedanken der GovernanceMechanismen Exit (Abwanderung) und Voice (Widerspruch) für ökonomische Transaktionsbeziehungen ein.154 Exit bezeichnet dabei die Option, die Konfliktsituation zu verlassen, also beispielsweise einen Vertrag zu beenden, bzw. auch in der Zukunft kein weiteres Vertragsverhältnis mit dem betroffenen Unternehmen einzugehen. Voice ist dagegen die Option, seiner Unzufriedenheit Ausdruck zu geben und ggf. nachzuverhandeln. Hirschman sieht die Exit-Option dabei als paradigmatisch für ein ökonomisches Weltverständnis an: Wer mit einer Leistung nicht zufrieden ist, bezieht sie das nächste Mal von einem anderen Anbieter. Die Voice-Option ist für ihn hingegen der typische politische Konfliktlösungsmechanismus. Es wird diskutiert und (nach)verhandelt: „Voice is here defined as any attempt at all to change, rather than to escape from, an objectionable state of affairs“.155 Die VoiceOption bildet nach Hirschman auch die Restmenge zur Exit-Option: Sobald einer Person die Exit-Option nicht zur Verfügung steht (so etwa in einer Familie oder dem Staat), soll die einzige Alternative in der Voice-Option liegen.156 Auch in einer langfristig angelegten Zulieferbeziehung ist die ExitOption gewöhnlich nur als ultima-ratio denkbar, denn für die Vertragsparteien hat die gemeinsame Beziehung eine hohe Bedeutung.157 Um die Koexistenz von Exit-Optionen und Voice-Optionen in gesellschaftlichen Beziehungen zu begründen, führt Hirschman als drittes Element Loyalty (Treue) ein. Loyalty führt dazu, dass trotz grundsätzlicher ExitOption zunächst die Voice-Option gewählt wird.158 Diese Grundannahme, dass die Koexistenz von Exit- und Voice-Optionen erstrebenswert ist, gilt auch in der Corporate-Governance-Forschung.159 Dabei bezeichnet Exit die Marktseite des Unternehmens und Voice seine internen Entscheidungsstrukturen. In Zulieferbeziehungen basiert Loyalty auf der Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung und dem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis (Treue aus ökonomischen Erwägungen heraus). Eine Rezeption von Hirschmans Überlegungen für Langzeitbeziehungen und insbesondere Zulieferbeziehungen lässt sich bislang vornehmlich in den 154

Zentral Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty, 1970. Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty, 1970, 17, 30. 156 Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty, 1970, 33. 157 Es besteht ein beziehungsspezifisches Abhängigkeitsverhältnis. Vgl. hierzu oben unter B. I.; ähnlich bereits Helper, in: Coughlin (Hrsg.), 1991, 356 f. 158 Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty, 1970, 82. 159 Näher im Folgenden. Grundmann, in: Grundmann/Micklitz/Renner (Hrsg.), 2015, 1594 f.; Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2011, § 13; Bootsma, Erasmus Law Review 2013, 111; zuvor Baysinger/Butler, Journal of Law, Economics and Organization 1 (1985), 101, 106. 155

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung

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Managementwissenschaften beobachten.160 Die Entscheidung zwischen Exit und Voice beeinflusst die Verhandlungsmacht der Parteien: Je stärker eine Beziehung auf Exit ausgerichtet ist, desto mehr hängt die Verhandlungsmacht des Abnehmers davon ab, ob er aus einem Pool von Zulieferern auswählen kann. Bei der Wahl einer Voice-Strategie gibt der Abnehmer hingegen einen Teil seiner Macht auf, indem er sich auf die langfristige Beziehung mit einem Zulieferer einlässt.161 Vertragliche Regeln und Governance-Mechanismen übernehmen die Steuerung der Voice-Option und sind für ihre Wirksamkeit auf die Akzeptanz der Parteien angewiesen.162 Helper macht für Zulieferbeziehungen in der Automobilproduktion die Beobachtung, dass amerikanische Automobilhersteller wie insbesondere General Motors lange Zeit eher einen von Exit geprägten Governance-Ansatz verfolgten, sowohl im Bereich des Lieferantenmanagements als auch im Hinblick auf Arbeitskräfte.163 Im Unterschied dazu setzten japanische Hersteller auf einen von Voice geprägten Managementstil und konnten nach Helpers Einschätzung deswegen schnell erhebliche Wettbewerbsvorteile auf den globalen Markt realisieren. Die durch die Globalisierung veränderten Wettbewerbsbedingungen machten eine effizientere Produktion erforderlich, was sich unter anderem durch die Einbindung von Mitarbeitern und Lieferanten in die Wertschöpfung im Rahmen einer vertrauensgeprägten, eng vernetzten, langfristig ausgelegten Kooperationsbeziehung erreichen ließ.164 Für Helper sind Exit-Strategien in Zulieferbeziehungen geprägt von regelmäßigen Ausschreibungen, auf die sich Zulieferer bewerben können, und relativ kurzfristigen Vertragslaufzeiten. Als paradigmatisches Voice-Beispiel nennt sie die japanischen Keiretsu-Beziehungen: Vertikale Unternehmenskooperationen, die in besonderem Maße von gegenseitigem Vertrauen geprägt sind und auf einer langfristigen Partnerschaft zwischen den beteiligten Unternehmen aufbauen. Moderne Zulieferbeziehungen lassen sich nicht mehr klar einer Exitoder Voice-Orientierung zuordnen, vielmehr dominieren heute auf dem amerikanischen und auch auf dem japanischen Markt hybride Formen, die einerseits von Voice-Elementen geprägt (nämlich langfristig angelegt und beziehungsorientiert) sind, andererseits aber auch von Exit-Elementen. Der Wechsel von Zulieferern ist nicht ausgeschlossen und es lässt sich ein geringeres Maß an gegenseitigem Vertrauen beobachten.165

160 MacDuffie/Helper, in: Heckscher/Adler (Hrsg.), 2006; Humphrey/Ashforth, Journal of Organizational Behavior 2000, 713; Helper/Levine, Journal of Law, Economics and Organization 8 (1992), 561; Helper, in: Coughlin (Hrsg.), 1991. 161 Siehe auch unten, B. III. 4. Vgl. Helper, in: Coughlin (Hrsg.), 1991, 357 f. 162 Vgl. Sydow/Möllering, Produktion in Netzwerken, 2015, 210. 163 Insbes. Helper, in: Coughlin (Hrsg.), 1991, 357 ff. 164 Helper/Levine, Journal of Law, Economics and Organization 8 (1992), 561, 563. 165 MacDuffie/Helper, in: Heckscher/Adler (Hrsg.), 2006, 429.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

Dass bei Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie eine Voice-Orientierung besteht, wird auch darin deutlich, dass nur sehr wenige Streitfälle vor Gericht ausgetragen und in der Regel andere Mechanismen gewählt werden, um Konflikte beizulegen. Denn die Rechtsdurchsetzung vor Gericht gefährdet die langfristige Geschäftsbeziehung. Hinzu kommen freilich auch andere Gründe: Die Rechtslage ist nicht immer ausreichend klar, sodass die außergerichtliche Einigung der sicherere Weg ist. Außerdem spielen Geheimhaltungserwägungen und das Risiko von Reputationsverlust eine Rolle.166 4. Governance of contracts: Choice Theory of Contract, ökonomische Analyse, Generalklauseln Auf der nächsten Ebene stellt sich bei der Governance of contracts die Frage nach dem Ob und Wie der Regulierung durch den Gesetzgeber. Nach der von Dagan/Heller entwickelten Choice Theory of Contract sollte das Vertragsrecht danach streben, die Vertragsfreiheit (autonomy) des Einzelnen zu maximieren. Dabei wird Vertragsfreiheit verstanden als (1) freie Willensausübung (voluntariness), (2) Freiheit, über einzelne Vertragsbedingungen zu verhandeln und (3) die Freiheit zwischen verschiedenen „Vertragstypen“ zu wählen.167 Letzteres setzt voraus, dass die Rechtsordnung innerhalb eines Bereichs entsprechende Wahlmöglichkeiten bereit hält, zwischen denen die Parteien ihren Bedürfnissen entsprechend wählen können. Ein Beispiel seien Gesellschaftsformen für den Bereich der vertikal integrierten unternehmerischen Organisation.168Anpassungsbedarf für das Vertragsrecht sehen Dagan/Heller vor allem im nicht-unternehmerischen Bereich und sprechen sich für eine stärkere Differenzierung nach den zugrundeliegenden Werten und Interessen aus; insbesondere im Common Law für ein Loslösen von der traditionellen Grundannahme handelsrechtlicher Vertragsbeziehungen.169 Die Choice Theory dürfte für die hier untersuchten Zulieferbeziehungen jedoch keinen gesetzgeberischen Anpassungsbedarf sehen, da die Parteien für die Organisation der Automobilproduktion zwischen Fremdbezug (Kaufvertrag), Kooperationslösung (gemischttypischer Vertrag) und vertikaler Integration (Gesellschafts- bzw. Konzernvertrag) entscheiden können und die Wahlfreiheit insoweit hergestellt ist.170 166 Gerade in der Automobilindustrie ziehen Gerichtsverfahren sehr schnell die mediale Aufmerksamkeit auf sich, die den Ruf innerhalb der Branche und beim Endkunden schädigen kann. 167 Dagan/Heller, The choice theory of contracts, 2017, xii f. 168 Dagan/Heller, The choice theory of contracts, 2017, 103. 169 Dagan/Heller, The choice theory of contracts, 2017, 95. 170 Allgemeiner zum Bereich der unternehmerischen Verträge Dagan/Heller, The choice theory of contracts, 2017, 131; insoweit dem Ansatz von Schwarz/Scott folgend, wonach professionelle Marktteilnehmer zur Entwicklung neuer Vertragstypen besser qualifiziert

B. Die Zulieferbeziehung als kooperative Langzeitbeziehung

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Einen anderen Ansatz verfolgt die Ökonomische Analyse des (Vertrags)Rechts. Danach besteht die Aufgabe des Regelsetzers darin, unter Einbeziehung der herrschenden ökonomischen Theorien die Situation eines „vollständigen Vertrags“ zu rekonstruieren. Der Regelsetzer muss die aufgrund der vorvertraglichen Unsicherheit entstehenden Regelungslücken in Langzeitverträgen durch entsprechendes Gesetzesrecht oder durch vom Richter auszulegende Generalklauseln so auffangen, dass die Interessenlage wiederhergestellt wird, die von den Parteien bei vollständiger Information gewählt worden wäre.171 Der Maßstab der Ökonomischen Analyse des Rechts ist dabei die effiziente Risikoverteilung: „Ein Risiko, das nicht Gegenstand vertraglicher Vereinbarung geworden ist, sollte demjenigen zugeordnet werden, der es mit dem geringsten Aufwand beherrschen kann (cheapest cost avoider), vorausgesetzt die Risikovermeidungskosten sind niedriger als der Erfahrungswert des Risikos (Learned Hand Formel).“172 Dabei ist auch das Zusammenspiel zwischen Regelsetzung und Wirkung in der Vertragspraxis zu berücksichtigen: Parteien tendieren dazu, selbst an für sie ungünstigen bzw. ineffizienten (Auffang-)Klauseln festzuhalten, wenn sie in der Vertragspraxis etabliert sind, weil ein Abweichen skeptisch bewertet wird und die Vertrauensbasis schädigen kann.173 Gesetzgeberisches Handeln kann dem Einsatz von ineffizienten Bedingungen entgegenwirken. 5. Resümee Der Contract-Governance-Ansatz eröffnet eine weitere Perspektive auf die Ausgestaltung komplexer Langezeitbeziehungen, die auch konkrete Anreizsteuerungs- und (Selbst)Regulierungsmechanismen in den Blick nimmt. Eine solche Wirkung wird dabei unter anderem enger Kooperation und stetigen Informationsflüssen zugeschrieben, die aufgrund von Reputationsmechanismen stabilisierend wirken können. Der Exit/Voice-Ansatz von Hirschman verspricht die bessere Systematisierung der Interessenlage und soll den Rahmen für die vorliegende Untersuchung bilden.174 Das ausgewogene Zusammenspiel von Exit und Voice macht den Erfolg der langfristigen Kooperation aus.175 Neben der Governance through contract gilt es auch die Governance of contracts zu berücksichtigen, die die Einflussnahmemöglichkeiten des jeweiligen Gesetzgebers beschreibt. Hierfür ist der angestrebte Rechtsvergleich sind als staatliche Institutionen, vgl. Schwartz/Scott, Virginia Law Review 102 (2016), 1523, 1587. 171 Vgl. H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2012, 433. Zentral: Posner, Economic analysis of law, 2014. 172 H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2012, 436. 173 Ben-Shahar/Pottow, Florida State University Law Review 33 (2006), 651, 652. 174 So zuvor bereits MacDuffie/Helper, in: Heckscher/Adler (Hrsg.), 2006, 418. 175 Grundmann, in: Grundmann/Micklitz/Renner (Hrsg.), 2015, 1597.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

besonders interessant, da sich der rechtliche Referenzrahmen regelmäßig auch auf die vertragliche Governance auswirkt.

IV. Fazit Der Blick auf die institutionenökonomischen Theorien ermöglicht eine Kategorisierung der potentiellen Opportunismusrisiken in der Zulieferbeziehung. Die Transaktionskostentheorie führt im Zusammenspiel mit dem Principal-Agent-Ansatz den Begriff des Hold-up ein und rät zur Einbeziehung der auftretenden Transaktionskosten in mögliche Governance-Entscheidungen. Die Untersuchungen von Macaulay und Macneil, Granovetter und Powell sowie Hirschman machen deutlich, dass der institutionenökonomische Ansatz um weitere Untersuchungsparameter bereichert werden muss. Die Bedeutung der historischen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen sowie insbesondere auch der sozialen Beziehungen, die zu einer zunehmenden Nutzung von Voice führen kann, ist notwendiger Aspekt bei der Untersuchung von kooperativen Langzeitbeziehungen und Unternehmensnetzwerken, wie sie in der Automobilzulieferindustrie auftreten. Die Zulieferbeziehung mit ihrem Lock-in-Effekt ist mit der von Hirschman erwähnten Monopolsituation teilweise vergleichbar: Es besteht eine höhere Hemmschwelle für einen Exit, weil dieser mit hohen eigenen Kosten verbunden ist bzw. sein kann.176 Einen zentralen Aspekt bezieht Hirschman in seine Untersuchung allerdings nicht ein: Er berücksichtigt weder den Einfluss staatlicher Regulierung noch privater Regelsetzung.177 Der rechtliche Rahmen kann aber durchaus stabilisierend wirken, die eine oder andere Option stärken und so einem verbesserten Gleichgewicht zwischen den Parteien dienen. Der Rechtsvergleich zeigt die unterschiedlichen Strategien, die in drei zentralen europäischen Rechtsordnungen gewählt wurden. Dabei werden auch die Eigenarten der gewachsenen Rechtssysteme deutlich.

C. Die Zulieferbeziehung in den untersuchten Rechtsordnungen (im Überblick) Gemeinsam sind den Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie die Art der Zusammenarbeit und die Regelung dieser langfristigen Zusammenarbeit durch einen (meist standardisierten) Rahmenvertrag. Weitere zentrale Ver-

176 177

Hierzu ausführlich in Kap. 3. Grundmann, in: Grundmann/Micklitz/Renner (Hrsg.), 2015, 1593.

C. Die Zulieferbeziehung in den untersuchten Rechtsordnungen

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tragssysteme sind regelmäßig Entwicklungsverträge, Geheimhaltungsvereinbarungen, Lieferabrufe und weitere AGB und Sonderbedingungen. Den Besonderheiten der Zulieferbeziehung wird in den verschiedenen Rechtsordnungen auf unterschiedliche Weise Rechnung getragen. Im deutschen Recht spielt der Einfluss des AGB-Rechts auch auf Beziehungen zwischen zwei Unternehmen eine wichtige Rolle, spezielle Regeln für Zulieferverträge sind jedoch nicht vorgesehen. Im italienischen Recht gibt es hingegen spezielle und teilweise zwingende gesetzliche Regelungen, die allerdings nur Ausschnitte der Rechtsbeziehung regeln. Im englischen Recht, schließlich, wird der Regelung der Zulieferbeziehung keine besondere Bedeutung zugemessen. Probleme werden im Einzelfall vor den Gerichten gelöst. Dennoch wurden aufgrund der Mitgliedschaft in der Europäischen Union in allen untersuchten Rechtsordnungen Regelungen zum Schutz kleiner und mittlerer Unternehmen eingeführt: in Deutschland § 20 II 2 GWB, in Italien insbesondere die Legge Subfornitura und in England der Supply of Goods and Services Act 1982 und der Late Payment of Commercial Debts Interest Act 1998.178

I. Ausgangspunkt: Europarechtliche Entwicklungen 1. Bekanntmachung, Mitteilung und Leitfaden der Europäischen Kommission Gemeinsamer Ausgangspunkt ist die europäischer Ebene, wo Zulieferbeziehungen vor allem in den 1980er Jahren Aufmerksamkeit erregt haben. Im Jahr 1978 setzte sich die Europäischen Kommission in ihrer Bekanntmachung zur Beurteilung von Zulieferverträgen179 vor allem mit der kartellrechtlichen Bedeutung von vertikalen Zuliefervereinbarungen auseinander. Einige Jahre später befürwortete die Kommission in einer Mitteilung zur Entwicklung des Zulieferwesens in der Gemeinschaft die Förderung des europäischen Zulieferwesens, auch durch günstigere rechtliche Rahmenbedingungen.180 Auf Basis dieser Mitteilung fasste der Rat die Entschließung vom 26. September 1989 zur Entwicklung des Zulieferwesens in der Gemeinschaft181, in der er sein Interesse an der „Förderung ausgewogener Beziehungen zwischen Auftraggebern und Zulieferern“ unterstrich. Schließlich veröf178 Vgl. zu dieser Einschätzung auch Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 44 f. 179 Europäische Kommission, Bekanntmachung vom 18. Dezember 1978 über die Beurteilung von Zulieferverträgen nach Art. 85 EWG-Vertrag, ABl. EG 1979 Nr. C 1/2, (Zulieferbekanntmachung 1978). 180 Europäische Kommission, Mitteilung vom 7. August 1989 über die Entwicklung des Zulieferwesens in der Gemeinschaft, KOM(89) 402 end., S. 17. 181 Entschließung des Rates vom 26. September 1989 zur Entwicklung des Zulieferwesens in der Gemeinschaft, ABl. Nr. C 254 vom 07/10/1989.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

fentlichte die Kommission im Jahr 1989 einen ausführlichen Leitfaden zu rechtlichen Aspekten der Tätigkeit industrieller Zulieferer in der EG.182 Dieser gibt einen Überblick über die rechtlichen Fragestellungen mit denen sich die Parteien eines Zuliefervertrags aus Sicht der Kommission auseinander setzen sollten. Diese Initiativen mündeten vor allem in der Regelung der Zahlungsfristen auf europäischer Ebene. Auf diese Weise sollte die Praxis des Zahlungsverzugs im unternehmerischen Verkehr in den Mitgliedsstaaten bekämpft und damit mittelbar die schwächeren Vertragspartner unterstützt werden. Über die Zahlungsfristen hinaus ist der europäische Gesetzgeber jedoch nicht in dieser Richtung tätig geworden.183 Die Zulieferbekanntmachung von 1978 findet heute noch bei der Beurteilung der kartellrechtlichen Relevanz von Zuliefervereinbarungen Berücksichtigung.184 2. Europäisches Wettbewerbsrecht Einfluss auf die rechtliche Beurteilung von Zulieferverträgen nimmt auf der europäischen Ebene vor allem das Wettbewerbsrecht, das in den Mitgliedstaaten weitgehend gleichlaufend auch für rein innerstaatliche Sachverhalte umgesetzt wurde.185 a) Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen nach Art. 101 AEUV Art. 101 AEUV verbietet Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Zuliefervereinbarungen in der Automobilindustrie können als vertikale Vereinbarungen dem Wettbewerbsverbot des Art. 101 AEUV unterfallen. Kartellrechtsrelevant kann die Einflussnahme auf Preise und Geschäftsbedingungen sein, die mit Dritten vereinbart werden; das ist aber regelmäßig auf dem Absatzmarkt von größerer Bedeutung als beim Einkauf.186 Eher unbedenklich sind Vereinbarungen zwischen Zulieferer und Hersteller über

182 Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden zu rechtlichen Aspekten der Tätigkeit industrieller Zulieferer in der Europäischen Gemeinschaft, 1990. 183 Vgl. auch Caso, Abuso di potere contrattuale e subfornitura industriale, 2012, 112. 184 Vgl. nur Europäische Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. EU 2010 Nr. C 130, S. 1, 6. 185 Vgl. für das deutsche Recht etwa Immenga/Mestmäcker-Zimmer: GWB § 1, Rn. 2 f.; Dreher/Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 2016, Rn. 331; für das englische Recht vgl. z.B. Whish/Bailey, Competition law, 2018, 59; für das italienische Recht vgl. Ghezzi/Olivieri, Diritto antitrust, 2013, 24. 186 Wiedemann-Kirchhoff: § 12 Einflussnahme auf Preise und Geschäftsbedingungen, Rn. 1.

C. Die Zulieferbeziehung in den untersuchten Rechtsordnungen

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Gegenstand, Preis und Menge der Zulieferteile und über Qualitätssicherungsmaßnahmen. Auch die langfristige Bindung ist grundsätzlich unproblematisch, da insbesondere Just-in-time-Kooperationen wirtschaftlich nur bei einer längeren Bindung sinnvoll und auch bei den anderen Wettbewerbern üblich sind, sodass die Chancengleichheit der Abnehmer kaum berührt wird.187 Denkbar ist eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung daher vor allem bei Ausschließlichkeits- bzw. Alleinbelieferungsvereinbarungen.188 Nach der Zulieferbekanntmachung 1978189 fallen Beschränkungen in der Verwendung von dem Auftragsfertiger für die Fertigung zur Verfügung gestellten Betriebsmitteln und Know-how, die dem Schutz des Know-hows und der gewerblichen Schutzrechte des Auftraggebers dienen, nicht in den Anwendungsbereich von Art. 101 I AEUV.190 Von Art. 101 I AEUV erfasst werden hingegen Ausschließlichkeitsvereinbarungen und die Beschränkung des Zulieferers hinsichtlich eigener Forschungs- und Entwicklungsleistungen.191 Dann kommt eine Freistellung durch die Gruppenfreistellungsverordnungen in Betracht.192 Zulieferbeziehungen, die Einbauteile für Neufahrzeuge zum Gegenstand haben, können von der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen (Vertikal-GVO)193 erfasst werden.194 Bei niedrigen Marktanteilen ist eine Alleinbelieferungsbindung nach Art. 2, 5 Vertikal-GVO jedenfalls freigestellt, wenn sie eine zeitliche Grenze von fünf Jahren nicht überschreitet.195 Haben die Vertragsparteien eine eigenständige Vereinbarung über IP-Rechte getrof-

187 Vgl. Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 564 ff. 188 Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 566. 189 Europäische Kommission, Bekanntmachung vom 18. Dezember 1978 über die Beurteilung von Zulieferverträgen nach Art. 85 EWG-Vertrag, ABl. EG 1979 Nr. C 1/2. 190 Vgl. Langen/Bunte-Bahr: Nach § 2 GWB, Rn. 282; Immenga/Kessel/Schwedler, BB 2008, 902, 908; Bechtold/Bosch-Bosch: § 1 GWB, Rn. 115. 191 Europäische Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. EU 2010 Nr. C 130, S. 1, 42. 192 Diese sind auch im nationalen Kontext zu berücksichtigen, vgl. für das deutsche Recht: Langen/Bunte-Bahr: Nach § 2 GWB, Rn. 282 ff. 193 Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 (Vertikal GVO). 194 Die Kfz-GVO regelt den Ersatzteilemarkt; bei Zulieferverträgen kann die Anwendung der Vertikal-GVO ausnahmsweise nach Art. 2 IV 1 Vertikal-GVO ausgeschlossen sein, wenn Hersteller und Zulieferer zugleich auch Wettbewerber sind, d.h. sowohl als Anbieter als auch Abnehmer auf demselben Markt auftreten, Immenga/Mestmäcker-Ellger: Vertikal-GVO Art. 2, Rn. 109; Langen/Bunte-Nolte: Nach Art. 101 AEUV, Rn. 375. 195 Wiedemann-Lübbert/Schöner: § 23 Das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen im deutschen Kartellrecht (§ 19 GWB), Rn. 73.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

fen, so kann die Technologietransfer-GVO196 zur Freistellung herangezogen werden.197 Kommt eine Freistellung nach der GVO nicht in Betracht, so können Alleinbelieferungsvereinbarungen auch nach Art. 101 III AEUV wegen der erzielten Effizienzgewinne und geringen Marktabschottungswirkung gerechtfertigt sein.198 Vertikale Beschränkungen können notwendig sein, um Hold-up-Risiken zu vermeiden,199 Zuliefervereinbarungen können zu einer effizienteren Produktion beitragen und Skaleneffekte nutzbar machen.200 Auch das Kriterium der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung schränkt die kartellrechtliche Handhabe von Zulieferbeziehungen ein. Der Wettbewerb auf dem Automobilzulieferermarkt zeichnet sich dadurch aus, dass die einzelnen Zulieferer eines vergleichbaren Teils immer wieder um den Zuschlag für die nächste Modellreihe konkurrieren. Auf Seiten der Automobilhersteller herrscht hingegen Gruppenwettbewerb, weil einzelne Produktionsnetze miteinander im Wettbewerb stehen.201 Einzelne zeitliche Bezugsbindungen führen vor diesem Hintergrund nicht notwendigerweise zu einer (spürbaren) Beeinträchtigung des Wettbewerbs, insbesondere wenn die Bindungen zeitlich begrenzt sind.202 b) Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV Ein Verbot nach Art. 102 AEUV setzt eine marktbeherrschende Stellung des Automobilherstellers auf dem Beschaffungsmarkt voraus. Die Beurteilung erfordert eine Analyse des Einzelfalls. Gewöhnlich spielt die Missbrauchskontrolle für Automobilzulieferbeziehungen auf dem europäischen Markt aber eine untergeordnete Rolle, da einzelne Automobilhersteller derzeit auf dem europäischen Markt regelmäßig keine ausreichende Marktmacht innehaben203 und auch die Gegenseitigkeit des Abhängigkeitsverhältnisses gegen die kartellrechtliche Unzulässigkeit nach Art. 102 AEUV spricht.204 196

Verordnung (EU) Nr. 316/2014 der Kommission vom 21. März 2014. Baron: Art. 2 Vert-GVO, Rn. 110; vertiefend in Kap. 4. 198 Vgl. das Beispiel in Europäische Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. EU 2010 Nr. C 130, S. 1, 42. 199 Whish/Bailey, Competition law, 2018, 641. 200 Vgl. Bechtold/Bosch-Bosch: § 2 GWB, Rn. 16. 201 Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 568. 202 Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 566. 203 Vgl. für den Tuning-Bereich BGH, Urt. v. 06.10.2015 – KZR 87/13, NZKart 2015, 535, Rn. 51 f. (Porsche-Tuning); beispielhaft auch die Analyse des BKartA, Beschl. v. 21.5.2010 – B 9-29320 Fa-13/10, BeckRS 2016, 14460, Tabelle 3; vgl. zur Zulieferbeziehung LG Dortmund, Urt. v. 27.02.2019 – 8 O 19/18 Kart, NZKart 2019, 231 Rn. 109, Vollversion abrufbar unter . Ebenso bereits Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 474, 586. 204 So auch Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 183. 197

C. Die Zulieferbeziehung in den untersuchten Rechtsordnungen

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3. Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat der europäische Gesetzgeber mit der Klausel-Richtlinie205 eine Mindestharmonisierung für missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen angestrebt.206 In allen untersuchten Rechtsordnungen ist die Kontrolle von vorformulierten Vertragsbedingungen daher grundsätzlich vorgesehen und es wird eine vergleichbare Definition von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde gelegt. Da die Ausgestaltung dieser Kontrolle im unternehmerischen Bereich aber über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinausgeht,207 haben die Mitgliedsstaaten Gestaltungsfreiheit, was zu unterschiedlichen Ausgestaltungen der Klauselkontrolle geführt hat.208

II. Die Zulieferbeziehung im deutschen Recht Die staatliche Regulierung bietet eine Orientierung für die Parteien bei der Ausübung der Vertragsfreiheit und zeigt ihre Grenzen auf. Ausgangspunkt ist im deutschen Recht dabei die Zuordnung zu einem Vertragstyp, an den die anwendbaren Rechtsnormen anknüpfen. 1. Rechtliche Einordnung der Zulieferbeziehung Im deutschen Recht ist die Zulieferbeziehung nicht spezialgesetzlich geregelt und sie lässt sich auch nicht einem einzelnen Vertragstyp des BGB eindeutig zuordnen.209 Der Zuliefervertrag sieht ein Bündel an verschiedenen Rechten und Pflichten vor: Neben den klassischen Leistungspflichten im Kaufrecht (Übergabe und Übereignung der Kaufsache) auch die zumindest teilweise Herstellung des Zulieferprodukts, die Übernahme der Wareneingangskontrolle durch den Zulieferer, Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung, aber auch Verpackungs- und Speditionsleistungen. Es handelt sich daher um einen typengemischten Vertrag.210 205 RL 93/13/EWG, ABl. EG Nr. L 95 S. 29; geändert durch Art. 32 ÄndRL 2011/83/EU vom 25. 10. 2011, ABl. EU Nr. L 304 S. 64 (Klausel-Richtlinie). 206 Vgl. Art. 8 Klausel-Richtlinie; Grabitz/Hilf-Pfeiffer: Klausel-RL Art. 8, Rn. 1; die Klausel-Richtlinie ist durchaus einflussreich, wie die Vielzahl der Vorlagen im Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH zeigt, vgl. hierzu Kas/Micklitz, EWS 2013, 314, 314 ff. 207 Etwa Grabitz/Hilf-Pfeiffer: Klausel-RL Art. 8, Rn. 6. Außerhalb des Anwendungsbereichs besteht auch keine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung; vgl. PalandtGrüneberg: § 310 BGB, Rn. 23; jedenfalls solange nicht überschießend umgesetzt wurde. 208 Näher im Folgenden für die einzelnen Rechtsordnungen.. 209 Ausführlich zur rechtlichen Einordnung im deutschen Recht etwa WellenhoferKlein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 77 ff.; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, 134 ff. 210 Vgl. StaudingerBGB-Feldmann: § 311, Rn. 35.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

a) Rahmenvertrag und Lieferabrufe Die Vertragsbeziehung wird regelmäßig nicht in einem einzigen Vertragsdokument geregelt, sondern in einer Vielzahl an verschiedenen Dokumenten und Vereinbarungen, die die einzelnen Rechte und Pflichten konkretisieren und in Form einer Rahmenvereinbarung die langfristige Lieferbeziehung absichern sollen.211 Hinzu treten während der Geschäftsbeziehung einzelne Lieferabrufe, die Preis und Menge der zu liefernden Komponenten und Teile beziffern und bei einer Just-in-time-Zulieferstrategie auch sehr kurzfristig erfolgen können.212 Bei der Beurteilung, ob es sich bei den Lieferabrufen um eigenständige Werklieferungsverträge handelt213 oder sie nur die Fälligkeit der Lieferverpflichtung aus dem einheitlichen Dauerlieferungsvertrag auslösen,214 kommt es auf die konkrete Ausgestaltung der Vertragsbeziehung an.215 Die Rahmenvereinbarung bildet die Grundlage für einen langfristig angelegten Bedarfsdeckungsvertrag, wenn Leistung und Gegenleistung wenigstens bestimmbar sind.216 Das kann etwa über Bedarfsprognosen, die Zusicherung der Abnahme einer gewissen Quote217, gattungsmäßige Bestimmung der Zulieferteile218 und über Preisraster erfolgen.219 Für die Ausübung von Gestaltungsrechten spielt diese Einordnung indes eine eher untergeordnete Rolle, denn auch bei Annahme mehrerer Vertragsbeziehungen sind die Regelungen des Rahmenvertrags für die Beurteilung der einzelnen Lieferabrufe oder der Zulässigkeit einer Kündigung von Bedeutung.220

211

Die einzelnen Rechte und Pflichten sollten dabei möglichst umfassend und ausdrücklich geregelt sein; vgl. zu möglichen Problemen LG Mannheim, Urt. v. 14.10.2019 – 24 O 38/19, ZvertriebsR 2020, 19. 212 Zu der Ausgestaltung der Zulieferbeziehung auch bereits unter A. IV. Vgl. beispielsweise die Beschreibung in dem Urteil LG Braunschweig, Urt. v. 12.08.2016 – 21 O 1578/16, BeckRS 2016, 125240, Rn. 7–9. 213 So etwa Martinek/Semler/Flohr-Martinek: § 4, Rn. 4; Hoffbauer, Der Rahmenvertrag in der Lieferbeziehung, 2010, 34. 214 Etwa Baumbach/Hopt-Hopt: § 377 HGB, Rn. 30. 215 So auch LG Braunschweig, Urt. v. 12.08.2016 – 21 O 1578/16, BeckRS 2016, 125240, bei der Beurteilung einer Automobil-Zulieferbeziehung. Vgl. auch F.-H. Lange, NJOZ 2013, 577, 578. 216 Vgl. Muhl/Lüthge, GWR 2016, 26. 217 Den Verweis auf einen Anteil des geschätzten Jahresbedarfs nicht genügen lassen Budde/Geks, ZVertriebsR 2012, 37, 39. 218 Die nähere Bestimmung von Form und Maß kann entsprechend § 375 I HGB auch nachträglich erfolgen. 219 Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 190. 220 Vgl. für einen Automobil-Zuliefervertrag LG Braunschweig, Urt. v. 12.08.2016 – 21 O 1578/16, BeckRS 2016, 125240. Siehe auch OLG Koblenz, Urt. v. 14.06.2007 – 6 U

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b) Austauschvertragliche Elemente Sowohl die Rahmenvereinbarung als auch die einzelnen Lieferabrufe enthalten kaufvertragliche und werkvertragliche Elemente gleichermaßen.221 Hauptpflicht des Zulieferers ist, die vom Abnehmer spezifizierten Zulieferteile herzustellen und zeitgenau zu liefern.222 Seit der Schuldrechtsmodernisierung wird eine solche Kombination aus werkvertraglichen und kaufvertraglichen Elementen nach § 650 BGB223 beurteilt.224 In Übereinstimmung mit der europäischen Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf225 bzw. der Warenkauf-Richtlinie226 ist für die Werklieferung beweglicher Sachen das Kaufrecht anwendbar. § 650 S. 3 BGB, der die Anwendung einiger werkvertraglicher Regeln vorsieht, kann auf Zulieferverträge Anwendung finden, wenn es sich bei den Zulieferteilen nicht um vertretbare Sachen i.S.d. § 91 BGB handelt. Dies ist für Standardteile regelmäßig nicht anzunehmen,227 kann auf vertragsspezifisch entwickelte und hergestellte Zulieferteile aber sehr wohl zutreffen, wenn die Teile nicht anderweitig verwertbar sind.228 Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein, da bei serienmäßiger Fertigung von Teilen die Berücksichtigung einzelner Wünsche des Herstellers der Vertretbarkeit nicht entgegenstehen muss.229 529/06, BeckRS 2007, 17218. Das OLG Koblenz stellte für die Bestimmung des Provisionsanspruchs eines Handelsvertreters bei im Grundsatz unverbindlicher Rahmenvereinbarung fest, „solche Rahmenverträge kommen in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung einem frei kündbaren Dauerschuldverhältnis nahe“. Der Provisionsanspruch müsse sich nach Beendigung des Handelsvertretervertrags an der voraussichtlichen Laufzeit des Automobilmodells orientieren, für welches die Zulieferteile vorgesehen seien. 221 Vgl. Kap. 1 A. II.; die Untersuchung konzentriert sich auf Zulieferer von vertragsspezifischen Produkten, die nicht eine reine Werkleistung erbringen. 222 BGH, Urt. v. 02.04.2014 – VIII ZR 46/13, NJW 2014, 2183; Baumbach/Hopt-Hopt: Einl. vor § 373 HGB, Rn. 32. 223 Vormals § 651 BGB. 224 Die Einordnung war vor der Schuldrechtsmodernisierung strittig: Wellenhofer-Klein ordnete den Zuliefervertrag als Werklieferungsvertrag (nach altem Recht unter Anwendung des Werkvertragsrechts) ein, Lange nahm Lieferungskauf nach kaufvertraglichen Regeln an. K. W. Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, 110; Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 92. 225 Art. 1 IV RL 1999/44/EG, ABl. EU 1999 Nr. L 171, S. 12 (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie). 226 Die Warenkauf-Richtlinie ersetzt ab 1. Januar 2022 die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie; Art. 3 II RL 2019/771/EU, ABl. EU Nr. L 136, S. 28 (Warenkauf-Richtlinie). 227 Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 133. 228 So für Automobilzulieferteile (Käfige für einen sog. Tilger) OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.07.2010 – 6 U 145/08, BeckRS 2010, 31018, das die Teile für unvertretbare Sachen hielt, weil die Käfige „nur für Tilger hätten verwertet werden können, mit denen man aber sonst nichts anfangen kann“. 229 Vgl. BGH, Urt. v. 30.06.1971 – VIII ZR 39/70, NJW 1971, 1793, 1794, Kuhnle,

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Die austauschvertraglichen Elemente spielen insbesondere für die Verteilung des Qualitätsrisikos und den Umgang mit Produktfehlern eine Rolle. Gewährleistungsfragen bei Zulieferverträgen richten sich im deutschen Recht folglich nach den kaufrechtlichen Regeln.230 Automobilzulieferer und -hersteller sind Kaufleute im Sinne des HGB und die Zulieferbeziehung ist regelmäßig Teil eines Handelsgewerbes. Folglich sind auch die Regeln für Handelsgeschäfte, §§ 343 ff. HGB, zu berücksichtigen und die Vorschriften des Handelskaufs finden Anwendung. Von Bedeutung ist insbesondere die Mängelrügeobliegenheit nach § 377 HGB.231 c) Kooperative Elemente und lieferunabhängige Pflichten Sofern der Zulieferer Obliegenheiten des Abnehmers übernimmt – etwa in Bezug auf Qualitätskontrollen – enthält der Zuliefervertrag auch geschäftsbesorgungsvertragliche Elemente.232 Die lieferunabhängigen Pflichten des Zulieferers können insbesondere im Bereich der Forschung und Entwicklung zudem dienstvertraglicher Natur sein, wenn sich kein konkreter Forschungsbzw. Entwicklungserfolg festlegen lässt.233 d) Dauerschuldverhältnis Der Rahmenliefervertrag ist auf eine langfristige Geschäftsbeziehung ausgerichtet und enthält von den abzuschließenden Einzelverträgen unabhängige Rechte und Pflichten wie beispielsweise Geheimhaltungspflichten oder Kooperationspflichten. Die Spezifizierung der vertragstypischen Leistung erfolgt oft erst im Laufe der Geschäftsbeziehung und jedenfalls die Abnahmemenge wird erst mit der Zeit konkretisiert.234 Derart ausgestaltete Zulieferverträge sind von dem (echten) Sukzessivlieferungsvertrag (auch Ratenlieferungsvertrag) abzugrenzen, der regelmäßig nicht als Dauerschuldverhältnis eingeordnet wird und auf den die Kündi-

Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 51; MüKoBGB-Busche: § 650, Rn. 18. Abweichend für Automobilzulieferteile (Käfige für einen sog. Tilger) aber OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.07.2010 – 6 U 145/08, BeckRS 2010, 31018. 230 Hierzu näher Kap. 2. 231 BGH, Urt. v. 24.02.2016 – VIII ZR 38/15, NJW 2016, 2645; Baumbach/Hopt-Hopt: § 377 HGB, Rn. 2. 232 Vgl. StaudingerBGB-Martinek/Omlor: § 675, Rn. B 260 ff.; Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 52; K. W. Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, 110. 233 Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 53. Ausführlicher zu diesen Themenbereichen in Kap. 2 und 4, die sich mit dem Qualitätsrisiko bzw. Know-how-Schutz befassen. 234 Bei Just-in-time-Lieferungen regelmäßig nur kurze Zeit vor Lieferung.

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gungsregeln deshalb keine Anwendung finden.235 Der Sukzessivlieferungsvertrag ist auf längere Dauer abgeschlossen, die einzelnen Lieferungen erfolgen aber nach Ablauf bestimmter Zeitabschnitte und nicht ständig.236 Auch ist die Abnahmemenge von vorneherein bestimmt bzw. bestimmbar.237 Zwar ist eine einzelfallbezogene Beurteilung erforderlich, regelmäßig sind Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie jedoch Bezugs- bzw. Dauerlieferungsverträge, die auf längere Zeit geschlossen sind und bei denen sich die Abnahmemenge nach dem Bedarf des Abnehmers richtet.238 Im Unterschied zum echten Sukzessivlieferungsvertrag erfordert das eine ständige Lieferbereitschaft.239 Gewöhnlich handelt es sich daher um Dauerschuldverhältnisse.240 Die Qualifikation als Dauerschuldverhältnis wirkt sich auf die Vertragsbeendigung aus und (kann) erhöhte Rücksichtnahmepflichten begründen.241 Unter dem Dach des Dauerschuldverhältnisses können die Besonderheiten der Zulieferbeziehung Berücksichtigung finden und Rechte und Pflichten abgeleitet werden, die über das austauschvertragliche Spektrum hinausgehen. 2. Grenzen der Vertragsfreiheit im BGB Grundsätzlich steht es den Vertragspartnern frei, die Zulieferbeziehung durch Vertragsvereinbarungen auszugestalten und so die anwendbaren Regeln zu modifizieren. Grenzen werden für Zulieferbeziehungen insbesondere durch das AGB-Recht, zivilrechtliche Generalklauseln und durch das Kartellrecht aufgezeigt. 235 Die Anwendbarkeit der ordentlichen Kündigung auf einen der Leistungsmenge nach begrenzten Sukzessivlieferungsvertrag verneinend BGH, Urt. v. 05.11.1980 – VIII ZR 232/79, NJW 1981, 679, 680; vgl. auch F.-H. Lange, NJOZ 2013, 577, 579. 236 Vgl. BeckOK BGB-Gehrlein: § 311 BGB, Rn. 15; Palandt-Grüneberg: Überbl. v. § 311 BGB, Rn. 27; Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, 14 f. bei Abgrenzung vom „unechten Sukzessivlieferungsvertrag“; a.A. etwa JauernigBGB-Stadler: § 311, Rn. 14, die den Sukzessivlieferungsvertrag als Unterfall des Dauervertrags ansieht. 237 MüKoBGB-Westermann: Vor § 433, Rn. 33. 238 Vgl. für einen Vertrag über die Abnahme von Buchenholzspänen BGH, Urt. v. 11.02.1981 – VIII ZR 312/79, NJW 1981, 1264. 239 Palandt-Grüneberg: Überbl. v. § 311 BGB, Rn. 28. Nicht als Sukzessivlieferungsvertrag qualifiziert hat der BGH einen Vertrag, bei dem eine Mindestbezugsmenge bestimmt wurde, für den Fall des Unterschreitens dieser Grenze aber keine Erfüllungsansprüche, sondern bloß Entschädigungsansprüche vorgesehen wurden; BGH, Urt. v. 04.12.1996 – VIII ZR 360/95, ZIP 1997, 593 (Bierbezugsvertrag). 240 Hoffbauer, Der Rahmenvertrag in der Lieferbeziehung, 2010, 19; MüKoBGB-Gaier: § 314, Rn. 12. Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, 176. 241 Vgl. StaudingerBGB-Martinek/Omlor: § 675, Rn. B 255.

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a) AGB-rechtliche Kontrolle Ein wichtiger Bestandteil der rechtlichen Rahmenbedingungen für Zulieferverträge ist in Deutschland das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, das die Nichtigkeit einzelner Vertragsklauseln zur Folge haben kann. (1) Anwendbarkeit Die Anwendbarkeit des AGB-Rechts setzt das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen voraus. Gemäß § 305 I 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Dabei lässt die Rechtsprechung die mehrfache Verwendung gegenüber demselben Vertragspartner genügen, ohne dass es auf die Absicht der Verwendung gegenüber anderen Vertragspartnern ankäme.242 Die Rahmenvereinbarungen in Zulieferverträgen werden daher teilweise bereits deshalb als AGB angesehen, weil sie mehreren Ausführungsverträgen (Lieferabrufe) zugrunde gelegt werden.243 Nicht an den AGB-rechtlichen Vorgaben zu messen sind Individualvereinbarungen. Gemäß § 305 I 3 BGB liegt eine Individualvereinbarung vor, wenn die entsprechenden vertraglichen Bedingungen von den Parteien ausgehandelt wurden, wobei ein restriktiver Auslegungsmaßstab anzulegen ist.244 Nach der Rechtsprechung des BGH bezeichnet der Begriff des Aushandelns ein Auseinandersetzen mit der Vertragsklausel, das über ein bloßes Verhandeln derselben hinausgeht. Aushandeln setzt danach unter anderem voraus, dass der Vertragspartner eine „reale Möglichkeit“ hat, auf den Inhalt der Vereinbarung Einfluss zu nehmen.245 Insbesondere, wenn Klauseln nicht abgeändert wurden, liegt die Annahme nahe, dass diese nicht wirklich aus-

242 BGH, Urt. v. 11. 12. 2003 – VII ZR 31/03, NJW 2004, 1454; MüKoBGB-Basedow: § 305, Rn. 18; Palandt-Grüneberg: § 305 BGB, Rn. 9. 243 So Budde/Geks, ZVertriebsR 2012, 37, 41: Da die Bedingungen des Rahmenliefervertrags Inhalt einer Vielzahl von Ausführungsverträgen würden, sei das mit der klassischen Konstellation der für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Bedingungen vergleichbar; ebenso Schaeuffelen, in: Hartung/Regula/Schaeuffelen (Hrsg.), 2015, 37. Dagegen sprechen Wertungsgesichtspunkte, wenn die Bedingungen des Rahmenvertrags zwischen den Parteien einmal individualvertraglich ausgehandelt wurden; vgl. Westphalen, BB 2013, 67, 71 unter Bezugnahme auf § 305b und § 305 I 1 BGB. Einschränkend auch BGH, Urt. v. 26.09.1996 – VII ZR 318/95, NJW 1997, 135, der nicht für ausreichend hält, wenn eine einheitliche Vertragsbeziehung durch mehrere Vertragsdokumente ausgestaltet wird, die gleiche Bedingungen enthalten. 244 Vgl. Palandt-Grüneberg: § 305 BGB, Rn. 18. 245 BGH, Beschl. v. 17. 10. 2011 – LwZB 2/11, NJW 2012, 856 m.w.N.

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gehandelt wurden.246 Es reicht nach der Rechtsprechung auch nicht, dass formularmäßig auf die Verhandelbarkeit der Klauseln hingewiesen wurde.247 Der Anwendungsbereich des AGB-Rechts ist also sehr weit und auch Zulieferbeziehungen sind in aller Regel am AGB-Recht zu messen. Gerade Qualitätssicherungsvereinbarungen und Einkaufsbedingungen sind regelmäßig vom Abnehmer vorformuliert, auch weil unterschiedliche Bedingungen für ein Netz an Zulieferern nicht effizient wären.248 (2) AGB-Kontrolle im unternehmerischen Verkehr Zwar gelten die Klauselverbote in § 308 und § 309 BGB gemäß § 310 I 1 BGB nicht für AGB zwischen Unternehmern, die Standardverträge müssen sich aber an § 307 BGB messen lassen. Dabei sind gemäß § 310 I 2 BGB die „im Handelsverkehr geltenden Gebräuche und Gewohnheiten“ angemessen zu berücksichtigen. Im Rahmen dieser Prüfung fließen die gesetzgeberischen Wertungen aus den Klauselverboten regelmäßig ein und entfalten Indizwirkung. Eine Bestimmung, die gegen Klauselverbote verstößt, ist nach der aktuellen Rechtsprechung auch zwischen Unternehmern grundsätzlich unzulässig, es sei denn, die Besonderheiten des unternehmerischen Verkehrs führen im untersuchten Fall zu einer anderen Bewertung.249 (3) Rechtsfolgen unangemessener Geschäftsbedingungen Nach dem AGB-Recht unzulässige Geschäftsbedingungen sind nichtig. Das führt gemäß § 306 III BGB nur im Ausnahmefall zur Gesamtnichtigkeit des Vertrags. Vielmehr tritt gemäß § 306 II BGB in der Regel das Gesetzesrecht an die Stelle der unangemessenen Klausel und der Vertrag bleibt im Übrigen wirksam, § 306 I BGB. Sofern keine gesetzliche Regelung für den fraglichen Tatbestand vorliegt, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 157, 242 BGB in Betracht, die sich daran orientiert, wie ein vernünftiger Dritter nach Treu und Glauben den Sachverhalt geregelt hätte.250 Wie auch durch das dispositive Gesetzesrecht wird auf diese Weise eine interessengerechte Lösung angestrebt, die von eventuellen wirtschaftlichen Machtverhältnissen

246

BGH, Urt. v. 23.01.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 = NJW 2003, 1805, 1807 f.; a.A. MüKoBGB-Basedow: § 305, Rn. 41. 247 Etwa BGH, Urt. v. 20.03.2014 – VII ZR 248/13, BGHZ 200, 326 = BGH NJW 2014, 1725 Rn. 27. 248 Vgl. bereits in der Einleitung C. II. Auch z.B. Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-intime-Zulieferverbindungen, 2002, 74. 249 BGH, Versäumnisurt. v. 19.09.2007 – VIII ZR 141/06, BGHZ 174, 1 = NJW 2007, 3774, 3775. 250 BGH, Urt. v. 03.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 1984, 1177, 1178; BGH, Urt. v. 13.11.1997 – IX ZR 289–96, BGHZ 137, 153 = ZIP 1998, 16, 17.

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zwischen den Parteien unabhängig ist.251 Die geltungserhaltende Reduktion der unzulässigen Klauseln bis an das Maß des gerade noch Zulässigen jedoch ist ausgeschlossen.252 (4) Kritik am deutschen AGB-Recht Insbesondere von der Praxis wird die umfassende Anwendung der AGBKontrolle im unternehmerischen Bereich kritisiert und eine Reform gefordert. So hat der 69. Deutsche Juristentag im Jahr 2012 eine stärkere Ausrichtung der AGB-rechtlichen Bewertung an den Gepflogenheiten einer Branche oder eines Wirtschaftszweigs befürwortet.253 Auch eine im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) durchgeführte Studie kam zu dem Ergebnis, dass das AGB-Recht im Bereich des unternehmerischen Verkehrs überarbeitet werden sollte.254 Kritisiert wird dabei insbesondere, dass die Rechtsprechung die Indizwirkung der §§ 308, 309 BGB so ausweite, dass es beinahe zu einer Gleichbehandlung von Verbraucherverträgen und unternehmerischen Verträgen komme und insbesondere bei Haftungsbeschränkungen ein zu strenger Maßstab angesetzt werde.255 Der Anwendungsbereich werde zu sehr ausgeweitet und die unternehmerische Praxis nicht hinreichend berücksichtigt.256 Das habe letztlich eine Schwächung des deutschen Wirtschaftsstandorts und Abwanderung in ausländisches Recht und vor Schiedsgerichte zur Folge.257 Diesen Eindruck bestätigen die Erwägungen eines ICC-Schiedsgerichts zum deutschen AGB-Recht: Das Schiedsgericht folgt im Ergebnis einzelnen Stimmen im Schrifttum, die eine weitere Auslegung des Aushandelns im unter251

Säcker, ZWeR 2008, 348, 351. BGH, Urt. v. 27.05.1982 – III ZR 157/80, BGHZ 84, 209 = NJW 1982, 2309, 2310; BGH, Urt. v. 23.02.2012 – VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991; EuGH, Urt. v. 14.06.2012 – C-618/10 (Banco Espan˜ol de Cre´dito SA/Joaquı´n Caldero´n Camino), NJW 2012, 2257, 2258; Palandt-Grüneberg: § 306 BGB, Rn. 6. Vorbehaltlich des sog. blue pencil-Tests bei sachlich trennbaren Regelungsbereichen einer Klausel, vgl. m.w.N. BGH NJW 2015, 928 Rn. 23 f. 253 Deutscher Juristentag, Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages München 2012, 2013, S. I 90 (Beschluss IV, Abteilung Zivilrecht); so auch Kondring, BB 2013, 73, 74. 254 Leuschner: AGB-Recht für Verträge zwischen Unternehmen, , 30.07.2020, S. 1. 255 Leuschner: AGB-Recht für Verträge zwischen Unternehmen, , 30.07.2020, S. 41. 256 Deutscher Juristentag, Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages München 2012, 2013, S. I 82 f. (Thesen) und S. I 90 (Beschluss IV, Abteilung Zivilrecht). 257 Diesbezügliche Bedenken hegt insbesondere die Anwaltschaft; vgl. etwa H.-C. Salger/Schröder, AnwBl 2012, 683, 689. 252

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nehmerischen Verkehr befürworten um so den Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle einzuschränken. Einer ausgehandelten Individualvereinbarung soll danach z.B. nicht entgegenstehen, dass der Text eines Mustervertrags faktisch nicht angepasst wurde.258Von Westphalen und andere führen den Reformbestrebungen wesentliche Argumente entgegen.259 Insbesondere seien viele der Beschränkungen Teil der rechtspolitischen Ausrichtung des BGB und schon vor der Einführung des AGB-Gesetzes anerkannt gewesen, lediglich gestützt auf § 242 BGB.260 b) Zivilrechtliche Generalklauseln Eine weitere Grenze der Vertragsfreiheit bilden die zivilrechtlichen Generalklauseln, insbesondere die §§ 138, 242, 315 BGB.261 Aus der grundrechtlich gewährleisteten Privatautonomie, Art. 2 I GG, ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Pflicht für die Zivilgerichtsbarkeit, bei „strukturell ungleicher Verhandlungsstärke“ „im Rahmen der Generalklauseln des geltenden Zivilrechts korrigierend“ einzugreifen.262 Teil der Privatautonomie ist auch die Selbstbestimmung im Privatrecht, weshalb bei einem Kräfteungleichgewicht, bei dem die eine Partei „vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen kann” ein Interessenausgleich erforderlich sein kann.263 Zwar wird die Inhaltskontrolle von Individualvereinbarungen bei gestörter Vertragsparität durchaus kritisch gesehen,264 sie entspricht aber der Dogmatik des BGB, wie sich auch an § 138 II BGB zeigt.265 § 134 BGB und § 138 BGB bilden eine äußere Schranke für die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften, während § 242 BGB die Rechtsausübung betrifft und (vor allem) rechtshemmende Wirkung hat.266 § 242 BGB kann auch Kündigungs- bzw. Rücktrittsrechte267 oder eine Vertrauenshaftung begründen. Die Vertrauenshaftung hat dabei „die Funktion, die privatautonome Selbstbindung dort zu ergänzen, wo die Rechtsgeschäftslehre Schutzlücken offen-

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ICC Schiedsgerichtshof, SchiedsVZ 2001, 108. Ablehnend etwa auch C. Schäfer, BB 2012, 1231, 1232; einschränkend K. P. Berger, ZIP 2006, 2149, 2156. 260 Westphalen, BB 2013, 67, 68. 261 BVerfGE 81, 242 = NJW 1990, 1469, 1470; BVerfG NJW 1994, 36, 39; WellenhoferKlein, ZIP 1997, 774, 774; MüKoBGB-Schubert: § 242, Rn. 513. 262 BVerfG NJW 1994, 36, 39. 263 BVerfGE 81, 242 = NJW 1990, 1469, 1470. 264 Etwa Adomeit, NJW 1994, 2467, 1468. 265 StaudingerBGB-Olzen/Looschelders: § 242, Rn. 461 m.w.N. 266 Vgl. StaudingerBGB-Olzen/Looschelders: § 242, Rn. 366 f. 267 Vgl. BT-Drucks 14/6040, 177; StaudingerBGB-Olzen/Looschelders: § 242, Rn. 388; MüKoBGB-Schubert: § 242, Rn. 85, 291. 259

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

läßt und wo deshalb das Prinzip der Selbstverantwortung korrelativ neben das der Selbstbestimmung treten muss”.268 Der Grundsatz von Treu und Glauben ist für Zulieferverträge aufgrund der Kooperationsintensität von großer Bedeutung und wird durch gegenseitige Treue-, Rücksichtnahme- und Sorgfaltspflichten konkretisiert.269 Haftungsbegrenzende Wirkung hat schließlich auch § 254 BGB, der die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten bei Schadensersatzansprüchen regelt. Auch in § 254 BGB kommen Billigkeitserwägungen zum Ausdruck, konkretisiert werden diese aber über das Zurechnungsprinzip und die Gleichbehandlung von Schädiger und Geschädigtem.270 3. Kartellrechtliche Grenzen der Vertragsfreiheit Bei Vorliegen von Wettbewerbsbeschränkungen nach dem GWB (oder dem AEUV) findet eine parallele Kontrolle von Geschäftsbedingungen nach dem BGB und dem Kartellrecht statt.271 Kartellrechtliche Regeln sind Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB272 und können zur Nichtigkeit von Rechtsgeschäften führen, wenn nicht Vertragsklauseln modifiziert werden.273 Vereinbarungen zwischen Automobilherstellern und ihren Zulieferern können im Einzelfall von den Wettbewerbsverboten in § 1 GWB (in Entsprechung zu Art. 101 AEUV) und § 19 GWB (in Entsprechung zu Art. 102 AEUV) erfasst werden.274 Dabei sind die Regeln des deutschen Kartellrechts weitgehend gleichlaufend zu den europäischen.275 Es gilt aber die Besonderheit, dass nach deutschem Recht nicht nur marktmächtige Unternehmen, sondern auch Unternehmen mit relativer Marktmacht der Missbrauchskon-

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Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, 440. So auch StaudingerBGB-Martinek/Omlor: § 675, Rn. B 255. 270 StaudingerBGB-Olzen/Looschelders: § 242, Rn. 377. 271 Vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2005 – KZR 36/04, MMR 2006, 154, 156; Säcker, ZWeR 2008, 348, 351; Markert, RdE 2007, 263, 267. 272 Immenga/Mestmäcker-Zimmer: GWB § 1, Rn. 6; Immenga/Mestmäcker-Ellger: Vertikal-GVO Art. 2. 273 So mit Beispielen Säcker, ZWeR 2008, 348, 352. 274 Ausführlich zur kartellrechtlichen Einordnung der Zulieferbeziehungen u.a.: Frenzel, Die Beurteilung von Forschungs- und Entwicklungskooperationen zwischen Herstellern und Zulieferern in der deutschen Automobilindustrie nach europäischem und deutschem Kartellrecht, 2003; Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 451 ff.; Strittmatter, Marktzutrittsschranken durch schlanke Zulieferstrukturen und Art. 85 EGV, 1996. 275 Vgl. etwa Immenga/Mestmäcker-Zimmer: GWB § 1, Rn. 2 f.; Dreher/Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 2016, Rn. 331. 269

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trolle unterliegen, § 20 I, II GWB i.V.m. Art. 19 GWB.276 Die Eingriffsschwelle der Kartellbehörde wird insoweit herabgesetzt. a) Relative Marktmacht Ein relativ marktmächtiges Unternehmen ist dadurch gekennzeichnet, dass kleine und mittlere Unternehmen, die Anbieter oder Nachfrager bestimmter Güter sind, von der Geschäftsbeziehung derart abhängig sind, dass für sie nur unzureichende Möglichkeiten bestehen, hinsichtlich des Angebots oder der Nachfrage dieser Güter auf Wettbewerber auszuweichen.277 Für das Abhängigkeitsverhältnis in Beziehungen zwischen Zulieferern und Herstellern in der Automobilindustrie vor allem zwei Fallgruppen relevant – die der unternehmensbedingten und die der nachfragebedingten Abhängigkeit.278 Ein Unternehmen ist unternehmensbedingt abhängig, wenn sein Geschäftsbetrieb – insbesondere auch durch spezifische Investitionen – so sehr auf ein anderes Unternehmen ausgerichtet ist, dass ein Wechsel zu einer alternativen Kooperationsbeziehung nur unter Inkaufnahme erheblicher Wettbewerbsnachteile möglich ist.279 Das ist im Automobilbereich regelmäßig bei Vertragshändlern der Fall, die sich durch vertragliche Vereinbarung auf den Vertrieb einer bestimmten Automobilmarke spezialisieren.280 Auch eine auf autonomer Entscheidung des Vertragshändlers beruhende Bezugskonzentration kann vom Tatbestand erfasst sein, „wenn die Ausrichtung des Geschäftsmodells erheblich über eine bloß einseitige Spezialisierung hinausgeht und etwa den Erwerb besonderen, markenspezifischen Knowhows umfasst“.281 Ähnliche Konstellationen sind auch auf der Anbieterseite – also bei Automobilzulieferbeziehungen denkbar, besonders wenn hohe ab276

Deshalb wird das GWB im Ausland, z.B. Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 44 f. und auch in der Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags als ein wichtiges Instrument zur Regulierung von Automobilzulieferbeziehungen in Deutschland wahrgenommen, Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags, Das rechtliche Verhältnis von Automobilherstellern und ihren Zulieferern, 2007, 4. 277 Vgl. Kling/Thomas, Kartellrecht, 2017, 724. 278 So etwa auch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 484. 279 Für einen Kfz-Vertragshändler mit Vertriebsbindung BGH, Urt. v. 23.02.1988 – KZR 20/86, GRUR 1988, 642 (Opel-Blitz), allerdings unter Hinweis darauf, dass es auf die Amortisation beziehungspezifischer Investitionen nicht ankommen soll. 280 BGH, Urt. v. 23.02.1988 – KZR 20/86, GRUR 1988, 642 (Opel-Blitz); BGH, Urt. v. 28.06.2005 – KZR 26/04, NJW-RR 2006, 689, 690 (Qualitative Selektion); BGHZ 189, 94 = NJW 2011, 2730, 2731 (MAN-Vertragswerkstatt); BGH, Urt. v. 06.10.2015 – KZR 87/13, NZKart 2015, 535, 537 (Porsche-Tuning). 281 BGH, Urt. v. 26.01.2016 – KZR 41/14, NJW 2016, 2504, 2506 (Jaguar-Vertragswerkstatt) (mit Anmerkung Ensthaler).

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

nehmerspezifische Investitionen getätigt wurden und ein Abbruch der Lieferbeziehungen sich für den Zulieferer als existenzbedrohend darstellen würde.282 Relative Nachfragemacht entsteht, wenn Anbieter von Produkten nicht oder nicht ausreichend auf andere Nachfrager ausweichen können, weil sie sich auf wenige Nachfrager konzentriert haben.283 Das kann bei Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie der Fall sein,284 muss aber von Einzelfall zu Einzelfall beurteilt werden. Die strategische Spezialisierungsentscheidung des Zulieferers kann auch zur nachfragebedingten Abhängigkeit i.S.d. § 20 GWB führen.285 Bei der Beurteilung der Abhängigkeit ist aber zu berücksichtigen, ob der Zulieferer auch andere Hersteller beliefert und wie sehr der Zulieferer wirklich in seiner unternehmerischen Freiheit beschränkt wird.286 Indizien sind etwa das Nachfragevolumen eines Abnehmers bei dem betreffenden Zulieferer und das Verhältnis der Ausweichmöglichkeiten von Abnehmer und Zulieferer.287 b) Kleine und mittlere Unternehmen Die Einordnung als kleines und mittleres Unternehmen erfolgt im Verhältnis zu den übrigen Marktteilnehmern, aber auch unter Berücksichtigung der Größe des Unternehmens, zu dem ein Abhängigkeitsverhältnis besteht.288 Als Richtwert für die Einordnung kann die absolute Unternehmensgröße mit den Schwellenwerten der Zusammenschlusskontrolle § 35 GWB herangezogen werden: klein oder mittel wären danach Unternehmen, die einen Umsatz von weniger als 10 bis 25 Millionen Euro erzielen.289 Das Gros der Zulieferer in der Automobilindustrie wird diese Voraussetzungen erfüllen, nur ein relativ geringer Anteil der Unternehmen beschäftigt mehr als 250 Mitarbeiter.290 282 Bechtold/Bosch-Bosch: § 20 GWB, Rn. 17; ausführlich bei Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 487 f. 283 Vgl. etwa Dreher/Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 2016, Rn. 1236; Immenga/ Mestmäcker-Markert: § 20 GWB, Rn. 47. 284 Vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 29.07.1987, WuW/E LG/AG 624. So auch ebd., Rn. 58; Eufinger/Maschemer, WRP 2016, 561, 566; Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774, 776; Klaue, ZIP 1989, 1313, 1315. 285 Immenga/Mestmäcker-Markert: § 20 GWB, Rn. 47. 286 Vgl. Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 98. 287 Genügen sollen im Automobilzulieferbereich bereits 10 % Umsatzanteil: Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 458–460, 488. 288 BGH, Urt. v. 06.10.2015 – KZR 87/13, NZKart 2015, 535, Rn. 56 (Porsche-Tuning); BGH, Beschl. v. 19.01.1993 – KVR 25/91, GRUR 1993, 592, 594 (Hersteller-Leasing). 289 BT-Drucks. 7/765, III. zu § 5 lit. B a.F, S. 3; Kling/Thomas, Kartellrecht, 2017, 530 f.; Bechtold/Bosch-Bosch: § 20 GWB, Rn. 9–10. 290 Ca. 10 %, vgl. Schneider, Modernes Sourcing in der Automobilindustrie, 2011, 32;

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c) Missbrauchstatbestand Weitere Voraussetzung für die Kartellrechtswidrigkeit ist schließlich, dass das relativ marktmächtige Unternehmen diese Stellung missbräuchlich ausnutzt, § 19 GWB. In Betracht kommen für Zulieferbeziehungen die Missbrauchstatbestände der unbilligen Behinderung (§ 19 II Nr. 1 GWB), der Ausbeutungsmissbrauch (§ 19 II Nr. 2 GWB) und die Aufforderung oder Veranlassung zur Vorteilsgewährung (Art. 19 II Nr. 5 GWB). Zur Beurteilung der Verhaltensweisen des marktmächtigen Unternehmens im Einzelfall ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Dabei muss die Zielsetzung des Kartellrechts – Sicherung der Freiheit des Wettbewerbs – Berücksichtigung finden. Danach ist eine Behinderung anderer Unternehmen im Wettbewerb grundsätzlich zulässig, solange dies nicht missbräuchlich erfolgt. Auch ein marktstarkes Unternehmen ist per se nicht verpflichtet, seine Wettbewerber zu fördern.291 Für die Beurteilung von Zulieferbeziehungen lassen sich bei der Interessenabwägung auf Seiten des Abnehmers vor allem seine unternehmerischen Interessen an der Gestaltung seines Produktionssystems und der freien Wahl seiner Zulieferer einstellen, aber auch der Wettbewerbsdruck, den er selbst auf dem Absatzmarkt erfährt.292 Kartellrechtlich schützenswertes Interesse des Zulieferers ist hingegen sein wettbewerbliches Betätigungsinteresse (Tätigkeit auch für andere Nachfrager).293 Dabei ist den Interessen des abhängigen Unternehmens desto größere Bedeutung beizumessen, je stärker die Abhängigkeit ist.294 Gleichzeitig ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass Zulieferer diese Abhängigkeit oftmals aufgrund einer eigenen unternehmerischen Strategieentscheidung eingehen.295 Von Bedeutung ist ferner, ob das Kriterium der kleinen oder mittleren Unternehmensgröße dürfte aber im Zuge der 10. GWB-Novelle entfallen, vgl. den DICE-Endbericht für das BMWI: Schweitzer, Haucap, Kerber, Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, 29.08.2018, , 30.07.2020. In den Prevent-Fällen haben die Gerichte dieses Kriterium unter Verweis auf die Gruppenzugehörigkeit abgelehnt, vgl. z.B. OLG Dresden, Urt. v. 7.11.2018, Az. U 3/18 Kart, unveröffentlicht. 291 BGH, Urt. v. 23.02.1988 – KZR 20/86, GRUR 1988, 642 (Opel-Blitz); BGH, Urt. v. 06.10.2015 – KZR 87/13, NZKart 2015, 535, Rn. 66 (Porsche-Tuning); Immenga/Mestmäcker-Fuchs: § 19 GWB, Rn. 106, 196; Dreher/Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 2016, 490. 292 Vgl. auch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 500. 293 Vgl. Klaue, ZIP 1989, 1313, 1316. 294 BGH, Urt. v. 06.10.2015 – KZR 87/13, NZKart 2015, 535 Rn 59 (Porsche-Tuning). 295 Vgl. Monopolkommission, Mißbräuche der Nachfragemacht und Möglichkeiten zu ihrer Kontrolle im Rahmen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1977, 75.

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und inwieweit die wechselseitige Abhängigkeit von Hersteller und Zulieferer ausgewogen ist (Symmetrie).296 Bei der Interessenabwägung stellt der BGH schließlich vereinzelt auch auf die Gruppenfreistellungsverordnungen ab, beispielsweise zur Beurteilung der Angemessenheit einer Übergangsfrist bei der Kündigung eines Vertragshändlervertrags.297 Der Missbrauchstatbestand der unbilligen Behinderung aus § 19 II Nr. 1 GWB kann bei einer für das Zulieferunternehmen existenzbedrohenden vorzeitigen Kündigung erfüllt sein298 und zur Folge haben, dass der marktstarke Abnehmer eine Übergangsfrist gewähren muss.299 Die Ausbeutung einzelner Zulieferer durch besonders niedrige Preise festzustellen, ist schwierig: Es ist dem Wettbewerb letztlich inhärent, dass Abnehmer möglichst niedrige Preise verlangen und ineffiziente Anbieter aus dem Markt gedrängt werden.300 d) Rechtsfolgen Neben den kartellrechtlichen Rechtsfolgen (Untersagungsverfahren nach § 32 GWB und Bußgeldverfahren) kommen auch zivilrechtliche Rechtsfolgen in Betracht.301 Ein kartellrechtswidriges Verhalten kann gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit von Rechtsgeschäften wie Vertragskündigungen und Ausschließlichkeitsvereinbarungen führen.302 Voraussetzung der Nichtigkeitsfolge ist allerdings, dass diese zu einer mit dem Normzweck der §§ 19, 20 GWB – Vermeidung von Wettbewerbsbeeinträchtigungen – zu vereinbarenden Interessenlage führt.303 Im Bereich des Vertriebs wurde in den letzten Jahren verstärkt diskutiert, ob Vertriebsmittler einen Anspruch auf Zugang zur Belieferung durch einen

296 LG Dortmund, Urt. v. 27.02.2019, Az. 8 O 19/18 Kart, Rn. 123, NZKart 2019, 231, Vollversion abrufbar unter . 297 So in BGH, Urt. v. 21.02.1995 – KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260, 1263. 298 Immenga/Mestmäcker-Fuchs: § 19 GWB, Rn. 188. 299 Kessen, Nachfragemacht der Automobilindustrie, 1996, 106. So für einen Kfz-Vertragshändlervertrag BGH, Urt. v. 21.02.1995 – KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260; im Überblick Bechtold/Bosch-Bosch: § 20 GWB, Rn. 17–18; Immenga/Mestmäcker-Fuchs: § 19 GWB, Rn. 130. Hierzu vertiefend Kap. 3. D III. 300 Vgl. Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 510 ff. 301 Die private Kartellrechtsdurchsetzung ist bei § 20 I GWB üblich, Langen/BunteNothdurft: § 20 GWB, Rn. 5; FK-Grave: § 20 GWB, Rn. 28. 302 Langen/Bunte-Nothdurft: § 19 GWB, Rn. 488. Vgl. für die Kündigung von Vertragshändlerverträgen: BGH, Urt. v. 07.03.1989 – KZR 15/87, WuW/E 2584, 2587 „Lotterievertrieb“; Emde, NZKart 2013, 355, 360. 303 BGH, Urt. v. 07.03.1989 – KZR 15/87, BGHZ 107, 273 = ZIP 1989, 939, 942; Immenga/Mestmäcker-Fuchs: § 19 GWB, Rn. 385, 386.

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Unternehmer haben können.304 Spiegelbildlich lassen sich ähnliche Erwägungen auch auf Seiten der Nachfrage anstellen, nämlich ob ein Zulieferer einen Anspruch auf Zugang zur Nachfrage eines relativ nachfragemächtigen Unternehmens haben kann. Das könnte insbesondere im vorvertraglichen Bereich eine Rolle spielen, wenn ein marktstarkes Unternehmen einem von ihm abhängigen Zulieferer den Abschluss eines Zuliefervertrags ohne sachlichen Grund verweigert und die Auswahlkriterien erfüllt sind.305 e) Praktische Relevanz für Automobil-Zulieferbeziehungen Auch in der privaten Rechtsdurchsetzung wird in Automobil-Zulieferbeziehungen von dem kartellrechtlichen Schwert der §§ 20, 19 GWB kaum Gebrauch gemacht.306 Gründe hierfür sind unter anderem der begrenzte Geheimnisschutz im Verfahren und die Bedeutung des Rufs innerhalb der Branche.307 Die Möglichkeit der Einleitung des Verfahrens durch das Kartellamt von Amts wegen gemäß § 54 I GWB hat an diesem Befund nichts geändert.308 4. Resümee Nach deutschem Recht sind die Zulieferbeziehungen zwischen Endhersteller und Zulieferer in der Regel als auf Dauer angelegtes Werklieferungsverhältnis mit Langzeitcharakter einzuordnen, weshalb das Kaufrecht insbesondere durch das Recht der Dauerschuldverhältnisse ergänzt wird. Da es sich um Geschäftsbeziehungen zwischen Kaufleuten handelt, finden einige Regeln aus dem HGB Anwendung, die das Kaufrecht modifizieren. Diese Regeln sind überwiegend dispositiv und bieten vor allem eine Orientierungslinie dessen, was der Gesetzgeber als interessengerechte Ausgestaltung ansieht. Grenzen findet die Vertragsfreiheit vor allem im AGB-Recht, das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch im unternehmerischen Verkehr recht umfassend zur Beurteilung von Haftungsbeschränkungen und anderen standardvertraglichen Klauseln eingesetzt wird. Sämtliche Verträge im deutschen Recht unterliegen überdies den Grenzen der zivilrechtlichen Generalklauseln, die vor allem missbräuchliches Verhalten sanktionieren sollen und

304

Emde, NZKart 2013, 355, 355. Emde, NZKart 2013, 355, 356. 306 Vgl. als Ausnahmefälle LG Frankfurt, Urt. v. 29.07.1987, WuW/E LG/AG 624 und BKartA, Beschl. v. 21.5.2010 – B 9-29320 Fa-13/10, BeckRS 2016, 14460, wo es allerdings um einen Zusammenschluss ging. 307 Zum Geheimnisschutz ausführlich in Kap. 4 D. II.; vgl. auch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 476 f. 308 Diese Hoffnung äußerte noch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 477. 305

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insoweit auch den Schutz der Selbstbestimmung im Privatrecht aus Art. 2 I GG im Zivilrecht sicherstellen. Das Kartellrecht hat bislang einen geringen Einfluss als Kontrollinstanz im Bereich von Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie. Es bildet eine Grenze, wenn es zu einem missbräuchlichen Ausnutzen eines Machtungleichgewichts zwischen Zulieferer und Hersteller kommt und kann dann Einfluss auf die Wirksamkeit von Vertragsklauseln oder Kündigungen haben.

III. Die Zulieferbeziehung im italienischen Recht Das italienische Privatrecht ist dogmatisch zwischen dem französischen Code Civil und dem deutschen BGB einzuordnen. Zwar entsprach noch die Version von 1865 deutlich der französischen Vorlage,309 die italienischen Wissenschaftler widmeten sich aber für die Reform verstärkt der deutschen Pandektenwissenschaft (namentlich etwa Scialoja der Rechtsgeschäftslehre). Der Codice Civile von 1942 (CC) nimmt daher Elemente aus beiden Privatrechtsmodellen auf, entwickelt aber auch darüber hinaus gehende Lösungsmodelle.310 Im Vergleich zum deutschen Recht wurde der Abstraktionsgrad teilweise reduziert. So gehen beispielsweise die Allgemeinen Regeln über das Schuldverhältnis vom Grundmodell des Vertragsverhältnisses aus und nicht von dem des Rechtsgeschäfts.311 Im italienischen Zivilgesetzbuch von 1942 wurden das Handelsgesetz und das Bürgerliche Gesetz zusammengefasst, um in einem Buch das gesamte wirtschaftliche Handeln zu erfassen.312 Es wird versucht, moderne Entwicklungen mitzuvollziehen: So berücksichtigte der Codice Civile von 1942 bereits Dauerschuldverhältnisse und sah eigene Regeln für den Sukzessivlieferungsvertrag (contratto di somministrazione) vor.313 In den letzten 20 Jahren hat der italienische Gesetzgeber vor allem zwei Wege gewählt, um den Herausforderungen moderner Beziehungen zwischen Unternehmen zu begegnen; einerseits dispositive Regelungen, die die Privatautonomie und Wettbewerbsfähigkeit vor allem kleiner Unternehmen stimulieren sollen – etwa mit der Einführung des contratto di rete durch Art. 3 IV-ter D. Lgs. 5/09. Andererseits wurden zwingende Regelungen eingeführt, die die Privatautonomie beschränken, insbesondere die Legge Subforni-

309

Vgl. etwa Alpa, Manuale di diritto privato, 2015, 26. Eine ausführliche historische Einführung in das italienische Privatrecht findet sich etwa bei Resch, Das italienische Privatrecht im Spannungsfeld von code civil und BGB, 2001, 28 ff. 311 Vgl. Grundmann, in: Zaccaria/Grundmann (Hrsg.), 2007, 196. 312 Vgl. Alpa, Manuale di diritto privato, 2015, 45. 313 Vgl. Grundmann, in: Zaccaria/Grundmann (Hrsg.), 2007, 198. 310

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tura314 und zur Regelung der Zahlungsbedingungen in Handelsbeziehungen (Art. 7 D. Lgs. 231/02).315 Gerade letztere gehen zwar auch auf europäische Initiativen zurück, wurden aber überschießend umgesetzt.316 1. Regelung der Zulieferbeziehung mit einem eigenen Gesetz Angeregt durch das zunehmende Interesse der Europäischen Institutionen an den Zulieferbeziehungen, hat sich der italienische Gesetzgeber in den 1990er Jahren entschlossen, diese spezialgesetzlich zu regeln.317 Die italienische Wirtschaft ist traditionell in besonderem Maße durch eine große Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen, oft noch kleine Familienunternehmen, geprägt, was die Einführung der Legge Subfornitura vor allem politisch begünstigt hat.318 Moderne Zulieferbeziehungen gehen, was die verfolgten Interessen, die Kosten für die Auswahl der Vertragspartner, die Einhaltung von Lieferzeit und Lieferqualität und nicht zuletzt die Langfristigkeit der Vertragsbeziehung betrifft, erheblich über das hinaus, was einen traditionellen Austauschvertrag ausmacht. Deshalb hielt der italienische Gesetzgeber eine Spezialregelung für notwendig.319 Die Legge Subfornitura wird und wurde im italienischen wissenschaftlichen Diskurs kritisch gesehen, insbesondere im Hinblick auf die Regelungstechnik und die Wahl der Rechtsfolgen.320 Seit der Einführung im Jahr 1999 hat die Legge Subfornitura einige Nachbesserungen erfahren, da das Gesetz zunächst kaum zur Anwendung kam. Beispielsweise wurde ein Initiativrecht der Kartellbehörde (Autorita` Garante della Concorrenza e del Mercato) eingeführt, um den Durchsetzungsschwierigkeiten des Zulieferers als regelmäßig schwächerer Vertragspartei zu begegnen.321 314

Legge 192/98 vom 18.06.1998 (Disciplina della subfornitura nelle attivita` produttive). Mit nachfolgenden Modifikationen: Legge 57/01 vom 05.03.2001 (Änderungen des Art. 9); D. Lgs. 231/02 vom 9.10.2002 (Änderung des Art. 3); Legge 180/11 vom 11.11.2011 (Änderung des Art. 9); D. Lgs. 192/12 vom 9.11.2012 (Änderung des Art. 3); D. Lgs. 219/16 vom 25.11.2016 (Art. 10 weggefallen). Deutschsprachige Übersetzung im Anhang. 315 Vgl. Iamiceli, Analisi Giuridica dell’Economia 2011, 293, 297 f.; Troiano, in: Zaccaria/Grundmann (Hrsg.), 2007, 111. 316 Adiutori, Interessi protetti nella subfornitura, 2010, 8. 317 Wohl auch, um für die Umsetzung die positive Reputation der Europäischen Organe zu nutzen und abgeleitet vom französischen Vorbild (contrat de sous-traitance); so Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 37 f. 318 So etwa zu lesen bei Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 14; das Gesetzesvorhaben der Legge Subfornitura wurde von den kleinen Unternehmen begrüßt, erfuhr aber starken Gegenwind von den großen Unternehmen; vgl. auch Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 48. 319 So Giunta/Scalera, Analisi Giuridica dell’Economia 2011, 195, 195. 320 Vgl. in deutscher Sprache zusammenfassend: Maglio, in: Di Majo (Hrsg.), 1999, 126. 321 Art. 11 Legge 57/01; Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 88 ff.

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a) Contratto di subfornitura Der contratto di subfornitura ist nach der herrschenden Meinung kein eigener Vertragstyp.322 Vielmehr enthält das Gesetz Sonderregeln für ein Phänomen, das bei unterschiedlichen Vertragstypen auftreten kann.323 Neben den speziellen Regeln des contratto di subfornitura finden daher auch die jeweils anwendbaren Regelungen anderer Vertragstypen wie etwa Kauf-, Dienst- und Werkvertragsrecht Anwendung.324 (1) Ratio der Legge Subfornitura Die Legge Subfornitura verfolgt das Ziel, die Besonderheiten dezentralisierter Produktionsformen zu regeln, die tendenziell mit einer verstärkten wirtschaftlichen Abhängigkeit des Zulieferers einhergehen.325 In Fällen, in denen das allgemeine Wettbewerbsrecht nicht greift – etwa weil der Wettbewerb durch die missbräuchlichen Maßnahmen nicht (spürbar) betroffen ist –, wird privatrechtlicher Schutz eröffnet.326 Der Schutz gegen den Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit bei vertikaler Integration bildet daher einen Schwerpunkt des Gesetzes.327 (2) Definition und Anwendungsbereich Der contratto di subfornitura ist in Art. 1 Legge Subfornitura definiert. „Art. 1 – Definition 1. Mit dem Zuliefervertrag verpflichtet sich ein Unternehmer im Auftrag eines bestellenden Unternehmens, Arbeiten an von dem Besteller zur Verfügung gestellten Halbfertigprodukten oder an von dem Besteller zur Verfügung gestellten Rohstoffen durchzuführen, oder verpflichtet sich, dem Besteller Produkte oder Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, die dazu bestimmt sind, im Betrieb des Bestellers oder bei der Herstellung einer komplexen Sache eingebaut oder verwendet zu werden, in Übereinstimmung mit Projektentwürfen auszuführenden Entwürfen, technischen und technologischen Kenntnissen, Modellen oder Prototypen des Bestellers.“328

322 Etwa Giuseppe Ferri/Angelici/Giovanni B. Ferri, Manuale di diritto commerciale, 2019, 128; Alvisi, Subfornitura e autonomia collettiva, 2002, 25; Torrente/Schlesinger, Manuale di diritto privato, 2015, 777; kritisch: Merz, Formulario dei contratti, 2009, 845. 323 Giuseppe Ferri/Angelici/Giovanni B. Ferri, Manuale di diritto commerciale, 2019, 128; vgl. auch Zaccaria/Grundmann: Einführung in das italienische Recht, 2007, 188, 242–243. 324 Giuseppe Ferri/Angelici/Giovanni B. Ferri, Manuale di diritto commerciale, 2019, 129. 325 Torrente/Schlesinger, Manuale di diritto privato, 2015, 778. 326 Maugeri/Falce, Analisi Giuridica dell’Economia 2011, 273, 284. 327 Giuseppe Ferri/Angelici/Giovanni B. Ferri, Manuale di diritto commerciale, 2019, 129. Näher hierzu sogleich. 328 Übersetzung der Autorin auf Grundlage der Übersetzung von Fritzinger/Maglio in:

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Die Leistungen des Zulieferers müssen dazu bestimmt sein, im Rahmen des Handelsbetriebs des Bestellers eingesetzt zu werden – d.h. die Produkte des Zulieferers müssen speziell auf das zu produzierende Endprodukt abgestimmt sein.329 Art. 1 Legge Subfornitura umfasst zwei verschiedene Arten von Zulieferung. Der erste Halbsatz bezieht sich auf Unterverträge, die ein Unternehmer zur Erfüllung eines Auftrags einsetzt und die von diesem konkreten Auftrag abhängig sind (subfornitura di lavorazione). Der zweite Halbsatz bezieht sich auf Zulieferbeziehungen, die auf die Verlagerung einzelner Produktionsschritte eines Unternehmens an ein anderes Unternehmen zurückzuführen sind und keinen einmaligen Untervertrag, sondern ein langfristig angelegtes, wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis begründen (subfornitura industriale).330 Umstritten ist im italienischen Diskurs, welche Reichweite der Definition zukommt, insbesondere, ob auch Zulieferbeziehungen mit Systemzulieferern und Modullieferanten von dem Gesetz erfasst werden. Das hängt davon ab, wie Abs. 1 am Ende (in Übereinstimmung mit Projektentwürfen, etc.) auszulegen ist. Erbringt der Zulieferer keine eigene Entwicklungsleistung, sondern fertigt allein auf Grundlage der technischen Spezifikationen und des vom Hersteller zur Verfügung gestellten Know-hows, so ist der Anwendungsbereich auf Auftragsfertiger beschränkt.331 Diese engere Auslegung ermöglicht auch eine klarere Abgrenzung vom reinen contratto di appalto d’opera, der Di Majo (Hrsg.), 1999, 257 ff. „Art. 1 I Definizione 1. Con il contratto di subfornitura un imprenditore si impegna a effettuare per conto di una impresa committente lavorazioni su prodotti semilavorati o su materie prime forniti dalla committente medesima, o si impegna a fornire all’impresa prodotti o servizi destinati ad essere incorporati o comunque ad essere utilizzati nell’ambito dell’attivita’ economica del committente o nella produzione di un bene complesso, in conformita` a progetti esecutivi, conoscenze tecniche e tecnologiche, modelli o prototipi forniti dall’impresa committente.“ 329 Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 47; Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 182 f. 330 Calvagno D’Achille, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 343 f.; Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 77. Diese Unterscheidung nimmt auch vor: Tribunale di Modena, Sez. II, 12.04.2012, Nr. 617. 331 So Tribunale di Modena, Sez. II, 12.04.2012, Nr. 617: „[…] affidarla all’esterno, ad altro imprenditore, il quale, nell’eseguire la prestazione, dovra` attenersi alle indispensabili direttive di carattere tecnico impartite dal committente. La subfornitura e` infatti caratterizzata dal controllo diretto ed integrale sull’esecuzione dei lavori da parte dell’impresa committente. Progetti esecutivi, conoscenze tecniche e tecnologiche, modelli e prototipi sono forniti dall’impresa committente, la quale, dovendo il prodotto o servizio essere inserito nella produzione di un bene complesso, trasferisce al subfornitore il cosiddetto ,know how‘, nel senso dell’intero patrimonio conoscitivo sul come produrre un determinato bene o servizio“.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

eine größere Autonomie des Unternehmers bei der Erstellung des Werks voraussetzt.332 Vom Unter-Werkvertrag (subappalto) wird die Subfornitura dadurch abgegrenzt, dass der Zulieferer nicht direkt zum Vorteil eines Dritten tätig wird, sondern sich das Zulieferprodukt in den Produktionsprozess des Bestellers eingliedert.333 Abgrenzungsmerkmal für die Anwendung der Legge Subfornitura ist auch die konzeptionell-technologische Unterordnung des Zulieferers (subalternita` progettual-tecnologica),334 die mit einem direkten Weisungsrecht des Bestellers verbunden ist.335 Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Besteller selbst über das Know-how und die Fähigkeiten zur Fertigung des Zulieferteils verfügen muss und sich (nur) aus strategischen Gründen für das Outsourcing entscheidet.336 Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs durch die Rechtsprechung ist möglich: So hat das oberste Zivilgericht in einer aktuellen Entscheidung einen Vertragshändlervertrag unter Art. 1 Legge Subfornitura subsumiert und die Ausübung eines Beendigungsrechts an Art. 6 Nr. 2 Legge Subfornitura gemessen. Für die Anwendung der Legge Subfornitura genügte, dass die Vertriebsdienstleistungen zur Verwendung innerhalb des Betriebs des Bestellers bestimmt waren.337 332

„Gestione a proprio rischio“, Art. 1655 CC. Vgl. Tribunale di Bari, 11.01.2007, Nr. 51: „trattasi pertanto di un’obbligazione di risultato, eseguita in maniera autonoma, con la possibilita` tuttavia per il committente di esercitare una limitata sorveglianza (anche attraverso un tecnico di fiducia, il direttore dei lavori) al fine di assicurarsi la conformita` dell’opera a quanto commissionato”; auch Corte d’Appello di Firenze, Sez. I civ., 16.08.2011, Nr. 1102: „e` proprio il requisito della soggezione tecnologica a distinguere la subfornitura da quella tradizionale di appalto, dove l’appaltatore e` invece custode sovrano delle regole d’arte, al punto da doverle imporre al committente ove sia in gioco la decenza del risultato, di cui l’appaltatore risponde quand’anche i vizi siano stati indotti dal committente, se con la professionalita` di cui dispone acrebbe potuto evitarli.“ Der Besteller hat kein umfassendes Weisungsrecht, sondern kann lediglich in begrenztem Rahmen überwachen, ob das Werk seiner Bestellung entspricht. 333 Vgl. Consiglio di Stato, Sez. III, 30.11.2018, Nr. 6822: „In sostanza, mentre il subappaltatore assume di eseguire in tutto o in parte una prestazione dell’appaltatore (Art. 1655 e ss. c.c.) a diretto beneficio del committente, il subfornitore si impegna a porre nella disponibilita` dell’appaltatore un certo bene da inserire nella produzione dell’appaltatore, per cui il relativo rapporto rileva esclusivamente sotto il profilo privatistico dei rapporti bilaterali di carattere commerciale fra le aziende.“ 334 Die Voraussetzung der „dipendenza tecnica“ wurde zuletzt auch von der Corte di Cassazione Civile bestätigt; Corte Cass. Civ., Sez. III, 25.08.2014, Nr. 18186. 335 Tribunale di Torino, 13.12.2007, Pluris Cedam; Tribunale di Bari, Sez. II, 13.07.2006, Nr. 1957, Il Merito 2007, 6, 35. So auch Calvagno D’Achille, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 345, 353. Anderer Ansicht unter Hinweis auf die Indizwirkung der europäischen Bekanntmachungen Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 38. 336 So Tribunale di Torino, 11.05.2005, Giurisprudenza di Merito 2005, 12. 337 Corte Cass. Civ., Sez. III, 23.07.2014, Nr. 16787, S. 19: „I contratti di concessione di vendita possono includersi, nel caso in esame, nell’ambito dei rapporti di subfornitura di cui all’Art. l della legge n. 192/1998, considerato che il concessionario si impegna a fornire

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b) Die Unwirksamkeit bestimmter Klauseln – Schutz des Zulieferers? Teilweise wird vertreten, einige Regelungen der Legge Subfornitura (Mindestinhalt des Vertrags, Schriftform) etablierten eine strukturelle Schutzwürdigkeit des Zulieferers (debolezza strutturale), vergleichbar mit der Vermutung, die für die Schutzwürdigkeit von Arbeitnehmern oder auch Mietern greift.338 Die Ratio des Gesetzes ist jedoch nicht für alle Regelungen einheitlich. Teilweise weisen die Regelungen beiden Parteien Schutz zu, so beispielsweise Art. 6.339 Teilweise wird eine Partei besonders geschützt, vereinzelt auch der Abnehmer, in Art. 5 I, der – zwingend ausgestaltet – die Haftung des Zulieferers für die Mangelfreiheit des Zulieferprodukts vorsieht.340 Den Besonderheiten von Zulieferverträgen trägt das Spezialgesetz einerseits durch zwingende Regeln in Bezug auf Form und Inhalt des Zuliefervertrags, andererseits durch Haftungsbeschränkungen bzw. -erweiterungen und das Verbot missbräuchlichen Ausnutzens des wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses Rechnung. Die Rechtsfolge bei Abweichung der vertraglichen Regeln von den Vorgaben der Legge Subfornitura ist Nichtigkeit (nullita`) und soweit möglich werden die Klauseln durch das Gesetzesrecht ersetzt (Art. 1339 CC).341 (1) Schriftform, Art. 2 Die Schriftform in der Legge Subfornitura soll Transparenz und Rechtssicherheit garantieren. Die Form ist aber insoweit abgemildert, als sie auch durch Fax oder andere Telekommunikationsmittel erfüllt werden kann. Auch die Annahme eines schriftlichen Angebotes durch schlüssiges Verhalten, insbesondere durch Beginn der Erfüllung, ist durch das Gesetz ausdrücklich vorgesehen. Bei langfristigen Zulieferbeziehungen, die wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand haben, ist aber zu beachten, dass das Schrift-

alla casa madre servizi [di distribuzione] destinati ad essere [...] utilizzati nell’ambito dell’attivita` economica del committente [...].“ 338 Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 146 f.; Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 9. 339 Hierzu näher Kap. 3 C. II. 340 Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 115. 341 Alpa, Manuale di diritto privato, 2015, 573. Im Einzelnen ist strittig, ob es sich um eine absolute Nichtigkeitsfolge handelt (nullita` assoluta), die von beiden Parteien geltend gemacht werden kann und von einem Richter festgestellt wird (Art. 1421 CC), oder aber eine relative Nichtigkeit, die nur zugunsten des Zulieferers wirkt. Die Entscheidung hängt letztlich davon ab, worin der Schutzzweck der Legge Subfornitura gesehen wird, vgl. bereits vorstehend. Vgl. auch Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 151; Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 125. Zur Nichtigkeitsfolge des Art. 6 Legge Subfornitura ausführlicher Kap. 3 C. II. 1.

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formerfordernis nicht durch einzelne schriftliche Lieferabrufe ersetzt werden kann.342 Der Sublieferant wird dadurch geschützt, dass er bei Formnichtigkeit des Vertrags weiterhin einen Anspruch auf Bezahlung der bereits erbrachten Leistungen sowie Rückzahlung der im Vertrauen auf die Vertragsdurchführung getätigten Ausgaben hat.343 (2) Zwingende Vertragsbedingungen, Art. 2 Nr. 4 und 5 Art. 2 Nr. 4 und 5 Legge Subfornitura sehen vor, dass in dem Zuliefervertrag die Preise der Zulieferteile und die Lieferungs- und Zahlungsmodalitäten sowie etwaige Untersuchungspflichten bestimmt sein müssen. Die Zulieferteile müssen hinreichend spezifiziert werden. (3) Zahlungsfristen, Art. 3 Die Bezahlung des Zulieferers muss innerhalb von 60 Tagen nach Übergabe der Sache bzw. Erbringung der Leistung erfolgen, Art. 3. Hiermit soll der Zulieferer vor zu langen Zahlungsausständen geschützt werden.344 c) Generalklausel gegen den Missbrauch einer wirtschaftlichen Abhängigkeit – Art. 9 Legge Subfornitura Neben spezifischen, allein die Zulieferbeziehung betreffenden Regeln, enthält die Legge Subfornitura mit Art. 9 auch ein generelles Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer wirtschaftlichen Abhängigkeit (abuso di dipendenza economica).345 Dabei ist jeder potentielle Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Sublieferanten – etwa die Auferlegung von Vertragsbedingungen, die ungerechtfertigt schwerwiegend oder diskriminierend gegen den Sublieferanten wirken – untersagt.346 (1) Privatrecht oder Kartellrecht? Vor Einführung der Kategorie des Missbrauchs wirtschaftlicher Abhängigkeit war im italienischen Diskurs umstritten, ob eine solche Regelung im 342

Tribunale Potenza, 23.03.2011, Nr. 414; vgl. auch Calvagno D’Achille, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 361. 343 Torrente/Schlesinger, Manuale di diritto privato, 2015, 778. 344 Vgl. Alpa, Manuale di diritto privato, 2015, 573. 345 Die Regelung soll den kartellrechtlichen Regeln im deutschen (§ 20 GWB) und im französischen Recht (Art. 8 Nr. 2 Ordonnance Nr. 1234-86 – heute Art. L420-2 Code de Commerce) nachempfunden sein, vgl. ausführlich Caso, Abuso di potere contrattuale e subfornitura industriale, 2012. 346 Torrente/Schlesinger, Manuale di diritto privato, 2015, 779. Siehe vertieft im Folgenden.

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Wettbewerbsrecht oder aber als Teil der Legge Subfornitura in das italienische Rechtssystem eingeführt werden sollte.347 Verwiesen wurde in der Diskussion auch auf die Regelungen zur relativen Marktmacht im deutschen und französischen Kartellrecht: § 20 III GWB (Deutschland) und Art. L420-2 Code de Commerce (Frankreich).348 Da sich das italienische Kartellamt gegen eine Integration der Klausel in das Kartellgesetz aussprach, wurde sie letztlich in die Legge Subfornitura integriert. Das Kartellamt war der Ansicht, die Regelung betreffe vor allem das vertragliche Gleichgewicht, nicht aber den Wettbewerb.349 Nachträglich fügte der Gesetzgeber aber Eingriffskompetenzen der italienischen Kartellbehörde in die Legge Subfornitura ein, um der Regelung zu besserer Durchsetzung zu verhelfen.350 Die Regelung nimmt daher jetzt eine Zwitterstellung zwischen Privat- und Kartellrecht ein.351 Nach der wohl herrschenden Meinung handelt es sich bei der Kategorie der dipendenza economica um eine spezifische Ausformung des kartellrechtlichen Verbots des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, das gleichzeitig aber dem Privatrecht zuzuordnen ist und das Ziel verfolgt, die schwächere Vertragspartei unabhängig von einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu schützen.352 (2) Anwendungsbereich Obwohl vor allem bei Einführung der Regelung vielfach Zweifel an einer Anwendbarkeit über das Zulieferverhältnis hinaus geäußert wurden,353 betrachtet die herrschende Meinung in Italien die Regelung heute als General-

347

Vgl. zum Gesetzgebungsprozess Catricala`/Pignalosa, Manuale del diritto dei consumatori, 2013, 113; Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 268 in Fn, 3; Cendon: Vol VII – Compravendita e figure collegate, 2007, 135 ff. 348 Catricala`/Pignalosa, Manuale del diritto dei consumatori, 2013, 119. 349 Mitteilung der Autorita` Garante della Concorrenza e del Mercato, 11.2.1998; vgl. Di Mazziotti Celso, Art. 9 (Abuso di dipendenza economica), in: Alpa /Clarizia (Hrsg.), 1999, 239. 350 Neuer Abs. 3-bis zum Art. 9, eingeführt mit Legge 57/11 vom 5.03.2011; vgl. bereits vorstehend unter 1. 351 Catricala`/Pignalosa, Manuale del diritto dei consumatori, 2013, 114 f. 352 Catricala`/Pignalosa, Manuale del diritto dei consumatori, 2013, 114 f.; Caso, Abuso di potere contrattuale e subfornitura industriale, 2012, 141; Maugeri/Falce, Analisi Giuridica dell’Economia 2011, 273, 284; Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 81 ff.; a.A. aber wohl z.B. Fabbio, in: Olivieri/Zoppini/Catricala` (Hrsg.), 2008, 166. 353 Das Tribunale di Roma erfasste noch im Jahr 2008 nur vertragliche Zulieferbeziehungen, die auf die (vertikale) Integration ökonomischer Aktivitäten innerhalb eines einheitlichen ökonomischen Prozesses zurückzuführen sind. Bankverträge hielt das Gericht daher für nicht vom Tatbestand erfasst. Tribunale Roma, 5.02.2008 – R.G.n. 33751/2004 = Il Foro italiano, 2326, 2328.

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klausel, die den Schutz des Schwächeren im Vertragsrecht verwirklicht.354 Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Regelung, der nicht die Begriffe Zulieferer und Besteller verwendet, sondern allgemeiner von einem Abnehmer (impresa cliente) spricht.355 Die Nähe der Regelung zum kartellrechtlichen Schutz und die Eingriffsrechte des Kartellamts sind weitere Argumente für die Eröffnung des Anwendungsbereichs auch auf andere Vertragsverhältnisse als reine Zulieferverhältnisse im Sinne der Legge Subfornitura.356 Für eine weite Auslegung spricht schließlich der Sinn und Zweck, denn die Norm ist Ausdruck der allgemeinen Prinzipien der buona fede e correttezza contrattuale.357 (3) Regelbeispiele und Rechtsfolgen Art. 9 Legge Subfornitura enthält drei Regelbeispiele für den Missbrauchstatbestand: die Weigerung zu kontrahieren (rifiuto di contrarre), das Diktieren von schädlichen und diskriminierenden Vertragsbedingungen (imposizione di clausole contrattuali gravose e discriminatorie) und die ungerechtfertigte Beendigung der Geschäftsbeziehung (interruzione arbitraria delle relazioni commerciali).358 Bei einem Verstoß gegen das Missbrauchsverbot in Art. 9 Legge Subfornitura kann der Vertragspartner einen Anspruch auf Unterlassen der schädigenden Handlung und auf Schadensersatz haben. Ein Verstoß kann zudem die Nichtigkeit der missbräuchlichen Vereinbarung bzw. des Rechtsgeschäfts zur Folge haben.359 d) Zwischenergebnis Bei der Analyse der Zulieferbeziehung nach der Legge Subfornitura ist zu berücksichtigen, dass die Spezialregeln nur für einen Ausschnitt an Zulieferbeziehungen gelten. Der Zulieferer muss in einem direkten Abhängigkeits354 Torrente/Schlesinger, Manuale di diritto privato, 2015, 779; Iamiceli, Analisi Giuridica dell’Economia 2011, 293, 302; Giuseppe Ferri/Angelici/Giovanni B. Ferri, Manuale di diritto commerciale, 2019, 127 f.; Bianca, Diritto civile – Vol. III – Il contratto, 2000, 405 und vor allem die neuere Rechtsprechung Corte Cass. Civ., 25.11.2011 Nr. 24906 in Giustizia Civile 2013, 3–4, I, 739; Corte Cass. Civ., Sez. III, 23.7.2014, Nr. 16787; Corte Cass. Civ., Sez. I, 20.05.2016, Nr. 13169. (Anwendbarkeit auch auf Franchisebeziehungen). Zur Einschätzung des Meinungsbilds Catricala`/Pignalosa, Manuale del diritto dei consumatori, 2013, 118, 120. 355 Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 56 f. 356 Prosperi, in: Conte/Alpa (Hrsg.), 2015, 331 f. 357 Hoxhaj: Abuso di dipendenza economica: peculiarita` e giurisprudenza, , 30.07.2020. 358 Ausführlich in Kap. 3, das sich mit der Vertragsbeendigung befasst. 359 Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 79.

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verhältnis zu dem Besteller stehen, das dadurch gekennzeichnet ist, dass sich der Zulieferer an die genauen Bestellervorgaben zum Produktionsprozess halten muss (Voraussetzung der dipendenza tecnica). Das Regelungssystem der Legge Subfornitura dient vor allem zwei Zielsetzungen: der Gewährleistung von Transparenz und einem normativem Gleichgewicht in der Vertragsbeziehung.360 Die Regeln der Legge Subfornitura werden der Kategorie des terzo contratto zugeordnet, die die Beziehungen zwischen zwei ungleichen Unternehmern bezeichnet, bei denen ein ungleiches Machtverhältnis besteht und die daher zwischen B2B- und B2CGeschäften zu verorten sind.361 Sie fügt sich damit in die Entwicklung eines gesetzlichen Schutzes gegen das missbräuchliche Ausnutzen vertraglicher Asymmetrien ein.362 2. Contratto di rete – der italienische Netzvertrag Die Figur des Contratto di rete wurde vom italienischen Gesetzgeber 2009 mit dem Art 3 IV-ter D. Lgs. 5/09 (in den Folgejahren vielfach erweitert363) als Instrument zur Förderung der wirtschaftlichen Aktivität kleiner und mittlerer Unternehmen und Antwort auf den Small Business Act (SBA) der Europäischen Union eingeführt.364 Betrachtet man nur die Bezeichnung, so könnte man meinen, der italienische Gesetzgeber habe auf die Diskussion um das Recht der Vertragsnetze365 mit einer eigenen Gesetzgebung reagiert. Art. 3 IV-ter des D. Lgs. 5/09366 definiert den contratto di rete aber als einen Vertrag zwischen

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So Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 73 „garantire soprattutto la trasparenza e l’equilibrio normativo del contratto: l’equilibrio economico deve essere controllato alla stregua del divieto dell’abuso di dipendenza economica“. 361 Vgl. etwa Gitti/Villa: Il terzo contratto, 2008. 362 Unter Hinweis auf Regeln mit ähnlicher Zielsetzung, etwa Art. 3 Legge Antitrust, das Verbot des Wuchers sowie die Regeln über den Zahlungsverzug, Calvagno D’Achille, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 391. 363 Erweiterungen und Änderungen durch Legge 33/09 vom 9.4.2009; Legge 99/09 vom 23.7.2009; D. Lgs. 78/10 vom 31.5.2010; Legge 122/10 vom 30.7.2010; D. Lgs. 83/12 vom 22.6.2012; Legge 134/12 vom 7.8.2012; D. Lgs. 179/12 vom 18.10.2012; Legge 221/2012 vom 17.12.2012. 364 KOM(2008) 394; Bentivogli/Quintiliani/Sabbatini, L’Industria 2013, 347, 348. 365 Siehe hierzu bereits Kap. 1 B. II. 366 Art. 3 IV-ter D. Lgs. 5/09: „Con il contratto di rete piu` imprenditori perseguono lo scopo di accrescere, individualmente e collettivamente, la propria capacita` innovativa e la propria competitivita` sul mercato e a tal fine si obbligano, sulla base di un programma comune di rete, a collaborare in forme e in ambiti predeterminati attinenti all’esercizio delle proprie imprese ovvero a scambiarsi informazioni o prestazioni di natura industriale, commerciale, tecnica o tecnologica ovvero ancora ad esercitare in comune una o piu` attivita` rientranti nell’oggetto della propria impresa. […]“

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

mehreren Unternehmern mit dem Ziel, einzeln und gemeinsam die eigene Innnovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt zu verbessern. Die Zusammenarbeit im Netz kann einer oder mehreren der nachfolgenden Formen annehmen: (1) Zusammenarbeit in einer vorher festgelegten Form bzw. einem vorher festgelegten Rahmen entsprechend den eigenen Unternehmenszielen, (2) Austausch wirtschaftlicher Informationen oder Leistungen oder (3) gemeinsame Ausübung einer oder mehrerer Tätigkeiten, die dem Gegenstand des Handelsunternehmens der beteiligten Unternehmer entsprechen. Der contratto di rete bietet somit in erster Linie einen formalen Rahmen für den Zusammenschluss von Unternehmen in einem Netzwerk, der Klarheit für die Teilnehmer am Rechtsverkehr schaffen soll, gleichzeitig aber ausreichend Flexibilität für unterschiedliche Ausprägungen von Unternehmensnetzwerken ermöglichen soll. Hinsichtlich der Organisation der Unternehmen unter einem contratto di rete sieht das italienische Recht daher keine detaillierten Vorschriften vor. Es überlässt den Parteien die Wahlfreiheit, sich ein gemeinsames Organ und Regeln für gemeinsame Beschlüsse zu geben. Grundanforderung für die Qualifikation als Netzwerk ist lediglich die Angabe von Netzzweck, Netzteilnehmern und der Voraussetzungen der Teilnahme am Netzwerk im Unternehmensregister. Verdichtet sich das Netzwerk mit der Gründung eines gemeinsamen Organs, eines Sitzes und eines gemeinsamen Netzvermögens, so erlangt es eigene Rechtspersönlichkeit (soggettivita` giuridica) und haftet gegenüber Dritten.367 Dennoch handelt es sich nicht um eine mit der deutschen BGB-Gesellschaft vergleichbaren Organisation, da die Netzteilnehmer, abgesehen von dem gemeinsamen Netzvermögen, wirtschaftlich und rechtlich unabhängig bleiben und keinen konkreten gemeinsamen Zweck verfolgen, sondern vielmehr Arbeitsteilung koordinieren.368 Um die Attraktivität des contratto di rete für Unternehmen zu steigern, der eine größere Effizienz in der Wirtschaft verspricht, hat der italienische Gesetzgeber mit dem D. Lgs. 78/2010 Steuererleichterungen für das im Netz eingesetzte Vermögen eingeführt.369 Der contratto di rete beschreibt vor allem horizontale Beziehungen. Daher finden die Regeln auf die hier untersuchten und auf vertikale Arbeitsteilungs ausgerichteten Zulieferverträge regelmäßig keine Anwendung.

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Gössl, RabelsZ 80 (2016), 579, 588 f.; Bentivogli/Quintiliani/Sabbatini, L’Industria 2013, 347, 358. 368 Vgl. Gössl, RabelsZ 80 (2016), 579. 369 Bentivogli/Quintiliani/Sabbatini, L’Industria 2013, 347, 360.

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3. Allgemeine Regeln des Codice Civile Da die Regeln der Legge Subfornitura nicht abschließend sind und nicht alle Arten von Zulieferbeziehungen betreffen, bleibt die Frage, welche Regeln des Codice Civile (zusätzlich) Anwendung finden. Teilweise wird der contratto di subfornitura zwar als eigener Vertragstyp angesehen,370 mangels abschließender Regelung müssen aber in jedem Fall weitere Regeln des Codice Civile herangezogen werden. Im Einzelnen hängt das von der konkreten Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses ab; in Betracht kommen die Regeln des italienischen Kaufvertrags (contratto di compravendita) und des Unternehmerwerkvertrags (contratto di appalto), aber auch die des Bezugsvertrags (contratto di somministrazione).371 a) Contratto di appalto und contratto di compravendita Der contratto di appalto ist am ehesten vergleichbar mit dem deutschen Werkvertrag.372 Gemäß Art. 1655 CC373 liegt ein contratto di appalto vor, wenn ein selbstständiger Unternehmer unter Einsatz organisierter Betriebsmittel und unter Übernahme des Betriebsrisikos eine Leistung oder ein Werk gegen Bezahlung erbringt.374 Der contratto di appalto wird vom contratto di compravendita dadurch unterschieden, dass die Pflicht etwas herzustellen, also ein Tun (facere), im Vordergrund steht und nicht die Übergabe der Sache (dare).375 Gerade bei herzustellenden Produkten ist die Abgrenzung aber schwierig. Nach Torrente/Schlesinger soll es sich um einen Kauf handeln, wenn der Hersteller ein Produkt nach einem Modell seiner eigenen Fertigungsreihe herstellt; um ein Werk hingegen, wenn der Hersteller ein neues Produkt herstellt, welches nicht zu seiner bisherigen Produktpalette zählt, er also Entwicklungsarbeit

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So etwa Bertolotti, Il contratto di subfornitura, 2000, 46, dies entspricht jedoch nicht der h.M., vgl. oben S. 62. 371 Vgl. zu dieser Einschätzung auch Eccher/Schurr/Christandl, Handbuch Italienisches Zivilrecht, 2009, 261. 372 Im deutschen Recht ebenfalls als Werkvertrag einzuordnen wäre der contratto d’opera, Art. 2222 CC. Vgl. Eccher/Schurr/Christandl, Handbuch Italienisches Zivilrecht, 2009, 285. Dieser ist für die hier untersuchten Zulieferverträge jedoch kaum von Bedeutung. 373 „Art. 1655 CC. L’appalto e` il contratto col quale una parte assume, con organizzazione dei mezzi necessari e con gestione a proprio rischio, il compimento di un’opera o di un servizio verso un corrispettivo in danaro.“ 374 Ein wichtiges Abgrenzungskriterium ist die Unternehmereigenschaft (imprenditore); vgl. auch Torrente/Schlesinger, Manuale di diritto privato, 2015, 770. 375 Giuseppe Ferri/Angelici/Giovanni B. Ferri, Manuale di diritto commerciale, 2019, 707.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

leistet.376 Der Erwerb eines nach spezifischen Vorstellungen des Verbrauchers zu konfigurierenden Neuwagens ist danach dem Kaufrecht zuzuordnen, da der Hersteller das Auto auf Basis der bestehenden Produktpalette konfiguriert.377 In Zweifelsfällen wird bei der Abgrenzung auch darauf abgestellt, welchen Stellenwert die Vertragsparteien der (Werk-)Leistung im Vergleich zur Verkaufsleistung beimessen.378 Das Kaufrecht findet im italienischen Recht daher seltener auf die hier untersuchten Zulieferverträge Anwendung.379 Eine solche Ausnahme liegt aber zum Beispiel vor, wenn der Zulieferer Lizenzen und Know-how des Bestellers für die Produktion benutzt – und insofern der Anwendungsbereich der Legge Subfornitura eröffnet ist –, aber gleichzeitig Standardprodukte liefert oder bei der Zulieferbeziehung der Schwerpunkt in der Lieferung und nicht in der Herstellung der Ware liegt.380 b) Besonderheiten der Langzeitbeziehung: contratto di somministrazione Auf eine Zulieferbeziehung können daneben auch die Regeln des contratto di somministrazione Anwendung finden, der die Besonderheiten der langfristigen Geschäftsbeziehung berücksichtigt und sowohl den deutschen Ratenlieferungsvertrag als auch den Bezugsvertrag erfasst. Der contratto di somministrazione ist ein Austauschvertrag, der auf eine dauerhafte Geschäftsverbindung angelegt ist. Unterschieden wird zwischen der Lieferung mit periodischem Charakter (carattere periodico) und kontinuierlichem Charakter (carattere continuativo), Art. 1559 CC.381 Hauptleistung ist wie beim Kaufvertrag die Übergabe und Übereignung einer Sache, weshalb auf die einzelnen Lieferungen die Regeln des Kaufrechts Anwendung finden.382 Gemäß Art. 1677 CC sind die Regeln des contratto di somministrazione aber auch auf die wiederkehrende oder andauernde Leistung von Diensten bzw. Werken anwendbar.

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Torrente/Schlesinger, Manuale di diritto privato, 2015, 771. Torrente/Schlesinger, Manuale di diritto privato, 2015, 772. 378 Giuseppe Ferri/Angelici/Giovanni B. Ferri, Manuale di diritto commerciale, 2019, 707, maßgeblich ist auch im italienischen Recht der Schwerpunkt der Leistung. 379 Insbesondere im Anwendungsbereich der Legge Subfornitura, vgl. etwa Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 51. 380 Leccese: Art. 5 (Responsabilita` de subfornitore), in: Alpa/Clarizia (Hrsg.), 1999, 161. 381 „Art. 1559 CC. (Nozione). La somministrazione e` il contratto con il quale una parte si obbliga, verso corrispettivo di un prezzo, a eseguire, a favore dell’altra, prestazioni periodiche o continuative di cose.” 382 Giuseppe Ferri/Angelici/Giovanni B. Ferri,, Manuale di diritto commerciale, 2019, 696. 377

C. Die Zulieferbeziehung in den untersuchten Rechtsordnungen

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(1) Bestimmtheit des Leistungsgegenstands Da sich bei langfristigen Lieferbeziehungen die Liefermenge oftmals ex ante nicht genau festlegen lässt, sondern sich nach dem jeweiligen Bedarf bestimmt, gleichzeitig die Bestimmbarkeit des Leitungsgegenstandes aber auch im italienischen Recht Voraussetzung ist, wird gemäß Art. 1560 CC383 im Zweifelsfall der normale bzw. Durchschnittsbedarf zugrunde gelegt. Sofern eine Mindestabsatzenge bestimmt wurde, hat der Zulieferer aber ein Absatzrecht.384 (2) Vertragsbeendigung Besonders geregelt ist auch das Rücktrittsrecht bei Nichterfüllung des Vertrags. Gemäß Art. 1564 CC385 kann der eine Vertragspartner bei Nichterfüllung einzelner Leistungen nur dann vom gesamten Vertrag zurücktreten, wenn diese eine merkliche Bedeutung für den gesamten Vertrag haben und das Vertrauen in die adäquate Leistungserfüllung in der Zukunft schmälern.386 (3) Ausschließlichkeitsbindungen: Alleinbezug und Alleinvertrieb Der Codice Civile regelt für diese langfristigen Verträge in Art. 1567 CC auch die Frage der Zulässigkeit von Ausschließlichkeitsklauseln (clausola di esclusiva) zugunsten des Lieferanten (somministrante). Eine solche Klausel müsste sich normalerweise an Art. 2596 CC messen lassen, der die Grenzen wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen aufzeigt. Für den contratto di somministrazione gilt aber eine Ausnahme, die ihre Rechtfertigung in der dauerhaften Lieferbeziehung findet.387 Auch die Modalitäten für Meistbe383 „Art. 1560 CC. Qualora non sia determinata l’entita` della somministrazione, s’intende pattuita quella corrispondente al normale fabbisogno della parte che vi ha diritto, avuto riguardo al tempo della conclusione del contratto. Se le parti hanno stabilito soltanto il limite massimo e quello minimo per l’intera somministrazione o per le singole prestazioni, spetta all’avente diritto alla somministrazione di stabilire, entro i limiti suddetti, il quantitativo dovuto. Se l’entita` della somministrazione deve determinarsi in relazione al fabbisogno, ed e` stabilito un quantitativo minimo, l’avente diritto alla somministrazione e` tenuto per la quantita` corrispondente al fabbisogno se questo supera il minimo stesso.“ 384 Vgl. auch Grundmann, in: Zaccaria/Grundmann (Hrsg.), 2007, 244 f. 385 „Art. 1564 CC. In caso d’inadempimento di una delle parti relativo a singole prestazioni, l’altra puo` chiedere la risoluzione del contratto, se l’inadempimento ha una notevole importanza ed e` tale da menomare la fiducia nell’esattezza dei successivi adempimenti.“ 386 Vgl. Alpa, Manuale di diritto privato, 2015, 572. 387 Giuseppe Ferri/Angelici/Giovanni B. Ferri, Manuale di diritto commerciale, 2019, 700 f.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

günstigungsklauseln (patto di preferenza) sind in Art. 1566 CC geregelt. Eine Klausel, die den Abnehmer bei Abschluss eines neuen Liefervertrags dazu verpflichtet, bei gleichen Bedingungen den Vertragspartner gegenüber seinen Konkurrenten zu bevorzugen, ist danach unter der Bedingung gültig, dass eine solche Vereinbarung nur für die Dauer von fünf Jahren gilt und der Abnehmer dem Lieferanten die ihm von den Konkurrenten angebotenen Konditionen mitteilt. Ist eine längere Dauer vereinbart, so verkürzt sie sich automatisch auf fünf Jahre. 4. AGB-Recht: condizioni generali Allgemeine Geschäftsbedingungen werden im italienischen Recht als contratti standard, condizioni generali di contratti oder auch contratti per adesione bezeichnet.388 Die allgemeinen Regeln zum Umgang mit solchen standardvertraglichen Regelungen finden sich in den Art. 1341 ff. CC. Besondere Regeln enthält der Codice del Consumo für den Abschluss von Verträgen mit Verbrauchern. Auf den contratto di subfornitura findet gemäß Art. 2 Nr. 2 Legge Subfornitura das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen Anwendung.389 a) Anwendbarkeit Die Definition der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ähnelt derjenigen im deutschen Recht. Beispielsweise genügt es, dass derselbe Vertrag für eine Vielzahl von Geschäften mit demselben Vertragspartner genutzt wird.390 b) Formale Einbeziehungskontrolle Gemäß Art. 1341 CC391 setzt die Wirksamkeit von AGB auch im unternehmerischen Verkehr voraus, dass der Vertragspartner des Verwenders zum

388

Torrente/Schlesinger, Manuale di diritto privato, 2015, 537. Insbes. Art. 1341 CC, aber auch die weiteren Regelungen Art. 1342 und 1370 CC; vgl. Alpa, Manuale di diritto privato, 2015, 573. 390 Vgl. Rausch, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Italien, 2004, 31. 391 „Art. 1341 CC Le condizioni generali di contratto predisposte da uno dei contraenti sono efficaci nei confronti dell’altro, se al momento della conclusione del contratto questi le ha conosciute o avrebbe dovuto conoscerle usando l’ordinaria diligenza. In ogni caso non hanno effetto, se non sono specificamente approvate per iscritto, le condizioni che stabiliscono, a favore di colui che le ha predisposte, limitazioni di responsabilita`, facolta` di recedere dal contratto o di sospenderne l’esecuzione, ovvero sanciscono a carico dell’altro contraente decadenze, limitazioni alla facolta` di opporre eccezioni, restrizioni alla liberta` contrattuale nei rapporti coi terzi, tacita proroga o rinnovazione del contratto, clausole compromissorie o deroghe alla competenza dell’autorita` giudiziaria.“ 389

C. Die Zulieferbeziehung in den untersuchten Rechtsordnungen

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Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von den Bedingungen hatte oder (bei Beachtung der allgemeinen Sorgfalt) Kenntnis hätte haben können. Gemäß Art. 1342 CC392 haben später hinzugefügte Klauseln im Zweifel Vorrang, weil angenommen wird, diese seien durch die Vertragspartner verhandelt worden. Die Auslegung erfolgt außerdem im Zweifel contra stipulatorem, also zugunsten des Vertragspartners des Verwenders, Art. 1370 CC. Bedingungen, die als für den Vertragspartner besonders nachteilig angesehen werden (sog. clausole vessatorie), wie beispielsweise Haftungsbeschränkungen, Kündigungsklauseln oder besondere Fristenregelungen, setzen zudem voraus, dass ihnen gesondert durch Unterschrift zugestimmt wird, Art. 1341 II CC.393 Fehlt diese Unterschrift, so sind die Klauseln durch den Vertragspartner des Verwenders anfechtbar.394 c) Inhaltskontrolle Eine hierüber hinaus gehende Inhaltskontrolle der Klauseln ist im italienischen Recht nur im Codice del Consumo für Verbraucherverträge vorgesehen.395 In sehr begrenztem Rahmen lässt sich gleichwohl eine Art „verdeckte Inhaltskontrolle“ durch die Gerichte auch im unternehmerischen Bereich396 beobachten.397 392 „Art. 1342 CC Nei contratti conclusi mediante la sottoscrizione di moduli o formulari, predisposti per disciplinare in maniera uniforme determinati rapporti contrattuali, le clausole aggiunte al modulo o al formulario prevalgono su quelle del modulo o del formulario qualora siano incompatibili con esse anche se queste ultime non sono state cancellate. Si osserva inoltre la disposizione del secondo comma dell’articolo precedente.“ 393 Diese Klauseln müssen eigens unterschrieben werden, wobei die Unterschrift unter dem gesamten Vertragswerk gerade nicht genügt. Corte Cass., Sez. Lavoro, 30.01.2014, Nr. 2062. 394 Corte Cass. Civ., Sez. IV, 20.08.2012, Nr. 14570; vgl. auch Torrente/Schlesinger, Manuale di diritto privato, 2015, 538. 395 Eine Ausnahme wurde allerdings im Jahr 2012 für Mikrounternehmen eingeführt, die sich auf Art. 18 und 19 Cod. Cons. berufen können; vgl. Torrente/Schlesinger, Manuale di diritto privato, 2015, 539. Einführung von Art. 18 lit. d-bis und Modifikation von Art. 19 durch D. Lgs. 1/12 vom 24.01.2012. Mikrounternehmen sind insbesondere Familienunternehmen und Unternehmen, die weniger als 10 Mitarbeiter beschäftigen oder einen Jahresumsatz von weniger als 2 Mio. Euro erwirtschaften. Die hier untersuchten Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie sind daher regelmäßig von der Ausnahme nicht betroffen. 396 L’impresa – die Unternehmung – beschreibt die unternehmerische Aktivität des Unternehmers, juristischer Anknüpfungspunkt für Rechte und Pflichten ist im italienischen Recht der imprenditore, also der Unternehmer. 397 So Rausch, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Italien, 2004, 54 ff., die einige Urteile analysiert.

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

5. Generalklauseln und Treu und Glauben Im Geschäftsverkehr gilt nach Art. 1175 CC das Prinzip der Redlichkeit im Geschäftsverkehr (correttezza) in Verbindung mit der in Art. 1375 CC statuierten buona fede oggettiva, der Verpflichtung, sich treu und ehrenhaft zu verhalten.398 Der Grundsatz ist auch verfassungsrechtlich verankert und wird auf Art. 2 und Art. 41 der italienischen Verfassung (Costituzione) gestützt, in denen das Solidaritätsprinzip (solidarieta` sociale) niedergelegt ist.399 Auf dieser Grundlage trifft jede Vertragspartei die Pflicht, bei der Ausübung der vertraglichen Rechte und Pflichten auf die Interessen der anderen Partei Rücksicht zu nehmen, unabhängig von spezielleren gesetzlichen und vertraglichen Regeln. Gleichzeitig beinhalten die Generalklauseln auch das Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (abuso del diritto).400 Die Generalklausel kommt vor allem bei Vertragsverhandlungen (Art. 1337 CC), bei der Auslegung von Verträgen (Art. 1366 CC) und bei der Begrenzung unzulässiger Rechtsausübung zum Tragen. 6. Kartellrechtliche Grenzen Das italienische Wettbewerbsrecht wurde erst im Jahr 1990, verhältnismäßig spät, in die Rechtsordnung eingeführt. Der Gesetzgeber entschied sich daher für die Übernahme der europäischen Regelungen und sieht in Art. 1 IV Legge Antitrust401 vor, dass die Auslegungsregeln der Europäischen Union bei der Anwendung des nationalen Kartellrechts zu beachten sind.402 Hieraus ergibt sich ein besonderer Gleichlauf zwischen italienischem und europäischem Wettbewerbsrecht. Art. 2 Legge Antitrust sieht in Entsprechung zu Art. 101 AEUV das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Art. 3 Legge Antitrust in Entsprechung zu Art. 102 AEUV das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung vor. Insoweit kann auf die Ausführungen zum gemeinsamen europarechtlichen Rahmen verwiesen werden. 7. Resümee Im italienischen Recht wird der rechtliche Rahmen von Zulieferverträgen zunächst durch die Vertragstypen des Codice Civile bestimmt – insbesondere die Regelungen zum Werkvertragsrecht (contratto di appalto), zum langfristigen Liefervertrag (contratto di somministrazione) sowie vereinzelt das Kauf-

398 Die Generalklausel wird aus einer Zusammenschau der Art. 1337, 1366, 1375 und 1175 CC abgeleitet. 399 Corte Cass. Civ., Sez. III, 18.09.2009, Nr. 20106, I contratti 2010, 5. 400 Vgl. Calvagno D’Achille, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 398. 401 Legge 287/90 vom 10.10.1990. 402 Vgl. Ghezzi/Olivieri, Diritto antitrust, 2013, 24.

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recht (contratto di compravendita). Für einen bestimmten Bereich von Zulieferbeziehungen, insbesondere solche vom Typ „verlängerte Werkbank”, sieht die Legge Subfornitura zwingende Spezialregeln vor, die vor allem Transparenz, Form und Bestimmtheit der vertraglichen Vereinbarungen und die Zahlungsfristen betreffen. Für alle Zulieferverträge gilt darüber hinaus die Generalklausel des Missbrauchs wirtschaftlicher Abhängigkeit, Art. 9 Legge Subfornitura, die die Unwirksamkeit einer Vertragsbeendigung nach sich ziehen kann. Das AGB-Recht spielt hingegen im unternehmerischen Verkehr nur eine untergeordnete Rolle, da es sich auf eine rein formale Einbeziehungskontrolle beschränkt.403 Treu- und Glauben-Gesichtspunkten kommt im italienischen Recht vor allem bei der Vertragsauslegung Bedeutung zu, sie können aber auch Rücksichtnahmepflichten und Missbrauchsverbote begründen. Eine kartellrechtliche Sonderregelung ist – abgesehen von dem auch privatrechtlich ausgestalteten Missbrauchsverbot der Legge Subfornitura – nicht vorgesehen.

IV. Die Zulieferbeziehung im englischen Recht Das englische Recht unterscheidet sich von seiner Konzeption am stärksten von den beiden anderen untersuchten Rechtsordnungen. Als CommonLaw-Rechtsordnung ist die zentrale Rechtsquelle des englischen Rechts nicht das Gesetzesrecht, sondern das Common Law404, welches von den Gerichten fallbasiert und praktisch orientiert entwickelt und geprägt wird.405 Aufgrund des historisch gewachsenen Richterrechts kam es in England auch nicht zu einer mit den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen vergleichbaren Rezeption des römischen Rechts.406 Dennoch finden sich heute auch zahlreiche Regelungen in Gesetzestexten – teils als Zusammenschau des gewachsenen Fallrechts, teils aufgrund europäischer Richtlinienumsetzung. Insbesondere wenn Gesetze nicht dem Europarecht geschuldet sind, ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese im Unterschied zu kontinentaleuropäischen Gesetzestexten in der Regel nicht darauf abzielen, ein Rechtsgebiet abschließend zu regeln und systematische Kohärenz zwischen den einzelnen Regeln herzustellen. Vielmehr sollen sie das Fallrecht für die Rechtsanwender überblickartig zusammenzufassen und

403

Vgl. für Zulieferverträge auch Caso, Abuso di potere contrattuale e subfornitura industriale, 2012, 129. 404 Das Common Law umfasst seinerseits das common law im engeren Sinne und equity. 405 Vgl. Hugh Beale/Fauvarque-Cosson/Rutgers/Tallon/Vogenauer, Cases, Materials and Text on Contract Law, 2010, 83. 406 Vgl. Bernstorff, Einführung in das englische Recht, 2018, 3 Ausnahmen finden sich allerdings beispielsweise im Sachenrecht.

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sind als Ergänzung zu den Common-Law-Regeln zu verstehen.407 Neben das Gesetzesrecht408 treten im englischen Recht das Common Law und EquityRegeln. 1. Vertraglicher Rahmen und rechtliche Einordnung a) Vertragsrecht – Sale of Goods Im englischen Recht ist keine Typisierung von Verträgen in der Form kontinentaler Rechtsordnungen vorgesehen. Es gilt grundsätzlich das allgemeine Vertragsrecht, das nur vereinzelt durch Gesetzesrecht konkretisiert und überlagert wird. Eine Eigenart des englischen Vertragsrechts ist die doctrine of consideration. Bei Verträgen muss es eine consideration geben – einen Gegenwert, den der eine Vertragspartner dem anderen im Gegenzug für die vertragliche Verpflichtung anbietet.409 Der Sale of Goods nach dem Sale of Goods Act 1979 (SGA) betrifft auch Verträge, die das deutsche Recht als Werklieferungsverträge ansieht.410 Bei einem reinen Werk- oder Dienstvertrag (contract for services) ist hingegen nur das allgemeine Vertragsrecht anwendbar.411 Die Unterscheidung erfolgt nach dem Kern des Vertrags (substance of the contract): Kommt es in erster Linie auf die Fähigkeiten und Arbeit des Lieferanten an, so handelt es sich um einen contract for services, kommt es auf das Ergebnis an, d.h. die zu liefernden Sachen, dann handelt es sich um einen contract for sale.412 Sofern es nicht reine Entwicklungsverträge sind, findet folglich auf Zulieferverträge der SGA 1979 Anwendung. Im englischen Recht sind keine speziellen Regeln für Verträge zwischen Kaufleuten vorgesehen. Da sich das englische Privatrecht als Recht der Kaufleute entwickelt hat, ist diese Art von Vertragsbeziehung das Leitbild.413

407 Vgl. Dalhuisen, Dalhuisen on Transnational, Comparative, Commercial, Financial and Trade Law – Volume 2, 2013, 117; so zum Sale of Goods Act Goode/McKendrick, Goode on commercial law, 2016, 209; Bernstorff, Einführung in das englische Recht, 2018, 11. Zu den Rechtsquellen ausführlich in Kapitel II: Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler: Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2012. 408 Im Folgenden spielen vor allem der Sale of Goods Act 1979 und der Unfair Contract Terms Act 1977 eine Rolle. 409 Siehe nur Furmston/Cheshire/Fifoot, Cheshire, Fifoot, and Furmston’s law of contract, 2017, 100 ff. 410 Twigg-Flesner/Canavan/MacQueen/Atiyah/Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 27. 411 Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler: Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2012, 95. 412 Twigg-Flesner/Canavan/MacQueen/Atiyah/Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 28. 413 Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Pri-

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b) Auslegungsregeln im englischen Recht Besondere Bedeutung kommt im englischen Recht den Auslegungsregeln und der Möglichkeit zu, implied terms vorzusehen.414 (1) Auslegung von Gesetzen Bei der Auslegung von Gesetzen spielt die grammatikalische Auslegung eine hervorgehobene Rolle. Da der englische im Unterschied zum deutschen Gesetzgeber nicht primär das Ziel eines in sich schlüssigen, vollständigen Systems verfolgt, hat die systematische Auslegung im englischen Recht eine geringere Bedeutung.415 Der Vorrang der grammatikalischen Auslegung kommt in der Auslegungsregel der golden rule416 zum Ausdruck, wonach von der grammatikalischen Auslegung nur dann abzuweichen ist, wenn diese zu einem unsinnigen oder widersprüchlichen Ergebnis führen würde.417 Die golden rule wird heute im englischen Recht freilich nicht mehr so streng gehandhabt und etwa auch der purposive approach angewandt, der nach der Intention des Regelsetzers fragt, wenn die grammatikalische Auslegung nicht zu sinnvollen Ergebnissen führt.418 Vor allem Lord Denning hat sich gegen eine zu strikte Auslegung ausgesprochen und die Erweiterung des Blicks auch auf das Verständnis der Normadressaten verfochten.419 (2) Auslegung von Verträgen Auch bei der Auslegung von Verträgen ist das grammatikalische Verständnis Ausgangspunkt für die Auslegung. Auf den wirklichen Willen der Parteien kommt es grundsätzlich nicht an. Nach der parol evidence rule streitet eine Vermutung für die Richtigkeit des schriftlichen Vertragstextes und auf nachträgliche (insbesondere mündliche) Änderungen können sich die Vertragsparteien grundsätzlich nicht berufen.420 Diese Regelung gilt nicht ausnahms-

vatrechts, 1996, 535. Die hiervon abzugrenzenden Verbraucherverträge sind im Consumer Rights Act 2015 speziell geregelt. 414 Ein guter erster Überblick findet sich bei Bernstorff, Einführung in das englische Recht, 2018, 13. 415 Vgl. Dalhuisen, Dalhuisen on Transnational, Comparative, Commercial, Financial and Trade Law – Volume 2, 2013, 121. 416 Grundlegend Grey v Pearson [1857] 6 HL Cas 61. 417 Lord Denning, The Discipline of Law, 1979, 4. 418 Etwa Lord Diplock in Kammins Ballrooms Co Limited v Zenith Investments (Torquay) Limited [1971] AC 850, 881 (HL). Insoweit verleichbar mit der deutschen historischen Auslegung. 419 Lord Denning, The Discipline of Law, 1979, 10. 420 Jacobs v Batavia and General Plantations Trust [1924] 2 Ch. 329, 336 (CA).

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los, unter anderem etwa nicht, wenn das Vertragsdokument von den Parteien nicht als abschließende bzw. umfängliche Regelung der Vertragsbeziehung angesehen wird.421 Sind Vertragsbedingungen nicht eindeutig, kommt die contra proferentem rule als Ultima Ratio zum Einsatz. Derjenige, zu dessen Gunsten eine Haftungsbeschränkung formuliert wurde, kann sich nicht auf sie berufen, wenn die Klausel nicht hinreichend klar und deutlich formuliert ist.422 Eine unklare Vertragsbedingung wird zugunsten des Vertragspartners ausgelegt, der sie nicht in den Vertrag eingebracht hat.423 Bedeutsam ist das besonders bei Klauseln, die die Haftung der Vertragsparteien betreffen. Hat der Hersteller AGB eingebracht, werden unklare Klauseln also zugunsten des Zulieferers ausgelegt. Voraussetzung ist dabei, dass eindeutig geklärt werden kann, wer die entsprechende Klausel eingebracht hat (wer also der proferens ist). Etwas anderes gilt für Haftungsausschlüsse (exclusion clauses), die aufgrund ihrer besonderen Bedeutung bei Unklarheit eng auszulegen sind (narrow construction).424 Bei bloßen Haftungsbeschränkungen ist die Auslegung weniger streng, da es als wahrscheinlicher angesehen wird, dass der Vertragspartner einer solchen Klausel zugestimmt hat, als einem vollständigen Haftungsausschluss.425 Im unternehmerischen Verkehr haben die Gerichte auch die kaufmännische Vernunft (business common sense) als Korrektiv benutzt.426 Sofern keine Regelung für einen bestimmten Sachverhalt getroffen wurde, haben die Richter mit der doctrine of implied terms427 die Möglichkeit, Lücken im Vertrag zu füllen und konkludente Klauseln vorzusehen.428Implied terms können Gesetzen entspringen429, auf den Handelsbräuchen (customs und trade usages) basieren430, sich aus dem Recht eines bestimmten Vertragstyps (implied in law)431 oder aus dem mutmaßlichen Willen der Parteien konklu421

McKendrick, Contract law, 2015, 149 f. Peel, Law Quarterly Review 2017, 6, 6 f.; McKendrick, Contract law, 2015, 187, m.w.N. 423 McKendrick in Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 15–012; Hugh Beale/FauvarqueCosson/Rutgers/Tallon/Vogenauer, Cases, Materials and Text on Contract Law, 2010, 771 f. 424 Briggs LJ in Nobahar-Cookson & Ors v The Hut Group Ltd. [2016] EWCA Civ 128; vgl. zum Ganzen Peel, Law Quarterly Review 2017, 6, 6 f. 425 Vgl. Hugh Beale/Fauvarque-Cosson/Rutgers/Tallon/Vogenauer, Cases, Materials and Text on Contract Law, 2010, 772. 426 Antaios Compania Naviera S.A. v Salen Rederierna A.B. [1985] A.C. 191, 201 (HL). 427 Grundlegend wohl Gardiner v Gray (1815) 4 Campbell 141 (KB). 428 Lord Denning, The Discipline of Law, 1979, 34 .Im Hinblick auf implied terms by statute besteht eine gewisse Ähnlichkeit zu dispositivem Gesetzesrecht; vgl. zu dieser Einordnung Mansel, AcP 204 (2004), 396, 443. 429 implied by statute, z.B. Sec. 13–15 Sale of Goods Act 1979. 430 Vgl. Hutton v Warren [1836] EWHC Exch J61. 431 Liverpool City Council v Irwin [1977] AC 239 (HL). 422

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dent ergeben (implied in fact). Um den mutmaßlichen Willen der Parteien zu ermitteln, werden zwei Tests herangezogen. Nach dem business efficacy test müsste die Klausel notwendig dafür sein, dem Vertrag wirtschaftlichen Sinn zu geben bzw. dem Parteiwillen Wirkung zu verleihen.432 Nach dem officious bystander test ist eine Klausel dann vom mutmaßlichen Willen der Parteien umfasst, wenn es für einen objektiven Dritten offensichtlich wäre, dass die Parteien eine solche Klausel in den Vertrag aufgenommen hätten, hätten sie daran gedacht.433 Bei zwischen zwei Parteien wiederkehrende Transaktionen können auch Vertragsbedingungen aus der früheren Geschäftsbeziehung in den Vertrag einbezogen werden.434 Die Vertragsauslegung und -ergänzung durch implied terms ermöglicht es den Richtern auf Besonderheiten von Vertragsbeziehungen flexibel einzugehen.435 Insgesamt ist die Auslegung im englischen Recht aber weit mehr an objektiven Gesichtspunkten – insbesondere dem Wortlaut – orientiert, als im deutschen Recht, wo maßgeblich auf den (mutmaßlichen) Parteiwillen abstellt wird.436 2. Umgang mit standardisierten Vertragsbedingungen Auf standardisierte Vertragsbedingungen findet einerseits das allgemeine Vertragsrecht – insbesondere die Auslegungsregeln – Anwendung. Andererseits gilt im Verhältnis zwischen zwei Unternehmen der Unfair Contract Terms Act 1977 (UCTA), der sich gegen missbräuchliche Vertragsklauseln wendet und auch die Inhaltskontrolle standardisierter Bedingungen regelt.437 Im Unterschied zur europäischen Richtlinie findet der UCTA 1977 aber grundsätzlich auch auf Individualvereinbarungen Anwendung.438 Gemäß § 2 UCTA 1977 sind Haftungsausschlüsse oder -beschränkungen für die fahrlässige Verletzung der körperlichen Integrität grundsätzlich unzulässig. Die Wirksamkeit anderer Haftungsausschlüsse oder -beschränkungen der Klauseln hängt davon ab, ob sie dem test of reasonableness stand-

432

The Moorcock (1889) 14 PD 64 (CA). Shirlaw v Southern Foundries [1939] 2 KB 206 (CA). 434 Goode/McKendrick, Goode on commercial law, 2016, 157. 435 McKendrick, in: Beatson (Hrsg.), 1995, 332. 436 Vgl. auch Bodenheimer, Allgemeine Geschäftsbedingungen im Unternehmensverkehr im englischen und deutschen Recht, 2012, 192. 437 Hugh Beale/Fauvarque-Cosson/Rutgers/Tallon/Vogenauer, Cases, Materials and Text on Contract Law, 2010, 785 Die Klausel-Richtlinie wurde im englischen Recht separat umgesetzt durch die Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999, die aber den UCTA unberührt gelassen haben; vgl. Grabitz/Hilf-Pfeiffer: Klausel-RL Vor Art. 1, Rn. 77. 438 Vgl. Hugh Beale/Fauvarque-Cosson/Rutgers/Tallon/Vogenauer, Cases, Materials and Text on Contract Law, 2010, 788 f. 433

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halten,439 der danach fragt, ob es fair und reasonable war, die betreffende Klausel in den Vertrag einzubeziehen.440 Nur auf unternehmerische Formularverträge (written standard terms of business) findet die Regelung des § 3 UCTA 1977 Anwendung.441 Voraussetzung für die Einordnung als standard terms of business ist die regelmäßige Verwendung dieser Bedingungen durch den Unternehmer im Geschäftsverkehr. Sofern dies bewiesen werden kann, können auch Formularverträge von Verbänden oder Musterbedingungen von § 3 UCTA erfasst sein.442 Die Einbeziehung von standardisierten Vertragsbedingungen kann entweder ausdrücklich erfolgen – durch Unterschrift gemeinsam mit dem Hauptvertrag – oder sie richtet sich nach dem reasonable notice test.443 Danach ist für die Einbeziehung der Hinweis auf die konkreten zusätzlichen Vertragsbedingungen erforderlich.444 Der Anwendungsbereich des UCTA 1977 ist vergleichsweise begrenzt. Ausgeschlossen ist die Anwenbarkeit unter anderem für Verträge über Immaterialgüterrechte sowie für internationale Lieferverträge, d.h. Lieferverträge, bei denen eines der beteiligten Unternehmen seinen Sitz nicht in Großbritannien hat.445 3. Sonstige Grenzen a) Besonderheiten von Dauerschuldverhältnissen und Vertragsauslegung Besondere Regeln für Rahmenvereinbarungen oder Dauerschuldverhältnisse sind nicht ausdrücklich vorgesehen.446 Dennoch setzen sich auch die englische Rechtsprechung und das Schrifttum zunehmend mit den Proble-

439

Furmston/Cheshire/Fifoot, Cheshire, Fifoot, and Furmston’s law of contract, 2017,

246 f. 440 Taylor, Professional Negligence 33 (2017), 268, 268. Zur Anwendung des test of reasonableness ausführlicher unter Kap. 2 C. II. 5. b). 441 Horler, Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 2012, 39. 442 „it has to be shown that that other party habitually uses those terms of business“, African Export-Import Bank v Shebah [2018] 1 W.L.R. 487, 491 f., mit Stellungnahme Taylor, Professional Negligence 33 (2017), 268. 443 Parker v South Eastern Railway Co (1877) 2 CPD 416; Bernstorff, Einführung in das englische Recht, 2018, 86. 444 Siehe m.w.N. Hugh Beale/Fauvarque-Cosson/Rutgers/Tallon/Vogenauer, Cases, Materials and Text on Contract Law, 2010, 761. 445 Sec. 26 und Schedule 1 Sec. 1 UCTA 1977; vgl. auch Furmston/Cheshire/Fifoot, Cheshire, Fifoot, and Furmston’s law of contract, 2017, 243 f. 446 Mouzas, Stefanos/Furmston, Michael, Cambridge Law Journal Vol. 67 (2008), 37, 37.

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men langfristiger Geschäftsbeziehungen, insbesondere der Unsicherheit in Bezug auf zukünftige Entwicklungen, auseinander.447 Problematisch ist in vielen Fällen, ob die konkrete Geschäftsbeziehung sich nur aus einzelnen, abgeschlossenen Transaktionen zusammensetzt, oder aber auf einer die Geschäftsbeziehung umspannenden (ggf. implizierten) Rahmenvereinbarung (auch umbrella agreement) basiert. Eine Rahmenvereinbarung zeichnet sich dabei dadurch aus, dass zentrale Klauseln niedergelegt werden, die für eine Reihe von Einzelverträgen innerhalb derselben Geschäftsbeziehung eingesetzt werden (sollen).448 Ob eine solche Vereinbarung durchsetzbar ist und ob den Parteien Rechte und Pflichten daraus erwachsen, wird kritisch gesehen. Dabei spielen vor allem drei Faktoren eine Rolle: mangelnde Bestimmtheit der Vereinbarung (certainty of terms), fehlender Rechtsbindungswille der Parteien oder es fehlt an der consideration.449 Der Bestimmtheitsgrundsatz wird im englischen Recht dabei streng gehandhabt: Es gilt grundsätzlich, dass nur verbindliche Pflichten aus einem Vertrag abgeleitet werden können, wenn alle Bedingungen einer Vertragsbeziehung bestimmt oder jedenfalls bestimmbar sind.450 Das kann gerade bei langfristigen Geschäftsbeziehungen problematisch sein, weil eventuelle, im Rahmenvertrag verbriefte Rechte und Pflichten der Parteien nicht wirksam sind, wenn der Rahmenvertrag nicht hinreichend bestimmt ist.451 Teilweise wird der Ansatz verfolgt, dass langfristige Geschäftsbeziehungen rechtlich nicht als Langzeitverträge qualifiziert werden sollten, sondern als Beziehungsverträge (relational contracts), da diese Bezeichnung unabhängig von der vertraglichen Ausgestaltung der Geschäftsbeziehung ist (mit oder ohne Rahmenvereinbarung).452McKendrick spricht sich dabei deutlich gegen eine Anpassung von Dauerschuldverhältnissen nach Treu- und Glaubenserwägungen aus. Das sei nicht Aufgabe der englischen Richter, sondern Aufgabe entweder der Rechtsfortbildung im allgemeinen Vertragsrecht453 oder aber der Vertragsfreiheit der Parteien, die entsprechende Verhandlungsklauseln vorsehen könnten.454 Er sieht auch keine Notwendigkeit, besondere Re447 Vgl. Furmston/Cheshire/Fifoot, Cheshire, Fifoot, and Furmston’s law of contract, 2017, 95 f.; McKendrick, in: Beatson (Hrsg.), 1995. 448 Mouzas, Stefanos/Furmston, Michael, Cambridge Law Journal Vol. 67 (2008), 37, 44. 449 Mouzas, Stefanos/Furmston, Michael, Cambridge Law Journal Vol. 67 (2008), 37, 46; zur consideration ausführlich etwa Beatson/Andrew S. Burrows/Cartwright, Anson’s law of contract, 2016, 96 ff. 450 Beatson/Andrew S. Burrows/Cartwright, Anson’s law of contract, 2016, 64 f.; vgl. auch Collins, Regulating Contracts, 1999, 171. 451 Baird Textile Holdings Ltd. v Marks & Spencer Plc [2001] EWCA Civ 274, 2001 WL 98172, Rn. 30, in dem Fall ging es um die Wirksamkeit eines Rahmenvertrags und einer daraus abzuleitenden Verpflichtung zur Fristsetzung. Vertieft hierzu Kap. 3 A. II. 452 So McKendrick, in: Beatson (Hrsg.), 1995, 307. 453 So auch Eisenberg, in: Beatson (Hrsg.), 1995, 299. 454 McKendrick, in: Beatson (Hrsg.), 1995, 314.

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geln für Dauerschuldverhältnisse zu treffen, da die Parteien diese (z.B. in Form von Force-Majeure-Klauseln) selbst im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit treffen könnten. Wo es doch einmal zu einer gesetzlichen Regelung gekommen sei, sei dies einem besonderen Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern geschuldet – etwa beim Arbeitsvertrag.455 Allerdings müssten die Richter das gesteigerte Bedürfnis für generellere, flexiblere Klauseln bei der Auslegung der Verträge berücksichtigen und nicht zu strenge Anforderungen an die Bestimmtheit stellen.456 Weitere Möglichkeiten der Berücksichtigung des Langzeitcharakters werden in der implication of terms gesehen; so verwies Beatson LJ im Fall Globe Motors Inc v TRW LucasVarity Electric Steering Ltd etwa darauf, dass die Möglichkeit bestanden habe, in die Zulieferbeziehung eine konkludente Verpflichtung zu kooperieren und nach guten Glauben zu handeln hineinzulesen.457 b) (Nach-)Verhandlungsklauseln Eine weitere Möglichkeit für die Parteien, auf die Unsicherheit in langfristigen Vertragsbeziehungen zu reagieren, sind Verhandlungsklauseln. Auch hier bildet im englischen Recht der Bestimmtheitsgrundsatz eine Grenze. Bei Nachverhandlungsklauseln bedeutet das, dass diese Gegenstand und Gründe für die Nachverhandlung deutlich machen müssen.458 Nicht ausreichend ist daher in der Regel eine Klausel, die vorsieht, dass die Parteien nach good faith verhandeln sollen, ohne dass der Verhandlungsgegenstand spezifiziert wird.459 Vorvertragliche Verhandlungsklauseln sind nach englischem Recht regelmäßig ungeeignet, Bindungswirkung in Bezug auf einen späteren Vertragsschluss zu entfalten.460

455

McKendrick, in: Beatson (Hrsg.), 1995, 332. McKendrick, in: Beatson (Hrsg.), 1995, 332; weitergehend Collins, Regulating Contracts, 1999, 173. Der Ansatz wurde aufgenommen von Lord Steyn in Total Gas Marketing Ltd. v Arco British Ltd. [1998] 5 WLUK 330 (HoL); ebenso Beatson LJ in Globe Motors Inc v TRW LucasVarity Electric Steering Ltd. [2016] EWCA Civ 396, Rn. 75. 457 Globe Motors Inc v TRW LucasVarity Electric Steering Ltd. [2016] EWCA Civ 396 Rn. 87. Näher hierzu auch bei den Ausführungen zum relational contract im Folgenden. 458 Shaw-Mellors/Poole, Journal of Business Law 2018, 101, 103. 459 Charles Shaker v Vistajet Group Holding SA [2012] EWHC 1329 (Comm) Rn. 17. 460 So in den Entscheidungen Courtney & Fairburn Ltd. v Tolaini Bros (Hotels) Ltd. [1975] 1 All ER 453 (CA) und Walford v Miles [1992] 2 AC 12 (HL). 456

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c) Relational contract und good faith Lange Zeit wurde im englischen Recht der Rückgriff auf Gutglaubens- und Treuevorschriften deutlich abgelehnt.461 Ein Grund hierfür ist, dass das englische Recht dem Gedanken der Fairness über andere Instrumente zu Geltung verhilft, beispielsweise die Institute misrepresentation, duress, promissory estoppel.462 In den letzten Jahren lässt sich aber eine Tendenz zur Öffnung beobachten.463 Richter treffen zunehmend Entscheidungen, die sich in anderen Rechtssystemen mit Gutglaubensgesichtspunkten begründen ließen, was Furmston als “silent good faith” bezeichnet.464 Gutglaubensgesichtspunkte werden dann beispielsweise bei der Vertragsauslegung berücksichtigt.465 Im Schrifttum wird schon seit längerem die Berücksichtigung von good faith bei langfristigen Kooperationsbeziehungen gefordert, etwa über die Ableitung konkludenter Kooperations- und Rücksichtnahmepflichten.466 Auch in den Entscheidungen finden Gutglaubenserwägungen vermehrt ausdrücklich Erwähnung.467 In Yam Seng Pte Ltd. v International Trade Corp Ltd vertrat Legatt LJ die Auffassung, dass das englische Recht jedenfalls bereit sei, Treuepflichten als implied terms in Handelsverträgen anzunehmen.468 Auch in der Entscheidung Al Nehayan v Kent nahm Legatt LJ auf vertragsimmanente Treuepflichten Bezug und ordnete den zwischen den Parteien geschlossenen Joint Venture-Vertrag als „relational contract“ ein.469 In 461

Greenclose Limited v National Westminster Bank plc [2014] EWHC 1156 (Ch) Rn. 150; Walford and Others Appellants v Miles and Another Respondents [1992] 2 A.C. 128, 138 (HL); Interfoto Picture Library Lts v Stiletto Visual Programmes Ltd. [1988] 2 W.L.R. 615 (CA) vgl. Whittaker, in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 1-044 ff. 462 Vgl. K. P. Berger/Arntz, ZVglRWiss 115 (2016), 167, 174. 463 Für eine Berücksichtigung von Fairness-Gesichtspunkten über Generalklauseln bereits Collins, Regulating Contracts, 1999, 286. Zu der Entwicklung und den unterschiedlichen Positionen im Überblick Whittaker, in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 1–039 f., der selbst einer Ausweitung aber kritisch gegenüber steht. 464 Furmston/Cheshire/Fifoot, Cheshire, Fifoot, and Furmston’s law of contract, 2017, 34; auch Furmston, in: Vogenauer/Gullifer (Hrsg.), 2014, 160. 465 Vgl. K. P. Berger/Arntz, ZVglRWiss 115 (2016), 167, 177. 466 Collins, Regulating Contracts, 1999, 286; Brownsword, in: Campbell/Vincent-Jones (Hrsg.), 1996, 37 f.; auch Campbell, in: Campbell/Vincent-Jones (Hrsg.), 1996, 63. Campbell ist der Auffassung, dass jedem Vertrag auch ein relationales Element (iSv Macneil) innewohnt, das beispielsweise über den good faith Berücksichtigung finden kann. 467 So etwa in Braganza v BP Shipping Ltd. [2015] UKSC 17. 468 Yam Seng Pte Ltd. v International Trade Corp Ltd. [2013] EWHC 111 (QBD); krit. Anmerkung von Whittaker, Law Quarterly Review 2013, 463. In Greenclose Limited v National Westminster Bank plc [2014] EWHC 1156 (Ch) stellte der High Court indes klar, dass aus Yam Seng Pte Ltd. v International Trade Corp Ltd. das Prinzip von Treu und Glauben nicht als allgemeiner Rechtsgrundsatz abzuleiten sei. 469 Al Nehayan v Kent [2018] EWHC 333 (Comm).

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

einem solchen langfristig angelegten Kooperationsverhältnis seien Treuepflichten angelegt, die nicht den fiduciary duties beim Trust entsprächen, sondern das Vertrauen der Parteien darauf beschrieben, dass der Vertragspartner integer und im Sinne der Kooperationsbeziehung handele.470 Dieser Vorstoß von Legatt LJ wird im Schrifttum freilich kritisch betrachtet und es bleibt abzuwarten, ob sich dieser Ansatz in Zukunft im englischen Recht durchsetzen wird.471 Weitere Möglichkeiten der Berücksichtigung des Langzeitcharakters werden in der implication of terms gesehen; so verwies Beatson LJ in der Entscheidung Globe Motors Inc v TRW LucasVarity Electric Steering Ltd., die eine exklusive Lieferbeziehung über Elektromotoren betraf, im Obiter Dictum darauf, dass man der Zulieferbeziehung eine konkludente Verpflichtung, zu kooperieren und nach guten Glauben zu handeln, habe entnehmen können.472 Sofern Globe dies vorgetragen hätte, hätte sich hieraus die Verpflichtung ablesen lassen, dass TRW Globe die Möglichkeit hätte geben müssen, die Motoren entsprechend den veränderten Anforderungen des Endabnehmers (Renault) anzupassen, bevor sie sich an einen anderen Zulieferer wandte.473

470

Al Nehayan v Kent [2018] EWHC 333 (Comm) Rn. 167: „In particular, I drew attention to a category of contract in which the parties are committed to collaborating with each other, typically on a long term basis, in ways which respect the spirit and objectives of their venture but which they have not tried to specify, and which it may be impossible to specify, exhaustively in a written contract. Such ,relational‘ contracts involve trust and confidence but of a different kind from that involved in fiduciary relationships. The trust is not in the loyal subordination by one party of its own interests to those of another. It is trust that the other party will act with integrity and in a spirit of cooperation. The legitimate expectations which the law should protect in relationships of this kind are embodied in the normative standard of good faith.“ 471 Tall, Entertainment Law Review 29 (2018), 155, 158. Die Möglichkeit der ergänzenden Vertragsauslegung über implied duty of good faith scheint aber auch bei anderen Richtern Anklang zu finden, vgl. etwa Bristol Groundschool Ltd. v Intelligent Data Capture Ltd. [2014] EWHC 2145 (Ch). Kritisch hingegen Whittaker, in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 1–039. 472 Globe Motors Inc v TRW LucasVarity Electric Steering Ltd. [2016] EWCA Civ 396. Gegenstand des Falls war eine Alleinbezugsvereinbarung zwischen zwei Zulieferern, die Elektromotoren (1. Generation) betraf. Zwischen den Parteien war streitig, ob der Bezug von 2. Generation Motoren von der Alleinbezugsvereinbarung erfasst war, was von den Gerichten in erster und zweiter Instanz verneint wurde. 473 Globe Motors Inc v TRW LucasVarity Electric Steering Ltd. [2016] EWCA Civ 396 (CA) Rn. 87. Konkret zu der implied duty of good faith: „One manifestation of the flexible approach referred to by McKendrick and Lord Steyn is that, in certain categories of longterm contract, the court may be more willing to imply a duty to co-operate or, in the language used by Leggatt J in Yam Seng PTE v International Trade Corp Ltd. [2013] EWHC 111 (QBD) unter [131], [142] and [145], a duty of good faith.“

C. Die Zulieferbeziehung in den untersuchten Rechtsordnungen

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Trotz dieser Entwicklungen bleiben in der englischen Rechtswissenschaft Bedenken gegen ein allgemeines Gutglaubensprinzip bestehen, unter anderem mit Blick auf die Rechtssicherheit.474 4. Kartellrechtliche Grenzen Das nationale Kartellrecht in Großbritannien wird von dem Competition Act 1998 (CA) und dem Enterprise Act 2002 (EA) bestimmt. Mit dem Enterprise and Regulatory Reform Act 2013 wurde die Competition and Markets Authority (CMA) als neue Kartellbehörde eingeführt.475 Der CA 1998 sieht mit der Chapter I-prohibition (in Entsprechung zu Art. 101 AEUV) und der Chapter II-prohibition (in Entsprechung zu Art. 102 AEUV) dem europäischen Wettbewerbsrecht entsprechende Verbote wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen vor. Gemäß § 60 CA 1998 ist das englische Kartellrecht in Übereinstimmung mit den europäischen Vorschriften auszulegen.476 Rechtsfolge eines Kartellrechtsverstoßes ist auch im englischen Recht die Nichtigkeit der entsprechenden Klausel oder Vereinbarung, § 2 IV CA 1998.477 Seit 2005 können nach dem CA 1998 auch vertikale Vereinbarungen Wettbewerbsbeschränkungen sein.478 Maßgeblich sind hierbei die Leitlinien des Office of Fair Trading (OFT).479 Neben Preisabsprachen können dabei auch insbesondere Ausschließlichkeitsvereinbarungen eine kartellrechtliche Rolle spielen.480 Vom europäischen Recht abweichende besondere Regeln, die auf Automobilzulieferverträge Anwendung finden könnten, existieren aber nicht und sind – soweit ersichtlich – auch nicht geplant. 5. Resümee Im englischen Recht sind Automobilzulieferverträge regelmäßig dem Sale of Goods zuzuordnen, für den die besonderen Bestimmungen des Sale of Goods Act 1979 gelten. Spezielle Regelungen für Verträge zwischen Unternehmern 474

Vgl. Whittaker, in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 1-040. Vgl. Whish/Bailey, Competition law, 2018, 59. 476 Dieser Gleichlauf kann mit anstehendem Brexit in der Zukunft entfallen, für die rechtsvergleichende Untersuchung sind diese Entwicklungen aber von untergeordneter Bedeutung. 477 Diese Rechtslage sollte sich auch nach dem anstehenden Brexit jedenfalls zunächst nicht wesentlich ändern, vgl. auch Furmston/Cheshire/Fifoot, Cheshire, Fifoot, and Furmston’s law of contract, 2017, 446. 478 Vor 2005 waren alle vertikalen Vereinbarungen von der Chapter I prohibition ausgenommen, The Competition Act 1998 (Land and Vertical Agreements Exclusion) Order 2000. 479 OFT, Guidance, Vertical agreements, OFT 419, 1.12.2004. 480 Whish/Bailey, Competition law, 2018, 694 f. 475

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

sieht das englische Recht nicht vor. Besondere Bedeutung kommt den Auslegungsregeln zu, die von der grammatikalischen Auslegung nach dem Wortlaut bestimmt werden. Eine besondere Schwierigkeit bei langfristigen Geschäftsbeziehungen resultiert im englischen Recht aus der Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes für die Wirksamkeit bzw. Durchsetzbarkeit von Verträgen. Verpflichtungen aus Rahmenvereinbarungen sind daher teilweise nur über den Umweg der ergänzenden Vertragsauslegung und Annahme konludenter Klauseln (implied terms) wirksam. Es lässt sich jedoch ein dahingehender Trend beobachten, den Bestimmtheitsgrundsatz bei (kooperativen) Langzeitbeziehungen flexibler zu handhaben und Good-Faith-Erwägungen mit in die Bewertung einfließen zu lassen. Einen gewissen Einfluss auf die Wirksamkeit der Vereinbarung von Haftungsbeschränkungen bzw. -ausschlüssen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nimmt der UCTA 1977, der in Sec. 3 solche Klauseln einem test of reasonableness unterzieht. Dabei kann auch das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Parteien oder die Versicherbarkeit von Haftungsrisiken in der Abwägung berücksichtigt werden. Spezielle kartellrechtliche Regeln, die die Vertragsparität zwischen Zulieferern und Hersteller beeinflussen könnten, sind nicht vorgesehen.

V. Fazit – Grenzen der Vertragsfreiheit und Reaktion auf die Besonderheiten der Zulieferbeziehung Die Besonderheiten von Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie haben in den einzelnen Rechtsordnungen auf unterschiedliche Weise Berücksichtigung gefunden. Im englischen Recht gilt der Schwerpunkt der Diskussion dem Langzeitcharakter und den Möglichkeiten, die Vertragsauslegung und Vertragsergänzung bieten. Einen gewissen Einfluss auf die Wirksamkeit von Haftungsbeschränkungen hat auch das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wenn auch in ungleich geringerem Maß, als im deutschen Recht. Im italienischen Recht ist das AGB-Recht im unternehmerischen Verkehr hingegen eher zu vernachlässigen, da es sich um eine reine Einbeziehungskontrolle handelt. Gleichwohl wird in der Legge Subfornitura auch eine zwingende Klauselkontrolle für bestimmte Zulieferbeziehungen vorgesehen. Insbesondere in Bezug auf die Wirksamkeit einer (vorzeitigen) Beendigung der Vertragsbeziehung spielen Missbrauchsverbote eine Rolle. Im italienischen Recht gibt es mit Art. 9 Legge Subfornitura eine Regelung, die es Unternehmen verbietet, die wirtschaftliche Abhängigkeit anderer Unternehmen von ihnen missbräuchlich auszunutzen. Diese Regelung geht über die kartellrechtlichen Regelungsziele hinaus, und verfolgt auch das Ziel, ein missbräuchliches Ungleichgewicht im Vertrag auszugleichen, sofern dieses

D. Resümee und Ausblick auf die weitere Untersuchung

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auf einer Verhandlungsposition wirtschaftlicher Abhängigkeit beruht. Im deutschen Recht findet sich eine wohl am ehesten vergleichbare Regelung in § 20 III GWB. Diese Norm ist aber klar wettbewerbsbezogen und setzt eine Behinderung des Wettbewerbs voraus, was im Zulieferverhältnis nicht immer der Fall sein muss.

D. Resümee und Ausblick auf die weitere Untersuchung Die Entscheidung der Automobilhersteller für die Outsourcing-Strategie führt zu Lieferbeziehungen, die über einen einfachen Kauf- oder Werkvertrag hinausgehen, kooperative Elemente aufweisen und durch gegenseitige Abhängigkeiten, langfristige Zusammenarbeit und die Einbettung in ein Produktionsnetzwerk gekennzeichnet sind. Insbesondere der Systemzulieferer und der Modullieferant, aber auch der Auftragsfertiger, sind eng in die Produktionsorganisation des Herstellers eingebunden. Aus der Verknüpfung von Autonomie und Abhängigkeit in der Zulieferbeziehung resultiert ein Nebeneinander von gleichgerichteten und entgegengesetzten Interessen. Die Auseinandersetzung mit den in verschiedenen Disziplinen vertretenen Theorien zu hybriden Organisationsformen und Unternehmensnetzen macht die Problemschwerpunkte deutlich, derer sich die Governance solcher Beziehungen annehmen muss. Aus der engen Kooperation, dem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis und der bei langfristigen Vertragsbeziehungen gesteigerten Unsicherheit resultieren Opportunismusrisiken, wenn einer der Vertragspartner die Lock-in-Effekte missbräuchlich ausnutzt. Hierauf müssen Governance-Mechanismen reagieren. Vertragliche Regeln allein genügen aber nicht, da vollständige Verträge, die alle Eventualitäten berücksichtigen, nicht ökonomisch sinnvoll und auch nicht praktikabel sind. Sie können nur den Rahmen für die Kooperationsbeziehung abstecken, der durch andere Mechanismen ausgefüllt werden muss. Solche Mechanismen können sich aus der sozialen Einbettung der Vertragsbeziehungen ergeben oder auf der Bedeutung von Reputation als Druckmittel gegen opportunistisches Verhalten aufbauen. Schließlich können auch die Rechtsordnungen steuernd Einfluss nehmen, indem sie entsprechende dispositive Regelungsraster (Vertragstypen) zur Verfügung stellen, spezielle Regeln zur (Wieder-)Herstellung der Vertragsparität vorsehen, den Vertragsparteien (alternative) Durchsetzungsmechanismen an die Hand geben oder den Richtern Einflussnahme über Generalklauseln ermöglichen. Die untersuchten Rechtsordnungen setzen sich in unterschiedlichem Maße mit verschiedenen der problematisierten Aspekte auseinander. Rechtliche Berücksichtigung finden dabei vor allem die Besonderheiten der Langzeitbeziehung und die Gefahr des missbräuchlichen Ausnutzens eines Abhängigkeitsverhältnisses durch einen oder beide Vertragspartner. Diese As-

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Kapitel 1: Zulieferbeziehung – Eine Frage der Governance?

pekte und die Frage, wie die Rechtsordnungen damit umgehen, werden in den folgenden Kapiteln anhand von drei paradigmatischen Beispielen vertieft. Die Allokation des Qualitätsrisikos und die Kooperation zur Verbesserung und nachhaltigen Sicherstellung der Produktqualität (Kap. 2) sind kennzeichnend für die Bedeutung von „Voice“ in der Zulieferbeziehung. Bei der Vertragsbeendigung und beim Hold-up überwiegen die entgegengesetzten Interessen der Parteien (Kap. 3) und die „Exit“-Perspektive gewinnt an Bedeutung. Eine Zwitterstellung nimmt schließlich die Frage des Umgangs mit Know-how bezogenen Risiken ein (Kap. 4).

Kapitel 2

Allokation des Qualitätsrisikos in der Zulieferbeziehung A. Überblick Typische Konflikte in der Zulieferbeziehung knüpfen an Risiken an, die sich bei ungenügender Qualität des Endprodukts, der Zulieferteile und/oder der Konstruktionskonzeption verwirklichen. Aus Sicht des Unternehmens umfasst der Faktor Qualität vor allem zwei Aspekte: Einerseits die Erfüllung rechtlicher Anforderungen (Mindestsicherheitsstandards) und die Vermeidung von Haftungsrisiken (Gewährleistungshaftung und Produkthaftung/ Haftung bei Produktrückrufen) sowie andererseits den Aufbau und die Verfestigung einer guten Reputation am Markt. Für beide Faktoren ist von zentraler Bedeutung, dass ein möglichst hoher Qualitätsstandard bei geringstmöglicher Fehlerquote erreicht wird. Da alle Beteiligten im Produktionsnetzwerk ein gemeinsames Interesse am Erfolg des Endprodukts am Markt haben, ist die hohe Qualität des End- wie des Zulieferprodukts ein gemeinsames Ziel. Zur Vermeidung von Haftungsrisiken trägt zunächst eine bestmögliche Risiko- und Fehlerprävention bei. Zu diesem Zweck schließen die Parteien von Zulieferverträgen Qualitätssicherungsvereinbarungen ab. Die Zulieferer betreiben ein umfangreiches Qualitätsmanagementsystem, das den Standards der Endhersteller entsprechen muss. Dennoch lassen sich Restrisiken nicht vermeiden. Diese bilden sich einerseits in der vertraglichen Mängelhaftung zwischen den Parteien ab, können andererseits aber zu einer außervertraglichen Verantwortung und Haftung gegenüber Dritten führen. Für die Verteilung dieser Risiken sehen die untersuchten Rechtsordnungen im Detail unterschiedliche Konzepte vor. Ein einheitlicher Rechtsrahmen, den die nationalen Rechtsordnungen umgesetzt haben, besteht auf europäischer Ebene aber für wesentliche Teilbereiche der außervertraglichen Haftung. Auch im Vertragsrecht gibt es europarechtliche Vorgaben, die der nationale Gesetzgeber zu beachten hat und die Einfluss auf die Vertragspraxis haben. Die außervertragliche Haftung betrifft insbesondere sicherheitsrelevante Fehler. Der Fehler kann zu einem Personenschaden bei Produktnutzern und Dritten führen und löst eine Inanspruchnahme außerhalb der Vertragsbezie-

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

hung aus. Besteht ein solches Risiko, so können den Hersteller und auch den Zulieferer im Vorfeld konkreter Schäden Warnpflichten und weitergehende Pflichten bis hin zum kostenfreien Rückruf des fehlerhaften Produkts treffen. Typischerweise sind die Kosten eines Produktrückrufs besonders hoch und daher für die parteiinterne Risikozuordnung im Wege des Rückgriffs oder der Schadensteilung von großer Bedeutung. Zulieferverträge enthalten daher in der Regel Bestimmungen zur Allokation dieses Risikos. Tritt ein sicherheitsrelevanter Fehler bereits vor dem Inverkehrbringen zu Tage oder handelt es sich um einen Fehler, der lediglich die Gebrauchstauglichkeit des Produkts betrifft, erfolgt die Risikoallokation dagegen im Wesentlichen1 über die vertragliche Gewährleistung. Auch dabei kann es um sehr hohe Schäden gehen, wobei typischerweise der Schaden umso höher ist, je später der Fehler bemerkt wird. Zulieferverträge enthalten regelmäßig auch hierzu Bestimmungen, die das gesetzliche Haftungsregime abändern. Diese beiden Problemfelder sind paradigmatisch für die Verteilung des Qualitätsrisikos in der Zulieferbeziehung. Das der Haftungsverteilung zugrunde liegende Verursachungsprinzip stößt an seine Grenzen, wo die Verantwortungssphären sich aufgrund der weitreichenden Einflussnahme des Endherstellers nicht klar abgrenzen lassen und sich in Frage stellen lässt, ob der versteckte Fehler eines Zulieferteils nicht auch dem Endhersteller zuzurechnen ist.2 MacDuffie/Helper stellten fest, dass moderne Zulieferbeziehungen nicht eine eindeutige Exit- oder Voice-Orientierung zeigten. Vielmehr beobachteten sie auf dem amerikanischen und auch japanischen Automobilmarkt hybride Formen, die einerseits von Voice-Elementen geprägt sind – insbesondere langfristig angelegt und beziehungsorientiert –, gleichzeitig aber auch Exit insoweit zugänglich, als der Wechsel von Zulieferern nicht ausgeschlossen ist und sich ein geringeres Maß an gegenseitigem Vertrauen beobachten lässt.3 Eine ähnliche Zusammensetzung lässt sich auch bei Zulieferbeziehungen auf dem europäischen Markt vermuten. Gegen eine reine Voice-Beziehung spricht die Unzufriedenheit vieler Zulieferunternehmen mit den Vertragsverhandlungen und dem Machtungleichgewicht in der Beziehung. Letzteres wirkt sich auch bei Nachverhandlungen aus.4 Gleichzeitig führen

1 Ausnahmsweise können auch deliktische Ansprüche zwischen den Vertragspartnern bestehen, im deutschen Recht insbesondere nach der Rechtsprechung zum Weiterfresserschaden im Rahmen von § 823 I BGB. 2 Vgl. Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 307. 3 MacDuffie/Helper, in: Heckscher/Adler (Hrsg.), 2006, 429. 4 Vgl. Eisert/Hielscher, Krankes System: Die brutalen Methoden der Autokonzerne gegen Zulieferer, WiWo-online, 19.01.2015; , 30.07.2020.

B. Risikovermeidung durch Qualitätssicherung

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schlechte Beziehungen zwischen Zulieferern und Herstellern zu Ineffizienzen in der Produktion und kosten den Hersteller letztlich Gewinne.

B. Risikovermeidung durch Qualitätssicherung Eine zuverlässige Qualitätssicherung und technische Compliance5 ist die Voraussetzung dafür, Haftungsrisiken von vorneherein möglichst gering zu halten. Das ist im gemeinsamen Interesse des Zulieferers und des Herstellers. Der Sicherung einer bestmöglichen Produktqualität dienen in Automobilzulieferbeziehungen regelmäßig Qualitätssicherungsvereinbarungen.6 Hierdurch wird der Zulieferer zur Einrichtung eines Qualitätsmanagementsystems verpflichtet.7

I. Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung in der Automobilindustrie Aus Effizienzerwägungen heraus strebt der Hersteller einheitliche Qualitätssicherungsvereinbarungen mit seinen Zulieferern an. Teilweise kommt es auch zur branchenweiten Vereinheitlichung, jedenfalls im nationalen Rahmen: In Branchenverbänden wie dem VDA werden umfangreiche Mustervereinbarungen ausgearbeitet, die die Mitgliedsunternehmen verwenden, teils durch Inbezugnahme. Solche Qualitätssicherungsvereinbarungen können nur in langfristigen Kooperationsbeziehungen effektiv umgesetzt werden, an deren Beginn die Qualifizierung des Zulieferers steht. Die Hersteller überprüfen die Einhaltung des Qualitätsmanagementsystems im Rahmen von regelmäßigen Lieferantenaudits. Einige Hersteller haben zusätzlich Prozesse und Anreizmechanismen entwickelt, um ihre Zulieferer zu einer möglichst geringen Fehlerquote zu animieren. Beispielsweise zeichnet Ford die

5 Die Vielzahl einzuhaltender technikrechtlicher Vorschriften beschreiben z.B. Dastis/ Klindt, RAW 2018, 2 am Beispiel eines elektrischen Wagenhebers. 6 Vgl. etwa Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 271; Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, 26. 7 Die Allgemeinen Einkaufsbedingungen 2002 der Fiat (FCA Italy) sehen beispielsweise eine Verpflichtung des Zulieferers zur Einrichtung, Erhaltung und Nutzung von Produktions- und Kontrollprozessen, die die Lieferung fehlerfreier Produkte sicherstellen. Fiat-Einkaufsbedingungen 2002, II. 4.2: „In particolare, il Fornitore si obbliga a porre in essere e a mantenere in esercizio mezzi e processi produttivi e di controllo tali da garantire in maniera permanente ed affidabile la consegna al Cliente di Prodotti Contrattuali esenti da Difetti.“

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

„besten“ Zulieferer im Bereich Qualität mit dem Ford World Excellence Award aus8 und auch Volkswagen kürt jährlich seine „besten“ Zulieferer.9 Ein intensives Qualitätsmanagement bei seinen Zulieferern erlaubt es dem Hersteller, die eigenen Qualitätssicherungsmaßnahmen zu reduzieren: Prüfungen, die der Lieferant im Rahmen seiner fertigungsbegleitenden Qualitätskontrolle und im Rahmen der Ausgangskontrolle durchführt, müssen in der Wareneingangskontrolle nicht ganz oder teilweise wiederholt werden. Das wäre auch ökonomisch nicht effizient.10 Für die erfolgreiche Just-in-time-Produktion ist die Vorverlagerung der Qualitätskontrolle geradezu zwingend. Eine intensive Wareneingangskontrolle würde die Durchlaufwege verzögern und die Vorteile der zeitgenauen Anlieferung konterkarieren. Das gilt in besonderem Maße bei der Just-intime-Lieferung direkt ans Band. Aus Sicht des Zulieferers führt ein umfangreiches Qualitätsmanagement nach einheitlichen Vorgaben des Herstellers nicht nur zu höheren Kosten. Der Verzicht des Herstellers auf eigene Eingangsprüfungen erhöht auch das Risiko des Zulieferers: Fehler treten dann typischerweise erst nach Einbau der Zulieferteile in das Endprodukt zu Tage, sei es im Rahmen der Endkontrollen des Herstellers oder erst beim Endkunden. Neben der Übernahme von Qualitätskontrollen durch den Zulieferer beinhaltet die Fehlervermeidungsstrategie regelmäßig auch umfassende Dokumentationspflichten der Teilehersteller und standardisierte Verfahren zum Umgang mit auftretenden Fehlern, die zu einer ständigen Prozessoptimierung beitragen sollen.11 In der Regel werden die Einzelheiten des Qualitätssicherungssystems in einem Handbuch detailliert festgelegt.12 1. Funktionen von Qualitätssicherungsvereinbarungen Qualitätssicherungsvereinbarungen übernehmen verschiedene Funktionen.13 Einerseits stellen Qualitätsmanagementsysteme, die bei allen Zulieferern und 8 Scheiner, Ford prämiert seine besten Zulieferer 2016, Automobil Industrie, 01.06. 2017, , 30.07.2020. 9 Eisert, Group-Award 2018 für 19 Top-Lieferanten: Das sind Volkswagens beste Zulieferer, Automobilwoche, 24.05.2018, , 30.07.2020. 10 Vgl. etwa auch Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, 13. 11 Vgl. auch Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 87. 12 MünchenerVertragshandbuch-Westphalen: Qualitätssicherung und AGB, 488. 13 Vgl. auch Ensthaler/Füßler/Nuissl, Juristische Aspekte des Qualitätsmanagements, 1997, 107.

B. Risikovermeidung durch Qualitätssicherung

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Sublieferanten desselben Herstellers eingesetzt werden, die (durchgängige) Dokumentation und Überwachung des Produktionsprozesses und die Einhaltung der Sicherheits- und Qualitätsstandards des Endherstellers im gesamten Produktionsprozess sicher.14 Andererseits können durch Qualitätssicherungsvereinbarungen die Pflichten des Herstellers nach der europäischen Produkthaftungsrichtlinie bzw. den nationalen Umsetzungsgesetzen genau definiert und verteilt werden.15 Sie dienen dem Hersteller auf diese Weise auch zur Erfüllung seiner deliktsrechtlichen Verkehrssicherungspflichten.16 Schließlich kommt der Qualitätssicherungsvereinbarung in betriebswirtschaftlicher Hinsicht auch eine Abstimmungs- und Rationalisierungsfunktion zu; sie legt eine klare Arbeitsteilung zwischen Zulieferer und Hersteller fest.17 2. Internationale Standards Die Hersteller verlangen von ihren Zulieferern regelmäßig die Erfüllung bestimmter privater Standards in Bezug auf das Qualitätsmanagement.18 Ein solcher Standard ist die Norm IATF 16949, der von der International Automotive Task Force (IATF) ausgearbeitet wurde. Die IATF ist eine Arbeitsgruppe, die von wichtigen nationalen Automobilverbänden (VDA – Deutschland, ANFIA – Italien, SMMT – Großbritannien, IATF France – Frankreich und IAOB – USA) getragen wird und deren Mitglied die meisten größeren Automobilhersteller sind.19 Aufgabe der Arbeitsgruppe ist die Aus-

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Vgl. Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 272; Röhricht/Westphalen/Haas, HGB-Laschet: Besondere Handelsverträge. Qualitätssicherungsvereinbarungen, Rn. 2. 15 MünchenerVertragshandbuch-Westphalen: Qualitätssicherung und AGB, 485. 16 Produkthaftungshandbuch-Kreifels/Weide: 4. Teil. Qualitätssicherungsvereinbarungen, 969. 17 Vgl. Produkthaftungshandbuch-Kreifels/Weide: 4. Teil. Qualitätssicherungsvereinbarungen, 969 f. 18 Vgl. z.B. Ford Motor Company: Customer-Specific Requirements, , 30.07.2020. Sehr ausführliche Regelungen zur Qualitätssicherung enthalten die Einkaufsbedingungen der BMW Group 2018, die unter anderem auch eine Zertifizierung des Zulieferers nach der IATF 16949 verlangen und auf die VDA-Schriftenreihe, Bd. 2: Sicherung der Qualität von Lieferungen verweisen, Art. 9 BMW Group: Internationale Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial und Kraftfahrzeugteile (IPC) (Stand März 2018), , 30.07.2020 (BMW-Einkaufsbedingungen 2018). 19 BMW Group, FCA US LLC, Daimler AG, FCA Italy Spa, Ford Motor Company, General Motors Company, PSA Group, Renault, Volkswagen AG; , 30.07.2020. Die IATF 16949 hat die ISO/TS 16949 als Standard in der Automobilindustrie abgelöst. Zertifizierungen sind nur noch auf Grundlage der neuen IATF 16949 möglich und alte Zertifikate auf Grundlage der ISO/TS 16949 haben am 14.09.2018 ihre Gültigkeit verloren. 20 Der deutsche Branchenverband VDA geht in seiner Konditionenempfehlung für den Einkauf von Zulieferteilen unter Punkt IX. auf Qualitäts- und Dokumentationsfragen ein. Er verweist dabei auf zwei Leitfäden, die die Qualitätssicherung in der Automobilindustrie beschreiben und ein detailliertes Qualitätssicherungssystem mit Prüfverfahren zur Produktions- und Prozessfreigabe enthalten; vgl. Verband der Automobilindustrie: Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Bezug von Produktionsmaterial und Ersatzteilen, die für das Automobil bestimmt sind (Stand September 2015), , 30.07.2020. Die Bedingungen der deutschen Hersteller der VW-Gruppe verweisen ebenfalls auf die VDA-Schriften. 21 Vgl. etwa die Pressemitteilung des Zulieferers Arnold Umformtechnik, Pressemitteilung 12.2017, Neuer Standard für Automobilzulieferer, , 30.07.2020. 22 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 09.09.2008 – VI ZR 279/06, NJW 2008, 3778, 3779; BGH, Urt. v. 03.11.2004 – VIII ZR 344/03, NJW-RR 2005, 386, 387; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.03.2014 –22 U 100/13, BauR 2015, 1180; OLG Schleswig, Urt. v. 19.10.2007 – 17 U 43/07, NJW-RR 2008, 691; OLG Hamm, Urt. v. 17.03.1994 – 27 U 227/93, NJW-RR 1995, 17, 18; MüKoBGB-Wagner: § 823 BGB, Rn. 447. 23 Vgl. Müller, in: Ensthaler/Gesmann-Nuissl/Müller (Hrsg.), 2012, 34 ff.

B. Risikovermeidung durch Qualitätssicherung

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3. Erstbemusterungsverfahren Qualitätssicherungsvereinbarungen enthalten gewöhnlich auch Vorgaben zur Bemusterung von Serienlieferanten und Sublieferanten.24 Bemusterungsverfahren werden bei neuen Zulieferprodukten oder bei anzeigepflichtigen Änderungen ausgelöst, die die Produkte selbst, die Produktionsprozesse, aber auch einen Lieferantenwechsel betreffen können. Am Ende der Bemusterung steht die Serienlieferfreigabe durch den Endhersteller.25 Auf das freigegebene Muster bezieht sich häufig auch die Beschaffenheitsvereinbarung, sodass das Muster zum Maßstab für die Mangelfreiheit der Vertragsprodukte wird.26 4. Dokumentationspflichten und Informationspflichten des Zulieferers Die Fehleranalyse setzt eine lückenlose Rückverfolgbarkeit von Produkten, Bauteilen und Chargen (traceability) voraus. Die Hersteller erlegen den Zulieferern daher regelmäßig umfangreiche Dokumentationspflichten auf, die auch nachvertraglich fortwirken.27 Der Archivierungszeitraum beim Zulieferer kann dabei 2 Jahre28, aber auch 15 Jahre29 betragen. Neben Zertifizie24 Ensthaler/Füßler/Nuissl, Juristische Aspekte des Qualitätsmanagements, 1997, 108 f. Meist durch Inbezugnahme, auch die IATF 16949 sieht eine Erstbemusterung nach dem Production Part Approval Process (PPAP) vor. 25 Vgl. Verband der Automobilindustrie, VDA-Schriftenreihe „Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie“, 2008, 12–13,35. Vgl. auch Art. 9: Vor Warenlieferung muss das „Produktionsprozess-und Produkt-Freigabe-Verfahren des Serienprozesses“ durchlaufen worden sein. Gefordert wird schließlich auch, dass der Zulieferer vor erstmaliger Belieferung einen Produktsicherheitsbeauftragten qualifiziert, der dem Besteller als Ansprechpartner zur Verfügung steht, BMW Group: Internationale Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial und Kraftfahrzeugteile (IPC) (Stand März 2018), , 30.07.2020 (BMW-Einkaufsbedingungen 2018). 26 So etwa in Art. 22.01 Ford Motor Company: Production Purchasing Global Terms and Conditions (Stand Januar 2004), , 30.07.2020 (Ford Global Terms 2004). 27 Vgl. z.B. Art. 7 und 8 Automobili Lamborghini S.p.a.: General Terms and Conditions for Purchase of Goods and Services (Stand Januar 2017), , 30.07.2020. 28 So in Art. 32.06 Ford Global Terms 2004. 29 So vorgesehen unter 8.2. der FCA Italy S.p.A.: Condizioni Generali di Acquisto (Stand Juni 2002). Eine solche lange Vorhaltedauer wäre nach deutschem Recht allerdings wohl AGB-rechtlich unzulässig, da sie wesentlich über die einschlägigen Verjährungsegeln hinaus geht, vgl. auch Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 91.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

rungsnachweisen zu Qualitätsmanagementsystemen (etwa nach der IATF 16949) und generellen Zulassungsunterlagen sind vor allem Produktionslenkungspläne, Produkt-Prüfergebnisse und Prozessentwicklungsnachweise zu dokumentieren.30 In den deutschen Einkaufsbedingungen wird das vielfach über eine Verweisung auf einschlägige VDA-Schriften gelöst.31 Bei Just-in-time-Vereinbarungen werden umfassende Informationspflichten vereinbart. Veränderungen in der Qualität und im Produktionsprozess oder mögliche Lieferverzögerungen muss der Zulieferer dem Hersteller unverzüglich mitteilen.32 Dem Hersteller wird gewöhnlich gestattet, nach vorheriger Benachrichtigung Auditierungsmaßnahmen beim Lieferanten durchzuführen. Solche Rechte werden dem Besteller in sämtlichen untersuchten Allgemeinen Einkaufsbedingungen eingeräumt. Der Zulieferer wird oftmals darüber hinaus verpflichtet, diese Auditierungsrechte des Endherstellers auch seinen Sublieferanten aufzuerlegen.33 Wenn ein Fehler identifiziert wird, wird ein standardisiertes Analyseverfahren eingeleitet,34 das sich in Deutschland oftmals an dem sogenannten 8D-

30 Vgl. z.B. Verband der Automobilindustrie, VDA-Schriftenreihe »Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie«, 2008, 24 ff. 31 Vor allem VDA-Schrift „Band 2 Sicherung der Qualität von Lieferungen Produktionsprozess und Produktfreigabe PPF“ und VDA-Schrift „Band 5 Prüfprozesseignung, Eignung von Messsystemen, Mess- und Prüfprozessen, Erweiterte Messunsicherheit, Konformitätsbewertung“. So etwa die Konditionenempfehlung des VDA, aber auch die Bedingungen von Audi und VW, die sich stark an den VDA-Bedingungen orientieren. Auf die VDA-Schriften verweisen auch die Mercedes-Benz-Special-Terms. Die Porsche AG verweist auf ihre eigenen Vorgaben, insbesondere das Q-Lastenheft, in den neuen (Stand 01/2019) Bedingungen weist Porsche ausdrücklich auf Informations- und Dokumentationspflichten des Zulieferers im Hinblick auf den Verdacht auf Motorsteuergeräte und Abschalteinrichtungen hin, die zuletzt mediale und justizielle Aufmerksamkeit erregt haben. 32 Nach deutschem Recht kann sich das bereits als Nebenpflicht aus dem Dauerschuldverhältnis ergeben. Sofern man dem Zuliefervertrag Geschäftsbesorgungselemente zuspricht, treffen den Zulieferer auch aus § 666 BGB Auskunfts- und Rechenschaftspflichten. Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 92. 33 Vgl. z.B. Art. 16.4 Bentley Motors Limited: Terms and Conditions for the Purchase of Production Material and other Goods (Stand September 2018), , 30.07.2020. 34 Vgl z.B. Daimler AG: Mercedes-Benz Special Terms 2016, , 30.07. 2020. Diese enthalten unter anderem die Vorgaben für die Durchführung von Produktionsund Produktfreigabeprozessen (PPF), für das Qualitätsmanagement, den Umgang mit Fehlern, die erst nach Inverkehrbringen auftreten, sowie das Fehleranalysesystem.

B. Risikovermeidung durch Qualitätssicherung

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Report orientiert. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, das acht Prozessschritte bei der Bearbeitung einer Reklamation vorsieht, die auch der zeitnahen und nachhaltigen Beseitigung der Fehlerursache dienen sollen.35

II. Rechtsfragen im Zusammenhang mit Qualitätssicherungsvereinbarungen Qualitätssicherungsvereinbarungen sind regelmäßig um Rahmenvereinbarungen, die erst bei Abschluss der einzelnen Lieferverträge Wirkung entfalten sollen.36 Sie konkretisieren dann Rechte und Pflichten in der Zulieferbeziehung. Rechtsfragen im Zusammenhang mit Qualitätssicherungsvereinbarungen betreffen vor allem drei Teilbereiche. Zunächst stellt sich die Frage der Übertragbarkeit vertraglicher und außervertraglicher Prüfungs- und Untersuchungspflichten des Herstellers auf den Zulieferer.37 Darüber hinaus können Qualitätssicherungsvereinbarungen (versteckte) Haftungserweiterungen beinhalten, deren Zulässigkeit vor allem nach deutschen AGB-Recht38, aber im Einzelfall auch nach italienischem und englischem Recht fraglich sein kann; solche Haftungserweiterungen werden an anderer Stelle vertieft.39 Schließlich kann auch die Zulässigkeit umfassender Dokumentations- und Archivierungspflichten und regelmäßiger Audits problematisch sein. Teilweise wird die Übertragung von Prüfungs- und Untersuchungspflichten als Geschäftsbesorgung angesehen, der Weisungsbefugnisse des Abnehmers – etwa in Bezug auf Qualitätskontrollen – entsprechen.40 Informationsund Rechenschaftspflichten sind nach deutschem Recht unbedenklich, wenn Pflichten aus dem Dauerschuldverhältnis oder aus Geschäftsbesorgungselementen des Zuliefervertrags vertraglich nur konkretisiert werden.41 Dokumentationspflichten, die über das Maß des für die Beweisführung in Haftungsfragen Erforderlichen hinausgehen (z.B. länger als die Verjährung bei 35 Vgl. beispielhaft von der Schaeffler Gruppe, , 30.07.2020. 36 Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 275. 37 Zur AGB-rechtlichen Zulässigkeit der (teilweisen) Verlagerung der Untersuchungspflichten vgl. nachfolgend C. IV. 4. 38 Insbesondere am Verbot überraschender Klauseln nach § 305c BGB, vgl. Röhricht/ Westphalen/Haas, HGB-Laschet: Besondere Handelsverträge. Qualitätssicherungsvereinbarungen, Rn. 3. 39 Sogleich im Abschnitt C. 40 Vgl. StaudingerBGB-Martinek/Omlor: § 675, Rn. B 260 ff.; Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 52; K. W. Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, 110. 41 Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 92.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

Produkthaftungsansprüchen), können den Zulieferer hingegen in unzumutbarer Weise belasten.42

III. Resümee Qualitätssicherungsvereinbarungen und die Einrichtung zertifizierter Qualitätsmanagementsysteme bei den Zulieferern sind ein wichtiger Bestandteil der Produktionsstrategie in der Automobilindustrie. Sie finden sich in ähnlicher Form bei Herstellern aller untersuchten Rechtsordnungen und knüpfen an einen gemeinsamen Standard der größeren Automobilhersteller an. Der Zulieferer gewährt dem Hersteller weitreichende Einblicke in die eigenen Produktionsprozesse, wenn dieser Lieferantenaudits durchführt. Das setzt ein Vertrauensverhältnis zwischen Zulieferer und Hersteller voraus, das zugleich auch Voraussetzung für die Verlagerung von Produktkontrollen auf den Zulieferer ist. Aus Sicht des Herstellers dienen die Qualifizierung der Zulieferer und die Implementierung zertifizierter Qualitätsmanagementsysteme dem Aufbau und der Aufrechterhaltung dieses Vertrauensverhältnisses. Auch für den Umgang mit einer mangelhaften Lieferung ist ein vorher definiertes, kooperatives Verfahren vorgesehen, in dem Fehlerquellen und Fehlerverantwortlichkeiten festgestellt und gemeinsam Strategien zur nachhaltigen Fehlerbehebung entwickelt werden. Hier zeigen sich Elemente der Voice-Option nach Hirschman: Die Parteien versuchen grundsätzlich, die Vertrauensbeziehung zu sichern und bei Problemen zu kooperieren, um auf diese Weise die Vertragsdurchführung zu stabilisieren.43

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos Fehler, die bereits vor dem Inverkehrbringen bei einem der Vertragspartner zu Tage treten oder Mängel, die nicht sicherheitsrelevant sind, lösen in erster Linie eine vertragsrechtliche Abwicklung aus, da es noch nicht zu einer Schädigung oder Gefährdung Dritter gekommen ist. Bei sicherheitsrelevanten Mängeln, die nach dem Inverkehrbringen auftreten, steht die außervertragliche Haftung gegenüber Dritten im Vordergrund. Im Verhältnis zwischen Hersteller und Zulieferer geht es dann um den Innenausgleich, der Gegenstand von Abschnitt D. dieses Kapitels ist.

42 43

Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 91. Vgl. Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty, 1970, 82; vgl. ausführlicher Kap. 2 B. III. 3.

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

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I. Gemeinsame EU-rechtliche Regeln Eine europarechtliche Harmonisierung hat es bislang nur in Teilbereichen gegeben. Dabei wurde vor allem das Ziel verfolgt, Verbraucher beim Kauf von Verbrauchsgütern zu schützen. Die Verbraucherschutzrichtlinien betreffen im Kern das Verhältnis zwischen Endhersteller/Händler und Verbraucher, mittelbar entfalten sie aber auch im unternehmerischen Verkehr Wirkung.44 Für die vertragliche Haftung sind vor allem die Klausel-Richtlinie45 und die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie46 (in Zukunft Warenkauf-Richtlinie47) von Bedeutung. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hat in Deutschland unter anderem Einfluss auf die Ausgestaltung des Mängelgewährleistungsrechts im Kaufrecht und den Lieferantenregress genommen. Im Bereich der Sachmängelgewährleistung hat eine überschießende Umsetzung beispielsweise dazu geführt, dass der Verkäufer auch außerhalb des Verbrauchergeschäfts als Teil der verschuldensunabhängigen Nacherfüllung den Ersatz der Aus- und Einbaukosten schuldet, wenn die Kaufsache bestimmungsgemäß eingebaut wurde.48 Rückgriffsrechte in der Lieferkette sind in Art. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Art. 18 Warenkauf-Richtlinie) geregelt.49

II. Haftung nach englischem Recht Im englischen Recht haftet der Verkäufer bzw. Hersteller mangelhafter Waren vor allem nach drei Regelungskomplexen: Vertragliche Haftung basierend auf dem Sale of Goods Act 1979 (SGA 1979), vertragliche Haftung basierend auf dem Verbrauchergesetz Consumer Protection Act 1987 (CPA 1987) oder außervertraglich aus dem Common Law als tort of negligence action.50 Dabei ist zu beachten, dass englische Gesetze nicht nach einem kontinentaleuropäischen Verständnis zu beurteilen sind; der Sale of Goods Act hat keinen abschließenden Charakter für das Kaufrecht und die Common44

Insbesondere bei überschießender Umsetzung durch die nationalen Gesetzgeber. RL 93/13/EWG, ABl. EG Nr. L 95 S. 29; geändert durch Art. 32 ÄndRL 2011/83/EU vom 25. 10. 2011, ABl. EU Nr. L 304 S. 64 (Klausel-Richtlinie). 46 RL 1999/44/EG, ABl. EG Nr. L 171 S. 12 (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie). 47 Die Warenkauf-Richtlinie ersetzt ab 1. Januar 2022 die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie; Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019, ABl. EU Nr. L 136 S. 28 (Warenkauf-Richtlinie). 48 Vgl. den neuen Abs. 3 des § 439 BGB, der zum 1.1.2018 in Kraft getreten ist und die EuGH-Rechtsprechung in Sachen Weber/Putz, EuGH NJW 2011, 2269 umsetzt. Vertiefend zur Diskussion und den Hintergründen etwa BeckOGK-Höpfner: § 439, Rn. 50 ff.; P. Huber, NZBau 2018, 72. 49 Hierzu mehr unter D. I. 50 So beispielsweise Stapleton, Texas International Law Journal 34 (1999), 45, 48. 45

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Law-Regeln bleiben weiter anwendbar, sofern das Gesetz sie nicht ausdrücklich ersetzt.51 Auch haben gesetzliche Normen grundsätzlich keine Ausstrahlungswirkung und sind also nur auf die ausdrücklich geregelten Sachverhalte anzuwenden.52 1. Vertragliche Haftung Das englische Recht knüpft für die vertragliche Haftung53 an den einheitlichen Tatbestand der Vertragsverletzung (breach of contract) an.54 Mängelgewährleistungsansprüche setzen voraus, dass der Vertrag Vereinbarungen über die Beschaffenheit der Kaufsache enthält. Diese können ausdrücklich getroffen oder stillschweigend in den Vertrag aufgenommen worden sein, insbesondere nach den Regeln des SGA 1979. Das entspricht dem Grundsatz des caveat emptor, wonach der Käufer die Kaufsache „wie gesehen“ annimmt und für Abweichungen von seinen Vorstellungen selbst verantwortlich ist, solange er nicht eine anderweitige vertragliche Regelung getroffen hat.55 Im Unterschied zum deutschen Recht knüpft auch die vertragliche Schadensersatzhaftung nach englischem Recht nicht an eine Pflichtverletzung an, sondern allein an den Nichteintritt des geschuldeten Erfolgs; ein Verschulden des Vertragspartners ist hierfür nicht erforderlich.56 a) Mängelgewährleistung Auch im englischen Recht muss die Kaufsache die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit bei Gefahrübergang aufweisen, der mit dem Übergang des Eigentums an der Kaufsache einhergeht, Sec. 20 SGA 1979. Für den Versendungskauf gelten spezielle Regeln, Sec. 32, 33 SGA 1979. Ein nach Gefahrübergang auftretender Mangel muss auf einen bereits bei Gefahrübergang vorliegenden Grundmangel zurückzuführen sein oder diesem entsprechen, wenn nicht eine weitergehende Haftung ausdrücklich vereinbart wurde (z.B. eine Funktionsgarantie für einen bestimmten Zeitraum).57

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Ausdrücklich vorgesehen ist das für bestimmte Common-Law-Regeln in Sec. 61 I SGA. Vgl. Goode/McKendrick, Goode on commercial law, 2016, 211. 52 Bridge, in: Vogenauer/Gullifer (Hrsg.), 2014, 90. 53 Vgl. zur vertraglichen Haftung in deutscher Sprache Nickel/Saenger, JZ 1991, 1050. 54 Vgl. Mansel, AcP 204 (2004), 396, 442. 55 Vgl. etwa Atiyah/Adams/MacQueen, Sale of goods, 2005, 216; Campbell, in: Campbell/Vincent-Jones (Hrsg.), 1996, 43. 56 Vgl. auch Rehm, in: Basedow/Hopt/Zimmermann/Illmer (Hrsg.), 2009, 967. 57 VAI Industries (UK) Ltd. v Bostock & Bramley [2003] EWCA Civ 1069, mit Anmerkung Twigg-Flesner, Law Quarterly Review 2004, 214, 217.

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

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(1) Condition, innominate terms, warranty Die konkrete Rechtsfolge einer Vertragsverletzung knüpft daran an, ob es sich bei der verletzten Vertragsbestimmung um eine condition, einen innominate term oder eine warranty handelt.58 Condition bezeichnet eine Vertragsbestimmung, die den Kern des Vertrags (root of the contract) betrifft, ohne Teil der vertraglichen Primärleistung zu sein.59 Wird eine condition verletzt, so hat der Käufer/Besteller zusätzlich zu Schadensersatzansprüchen das Recht, die Vertragsware zurückzuweisen und vom Vertrag zurückzutreten, Sec. 11 III SGA 1979.60 Innominate terms sind Vertragsbestimmungen, die als Kategorie zwischen conditions und warranties anzusiedeln sind. Die Kategorie geht auf eine Entscheidung des Court of Appeal in der Sache Hong Kong Fir Shipping Co Ltd. v Kawasaki Kisen Kaisha61 zurück.62 Bei innominate terms besteht ein Ermessensspielraum des Gerichts hinsichtlich dessen, ob es einen Rücktritt für zulässig hält oder der Geschädigte nur Schadensersatz verlangen kann.63 Ein Beendigungsrecht kommt in Betracht, wenn die Vertragsverletzung den Kern des Vertrags betrifft64 oder die geschädigte Partei faktisch den gesamten Nutzen aus dem Geschäft verliert.65 Alle übrigen Vertragsbestimmungen sind warranties und berechtigen bei Verletzung nur zu Schadensersatzansprüchen und nicht zur Beendigung des Vertrags. (2) Schadensersatzanspruch als primärer Rechtsbehelf Im Unterschied zum deutschen Recht ist im englischen Recht nicht der (Nach-)Erfüllungs-, sondern der Schadensersatzanspruch der primäre 58

Ausführlich zur Abgrenzung zwischen warranty und condition beispielsweise McKendrick, Contract law, 2015, 174 ff. 59 Twigg-Flesner/Canavan/MacQueen/Atiyah/Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 65. 60 „Sec. 11 III SGA 1979 Whether a stipulation in a contract of sale is a condition, the breach of which may give rise to a right to treat the contract as repudiated, or a warranty, the breach of which may give rise to a claim for damages but not to a right to reject the goods and treat the contract as repudiated, depends in each case on the construction of the contract; and a stipulation may be a condition, though called a warranty in the contract.“ 61 Hongkong Fir Shipping Ltd. v Kawasaki Kisen Kaisha [1962] 2 QB 26 (CA); dabei ging es um einen Charterparty-Vertrag für den Transport auf See. 62 Vgl. auch McKendrick, Contract law, 2015, 180. 63 Twigg-Flesner/Canavan/MacQueen/Atiyah/Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 67. 64 Bridge, The international sale of goods, 2017, Rn. 9.03. 65 Zur Vertragsbeendigung bei innominate terms insbesondere Hongkong Fir Shipping Ltd. v Kawasaki Kisen Kaisha [1962] 2 QB 26 (CA).

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Rechtsbehelf. Der Schadensersatzanspruch wird als der effizienteste Ausgleich gesehen, weil die ursprünglich von den Parteien vereinbarte Güterverteilung erhalten bleibt und der Schaden des Käufers monetär ausgeglichen wird.66 b) Vereinbarte Beschaffenheit Beschaffenheitsvereinbarungen und Vereinbarungen über die Rechtsfolgen ihrer Verletzung können ausdrücklich oder stillschweigend getroffen werden. (1) Ausdrückliche Vereinbarung (express terms) Neben der ausdrücklichen Vereinbarung der Beschaffenheit kann beispielsweise als Rechtsfolge neben oder statt eines Anspruchs auf Schadensersatz zusätzlich ein Anspruch auf Neulieferung vorgesehen werden. Der Verkäufer kann auch eine product guarantee übernehmen, mit der er die kostenlose Reparatur verspricht, falls sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums ein Mangel zeigt, der auf mangelhafte Leistungen und mangelhafte Materialien zurückzuführen ist.67 (2) Stillschweigende Vereinbarungen kraft Gesetz (terms implied at law) Der SGA 1979 sieht dispositives Recht vor, welches lückenfüllend wirkt, wenn die Parteien keine anderweitige Parteivereinbarung getroffen haben.68 Von Bedeutung sind insbesondere Sec. 13 bis 15 SGA 1979. Sec. 13 SGA 1979 regelt den Kauf nach Beschreibung (sale by description), bei dem die strikte Übereinstimmung der Ware mit der vertraglichen Beschreibung geschuldet wird.69 Fehlt es an einer Beschreibung, so gilt nach Sec. 14 SGA 1979 als implied term, dass die Ware von satisfactory quality und fit for purpose sein muss.70Satisfactory quality entspricht handelsüblicher Qualität, fitness for purpose bezeichnet je nach Sachlage die Eignung für die vertraglich voraus-

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Vgl. McKendrick, Contract law, 2015, 387. Twigg-Flesner/Canavan/MacQueen/Atiyah/Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 555. 68 So eingeordnet in das kontinentaleuropäische Verständnis von Mansel, AcP 204 (2004), 396, 442. 69 Arcos Ltd. v E. A. Ronaasen & Son [1933] A.C. 470, 480 (HL). 70 Siehe dazu Atiyah/Adams/MacQueen, Sale of goods, 2005, 145; diese Regeln sah das englische Recht bereits vor Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vor. Durch die Umsetzung haben sich viele europäische Rechtsordnungen diesen Abstufungen angenähert. Gleichwohl hat sich der englische Gesetzgeber gegen die überschießende Richtlinienumsetzung entschieden, sodass der Mängelbegriff unterschiedlich zu bestimmen ist, je nachdem, ob es sich um ein Verbrauchergeschäft handelt oder nicht. Das Verbrauchervertragsrecht ist seit 2015 im Consumer Rights Act 2015 geregelt. 67

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gesetzte Verwendung bzw. die gewöhnliche Verwendung.71 In Betracht kommt bei der Zulieferbeziehung außerdem der sale by sample i.S.d. Sec. 15 SGA 1979, bei dem die zu liefernden Güter die gleiche Qualität wie das zuvor übermittelte Muster aufweisen müssen. Solche stillschweigenden Beschaffenheitsvereinbarungen sind conditions, ihre Verletzung berechtigt zur Vertragsbeendigung sowie zum Schadensersatz.72 c) Untersuchung und Anzeige von Mängeln Bei Verträgen zwischen Unternehmern regeln Sec. 35, 35A SGA 1979 die Untersuchung und Anzeige von Mängeln sowie die (gewährleistungsausschließende) Annahme (acceptance) der Ware.73 Allerdings schließt acceptance nur das Recht zur Rückgabe der Ware (rejection) aus, während der Anspruch auf Schadensersatz unberührt bleibt.74 Gemäß Sec. 35 II SGA 1979 gelten die Waren allerdings selbst bei ausdrücklicher Erklärung nur dann als angenommen, wenn der Käufer die zumutbare (reasonable) Möglichkeit hatte, die Waren zu untersuchen. Auf diese Weise wird die Haftung für versteckte Mängel nicht vorzeitig ausgeschlossen.75 Gemäß Sec. 35 I lit. b i.V.m. II SGA 1979 gilt es ebenfalls als Annahme, wenn der Käufer eine Handlung vornimmt, die im Widerspruch zum Eigentum des Verkäufers steht, sofern er zuvor die Möglichkeit zur Untersuchung hatte.76 Das entspricht der doctrine of estoppel im common law, wonach es unbillig ist, sich bei widersprüchlichem Verhalten auf einen Anspruch zu berufen.77 Die Waren gelten schließlich gemäß Sec. 35 IV SGA 1979 als angenommen, wenn der Käufer sie behält und Mängel nicht innerhalb einer angemessenen Zeit rügt (retention of the goods). Welche Untersuchungsfrist angemessen ist, hängt unter anderem von der Komplexität des zu untersuchenden Produkts und der gewöhnlichen Dauer bis zur Inbetriebnahme ab, auch soll dem Käufer eine gewisse Entschei-

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Vgl. auch Nickel/Saenger, JZ 1991, 1050, 1052. Sec. 13 IA, Sec. 14 VI, Sec. 15 III SGA 1979. Eine Ausnahme sieht Sec. 15A SGA 1979 für den Fall vor, dass es sich um eine so geringfügige Verletzung handelt, dass eine Zurückweisung der Ware unangemessen wäre. 73 Spezielle Regeln sind im Consumer Rights Act 2015 für Verbraucher vorgesehen, die die Ware innerhalb von 30 Tagen annehmen oder zurückweisen können. Diese Frist kann nicht zu Lasten des Verbrauchers abbedungen werden. 74 Vgl. Sec. 11 IV SGA 1979; Vorpeil, ZVglRWiss 103 (2004), 432, 434; Sieber, Die Mängelanzeige beim Warenkauf, 2008, 266 f. 75 Vgl. Goode/McKendrick, Goode on commercial law, 2016, 376. 76 Das Kriterium ist nur in besonderen Fallkonstellationen erfüllt, vgl. Twigg-Flesner/ Canavan/MacQueen/Atiyah/Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 512 f. 77 Goode/McKendrick, Goode on commercial law, 2016, 378 f. 72

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dungsfrist eingeräumt werden.78 In einer Entscheidung des Mercantile Court (QBD), bei der es um die Lieferung und Montage eines Hublifts für einen LKW ging, hielt das Gericht es für maßgeblich, dass das Fahrzeug zum Weiterverkauf bestimmt war. In einem solchen Fall sei als Untersuchungsfrist die Zeit zugrunde zu legen, die für den Weiterverkauf und die Untersuchung durch den Endnutzer gewöhnlich benötigt werde.79 Für den Endnutzer, der die Sache nicht zum Weiterverkauf ersteht, ist eine kürzere Frist angemessen.80 Nach dem common law ist rejection jedoch ausgeschlossen, wenn der Käufer die Waren trotz Kenntnis von der Mangelhaftigkeit akzeptiert hat.81 2. Equity-Haftung Sonstige Ansprüche und Rechtsbehelfe können sich aus den Equity-Regeln ergeben, insbesondere ein Anspruch auf Erfüllung (specific performance), das Recht zur Vertragsauflösung bei arglistiger Täuschung oder Drohung (rescission) oder die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes (injunction). Ausnahmsweise kann Erfüllung (specific performance) verlangt werden, wenn es dem Gericht aus Equity-Gesichtspunkten erforderlich erscheint, um den Interessen des Gläubigers angemessen Rechnung zu tragen.82 Das kommt auch in Art. 52 I SGA 197983 zum Ausdruck, wonach der Richter dem Gläubiger bei specific oder ascertained goods (Stückschulden) einen Erfüllungsanspruch zusprechen kann. Ob Erfüllung gewährt wird, ist eine Ermessensentscheidung des Gerichts. Herkömmlich handelt es sich bei dem Erfüllungsanspruch um einen subsidiären Rechtsbehelf.84 Voraussetzung für specific performance ist daher grundsätzlich, dass Schadensersatz im konkreten Fall kein geeigneter bzw. 78

Vgl. Goode/McKendrick, Goode on commercial law, 2016, 381. Truk (UK) Ltd. v Tokmakidis GmbH [2000] 1 Lloyd’s Rep. 543 (QBD): In diesem Fall wurde rejection noch nach über einem Jahr für zulässig erklärt. 80 Twigg-Flesner, in: Ebers/Janssen/Meyer (Hrsg.), 2009, 267; Hedley, Cambridge Law Journal 60 (2001), 37, 39; den streng objektiven Maßstab aus Bernstein v Pamson Motors (Golders Green) Ltd. [1987] 2 All E.R. 220 jedoch für überwunden haltend: Reynolds, Law Quarterly Review 2003, 544, 545. 81 Goode/McKendrick, Goode on commercial law, 2016, 385. 82 McKendrick, Contract law, 2015, 384. Vgl. auch Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2015, 296 f. 83 „Art. 52 I SGA 1979 In any action for breach of contract to deliver specific or ascertained goods the court may, if it thinks fit, on the plaintiff’s application, by its judgment or decree direct that the contract shall be performed specifically, without giving the defendant the option of retaining the goods on payment of damages.“ 84 McKendrick, Contract law, 2015, 384. 79

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

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angemessener Rechtsbehelf ist. Ein weiteres Kriterium ist, dass die vertragliche Leistung nicht vertretbar ist. Kann die Leistung auch durch einen Dritten erbracht werden, besteht keine Notwendigkeit für einen Erfüllungsanspruch. Das gilt allerdings nicht, wenn nach den konkreten Umständen ein anderweitiges Deckungsgeschäft nicht getätigt werden kann.85 Ausgeschlossen ist specific performance darüber hinaus, wenn aus dem Vertrag nicht hinreichend deutlich hervor geht, worin genau die Leistung zu bestehen hat oder es um eine höchstpersönliche Leistung (z.B. aus einem Arbeitsvertrag) geht. Auch ordnen die Gerichte specific performance nicht zu dem Zweck an, eine Geschäftsverbindung aufrecht zu erhalten, die andernfalls beendet wäre.86 In Zulieferverträgen kommt specific performance zwar für einen konkreten Lieferabruf in Betracht, aber gewöhnlich nicht für noch abzurufende Lieferungen, da der Rahmenvertrag in Bezug auf Liefermengen und -termine nicht hinreichend bestimmt ist.87 3. Außervertragliche Haftung Die außervertragliche Haftung nach dem tort of negligence setzt Verschulden voraus. Sie tritt gegebenenfalls neben die vertragliche Haftung und kommt bei Vorliegen einer vertraglichen Beziehung insbesondere dann zum Tragen, wenn die Fristen der vertraglichen Haftung abgelaufen sind oder der Vertrag mangels consideration unwirksam ist.88 4. Mitverschulden und Schadensminderungspflicht Für die Risikozuordnung im Verhältnis zwischen Zulieferer und Hersteller ist auch von Bedeutung, inwieweit der Hersteller Mitverantwortung für Mängel tragen muss.

85 So etwa im Fall Sky Petroleum Ltd. v VIP Petroleum Ltd. [1974] 1 WLR 576 (HC); in diesem Fall ordnete der High Court specific performance an, weil der Gläubiger aufgrund einer Ölpreiskrise keine andere Benzinbezugsquelle hatte und die weitere Belieferung die einzige Möglichkeit für ihn war, um im Geschäft zu bleiben (die Nichtbelieferung drohte für ihn existenzvernichtend zu sein); vgl. auch Twigg-Flesner/Canavan/MacQueen/Atiyah/ Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 467. 86 Hierzu: Cooperative Insurance Society Ltd. v Argyll Stores (Holdings) Ltd. [1997] 2 W.L.R. 898 (HL), eine Partei sollte nicht verpflichtet werden, ein Verlustgeschäft weiterzuführen: „The order for specific performance prolongs the battle.“ 87 Vgl. Land Rover Group Ltd. v UPF (UK) Ltd. [2002] EWHC 3183 (QBD); vertiefend Kap. 3 E. I 2). 88 O’Sullivan, Professional Negligence 23 (2007), 165, 166, 168. Für Einzelheiten wird auf Teil D. II. dieses Kapitels verwiesen.

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Im englischen Recht kann Mitverschulden (contributory negligence) nur in bestimmten Fällen berücksichtigt werden. Maßgeblich ist im Wesentlichen der Law Reform (Contributory Negligence) Act 1945 (LRA 1945).89 a) Contributory negligence Bei Schadensersatzansprüchen, die allein an eine Vertragsverletzung anknüpfen, kommt gemäß Sec. 1 I lit. a LRA 1945 ein Mitverschulden des Käufers grundsätzlich nicht in Betracht.90 Hintergrund ist der Gedanke, dass die Parteien auf die ordnungsgemäße Vertragserfüllung durch die andere Vertragspartei vertrauen dürfen, ohne daran mitwirken zu müssen.91 Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn die Verletzungshandlung gleichzeitig auch eine außervertragliche Haftung nach dem tort of negligence begründet, etwa durch die Verletzung vertraglicher Rücksichtnahmepflichten.92 Dahinter steht die Überlegung, dass der Geschädigte der Anrechnung von Mitverschulden nicht bloß dadurch ausweichen können soll, dass er nur vertragliche Ansprüche geltend macht.93 Voraussetzung für die Anrechnung des Mitverschuldens ist die Geltendmachung durch den Geschädigten.94 Der Höhe nach richtet sich die Mitverschuldensquote nach dem jeweiligen Verschulden der Parteien, das von den Richtern mit breitem Ermessensspielraum gewichtet wird, mit dem Ziel eines billigen und gerechten (just and equitable) Ausgleichs. Ein völliger Ausschluss der Haftung ist aber nicht möglich.95

89 „Art. 1 I Law Reform (Contributory Negligence) Act 1945 (1) Where any person suffers damage as the result partly of his own fault and partly of the fault of any other person or persons, a claim in respect of that damage shall not be defeated by reason of the fault of the person suffering the damage, but the damages recoverable in respect thereof shall be reduced to such extent as the court thinks just and equitable having regard to the claimant’s share in the responsibility for the damage: Provided that (a) this subsection shall not operate to defeat any defence arising under a contract; (b) where any contract or enactment providing for the limitation of liability is applicable to the claim, the amount of damages recoverable by the claimant by virtue of this subsection shall not exceed the maximum limit so applicable.“ 90 Lambert v Lewis [1982] AC 225 (HL); Barclays Bank plc v Fairclough Building Ltd. [1994] 3 W.L.R. 1057 (CA); Whittaker in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 1-197; vgl. auch Finke, Die Minderung der Schadensersatzpflicht in Europa, 2006, 274 . 91 Porat, Law Quarterly Review 1995, 228, 229. 92 Ursprünglich war contributory negligence nur für den tort of negligence vorgesehen; Whittaker in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 1-197. 93 Beale in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 26-077. 94 Goudkamp/Nolan, in: Barker/Grantham (Hrsg.), 2018, 163. 95 Siehe auch Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, 1999, 95.

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b) Duty to mitigate the loss Ähnlich wie § 254 II 1 BGB im deutschen Recht, verlangt auch das englische Recht vom Geschädigten, dass dieser vernünftige Maßnahmen treffen muss, um den Schaden gering zu halten, und er Handlungen zu unterlassen hat, die den Schaden vergrößern würden (duty to mitigate the loss).96 Er kann keinen Schadensersatz für Schäden verlangen, die er durch vernünftige Maßnahmen hätte vermeiden können.97 Ein Mitverschulden führt daher zur Anspruchskürzung, wenn der Geschädigte durch sorgfaltswidriges Verhalten dazu beigetragen hat, dass der eigene Schaden höher ausfiel, als das bei sorgfältigem Verhalten eines vernünftigen Dritten der Fall gewesen wäre.98 Im Unterschied zur contributory negligence gelten diese Grundsätze sowohl für vertragliche als auch für außervertragliche Schadensersatzansprüche.99 5. Grenzen der Vertragsfreiheit: Haftungsgrenzen Die Vertragsfreiheit findet ihre Grenze in der wortlautgetreuen Auslegung der Verträge und in der Annahme stillschweigender Rechte und Pflichten, wenn keine klaren Vereinbarungen getroffen wurden. Für Haftungsbegrenzungen gelten darüber hinaus die allgemeinen Prinzipien des Common Law und der Rule of Equity, nach denen ein Haftungsausschluss unzulässig sein kann. Schließlich unterzieht der UCTA 1977 einzelne Klauseln in Standardverträgen einer Inhaltskontrolle.100 a) Common Law Im englischen Common Law finden sich allgemeine Haftungsgrenzen, die denen im deutschen Recht ähneln. Anerkannt ist, dass eine Haftung für arglistiges Verhalten (fraud) nicht beschränkt werden kann.Teilweise wird auch im englischen Recht auf Good-Faith-Erwägungen zurückgegriffen, um einzelne Klauseln als unangemessen und unzulässig zu bewerten. Das spielt bislang aber vor allem bei der Beurteilung von Vertragsbeendigungen eine Rolle.101 Bei widersprüchlichem Verhalten kann es den Vertragsparteien nach der doctrine of estoppel verwehrt sein, sich auf eine Vertragsklausel zu beru96

Payzu Ltd. v Saundeers [1979] 2 KB 581 (CA). British Westinghouse Electric and Manufacturing Company v Underground Electric Railways Company of London [1912] A.C. 673, 689 (HL); Poole, Textbook on contract law, 2016, 375. 98 Jones v Livox Quarries Ltd. [1952] 2 Q.B. 608 (CA). Vgl. Tomkins, Journal of Personal Injury Law 2008, 196, 198. 99 McGregor, McGregor on damages, 2014, Rn. 9-015. 100 Vgl. im Überblick auch Leuschner, ZEuP 2017, 335, 351 ff. 101 Vgl. Kap. 1 C. IV. 3. und Kap. 3 B. II. 3. 97

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

fen.102 So steht beispielsweise ein Haftungsausschluss im Widerspruch zum Sinn und Zweck einer ausdrücklich zugesicherten Eigenschaft (express warranty).103 Eine Grenze für die Vereinbarung von Haftungsbeschränkungen zeigt schließlich die doctrine of the fundamental term auf. Danach kann eine Haftungsfreizeichnung den Schädiger grundsätzlich nicht von der Haftung für die Verletzung eines fundamental term befreien.104 Von der Rechtsprechung wird diese Regel seit 1967 als Auslegungsregel (rule of construction) für Haftungsbeschränkungen angesehen, mit der Folge, dass ein ausdrücklicher Haftungsausschluss ohne Auslegungsspielraum auch eine Haftungsbefreiung für die Verletzung von fundamental terms wirksam vorsehen kann.105 Die Gerichte prüfen die Zulässigkeit daher in der Regel zweistufig: Im ersten Schritt wird die betreffende Bestimmung nach der doctrine of the fundamental term geprüft und im zweiten Schritt wird die Zulässigkeit nach dem UCTA 1977 überprüft.106 b) Unfair Contract Terms Act 1977 Der UCTA 1977 gilt auch im B2B-Verhältnis und wendet sich gegen missbräuchliche Vertragsklauseln.107 Der UCTA 1977 unterzieht vor allem Haftungsbeschränkungen und -ausschlüsse einer inhaltlichen Kontrolle.108 Auch im englischen Recht wird dabei zwischen absoluten Klauselverboten, bei denen es keinen Wertungsspielraum gibt, und relativen Klauselverboten mit Wertungsmöglichkeit unterschieden. Gemäß Sec. 6 I UCTA 1977 kann beispielsweise die Haftung für die Berechtigung zur Eigentumsübertragung nicht ausgeschlossen werden. Der Ausschluss der Mängelgewährleistung nach Sec. 13 bis 15 SGA 1979 unterliegt hingegen dem test of reasonableness, Sec. 6 IA UCTA 1977. Der Test bezieht sich darauf, ob es fair und reasonable war, die betreffende Klausel in den Vertrag einzubeziehen, Sec. 11 UCTA 1977. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der des Vertragsschlusses.109 102

Panchaud Freres SA v Etablissements General Grain Co [1969] 11 WLUK 16 (CA). Vgl. Wesch, Die Produzentenhaftung im internationalen Rechtsvergleich, 1994, 229. 104 Vgl. Twigg-Flesner/Canavan/MacQueen/Atiyah/Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 62 f. 105 Suisse Atlantique Societe´ D’Armement Maritime SA v Rotterdamsche Kolen Centrale [1967] 1 AC 361 (HL), vgl. Twigg-Flesner/Canavan/MacQueen/Atiyah/Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 63. Ein fundamental term ist vergleichbar mit einer condition, d.h. es sind Klauseln gemeint, die den Kern des Vertrags ausmachen. 106 So Twigg-Flesner/Canavan/MacQueen/Atiyah/Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 63. 107 Hugh Beale/Fauvarque-Cosson/Rutgers/Tallon/Vogenauer, Cases, Materials and Text on Contract Law, 2010, 785. 108 Siehe bereits Kap. 1 C. IV. 2. 109 McKendrick in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn 15-096. 103

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

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Bei der Abwägung berücksichtigen die Richter unter anderem die Verhandlungsmacht der Vertragsparteien, die Versicherbarkeit der Haftungsrisiken und die Leistungsfähigkeit des potentiell Haftenden.110 Der test of reasonableness wird einzelfallbezogen durchgeführt und ist daher in der Regel nicht auf andere Fälle übertragbar.111 Für eindeutig unzulässig gehalten werden jedoch Klauseln, die die nach dem SGA 1977 vorgesehenen Rechtsbehelfe beschneiden, beispielsweise keine rejection bei der Verletzung einer condition zulassen.112 In der Entscheidung George Mitchell Ltd v Finney Lock Seeds Ltd. wurde eine Haftungsbegrenzung bei Mängeln der Vertragsprodukte (Samen) auf Ersatzlieferung oder Erstattung des Warenwerts für unreasonable gehalten. Dabei spielte unter anderem eine Rolle, dass der Verkäufer sich gegen das Risiko eines Mangelfolgeschadens verhältnismäßig kostengünstig hätte versichern können.113 Ebenfalls um landwirtschaftliche Produkte ging es im Fall RW Green Ltd. v Cade Bros Farms. In dieser Entscheidung hielt das Gericht eine Klausel, nach der mangelhafte Ware innerhalb von drei Tagen zurückgegeben werden musste, für unreasonable, weil sich die Mangelhaftigkeit von Samen regelmäßig erst über einen längeren Zeitraum zeigte (wenn die Samen sprießen). Eine Beschränkung der Schadensersatzhaftung auf den Kaufpreis wurde in diesem Fall aber akzeptiert, weil es sich um Samen ohne Prüfsiegel handelte.114 Die Kontrolle durch den UCTA 1977 ist aber auf innerstaatliche Verträge beschränkt, bei denen beide Vertragspartner ihren Sitz in Großbritannien haben.115 6. Regelungen in Einkaufsbedingungen nach englischem Recht Für die Untersuchung standen die Allgemeinen Einkaufsbedingungen des VW-Konzernunternehmens Bentley aus dem Jahr 2018116 zur Verfügung, die 110 Unfair Contract Terms Act 1977, Schedule 2, „Guidelines“ for application of reasonableness test; vgl. zur Auslegung Lord Bridge in George Mitchell (Chesterhall) Ltd. v Finney Lock Seeds Ltd. [1983] QB 284. 111 Phillips v Hyland & Hampstead Plant Hire Co Ltd. [1987] 1 WLR 659 (CA); McKendrick in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn 15-101. 112 So Twigg-Flesner/Canavan/MacQueen/Atiyah/Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 213. 113 George Mitchell (Chesterhall) Ltd. v Finney Lock Seeds Ltd. [1983] 3 W.L.R. 163 (HL). Wem die Versicherung des Risikos vernünftigerweise zuzumuten war, spielte auch in Phillips v Hyland & Hampstead Plant Hire Co Ltd. [1987] 1 WLR 659 (CA) eine Rolle. 114 RW Green Ltd. v Cade Bros Farms [1977] 11 WLUK 78 (QBD). Vgl. auch die Analyse in Twigg-Flesner/Canavan/MacQueen/Atiyah/Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 241. 115 Sec. 26 UCTA 1977; vgl. auch Furmston/Cheshire/Fifoot, Cheshire, Fifoot, and Furmston’s law of contract, 2017, 244. 116 Bentley Motors Limited: Terms and Conditions for the Purchase of Production Ma-

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

eine Rechtswahlklausel zugunsten des Rechts von England und Wales enthalten. Untersucht wurden weiter die sehr viel umfangreicheren Allgemeinen Einkaufsbedingungen der Ford-Gruppe aus dem Jahr 2004, die auch für die nach englischem Recht agierenden Unternehmen Aston Martin Lagonda, Jaguar Cars Limited und Land Rover gelten. Die Rechtswahl richtet sich nach dem Unternehmenssitz, weshalb für diese Unternehmen englisches Recht Anwendung findet.117 a) Geschuldete Beschaffenheit Die Bedingungen von Bentley bilden den Rahmen für die einzelnen Lieferabrufe (Order). Zum Sachmangelbegriff (Klausel 4.4) nehmen die Bedingungen in 4.4.2. auf den SGA 1979 ausdrücklich Bezug. Darüber hinaus müssen die Zulieferteile den gesetzlichen (Sicherheits-)Anforderungen und den Qualitätsmaßgaben des VW-Konzerns entsprechen. In den Bedingungen der Ford-Gruppe wird in Sec. 22 eine Vereinbarung über die Beschaffenheit der Zulieferprodukte getroffen. Danach haftet der Zulieferer für die Übereinstimmung der Zulieferteile mit übermittelten Spezifikationen, Mustern und Beschreibungen sowie mit staatlichen Vorgaben. Die Zulieferteile müssen zudem „merchantable“ sein, dürfen keine konzeptionellen Fehler („defects in design“) oder sonstige Material- oder Arbeitsmängel aufweisen und müssen zur vertraglich vorausgesetzten und gewöhnlichen Verwendung im Endprodukt geeignet sein, Sec. 22.01. b) Untersuchung und Mängelanzeige Die Bedingungen von Bentley eröffnen das Recht zur Untersuchung vor Lieferung, enthalten aber keine Bestimmungen zur Untersuchung der gelieferten Ware und keine Regelungen zur Mängelanzeige. Klargestellt wird lediglich, dass der Gefahrübergang, der nach Klausel 5.7 mit Übergabe der Zulieferteile erfolgt, keinen Einfluss auf die Zurückweisungsrechte (rejection) des Bestellers hat. Die Bedingungen der Ford-Gruppe befreien den Besteller ausdrücklich von der Wareneingangsuntersuchung (Sec. 14.01). Sie sehen eine (mündliche oder schriftliche) Mängelanzeige nach Entdeckung eines Mangels sobald als terial and other Goods (Stand September 2018), , 30.07.2020. 117 Ford Motor Company: Production Purchasing Global Terms and Conditions (Stand Januar 2004), , 30.07.2020 (Ford Global Terms 2004).

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

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vernünftigerweise möglich („reasonably practicable“) vor (Sec. 14.02) und ähneln insoweit dem deutschen Modell. Allerdings hat eine unterlassene oder verspätete Mängelanzeige keinen Einfluss auf die Rechte des Bestellers. c) Mängelgewährleistung In den Bedingungen von Bentley werden umfassende Rechtsbehelfe für den Fall des Lieferverzugs oder der mangelhaften Lieferung vorgesehen. Gemäß Klausel 6 kann der Besteller den Liefervertrag beenden, die mangelhaften Waren zurückweisen und Nacherfüllung durch Reparatur oder Ersatzlieferung verlangen. Der Hersteller behält sich darüber hinaus ein Recht zur Verweigerung der Annahme zukünftiger Lieferversuche des Zulieferers vor und kann (verschuldensunabhängig) Schadensersatz für die Kosten eines Deckungskaufs und für alle anderen Kosten verlangen, die dem Besteller wegen des nicht vertragsgemäßen Verhaltens des Zulieferers entstanden sind. Es wird nicht danach unterschieden, ob die Teile bereits im Fertigungsprozess eingesetzt wurden oder nicht. Der Zulieferer übernimmt eine product warranty für von ihm zu vertretende Mängel für die Dauer der Gewährleistung von Bentley gegenüber dem Endkunden, mindestens aber für 36 Monaten ab Abnahme der Zulieferteile durch Bentley; bei Feldaktionen (insbes. freiwilliger oder behördlich angeordneter Rückruf) kommen längere Fristen in Betracht, Klausel 12.1. Die Ford-Gruppe unterscheidet hingegen in ihren Bedingungen danach, ob die Teile bereits im Fertigungsprozess eingesetzt wurden oder nicht. Dem Zulieferer wird in Sec. 14.03 ein Nacherfüllungsrecht (Reparatur) eingeräumt, sofern die Zulieferteile noch nicht im Produktionsprozess eingesetzt wurden und es keine Verzögerung im Produktionsprozess des Bestellers hervorruft oder dem Besteller zusätzliche Kosten verursacht. Sind diese Voraussetzungen aus der Sicht des Bestellers und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nicht erfüllt, so hat er ein Wahlrecht: Er kann die mangelhaften Zulieferteile zurückweisen und Neulieferung verlangen, eine Reparatur selbst vornehmen (lassen) oder auch Reparatur durch den Zulieferer verlangen, Sec. 14.04, wobei der Zulieferer Risiko und Kosten trägt. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt, Sec. 14.06. Die Gewährleistungsfrist (warranty period) beginnt für eingebaute Teile mit ihrer Lieferung und endet, sobald die Herstellergarantie gegenüber dem Endkunden oder eine längere gesetzliche Gewährleistungsfrist abläuft. d) Mitverschulden des Bestellers, Haftung des Zulieferers für Sublieferanten Regeln über die (anspruchsmindernde) Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Bestellers bei Anspruchsentstehung oder im Hinblick auf die Schadenshöhe sehen die Bedingungen von Bentley nicht vor.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

Auch die Bedingungen der Ford-Gruppe enthalten keine Regelungen zu einer Anspruchskürzung bei contributory negligence oder bei Verletzung der duty to mitigate. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es aber zu einer Schadensteilung bei Ansprüchen Dritter und bei Feldaktionen kommen, auf die nachfolgend eingegangen wird.118 Weder die Bedingungen von Bentley noch die der Ford-Gruppe enthalten Bestimmungen über die Zurechnung von Fehlern eines Sublieferanten. Das passt zu der verschuldensunabhängig ausgestalteten vertraglichen Haftung im englischen Recht. Für die außervertragliche Haftung ordnen die Bedingungen von Bentley die Haftung des Zulieferers auch für Sublieferanten an, Klausel 10.1.1. Die Bedingungen der Ford-Gruppe enthalten hierzu keine ausdrücklichen Regelungen. 7. Resümee Im englischen Recht richtet sich die Sachmängelgewährleistung in erster Linie nach dem Common Law und dem SGA 1979, wobei der Beschreibung der Produkte eine besondere Bedeutung zukommt. Der zentrale Rechtsbehelf bei Mängeln ist ein Schadensersatzanspruch, der in der Regel auch nicht um einen Mitverschuldensanteil gekürzt werden kann. Eine Untersuchung der Waren und eine Mängelanzeige sind für die Aufrechterhaltung von Schadensersatzrechten nicht erforderlich, ihre Unterlassung kann aber die Möglichkeit ausschließen, die Waren zurückzuweisen (rejection). Die Dauer der Rügefrist richtet sich im Wesentlichen nach dem bestimmungsgemäßen Gebrauch der Sache. Die untersuchten Bedingungswerke orientieren sich zur geschuldeten Beschaffenheit am SGA 1979. Sie sehen jedoch zusätzlich generell einen im englischen Recht nur ausnahmsweise vorgesehenen Nacherfüllungsanspruch (Anspruch auf Reparatur oder Ersatzlieferung) vor: Gerade bei langfristigen Vertragsverhältnissen ist der Schadensersatzanspruch nicht immer das Mittel der Wahl. Während bei Bentley der Nacherfüllungsanspruch den Rechtsbehelfskatalog des Bestellers erweitert, ist nach den Bedingungen der FordGruppe vor Fertigungsbeginn die Nacherfüllung vorrangig und der Zulieferer hat unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Recht zur Nacherfüllung (right to cure). Untersuchungspflichten des Bestellers werden in den Bedingungen der Ford-Gruppe explizit ausgeschlossen, eine unterlassene Mängelanzeige hat keinen Einfluss auf die Rechtsbehelfe des Bestellers; in den Bedingungen von Bentley wird diese Problematik nicht thematisiert. Ein Mitverschulden des Bestellers wird allenfalls auf Ebene des Innenausgleichs berücksichtigt.

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Hierzu vertiefend beim Innenausgleich in diesem Kapitel unter D. II.

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

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III. Haftung nach italienischem Recht Im italienischen Recht haftet der Verkäufer bzw. Hersteller mangelhafter Waren vertraglich nach den allgemeinen Regeln des jeweils anwendbaren Vertragstyps (insbesondere contratto di appalto) und nach der Legge Subfornitura. Für die außervertragliche Haftung gilt das Produkthaftungsrecht, Art. 114 ff. Cod. Cons., sowie das allgemeine Deliktsrecht, insbesondere die Generalklausel des Art. 2043 CC.119 1. Vertragliche Haftung Die vertragliche Haftungsverteilung zwischen Zulieferer und Hersteller richtet sich im italienischen Recht nach dem Zulieferertyp. Auf Auftragsfertiger, die in einem wirtschaftlichen und technologischen Abhängigkeitsverhältnis zum Hersteller stehen, findet die Legge Subfornitura Anwendung, die das allgemeine Vertragsrecht teilweise modifiziert und ergänzt. Die übrigen Zulieferverhältnisse werden überwiegend nach den Regeln über den contratto di appalto beurteilt, da System- und Modulzulieferer regelmäßig vertragsspezifische Produkte herstellen und der Schwerpunkt der Leistung in einem „facere“ (Tun) und nicht in einem „dare“ (Geben) liegt.120 a) Mängelgewährleistungssystem des contratto di appalto Der contratto di appalto ist gesetzlich sehr ausführlich geregelt. Die Gewährleistungsregeln richten sich beim contratto di appalto nach den Art. 1655 ff. CC. (1) Mängelbegriff Der Unternehmer haftet gemäß Art. 1667 CC121 für difformita` und vizi. Difformita` sind Abweichungen von den vertraglich vereinbarten Eigenschaften des Werks, vizi beschreiben sonstige Abweichungen von der üblichen Beschaffenheit bzw. der Beschaffenheit nach den Regeln der Technik (regole dell’arte), abhängig von der üblichen oder der vertraglich vorausgesetzten Verwendung des Werks.122 119

Näher zur außervertraglichen Haftung in diesem Kapitel unter D. III. Vgl. zu der Rechtsnatur und den anwendbaren Regeln bereits Kap. 1 C. III. 1. 121 „Art. 1667 I CC L’appaltatore e` tenuto alla garanzia per le difformita` e i vizi dell’opera. La garanzia non e` dovuta se il committente ha accettato l’opera e le difformita` o i vizi erano da lui conosciuti o erano riconoscibili, purche´ in questo caso, non siano stati in malafede taciuti dall’appaltatore.“ 122 Vgl. Rendo, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 73; Sangiovanni, Responsabilita` Civile 2012, 300, 301. 120

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

(2) Gewährleistungsrechte Die Gewährleistungsrechte beim contratto di appalto gemäß Art. 1668 CC haben dispositiven Charakter.123 Der Besteller hat das Wahlrecht, vom Unternehmer die Mängelbeseitigung auf dessen Kosten oder eine Minderung des Preises zu verlangen, Art. 1668 I CC.124 Es ist umstritten, ob dem Besteller ein Recht zur Selbstvornahme zusteht und er Dritte mit der Mängelbeseitigung beauftragen kann.125 Nach der überwiegenden Meinung ist die Selbstvornahme aber zulässig.126 Sofern der Werkunternehmer die Nacherfüllung nicht durchführt, kann der Besteller Schadensersatz statt der (Nacherfüllungs-)Leistung verlangen.127 Daneben tritt ein verschuldensabhängiger Schadensersatzanspruch des Bestellers, Art. 1668 I 2. Halbsatz CC. Das Verschulden wird nach Art. 1218 CC vermutet.128 Inhaltlich ist der Anspruch aber auf Schadensersatz neben der Leistung begrenzt, d.h. auf den Schaden, der durch die beiden übrigen Gewährleistungsmittel (Mängelbeseitigung oder Minderung) nicht ausgeglichen werden konnte.129 Ein Rücktrittsrecht besteht nur ausnahmsweise, wenn nämlich das Werk bzw. die Dienstleistung gänzlich ungeeignet für die Verwendung ist, Art. 1668 II CC.130 (3) Untersuchung und Abnahme Beim contratto di appalto gilt der Grundsatz, dass der Unternehmer dem Besteller die Möglichkeit eröffnen muss, eine Eingangsuntersuchung (verifica e collaudo) durchzuführen, Art. 1665 CC. Stellt der Besteller Mängel des Werks fest, so hat er ein Zurückbehaltungsrecht an der Vergütung bis zur

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Sangiovanni, Responsabilita` Civile 2012, 300, 301. „Art. 1668 CC (1) Il committente puo` chiedere che le difformita` o i vizi siano eliminati a spese dell’appaltatore, oppure che il prezzo sia proporzionalmente diminuito, salvo il risarcimento del danno nel caso di colpa dell’appaltatore. (2) Se pero` le difformita` o i vizi dell’opera sono tali da renderla del tutto inadatta alla sua destinazione, il committente puo` chiedere la risoluzione del contratto.“ 125 Corte Cass. Civ., Sez. II, 27.02.1988, Nr. 2073 sah Schadensersatzansprüche bei Selbstvornahme nur dann vor, wenn sich die Mängel nicht durch Nacherfüllung des Unternehmers beseitigen lassen. 126 Vgl. Rendo, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 76 f. 127 Corte Cass. Civ., Sez. II, 21.02.2008, Nr. 4523; Sangiovanni, Responsabilita` Civile 2012, 300, 305. 128 Corte Cass. Civ., Sez. II, 5.10.2009, Nr. 21269. 129 Rendo, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 78; Sangiovanni, Responsabilita` Civile 2012, 300, 306 m.w.N. 130 Giuseppe Ferri/Angelici/Giovanni B. Ferri, Manuale di diritto commerciale, 2001, 875. 124

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

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Mängelbeseitigung.131 Konnte der Besteller bei Abnahme die Mängel des Werks erkennen und macht er diese nicht geltend, so ist eine Mängelhaftung grundsätzlich ausgeschlossen, Art. 1667 CC. Offene Mängel, die bei Abnahme wenigstens erkennbar waren, müssen sofort angezeigt werden oder die Abnahme muss verweigert werden. Für die Geltendmachung von verdeckten Mängeln ist die Mängelanzeige innerhalb von 60 Tagen132 nach der Entdeckung des Mangels Voraussetzung. Wird diese Frist nicht eingehalten, so kann ein Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden. Das gilt nicht, wenn der Werkunternehmer den Mangel ausdrücklich oder konkludent anerkannt oder arglistig verschwiegen hat, Art. 1667 II 2 CC.133 (4) Haftung für die Projektplanung – Mitverantwortung des Unternehmers Den Unternehmer trifft beim contratto di appalto eine Mitverantwortung für die fehlerfreie Projektplanung, auch wenn die Planung allein vom Besteller durchgeführt wurde. Er hat die Eignung und Vollständigkeit des Projektplans im Rahmen seiner technischen Fähigkeiten und Kenntnisse zu überprüfen.134 Wenn dem Unternehmer während der Ausführung des Projekts offensichtliche Planungsmängel auffallen (oder hätten auffallen müssen), bleibt er für die Fehlerfreiheit seiner Leistung in vollem Umfang verantwortlich, wenn er nicht nachweisen kann, dass er dem Besteller seine Bedenken mitgeteilt hat und dieser ihn angewiesen hat, das Werk dennoch auszuführen.135 Das gilt jedenfalls im Bauvertragsrecht. Nach der Legge Subfornitura wird die Haftung eingeschränkt.136 (5) Änderungen des Werks während der Vertragsdurchführung Sind Änderungen am Werk notwendig, um den Regeln der technischen Kunst (regole d’arte)137 zu entsprechen, so räumt Art. 1660 CC bei erheblichen Änderungen beiden Parteien Rücktrittsrechte ein, wobei erbrachte Leistungen angemessen zu entschädigen sind. Für nicht notwendige Änderungen steht dem Besteller nach Art. 1661 CC ein einseitiges ius variandi zu, sofern die Mehrkosten nicht ein Sechstel der Gesamtkosten überschreiten

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Rendo, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 61 f. Der Unterschied zum contratto di compravendita, bei dem die Frist für die Anzeige nur 8 Tage beträgt, wird mit der regelmäßig größeren Komplexität von Mängeln bei Werken begründet, vgl. Sangiovanni, Responsabilita` Civile 2012, 300, 302 f. 133 Vgl. Rendo, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 75 f. 134 Corte Cass. Civ., Sez. II, 05.05.2003, Nr. 6754. 135 Vgl. Corte Cass. Civ., Sez. II, 21.05.2012, Nr. 8016 für einen Bauvertrag. 136 Art. 7 Legge Subfornitura, hierzu nachstehend. 137 Ein nach der regola d’arte beschaffenens Werk entspricht der Beschaffenheit, eines von einem sorgfältigen Vertreter des Handwerks erstellten Werks dieser Art. 132

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

und dem Werkunternehmer vergütet werden. Bei höheren Mehrkosten muss der Werkunternehmer die Änderungen nicht akzeptieren und ist berechtigt, den ursprünglichen Vertrag zu erfüllen.138 Entsprechende gesetzliche Regelungen kennt das englische Recht nicht, das deutsche Recht nur für den Bauvertrag (§ 650b BGB).139 (6) Haftung für Subunternehmer Da der contratto di appalto ein Vertrag ist, bei dem der Unternehmer die Leistung höchstpersönlich schuldet und es auf die Fähigkeiten des Unternehmers ankommt (intuitus personae), ist gemäß Art. 1656 CC eine Weitervergabe des Auftrags an einen Subunternehmer nur mit Zustimmung des Bestellers zulässig. Im Regressfall muss der Unternehmer den Subunternehmer über die Mängelanzeige des Bestellers innerhalb von 60 Tagen ab Kenntnis informieren, um seine Rechte zu behalten, Art. 1670 CC. Es gilt also die gleiche Rügefrist wie im Verhältnis zwischen Besteller und Hauptauftragnehmer. Da es sich um einen abhängigen Untervertrag handelt, finden die Gewährleistungsregeln der Art. 1667, 1668 CC mit der Maßgabe Anwendung, dass (1) die vorbehaltlose Abnahme durch den Unternehmer von der vorbehaltlosen Abnahme durch den Besteller abhängt und (2) der Unternehmer nur solche Mängelansprüche gegenüber dem Subunternehmer geltend machen kann, die der Besteller ihm gegenüber geltend gemacht hat.140 b) Zwingendes Recht der Legge Subfornitura Jedenfalls für Auftragsfertiger, die nach den Vorgaben des Herstellers produzieren und damit technologisch von dem Besteller abhängig sind, gelten die speziellen Regeln der Legge Subfornitura.141 Ein wichtiges Abgrenzungsmerkmal zum contratto di appalto, das sich auch in den speziellen Regeln der Legge Subfornitura widerspiegelt, ist, dass der appaltatore das Werk auf eigenes ökonomisches Risiko realisiert, während der subfornitore in den Produktionsprozess des Herstellers eingebunden ist. Der Zulieferer soll deshalb nicht das volle wirtschaftliche Risiko tragen.

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Vgl. Rendo, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 53. Auch für den italienischen contratto di appalto ist das Bauvertragsrecht ein wichtiger Anwendungsbereich. 140 Vgl. Corte Cass. Civ., Sez. I, 11.11.2009, Nr. 23903. 141 Der Anwendungsbereich ist im Einzelnen umstritten, teilweise wird im Schrifttum auch eine Anwendbarkeit auf Modul- und Systemzulieferer befürwortet, vgl. Kap. 1. C. III. 1. a). 139

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

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(1) Mängelhaftung nach Art. 5 I und II Legge Subfornitura Die Legge Subfornitura regelt in Art. 5 die Haftung des Zulieferers wie folgt: „Art. 5 Legge Subfornitura: 1. Der Zulieferer haftet für die Funktionsfähigkeit und die Qualität des von ihm hergestellten Teiles oder des von ihm zusammengefügten Produktes oder der von ihm gemäß den vertraglichen Vorgaben und fachmännisch erbrachten Dienstleistung. 2. Der Zulieferer haftet nicht für Fehler des Materials oder der Werkzeuge, die ihm von dem Besteller für die Durchführung des Vertrages zur Verfügung gestellt worden sind, wenn diese dem Besteller unverzüglich angezeigt wurden.“142

Abs. 1 und 2 dieser Vorschrift sind zwingendes Recht, abweichende Vereinbarungen sind gemäß Art. 5 III Legge Subfornitura nichtig. Die Auslegung des Gesetzes ist deshalb von besonderer Bedeutung und zahlreiche Auslegungsfragen sind im italienischen Schrifttum umstritten.143 (a) Mängelarten Die gesetzliche Formulierung wirft zunächst die Frage auf, ob die Haftung allein auf Funktionsmängel und Qualitätsmängel zu beschränken ist und andersartige Mängel nicht unter den Haftungstatbestand fallen. Dagegen spricht, dass in der italienischen Rechtspraxis die Begriffe „difetto di qualita`“, „difetto di funzionamento“ und „vizio“ oft als Synonym gebraucht werden und eine wirkliche Unterscheidung kaum noch getroffen werden kann. Deshalb wird der Mängelbegriff überwiegend als mit dem contratto di appalto und dem contratto di compravendita gleichlaufend angesehen.144

142 „Art. 5. Responsabilita` del subfornitore 1. Il subfornitore ha la responsabilita` del funzionamento e della qualita` della parte o dell’assemblaggio da lui prodotti o del servizio fornito secondo le prescrizioni contrattuali e a regola d’arte. 2. Il subfornitore non puo` essere ritenuto responsabile per difetti di materiali o attrezzi fornitigli dal committente per l’esecuzione del contratto, purche` li abbia tempestivamente segnalati al committente. 3. Ogni pattuizione contraria ai commi 1 e 2 e` da ritenersi nulla. […].“ 143 Hieran wird auch die Schwierigkeit spezialgesetzlicher Regulierung deutlich: Sie erfordert zunächst das Ausfüllen der Auslegungsspielräume bis sie wirklich zu mehr Rechtssicherheit zwischen den Parteien führt. 144 Leccese: Art. 5 (Responsabilita` de subfornitore), in: Alpa/Clarizia (Hrsg.), 1999, 165. Auch Renna, in: Cendon (Hrsg.), 2007, 148; Calvagno D’Achille, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 378. Beim Kaufvertrag wird zwischen einfachen Sachmängeln (vizi della cosa) und Abweichungen von der Parteivereinbarung (mancanza di qualita`) unterschieden, die Lieferung eines Aliud (aliud pro alio datum) bildet eine eigene Kategorie. Vgl. Caringella/Mastrandrea, Il contratto, 2007, 475.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

(b) Funktionsgarantie? Diskutiert wird im italienischen Schrifttum, ob Art. 5 I Legge Subfornitura eine Garantie des Zulieferers für die Funktionsfähigkeit des Produkts anordnet, unabhängig vom Vorliegen eines Sachmangels,145 oder aber eine bloße Spezialregelung zur Mängelgewährleistung enthält. Gegen die Annahme einer Funktionsgarantie wird geltend gemacht, dass es den Zulieferer gegenüber einem normalen Verkäufer oder Werkunternehmer belasten würde, wenn er automatisch und aus zwingendem Recht eine Funktionsgarantie übernehmen müsste. Das würde dem Schutzzweck der Legge Subfornitura widersprechen, der (auch) den Schutz des Zulieferers als strukturell schwächere Vertragspartei umfasst. Auch bestimmt die Legge Subfornitura keine zeitliche Grenze für eine solche Garantie. Überzeugender ist daher die Gegenmeinung, die eine vom Vorliegen eines Sachmangels abhängige Gewährleistungshaftung für die Funktionsfähigkeit der Zulieferprodukte annimmt.146 Nach dieser Auffassung ergänzen die Gewährleistungsregeln der allgemeinen Vertragstypen die spezielle Regelung des Art. 5 Legge Subfornitura. Das ist beim Zuliefervertrag in der Automobilindustrie in aller Regel der contratto di appalto,147 der Besteller kann also gemäß Art. 1668 I CC im Rahmen der Mängelgewährleistung Nacherfüllung oder Preisminderung verlangen. Daneben tritt der verschuldensabhängige Schadensersatzanspruch.

145

Ähnlich einer Funktionsgarantie, die gemäß Art. 1512 CC vertraglich vereinbart werden kann. 146 So Leccese: Art. 5 (Responsabilita` des subfornitore), in: Alpa/Clarizia (Hrsg.), 1999, 165; Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 205. Prosperi geht dabei allerdings davon aus, dass der zwingende Charakter der Absätze dazu führen soll, dass eine Garantie gar nicht zulässig vereinbart werden kann, weil dann die Haftung erweitert würde. 147 Vgl. vorstehend Kap. 1 C. III 3. a) a.E. Während der Besteller beim contratto di appalto nur ausnahmsweise vom Vertrag zurücktreten und regelmäßig nur Nacherfüllung (oder Preisminderung) verlangen kann, hat der Käufer keinen Nacherfüllungsanspruch, aber ein Rücktrittsrecht (und Preisminderungsrecht), vgl. Giovanni B. Ferri/Nervi, in: Zoppini/Lipari/Rescigno (Hrsg.), 2009, 29. Das gilt nur, wenn der Mangel ein vizio della cosa ist. Handelt es sich um eine Abweichung von der Parteivereinbarung (mancanza di qualita`) oder eine Aliud-Lieferung, so hat der Käufer kein Minderungsrecht und kann das Rücktrittsrecht nur nach den allgemeinen Vorschriften ausüben, die ein Verschulden des Verkäufers voraussetzen. Umstritten ist das aber für die mancanza di qualita`, die teilweise als mit dem einfachen Sachmangel vergleichbar angesehen wird. Vgl. m.w.N. Caringella/Mastrandrea, Il contratto, 2007, 476.

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

121

(c) Haftungsbegrenzung Eine Haftungserleichterung gegenüber dem contratto di appalto ergibt sich insoweit, als der subfornitore im Regelfall nicht für Projektfehler des Bestellers (mangelhafte Anleitung, mangelhafte Planung) haftet.148 Das stellt Art. 7 Legge Subfornitura klar, wonach der Besteller die Risiken zu tragen hat, die mit dem von ihm übermittelten Spezifikationen und technischem Know-how einhergehen. Allerdings trifft auch den Zulieferer eine Mithaftung, wenn er den Projektfehler erkannt hat oder hätte erkennen müssen.149 (d) Mängelanzeige (consegna e collaudo) Gemäß Art. 2 V lit.c Legge Subfornitura muss der Zuliefervertrag auch Bestimmungen über die Fristen und Modalitäten der Untersuchung und Übergabe des Zulieferprodukts enthalten. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift führt nach herrschender Meinung aber nicht zur Nichtigkeit des Vertrags, da es sich bei diesen Bestimmungen nicht um essentiali negotii handelt. Vielmehr gelten dann die allgemeinen Regeln: Art. 1183 CC für die Leistungszeit (sofortige Erfüllbarkeit) und für die Untersuchungsobliegenheit die Regeln des jeweils einschlägigen Vertragstyps.150 Hierfür spricht auch die Regelung des Art. 5 IV Legge Subfornitura, wonach der Besteller Mängel innerhalb der vertraglich vereinbarten Fristen, längstens aber innerhalb der allgemeinen gesetzlichen Fristen anzeigen muss. Beim Zuliefervertrag in der Automobilindustrie sind das regelmäßig die Fristen des contratto di appalto, bei dem verdeckte Mängel innerhalb von 60 Tagen ab ihrer Entdeckung angezeigt werden müssen.151 Zusätzlich gelten auch die allgemeinen Haftungsausschlusstatbestände, wonach Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen sind, wenn der Besteller das Werk abgenommen hat, ohne Mängel zu rügen, die er erkannt hat oder leicht hätte erkennen können (Art. 1667, 2226 CC).152 Diese Regelungen dürften aber dispositiv sein.

148 Weitergehend die Haftung des appaltatore, der Projektmängel grds. erkennen muss. Vgl. Corte d’Appello di Firenze, Sez. I civ. 16.08.2011, Nr. 1102. Zudem sind die Regeln des contratto di appalto dispositiv. Vgl. zum Unterschied auch Bertolotti, Il contratto di subfornitura, 2000, 133. 149 Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 211 f. 150 Vgl. Calvagno D’Achille, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 375. 151 Sofern der Zuliefervertrag nicht dem Werkvertragsrecht (contratto di appalto) zuzuordnen ist, ist im italienischen Schrifttum umstritten, ob sich die werkvertraglichen Regelungen zur Abnahme anwenden lassen, vgl. Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 216. Beim contratto di compravendita muss der Käufer Mängel innerhalb von acht Tagen ab Entdeckung anzeigen. 152 Toriello: Art. 6/7 (Nullita` di clausole e proprieta`), in: Alpa/Clarizia (Hrsg.), 1999, 213 f.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

(2) Nichtigkeitsfolge nach Art. 5 III Legge Subfornitura: Mindestschutz? Die Wirkung der Nichtigkeitsfolge in Art. 5 III ist im italienischen Schrifttum umstritten. Nach einer Ansicht soll es sich um eine nullita` di protezione, also Nichtigkeit zum Schutz des Zulieferers handeln. Danach wären nur solche Abweichungen nichtig, die die Haftung des Zulieferers ausdehnen, während Haftungserleichterungen wirksam blieben.153 Nach überwiegender Ansicht bezweckt die Legge Subfornitura nicht nur den Schutz des Zulieferers, sondern auch, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Parteien herzustellen. Auch um die Qualität der Produkte (im Interesse der Allgemeinheit) zu sichern, soll sich die Nichtigkeitsfolge nach dieser Ansicht auf jegliche Abweichung von der gesetzlich vorgesehenen Haftung beziehen.154 Im Zweifel richte sich diese Auslegung auch nicht gegen den Schutz des Zulieferers: Sei der Zulieferer die schwächere Vertragspartei, werde es ihm ohnehin nicht gelingen, für ihn günstigere Bedingungen auszuhandeln.155 Für die zweite Meinung spreche auch der Wortlaut (Nichtigkeit „jeder Vereinbarung“), der keinen Spielraum für eine Einschränkung der Nichtigkeitsfolge nach dem Schutzzweck der Norm eröffne.156 Praktische Relevanz hat dieser Meinungsstreit wohl nicht, weil der Zulieferer in der Tat regelmäßig keine für ihn günstigeren Bedingungen wird aushandeln können. (3) Änderungen des Zulieferprodukts und Vertragsanpassung Art. 3 V Legge Subfornitura sieht besondere Regeln für den Fall vor, dass der Besteller nachträglich (d.h. während der Vertragslaufzeit) Änderungen an den Zulieferprodukten anordnet. Die Vorschrift räumt dem Auftragsfertiger ein Recht auf eine angemessene Preisanpassung ein, sofern der Besteller wesentliche Anpassungen fordert, auch wenn dies in dem Zuliefervertrag nicht ausdrücklich geregelt ist. Bei der Bestimmung der Wesentlichkeit (significativita`) der Änderungen können zur Auslegung die Regeln des contratto di appalto herangezogen werden,157 wonach der Werkunternehmer Änderungen nur dann akzeptieren muss, wenn die Kosten ein Sechstel der Gesamtkosten nicht überschreiten, Art. 1661 CC.

153

Etwa Chiesa, in: De Nova (Hrsg.), 1998, 51. So etwa Bertolotti, Il contratto di subfornitura, 2000, 134; Berti/Grazzini, La disciplina della subfornitura nelle attivita` produttive, 2005, 137. 155 Vgl. Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 218 f. 156 So Leccese: Art. 5 (Responsabilita` des subfornitore), in: Alpa/Clarizia (Hrsg.), 1999, 174 f. 157 Calvagno D’Achille, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 373. 154

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

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Die Vereinbarung eines einseitigen Vertragsänderungsrechts ist unzulässig, Art. 6 I Legge Subfornitura. (4) Besonderheiten der Lieferkette: sub-subfornitura Die Beauftragung eines Subunternehmers durch den Zulieferer regelt Art. 4 Legge Subfornitura.158 Danach kann der Zulieferer bis zu 50 % eines Auftrags an Sublieferanten vergeben, ohne dass er dazu das Einverständnis des Bestellers benötigt. Bei einem höheren Anteil der Weitervergabe benötigt er die Zustimmung des Bestellers, anderenfalls ist der Unterauftrag nichtig, Art. 4 II Legge Subfornitura. Dadurch sollen die Interessen des Zulieferers als selbstständiger Unternehmer und die des Bestellers angemessen in Ausgleich gebracht werden. Die Regeln des contratto di appalto, wonach jede Weitervergabe der Zustimmung des Bestellers bedarf, werden zugunsten des Zulieferers abgemildert. c) Zwischenergebnis Ansatz des italienischen Gesetzgebers ist es, nur diejenigen Teilbereiche in einem Spezialgesetz zu regeln, die er als Besonderheiten der Zulieferbeziehung ansieht.159 Im Qualitätsbereich erhalten dispositive gesetzliche Regelungen teilweise zwingenden Charakter. In die gesetzliche Verteilung des Qualitätsrisikos wird nicht eingegriffen, sieht man von der reduzierten Verantwortlichkeit des Zulieferers für die Identifikation von Projektfehlern des Bestellers ab. Mittelbar auf das Qualitätsrisiko auswirken können sich die weitergehende Möglichkeit des Zulieferers zur Beauftragung von Sublieferanten (Erhöhung des Qualitätsrisikos aus der Sicht des Bestellers) und der Ausschluss einseitiger Vertragsänderungsrechte, die z.B. Qualitätsanforderungen betreffen könnten. Die Diskussion im italienischen Recht zeigt aber, welche Schwierigkeiten mit spezialgesetzlicher Regulierung einhergehen können: Die Auslegung bleibt umstritten und die Rechtssicherheit ist begrenzt. Das gilt umso mehr, als wegen des langfristigen Charakters von Zulieferbeziehungen Streitfälle nur selten vor Gericht gelangen.

158 159

200.

Hierzu Calvagno D’Achille, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 414. Vgl. Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002,

124

Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

2. Weitere Grenzen der Vertragsfreiheit Auf den Zuliefervertrag finden zusätzlich die allgemeinen Regeln von Treu und Glauben (principi di correttezza e buona fede) Anwendung (Art. 1375 CC),160 die vor allem einer missbräuchlichen Vertragsbeendigung entgegenstehen können.161 Die AGB-rechtliche Kontrolle im unternehmerischen Verkehr beschränkt sich auf die Frage der wirksamen Einbeziehung bestimmter, als besonders nachteilig angesehener Klauseln, zu denen auch Haftungsbeschränkungen zählen. Eine inhaltliche Kontrolle erfolgt jedoch in aller Regel nicht.162 3. Berücksichtigung des Mitverschuldens (concorso di colpa del danneggiato) Die schadensersatzmindernde Berücksichtigung des Mitverschuldens ist in Art. 1227 des Codice Civile163 geregelt. Die Vorschrift zählt zu den allgemeinen Regeln für Schuldverhältnisse und findet sowohl auf vertragliche als auch auf außervertragliche Ansprüche Anwendung.164 Das Mitverschulden wird (ähnlich wie im deutschen Recht) auf zwei Ebenen berücksichtigt: Einerseits auf der Ebene des Schadenseintritts (Abs. 1), andererseits auf der Ebene der Schadenshöhe (Abs. 2).165 Auf der Ebene des Schadenseintritts bemisst sich ein anzurechnendes Mitverschulden nach der Schwere des Verschuldens und dem Ausmaß des darauf beruhenden Schadens, also sowohl nach Verschuldens- als auch nach Verursachungsbeitrag.166 Auf Ebene der Schadenshöhe kommt in der Obliegenheit, den Schaden zu vermeiden oder gering zu halten, das allgemeine Prinzip des dovere di correttezza des Geschädigten zum Ausdruck.167 Ein Schadensersatzanspruch kann danach auch vollständig ausgeschlossen sein. Bei einem Liefervertrag kann eine fehlende oder ungenügende Wareneingangskontrolle ein Mitverschulden begründen. So hat die Corte di Cassazi160

Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 212. Vgl. Kap. 3 C. 162 Vgl. bereits Kap. 1 C. III. 163 „Art. 1227 CC (1) Se il fatto colposo del creditore ha concorso a cagionare il danno, il risarcimento e` diminuito secondo la gravita` della colpa e l’entita` delle conseguenze che ne sono derivate. (2) Il risarcimento non e` dovuto per i danni che il creditore avrebbe potuto evitare usando l’ordinaria diligenza.” 164 Vgl. auch Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, 1999, 90. 165 Corte Cass. Civ., Sez. II, 30.05.2014, Nr. 15824; Corte Cass. Civ., Sez. III, 09.01.2001, Nr. 240. 166 So auch Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, 1999, 91. 167 Bianca, Diritto Civile – Vol. V – La responsabilita`, 2012, 159. 161

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

125

one sich in einer Entscheidung über den Innenausgleich beim Rückruf von Lebensmitteln für den Kaufvertrag ausgesprochen, dass bei der Bestimmung des Mitverschuldens i.S.v. Art. 1227 CC auch das Unterlassen von Wareneingangskontrollen zu berücksichtigen ist, sofern der Verkäufer nicht eine klare und eindeutige Garantie der Mangelfreiheit abgegeben hat.168 4. Regelungen in Einkaufsbedingungen nach italienischem Recht Für die Untersuchung standen die sehr ausführlichen Allgemeinen Einkaufsbedingungen von Fiat169 und die vergleichsweise knappen Allgemeinen Einkaufsbedingungen des VW-Konzernunternehmens Lamborghini170 zur Verfügung, die beide eine Rechtswahlklausel zugunsten des italienischen Rechts enthalten.In beiden Bedingungswerken wird nicht danach differenziert, ob der Vertragspartner ein Zulieferer im Sinne der Legge Subfornitura ist oder nicht. a) Geschuldete Beschaffenheit Nach den Einkaufsbedingungen beider Hersteller müssen die Vertragsprodukte den Beschreibungen, technischen Spezifikationen etc. des Herstellers und mithin den vertraglichen Vereinbarungen entsprechen. Die Bedingungen von Fiat sehen daneben eine Garantie der Funktionsfähigkeit (buon funzionamento) des Zulieferprodukts für die Dauer der Garantie vor, die Fiat selbst den Fahrzeugkäufern gewährt, bei sicherheitsrelevanten Produkten sogar für die Fahrzeuglebensdauer (Art. 29.1). Für den Fall der Übernahme einer Funktionsgarantie sieht die kaufrechtliche Vorschrift des Art. 1512 CC einen Anspruch auf Ersatzlieferung oder Reparatur

168 Corte Cass. Civ., Sez. II, 30.05.2014, Nr. 15824: „Contrariamente a quanto ritenuto dal giudice del merito, proprio la sussistenza di un obbligo di sicurezza alimentare del produttore nei confronti del consumatore finale avrebbe dovuto indurre la Corte d’appello: (a) per un verso, a ritenere configurabile un onere di diligenza della Sacla` traducentesi nel controllo di genuinita`, sia pure a campione, del prodotto poi usato su scala industriale […] senza che detta societa` potesse fare esclusivo affidamento sull’osservanza dell’obbligo del rivenditore di fornire un prodotto non adulterato ne´ contraffatto, a meno che avesse ricevuto, prima dell’impiego del peperoncino, una precisa e circostanziata garanzia che il componente Sudan I non era stato utilizzato.“ 169 FCA Italy S.p.A.: Condizioni Generali di Acquisto (Stand Juni 2002) und Addendum 2011, die auch nach dem Zusammenschluss von Fiat und Chrysler noch Anwendung finden; der Autorin von Fiat (FCA Italy S.p.A.) zur Verfügung gestellt, nicht öffentlich abrufbar. 170 Automobili Lamborghini S.p.a.: General Terms and Conditions for Purchase of Goods and Services (Stand Januar 2017), , 30.07.2020.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

vor. Dabei hat der Vertragspartner nur den Funktionsmangel nachzuweisen, während der Lieferant beweisen muss, dass der Funktionsmangel in der Sphäre des Abnehmers entstanden ist.171 Diese für die Funktionsgarantie typische Beweislastumkehr erhöht das Haftungsrisiko des Zulieferers.172 Die Bedingungen von Lamborghini enthalten keine entsprechende Funktionsgarantie. b) Untersuchung und Mängelanzeige Die Einkaufsbedingungen von Fiat sehen keine Verpflichtung von Fiat zur Prüfung der Produkte vor ihrem Einbau vor. Es wird klargestellt, dass die Annahme und Bezahlung der Produkte keine Abnahme im Rechtssinn darstellt (Art. 26.1). Für die Mängelanzeige behält sich Fiat eine Frist von 90 Tagen ab Entdeckung des Mangels vor, nach Inverkehrbringen ab dem Eingang der Kundenreklamation (Art. 34.1). Legt man zugrunde, dass es sich um einen Vertrag des Typs contratto di appalto handelt, so beträgt die gesetzliche Frist 60 Tage ab Kenntnis des Mangels. Die Legge Subfornitura begrenzt die Vertragsfreiheit in diesem Punkt auf die gesetzlichen Vorschriften – bei Anwendbarkeit der Legge Subfornitura wäre folglich eine Höchstfrist von 60 Tagen zulässig. Die Einkaufsbedingungen von Lamborghini enthalten zu Untersuchung und Mängelanzeige wiederum keine speziellen Regeln. c) Mängelgewährleistung Im Falle eines Mangels ist der Zulieferer nach den Bedingungen von Fiat zu einer hundertprozentigen Ausgangskontrolle bei künftigen Lieferungen verpflichtet, bis das Vertrauen von Fiat in die Qualitätssicherung beim Zulieferer wiederhergestellt ist (Art. 30). Bei der Gewährleistung unterscheiden die Bedingungen von Fiat danach, ob sich der Mangel an dem Zulieferprodukt vor oder nach Fertigungsbeginn gezeigt hat. In beiden Fällen kann Fiat Neulieferung und/oder Nachbesserung verlangen und/oder von der Bestellung zurücktreten, wenn die Lieferung für Fiat keinen Nutzen mehr hat. Wird der Mangel erst nach Fertigungsbeginn entdeckt, kann Fiat zusätzlich den Ersatz der Aus- und Einbaukosten sowie Schadensersatz für sonstige mangelbedingte Schäden verlangen (Art. 31). Nach dem Inverkehrbringen hat der Zulieferer die Kosten zu erstatten, die Fiat infolge des Mangels entstanden sind (Art. 32); Einzelheiten regeln besondere Bestimmungen für die Erstattung von Garantiekosten (Anhang 3). Durch das Addendum aus dem Jahr 171

Vgl. etwa Follieri, in: Confortini (Hrsg.), 2017, 170. Ob die Vereinbarung einer Funktionsgarantie im Anwendungsbereich der Legge Subfornitura zulässig ist, ist an Art. 5 I Legge Subfornitura zu messen und hängt davon ab, ob der Wortlaut bereits als Funktionsgarantie gedeutet wird; vgl. oben, Kap. 2 C. III. 1. b). 172

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

127

2011 wurden Bestimmungen zur umfassenden Haftung des Zulieferers für Ansprüche Dritter, für Rückrufkampagnen sowie für Servicekampagnen und Kundenzufriedenheitsprogramme (campagne di servizio/soddisfazione del cliente) eingefügt, die sich auf eine fehlerhafte Leistung oder Vertragsverletzung des Zulieferers zurückführen lassen; ähnlich den Bedingungen der Ford-Gruppe. Möglicherweise hat man sich im Zuge des Engagements bei dem amerikanischen Hersteller Chrysler ab 2009 auch an der amerikanischen Rechtspraxis orientiert. Ob eine solche Regelung auch bei wirtschaftlicher Abhängigkeit des Zulieferers nach Art. 9 Legge Subfornitura zulässig ist, dürfte zu bezweifeln sein.173 Die Bedingungen von Lamborghini sehen in Art. 8.1 ein Wahlrecht von Lamborghini zur Nacherfüllung (Nachbesserung oder Neulieferung) vor und verpflichten den Zulieferer zu Fehlerpräventionsmaßnahmen. Ein Rücktrittsrecht kann der Besteller bei schwerwiegenden Mängeln ausüben, die das Vertrauen in die Vertragsmäßigkeit zukünftiger Lieferungen erschüttern. Im Übrigen verweist Lamborghini in ihren Einkaufsbedingungen auf das geltende italienische Recht und speziell auf Art. 1667 CC, der die Gewährleistung beim contratto di appalto regelt (Art. 12.1). Wird Lamborghini wegen der Verletzung von Sicherheitsvorschriften in Anspruch genommen, hat der Zulieferer alle deswegen anfallenden Aufwendungen zu erstatten, falls er seine Leistung nicht ordnungsgemäß ausgeführt hat und hierdurch die Inanspruchnahme direkt oder indirekt verursacht wurde (Art. 12.2). Nach Art. 26 haftet der Zulieferer schließlich bei jeder Vertragsverletzung auf Ersatz des Schadens, den der Besteller dadurch erleidet. Ein Verschulden wird nicht vorausgesetzt. d) Mitverschulden des Bestellers und Haftung des Zulieferers für Sublieferanten Beide Bedingungswerke enthalten keine Bestimmungen zum Mitverschulden des Bestellers. Für die Verteilung der Haftung zwischen verschiedenen Zulieferern eines gleichen Zulieferteils sehen die Einkaufsbedingungen von Fiat in Anhang 3 Art. 3 eine Berechnung der Anteile anhand der statistischen Fehlerhäufigkeit vor. Ist der Zulieferer zugleich Sublieferant eines anderen Zulieferers von Fiat, so sollen Fiat auch ohne direkte Vertragsbeziehung die sich aus den allgemeinen Einkaufsbedingungen ergebenden Gewährleistungs- und Garantieansprüche zustehen (Art. 51.1). Beauftragt der Zulieferer einen ihm von Fiat benannten Sublieferanten, so muss er mit diesem einen inhaltlich mit den 173

Zur Missbrauchskontrolle nach Art. 9 Legge Subfornitura ausführlich im Rahmen der Vertragsbeendigung, Kap. 3 C.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

Einkaufsbedingungen von Fiat übereinstimmenden Zuliefervertrag abschließen sowie für Rechnung von Fiat die sich daraus ergebenden Rechte gegen den Sublieferanten geltend machen oder aber auf Verlangen von Fiat diese Rechte an Fiat abtreten (Art. 51.2). Nach Art. 29.3. der Einkaufsbedingungen, der durch das Addendum 2011 eingefügt wurde, garantiert der Zulieferer, dass seine Zulieferer und Subauftragnehmer ebenfalls die Qualitätsanforderungen des Zuliefervertrags erfüllen, insbesondere in Bezug auf Produktqualität und Qualitätssicherung. Lamborghini folgt auch hier den gesetzlichen Rahmenbedingungen, wonach die Weitervergabe des Auftrags nur mit Zustimmung des Bestellers zulässig ist (Art. 10). Wird ein Sublieferant beauftragt, obliegt es dem Lieferanten sicherzustellen, dass dieser dieselben Qualitätssicherungsmaßnahmen und -standards einhält (Art. 7.5). 5. Resümee Im italienischen Recht richtet sich die haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos bei Zulieferverträgen auch nach der Ausgestaltung der Zulieferbeziehung. In der Regel finden die Vorschriften des contratto di appalto Anwendung, die jedenfalls bei Auftragsfertigern durch die Regelungen der Legge Subfornitura modifziert und ergänzt werden. Zentrale Rechtsbehelfe bei Mängeln sind danach die Mängelbeseitigung auf Kosten des Zulieferers und die Minderung des Preises. Hinzu tritt ein Schadensersatzanspruch; ein Rücktrittsrecht kann hingegen nur ausnahmsweise ausgeübt werden. Die Mängelgewährleistung ist ähnlich dem deutschen Recht ausgeschlossen, wenn die Mängel nicht rechtzeitig gerügt werden – offene Mängel müssen sofort angezeigt werden, versteckte Mängel innerhalb von 60 Tagen ab ihrer Entdeckung. Eine Besonderheit des italienischen Rechts ist, dass die Weitervergabe von Werkaufträgen an Subunternehmer der Zustimmung des Bestellers bedarf. Ähnlich den Bedingungen nach englischem Recht erweitern auch die untersuchten Bedingungswerke nach italienischem Recht den Katalog der Mängelgewährleistungsrechte und sehen ein Wahlrecht des Bestellers zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung vor. Bei Auftreten eines Mangels wird der Zulieferer außerdem zu zusätzlichen Fehlerpräventionsmaßnahmen verpflichtet – bei Fiat sogar zu einer hundertprozentigen Warenausgangskontrolle –, die auch das Vertrauen des Bestellers in die Qualität des Zulieferers schützen bzw. wiederherstellen sollen. Vor allem die Bedingungen von Fiat scheinen gesetzliche Spielräume zu nutzen, um die Haftung möglichst weit auf den Zulieferer abzuwälzen. Die Vorschriften der Legge Subfornitura werden dabei offenbar weder von Lamborghini noch von Fiat berücksichtigt. So dürften beispielsweise die Mängelanzeigefrist bei Fiat und die Regelung zur Weitervergabe bei Lam-

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

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borghini in ihrem Anwendungsbereich nicht mit der Legge Subfornitura vereinbar sein. Auch bleibt die Mitverantwortung des Bestellers für Projektfehler in beiden Bedingungswerken unerwähnt. Die gesetzgeberischen Bestrebungen, dem Zulieferer als schwächerer Vertragspartei einen verstärkten Schutz über die Legge Subfornitura zu bieten, haben jedenfalls im Bereich des Qualitätsrisikos kaum Einfluss auf die Vertragsgestaltung. Im Gegenteil sind die Bedingungen der Fiat im Vergleich zu den englischen Bedingungen für den Zulieferer eher ungünstiger. Neben den bereits geschilderten Schwierigkeiten bei Spezialgesetzen kommt bei der Legge Subfornitura hinzu, dass auch der Anwendungsbereich umstritten ist. Die Akteure in der Automobilindustrie sind daher wohl der Ansicht, das Gesetz finde auf ihre Vertragsbeziehungen keine Anwendung.174

IV. Haftung nach deutschem Recht Nach deutschem Recht kann sich eine Haftung des Verkäufers bzw. Herstellers mangelhafter Waren vor allem aus dem kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht, dem Produkthaftungsrecht und dem allgemeinen Deliktsrecht ergeben. 1. Vertragliche Haftung: Gewährleistungsrecht Im Verhältnis zwischen dem Hersteller und dem Zulieferer gilt das allgemeine Gewährleistungsrecht. Das deutsche Recht enthält keine speziellen Regelungen für langfristige Zulieferbeziehungen. Vielmehr finden die allgemeinen Regeln des Handelsrechts im unternehmerischen Verkehr, das Kaufrecht, das Recht der Dauerschuldverhältnisse sowie in der Regel auch das AGBRecht Anwendung.175 a) Gewährleistungssystematik: Mangelbegriff und Rechtsfolgen Im deutschen Recht gilt seit der Schuldrechtsreform der Mangelbegriff des § 434 BGB, an den die Rechtsfolgen nach § 437 BGB unabhängig von der Art des Mangels anknüpfen:176 Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung und bei Verschulden auch Schadensersatz. Der Gesetzgeber hat sich für die Erfüllungstheorie und den Vorrang der Nacherfüllung, als modifizierter Erfüllungsanspruch, entschieden.177 Andere Gewährleistungsrechte können erst nach fruchtloser Nachfrist zur Nacherfüllung geltend gemacht werden oder wenn eine Nachfristsetzung ausnahmsweise entbehrlich ist. 174

So auch das Ergebnis von Hintergrundgesprächen mit Praxisvertretern in Italien. Hierzu bereits Kap. 1 C. II. 2. 176 MüKoBGB-Westermann: § 434, Rn. 1. 177 Zu den Änderungen durch die Schuldrechtsreform P. Huber, NJW 2002, 1004, 1005. 175

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

Die Gewährleistung des Verkäufers ist dabei wie in den Vergleichsrechtsordnungen im Grundsatz verschuldensunabhängig ausgestaltet: Hat der Zulieferer den Mangel des Zulieferteils nicht zu vertreten, so haftet er dem Käufer (Hersteller) dennoch im Rahmen der §§ 437 ff. BGB, sofern der Mangel vor Gefahrübergang aufgetreten ist. Der Gefahrübergang ist für die zeitliche Allokation des Qualitätsrisikos maßgeblich. Bei der Bringschuld178 ist der Zulieferer ab dem Zeitpunkt der Ablieferung am Werk nicht mehr für die (nachträgliche) Verschlechterung oder Zerstörung der Sache (Sachgefahr) verantwortlich. Von einem Verschulden abhängig ist allerdings ein Schadensersatzanspruch, wobei Verschulden (wie im italienischen Recht) vermutet wird, § 280 I 2 BGB. b) Gewährleistung und Lieferantenregress In der vertragsrechtlichen Gewährleistung ist die Abwicklung entlang der vertraglichen Schuldverhältnisse vorgesehen. Jedes Glied einer Lieferkette muss seinerseits Gewährleistungsansprüche gegen seinen Vertragspartner geltend machen, um Regress für die eigenen Gewährleistungsaufwendungen zu erhalten. In der Zulieferbeziehung kann sich dabei für den Endhersteller aufgrund der Mängelverjährungsfristen eine Regressfalle ergeben. Gemäß § 438 I Nr. 3 BGB verjähren Gewährleistungsrechte zwischen Unternehmern im Kaufrecht nach zwei Jahren ab Ablieferung bzw. Abnahme der Sache. Verstreicht eine längere Zeit zwischen dem Kauf und Einbau des Zulieferteils und dem Endabsatz, werden dem Endhersteller so seine vertraglichen Gewährleistungsansprüche gegen die Zulieferer entzogen.179 Mit der Einführung der §§ 445a und 445b BGB sollte diese Lücke für den B2B-Bereich geschlossen werden.180 § 445a I BGB sieht einen verschuldensunabhängigen Aufwen-

178

Sofern die Parteien nicht etwas anderes regeln, handelt es sich nach dem Gesetzesrecht beim Zulieferverhältnis allerdings wohl regelmäßig um einen Versendungskauf. Der Gefahrübergang richtet sich nach den §§ 346 und 347 BGB. Es kommt auf den Leistungsort und den Erfolgsort an. Leistungsort ist gemäß § 269 II BGB grundsätzlich der Sitz des Schuldners (Zulieferer). Erfolgsort ist regelmäßig das just-in-time zu beliefernde Werk des Gläubigers (Hersteller). Die Ausgestaltung der Lieferschuld als Schickschuld dürfte auch einem (internationalen) Handelsbrauch entsprechen: So auch im UN-Kaufrechtsübereinkommen, Art. 31 lit. a, Schlechtriem/Schwenzer/Bacher-Widmer Lüchinger: Art. 31 CISG, Rn. 2. Sinnvoller dürfte für die Parteien eines Just-in-time-Vertrags jedoch die Vereinbarung einer Bringschuld sein. Vgl. zu dieser Einordnung Schünemann, InTeR 2013, 181, 184 f. 179 Zur zeitlichen Regressfalle vgl. z.B. BeckOGK-Arnold: § 445b, Rn. 18. 180 Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren v. 28.4.2017, BGBl. I, 969.

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dungsersatzanspruch gegenüber dem Vorlieferanten vor; § 445b II BGB regelt eine Ablaufhemmung der Verjährung, die vor der zeitlichen Regressfalle schützen soll.181 Diese Regelungen finden allerdings nicht Anwendung, wenn die Lieferkette i.S.d. § 445a BGB dadurch unterbrochen wird, dass ein Zulieferer beteiligt ist, der nur Bestandteile liefert, die in die Kaufsache eingebaut werden. Dann handelt es sich nicht um einen Lieferanten im Sinne dieser Vorschrift.182 Der Schutz vor der Regressfalle wird also nicht auf solche Werklieferungsverträge erstreckt, wie sie regelmäßig in der Just-in-time-Lieferkette abgeschlossen werden. Gegen diese Lösung spricht das in Deutschland geltende Verursachungsprinzip: Gerade in Automobil-Zulieferbeziehungen wird ein großer Teil der Wertschöpfung durch die Zulieferer geleistet – der Endhersteller leistet selbst teilweise nur noch einen geringen Beitrag und baut viele Zulieferteile unverändert in das Endprodukt ein. Die Nähe des Endherstellers zum bloßen Händler spricht dafür, die Regresskette nicht beim Endhersteller enden zu lassen.183 In der englischen und in der italienischen Rechtsordnung scheint dieser Punkt nicht diskutiert zu werden. c) Haftung gegenüber dem Endkunden Gegenüber dem Endkunden haftet vertraglich nur dessen Vertragspartner, also in der Regel der Händler. Die kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln gelten (abgesehen vom Schadensersatz) verschuldensunabhängig. Eine (direkte) vertragliche Haftung auch des Herstellers gegenüber dem Endkunden kann sich aus einer (freiwilligen) Herstellergarantie ergeben, die als eigener Garantievertrag neben die gesetzliche Gewährleistung treten kann und dem Endnutzer einen direkten Anspruch gegen den Hersteller einräumt;184 bei Neuwagen kann der Hersteller solche Garantien z.B. an die Durchführung regelmäßiger Inspektionen knüpfen.185 Sieht man von eventuellen längeren Fristen für die Geltendmachung ab, führt die unselbständige Garantie aber nicht zu weitergehenden Ansprüchen, da die Gewährleistung im deutschen

181 Begründung des RegE vom 18.5.2016, BT-Drs. 18/8486, S. 42. Daneben ist § 478 BGB zu beachten, wenn es sich beim letzten Vertrag in der Lieferkette um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. 182 So die allgemeine Ansicht im Schrifttum: JauernigBGB-Berger: § 445a, Rn. 1; P. Huber, NZBau 2018, 72, 77; BeckOGK-Arnold: § 445a BGB, Rn. 155; Palandt-Weidenkaff: § 445a BGB, Rn. 2; noch bezogen auf § 478 aF MüKoBGB-Lorenz: § 478, Rn. 15. 183 Klose, Risikoallokation beim Lieferantenregress nach den §§ 478, 479 BGB, 2006, 146. 184 MüKoBGB-Wurmnest: § 309, Rn. 21; Produkthaftungshandbuch-Westphalen: 1. Teil. Vertragliche Haftung, 69 f. 185 BGH, Urt. v. 12.12.2007 – VIII ZR 187/06, NJW 2008, 843.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

Kaufrecht ohnehin verschuldensunabhängig ausgestaltet ist;186 neben den Händler tritt aber ein weiterer Schuldner. 2. Außervertragliche Haftung für gewährleistungsrelevante Mängel Zwischen der vertraglichen Gewährleistung und der Produkthaftung nach dem ProdHaftG ist in Deutschland die Produzentenhaftung aus § 823 I BGB angesiedelt. Den Hersteller, der mit dem Inverkehrbringen von Produkten eine Gefahrenquelle schafft, treffen auf Grundlage von § 823 I BGB Verkehrssicherungspflichten gegenüber Personen, die mit diesem Produkt in Berührung kommen.187 Eine Besonderheit des deutschen Rechts ist dabei die Rechtsprechung zu Weiterfresserschäden, die teilweise eine außervertragliche Haftung bei gewährleistungsrelevanten Mängeln eröffnet.188 Danach können auch Schäden an der Kaufsache selbst einen ersatzfähigen Eigentumsschaden darstellen.189 Beispiele im Automobilsektor sind etwa geplatzte Reifen190 oder ein fehlerhaft konstruierter Kompressor, der zu Motorschäden führte191. 3. Mitverantwortung des Herstellers Die gesetzliche Risikoverteilung sieht auf mehreren Ebenen eine Mitverantwortung des Abnehmers vor. a) Kaufrechtliche und handelsrechtliche Regelungen (1) Untersuchung und Mängelanzeige Der Zuliefervertrag ist regelmäßig als Werklieferungsvertrag zu qualifizieren, was die Anwendbarkeit von § 377 HGB zur Folge hat.192 Danach ist die Ware 186

Vgl. Bauer/Westphalen, Das Recht zur Qualität, 1996, 24. BGH, Urt. v. 26.11.1968 – VI ZR 212/66, BGHZ 51, 91 = NJW 1969, 269 (Hühnerpest); BGH, Urt. v. 31.10.2006 – VI ZR 223/05, VersR 2007, 72, 73 (Limonadenflasche); BeckOK BGB-Förster: § 823 BGB, Rn. 673. 188 So letztlich auch die kritische Literaturmeinung, die die Haftungsausdehnung unter Hinweis auf den Vorrang des Vertragsrechts ablehnt, vgl. nur MüKoBGB-Wagner: § 823 BGB, Rn. 253; anderer Ansicht aber z.B. BeckOGK-Spindler: § 823, Rn. 152. 189 Erstmals BGH, Urt. v. 24.11.1976 – VIII ZR 137/75, BGHZ 67, 359 = NJW 1977, 379 (Schwimmschalter). Vgl. die ausführliche Darstellung bei MüKoBGB-Wagner: § 823 BGB, Rn. 248 ff. 190 BGH, Urt. v. 11.02.2004 – VIII ZR 386/02, NJW 2004, 1032 (Hinterreifen II). 191 BGH, Urt. v. 14.05.1985 – VI ZR 168/83, NJW 1985, 2420. 192 § 381 II BGB; BGH, Urt. v. 24.02.2016 – VIII ZR 38/15, NJW 2016, 2645; Baumbach/Hopt-Hopt: § 377 HGB, Rn. 2. Vor der Schuldrechtsreform fand Werkvertragsrecht Anwendung. 187

C. Haftungsrechtliche Allokation des Fehlerrisikos

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vom Käufer unverzüglich, soweit nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich, zu untersuchen und dabei erkannte bzw. erkennbare Mängel sind unverzüglich zu rügen, andere Mängel unverzüglich nach deren Entdeckung. Anderenfalls gilt die mangelhafte Ware als genehmigt und Mängelgewährleistungsansprüche sind ausgeschlossen.193 (2) Verkäuferschützender Charakter der Mängelanzeige Die Rügeobliegenheit in § 377 HGB dient dem „schutzwürdige[n] Interesse des Verkäufers an einer alsbaldigen Untersuchung durch den Käufer“. Dieses kann „besonders groß sein, wenn er bei bestimmungsgemäßer Weiterverarbeitung der Kaufsache zu wertvollen Objekten mit hohen Mangelfolgeschäden rechnen muss und nur der Käufer das Ausmaß der drohenden Schäden übersehen kann“.194 Der Verkäufer wird durch die frühzeitige Rüge auch davor geschützt, dass der Käufer versucht, etwaige Mängel vorzuschieben, um sich von einem Geschäft aus anderen Motiven zu lösen.195 Indem § 377 HGB den Verkäufer schützt, weist er gleichzeitig dem Abnehmer eine Mitverantwortung bei der zeitigen Aufdeckung von Mängeln und der Vermeidung von Mangelfolgeschäden zu. (3) Abdingbarkeit in Standardverträgen Zwar ist die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nach § 377 HGB dispositives Recht und damit abdingbar,196 umstritten ist jedoch, ob das auch für Standardverträge gilt. Die Hersteller haben bei Just-in-time-Lieferverträgen regelmäßig ein Interesse daran, die Qualitätsuntersuchung auf den Zulieferer zu übertragen, damit nach Anlieferung des Zulieferteils ohne weitere aufwendige Kontrollen mit dem Einbau am Band begonnen werden kann. Die von der Praxis angestrebte Abbedingung der (ausführlichen) Wareneingangskontrolle durch den Abnehmer entspricht den Erfordernissen der Just-in-time-Pro193 Das gilt allerdings nicht für außervertragliche Ansprüche; vgl. BGH, Urt. v. 16.09.1987 – VIII ZR 334/86, BGHZ 101, 337 = NJW 1988, 52; BGH, Urt. v. 25.10.1988 – VI ZR 344/87, BGHZ 105, 346 = NJW 1989, 707, 709; MüKoHGB-Grunewald: § 377, Rn. 114. 194 BGH, Urt. v. 24.02.2016 – VIII ZR 38/15, NJW 2016, 2645, 2646; BGH, Urt. v. 22.09.1970 – VI ZR 193/69 WM 1970, 1400. 195 So MüKoHGB-Grunewald: § 377, Rn. 3. Ein weiterer Zweck des § 377 HGB wird in der raschen und endgültigen Abwicklung von Rechtsgeschäften im Handelsverkehr gesehen; BGH, Urt. v. 28.04.1976 – VIII ZR 244/74, BGHZ 66, 208 = NJW 1976, 1353; BGH, Urt. v. 30.05.1984 – VIII ZR 20/83, BGH, Urt. v. 30.05.1984 – VIII ZR 20/83, BGHZ 91, 293 = NJW 1984, 1964, 1966; Produkthaftungshandbuch-Kreifels/Weide: 4. Teil. Qualitätssicherungsvereinbarungen, 1053. 196 Vgl. etwa MüKoHGB-Grunewald: § 377, Rn. 122.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

duktion und verspricht Effizienzgewinne durch die Vermeidung einer doppelten Kontrolle. Ein vollständiger Ausschluss der Wareneingangsuntersuchung auch für offenkundige Mängel wird gleichwohl allgemein als unzulässig angesehen, weil das dem Verkäuferschutzgedanken des § 377 HGB widersprechen und insoweit gegen § 307 II BGB verstoßen würde.197 An dieser Einschätzung ändert an sich auch die Einrichtung eines Qualitätsmanagementsystems nichts.198 Allerdings soll das (dann) verringerte Fehlerrisiko dazu führen, dass die Untersuchungspflichten auf eine oberflächliche Prüfung der Waren reduziert werden können, bei der sich offenkundige Mängel und Transportschäden sowie Mengenabweichungen aufdecken lassen.199 (4) Weitere verkäuferschützende Regelungen im Kaufrecht Die Haftung des Verkäufers wird auch durch allgemeine kaufrechtliche Regelungen eingeschränkt. Hierzu zählen die Verjährungsregeln, die grundsätzlich eine Verjährung von Gewährleistungsansprüchen innerhalb von zwei Jahren ab Ablieferung der Sache vorsehen, § 438 I Nr. 3 BGB. Zudem wird die Verpflichtung zur Nacherfüllung gemäß § 439 IV BGB auf das zumutbare Maß beschränkt: Der Verkäufer kann die Nacherfüllung verweigern, wenn diese mit unverhältnismäßigen Kosten einhergehen würde. Schließlich kann sich der bösgläubige Käufer nicht auf die Gewährleistungsrechte berufen, § 442 BGB. Neben der kaufmännischen Untersuchungs- und Rügepflicht begünstigt auch § 373 HGB den Verkäufer gegenüber dem allgemeinen Kaufrecht, indem er die Möglichkeit der kostenpflichtigen Hinterlegung der Waren bei Annahmeverzug des Käufers vorsieht. Gleichwohl enthält das Handelsrecht auch Regelungen, die wiederum den Käufer begünstigen, etwa § 376 HGB im Hinblick auf den Fixhandelskauf.200 197

BGH, Urt. v. 19.06.1991 – VIII ZR 149/90, NJW 1991, 2633 im Hinblick auf die Kontrolle von Salami-Lieferungen für die Herstellung von Fertigpizzen; vgl. zuletzt andererseits BGH, Urt. v. 06.12.2017 – VIII ZR 246/16, NJW 2018, 1957 Rn. 36, wonach in AGB keine Rügeobliegenheit vereinbart werden können soll, die inhaltlich wesentlich über das hinausgeht, was im ordnungsgemäßen Geschäftsgang tunlich ist. 198 Die Wareneingangskontrolle kann nicht durch eine Warenausgangskontrolle ersetzt werden: MüKoHGB-Grunewald: § 377, Rn. 135. 199 Vgl. Produkthaftungshandbuch-Westphalen: 1. Teil. Vertragliche Haftung, 120; ebenso Produkthaftungshandbuch-Kreifels/Weide: 4. Teil. Qualitätssicherungsvereinbarungen, 1054 . So wird es beispielsweise auch in den Bedingungen von BMW gehandhabt, Art. 6, , 30.07.2020 (BMW-Einkaufsbedingungen 2018). 200 Das in § 376 HGB vorgesehene Rücktrittsrecht des Käufers beim Fixhandelskauf wird in Kap. 3 D. I. 3. diskutiert.

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(5) Zwischenergebnis Insgesamt ist die Mitverantwortung des Abnehmers im deutschen Gewährleistungsrecht nicht sehr ausgeprägt. Die grundsätzliche käuferschützende Orientierung wird durch handelsrechtliche Spezialregelungen nur bedingt modifiziert. Wird die Eingangskontrolle durch den Hersteller reduziert, erhöht sich das Risiko einer Haftung des Zulieferers für mögliche Mangelfolgeschäden. Möglicherweise kann diese Risikoverschiebung durch eine erhöhte Mitverantwortung des Abnehmers ausgeglichen werden. So hält Grunewald den vollständigen Verzicht auf die Rügeobliegenheit unter der Voraussetzung für zulässig, dass das Risiko von Mangelfolgeschäden auf andere Weise zwischen Verkäufer und Käufer aufgeteilt und so die Benachteiligung des Verkäufers ausgeglichen wird – beispielsweise durch eine Quotenregelung für die Haftung für Mangelfolgeschäden.201 b) § 254 I und II BGB – Mitverschulden bei Entstehung und hinsichtlich der Schadenshöhe Die Mitverantwortlichkeit des Herstellers lässt sich über § 254 BGB bei Schadensersatzansprüchen berücksichtigen, die er gegen den Zulieferer geltend macht.202 Das betrifft im Wesentlichen Mangelfolgeschäden. Maßstab ist dabei der jeweilige Verursachungsbeitrag, der eine vorsätzliche oder fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung voraussetzt.203 Auch lässt sich erwägen, Fehler des Zulieferers bei der Qualitätssicherung über § 278 BGB (teilweise) dem Hersteller zuzurechnen. Mit der Übertragung der Qualitätssicherung und Vereinbarung einer Warenausgangskontrolle setzt der Hersteller seinen Zulieferer zur Erfüllung ihm obliegender Pflichten ein.204 4. Grenzen der Vertragsfreiheit (insbesondere für Haftungsbeschränkungen) a) Zwingendes Recht Die Vertragsfreiheit der Parteien wird durch das zwingende Recht begrenzt.205 Eine Begrenzung von Haftungsausschlüssen in Individualverein201

So MüKoHGB-Grunewald: § 377, Rn. 141. Nach der ganz herrschenden Meinung nicht aber bei anderen Gewährleistungsansprüchen, vgl. m.w.N. MüKoBGB-Oetker: § 254, Rn. 23. 203 MüKoBGB-Oetker: § 254, Rn. 29 ff. 204 MüKoBGB-Westermann: Vor § 433, Rn. 11; MüKoBGB-Westermann: § 437, Rn. 29; Weller, NJW 2012, 2312, 2315 im Verhältnis des Hersteller-Verkäufers zum Endabnehmer. 205 Zwingende Regeln sollen als gesetzgeberische Wertungsentscheidungen ein Mindestmaß an Vertragsgerechtigkeit gewährleisten. Das kann insbesondere die Abschlussfreiheit und die inhaltliche Gestaltungsfreiheit betreffen. Vgl. etwa MüKoBGB-Emmerich: § 311, Rn. 1 ff. 202

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

barungen findet sich beispielsweise in § 276 III BGB, wonach sich die Haftung für (eigenen) Vorsatz nicht gänzlich ausschließen lässt.206 Das gilt gemäß § 278 S. 2 BGB jedoch nicht für den Vorsatz des Erfüllungsgehilfen. Auch im deutschen Recht kann darüber hinaus die Haftung für arglistig verschwiegene Mängel nicht ausgeschlossen werden, § 444 BGB. b) Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, §§ 305 ff. BGB Eine besondere Bedeutung als Schranke der Vertragsfreiheit hat im deutschen Recht das AGB-Recht, das auch im unternehmerischen Bereich die Inhaltskontrolle standardisierter Vertragsbedingungen durch die Gerichte ermöglicht.207 Bei den Vertragsbedingungen in Zulieferbeziehungen handelt es sich in der Regel um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 BGB. Voraussetzung ist zwar, dass die Bedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, die Rechtsprechung lässt aber bereits mehrere Verträge zwischen denselbenVertragsparteien genügen.208 Bei AGB zwischen Unternehmen entfalten die Klauselverbote der §§ 308 und 309 BGB Indizwirkung für die Kontrolle nach § 307 BGB: Eine gegen Klauselverbote verstoßende Bestimmung ist grundsätzlich auch zwischen Unternehmern unzulässig, es sei denn, die Besonderheiten des unternehmerischen Verkehrs209 führen im konkreten Einzelfall zu einer anderen Bewertung.210 So hält die Rechtsprechung den Ausschluss der Haftung für die Verletzung wesentlicher Vertragspflichten auch zwischen Unternehmen regelmäßig für unwirksam nach § 307 I, II Nr. 2 BGB.211 Nur in Einzelfällen wurde ein Haftungsausschluss ausnahmsweise als zulässig angesehen.212 Im Fall von Textilveredelungsaufträgen hielt der BGH etwa eine Beschränkung der Haftung auf den Wert der Rohmaterialien für unzulässig,

206

Vgl. hierzu auch MüKoBGB-Grundmann: § 276, Rn. 182. Siehe hierzu bereits Kap. 1 C. I. 208 BGH, Urt. v. 11. 12. 2003 – VII ZR 31/03, NJW 2004, 1454; MüKoBGB-Basedow: § 305, Rn. 18. 209 Gemäß § 310 I 2 BGB sind die „im Handelsverkehr geltenden Gebräuche und Gewohnheiten“ angemessen zu berücksichtigen. 210 BGH, Urt. v. 08.03.1984 – VII ZR 349/82, BGHZ 90, 273, 278 = NJW 1984, 1750, 1751; BGH, Versäumnisurt. v. 19.09.2007 – VIII ZR 141/06, NJW 2007, 3774, 3775; Palandt-Grüneberg: § 307 BGB, Rn. 40. 211 Vgl. BGH, Versäumnisurt. v. 19.09.2007 – VIII ZR 141/06, BGHZ 174, 1 = NJW 2007, 3774, 3775. 212 Ausführliche Rechtsprechungsanalyse bei Leuschner: AGB-Recht für Verträge zwischen Unternehmen, , 30.07. 2020, S. 25. 207

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weil der Vertrag eine Veredelung der Textilien voraussetzte.213 Das kam einem Ausschluss der Haftung für Mangelschäden und Mangelfolgeschäden und einer Einschränkung von Pflichten aus dem Vertragsverhältnis gleich.214 Die Situation ist indes nur teilweise vergleichbar mit Automobilzulieferverträgen: Der Textilveredler trat in diesem Fall als Werkunternehmer hinzu, dessen Werkleistung darin bestand, die von dem Vertragspartner gelieferten Textilien zu veredeln und dann dem Besteller wieder zurückzugeben, der sie sodann weiterverkaufte. In Qualitätssicherungsvereinbarungen vorgesehene Haftungserweiterungen, die über die Verlagerung von Verkehrssicherungspflichten hinausgehen, können danach beispielsweise unzulässig sein, sofern die Abweichung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Unzulässig wäre jedenfalls eine Regelung, die dem Vertragspartner des Verwenders (regelmäßig der Zulieferer) den Einwand des anteiligen Mitverschuldens aus § 254 BGB abschneidet.215 c) Spezialgesetzliche Grenzen im nationalen Kartellrecht Eine weitere Grenze für Bedingungen, die der Hersteller dem Zulieferer stellt, kann sich aus dem Kartellrecht ergeben, das Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB ist. Die kartellrechtliche Zulässigkeit von Vereinbarungen, die die Spezifikationen der Zulieferprodukte oder die Qualitätssicherung betreffen, ist aber in aller Regel unbedenklich;216 bei der missbräuchlichen Ausübung von Beendigungsrechten spielt das Kartellrecht eine größere Rolle.217 d) §§ 138, 242 BGB: Sitten- und treuwidrige Abreden Schließlich müssen sich Individualvereinbarungen auch an den Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB messen lassen.218 Bei Allgemeinen Geschäftsbedin-

213 BGH, Urt. v. 23.02.1984 – VII ZR 274/82, NJW 1985, 3016, 3017; vergleiche hierzu auch Leuschner: AGB-Recht für Verträge zwischen Unternehmen, , 30.07.2020, S. 28 f. 214 Westphalen, BB 2013, 67. 215 Im Fall des Rückrufs von Wassereis BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 86/16, NJW 2018, 291 mit Anm. Tamm. 216 Die Überlassung von Spezifikationen durch den Abnehmer ist nach der VertikalGVO freigestellt, so Europäische Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. EU 2010 Nr. C 130, S. 1, 10. Vgl. auch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privatund Wirtschaftsrecht, 1999, S. 564. 217 Hierzu näher Kap. 3 D. III. 218 Z.B. BGH, Beschl. v. 08.05.2018 – VIII ZR 200/17, NJW-RR 2018, 843, 844; Zöllner, NZA-Beilage 2006, 99, 101.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

gungen sind die §§ 305 ff. BGB jedoch die speziellere Regelung und § 138 BGB kommt nur in Sonderkonstellationen zur Anwendung.219 5. Regelungen in Einkaufsbedingungen nach deutschem Recht Zum deutschen Recht wurden die VDA-Konditionenempfehlung220 sowie die Allgemeinen Einkaufsbedingungen der Automobilhersteller VW221, Audi222, Porsche223, Daimler224 und BMW225 untersucht. Teilweise wurden die Musterbedingungen der Arbeitsgemeinschaft Zulieferer (ArGeZ) zusätzlich herangezogen. Die VDA-Konditionenempfehlung wird dabei von den meisten Herstellern als Orientierung genutzt. a) Vereinbarte Beschaffenheit Nach den Musterbedingungen des VDA haben die „Lieferungen die anerkannten Regeln der Technik, die Sicherheitsvorschriften und die vereinbar-

219 Vgl. Palandt-Grüneberg: Vor § 305 BGB, Rn. 15; MüKoBGB-Armbrüster: § 138 BGB, Rn. 5. 220 Verband der Automobilindustrie: Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Bezug von Produktionsmaterial und Ersatzteilen, die für das Automobil bestimmt sind (Stand September 2015), , 30.07.2020 (VDA-Konditionenempfehlung 2015); Untersuchung der VDAKonditionenempfehlung (wenn auch in älterer Fassung) auch bei Küpper, ZGS 2009, 117; Kannowski, BB 2007, 2301; Kessel/Passauer, BB 2004, 1974. 221 Volkswagen AG: Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial (Stand Juli 2015), , 30.07.2020 (VW-Einkaufsbedingungen 2015). 222 Audi AG: Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial (Stand Juli 2015), , 30.07.2020 (Audi-Einkaufsbedingungen 2015). 223 Porsche AG: Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial der Dr. Ing. h.c. F. Porsche Aktiengesellschaft (Stand November 2018), , 30.07.2020 (Porsche-Einkaufsbedingungen 2018). 224 Daimler AG: Einkaufsbedingungen. Produktionsmaterial und Ersatzteile für Kraftfahrzeuge (Stand Oktober 2018), , 30.07.2020 (Daimler-Einkaufsbedingungen 2018). 225 BMW Group: Internationale Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial und Kraftfahrzeugteile (IPC) (Stand März 2018), , 30.07.2020 (BMW-Einkaufsbedingungen 2018).

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ten technischen Daten einzuhalten“.226 Die Bedingungen von BMW geben vor, dass die Waren für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung geeignet sein müssen (Art. 10.1.). Die vereinbarte Beschaffenheit wird durch „BMW Zeichnungen und die dort referenzierten ergänzenden Dokumentationen (insbesondere 3D-Modelle, PRISMA-Metadaten, Office-Beiblätter, freigegebene technische Produktbeschreibungen) sowie die dazugehörigen Lastenhefte und Leistungsschnittstellenvereinbarungen“ konkretisiert (Art. 2.3). b) Untersuchung und Mängelanzeige Für die Untersuchung und Anzeige von Mängeln sehen die VDA-Bedingungen in Abschnitt IV vor: „Mängel der Lieferung hat der Besteller, sobald sie nach den Gegebenheiten eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs festgestellt werden, dem Lieferanten unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Insoweit verzichtet der Lieferant auf den Einwand der verspäteten Mängelrüge.“ Die Bedingungen modifizieren die gesetzliche Regelung des § 377 I HGB insoweit, als die Rügeobliegenheit an der tatsächlichen Feststellung eines Mangels anknüpft und nicht an dessen Feststellbarkeit bei unverzüglicher Untersuchung. Die Untersuchungspflicht des Herstellers wird reduziert. Ob die Klausel AGB-Recht standhält, ist jedenfalls dann zweifelhaft, wenn sie als Abbedingung der unverzüglichen Rügeobliegenheit offener Mängel verstanden wird.227 Auch bei den besonderen Gegebenheiten der Just-in-timeBelieferung lässt sich eine oberflächliche Prüfung der Waren, bei der offenkundige Mängel und Transportschäden sowie Mengenabweichungen aufgedeckt werden können, nicht wirksam ausschließen.228 Die Mängelanzeigeklausel der Musterbedingungen des VDA wird gleichlautend von den Herstellern der VW-Gruppe229 und von Daimler in ihren Geschäftsbedingungen vorgesehen. Die Einkaufsbedingungen von BMW enthalten eine reduzierte Kontrolle auf Transportschäden und Mengenabweichungen (Klausel 6). Die unverbindliche Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie (ArGeZ) sieht in Nr. 1.22.4 ff. ausführlichere Regelungen für die Mängelrüge vor. Als Grundsatz wird die Regelung des § 377 HGB übernommen (Nr. 1.22.4.). Jedoch wird den Besonderheiten der Automobil-Produktion Rechnung getragen: Gemäß Nr. 1.22.5. soll nach erfolgter Erstmusterprüfung die Rüge solcher Mängel ausgeschlossen sein, die „der Besteller bei sorgfältiger Abnahme oder Erstmusterprüfung hätte feststellen können“.

226

So die Anforderungen in den VDA-Konditionenempfehlung 2015, Abschnitt IX. Zweifel bei der Auslegung gehen grds. zu Lasten des Verwenders, § 305c II BGB. Siehe auch Kessel/Passauer, BB 2004, 1974, 1975. 228 Ausführlich vorstehend Kap. 2 C. IV. 3. a). 229 Also die Bedingungen der deutschen Hersteller VW, Audi und Porsche. 227

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c) Mängelgewährleistung Für die Mängelgewährleistung unterscheidet die VDA-Empfehlung danach, ob die Mängel vor oder nach Fertigungsbeginn erkannt werden. Vor Fertigungsbeginn wird dem Zulieferer vorrangig die Nacherfüllungsmöglichkeit eingeräumt. Wenn die Nacherfüllung nicht fristgerecht erfolgt, kann der Besteller von dem einzelnen Lieferabruf ohne weitere Frist zurücktreten oder notfalls eine Reparatur selbst vornehmen bzw. durch einen Dritten vornehmen lassen. Tritt der Mangel trotz (reduzierter) Wareneingangsuntersuchung erst nach Fertigungsbeginn zu Tage, so kann der Besteller nur Nacherfüllung geltend machen oder den Kaufpreis mindern. Bei wiederholter mangelhafter Lieferung hat der Besteller ein vertragliches Recht zum Rücktritt vom restlichen Lieferumfang. Diesen Bedingungen folgen wortlautgetreu die untersuchten Bedingungen von Audi und Volkswagen. Porsche und Daimler haben in ihren Bedingungswerken die Unterscheidung zwischen der Entdeckung des Mangels vor und nach Fertigungsbeginn übernommen, modifizieren aber die Rechtsfolgen. Bei Porsche wird dem Zulieferer bei Mangelentdeckung vor Fertigungsbeginn eine Nacherfüllungsmöglichkeit eingeräumt, mit Wahlrecht des Bestellers im Hinblick auf die Art der Nacherfüllung. Die anderen Gewährleistungsrechte gelten nur subsidiär. Zusätzlich hat der Hersteller ein Recht zur Selbstvornahme auf Kosten des Lieferanten. Anders als nach den Musterbedingungen des VDA, gelten im Wesentlichen die gleichen Regeln aber auch, wenn ein Mangel trotz Beachtung der (reduzierten) Untersuchungsobliegenheit nicht vor Fertigungsbeginn entdeckt wird (10.1.). Auch die Bedingungen von Daimler sehen bei Mangelentdeckung vor Fertigungsbeginn ein zusätzliches Recht zur Selbstvornahme vor, wenn die (vorrangige) Nacherfüllung unzumutbar ist. Nach Beginn der Fertigung stehen als Rechtsbehelfe Nacherfüllung und Ersatz der zu diesem Zweck erforderlichen Aufwendungen zur Verfügung (Abschnitt 10.1). Rücktrittsrechte sind im Unterschied zu den VDA-Konditionen für den Fall der mangelhaften Lieferung nicht ausdrücklich geregelt; sonstige gesetzliche Rechte sollen aber von den Regelungen des mit „Mängelansprüche“ überschriebenen Abschnitts 10 unberührt bleiben, Abschnitt 10.6. Die Mängelgewährleistungsrechte nach den Bedingungen von BMW (dort Klausel 10) ähneln inhaltlich der Konditionenempfehlung des VDA. Insbesondere wird ebenfalls zwischen Mangelentdeckung vor und nach Fertigungsbeginn unterschieden. BMW behält sich ein Selbstvornahmerecht zur Mangelbeseitigung vor, sofern „vom Käufer aus betriebsbedingten Gründen (insbesondere im Zusammenhang mit dem zeitlichen Ablauf und der Reihenfolge der Montage) vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dem Verkäufer die Mangelbeseitigung oder die Ersetzung der mangelhaften Ware zu gestatten, oder wenn der Verkäufer nicht zur Nachbesserung oder Nach-

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lieferung in der Lage ist“(Klausel 10.3). Bei „wiederholt[en] oder schwerwiegend[en]“ Verstößen gegen die vereinbarten Qualitätsziele sehen die Bedingungen von BMW einen Eskalationsprozess zur Fehlersuche oder -beseitigung vor (Klausel 9.7). d) Mitverschulden des Bestellers und Haftung für Sublieferanten Die Musterbedingungen des VDA regeln in Abschnitt XI. die Schadensersatzansprüche des Bestellers. Nach XI.4. sind Ansprüche des Bestellers ausgeschlossen oder begrenzt, soweit der Besteller den Schaden selbst zu vertreten hat. Desgleichen kann der Besteller nach X.4. keine Mängelansprüche geltend machen, wenn er den Fehler selbst – etwa wegen Verletzung von Bedienungs-, Wartungs- und Einbauvorschriften – zu vertreten hat. Hier wird ein (Mit)Verschulden des Bestellers also explizit berücksichtigt. Die Bedingungen von VW und Audi und in diesem Punkt auch die Bedingungen von Porsche entsprechen den Musterbedingungen des VDA. Spezielle Regelungen zur Haftung des Zulieferers für Sublieferanten sehen die deutschen Einkaufsbedingungen durchweg nicht vor. Eine Ausnahme bilden die Einkaufsbedingungen von BMW. Nach Klausel 9.6. ist der Zulieferer dazu verpflichtet, seine Sublieferanten zur Einhaltung derselben Qualitätsstandards zu verpflichten, die er auch selbst gegenüber BMW einzuhalten hat. Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Herstellers wird in diesen Bedingungen nicht ausdrücklich geregelt. 6. Resümee Im Vergleich zur italienischen und englischen Rechtsordnung spielt im deutschen Recht das AGB-Recht als Grenze von Formularvereinbarungen eine wichtige Rolle und die Konditionenempfehlung des VDA hat eine steuernde Funktion. Insbesondere in der Struktur folgen die untersuchten Bedingungswerke durchweg den Musterbedingungen. Insgesamt wirken die Bedingungswerke nach deutschem Recht in ihrer Risikoverteilung zwischen Zulieferer und Besteller ausgewogener als diejenigen nach englischem oder italienischem Recht. So wird beispielsweise klargestellt, dass der Zulieferer nicht für vom Besteller zu vertretende Fehler haftet und insoweit auch ein Mitverschulden des Bestellers zu berücksichtigen ist. Auch werden die Rechtsbehelfe des Bestellers nach Fertigungsbeginn in einigen Bedingungen begrenzt. Regelmäßig wird in diesem Fall kein Rücktrittsrecht zugebilligt. Auf der anderen Seite sehen alle Bedingungswerke eine Reduzierung der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nach § 377 HGB vor. Das entspricht den Bedürfnissen der Just-in-time-Produktion und ist auch wirtschaftlich sinnvoll, da sonst die Qualitätssicherung doppelt Kosten verursachen würde. Solange die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nicht vollständig abbe-

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

dungen wird, sollte dem auch das AGB-Recht nicht entgegenstehen.230 Der nach deutschem Kaufrecht geltende Vorrang der Nacherfüllung bleibt auch in den Bedingungswerken erhalten. Zusätzlich wird aber durchweg ausdrücklich ein subsidiäres Selbstvornahmerecht des Bestellers vorgesehen, wenn der Zulieferer seinen Verpflichtungen nicht (rechtzeitig) nachkommt. Das lässt sich auch in den Bedingungen der Vergleichsrechtsordnungen feststellen. In den Einkaufsbedingungen nach deutschem Recht ist es üblich, unterschiedliche Gewährleistungsrechte für das Auftreten von Mängeln vor oder nach Fertigungsbeginn vorzusehen. Eine solche Differenzierung enthalten auch die Bedingungen der Ford-Gruppe und die Bedingungen von Fiat. Die Unterscheidung reflektiert zwar die praktischen Besonderheiten der Zulieferbeziehung in der Automobilindustrie, welche Konsequenzen hieraus gezogen werden, ist jedoch in den Bedingungen unterschiedlich.

V. Resümee Die Sachmangelgewährleistungsregime der untersuchten Rechtsordnungen unterscheiden sich teilweise recht deutlich. In Deutschland gilt im Kaufrecht der grundsätzliche Vorrang der Nacherfüllung und das Recht zu zweiten Andienung des Verkäufers. Ein Selbstvornahmerecht ist gesetzlich hingegen ausgeschlossen. Im italienischen Recht werden Zulieferverträge in der Regel dem Werkvertragsrecht231 zugeordnet und die Mängelbeseitigung steht als Rechtsbehelf neben der Selbstvornahme. Rücktrittsrechte können nur ausnahmsweise (bei besonders schwerwiegenden Mängeln) ausgeübt werden und Schadensersatzansprüche erfordern – wie im deutschen Recht – ein Verschulden des Verkäufers. In England ist hingegen auch die kaufvertragliche Schadensersatzhaftung verschuldensunabhängig ausgestaltet, wobei die zentralen Rechtsbehelfe im Kaufrecht ein (verschuldensunabhängiger) Schadensersatzanspruch und bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen ein Rücktritts- bzw. Beendigungsrecht sind. Ein Mitverschulden kann – anders als nach deutschem und nach italienischem Recht – bei vertraglichen Ansprüchen nur ausnahmsweise berücksichtigt werden. Über Equity kann in Ausnahmefällen auch ein (Nach-)Erfüllungsanspruch (specific performance) geltend gemacht werden. In den Vertragsbedingungen der Hersteller werden diese Unterschiede weniger deutlich. In den englischen Bedingungen wird die verschuldensun-

230

Vgl. auch Koller/Kindler/Roth/Drüen-Roth: § 377 HGB, Rn. 32; Budde/Geks, ZVertriebsR 2012, 37, 42. 231 Wobei der italienische contratto di appalto auch Dienstleistungen und Bauverträge regelt.

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

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abhängige Sachmängelhaftung um Nacherfüllungs- und Rücktrittsrechte ergänzt. Deutsche Bedingungen sehen hingegen unter bestimmten Voraussetzungen Selbstvornahmerechte der Besteller vor, die insoweit das Kaufrecht ergänzen. Auffällig ist, dass die deutschen Bedingungen insgesamt am ausgewogensten wirken und die Hersteller das Gesetzesrecht nicht nur zu ihren Gunsten modifizieren. Das mag auch durch den mit den Musterbedingungen des VDA begründeten (privaten) Standard zu erklären sein. In einigen Bedingungswerken finden sich über die Gewährleistung hinausgehende Verpflichtungen des Zulieferers zu umfangreichen Fehlerpräventionsmaßnahmen. Auf diese Weise soll nach Auftreten eines Mangels das Vertrauen des Herstellers in die Qualität der Zuliefererleistung wiederhergestellt werden. Das entspricht dem ökonomischen Abhängigkeitsverhältnis in der Zulieferbeziehung: Da der Hersteller in die Kooperationsbeziehung investiert und mit dem Vertragspartner geplant hat, gilt bei Mängeln sein erstes Interesse nicht der Beendigung der Vertragsbeziehung, sondern der Verbesserung der Leistung des Vertragspartners.

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen des Herstellers und außervertraglicher Haftung (sicherheitsrelevante Fehler nach Inverkehrbringen) Kommt es in der Lieferbeziehung zur Außenhaftung wegen Qualitätsproblemen, so stellt sich im Innenverhältnis die Frage der Haftungsverteilung.232 Die Verlagerung der Qualitätssicherungsmaßnahmen und weiterer Verkehrspflichten des Herstellers auf den Zulieferer bei gleichzeitigem Interesse, Haftungsrisiken weitgehend auf den Zulieferer abzuwälzen, bleibt für den Innenregress nicht folgenlos. Insbesondere bei Produktrückrufen, die bei Auftreten sicherheitsrelevanter Fehler nach Inverkehrbringen des Produkts notwendig werden können, läuft der Zulieferer Gefahr, mit Haftungsrisiken konfrontiert zu werden, die außer Verhältnis zum Wert des Zulieferteils stehen, beispielsweise beim globalen Rückruf einer kompletten Modellreihe. Dieses Risiko ist für den Zulieferer nur begrenzt beherrschbar, zumal sich seine Expertise in der Regel auf den Teilbereich seines Zulieferprodukts beschränkt. Problematisch sind insbesondere Graubereiche, z.B. wenn sich die Verantwortung nicht eindeutig bei der einen oder der anderen Partei verorten lässt und vertragliche Vereinbarungen unwirksam oder nicht eindeutig sind.

232

Die Haftungsverteilung im Außenverhältnis ist durch das Produkthaftungsrecht auf europäischer Ebene weitgehend geregelt.

144

Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

Im Recht sind vor allem drei Kriterien für die Zurechnung anerkannt: Die Zurechnung nach der kausalen Verursachung, die Zurechnung nach übernommener oder zugewiesener Verantwortung sowie die Zurechnung nach der Risikosphäre.233

I. Gemeinsame EU-rechtliche Vorgaben zur Haftungsverteilung Der Bereich der außervertraglichen Haftung für Produktfehler ist auf europäischer Ebene stärker harmonisiert als die vertragliche Haftung. Als Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben Deutschland, Italien und England die EU-Richtlinien 85/374/EWG (Produkthaftungsrichtlinie)234 und 2001/95/EG (Produktsicherheitsrichtlinie)235 in nationales Recht umgesetzt. Die Produkthaftungsrichtlinie betrifft die Haftung des Herstellers und ihm gleichgestellter Unternehmer für fehlerhafte Produkte, die ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt sind und zu einem Schaden am Eigentum oder der körperlichen Unversehrtheit des privaten Produktnutzers führen. Die Produktsicherheitsrichtlinie regelt vor allem behördliche Rechte und Pflichten, die Produktsicherheit zu überwachen und – soweit erforderlich – Rückrufe und sonstige Maßnahmen der Hersteller anzuordnen.236 Im Hinblick auf das Endprodukt sind sowohl der Endhersteller als auch der Zulieferer produkthaftungspflichtig. Gemäß Art. 3 I der Produkthaftungsrichtlinie ist Hersteller jeder „Hersteller des Endprodukts, eines Grundstoffs oder eines Teilprodukts sowie jede Person, die sich als Hersteller ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt.” Der Hersteller eines Zulieferteils ist also grundsätzlich mit den gleichen Haftungsrisiken konfrontiert wie der Endhersteller, vorbehaltlich der Exkulpationsmöglichkeit in Art. 7 lit. f für vom Endhersteller zu verantwortende Konstruktions- oder Anleitungsfehler.

233

Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, 473. RL 85/374/EWG, ABl. EG Nr. L 210, S. 29, geändert durch RL 1999/34/EG, ABl. EG Nr. L 141, S. 20. 235 RL 2001/95/EG, ABl. EG Nr. L 11, S. 4; zuletzt geändert durch VO 596/2009/EG, ABl. EG L 188 S. 14. 236 In Deutschland erfolgte die Umsetzung dieser Richtlinien durch das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG, in Kraft seit 1.1.1990) und durch das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG, in Kraft seit 1.5.2004). In England wurden sie durch den Consumer Protection Act 1987 (CPA, in Kraft seit 1.5.1988) und die General Product Safety Regulations 2005 (GPSR, in Kraft seit 1.10.2005) umgesetzt. In Italien sind beide Richtlinien heute im Verbraucherschutzgesetz Codice del Consumo (Cod. Cons., in Kraft seit 23.10.2005) in dessen vierten Teil (Art. 102 bis 135) umgesetzt. 234

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

145

Trotz der Harmonisierung der Produkthaftung haben sich in den nationalen Rechtsordnungen Eigenheiten herausgebildet. Insbesondere der Fehlerbegriff wird von den nationalen Gerichten unterschiedlich ausgelegt.237 Das ist auf das Zusammenspiel des harmonisierten Produkthaftungsrechts mit dem hergebrachten nationalen außervertraglichen Haftungsregime zurückzuführen. Im deutschen Recht wird der zu § 823 I BGB aus der Verkehrssicherungspflicht des Produzenten entwickelte Fehlerbegriff weitgehend auf die Haftung nach dem ProdHaftG übertragen. Es bedarf einer wertenden Abwägung unter Berücksichtigung des Gefahrengrads, der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sowie des betroffenen Nutzerkreises.238 Im englischen Recht richtet sich die Fehlerhaftigkeit eines Produkts nach den von den Nutzern zu erwartenden Sicherheitsstandards, in Abhängigkeit von der Wahrscheinlichkeit der Gefährdung von Eigentum, Leben und Gesundheit, Sec. 3 I CPA 1987. Ein Streitpunkt ist dabei regelmäßig die Frage, welcher Sicherheitsstandard bei einem bestimmten Produkt erwartet werden kann.239 Der Fehlerbegriff im italienischen Recht (Art. 117 Cod. Cons.) knüpft an die Zusammenschau der Vorhersehbarkeit des jeweiligen Fehlers aus der Perspektive des Herstellers sowie der berechtigten Erwartung des Nutzers an den Sicherheitsstandard an. Letztere kann durch den Preis und die Produktkategorie (beispielsweise geringerer Standard bei einem Mittelklassewagen als bei einem Luxuswagen) beeinflusst werden, aber auch durch Werbeaussagen und Nutzungshinweise des Herstellers.240 Zum Innenausgleich sieht Art. 5 der Richtlinie gesamtschuldnerische Haftung „unbeschadet des einzelstaatlichen Rückgriffsrechts“ vor. Unterschiede in den europäischen Regelungen können sich also vor allem in der Ausgestaltung der Rückgriffsrechte beim Innenausgleich ausprägen. Handelt es sich bei dem aufgetretenen Fehler um einen Gewährleistungsfall zwischen einem Verbraucher und einem Vertriebspartner des Herstellers, so lässt sich für den Innenausgleich auch an Art. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (bzw. Art. 18 Warenkauf-Richtlinie) denken. Die Vorschrift regelt den Regress in der Lieferkette, überlässt es aber den nationalen Rechtsordnungen den personellen Anwendungsbereich zu konkretisieren. Im deutschen Recht ist der Lieferantenregress in § 445a BGB geregelt. Nach der herrschenden Meinung endet die Regresskette beim Hersteller, da der Zulieferer kein Lieferant im Sinne der Vorschrift ist. Der Hersteller kann gegen den Zulieferer nur die (eigenen) kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche geltend

237

Vgl. auch Hodges, in: Fairgrieve (Hrsg.), 2005, 192–201. Vgl. statt vieler MüKoBGB-Wagner: § 3 ProdHaftG, Rn. 3. 239 Mildred, Journal of Personal Injury Law 2007, 141; Eisler, Cambridge Law Journal 76 (2017), 230. 240 Rajneri, in: Fairgrieve (Hrsg.), 2005, 70 ff. 238

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

machen.241 Das gilt nach der wohl herrschenden Lehre ebenso im italienischen Recht, wo der Lieferantenregress in Art. 131 Cod. Cons. umgesetzt ist.242 Bereits der Wortlaut des Art. 131 Cod. Cons. deutet auf ein ähnlich enges Verständnis des Rückgriffsrechts wie im deutschen Recht hin: Der Gesetzestext spricht abweichend von der europäischen Richtlinie nicht von einer Vertragskette (catena contrattuale), sondern von einer Vertriebskette (catena distributiva).243 In England wurde Art. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht umgesetzt.244 Bereits der Endverkäufer kann daher nur nach den allgemeinen Regeln Regress bei seinem Vertragspartner nehmen.245 Im Ergebnis spielt der Lieferantenregress nach Art. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (bzw Art. 18 Warenkauf-Richtlinie) in den untersuchten Rechtsordnungen für den Innenausgleich zwischen Hersteller und Zulieferer also in der Regel keine große Rolle.

II. Innenausgleich nach englischem Recht 1. Haftungsgrundlagen a) Außervertragliche Haftung: Tortious Liability Neben der verschuldensunabhängigen Produkthaftung, die auf Grundlage der Produkthaftungsrichtlinie in das englische Recht eingeführt wurde, basiert die außervertragliche Haftung für Produktfehler vor allem auf dem tort of negligence. Der tort of negligence spricht einem Anspruchsteller Schadensersatzansprüche für Verletzungen der eigenen körperlichen Integrität oder seines Ei-

241 Vgl. nur Palandt-Weidenkaff: § 445a BGB, Rn. 8; JauernigBGB-Berger: § 445a, Rn. 2; BeckOK BGB-Faust: § 445a BGB, Rn. 12 m.W.N. 242 Vgl. etwa Cicala: Art. 131 Cod. Cons., 964; Lombardi, Garanzia e responsabilita` nella vendita dei beni di consumo, 2010, 455 Fn. 5; Benincasa, in: Cassano/Catricala`/Clarizia (Hrsg.), 2018, 1524 f.; vgl. auch Wind, Der Lieferanten- und Herstellerregress im deutsch-italienischen Rechtsverkehr, 2006, 236; anderer Ansicht Renna: Art. 131 Cod. Cons., 1184, der für eine einheitliche Auslegung des Herstellerbegriffs im Verbraucherschutzgesetz, das sowohl die Produkthaftungs- als auch die Verbraucherschutzrichtlinie umsetzt, plädiert. 243 „Art. 131 Cod. Cons. 1. Il venditore finale, quando e` responsabile nei confronti del consumatore a causa di un difetto di conformita` imputabile ad un’azione o ad un’omissione del produttore, di un precedente venditore della medesima catena contrattuale distributiva o di qualsiasi altro intermediario, ha diritto di regresso, salvo patto contrario o rinuncia, nei confronti del soggetto o dei soggetti responsabili facenti parte della suddetta catena distributiva.“ 244 Vgl. auch Twigg-Flesner, in: Ebers/Janssen/Meyer (Hrsg.), 2009, 255. 245 Twigg-Flesner, in: Ebers/Janssen/Meyer (Hrsg.), 2009, 265.

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

147

gentums zu, sofern der Anspruchsgegner seine Pflichten wenigstens fahrlässig (negligent) verletzt hat.246 Diese Durchbrechung des Grundsatzes der privity of contract in Produkthaftungsfällen wurde vom House of Lords in der Entscheidung Donoghue v Stevenson Jahr 1932 erstmals anerkannt.247 Hersteller und Händler von Verbrauchsgütern trifft eine Rücksichtnahmepflicht (reasonable duty of care) gegenüber den Konsumenten, deren mindestens fahrlässige Verletzung zur außervertraglichen Haftung führt. Voraussetzung ist, dass ein Produktmangel der Auslöser für den erlittenen Schaden war.248 Die Beweislast für das Vorliegen eines Fehlers liegt beim Geschädigten,249 aber der Geschädigte muss nicht nachweisen, welches Glied der Produktionskette den Fehler verursacht hat; für die Kausalität gilt eine Vermutung zugunsten des Geschädigten.250 Der Anspruch aus tort of negligence ist grundsätzlich auf Nichtvermögensschäden begrenzt.251 Ausnahmen sind bei der Haftung für fahrlässige Falschaussagen (negligent misstatement) denkbar.252 b) Besonderheiten beim Produktrückruf In England ist die Driver and Vehicle Standards Agency (DVSA) gemäß Sec. 15 General Product Safety Regulations (GPSR) 2005 für verpflichtende Rückrufe im Automobilsektor zuständig. Daneben lassen sich Warn- und Rückrufpflichten aus dem Common Law und insbesondere dem tort of negligence ableiten.253 Zusätzlich kann der Secretary of State eine Warnung anordnen, wenn er das betreffende Produkt nach der Produktsicherheitsverordnung (GPSR 2005) als unsicher einstuft, Sec. 13 Abs. 1 lit. b CPA 1987. Ein Präzedenzfall ist die Entscheidung des Court of Appeal in der Rechtssache Caroll v Fearon, in der das Gericht eine (Produkt-)Haftung auf Basis des tort of negligence wegen Verletzung einer Warnpflicht (duty to warn) an-

246

Stapleton, Texas International Law Journal 34 (1999), 45, 50. Donoghue v Stevenson [1932] A.C. 562 (HL); Samuels, Product Liability overview, 2016, 2; Whincup, Sales Law and Product Liability, 1999, 100; Owen, Products liability law, 2005, 51. 248 Hindustan S.S. Co. v Siemens Bros [1955] 1 Lloyd’s Rep. 167 (AD). 249 Donoghue v Stevenson [1932] A.C. 562 (HL). 250 Grant v Australian Knitting Mills Ltd. [1936] A.C. 85 (HCA); auch Murphy/Street, Street on torts, 2012, 423; Mulheron, Principles of tort law, 2016, 392 f. 251 Murphy v Brentwood District Council [1990] 2 W.L.R. 944 (CA); vgl. Twigg-Flesner/ Canavan/MacQueen/Atiyah/Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 552. 252 Twigg-Flesner/Canavan/MacQueen/Atiyah/Adams, Atiyah and Adams’ Sale of goods, 2016, 532 f. Insbes. nach dem Hedley-Byrne-Prinzip, Hedley Byrne & Co Ltd. v Heller & Partners Ltd. [1964] A.C. 465 (HL). 253 Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, 2014, Rn. 11–30. Vgl z.B. auch Holmes v Ashford [1950] 2 All E.R. 76 (CA); Carroll v Fearon [1998] P.I.Q.R. 416 (CA). 247

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

nahm. Ähnlich dem deutschen Recht nahm der Court of Appeal den Reifenhersteller für die Produktbeobachtung nach Inverkehrbringen des Produkts in die Pflicht: Auch wenn bei Inverkehrbringen die Fehlerhaftigkeit des Reifens noch nicht bekannt war, so wäre der Reifenhersteller jedenfalls zur Warnung der Nutzer bzw. der Öffentlichkeit verpflichtet gewesen, sobald er Kenntnis von dem Fehlerrisiko hatte.254 Die nachträgliche Warnpflicht war auch Gegenstand der Entscheidung der Queens Bench Division in der Rechtssache E Hobbs (Farms) v The Baxenden Chemical Co. Der Hersteller hatte es unterlassen, seine ursprünglichen Aussagen zur Brandgefahr von Isoliermaterialien zu korrigieren, nachdem er von der Gefahr Kenntnis erlangt hatte. Ab Kenntnis hätte ihn die Pflicht zu Warnung des bzw. der Käufer getroffen, unabhängig von jeglicher Fahrlässigkeit bei Inverkehrbringen des Produkts.255 Die Verpflichtung zur Warnung kann im Einzelfall auf den Verkäufer der Produkte übergehen.256 Vor der Umsetzung der Produktsicherheitsrichtlinie durch die Produktsicherheitsverordnung GPSR 2005 sah das englische System keine Rückrufpflichten aufgrund behördlicher Anordnung vor und Rückrufe waren grundsätzlich freiwilliger Natur.257 In dem Memorandum für die GPSR 2005 hat das Department for Trade and Industry (DTI) Regelungsalternativen für die Umsetzung des europarechtlichen Rückruferfordernisses aus der Produktsicherheitsrichtlinie abgewogen.258 Eine der erwogenen Möglichkeiten war, die Rückrufpflicht von einer gerichtlichen Anordnung abhängig zu machen. Dafür sprach aus Sicht des DTI, dass auf diese Weise Rechtsklarheit geschaffen würde und sich Rückrufentscheidungen gegenüber Unternehmen besser legitimieren ließen, da ein angemessener Umgang mit der Entscheidungsmacht garantiert sei. Im Ergebnis setzte sich dieser Vorschlag jedoch nicht durch.259 Empfohlen wurde letztlich ein beratendes Verfahren (advisory process).260 254

Carroll v Fearon [1998] P.I.Q.R. 416 (CA). E Hobbs (Farms) v The Baxenden Chemical Co. [1992] 1 Lloyd’s Rep 54 (QBD): „a manufacturer’s duty of care does not end when the goods are sold. A manufacturer who realises that omitting to warn past customers about something which might result in injury to them must take reasonable steps to attempt to warn them, however lacking in negligence he may have been at the time the goods were sold.“; Deakin/Johnston/Markesinis, Markesinis and Deakin’s tort law, 2013, 619. 256 Vgl. Murphy/Street, Street on torts, 2012, 422. 257 Fairgrieve/Howells, The Modern Law Review Vol. 69 (2006), 59, 66. 258 Department of Trade and Industry, Explanatory Memorandum to the General Product Safety Regulations 2005, 2005, S. 7 ff. 259 Department of Trade and Industry, Explanatory Memorandum to the General Product Safety Regulations 2005, 2005, S. 13. 260 Department of Trade and Industry, Explanatory Memorandum to the General Product Safety Regulations 2005, 2005, S. 14. 255

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

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Obwohl auch in England zahlreiche Produktrückrufe zu verzeichnen sind,261 gibt es wenige Gerichtsentscheidungen. Als Leitentscheidung für die zivilrechtliche Rückrufpflicht gilt nach wie vor die Entscheidung der Queens Bench Division im Fall Walton v British Leyland von 1978.262 Nachdem das Auto der Kläger auf der Autobahn ein Rad verloren hatte, kam es zu einem Unfall, bei dem die Kläger verletzt wurden. Der Autohersteller British Leyland hatte bereits kurz nach Inverkehrbringen des Produkts Kenntnis davon erlangt, dass es Probleme mit der hinteren Radnabe gab, und später realisiert, dass hieraus ernsthafte Sicherheitsrisiken resultierten. Dennoch entschied sich der Hersteller gegen einen freiwilligen Rückruf. Das Gericht befand, dass der Hersteller durch das Unterlassen des Rückrufs seine Sorgfaltspflicht für die Sicherheit der Fahrzeugkäufer verletzt hatte.263 Zwar lässt sich wohl aus dem tort of negligence kein direktes Rückrufsrecht der Käufer gegen den Hersteller ableiten, die außervertraglichen Sorgfaltspflichten des Herstellers können sich aber auf eine Rückrufpflicht konkretisieren.264 Die Rückrufverpflichtung beinhaltet ihrerseits Rücksichtnahme- und Sorgfaltspflichten bei der Durchführung des Rückrufs.265 Das gilt auch für den Hersteller von Komponenten.266 2. Innenausgleich nach englischem Recht Gerade in einer komplizierten Zulieferkette ist nicht immer feststellbar, wer einen Mangel zu vertreten hat.267 Auch kann ein Mangel auf dem fehlerhaften Zusammenspiel mehrerer Teile beruhen.268 In diesem Fällen kommt der Regelung des Innenausgleichs besondere Bedeutung zu. Das englische Verbraucherschutzgesetz (CPA 1987) sieht der Richtlinie entsprechend in Sec. 2 V eine gesamtschuldnerische Haftung bei Haftung nach dem CPA 1987 vor, d.h. joint and severable liability. Das ist auch die Grundregel im Law of Torts.

261 In Großbritannien werden jährlich ca. 100 verschiedene Produkte zurückgerufen, die keine Lebensmittel sind (non food or drink), , 30.07.2020. 262 Walton v British Leyland [1978] (QBD), unveröffentlicht, wiedergegeben in Miller/ Harvey, Consumer and trading law, 1985, 159. 263 Walton v British Leyland [1978] (QBD), unveröffentlicht, wiedergegeben in Miller/ Harvey, Consumer and trading law, 1985, 159; Whincup, Sales Law and Product Liability, 1999, 113; „failure to observe their duty to care for the safety of the many who were bound to remain at risk.“ 264 Hewitt, Manufacturers’ liability for defective goods, 1987, 163. 265 Vgl. Murphy/Street, Street on torts, 2012, 422. 266 Carroll v Fearon [1998] P.I.Q.R. 416 (CA) (Reifenhersteller). 267 MüKoBGB-Wagner: § 823 BGB, Rn. 682. 268 Department of Trade and Industry, Consumer Product Recall, 1999, S. 6.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

Joint liability bezeichnet die gemeinsame Haftung aufgrund der Verletzung einer gemeinsamen Pflicht oder bei der Delegation von Pflichten (beispielsweise zwischen Vertreter und Vertretenem oder Arbeitgeber und Arbeitnehmer). Several liability tritt bei kumulativ kausaler Schadensverursachung durch zwei unabhängige Schädiger ein.269 Hersteller und Zulieferer in der Automobilindustrie sind regelmäßig jointly liable, da die Produktsicherheitspflicht beiden obliegt und insbesondere bei der Qualitätssicherung auch eine Pflichtendelegation erfolgt. Bei der joint liability haften beide Parteien im Außenverhältnis voll. Der Innenausgleich (contribution and apportionment) ist für alle Haftungsgrundlagen (nicht nur Tort) durch den Civil Liability (Contribution) Act 1978 (CLA) geregelt, Sec. 1 I, 6 I CLA 1978.270 Die Verteilung der Haftung richtet sich nach Sec. 2 CLA 1978.271 Der Maßstab ist dabei das Verantwortungsprinzip: Der anteilige Regress ist abhängig von dem Maß der Schadensverantwortlichkeit, nach fairer und gerechter Einschätzung des Gerichts (just and equitable). Die Schadensverursachung ist dabei ein wichtiger Faktor, um die relative Verantwortlichkeit zu bestimmen.272 Gleichwohl kann das Gericht auch andere Faktoren in die Verteilungsentscheidung mit einfließen lassen, etwa die finanziellen Auswirkungen und die Solvenz der anderen Schuldner.273 Denkbar ist daher auch die Berücksichtigung der Versicherbarkeit von Rückrufkosten. 269

Deakin/Johnston/Markesinis, Markesinis and Deakin’s tort law, 2013, 880. Vgl. Deakin/Johnston/Markesinis, Markesinis and Deakin’s tort law, 2013, 882. 271 „Sec. 2 CLA 1978 Assessment of contribution (1)Subject to subsection (3) below, in any proceedings for contribution under section 1 above the amount of the contribution recoverable from any person shall be such as may be found by the court to be just and equitable having regard to the extent of that person’s responsibility for the damage in question. (2)Subject to subsection (3) below, the court shall have power in any such proceedings to exempt any person from liability to make contribution, or to direct that the contribution to be recovered from any person shall amount to a complete indemnity. […]“ 272 Re-Source America International Ltd. v Platt Site Services Ltd. [2004] EWCA Civ 665 (CA), Tuckey LJ, Rn. 51: „causative responsibility for the damage in question […] is likely to be the most important factor in the assessment of relative responsibility which the court has to make.“ Vgl. auch Charlwood, Professional Negligence 23 (2007), 82, 90 f. 273 Vgl. Dubai Aluminium [2002] UKHL 48 (HL), Lord Nicholls, Rn. 52: „The burden of liability is being redistributed. But, of necessity, the extent to which it is just and equitable to redistribute this financial burden cannot be decided without seeing where the burden already lies. The court needs to have regard to the known or likely financial consequences of orders already made and to the likely financial consequences of any contribution order the court may make. For example, if one of three defendants equally responsible is insolvent, the court will have regard to this fact when directing contribution between the two solvent defendants. The court will do so, even though insolvency has nothing to do with responsibility.“ 270

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

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Beim Innenausgleich kann auch die Mitverschuldenshaftung des Herstellers (contributory negligence) herangezogen werden, Sec. 1 LRA 1945, soweit die Voraussetzungen vorliegen.274 Außerdem ist ein Regress außerhalb des CLA 1978 auf Basis des Common Law möglich:275 In Betracht kommen insbesondere der Forderungsübergang (subrogation),276 (Wertersatz) recoupment277 oder ein eigener contribution-Anspruch aus common law und equity278.279 3. Innenausgleich in Einkaufsbedingungen nach englischem Recht Die Haftungsverteilung ist in den Bedingungen des englischen Automobilherstellers Bentley280 unter Nr. 10 – Indemnity geregelt und sieht vor, dass Bentley bei seinem Zulieferer Regress für die Haftung gegenüber Dritten nehmen kann, sofern diese Haftung auf eine Vertragsverletzung durch den Zulieferer, auf Fahrlässigkeit oder auf Nicht- bzw. Spätlieferung des Zulieferers oder seiner Arbeitnehmer, Vertreter, Sublieferanten zurückzuführen ist.281 Der Rückruffall wird dabei nicht ausdrücklich genannt. Als Nebenpflicht des Zulieferers ist aber eine Versicherungspflicht vorgesehen (10.2.): Danach ist der Zulieferer vertraglich verpflichtet, sich bei einem renommierten Versicherungsunternehmen gegen Haftungsrisiken für mindestens die Vertragslaufzeit und 12 weitere Monate zu versichern.

274

Vgl. auch vorstehend unter B. II. 4. Deakin/Johnston/Markesinis, Markesinis and Deakin’s tort law, 2013, 887. 276 Banque Financie`re de la Cite´ v Parc (Battersea) Ltd. [1999] 1 AC 221 (HL); subrogation in equity bezeichnet einen für den Bereicherungsausgleich notwendigen Forderungsübergang und setzt keine vertragliche Vereinbarung voraus. 277 Moule v Garrett [1872] LR 7 Ex 101, Cockburn CJ: „Where the plaintiff has been compelled by law to pay, or, being compellable by law, has paid, money which the defendant was ultimately liable to pay, so that the latter obtains the benefit of the payment by the discharge of his liability; under such circumstances the defendant is held indebted to the plaintiff in the amount“. 278 Royal Brompton Hospital NHS Trust v Hammond (No. 3) [2002] 1 W.L.R. 1397 (HL). 279 Vgl. Niru Battery Manufacturing Co & Anor v Milestone Trading Ltd. & Ors (No. 2) [2003] EWHC 1032 (QBD); Charlwood, Professional Negligence 23 (2007), 82, 93. 280 Bentley Motors Limited: Terms and Conditions for the Purchase of Production Material and other Goods (Stand September 2018), , (Bentley-Einkaufsbedingungen 2018). 281 Bentley-Einkaufsbedingungen 2018: „10.1.1 any claim made against the Company by a third party arising out of, or in connection with, the supply of the Goods, to the extent that such claim arises out of the breach, negligent performance or failure or delay in performance of the Order by the Supplier, its employees, agents or subcontractors;“. 275

152

Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

Die Ford Global Terms282 enthalten Regelungen für eine mögliche Schadensteilung bei Ansprüchen Dritter. Gemäß Sec. 25.03 sollen die Parteien dazu eine Einigung anstreben, wenn nach den Umständen des Falls eine Kostenteilung angemessen erscheint. Zu berücksichtigen sind die in Sec. 25.04 aufgelisteten Kriterien,283 zu denen auch ein Mitverschulden des Herstellers zählen dürfte. Kommt es nicht zu einer Einigung, bleibt es aber bei der alleinigen Haftung des Zulieferers nach Sec. 25.02. Den Regress im Rückruffall regeln die Ford Global Terms ausführlich in Sec. 23. Insbesondere sehen die Bedingungen auch einen Regress in dem Fall vor, dass der Hersteller eine freiwillige Feldaktion durchführt. Voraussetzung ist nur, dass er den Zulieferer in diesem Fall unverzüglich von dem geplanten Rückruf in Kenntnis setzt und die Rückrufentscheidung begründet.284 Der Hersteller behält sich dabei das Recht vor, alle Aspekte eines Rückrufs zu bestimmen, auch die Entscheidung über das Ob und Wie der Rückrufaktion: „the Buyer reserves the right to determine all aspects of a Field Service Action, including when to conduct one and its implementation.“ (Sec. 23.03). Im Gegenzug ist eine Nachverhandlungsklausel für den Innenregress vorsehen. Danach verpflichten sich die Parteien dazu, sorgfältig und in good faith über die Höhe des Innenausgleichs zu verhandeln, unter Berücksichtigung der jeweiligen Verursachungs- und Verantwortungsbeiträge.285 Speziell für den Rückruffall sehen die Sec. 23.06 und 23.07 Besonderheiten für die interne Abrechnung zwischen Zulieferer und Hersteller vor.

282

Ford Motor Company: Production Purchasing Global Terms and Conditions (Stand Januar 2004), , 30.07.2020 (Ford Global Terms 2004). 283 „25.04 Factors to be Considered in Apportionment. In determining whether and to what extent Litigation Costs should be apportioned between the Supplier and the Buyer under Section 25.03, all relevant factors should be considered, including the relative strength of the claim, whether the claimant alleges solely that the Indemnified Person is vicariously liable for the Supplier’s fault (or a defect in the Goods for which the Supplier is primarily responsible), and whether any independent fault alleged on the part of an Indemnified Person consists of a mere failure to discover or guard against the Supplier’s negligence or an alleged defect in the Goods. […]“, Ford Global Terms 2004. 284 Sec. 23.01, 23.03, 23.04 Ford Global Terms 2004. 285 „23.05 Adjustment of Supplier Responsibility. Once the Field Service Action has been initiated, the Buyer and the Supplier will negotiate diligently and in good faith on the extent to which the Supplier’s financial responsibility under Section 23.04 for the Field Service Action may be adjusted, if at all, taking into account the relative degree of fault of the parties“, Ford Global Terms 2004.

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

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4. Resümee Produktrückrufe im Automobilbereich haben im englischen Schrifttum und auch in der Rechtsprechung bislang wenig Aufmerksamkeit erhalten. Die Möglichkeit der behördlichen Anordnung von Rückrufen hat erst mit Umsetzung der Produktsicherheitsrichtlinie Eingang in das englische Recht gefunden. Unterlässt der End- oder Teilehersteller eine Warnung oder einen Rückruf trotz Kenntnis von sicherheitsrelevanten Produktmängeln, so kann er sich schadensersatzpflichtig nach dem tort of negligence machen. Der Innenausgleich richtet sich dann vor allem nach den Verantwortungsbeiträgen der Parteien. Die Gerichte können aber nach ihrem Ermessen weitere Aspekte berücksichtigen. Dieser Gesetzeslage entsprechen im Wesentlichen die Bedingungen des englischen Herstellers Bentley, der keine speziellen Vorschriften für den Rückruffall vorsieht und auch nicht zwischen freiwilligem und verpflichtendem Rückruf differenziert. Bei den Ford Global Terms gilt es zu berücksichtigen, dass diese in erster Linie auf das amerikanische Unternehmen Ford abgestimmt sind und daher die Aussagekraft – trotz ihrer Anwendbarkeit auch nach englischem Recht – für die englische Rechtspraxis eingeschränkt ist. Die Haftung des Zulieferers im Fall eines freiwilligen Rückrufs führt ökonomisch betrachtet zu einem Anreizungleichgewicht und damit tendenziell zu geringerer Effizienz und höheren Rückrufkosten: Weiß der Endhersteller, dass er nicht die (gesamten) Rückrufkosten tragen muss, hat er weniger Anreize, die Rückrufkosten gering zu halten.286 Außerdem wird der Anreiz zu freiwilligen Rückrufen verstärkt, denn diese dienen der Reputation des Endherstellers.287 Etwas abgemildert wird dieses Ungleichgewicht in den Ford Global Terms durch Informations- und Begründungspflichten des Herstellers gegenüber dem Zulieferer.288

III. Innenausgleich nach italienischem Recht 1. Haftungsgrundlagen: außervertragliche Haftung In Italien sind sowohl die Produktsicherheitsrichtlinie als auch die Produkthaftungsrichtlinie289 heute im Verbraucherschutzgesetz Codice del Consumo (Cod. Cons., in Kraft seit 23.10.2005) in dessen vierten Teil (Art. 102 bis 135) umgesetzt.290 286

Ben-Shahar/White, Michigan Law Review 104 (2006), 953, 961. So für die USA Celentano/Novak, in: Kendall/McNerlin (Hrsg.), 2012, 439. 288 Sec. 23.03, 23.04 Ford Global Terms 2004. 289 Vgl. zur Umsetzung der Richtlinie Alpa, La responsabilita` civile, 2010, 800. 290 Zuvor Decreto del Presidente della Repubblica del 24 Maggio 1988 Nr. 224 zur 287

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

a) Produkthaftung Die außervertragliche Haftung des Herstellers und Zulieferers richtet sich im italienischen Recht nach den allgemeinen Regeln. Die Legge Subfornitura greift in diesen Bereich nicht ein.291 Es gelten die Regeln zur Produkthaftung in den Art. 114 ff. Cod. Cons. sowie das allgemeine Deliktsrecht, insbesondere die Generalklausel des Art. 2043 CC.292 Zwar ist die Produkthaftung nach den Art. 114 ff. Cod. Cons. auch im italienischen Recht nach der überwiegenden Meinung als verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung ausgestaltet, ein Teil des Schrifttums will die strikte Gefährdungshaftung indes nur auf Fabrikationsfehler anwenden und dem Richter bei den anderen Fehlertypen einen weiteren Beurteilungsspielraum einräumen.293 Teilweise wird im Schrifttum auch vertreten, dass hierbei zwischen Herstellern von Standardteilen und von komplexen Zulieferteilen zu differenzieren sei; dem einfachen Standardteilehersteller sei eine verschuldensunabhängige Haftung nicht zuzumuten.294 Insbesondere in Bezug auf Konstruktionsfehler wird argumentiert, dass hier ein Sorgfaltsmaßstab für die Bewertung anzulegen sei, der sich nach dem aktuellen Stand der Technik richtet und an der Qualität von Alternativkonzepten orientiert, also nicht rein an das Vorliegen eines Fehlers anknüpft.295 Entsprechend der Produkthaftungsrichtlinie kann sich der Zulieferer gemäß Art. 118 I lit f. Cod. Cons. exkulpieren, wenn der Fehler vollständig auf die fehlerhafte Konzeption des Endprodukts, in das es eingebaut wird, oder auf die fehlerhafte Anleitung des

Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie und D. Lgs. 21/04 vom 21.05.2004 zur Umsetzung der Produktsicherheitsrichtlinie. Vgl. zur Umsetzung vertiefend Lilja, Der Codice del Consumo (2005) – Ein Vorbild für die Europäische Verbrauchergesetzgebung?, 2010, 40; Petri, Produkthaftung in Italien, 1998, 147. 291 Vgl. auch Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 221. 292 Bianca, Diritto Civile – Vol. V – La responsabilita`, 2012, 750. 293 Vgl. die Darstellung des Meinungsstands bei Bonilini/Confortini-Della Bella: La responsabilita` del produttore, 958 ff. 294 Vgl. Petri, Produkthaftung in Italien, 1998, 147 zur Vorgängernorm Art. 1 Decreto del Presidente della Repubblica 224/88 vom 24.05.1988. Das Produkthaftungsrecht solle primär den Verbraucher schützen, eine Differenzierung zwischen den beteiligten Herstellern lasse sich erst im zweiten Schritt, nämlich im Innenverhältnis vornehmen. 295 So Borsellino/Cendon-D’Arrigo: Art. 117 Cod. Cons., 1055; in diese Richtung auch Alpa, La responsabilita` civile, 2010, 306.

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

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Endherstellers zurückzuführen ist.296 Hierauf kann sich der Zulieferer gleichwohl nur berufen, wenn er keine Kenntnis von dem Fehler hatte.297 Die deliktische Haftung ist in Art. 2043 CC (responsabilita` extracontrattuale) geregelt und verschuldensabhängig. Ähnlich dem deutschen Recht haftet deliktisch auf Schadensersatz, wer durch Tun oder Unterlassen einem anderen vorsätzlich oder fahrlässig einen widerrechtlichen Schaden zufügt.298 b) Rückrufpflichten im italienischen Recht Den rechtlichen Rahmen für den Produktrückruf bilden die Regeln zur Produktsicherheit in Art. 102–113 Cod. Cons. Art. 104 III, V Cod. Cons.299 sieht vor, dass ein Produktrückruf (richiamo) entweder auf freiwilliger Basis oder auf Anordnung der zuständigen Behörde erfolgen kann. Der Rückruf ist dabei als Ultima Ratio zur Warnung und zum Vertriebsstopp (ritiro) zu verstehen, um sicherzustellen, dass nur sichere Produkte auf dem Markt sind.300 Verbraucher können – bei Untätigbleiben der zuständigen Behörde – einen eigenen Anspruch auf Produktrückruf gegen den Hersteller geltend machen.301 Auch auf Basis von Art. 2043 CC sind Rückrufpflichten denkbar. Diese werden indes weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung eingehender diskutiert. Der freiwillige Rückruf ist das gesetzgeberische Leitbild.302 2. Innnenausgleich nach italienischem Recht Der Haftungsausgleich im Innenverhältnis richtet sich im italienischen Recht bei Gesamtschuldverhältnissen nach Art. 2055 CC303. Voraussetzung ist, dass 296 „Art. 118 Nr. 1 lit. f. Cod. Cons. 1. La responsabilita` e` esclusa: f) nel caso del produttore o fornitore di una parte componente o di una materia prima, se il difetto e` interamente dovuto alla concezione del prodotto in cui e` stata incorporata la parte o materia prima o alla conformita` di questa alle istruzioni date dal produttore che la ha utilizzata“. 297 Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 222.; vgl. auch Calvagno D’Achille, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 379 298 „Art. 2043 CC Qualunque fatto doloso o colposo, che cagiona ad altri un danno ingiusto, obbliga colui che ha commesso il fatto a risarcire il danno.“ 299 Basierend auf Art. 3 Produktsicherheitsrichtlinie, RL 2001/95/EG, ABl. EG Nr. L 11, S. 4. 300 Cuffaro-Cavallo: Art. 104 Cod. Cons., 583. 301 Vgl. Cuffaro-Cavallo: Art. 104 Cod. Cons., 528. 302 Vgl. Art. 107 Cod. Cons.; Borsellino/Cendon-Vecchio Verderame: Sicurezza dei Prodotti, 982. 303 „Art. 2055 CC Se il fatto dannoso e` imputabile a piu` persone, tutte sono obbligate in solido al risarci-

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

die betroffenen Parteien wegen desselben Schadens haften; unerheblich ist hingegen die Haftungsgrundlage.304 Derjenige, der den Geschädigten befriedigt hat, kann im Innenverhältnis der Schuldner Regress nehmen. Maßgeblich sind dabei die Schwere des Verschuldens sowie das Ausmaß der aus dem Schaden resultierenden Folgen.305 Die Quote der einzelnen Verursachungsund Verantwortungsbeiträge bemisst der Richter306, in Zweifelsfällen gilt die widerlegliche Vermutung gleicher Verschuldensanteile.307 Für Produkthaftungsansprüche ist als Spezialregelung Art. 121 Cod. Cons anwendbar.308 Regress im Innenverhältnis kann danach in Abhängigkeit von dem den einzelnen Parteien zuzuordnendem Risiko, dem Verschuldensgrad und der Schwere der Schadensfolgen genommen werden – auch hier wird im Zweifelsfall zu gleichen Teilen gehaftet.309 Die Regelung entspricht zwar überwiegend dem Gesamtschuldnerausgleich im Deliktsrecht (Art. 2055 CC), geht aber insoweit darüber hinaus, als in die Abwägung auch die Risikodimension eingestellt wird. Derjenige, dessen Produktionsbeitrag das höchste Schadensrisiko beinhaltet, muss einen höheren Haftungsanteil tragen.310 Der Rechtsprechung wird so ein weiterer Interpretationsspielraum zugestanden,311 der an die Frage anknüpft, was unter Risiko im Zusammenhang mit der Herstellung eines fehlerhaften Produkts zu verstehen ist.312 Legt

mento del danno. Colui che ha risarcito il danno ha regresso contro ciascuno degli altri, nella misura determinata dalla gravita` della rispettiva colpa e dall’entita` delle conseguenze che ne sono derivate. Nel dubbio, le singole colpe si presumono uguali.“ 304 Ein Innenausgleich kann auch nach Art. 2055 CC erfolgen, wenn der Eine vertraglich wegen des Schadens haftet und der Andere außervertraglich, vgl. Bianca, Diritto Civile – Vol. V – La responsabilita`, 2012, 649. 305 Vgl. auch Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, 1999, 91. 306 Borsellino/Cendon-D’Arrigo: Art. 121 Cod. Cons., 1092 f. 307 Bianca, Diritto Civile – Vol. V – La responsabilita`, 2012, 652 f. 308 Vormals Art. 9 II Decr. P.R. 224/88 vom 24.05.1988. 309 „Art. 121 Cod. Cons. 1. Se piu` persone sono responsabili del medesimo danno, tutte sono obbligate in solido al risarcimento. 2. Colui che ha risarcito il danno ha regresso contro gli altri nella misura determinata dalle dimensioni del rischio riferibile a ciascuno, dalla gravita` delle eventuali colpe e dalla entita` delle conseguenze che ne sono derivate. Nel dubbio la ripartizione avviene in parti uguali.“ 310 Vgl. Carfı`: Responsabilita` per danno da prodotti difettosi, 574. 311 Bonilini/Confortini-Della Bella: Solidarieta` tra responsabili del danno del prodotto difettoso, 997. 312 Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 223 m.w.N.

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

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man das Risiko einer ökonomischen Unternehmung (operazione commerciale) zugrunde, so könnte das für eine geringere Haftungsquote des (bloßen) Teilezulieferers sprechen.313 Eine Rolle spielt darüber hinaus auch im außervertraglichen Bereich die vertragliche Risikozuordnung, das heißt, ob der Zulieferer seine Verpflichtungen aus dem Vertrag nach den Regeln der Kunst erfüllt hat. Art. 121 Cod. Cons. lässt die Vereinbarung von Haftungsbegrenzungen zwischen den Gesamtschuldnern grundsätzlich zu.314 Beschränkt wird dieses Recht aber einerseits durch Art. 1229 CC, wonach ein Haftungsausschluss für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit unzulässig ist, und andererseits auch durch Art. 5 Legge Subfornitura. Danach kann der Zulieferer nur für Mängel der Qualität oder Funktionsfähigkeit der von ihm gelieferten Produkte oder Dienstleistungen haftbar gemacht werden.315 Haftungsverschärfungen zu Lasten des Zulieferers sind gemäß Art. 5 Legge Subfornitura nichtig.316 Ein Mitverschulden des Geschädigten ist entsprechend Art. 122 Cod. Cons. und Art. 1227 CC zusätzlich zu berücksichtigen. Die außervertragliche Haftung (responsabilita` extracontrattuale) bleibt im Übrigen von der Legge Subfornitura unberührt.317 3. Innenausgleich in Einkaufsbedingungen nach italienischem Recht Die Einkaufsbedingungen von Lamborghini318 nehmen zwar nicht ausdrücklich auf den Rückruffall Bezug, sehen aber in Art. 12.2. eine Regelung zum Innenausgleich im Fall der Verletzung von gesetzlichen Produktsicherheitsregeln vor. Lamborghini behält sich die Freistellung durch den Zulieferer in den Fällen vor, dass dieser seine vertraglichen Verpflichtungen nicht korrekt ausgeführt hat und die von Lamborghini an Dritte geleisteten Schadensersatzzahlungen direkt oder indirekt verursacht hat.319 313

So Bianca, Diritto Civile – Vol. V – La responsabilita`, 2012, 749 (dort Fn. 17) . Borsellino/Cendon-D’Arrigo: Art. 121 Cod. Cons., 1094. 315 Leccese: Art. 5 (Responsabilita` de subfornitore), in: Alpa/Clarizia (Hrsg.), 1999, 179 f. 316 Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 224. 317 Auch Calvagno D’Achille, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 379; Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 221. 318 Automobili Lamborghini S.p.a.: General Terms and Conditions for Purchase of Goods and Services (Stand Januar 2017), , 30.07.2020 (Lamborghini-Einkaufsbedingungen 2017). 319 „12.2. […] should the Purchasing company be subject to claims for damages for breach of safety legislation or other applicable legislation of any kind whatsoever, the same reserves the right to request reimbursement of all damages, costs, expenses and indemnifications from the Supplier, whenever provision of the Services has not been carried out 314

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

Fiat hingegen regelt den Rückruffall in ihren Einkaufsbedingungen320 ausdrücklich, Art. 37. Hierin wird der Zulieferer zum Innenausgleich für sämtliche Kosten, die mit dem Rückruf in Zusammenhang stehen, verpflichtet, wenn Fiat sich für einen Rückruf entscheidet und das Zulieferprodukt mangelhaft war.321 Voraussetzung hierfür ist aber nicht, dass das Produkt einen sicherheitsrelevanten Mangel hat, es muss also nicht notwendigerweise eine Verpflichtung zum Rückruf bestehen. Die Allgemeinen Einkaufsbedingungen von Fiat werden in einem Addendum aus 2011 dahingehend ergänzt, dass der Zulieferer Fiat für sämtliche Kosten (auch Rückrufkosten) freizustellen hat, die im Zusammenhang mit Vertragsverletzungen, Mängeln des Zulieferprodukts oder nicht ausreichend sorgfältiger Planung und Produktion des Zulieferprodukts stehen, Art. 29.2 Addendum 2011. Den Bedingungen der Hersteller ist gemeinsam, dass sie eine Anrechnung von eigenem Mitverschulden im Innenverhältnis bzw. die Berücksichtigung eigener Verursachungs- und Verantwortungsbeiträge nicht (jedenfalls nicht ausdrücklich) vorsehen. Schließlich regelt Fiat in dem Addendum aus 2011 auch eine Versicherungspflicht des Zulieferers im Hinblick auf „alle sich aus den Einkaufsbedingungen und dem Zuliefervertrag ergebenden Verpflichtungen“, Art. 62. Italienische Zulieferunternehmen sehen gegenüber ihren eigenen Zulieferern in ihren allgemeinen Einkaufsbedingungen teilweise ebenfalls Verpflichtungen zum Abschluss bzw. Nachweis eines entsprechenden Versicherungsschutzes für Rückrufaktionen und Produkthaftung vor.322 Teilweise wird auch in den Verkaufsbedingungen (gegenüber dem Besteller) die Haftungs-

correctly and has directly or indirectly caused the claim for damages.“, LamborghiniEinkaufsbedingungen 2017. 320 FCA Italy S.p.A.: Condizioni Generali di Acquisto (Stand Juni 2002) und Addendum 2011 (Fiat-Einkaufsbedingungen 2002 und Addendum 2011), die auch nach dem Zusammenschluss von Fiat und Chrysler noch Anwendung finden; der Autorin von Fiat (FCA Italy S.p.A.) zur Verfügung gestellt, nicht öffentlich abrufbar. 321 „37. Campagne di richiamo 37.1 Nel caso in cui, in qualsiasi momento, il Cliente decida una campagna di richiamo dei Veicoli Fiat Auto per sostituire o riparare Prodotti Contrattuali interessati da un Difetto suscettibile di pregiudicare la sicurezza dei Veicoli Fiat Auto o comunque la loro conformita` a Normative, il Fornitore sara` tenuto a: […] ii) rimborsare al Cliente il costo di acquisto, movimentazione, imballo, spedizione e trasporto dei Prodotti Contrattuali di sostituzione, cosı` come il costo delle operazioni necessarie per la sostituzione e/o riparazione dei Prodotti Contrattuali e per l’individuazione dei Veicoli Fiat Auto interessati dalla campagna di richiamo, nonche´ gli altri costi necessari all’attuazione della campagna.“, Fiat-Einkaufsbedingungen 2002. 322 Magneti Marelli: Condizioni Generali di Acquisto (Stand 2018), , 30.07.2020, Nr. 10.

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

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summe auf die Gesamtsumme des Verkaufspreises begrenzt, um so das Haftungsrisiko zu reduzieren.323 4. Resümee Auch im italienischen Schrifttum sind der Rückruf von Produkten und der Innenausgleich im Haftungsfall keine Schwerpunkte in der Diskussion um Zulieferbeziehungen und finden allenfalls am Rande Erwähnung. Zwar erfolgt der Gesamtschuldnerausgleich nach italienischem Recht grundsätzlich nach Verschuldens- und Verursachungsquoten, allerdings spiegelt sich das nicht in den Einkaufsbedingungen der Hersteller wider, insbesondere bei der verschuldensunabhängigen Produkthaftung kann es zu einer vollen Haftung des Zulieferers auch im Rückruffall kommen. Die Begrenzung auf seine eigene Produktverantwortung nach Art. 5 Legge Subfornitura würde dem Zulieferer dann auch nicht helfen. Denkbar wäre allenfalls eine richterliche Korrektur über die Anwendung der Generalklausel der buona fede oggettiva.

IV. Innenausgleich nach deutschem Recht 1. Haftungsgrundlagen im Außenverhältnis und Verkehrssicherungspflichten Im deutschen Recht wird das spezielle Produkthaftungsrecht nach dem ProdHaftG durch das allgemeinen Deliktsrecht ergänzt; es kommen vor allem Ansprüche nach § 823 BGB in Betracht. Gerade im Kfz-Bereich haben die Beteiligten – insbesondere der Endhersteller – darüber hinaus Produktbeobachtungspflichten, aus denen letztlich auch Warn- und Rückrufpflichten resultieren. a) Verkehrssicherungspflichten von Endhersteller und Zulieferer vor Inverkehrbringen Gemäß § 823 BGB hat der Hersteller von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugzubehörteilen weitreichende Verkehrssicherungspflichten, insbesondere für Konstruktions-, Material- und Fabrikationsfehler. Nach Inverkehrbringen des Produkts bestehen Produktbeobachtungspflichten. Diese Pflichten treffen den Endhersteller im Hinblick auf das Endprodukt und den Zulieferer im Hinblick auf sein Zulieferteil als originäre Pflichten.324 Selbst wenn der

323 Brembo S.p.A.: CONDIZIONI GENERALI DI VENDITA BREMBO S.p.A., , 30.07.2020, Nr. 7. 324 Zu den originären Verkehrssicherungspflichten der verschiedenen Zulieferertypen ausführlich Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 261.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

Hersteller die Konzeptions- und Konstruktionsverantwortung für das Zulieferteil trägt (Auftragsfertiger), ist der Zulieferer verpflichtet, auf Widersprüche oder Ungenauigkeiten in den Plänen und Spezifikationen hinzuweisen, die ihm aufgrund seines technischen Know-how auffallen.325 Durch die Einrichtung eines Qualitätssicherungssystems mit Dokumentations- und Zertifizierungspflichten, regelmäßigen Lieferantenaudits und der Verlagerung der Wareneingangskontrolle auf den Zulieferer kommt es zu einer Modifikation dieses Pflichtenkanons. Beispielsweise die Wareneingangskontrolle ist nicht nur auf vertraglicher Ebene relevant, sondern ist auch Teil der Verkehrssicherungspflichten des Herstellers gegenüber Dritten.326 Seine Verkehrssicherungspflichten in Bezug auf Konstruktions-, Material- und Fabrikationsfehler – darunter auch die Eingangskontrolle – kann der Hersteller teilweise auf den Zulieferer übertragen,327 sofern das Zulieferprodukt betroffen ist und der Zulieferbetrieb sorgfältig ausgewählt und kontrolliert wird,328 also ein funktionstüchtiges Qualitätsmanagementsystem eingerichtet ist.329 Es muss auf diese Weise gewährleistet werden, dass die Gefahrenquelle zuverlässig gesichert wird, dabei müssen klare vertragliche Verpflichtungen die Befolgung des Regelwerks sicherstellen.330 Der Endhersteller kann sich aber nicht gänzlich von seinen Verkehrssicherungspflichten befreien. Bei Übertragung von Verkehrssicherungspflichten an den Zulieferer wandeln sich die originären Pflichten des Herstellers in Auswahl- und Überwachungsverpflichtungen.331 Bei der Auswahl des Zulie325 Vgl. BGH, Urt. v. 09.01.1990 – VI ZR 103/89, NJW-RR 1990, 406; OLG Karlsruhe, Urt. v. 02.04.1993 – 15 U 293/91 NJW-RR 1995, 594, 596. Das ergibt sich in Italien bereits auf vertraglicher Ebene aus der Anwendung werkvertraglicher Regeln. 326 BGH, Urt. v. 03.06.1975 – VI ZR 192/73, VersR 1960, 855, 856; BGH, Urt. v. 03.06.1975 – VI ZR 192/73 NJW 1975, 1827, 1828; BeckOGK-Spindler: § 823, Rn. 682. 327 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 04.06.1996 – VI ZR 75/95, NJW 1996, 2646; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.02.2008 – 18 U 58/07, NJW-RR 2008, 1476; OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.02.2008 – 18 U 58/07, VersR 2006, 96. 328 BGH, Urt. v. 19.11.1991 – VI ZR 171/91, NJW 1992, 1039, 1041; MüKoBGB-Wagner: § 823 BGB, Rn. 789; Produkthaftungshandbuch-Kreifels/Weide: 4. Teil. Qualitätssicherungsvereinbarungen, 1052. 329 Vgl. bereits Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, 112 f.; OLG Köln, Urt. v. 15.03.1989 – 13 U 70/87, NJW-RR 1990, 414. 330 BGH, Urt. v. 22.01.2008 – VI ZR 126/07, NJW 2008, 1440, 1441; BGH, Urt. v. 04.06.1996 – VI ZR 75/95, NJW 1996, 2646; BGH, Urt. v. 08.12.1987 – VI ZR 79/87, NJW-RR 1988, 471; Palandt-Sprau: § 823 BGB, Rn. 50; StaudingerBGB-Hager: § 823 BGB, Rn. E 59. 331 BGH, Urt. v. 22.07.1999 – III ZR 198–98, NJW 1999, 3633, 3634; Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 258. OLG Köln, Urt. v. 15.03.1989 – 13 U 70/87, NJW-RR 1990, 414: „Die Bekl. konnte und musste sich darauf verlassen, dass der ihr als zuverlässig bekannte Zulieferer die bestellte Qualität lieferte. Eine wirtschaftlich zumutbare geeignete Prüfungsmethode gab es für die Bekl. nicht, auch nicht unter Berück-

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ferers spielen vor allem die technische und organisatorische Qualifizierung und die Zuverlässigkeit eine Rolle, dabei kann auch die Zertifizierung nach branchenüblichen Standards von Bedeutung sein. Die Verpflichtungen bei der Auswahl der Zulieferer können angemessene Bemusterungsverfahren erfüllen; diese müssen regelmäßig auch Sublieferanten erfolgreich durchlaufen.332 Die fortlaufende Überwachung kann durch regelmäßige (beispielsweise jährliche) Qualitätsaudits und anlasslose Stichproben erfolgen; rein anlassbezogene Kontrollen werden angesichts des hohen Gefahrenpotentials im Automobilbereich nicht genügen.333 b) Haftung für präventive Maßnahmen: Warn- und Rückrufpflichten Ähnlich den Vergleichsrechtsordnungen unterscheidet auch das deutsche Recht zwischen behördlich angeordneten Rückrufen334, Rückrufen aufgrund von deliktischen Rückrufpflichten335 und freiwilligen Rückrufen. Die Gefährdungshaftung des ProdHaftG löst keine Rückrufverpflichtung aus, sondern lediglich Sekundäransprüche auf Schadensersatz im Falle einer Rechtsgutsverletzung.336 Rückrufe können für den Produktnutzer kostenlos oder aber kostenpflichtig (Angebot zur kostenpflichtigen Reparatur)337 sein. Vorstufe des Rückrufs ist die Warnung, durch die die Produktnutzer über eine konkrete Gefahr im Zusammenhang mit der (weiteren) Nutzung des Produkts informiert werden.338

sichtigung des hohen Schadensrisikos beim Endverbraucher, wenn das Produkt nicht den Anforderungen entsprach.“ 332 Gaiser, Die rechtliche Problematik der Erstbemusterungspraxis in der Automobilindustrie, 1997, 124 f. 333 OLG Brandenburg, Urt. v. 05.08.2008 – 2 U 15/07, VersR 2009, 221, 222; PalandtSprau: § 823 BGB, Rn. 52. Vgl. zu den Verkehrssicherungspflichten in der Just-in-timeZulieferbeziehung ausführlich auch Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 101 ff. 334 § 26 II Nr. 7 ProdSG; bei Kraftfahrzeugen regelmäßig das Kraftfahrzeug-Bundesamt (KBA). 335 Veltins, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler (Hrsg.), 2016, 29. 336 MüKoBGB-Wagner: ProdHaftG, Rn. 57; StaudingerBGB-Hager: § 823 BGB, Rn. F 25; Kreidt, Die Haftung des Zulieferers für Produktionsschäden und Rückrufkosten, 2006, 128; Bodewig, Der Rückruf fehlerhafter Produkte, 1999, 280. 337 Sofern nicht ohnehin Gewährleistung geschuldet wird; das kann aber etwa ausgeschlossen sein, wenn die Verjährungsfristen abgelaufen sind. 338 BGH, Urt. v. 16.12.2008 – VI ZR 170/07, BGHZ 179, 157 = NJW 2009, 1080, 1080–1083.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

(1) Deliktische Rückrufverpflichtung Aus den Produktbeobachtungspflichten des Herstellers nach § 823 I BGB lassen sich Warn- bzw. Rückrufverpflichtungen ableiten.339 Der Hersteller hat die Pflicht, Gefahren von Verwendern des Produkts oder Dritten abzuwenden; das beinhaltet auch die Produktbeobachtung nach Inverkehrbringen, die Warnung vor Produktrisiken und notfalls auch den Rückruf des Produkts.340 Wann über eine Warnpflicht hinaus auch eine Verpflichtung zum Rückruf der Produkte (und kostenfreien Nachrüstung) besteht, ist restriktiv zu bestimmen.341 Ein Rückruf kann nur dann als verpflichtend angesehen werden, wenn nur so das sicherheitsrelevante Risiko zuverlässig ausgeräumt werden kann und beispielsweise eine Einstellung der Nutzung die Gefahr nicht beseitigen würde.342 339

Wohl h.M., vgl. etwa BGH, Urt. v. 17.03.1981 – VI ZR 191/79, BGHZ 80, 186 = NJW 1981, 1603, 1604 (Derosal = Apfelschorf I). MüKoBGB-Wagner: § 823 BGB, Rn. 679; StaudingerBGB-Hager: § 823 BGB, Rn. 25. Anderer Ansicht aber Rudkowski, VersR 69 (2018), 65, 70. Je nach Gefährdungspotential können den Hersteller aktive Produktbeobachtungspflichten bis hin zu Verfolgung der Ergebnisse internationaler Kongresse und Publikationen treffen, vgl. BGH, Urt. v. 17.03.1981 – VI ZR 286/78, BGHZ 80, 199 = NJW 1981, 1606 (Benomyl = Apfelschorf II). Die Produktbeobachtungspflicht des Herstellers ist üblicherweise nicht auf sein eigenes Produkt beschränkt, sondern betrifft auch Wechselwirkungen mit in das Produkt integrierten Komponenten, vgl. BGH, Urt. v. 09.12.1986 – VI ZR 65/86, BGHZ 99, 167 = NJW 1987, 1009 (Motorrad-Lenkerverkleidung); MüKoBGB-Wagner: § 823 BGB, Rn. 827, 37. 340 BGH, Urt. v. 17.03.1981 – VI ZR 191/79, BGHZ 80, 186 = NJW 1981, 1603, 1604 (Derosal = Apfelschorf I); BGH, Urt. v. 17.03.1981 – VI ZR 286/78, BGHZ 80, 199 = NJW 1981, 1606 (Benomyl = Apfelschorf II); vgl. etwa NK-BGB-Katzenmeier: § 823, Rn. 320. Einige leiten die Rückrufpflicht nicht oder nicht ausschließlich aus § 823 I BGB, sondern vielmehr (auch) aus § 1004 I BGB ab, der mangels eines zu restituierenden Schadens für diesen vorbeugenden Rechtsschutz passender sei. Kreidt, Die Haftung des Zulieferers für Produktionsschäden und Rückrufkosten, 2006, 282 f.; so auch Rudkowski, VersR 69 (2018), 65, 71; LG Frankfurt, Urt. v. 01.08.2006 – 2/19 O 429/04, VersR 2007, 1575. Allerdings schließen sich die beiden Anspruchsgrundlagen nicht aus, sondern können nebeneinander stehen; vgl. StaudingerBGB-Hager: § 823 BGB, Rn. F 26. 341 Teilweise wird eine Rückrufverpflichtung gänzlich abgestritten, mit der Argumentation, dass den Verkehrssicherungspflichten bereits mit einer Warnung genüge getan werden könne. Ein Rückruf, der mit einer kostenlosen Nachbesserung einhergeht, ohne dass es zu einer Verletzung des Integritätsinteresses gekommen wäre, entspreche nicht dem Schutzzweck des Deliktsrechts sondern den Zielsetzungen des Gewährleistungsrechts; vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 01.08.2006 – 2/19 O 429/04, VersR 2007, 1575. Teilweise wird differenziert, ob von dem Produkt die Gefahr von Personenschäden ausgeht, Molitoris/ Klindt, NJW 2008, 1203, 1206; oder auch nach gefährlichen und ungefährlichen Produktkategorien, StaudingerBGB-Hager: § 823 BGB, Rn. F25. 342 So OLG Nürnberg, Urt. v. 03.08.2011 – 12 U 1143/06, BeckRS 2013, 06837; Reusch, BB 2017, 2248, 2252. Bei Entwicklungsrisiken wird eine Rückrufverpflichtung regelmäßig abzulehnen sein, da es nicht sachgerecht wäre, den Hersteller an einem zukünftigen Stand

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(2) Besonderheiten beim Rückruf von Kraftfahrzeugen Der konkrete Pflichtenumfang bei der Durchführung eines Produktrückrufs ist im Kfz-Bereich nicht abschließend geklärt.343 In seiner „Pflegebetten“-Entscheidung vom 16.12.2008 nahm der BGH zur Abgrenzung der bloßen Warnpflicht von der Rückrufpflicht eingehend Stellung.344 Bei drohenden Personenschäden soll eine Rückrufpflicht bestehen, wenn die Warnung es „den Benutzern des Produkts nicht ausreichend ermöglicht, die Gefahren einzuschätzen und ihr Verhalten darauf einzurichten“ oder wenn „Grund zu der Annahme besteht, diese würden sich – auch bewusst – über die Warnung hinwegsetzen und dadurch Dritte gefährden“.345 An dem Urteil wird kritisiert, dass die Anknüpfung an konkrete Benutzergruppen zu ungerechtfertigten Differenzierungen führen könne und sich darüber hinaus das Verhalten der Nutzer ex ante nicht immer sicher prognostizieren ließe.346 In einem später entschiedenen Fall des OLG Nürnberg waren fehlerhafte Brandschutztüren auszutauschen, da nur so die Gefahr wegen der Nutzung auch durch nichtgewerbliche Nutzer zu beseitigen war.347 Gerade im Kfz-Bereich kann die Anknüpfung an die Benutzergruppen hilfreich sein, da so auch ihre eigenen rechtlichen Pflichten, die mit der Produktnutzung einhergehen, mitberücksichtigt werden können. Die Produktnutzer lassen sich über das Kraftfahrt-Bundesamt vergleichsweise einfach ermitteln348 und in die Pflicht nehmen.349 Eine Warnung erreicht also alle

der Technik festzumachen. Der Hersteller hat sich in so einem Fall im Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht sorgfaltswidrig verhalten, wenn das Produkt zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens dem Stand der Technik entsprach, da er noch nichts von den Sicherheitsrisiken wusste bzw. auch nicht hätte wissen müssen. Auch der Produktnutzer konnte zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht mehr als den damaligen Stand der Technik erwarten; MüKoBGB-Wagner: § 823 BGB, Rn. 851; Geigel, Haftpflichtprozess-Wellner: § 823 I BGB, Rn. 291. 343 Vgl. auch Lüftenegger, NJW 2018, 2087, 2088. 344 BGH, Urt. v. 16.12.2008 – VI ZR 170/07, BGHZ 179, 157 = NJW 2009, 1080 (Pflegebetten). 345 BGH, Urt. v. 16.12.2008 – VI ZR 170/07, BGHZ 179, 157 = NJW 2009, 1080, 1081 (Pflegebetten); OLG Nürnberg, Urt. v. 03.08.2011 – 12 U 1143/06, BeckRS 2013, 06837. 346 So etwa Müller, in: Ensthaler/Gesmann-Nuissl/Müller (Hrsg.), 2012, 68. 347 OLG Nürnberg, Urt. v. 03.08.2011 – 12 U 1143/06, BeckRS 2013, 06837. 348 , 30.07.2020. Gemäß § 35 II Nr. 1 StVG können den Herstellern Fahrzeugdaten und Halterdaten übermittelt werden, wenn das für Rückrufmaßnahmen zur Beseitigung von erheblichen Mängeln für die Verkehrssicherheit oder für die Umwelt an bereits ausgelieferten Fahrzeugen erforderlich ist. 349 Insbesondere die Haftung des Fahrzeughalters nach §§ 7, 18 StVG und die Verkehrssicherungspflichten aus §§ 23 I 2, 31 II StVO verpflichten den Produktnutzer, einer Warnung Folge zu leisten.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

deutschen Halter und zusätzliche Anreize für die Sicherstellung der Wirksamkeit eines gefährdungsbedingten Rückrufs könnten entbehrlich sein.350 Gleichwohl bestehen bei der Nutzung von Kraftfahrzeugen erhöhte Risiken für die körperliche Unversehrtheit von Nutzern aber auch Dritten. Auch ist der Hersteller regelmäßig am besten dazu in der Lage, den Gefahrenherd – etwa durch eine Reparatur des Fahrzeugs – zu beseitigen.351 Ferner lässt sich nicht ausschließen, dass ein erheblicher Teil der Produktnutzer einer Warnung oder der Aufforderung zu einer kostenpflichtigen Reparatur nicht Folge leisten, das Angebot einer kostenlosen Reparatur aber annehmen würde.352 Das spricht – jedenfalls bei erheblichen Sicherheitsrisiken – insgesamt für eine Verpflichtung zum Rückruf mit kostenloser Reparatur bzw. Nachrüstung. In der Automobilbranche sind über die gesetzlichen Pflichten hinaus freiwillige Produktrückrufe durchaus üblich. Diese sind dem KBA als zuständiger Behörde gemäß § 6 IV ProdSG anzuzeigen.353 Teilweise sehen die Unternehmen hierfür auch Haftungsverteilungsregeln in ihren Rahmenverträgen vor. (3) Rückrufpflicht des Zulieferers eingebauter Teile Der Hersteller eines Zulieferteils ist gemäß § 823 I BGB grundsätzlich in gleicher Weise verpflichtet wie der Hersteller eines Endprodukts. Den Zulieferer treffen daher ebenfalls Produktbeobachtungspflichten, aus denen Warnund Produktrückrufpflichten gemäß § 823 I BGB resultieren können.354 Teilweise wird befürwortet, den Zulieferer einer integrierten Komponente von der (direkten) Rückrufpflicht zu entbinden, da dieser nicht in der Lage sei, einen Rückruf ebenso effektiv und effizient durchzuführen wie der Hersteller des Endprodukts.355 Folge wäre aber, dass ein Rückgriff des Herstel350

So Lüftenegger, NJW 2018, 2087, 2089; Molitoris, NJW 2009, 1049, 1050 f. Vgl. Lüftenegger, NJW 2018, 2087, 2090; grds. eine Rückrufpflicht immer dann annehmend, wenn „die Gefahr durch eine Reparatur gebannt werden kann“ StaudingerBGB-Hager: § 823 BGB, Rn. F 25. 352 Rudkowski, VersR 69 (2018), 65, 72 verweist auf die hohe Bedeutung der ungestörten Fahrzeugnutzung im Alltag. 353 Für die Durchführung von freiwilligen Rückrufen gilt der Kodex zur Ausführung von Rückrufaktionen, abrufbar unter , 30.07.2020. 354 BGH, Urt. v. 06.07.1990 – 2 StR 549/89, NJW 1990, 2560, 2564; OLG Karlsruhe, Urt. v. 02.04.1993 – 15 U 293/91, NJW-RR 1995, 594, 597; OLG München, Urt. v. 18.02.1998 – 7 U 6173–95, NJW-RR 1999, 1657. Vgl. auch Veltins, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler (Hrsg.), 2016, Rn. 37; Palandt-Sprau: § 823 BGB, Rn. 181. 355 Der separate Rückruf des Zulieferteils ist nach Einbau in das Endprodukt nur selten möglich, der Rückruf des gesamten Produkts durch den Zulieferer aber in der Regel nicht sinnvoll, da ihm oft nötiges Know-how zur Konstruktion des Endprodukts fehlt und der 351

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

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lers gegenüber dem Zulieferer aus dem Gesichtspunkt der Gesamtschuld nicht möglich wäre. Gegen dieses gesetzliche Haftungsrisiko kann sich der Zulieferer zudem durch eine Rückrufkostenversicherung absichern.356 c) Zwischenergebnis Es bestehen auch außervertragliche Haftungsrisiken, die auf der Fehlerhaftigkeit eines Produkts beruhen und insbesondere bei sicherheitsrelevanten Mängeln greifen. Im außervertraglichen Bereich gilt zunächst die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz, die allerdings auf privat genutzte Produkte beschränkt ist und nur bei einer Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit oder Eigentum durch das fehlerhafte Produkt Anwendung findet. Aus der allgemeinen deliktischen Produzentenhaftung, die auch die gewerbliche oder berufliche Produktnutzung umfasst, können sich Warn- und Rückrufpflichten ergeben. Nach dem Produkthaftungsgesetz können sowohl der Endhersteller als auch der Zulieferer in Anspruch genommen werden (weiter Herstellerbegriff). Nach § 823 BGB haften Endhersteller und Zulieferer gleichermaßen, wenn sie ihren Instruktions- und Produktbeobachtungspflichten nicht hinreichend nachgekommen sind. Auch ein freiwilliger Rückruf wird regelmäßig vom Endhersteller durchgeführt. Nach deutschem Recht bündeln sich also die Haftungsrisiken in erster Linie beim Endhersteller. 2. Innenausgleich nach deutschem Recht a) Grundlagen für den Regress im Innenverhältnis Ein vertraglicher Regressanspruch des Herstellers gegenüber dem Zulieferer kann sich aus der vertraglichen Gewährleistung ergeben, aber auch aus vertraglichen Haftungsvereinbarungen. Bei mangelhafter Lieferung besteht ein Anspruch nach § 280 I BGB auf Ersatz von Mangelfolgeschäden – zu denen auch die Rückrufkosten zählen.357 Allerdings muss in diesem Fall die Schadensminderungspflicht nach § 254 II BGB berücksichtigt werden, die die Ersatzfähigkeit der Kosten eines freiwilligen Rückrufs begrenzt. Im Innenverhältnis ist ein mögliches Mitverschulden des Automobilherstellers über § 254 BGB zu berücksichtigen. Bei einem objektiv nicht erforderlichen Rückruf

Zulieferer von den Produktnutzern weniger mit dem Endprodukt in Verbindung gebracht wird. Vgl. auch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 265 f.; JurisPK-BGB-Lange/Schmidbauer: § 823 BGB, Rn. 138; Haberland, Die Produkthaftung im deutschen und US-amerikanischen Recht, 2015, 80. 356 Hierzu näher unten, unter V. 2. Vgl. auch Westphalen, BB 2000, 1529, 1531. 357 Röhricht/Westphalen/Haas, HGB-Laschet: Besondere Handelsverträge. Qualitätssicherungsvereinbarungen, Rn. 91.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

kann der Ersatzanspruch für die Rückrufkosten dann gemindert werden oder sogar ausgeschlossen sein.358 Eine Grenze für Gewährleistungsrechte bilden allerdings die recht kurzen Verjährungsfristen im Kaufrecht. In Betracht kommen daneben Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683 S. 1, 677 BGB), wenn der Endhersteller den Rückruf aufgrund der Rückrufpflicht des Zulieferers auch in dessen Interesse durchführt. Diese Ansprüche haben gegenüber dem Ausgleich den Vorteil, dass sie kein Gesamtschuldverhältnis und keine Rückrufpflicht auch des Endherstellers voraussetzen.359 Auch hier erfolgt die Haftungsverteilung nach den Grundsätzen des § 254 BGB.360 Daneben können sich Regressansprüche aus einer gesamtschuldnerischen deliktischen Haftung ergeben. Haften Zulieferer und Hersteller deliktisch nebeneinander, so haften sie gemäß § 840 I BGB als Gesamtschuldner. Gleiches gilt für Ansprüche nach dem ProdHaftG (§ 5 S. 2 Hs. 1 ProdHaftG). Der Innenausgleich richtet sich im Grundsatz nach § 426 I BGB. Für den Ausgleich gilt ein dreistufiges Verhältnis: Vorrang haben ausdrückliche und konkludente vertragliche Vereinbarungen zwischen den Parteien. Helfen diese nicht weiter, ist subsidiär auf gesetzliche Ausgleichsregeln abzustellen, insbesondere auf § 254 BGB. Letzte Stufe ist die Verpflichtung zu gleichen Anteilen (Kopfteilregress). Hiervon kann aber aufgrund der Umstände des Einzelfalls abgewichen werden.361 Neben den gesetzlichen Ausgleichanspruch tritt der gesetzliche Forderungsübergang an den Leistenden (cessio legis), insbesondere anteilig nach § 426 II BGB.362 Ferner kann eine Verpflichtung zur rechtsgeschäftlichen Abtretung des Ersatzanspruchs nach §§ 255, 285 BGB bestehen. Schließlich ist auch ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich (insbesondere § 812 I 1 Fall 1 BGB) denkbar.363 b) Ausgleich nach der Mitverschuldensquote, § 254 BGB Die Frage nach dem Innenausgleich zwischen Zulieferer und Hersteller stellt sich nur, wenn die Ursächlichkeit eines Fehlers des Zulieferprodukts für den Fehler des Endprodukts nicht ausgeschlossen werden kann. Hat der Fehler des Endprodukts keinen Bezug zu dem Zuliefererprodukt, lässt sich eine Haftung des Zulieferers nur schwerlich begründen und würde auch bei vertraglicher Vereinbarung an die Grenzen des Zulässigen stoßen. 358

MüKoBGB-Oetker: § 254, Rn. 68,77. Vgl. OLG München, Urt. v. 18.02.1998 – 7 U 6173–95, NJW-RR 1999, 1657. 360 MüKoBGB-Oetker: § 254, Rn. 24. 361 MüKoBGB-Heinemeyer: § 426, Rn. 15, 22; Palandt-Grüneberg: § 426 BGB, Rn. 8. 362 Der anteilige Übergang ist auf den Umfang des Ausgleichsanspruchs nach § 426 I BGB beschränkt. Vgl. nur Palandt-Grüneberg: § 426 BGB, Rn. 16. 363 Vgl. m.w.N. MüKoBGB-Wagner: § 823 BGB, Rn. 856. 359

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

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Die gesetzliche Konkretisierung der Haftungsverteilung ist besonders bedeutsam in Fällen, in denen die vertraglich gewählte Haftungsverteilung AGB-rechtlich oder kartellrechtlich unzulässig ist und das Gesetzesrecht an die Stelle der vertraglichen Klausel tritt. Gleichzeitig bildet sie den Orientierungsrahmen für vertragliche Vereinbarungen. Im deutschen Recht gilt für die Haftungsverteilung im Grundsatz das Verursachungsprinzip, während die Vergleichsrechtsordnungen vermehrt auf das Verschulden der Parteien abstellen. Auf das Verhältnis zwischen zwei Ersatzpflichtigen findet § 254 BGB, der die Anrechnung von Mitverschulden vorsieht, entsprechend Anwendung.364 Gemäß § 254 BGB haften die Parteien jeweils für ihren Verursachungsanteil an der Schadensentstehung (Abs. 1) und/oder der Schadenshöhe (Abs. 2). Bei Verschuldensvermutungen ist die Wahrscheinlichkeit der Verursachungsbeiträge maßgeblich.365 c) Besonderheiten beim Rückruf Auch beim Rückruf richtet sich der Innenregress grundsätzlich nach den Verantwortungsbereichen, d.h. den Rückrufverpflichtungen der Parteien. Da der Innenausgleich nach §§ 840, 426 BGB eine gesamtschuldnerische Außenhaftung voraussetzt, kann der Endhersteller auf Basis dessen gesetzlich nicht Regress bei seinem Zulieferer nehmen, wenn er nicht selbst zum Rückruf verpflichtet war, sondern den Rückruf z.B. aus Marketinggründen durchgeführt hat.366 Der Endhersteller kann den Zulieferer ebenfalls nicht in Regress nehmen, wenn er von der Mangelhaftigkeit der Komponente wusste, das Endprodukt aber dennoch in Umlauf gebracht hat. Denn dann hat er das Rückrufrisiko in Kauf genommen und trägt gemäß § 254 BGB die alleinige Verantwortung.367

364 BGH, Urt. v. 18.11.2014 – KZR 15/12, NZKart, 2015, 101, 102; BGH, Urt. v. 10.07.2014 – III ZR 441/13, NJW 2014, 2730, 2732; BGH, Urt. v. 05.10.2010 – VI ZR 286/09, NJW 2011, 292, 293; OLG Karlsruhe, Urt. v. 02.04.1993 – 15 U 293/91 NJW-RR 1995, 594; Palandt-Grüneberg: § 426 BGB, Rn. 14. 365 MüKoBGB-Heinemeyer: § 426, Rn. 22. 366 OLG Nürnberg, Urt. v. 03.08.2011 – 12 U 1143/06, BeckRS 2013, 06837; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.03.2007 – 17 U 11/06, NJW-RR 2008, 411; LG Frankfurt, Urt. v. 01.08.2006 – 2/19 O 429/04, VersR 2007, 1575; OLG Karlsruhe, Urt. v. 02.04.1993 – 15 U 293/91, NJW-RR 1995, 594; Lüftenegger, NJW 2018, 2087, 2091; Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203, 1206. A.A. Kreidt, Die Haftung des Zulieferers für Produktionsschäden und Rückrufkosten, 2006, 208, der diese Freistellung des Zulieferers als zu weit ansieht. Allerdings können die Parteien eine abweichende Vereinbarung treffen. 367 Vgl. MüKoBGB-Wagner: § 823 BGB, Rn. 856.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

3. Innenausgleich in Einkaufsbedingungen nach deutschem Recht Für deutsche Einkaufbedingungen zur Rückrufhaftung ist die VDA-Konditionenempfehlung368 exemplarisch. Danach haftet der Zulieferer gemäß XI.5. „für Maßnahmen des Bestellers zur Schadensabwehr (z.B. Rückrufaktion) […] soweit er rechtlich verpflichtet ist.“ Für den Innenausgleich wird an das eigene Verschulden oder die eigene verschuldensunabhängige Haftung des Zulieferers gegenüber Dritten angeknüpft und auf § 254 BGB verwiesen. Vor Inanspruchnahme des Zulieferers muss der Hersteller aber die Gelegenheit geben, den Schadensfall zu untersuchen. Die Bedingungen orientieren sich stark an der deutschen Gesetzeslage. Sie sind aber insoweit zuliefererfreundlicher, als sie eine Haftungsbeschränkung für den Fall der unzureichenden Versicherungsdeckung vorsehen: Dann haftet der Zulieferer nicht für den entgangenen Gewinn und für Schäden aus einer möglichen Betriebsunterbrechung. Einige deutsche Automobilhersteller haben die Bedingungen des VDA in ihren Einkaufsbedingungen hinsichtlich der Haftung wortgetreu übernommen.369 Die Einkaufsbedingungen der Porsche AG weichen zum Haftungsausgleich nur geringfügig ab. Für den Schadensausgleich wird nicht § 254 BGB sondern § 426 I und II BGB herangezogen. Zudem wurden die Regeln zu Haftungsbeschränkungen des Zulieferers bei unzureichender Versicherungsdeckung nicht übernommen. Die Daimler-Einkaufsbedingungen370 sehen im Unterschied zu der VDAEmpfehlung keine Beschränkung der Haftung des Bestellers vor. Bei Inanspruchnahme von Daimler durch Dritte aus Produkthaftung haftet der Zulieferer, „soweit der Produktfehler durch den Lieferanten verursacht worden ist“, (11.1). Im Rückruffall haftet der Zulieferer „soweit diese Maßnahmen auf der Mangelhaftigkeit der vom Lieferanten gelieferten Ware oder einer sonstigen Pflichtverletzung des Lieferanten beruhen“ (11.2). Dadurch wird die Haftung des Zulieferers klargestellt und werden mögliche Unklarheiten

368 Verband der Automobilindustrie: Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Bezug von Produktionsmaterial und Ersatzteilen, die für das Automobil bestimmt sind (Stand September 2015), , 30.07.2020 (VDA-Konditionenempfehlung 2015). 369 Der VDA-Konditionenempfehlung im Wortlaut unverändert folgend: Einkaufsbedingungen von Volkswagen, Audi. Hintergrund dessen dürfte wohl u.a. die Überlegung sein, dass so bei einem weltweiten Einkauf die Vergleichbarkeit der Angebote verschiedener Zulieferer leichter sichergestellt werden kann. 370 Daimler AG: Einkaufsbedingungen. Produktionsmaterial und Ersatzteile für Kraftfahrzeuge (Stand Oktober 2018), , 30.07.2020 (Daimler-Einkaufsbedingungen 2018).

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

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über die Rechtsgrundlage der Rückrufverpflichtung (oder anderer Feldmaßnahmen) beseitigt. Die Formulierung „soweit“ ermöglicht die Berücksichtigung eines eventuellen Mitverschuldens von Daimler. Größere Abweichungen von der Empfehlung des VDA für den Rückruffall enthalten die Bedingungen der BMW Group:371 11.4. „Liefert der Verkäufer fehlerhafte Waren und führt der Käufer deshalb aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder in Abstimmung mit Behörden eine Rückrufaktion von Produkten, in die die betreffenden Waren eingebaut wurden, durch, so hat er den Käufer und die Verbundenen Unternehmen von allen Verbindlichkeiten, Kosten, Schäden, Verlusten, Forderungen und Aufwendungen (einschließlich Gerichts- und Rechtsverfolgungskosten) freizustellen, die durch die Rückrufaktion entstehen oder hierauf zurückzuführen sind. Bei der Entscheidung über die Durchführung einer solchen Rückrufaktion hat der Käufer sein Ermessen pflichtgemäß auszuüben und die Interessen des Verkäufers angemessen zu berücksichtigen.“ Die Einkaufsbedingungen der BMW Group sehen also vor, dass der Zulieferer den Endhersteller von den Kosten eines „angemessenen“ Rückrufs freizustellen hat, wenn der Zulieferer fehlerhafte Waren geliefert hat. Das entspricht gleichfalls den deutschen gesetzlichen Bestimmungen. Darüber hinaus sehen diese Bedingungen unter 19.1. vor, dass der Zulieferer „auf eigene Kosten eine Betriebs- und Produkthaftpflicht-, sowie eine Kfz-Rückrufkostenversicherung in branchenüblichem und angemessenen Umfang bei einem renommierten und solventen Versicherungsunternehmen abzuschließen [hat], welche die Haftung des Verkäufers gegenüber dem Käufer und Dritten im erforderlichen Umfang abdecken.“ Auch hier wird also darauf Wert gelegt, dass der Zulieferer über eine Versicherung abgesichert ist. Für die Ausgestaltung der Haftungsverteilung im Innenverhältnis zwischen zwei Unternehmen setzt das deutsche AGB-Recht Grenzen. Haftungsbeschränkungen sind auch im Bereich außervertraglicher Haftung am AGBRecht zu messen. Eine vollständige Haftungsfreizeichnung des Herstellers gegenüber dem Zulieferer, insbesondere auch für seine Konstruktions- und Kontrollverantwortlichkeit sowie für fehlerhafte Weisungen, würde dem Grundgedanken von § 254 BGB widersprechen und wäre nach § 307 BGB zu beanstanden.372 Der Hersteller kann nicht jegliche Mitveranwortung an den Zulieferer abwälzen, insbesondere nicht die vollen Kosten eventuell notwendiger Rückrufaktionen, wenn dadurch dem Zulieferer die Einwendung der 371 BMW Group: Internationale Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial und Kraftfahrzeugteile (IPC) (Stand März 2018), , 30.07.2020 (BMW-Einkaufsbedingungen 2018). 372 So etwa auch Bauer/Westphalen, Das Recht zur Qualität, 1996, 49 f.; Ensthaler/Füßler/Nuissl, Juristische Aspekte des Qualitätsmanagements, 1997, 120.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

Mitverursachung durch den Hersteller abgeschnitten wird.373 Im Geltungsbereich des ProdHaftG sind bei der AGB-rechtlichen Beurteilung auch die Entlastungsmöglichkeiten des Teileherstellers nach § 1 III ProdHaftG zu beachten, die ihm nicht vollständig abbedungen werden können.374 Das erklärt die enge Orientierung der Einkaufsbedingungen an der deutschen Gesetzeslage. 4. Resümee Im Vergleich zu England und Italien widmet sich in Deutschland der Diskurs stärker der Frage der Verpflichtung zum Produktrückruf und der Haftung für Produktrückrufe. Dabei ist den Rechtsordnungen gemein, dass die Verpflichtung zum Produktrückruf auf eine Konkretisierung der Sorgfaltspflichten des End- und/oder Teileherstellers zurückzuführen ist. Für den Innenausgleich spielt auch der freiwillige Rückruf durch den Endhersteller eine Rolle. In diesem Fall haftet der Zulieferer nicht als deliktischer Gesamtschuldner und ein Ausgleich im Innenverhältnis auf Basis von § 426 I BGB scheidet aus. Auf Ebene des Schadens muss sich der Endhersteller zudem die Schadensminderungspflicht nach § 254 II 1 BGB entgegenhalten lassen. Die Einkaufsbedingungen der deutschen Automobilhersteller orientieren sich stark an dem gesetzlich vorgesehenen Innenausgleich, für den der Maßstab des § 254 BGB jedenfalls in entsprechender Anwendung gilt und der AGB-rechtlich auch nicht vollständig abbedungen werden kann. Die Einkaufsbedingungen der deutschen Hersteller nehmen darüber hinaus auf die Absicherung des Zulieferers durch eine entsprechende Produkthaftpflichtund Rückrufkostenversicherung Bezug. Hierin spiegelt sich das grundsätzliche Interesse der Hersteller wider, die Zulieferer als langfristige Vertragspartner zu erhalten.

V. Resümee und Rückschlüsse zum Innenausgleich In der rechtsvergleichenden Betrachtung wird deutlich, dass maßgebliches Verteilungskriterium im Innenverhältnis zunächst die (schuldhafte) Schadensverursachung ist. Das wird auch in den Geschäftsbedingungen der Hersteller nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Der Umgang mit Graubereichen und die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche können im Einzelfall aber Schwierigkeiten bereiten, wenn die Verlagerung der Qualitätssicherung375 angemessen berücksichtigt werden soll.

373

Budde/Geks, ZVertriebsR 2012, 37, 44. Vgl. Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 113. 375 Vgl. oben unter B.

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D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

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1. Verantwortungszuweisung nach dem Verursachungsprinzip unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Zulieferbeziehung a) Berücksichtigung der Verantwortlichkeitssphären und Verkehrssicherungspflichten Bei der außervertraglichen Haftung liegt eine Verantwortungsabgrenzung anhand der Verkehrssicherungspflichten nahe.376 Durch die Übertragung der Qualitätskontrollen auf den Zulieferer erweitert sich dessen Verantwortungssphäre vor allem im Fabrikationsbereich. Im Bereich der Konstruktion trifft den Hersteller unter anderem die Verpflichtung, die Anforderungen genau zu definieren, dem Zulieferer dem Stand der Technik entsprechende Vorgaben und technische Spezifikationen zukommen zu lassen und eine sorgfältige Prototypenprüfung durchzuführen.377 Bei Fehlern in der Qualitätskontrolle wird der Zulieferer dem Hersteller im Innenverhältnis grundsätzlich aber nicht entgegenhalten können, diesen treffe aufgrund sorgfaltswidriger Ausübung seiner Auswahl- und Überwachungsverpflichtung ein Mitverschulden.378 Etwas anderes kann auch nicht aus den Prinzipien der Architektenhaftung bei Bauprojekten abgeleitet werden.379 Der Architektenvertrag ist mit dem (Just-in-time-)Zuliefervertrag nicht ausreichend vergleichbar: Der Architekt wird von dem Dritten gerade wegen seiner fachspezifischen Kenntnisse für die Projektplanung und die Überwachung der Umsetzung durch den Bauunternehmer eingesetzt. Die Planungs- und Überwachungsverantwortung des Architekten ist daher typische primäre Vertragspflicht.380 Das lässt sich auf die Zulieferbeziehung nur ausnahmsweise übertragen, da typischerweise nicht nur der Hersteller fachspezifische Kenntnisse einsetzt, sondern auch der Zulieferer. Die Überwachungspflichten des Herstellers, die aus der Delegation der Verkehrssicherungspflichten herrühren, sind mit denen des Architekten daher nicht zu vergleichen. Dieses Ergebnis wird auch durch den Vergleich mit dem itali376 Ausführlich zur Bestimmung der (Teil-)Verantwortlichkeiten Bauer/Westphalen, Das Recht zur Qualität, 1996, 81 ff. 377 Vgl. mit anschaulichem Beispielfall Bauer/Westphalen, Das Recht zur Qualität, 1996, 69. 378 Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 297. 379 Vgl. Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 108: Danach würde die Haftung des „aufsichtspflichtigen“ Herstellers hinter dem Verursachungsbeitrag des Zulieferers zurücktreten, der für die Fehlerfreiheit seines Teils einzustehen hat, es sei denn der Fehler ist auf fehlerhafte Gesamtplanung zurückzuführen. Zur Haftung des Architekten und des Bauunternehmers vgl. MüKoBGB-Heinemeyer: § 426, Rn. 23. 380 Gemäß § 650p BGB schuldet der Architekt beim Architektenvertrag regelmäßig Bauplanung und Bauüberwachung; MüKoBGB-Busche: § 650p, Rn. 23 ff. Vgl. Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 297 f.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

enischen Recht bestätigt: Da der contratto di appalto auf Werkverträge i.S.d. deutschen Rechts und Bauverträge gleichermaßen Anwendung findet, trägt der Unternehmer zwar grundsätzlich eine Mitverantwortung für die Projektplanung. Diese Mitverantwortung wurde aber von den Gerichten bislang nur für Bauverträge angenommen und in der Legge Subfornitura wird die Haftung des Zulieferers für die Projektplanung ausdrücklich begrenzt. b) Haftung für das Funktionieren des Qualitätsmanagementsystems Bei der Verteilung des Fehlerrisikos stellt sich auch die Frage, wer das Risiko eines funktionierenden Qualitätssicherungssystems zu tragen hat, wenn sich kein Verschulden der einen oder der anderen Partei feststellen lässt. Der Entwurf und die Konzeption des Qualitätsmanagements werden oftmals auf den Hersteller zurückzuführen sein, teils in Kooperation mit dem Zulieferer. Die Operationalisierung des Qualitätssicherungssystems findet hingegen beim Zulieferer statt. Denkbar ist daher eine (Organisations-)Mitverantwortung des Herstellers für ein funktionierendes Qualitätssicherungssystem. Wenn das Qualitätssicherungssystem versagt oder nicht ausreicht,381 so muss der Hersteller ggf. Mitverantwortung für aus solchen Fehlern resultierende Haftung tragen.382 Auch wenn das Qualitätssicherungssystem nicht richtig umgesetzt wird, können sich daraus erhöhte Fehlerquoten ergeben. Soweit der Hersteller Einfluss auf die Umsetzung des Qualitätssicherungssystems beim Zulieferer genommen hat, muss er sich ein Mitverschulden anrechnen lassen. Lassen sich Gründe für ein Versagen des Systems weder in der Konzeptionssphäre noch der Ausführungssphäre eindeutig verorten, wäre allein die Schadensteilung interessengerecht.383 Eine Besonderheit ergibt sich in Deutschland aufgrund der (teilweisen) Abbedingung der Wareneingangskontrolle. Zum Ausgleich könnte dem Hersteller ein pauschaler Mitverantwortungsanteil zuzurechnen sein. Zwar führt die aufgrund ungenügender Untersuchung unterbliebene Mängelanzeige nur zum Ausschluss von Gewährleistungsrechten und nicht auch zum Ausschluss der außervertraglichen Haftung.384 Die Abbedingung der Wareneingangskontrolle geht aber mit der Delegation der (auch außervertraglichen) Untersuchungspflichten des Herstellers auf den Zulieferer einher. Die Wer381

Etwa bei regelmäßigen, im branchenweiten Vergleich überhöhten Fehlerquoten. Unter Annahme der Verpflichtung des Herstellers im gemeinsamen Interesse des Produktionsnetzes ein funktionierendes Fehlermanagement aufzubauen, um die Risiken gering zu halten, Nagel, DB 1995, 2581, 2583. 383 Keine eindeutige Stellungnahme bei Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privatund Wirtschaftsrecht, 1999, 297, die aber wohl dem Zulieferer „de facto“ das Risiko zuordnet. 384 Vgl. BGH, Urt. v. 16.09.1987 – VIII ZR 334/86, BGHZ 101, 337 = NJW 1988, 52; MüKoHGB-Grunewald: § 377, Rn. 114. 382

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

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tungen des § 377 HGB können daher für die Begründung einer Mitverantwortung des Herstellers für solche Mängel herangezogen werden, die ihm im Rahmen einer gewöhnlichen Wareneingangskontrolle hätten auffallen müssen.385 So hat die italienische Corte di Cassazione für den Innenausgleich beim Rückruf von Lebensmitteln angenommen, dass bei der Bestimmung des Mitverschuldens i.S.v. Art. 1227 CC grundsätzlich auch das Unterlassen von Wareneingangskontrollen zu berücksichtigen ist.386 Hierfür spricht auch der Gedanke der Selbstgefährdung im Deliktsrecht (Ingerenz): Wer auf eine Eingangskontrolle verzichtet, hat mögliche Folgeschäden mitzuverantworten.387 2. Weitere Kriterien für den Innenausgleich Das der Haftungsverteilung zugrunde liegende Verursachungsprinzip stößt unter anderem an seine Grenzen, wo die Verantwortungssphären sich aufgrund der weitreichenden Einflussnahme des Endherstellers nicht mehr klar abgrenzen lassen und fraglich ist, ob der versteckte Fehler eines Zulieferteils nicht auch dem Endhersteller zuzurechnen ist.388 Problematisch ist das beispielsweise, wenn Hersteller und Zulieferer (insbesondere Systemzulieferer) simultaneous-engineering-Konzepte verfolgen und gemeinsame Forschung und Entwicklung betreiben. a) Ingerenz und Risikoerhöhung Ein Verteilungskriterium kann die Antwort auf die Frage sein, wer das (erhöhte) Schadensrisiko verursacht hat. Diesen Ansatz nimmt im italienischen Recht Art. 121 Cod. Cons. auf, der den Innenausgleich bei der Produkthaftung regelt. Die Anrechnung eines Haftungsanteils des Herstellers ließe sich dann etwa über die Wahl der Produktionsstrategie, den weltweiten Vertrieb 385

Auf diese Weise könnte den Verkäuferinteressen doch noch der gesetzgeberisch intendierte Schutz zukommen. Siehe auch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privatund Wirtschaftsrecht, 1999, 296; Droste, Der Regreß des Herstellers gegen den Zulieferanten, 1994, 143 ff. 386 Corte Cass. Civ., Sez. II, 30.05.2014, Nr. 15824: „Contrariamente a quanto ritenuto dal giudice del merito, proprio la sussistenza di un obbligo di sicurezza alimentare del produttore nei confronti del consumatore finale avrebbe dovuto indurre la Corte d’appello: (a) per un verso, a ritenere configurabile un onere di diligenza della F.11i Sacla` traducentesi nel controllo di genuinita`, sia pure a campione, del prodotto poi usato su scala industriale […] senza che detta societa` potesse fare esclusivo affidamento sull’osservanza dell’obbligo del rivenditore di fornire un prodotto non adulterato ne´ contraffatto, a meno che avesse ricevuto, prima dell’impiego del peperoncino, una precisa e circostanziata garanzia che il componente Sudan I non era stato utilizzato.“ 387 So Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 295 f. 388 Vgl. Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 307.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

sowie die Ersparnis der Eingangskontrollen und eigener Qualitätssicherungsmaßnahmen begründen. Solche Ansätze finden sich auch im deutschen Schrifttum. So plädierte Winkelmann für die Berücksichtigung eines Machtelements bei der Haftungsverteilung zwischen mehreren Produzenten im Sinne des ProdHaftG.389 Das werde „durch das übergeordnete Gerechtigkeitspostulat der iustitia distributiva gefordert“.390 Über einen Vergleich zur innerbetrieblichen Schadensteilung leitet Winkelmann die These ab, die soziale Machtposition in einem Organisationsgefüge könne haftungsbegründend wirken.391 Dabei soll es sich um eine „Garantiehaftung für die Fehlleistungen der wirtschaftlich Abhängigen“ handeln.392 Voraussetzungen für eine solche machtbezogene Haftung seien demnach erstens ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zu dem mächtigen Unternehmen (etwa auch beim Nachfragemonopol i.S.d. § 20 GWB) und zweitens, dass das wirtschaftlich mächtige Unternehmen „Herstellung und Vertrieb des (schadstiftenden) Produkts veranlaßt oder maßgeblich beeinflusst hat“.393 Es müsse über „produktionsbezogene Entscheidungsmacht“ verfügen, also Entscheidungsmacht über Ob und Wie der Produktion des abhängigen Unternehmens besitzen und diese Entscheidungsmacht im Hinblick auf das schadensstiftende Produkt auch ausgeübt haben.394 In eine ähnliche Richtung geht der Ansatz Wellenhofer-Kleins, „beim netzinternen Schadensausgleich die Organisationsherrschaft des Abnehmers analog § 254 BGB als Haftungszurechnungsgrund zu berücksichtigen.“395 Auch sie bezieht sich dabei auf einen Vergleich zur Organisationsherrschaft im Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis und auch zur Haftung der Konzernspitze, mildert dieses Prinzip aber aufgrund der geringeren Integrationstiefe bei der Just-in-time-Beziehung ab. Danach soll der Endhersteller aus der Organisationherrschaft eine Mitverantwortung nach § 254 BGB analog tragen, wenn den Zulieferer kein Verschulden trifft (bei verschuldensunabhängiger Produkthaftung) oder aber sich das Verschulden nicht eindeutig fest389 »Machtbezogene Haftung«, Winkelmann, Produkthaftung bei internationaler Unternehmenskooperation, 1991, 90 ff. 390 Winkelmann, Produkthaftung bei internationaler Unternehmenskooperation, 1991, 90. 391 Winkelmann, Produkthaftung bei internationaler Unternehmenskooperation, 1991, 93. 392 Winkelmann, Produkthaftung bei internationaler Unternehmenskooperation, 1991, 94. 393 Winkelmann, Produkthaftung bei internationaler Unternehmenskooperation, 1991, 96. 394 Winkelmann, Produkthaftung bei internationaler Unternehmenskooperation, 1991, 97. 395 Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 318.

D. Innenausgleich bei Rückrufmaßnahmen

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stellen lässt. Dadurch werde die Haftung des Zulieferers zwar nicht beschränkt, aber für systemimmanente Risiken („Verteilung des Restrisikos“) eine Mithaftung des Herstellers begründet.396 Gegen eine „Garantiehaftung“ des wirtschaftlich mächtigen Unternehmens lässt sich einwenden, dass die Produktion nach einer Just-in-timeStrategie das Gefährdungspotential für den Endnutzer nicht erhöht, sondern aufgrund der strengen Null-Fehler-Strategie eher senkt.397 Hiermit lässt sich eine gesteigerte Haftung qua Organisationsgewalt also nicht begründen, zumal eventuell entstehenden Risiken bereits durch umfangreichen Gefahrabwendungspflichten des Herstellers begegnet werden kann (funktionale Haftungszuweisung).398 Gerade bei der Zusammenarbeit von Systemzulieferer und Hersteller, wo die Vermischung von Verantwortungsbereichen besonders nahe liegt, ist das wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnis des Zulieferers auch regelmäßig weitaus weniger ausgeprägt. Das Verhältnis der Parteien in Bezug auf die Produkthaftung gegenüber den Endnutzern gleicht dann eher dem einer Risikogemeinschaft.399 Maßstäbe für die Haftungsverteilung bleiben dann schwammig, der Hinweis auf eine einzelfallorientierte Gesamtschau der Umstände wenig hilfreich.400 Je klarer hier die Verträge technische Zuweisungen vornehmen, desto besser lässt sich ex ante Rechtssicherheit herstellen. Das Restrisiko verteilen dann die Regeln über die Beweislast. b) Versicherungsvereinbarungen – Wer kann das Risiko wirtschaftlich übernehmen? Der Blick auf das englische Recht und auf die Vertragspraxis hat deutlich gemacht, dass für die Haftungsverteilung durchaus bedeutsam sein kann, wer das Kostenrisiko wirtschaftlich übernehmen kann. Deshalb müssen Zulieferer und Hersteller auch die Frage der Versicherbarkeit solcher Risiken berücksichtigen. Diese Erwägungen beziehen nicht nur die englischen Gerichte bei der Bestimmung eines fairen Innenausgleichs mit ein, sondern auch der BGH bei der Prüfung der Zulässigkeit von AGB.401 396

Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 318 f. Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 114 f. nimmt hingegen eine gesteigerte Gefährdungsintensität an, weil die Schnittstellenkoordination fehleranfällig sei. 398 Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 115. 399 Vgl. Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 115. 400 So im Ergebnis Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 116. 401 Vgl. Leuschner: AGB-Recht für Verträge zwischen Unternehmen, , 30.07.2020, S. 34 f. 397

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

Für den Versicherungsschutz gilt dabei üblicherweise, dass nur solche Haftungsrisiken versichert werden, die auf gesetzlichen Haftungsgrundlagen beruhen.402 Hierzu zählen insbesondere Transportschäden und die Inanspruchnahme aus der Produkthaftung.403 Schadensersatzansprüche über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht hinaus sind in der Regel nicht versicherbar.404 Ausnahmen bilden heute oftmals eine zugunsten des Abnehmers vereinbarte, verschuldensunabhängige Haftung des Zulieferers für Beschaffenheitsmerkmale und die Verlagerung der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nach § 377 HGB auf den Zulieferer.405 Voraussetzung für die Versicherbarkeit von Rückrufkosten ist nach den Musterbedingungen des GDV, dass der Rückruf aufgrund festgestellter oder zumindest objektiven Tatsachen (z.B. Stichprobe) vermuteter Mängel oder aufgrund einer behördlichen Anordnung durchgeführt wurde und dem Zweck der Gefahrenabwehr („Vermeidung von Personenschäden“) dient, Abschnitt A5–1.1.406 Nach Abschnitt A5–3.1 der Musterbedingungen des GDV (Kfz-Rückruf) ist weitere Voraussetzung für die Deckung, dass der Rückruf auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruht. Freiwillige, aus Imageund Reputationsgründen durchgeführte Rückrufe sind von der Rückrufkostenversicherung daher regelmäßig nicht umfasst; jedenfalls eine uneingeschränkte Haftung des Zulieferers für die Kosten eines freiwilligen Rückrufs erscheint auch bei Fehlerverantwortlichkeit unbillig. Diese müsste wenigstens der Höhe nach gedeckelt sein.

402 Der Versicherungsschutz wird in Deutschland auch durch die Regeln des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) beeinflusst. So führen etwa nach Abschluss des Versicherungsvertrags geschlossene vertragliche Vereinbarungen gemäß § 24 I VVG zu einem fristlosen Kündigungsrecht des Versicherers. 403 Vgl. Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, 38. 404 So auch Koch, IWRZ 2017, 119, 120. 405 Vgl. Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.: Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkthaftpflichtversicherung von Industrieund Handelsbetrieben (Produkthaftpflicht-Modell) (Stand Januar 2015), , 30.07.2020, Ziff. 3.2. 406 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.: Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV) – A5 Rückrufkostenrisiko für Kfz-Teile-Zulieferer (Stand Mai 2019), , 30.07.2020 (Musterbedingungen GDV Kfz-Rückruf).

E. Resümee

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3. Fazit Im Ergebnis spricht einiges dafür, neben dem reinen Verursachungsprinzip noch weitere Kriterien für die Verantwortungszuschreibung und den Haftungsausgleich im Innenverhältnis zwischen Zulieferer und Hersteller zu berücksichtigen. Letztlich ist dies auch für den Hersteller sinnvoll, da er aufgrund des Lock-in-Effekts in der langfristigen Zulieferbeziehung an der Erhaltung seiner Zulieferer interessiert sein muss, solange die Vertrauensbasis nicht nachhaltig gestört ist.

E. Resümee: Eingeschränkte Governance in der Voice-Phase der Zulieferbeziehung Die Lösungen, die die Vertragspraxis auf Grundlage der nationalen Rechtsordnungen vorsieht, lassen sich unter Zuhilfenahme der Privatrechtstheorie einordnen.

I. Voice-Elemente bei der Verteilung des Qualitätsrisikos Dabei wird deutlich, dass die Qualitätsebene in der Zulieferbeziehung mit Hirschman grundsätzlich der Voice-Perspektive zuzuordnen ist: Qualitätsprobleme sollen möglichst nicht zum Abbruch der langfristigen Lieferbeziehung führen, sondern es werden Lösungen angestrebt, die die Aufrechterhaltung der Zusammenarbeit ermöglichen. Die Voice-Perspektive findet sich beim Umgang mit dem Fehlerrisiko auf mehreren Ebenen wieder. Einerseits erfordert die präventive Ausgestaltung des Qualitätsmanagements in der Automobilproduktion eine enge und langfristig angelegte Kooperation, sowie den ständigen Austausch zwischen Zulieferer und Hersteller. Andererseits tragen die Parteien (teilweise) in den Einkaufsbedingungen dem Interesse an der langfristig fruchtbaren Geschäftsbeziehung dadurch Rechnung, dass sie eine Versicherungspflicht für den Zulieferer vorsehen, um seine Solvenz zu sichern.

II. Governance-Perspektive Deutlich wird auch der Einfluss des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und von branchenweiten Standards, der sich in der deutschen Vertragspraxis ungleich stärker niederschlägt als in der italienischen Vertragspraxis die zwingenden Regeln der Legge Subfornitura, deren Anwendungsbereich zu unklar ist, um die Hersteller zu ihrer Berücksichtigung zu bestimmen.

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Kapitel 2: Allokation des Qualitätsrisikos

Während der Vertragsbeziehung wird das Machtungleichgewicht zwischen Zulieferer und Hersteller bei Vertragsschluss bis zu einem gewisse Grad auch durch das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis ausgeglichen. Ein Wegbrechen des Zulieferers wegen einer kostspieligen Rückrufaktion kann auch für den Hersteller unangenehme Folgen haben. Nachverhandlungen und/ oder die vorherige Absicherung über eine entsprechende Zuordnung des wirtschaftlichen Risikos, auch unter Berücksichtigung der Versicherbarkeit, entsprechen daher auch dem Interesse des Herstellers. Eine Governance durch den Gesetzgeber hat unter diesen Prämissen vor allem auf indirektem Weg Aussicht auf Erfolg. Sie kann auf die private Standardsetzung Einfluss nehmen und die Vertragspraxis durch klare (gesetzliche) Standards steuern.

Kapitel 3

Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen A. Einführung und Interessenlage Die vorzeitige Beendigung langfristiger Vertragsbeziehungen steht im Spannungsverhältnis zwischen der Vertrags(beendigungs)freiheit der Vertragsparteien und dem Grundsatz pacta sunt servanda.1 Durch Verträge gehen die Parteien Verpflichtungen ein, von denen sie sich nicht ohne weiteres lösen können. Im deutschen Recht ist bei einfachen Austauschverträgen (auch SpotVertrag) eine vorzeitige Vertragsbeendigung nur in Ausnahmefällen (Anfechtung) möglich, bei mangelhafter Leistung und sonstigen Vertragsverletzungen bleibt aber die Option des Rücktritts unter Rückabwicklung der bereits erbrachten Leistungen. Für befristete langfristige Vertragsverhältnisse ist gesetzlich die Kündigung bei Vorliegen wichtiger Gründe vorgesehen, ein Rücktritt nur ausnahmsweise im Rahmen der Gewährleistung. Allein bei unbefristeten Dauerschuldverhältnissen sieht der deutsche Gesetzgeber die Möglichkeit einer Kündigung ohne einen die Beendigung besonders rechtfertigenden Grund vor. Eine unbefristete Bindung ohne ordentliche Auflösungsmöglichkeit würde die Freiheit des Einzelnen zu sehr beschränken; gleichzeitig muss der anderen Partei durch eine angemessene Frist die Möglichkeit zum Umdisponieren eingeräumt werden. Diese gesetzgeberische Orientierung entspricht im Grundsatz dem internationalen Konsens. Nationale Besonderheiten betreffen insbesondere Zulässigkeit und Grenzen zusätzlicher vertraglicher Beendigungsrechte, vor allem dann, wenn diese den anderen Vertragspartner schlechter stellen als das Gesetzesrecht. Langfristige Zulieferbeziehungen sind von enger Kooperation und starken gegenseitigen Abhängigkeiten geprägt, die umso intensiver sind, je höhere und je stärker beziehungsspezifische Investitionen getätigt wurden, je weniger alternative Vertragspartner kurzfristig zur Verfügung stehen und je stärker die Produktionsabläufe (just-in-time) integriert sind. Wirtschaftlich hat die vorzeitige Beendigung eines Zuliefervertrages große Bedeutung für beide Parteien.2 Für den Automobilhersteller ist der Ausfall einer Single 1 2

Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 369. Vgl. Bridge, in: Vogenauer/Gullifer (Hrsg.), 2014, 87.

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

Source (durch Lieferstopp bzw. -verweigerung oder vorzeitige Vertragsbeendigung) mit vorübergehenden Produktionsausfällen verbunden, die zu hohen Folgeschäden führen. Diese Schäden sind potentiell besonders hoch, wenn der Automobilhersteller mangels eigener Lagerhaltung bei der Produktion auf den fortwährenden Materialfluss angewiesen ist. Bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung muss der Hersteller einen alternativen Lieferanten beauftragen. Selbst im in der Praxis weniger häufigen Fall des Multiple Sourcing können die benötigten Kapazitäten nicht unmittelbar ausgeglichen werden. Auf Seiten des Zulieferers kann eine vorzeitige Vertragsbeendigung durch den Hersteller ebenfalls hohe Kosten verursachen und für ein kleineres Unternehmen existenzgefährdend sein. Hat der Zulieferer seine Produktionsplanung auf den Hersteller ausgerichtet und hohe Investitionen in Entwicklung und/oder Produktion (inklusive Erwerb spezifischer Maschinen und Lizenzen) seines Zulieferteils getätigt, so ist er auf die Erlöse aus der Geschäftsbeziehung angewiesen, damit sich diese Kosten amortisieren. Bei der Vertragsbeendigung kommt daher das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis der beiden Vertragsparteien besonders zum Ausdruck. Deshalb kann die vorzeitige Beendigung von den Parteien auch als Druckmittel genutzt werden und ein (missbräuchlicher) Hold-up ausgelöst werden. Anschauliches Beispiel ist der bereits geschilderte Streit zwischen Volkswagen und Prevent aus dem Jahr 2016.3 Der Lieferstopp eines Unternehmens der Prevent-Gruppe (Sitzhersteller) mit dem Ziel, sich gegen die Kündigung des Entwicklungsauftrags mit einem anderen Unternehmen der Prevent-Gruppe durch Volkswagen zu wehren, führte zu einem Produktionsengpass bei Volkswagen und geschätzten Verlusten in Höhe von 100 Millionen Euro.4 Es stellt sich die Frage, ob die Besonderheiten der kooperativen und auf Dauer angelegten Zulieferbeziehungen eine Änderung der allgemeinen Gesetzeslage rechtfertigen. Weist man den Vertragsparteien besondere Rücksichtnahme- und Treuepflichten zu, so können sich hieraus Einschränkungen für die Vertragsbeendigung ergeben. Denkbar sind zusätzliche Schwellen für die Vertragsbeendigung – beispielsweise ein Recht zur zweiten Andienung, ein Auslaufschutz durch Übergangsfristen bei vorzeitiger Beendigung, Ausgleichsansprüche des Kündigungsgegners oder Schadensersatz-/Weiterbelieferungsansprüche bei unzulässiger bzw. missbräuchlicher Ausübung eines Beendigungsrechts. Je klarer die Grenzen von Beendigungsmöglichkeiten konturiert sind, desto weniger Anreize gibt es für die Vertragsparteien, Beendigungsrechte missbräuchlich auf Kosten der anderen Partei zu nutzen.

3

Vgl. Kap. 1 B. I. Doll/Vetter: Wie der „Apple-Effekt“ die Autoindustrie verändert, , 30.07.2020. 4

B. Vertragsbeendigung nach englischem Recht

181

B. Vertragsbeendigung nach englischem Recht Im englischen Recht lassen sich für die Vertragsbeendigung verschiedene Rechtsinstitute unterscheiden. Das Institut der frustration of contract5 führt zur automatischen Unwirksamkeit des Vertrags ex ante und auch die rescission – vergleichbar mit der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung – hat die Ex-tunc-Nichtigkeit zur Folge. Im Unterschied hierzu wirkt die von einer Vertragspartei ausgeübte termination (auch discharge for breach) ex nunc, also nur für zukünftige Leistungen.6 Für die Untersuchung der Vertragsbeendigung von langfristigen (Just-in-time-) Lieferbeziehungen interessieren vor allem die „ordentlichen“ Beendigungsmöglichkeiten, die dem Wahlrecht der Parteien (oder des Gerichts) unterliegen und denen nicht ein Fehlverhalten bereits bei Vertragsschluss zugrunde liegt.

I. Beendigungsrechte – termination Wenn die andere Partei eine Vertragsverletzung von wesentlichem Gewicht begangen hat (repudiatory breach), kann die geschädigte Vertragspartei neben Schadensersatzansprüchen zusätzlich auch Beendigungsrechte geltend machen.7 1. Beendigungsrechte aus Common Law und SGA 1979 Beendigungsrechte können sich für Zulieferverträge aus dem Common Law im Zusammenspiel mit dem Sale of Goods Act ergeben. Voraussetzung hierfür ist ein repudiatory breach des Vertragspartners, der in drei Konstellationen anzunehmen ist (1) Verletzung einer condition, (2) Verletzung eines innominate term von besonderem Gewicht und (3) Verweigerung der Vertragserfüllung (repudiation oder renunciation).8 Dabei ist zwischen warranties und conditions zu unterscheiden,9 Sec. 11 III SGA 1979.10 Nur die Verletzung einer condition eröffnet ohne weitere Voraus5 Insbesondere bei Unmöglichkeit, vgl. Andrew Burrows, A restatement of the English Law of contract, 2016, 164. 6 Vgl. Andrew Burrows, A restatement of the English Law of contract, 2016, 111. 7 Im englischen Recht gilt der Grundsatz, dass in erster Linie Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Die Beendigungsmöglichkeit ist eine Ausnahme, die an eine schwere Vertragsverletzung geknüpft ist, es sei denn die Parteien haben vertraglich etwas anderes vorgesehen. Vgl. etwa Stone/Devenney, The modern law of contract, 2017, 456. 8 Vgl. Andrew Burrows, A restatement of the English Law of contract, 2016, 110, 113. 9 Siehe bereits Kap. 2 C. II. 1. 10 „Sec. 11 III SGA 1979

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

setzungen ein Beendigungsrecht. Die Verletzung von warranties berechtigt hingegen nur zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und nicht zur Vertragsbeendigung. Bei der Verletzung von innominate terms, die zwischen condition und warranty anzusiedeln sind, ist das bloße Vorliegen einer Verletzung nicht ausreichend. Die Verletzung muss vielmehr so schwerwiegend sein, dass sie ausnahmsweise ein Beendigungsrecht begründet.11 Das kann etwa der Fall sein, wenn sie den Kern des Vertrags betrifft oder die geschädigte Partei nahezu den gesamten Nutzen aus dem Geschäft verliert.12 Auch berechtigte Erwartungen von Kaufleuten – wie die Einhaltung von Fristen bei zeitsensiblen Verträgen – können eine Rolle spielen.13 Zeitangaben betreffen nach englischem Recht zwar grundsätzlich nicht den Kern des Vertrags und sind folglich keine condition.14 Dies ist aber anders zu beurteilen, wenn die Vertragswesentlichkeit der Einhaltung vereinbarter Lieferfristen ausdrücklich vereinbart wurde oder sich auch aus der Natur des Vertrages ergibt, so oftmals bei Handelsgeschäften.15 Bei einem Just-in-time-Vertrag wird das anzunehmen sein.16 Die Zeitsensibilität kann sich im Einzelfall auch aus einer Mahnung mit Nachfristsetzung ergeben.17 Verweigert der Vertragspartner die Erfüllung einer condition oder eines vertragserheblichen innominate term vor oder bei Fälligkeit, so führt dies ebenfalls zu einem Beendigungsrecht des anderen Vertragsteils.18 Die Erfül(3) Whether a stipulation in a contract of sale is a condition, the breach of which may give rise to a right to treat the contract as repudiated, or a warranty, the breach of which may give rise to a claim for damages but not to a right to reject the goods and treat the contract as repudiated, depends in each case on the construction of the contract; and a stipulation may be a condition, though called a warranty in the contract.“ 11 Bridge, The international sale of goods, 2017, Rn. 9.03; Andrew Burrows, A restatement of the English Law of contract, 2016, 114. 12 McKendrick, in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn 24-041; vgl auch Yam Seng Pte Ltd. v International Trade Corp Ltd. [2013] EWHC 111 (QBD), Legatt LJ Rn. 87 f. Zur Vertragsbeendigung bei innominate terms insbesondere Hongkong For Shipping Ltd. v Kawasaki Kisen Kaisha [1962] 2 QB 26 (CA). 13 „Time is of the essence“, regelmäßig bei Handelsverträgen; vgl. Bunge Corp. v Tradax Export SA [1981] 1 W.L.R. 711 (HL); Stone/Devenney, The modern law of contract, 2017, 458. 14 So traditionell nach Equity-Recht – doctrine of timely performance; vgl. McKendrick, in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 21-011. 15 Unter Auswertung der Rechtsprechung McKendrick, in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 13-037. 16 Vgl. für die Automobilindustrie Aston Martin Lagonda Ltd. v Automotive Industrial Partnership Ltd. [2009] 2 WLUK 195 (QBD Birmingham). 17 United Scientific Holdings Ltd. Respondents v Burnley Borough Council Appellants [1977] 2 W.L.R. 806 (HL; Bridge, in: Vogenauer/Gullifer (Hrsg.), 2014, 92 f.; Carter/Courtney/Tolhurst, Cambridge Law Journal 76 (2017), 63, 85; McKendrick, in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 21-013. 18 Andrew Burrows, A restatement of the English Law of contract, 2016, 116.

B. Vertragsbeendigung nach englischem Recht

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lungsverweigerung (repudiation) kann entweder ausdrücklich19 oder konkludent erklärt werden. Eine konkludente Erfüllungsverweigerung kann etwa darin liegen, dass der Vertragspartner notwendige Voraussetzungen für die Erfüllung seiner Leistung nicht erbringen kann oder will und sich die zukünftige Vertragsverletzung abzeichnet.20 2. Vertragliche Beendigungsrechte Neben diesen gesetzlichen bzw. sich aus dem Common Law ergebenden Beendigungsrechten können vertragliche Beendigungsrechte entweder ausdrücklich oder konkludent vereinbart werden. Die Beendigungsgründe müssen dabei nicht als wesentliche Vertragsverletzung qualifiziert sein, wie sie ein Beendigungsrecht auf Grundlage des Common Law voraussetzen würde.21 Ein konkludentes Beendigungsrecht kann sich aus dem Parteiwillen oder der Art und Systematik des Vertrags ergeben („implied from the character and setting of the contract“).22 Bei vertraglichen Beendigungsrechten spielt die Auslegung durch die Gerichte eine Rolle, die dabei teilweise Fairnesserwägungen anstellen.23 3. Rechtsfolgen der Beendigung durch termination Als Rechtsfolge der termination werden die Parteien ex nunc von ihren (primären) Vertragspflichten frei. Die Abwicklung erfolgt im englischen Recht nach den Grundsätzen des Bereicherungsausgleichs (unjust enrichment).24 Daneben können Schadensersatzansprüche treten.25

II. Grenzen für die Ausübung von Beendigungsrechten Grenzen bei der Ausübung von Beendigungsrechten ergeben sich im englischen Recht vor allem aus einem ausdrücklichen oder konkludenten Verzicht sowie aus der Erheblichkeitsschwelle in Sec. 15A SGA 1979.

19

So in Hochster v De La Tour [1853] 6 WLUK 148 (QBD). So etwa bei einem Schiffstransportvertrag in Federal Commerce and Navigation Co. Ltd. v Molena Alpha Inc. [1979] A.C. 757 (HL), bei dem der Kapitän den Frachtbrief (pre-paid bill of lading) nicht unterzeichnen wollte. Vgl. zum Ganzen auch Carter/Courtney/ Tolhurst, Cambridge Law Journal 77 (2018), 97. 21 Andrew Burrows, A restatement of the English Law of contract, 2016, 117. 22 Bridge, in: Vogenauer/Gullifer (Hrsg.), 2014, 88. 23 Hierzu vertiefend sogleich unter III. 24 Andrew Burrows, A restatement of the English Law of contract, 2016, 112. 25 Vgl. in deutscher Sprache Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2015, 324 f. Bridge, The international sale of goods, 2017, Rn. 9.02 20

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

1. Waiver Um auf die Ausübung des Beendigungsrechts zu verzichten (waiver), muss die zur Beendigung berechtigte Vertragspartei klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass sie von ihrem Beendigungsrecht keinen Gebrauch machen wird.26 Zu unterscheiden ist zwischen dem waiver by election und dem waiver by estoppel. Beim waiver by election wählt die geschädigte Partei statt der Vertragsbeendigung Schadensersatz und verzichtet so auf ihr Beendigungsrecht.27 Für den Abnehmer enthält Sec. 11 II SGA 1979 eine ausdrückliche Regelung, wonach er auch auf sein Beendigungsrecht verzichtet, wenn er auf die Erfüllung einer condition verzichtet oder wenn er sich bereit erklärt, diese als bloße warranty zu behandeln.28 Wird in Kenntnis eines Beendigungsrechts der Vertrag dennoch fortgeführt, so kann dieses Beendigungsrecht zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr ausgeübt werden (waiver by estoppel).29 Beim Sale of Goods gilt nach Sec. 35, 35A SGA 1979, dass der Käufer den Vertrag nicht mehr wegen der Mangelhaftigkeit der Waren beenden kann, wenn er diese hingenommen hat (acceptance).30 2. Erheblichkeitsschwelle Eine Grenze für Beendigungsrechte ergibt sich bei Verträgen zwischen Unternehmern auch aus Sec. 15A SGA 1979: Selbst bei der Verletzung einer condition ist die Beendigung ausgeschlossen, wenn die Vertragsverletzung so geringfügig ist, dass die Vertragsbeendigung unbillig (unreasonable) wäre.31 26

Vgl. McKendrick, in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 24-008. McKendrick, in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 24-007. 28 „Sec. 11 II SGA 1979 Where a contract of sale is subject to a condition to be fulfilled by the seller, the buyer may waive the condition, or may elect to treat the breach of the condition as a breach of warranty and not as a ground for treating the contract as repudiated.“ Vgl. auch Bridge, The international sale of goods, 2017, Rn. 9.06. 29 Bentsen v Taylor, Sons & Co. (2) [1893] 2 Q.B. 274 (CA); Yam Seng Pte Ltd. v International Trade Corp Ltd. [2013] EWHC 111 (QBD), Legatt LJ Rn. 88; Andrew Burrows, A restatement of the English Law of contract, 2016, 112; vgl. zu der Unterscheidung von waiver by election und waiver by estoppel McKendrick, in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 24-007. 30 Vgl. zu acceptance und rejection nach dem SGA 1979 bereits Kap. 2 C. II. 1. c). 31 „Sec. 15A SGA 1979 (1) Where in the case of a contract of sale (a) the buyer would, apart from this subsection, have the right to reject goods by reason of a breach on the part of the seller of a term implied by section 13, 14 or 15 above, but (b) the breach is so slight that it would be unreasonable for him to reject them, This section applies unless a contrary intention appears in, or is to be implied from, the contract.“ 27

B. Vertragsbeendigung nach englischem Recht

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Das betrifft insbesondere die gesetzlichen conditions description, quality und fitness for purpose, Sec. 13–15 SGA 1979. Durch diese Erheblichkeitsschwelle soll opportunistischem Handeln des Käufers vorgebeugt werden und vermieden werden, dass bei bloßen Motivirrtümern Beendigungsmöglichkeiten ausgenutzt werden.32 Diese Billigkeitsregelung kann nicht über den Wortlaut des Sec. 15A SGA 1979 hinaus auf weitere Sachverhalte ausgedehnt werden, da im englischen Recht gesetzliche Normen grundsätzlich keine Ausstrahlungswirkung haben.33

III. Besonderheiten bei langfristig angelegten Zulieferbeziehungen Die Besonderheiten langfristig angelegter, kooperativer Vertragsbeziehungen können Einfluss auf die Zulässigkeit der Vereinbarung und Ausübung von Beendigungsrechten haben. 1. Zulässigkeit der Vereinbarung vertraglicher Beendigungsrechte a) Kartellrechtliche Grenzen Das englische Kartellrecht sieht keine über die europäische Kontrolle hinausgehenden Einschränkungen für die (missbräuchliche) Beendigung von Zulieferverträgen vor.34 Kartellrechtliche Bestimmungen nach englischen Recht spielen für die Vertragsbeendigung und die Wirksamkeit von Kündigungsklauseln in Standardverträgen daher keine Rolle. b) Kontrolle von vertraglichen Beendigungsklauseln: Unfair Contract Terms Act Der UCTA 1977 unterzieht grundsätzlich nur haftungsbeschränkende bzw. -ausschließende Klauseln einer Fairness-Kontrolle.35 Eine Ausnahme sieht aber Sec. 3 II lit. b UCTA 1977 vor. Danach wird jede AGB-Klausel nach dem test of reasonableness36 überprüft, die eine vertragliche Leistungspflicht verändert oder die es einer Vertragspartei erlaubt, keine Leistung zu erbringen.37 Teilweise wird daraus auch die Kontrolle von vertraglichen Beendi32

So die Law Commission, vgl. Bridge, in: Vogenauer/Gullifer (Hrsg.), 2014, 90. Bridge, in: Vogenauer/Gullifer (Hrsg.), 2014, 90. 34 Vgl. Kap. 1 C. I, IV 4. 35 McKendrick, in: Chitty/Beale (Hrsg.), 2015, Rn. 15–067. 36 Vgl. bereits ausführlicher Kap. 2 C. II. 5. b). 37 „Sec. 3 II UCTA 1977 As against that party, the other cannot by reference to any contract term – (a) when himself in breach of contract, exclude or restrict any liability of his in respect of the breach; or (b) claim to be entitled (i) to render a contractual performance substantially different 33

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

gungsrechten abgeleitet. In diese Richtung deutet das Urteil des Court of Appeal in der Sache Timeload Ltd. v British Telecommunications Plc aus dem Jahr 1993.38 Gegenstand war eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Telekommunikationsanbieters, die ihm ein Kündigungsrecht mit Monatsfrist einräumte. Bingham MR hielt es für denkbar, eine solche Klausel unter den Tatbestand der Änderung der Leistungspflicht zu subsumieren, sofern der Kunde berechtigtes Vertrauen in die unbefristete Leistungserbringung durch den Vertragspartner bis zum Eintritt eines wichtigen Kündigungsgrundes hegen durfte. Auch sei es vertretbar, den test of reasonableness in Ausnahmefällen außerhalb des Anwendungsbereichs des UCTA 1977 anzuwenden.39 Diese weite Auslegung scheint aber nicht der überwiegenden Meinung in England zu entsprechen.40 2. Rechte und Pflichten aus einer Rahmenvereinbarung (umbrella agreement) Eine Besonderheit von langfristigen Geschäftsverbindungen ist regelmäßig der Abschluss einer Rahmenvereinbarung, die die Geschäftsbeziehung umspannt.41 Der Bestimmtheitsgrundsatz wird im englischen Recht streng gehandhabt: Grundsätzlich können aus einem Vertrag verbindliche Pflichten nur abgeleitet werden, wenn alle wesentlichen Bedingungen der Vertragsbeziehung geregelt wurden.42 Das ist bei langfristigen Verträgen auch deshalb problematisch, weil diese naturgemäß unter Unsicherheit geschlossen werden: Der zukünftige Bedarf (Liefermengen) und sonstige zukünftige Entwicklungen können nur bedingt vorhergesehen werden. Die Problematik der Bestimmtheit eines Rahmenvertrags war Gegenstand der Court of Appealfrom that which was reasonably expected of him, or (ii) in respect of the whole or any part of his contractual obligation, to render no performance at all, except in so far as (in any of the cases mentioned above in this subsection) the contract term satisfies the requirement of reasonableness.“ 38 Timeload Ltd. v British Telecommunications Plc [1995] E.M.L.R. 459 (CA). 39 Timeload Ltd. v British Telecommunications Plc [1995] E.M.L.R. 459 (CA); Bingham MR Rn. 2 f.: „If a customer reasonably expects a service to continue until BT has substantial reason to terminate it, it seems to me at least arguable that a clause purporting to authorise BT to terminate without reason purports to permit partial or different performance from that which the customer expected […] It was at least arguable that, if the letter of the Unfair Contract Terms Act did not apply, the common law could treat the clear intention of the legislature expressed in the statute as a platform for invalidating or restricting the operation of an oppressive clause in a situation of the present kind.“ 40 Vgl. Hadley Design Associates v Westminster City Council [2003] EWHC 1617 (TCC), Judge Seymour Rn. 76 f.; offener wohl Bridge, in: Vogenauer/Gullifer (Hrsg.), 2014, 91 f. 41 Vgl. bereits Kap. 1 A. IV, C. II. 1.; für das englische Recht auch Kap. 1 C. IV. 3. 42 Beatson/Andrew S. Burrows/Cartwright, Anson’s law of contract, 2016, 64 f.; vgl. auch Collins, Regulating Contracts, 1999, 171.

B. Vertragsbeendigung nach englischem Recht

187

Entscheidung Baird Textile Holdings Ltd. v Marks and Spencer Plc.43 Dabei ging es um die 30-jährige Geschäftsbeziehung zwischen dem Textilhersteller Baird Textile Holdings und dem Abnehmer Marks and Spencer. Eine (ausdrückliche) Rahmenvereinbarung für die Lieferbeziehungen war nicht vereinbart worden. Gleichwohl hatte Marks and Spencer dem Lieferanten Baird immer wieder versichert, die Geschäftsbeziehung sei dauerhaft angelegt, und Baird hatte im Hinblick darauf beziehungsspezifische Investitionen getätigt. Als die Beziehung von Marks and Spencer fristlos beendet wurde, klagte der Lieferant auf eine angemessene Kündigungsfrist (bzw. Übergangsfrist) von drei Jahren. Die Richter erörterten einerseits die Möglichkeit eines konkludenten Rahmenvertrags (implied contract) und andererseits, ob sich eine Verpflichtung zur Einhaltung einer Kündigungsfrist aus der Estoppel-Doktrin ergeben könnte.44 Die Annahme eines konkludenten Rahmenvertrags lehnte das Gericht mit der Begründung ab, dass ein etwaiger Rahmenvertrag jedenfalls nicht hinreichend bestimmt im Hinblick auf Liefermengen und Preise sei, um vertragliche Pflichten zu begründen.45 Zur Estoppel-Doktrin stellte Judge LJ fest, dass die Annahme einer Verpflichtung des Abnehmers nach Equity-Grundsätzen in einem Fall, in dem keine vertragliche Pflichten festgestellt werden können, eine weitgreifende Veränderung des Privatrechts darstellen würde, die dem House of Lords vorbehalten sei.46 Judge Norris zeigte sich in der Rechtssache Land Rover Group Ltd v UPF (UK) Ltd. bei einer Automobilzulieferbeziehung wesentlich offener für die Annahme einer Rahmenvereinbarung. Er hielt für vertretbar, dass die Vertragsbeziehung in der Zulieferbeziehung nicht lediglich auf den regelmäßigen Lieferabrufen beruhe, sondern auf einer konkludenten umfassenden vertraglichen Verpflichtung (broader contractual commitment).47 Diese Haltung ist jedoch eine Ausnahme in der englischen Rechtsprechung. 43 Baird Textile Holdings Ltd. v Marks & Spencer Plc [2001] EWCA Civ 274, 2001 WL 98172 (CA). 44 Vgl. Furmston/Cheshire/Fifoot, Cheshire, Fifoot, and Furmston’s law of contract, 2017, 96. 45 Baird Textile Holdings Ltd. v Marks & Spencer Plc [2001] EWCA Civ 274, 2001 WL 98172 (CA), Rn. 30. 46 Judge LJ: „In reality, BTH’s possible success in this litigation would depend on establishing liability against M & S in equity when it would not otherwise be liable in contract, and would represent a dramatic, if not indeed a revolutionary development of the legal principles governing the enforcement of private obligations.“, Baird Textile Holdings Ltd. v Marks & Spencer Plc [2001] EWCA Civ 274, 2001 WL 98172 (CA), Rn. 54. Vgl. auch Mouzas, Stefanos/Furmston, Michael, Cambridge Law Journal Vol. 67 (2008), 37, 47. 47 Land Rover Group Ltd. v UPF (UK) Ltd. [2002] EWHC 3183 (QBD): „In my judgment, on the face of the documents and in the light of the context in which those documents are generated and relied on, it is seriously arguable that the contractual relationship between the parties is not simply for the purchase of the chassis identified in any individual call-off schedule, but that there is a broader contractual commitment, that is to say, that

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

3. Vertragsauslegung und Berücksichtigung von Kooperationsund Rücksichtnahmepflichten Beendigungsbeschränkungen können sich auch aus konkludenten Kooperations- und Rücksichtnahmepflichten der Parteien in langfristigen Vertragsbeziehungen ergeben, wie in der englischen Rechtsprechung vereinzelt angenommen wird.48 Bereits angesprochen wurde die Entscheidung des High Court in der Rechtssache Yam Seng Pte Ltd. v International Trade Corp Ltd.49Legatt LJ hielt die Verletzung einer konkludenten Vertragspflicht zu Ehrlichkeit bei der Weitergabe von Informationen für einen repudiatory breach, der zur Vertragsbeendigung berechtigte.50 Diese Verletzung der Vertrauensbeziehung stand der Fortsetzung der langfristigen Geschäftsbeziehung entgegen. Ähnliche Überlegungen wurden in der Rechtssache Land Rover Group Ltd v UPF (U.K.) Ltd. angestellt. Judge Norris hielt es für möglich, konkludente Treuepflichten (implied fiduciary duties) in einer Automobilzulieferbeziehung anzunehmen, in der beide Vertragsparteien erhebliche Anfangsinvestitionen getätigt hatten und beide von dem Erfolg des Modells auf dem Markt abhängig waren.51 Diese Treuepflichten seien dahingehend zu konkretisieren, dass beide Vertragsparteien sich bei der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte und Pflichten nach Treu und Glauben zu verhalten hätten und die Abhängigkeit des jeweils anderen nicht missbräuchlich ausnutzen dürften.52 UPF will supply, in accordance with the purchase order, such chassis as Land Rover may require and specify under the settled ,call-off‘ procedure.“ 48 So angedeutet z.B. in Globe Motors Inc v TRW LucasVarity Electric Steering Ltd. [2016] EWCA Civ 396 (CA), Rn. 87. Vgl. bereits Kap. 1 C. IV. 3. 49 Yam Seng Pte Ltd. v International Trade Corp Ltd. [2013] EWHC 111 (QBD); vgl. Kap. 1 C. IV. 3. Ob sich aus der Entscheidung ein allgemeines Rechtsprinzip ableiten lässt, wird indes kritisch gesehen. Vgl. Whittaker, Law Quarterly Review 2013, 463; vgl. auch Greenclose Limited v National Westminster Bank plc [2014] EWHC 1156 (Ch). 50 Yam Seng Pte Ltd. v International Trade Corp Ltd. [2013] EWHC 111 (QBD), Legatt LJ Rn. 156 f. 51 Land Rover Group Ltd. v UPF (UK) Ltd. [2002] EWHC 3183 (QBD): „It seems to me the basis of the arrangement was and always was a purely contractual one, but it seems to me that that does not prevent the implication of fiduciary duties, even though the venture was not for profit to be divided between Land Rover and UPF, but effectively for each to participate in the production of components or complete vehicles to be sold in the market. Each of Land Rover and UPF was dependent upon the success of the Discovery sales in the marketplace. Each had invested heavily in the requisite equipment to achieve such sales. I do not regard it as beyond the bounds of possibility that in such a contract there are fiduciary duties between the parties.“ 52 Land Rover Group Ltd. v UPF (UK) Ltd. [2002] EWHC 3183 (QBD): „It seems to me that the only fiduciary duties which could exist are fiduciary duties to exercise contractual rights in good faith and a fiduciary duty not to exploit the dependency created by the relationship for either party’s own advantage during the subsistence of the relationship. In

B. Vertragsbeendigung nach englischem Recht

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In der Entscheidung Automotive Latch Systems Ltd v Honeywell International Inc53 ging es um einen Entwicklungs- und Produktionszuliefervertrag für Verschlusskappen zwischen zwei Automobilzulieferern. Nach zwei Jahren andauernder Geschäftsbeziehung waren beide Parteien unzufrieden, weil nicht im geplanten Umfang Lieferaufträge eingeworben werden konnten. Automotive Latch Systems kündigte den Vertrag wegen angeblicher länger zurückliegender Vertragsverletzungen. Der Commercial Court griff bei der Auslegung der vertraglich vereinbarten Beendigungsrechte auf den commercial common sense zurück. Eine Beendigungsklausel sei nicht so auszulegen, dass das Beendigungsrecht auch noch erhebliche Zeit nach Kenntnis von der Vertragsverletzung ausgeübt werden könne, wenn das vertraglich nicht ausdrücklich geregelt sei. Das würde sonst zu einer „thoroughly uncommercial construction“ führen, also nicht dem wirtschaftlich Sinnvollen entsprechen.54 Eine weitere Klausel enthielt ein Kündigungsrecht zugunsten von Honeywell, wonach Honeywell den Vertrag fristlos beendigen konnte, sofern sie zu dem Ergebnis kam, dass die Geschäftsbeziehung nicht mehr ökonomisch sinnvoll sei (commercially viable).55 Diese weitere Kündigungsklausel hielt das Gericht implizit für zulässig. Die Einschränkung von Beendigungsrechten aufgrund von Fairnesserwägungen wird im englischen Recht dennoch überwiegend kritisch gesehen.56 Die Gründe für die Ausübung eines Beendigungsrechts sollen keine Rolle bei der Bewertung ihrer Zulässigkeit spielen, sofern nicht der Vertrag oder die Allgemeinen Regeln (Common Law) etwas anderes vorsehen.57 Gegen die Anwendung von commercial common sense bei der Prüfung einer other words, it is a contractual obligation to act fairly towards one another within the context of the contract.“ 53 Automotive Latch Systems Ltd. v Honeywell International Inc [2008] EWHC 2171 (Comm.). 54 Automotive Latch Systems Ltd. v Honeywell International Inc [2008] EWHC 2171 (Comm.) Rn. 660. Wortlaut der Klausel (Rn. 641): „Any failure by either party with respect to any of its contractual obligations shall entitle the other party to terminate the agreement thirty (30) days after receipt of a registered letter with acknowledgement of receipt setting forth the reasons for the termination, the said letter not having achieved its purpose during this period, unless the defaulting party satisfies its obligations within this period or has provided truth that the non-execution of its obligations was subsequent to a case of force majeure.“ 55 Automotive Latch Systems Ltd. v Honeywell International Inc [2008] EWHC 2171 (Comm.) Rn. 705: „Honeywell shall be entitled to terminate immediately the Agreement in case of the determination by Honeywell, in its sole discretion, that the continued performance of the Agreement is not commercially viable. No penalty or other consequence shall result in the event that such determination is made.” 56 Vgl. Bridge, in: Vogenauer/Gullifer (Hrsg.), 2014, 88. 57 Etwa ENE Kos 1 Ltd. v Petroleo Brasileiro SA (No 2) [2012] UKSC 17 (SC), Sumption SCJ Rn. 7.

190

Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

Vertragsbeendigung unter Kaufleuten wird eingewandt, dass sich gewöhnlich beide Vertragsparteien wirtschaftlich vernünftig verhielten.58

IV. Einkaufsbedingungen nach englischem Recht Für das englische Recht werden beispielhaft wiederum die Einkaufsbedingungen des Automobilherstellers Bentley Motors59 und der englischen Hersteller der Ford-Gruppe60 herangezogen. 1. Bentley Motors Nach den Bedingungen von Bentley ist eine (ordentliche) Vertragsbeendigung (nur) durch Bentley bei Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist grundsätzlich möglich. Ausgleichsansprüche sind auch bei der ordentlichen Kündigung nicht vorgesehen. Eine fristlose Beendigung durch Bentley ist an das Vorliegen eines wichtigen Grundes geknüpft: (1) Der Zulieferer hilft einer wesentlichen und anhaltenden Vertragsverletzung nicht innerhalb von 10 Tagen ab Anzeige ab, (2) der Zulieferer wird zahlungsunfähig oder muss Insolvenz anmelden, (3) der Zulieferer droht seinen Betrieb teilweise oder ganz aufzugeben oder (4) im Fall des Tods oder der Geisteskrankheit des Zulieferers (sofern dieser eine natürliche Person ist). Die fristlose Vertragsbeendigung durch den Zulieferer ist nicht geregelt. Die Bedingungen reflektieren die allgemeine Überlegung, dass bei langfristigen Geschäftsbeziehungen eine Vertragsbeendigung ohne wichtigen Grund nur unter Einhaltung einer angemessenen Frist möglich ist. Ob drei Monate als ausreichend angesehen werden können, ist vom Einzelfall abhängig. Im englischen Recht steht die Vertragsfreiheit im Vordergrund, sodass diese Klauseln wirksam sein dürften.

58

So Bridge, in: Vogenauer/Gullifer (Hrsg.), 2014, 88. Bentley Motors Limited: Terms and Conditions for the Purchase of Production Material and other Goods (Stand September 2018), , 30.07.2020 (Bentley-Einkaufsbedingungen 2018). Der englische Hersteller Bentley Motors ist zwar Teil der VW-Gruppe, verwendet aber dem englischen Markt angepasste, von den deutschen Bedingungen abweichende Einkaufsbedingungen. 60 Ford Motor Company: Production Purchasing Global Terms and Conditions (Stand Januar 2004), , 30.07.2020 (Ford Global Terms 2004). 59

B. Vertragsbeendigung nach englischem Recht

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2. Ford Global Terms Auch in den Bedingungen der Ford-Gruppe wird zwischen der Kündigung ohne Kündigungsgrund (termination at buyer’s option) und der Kündigung aus wichtigem Grund (termination for cause) unterschieden. Diese Kündigungsrechte bestehen jeweils nur für den Hersteller (Besteller). Der Besteller behält sich ein jederzeitiges Beendigungsrecht ohne Einhaltung einer Frist vor. Voraussetzung ist allein die schriftliche Kündigungserklärung (written notice of termination).61 Dem Zulieferer stehen gegebenenfalls Ausgleichszahlungen für bereits gelieferte oder fertiggestellte Zulieferprodukte, für die Kosten der laufenden Produktion (work-in-progress) und für Produktionsmaterial, das nicht anderweitig verwendet werden kann, zu, nicht aber ein Ausgleich für seine nicht amortisierten beziehungsspezifischen Investitionen. Die Gründe für eine Kündigung aus wichtigem Grund62 ähneln denen der Bentley-Bedingungen. Das sind Vertragsverletzungen, denen nicht innerhalb von 10 Tagen nach Anzeige abgeholfen wird, der Kontrollerwerb durch Dritte (change of control) und die Insolvenz des Zulieferers. Eine Beendigung ist auch bei einem durch den Zulieferer nicht zu vertretenden Lieferverzug möglich, wenn der Lieferverzug länger als drei Monate in Folge anhält. In diesen Fällen der Beendigung hat der Besteller nur ausstehende Zahlungsverpflichtungen auszugleichen. Die Ford-Bedingungen sehen den Abschluss von Jahresverträgen mit automatischer Verlängerung um ein weiteres Jahr vor (Sec. 8.02). Beide Parteien können der automatischen Verlängerung widersprechen. Dabei hat der Zulieferer eine Frist von mindestens zwei Monaten einzuhalten. Er muss den Besteller bei der Wahl eines alternativen Zulieferers unterstützen und seine Sublieferanten offenlegen (Sec. 8.03). Der Besteller kann eine Erstreckung der Belieferung um bis zu vier Monate und ausnahmsweise auch darüber hinaus verlangen (Sec. 8.04). Ein Ausgleich zugunsten des Zulieferers erfolgt nicht.

V. Resümee Beendigungsrechte haben die Parteien im englischen Recht vor allem im Fall von schwerwiegenden Vertragsverletzungen, insbesondere bei der Verletzung

61 „27.01. Termination. The Buyer may terminate the Purchase Order, in whole or in part, at any time and for any or no reason, upon Written Notice to the Supplier. The Supplier may not terminate at its option“, Ford Global Terms 2004. Vgl. zur Auslegung und Bewertung der Klausel auch Ben-Shahar/White, Michigan Law Review 104 (2006), 953, 958 Fn. 20. 62 Vgl. Ford Global Terms 2004, Sec. 26, 40.3.

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

einer condition. In Zulieferbeziehungen betrifft das besonders die Mangelfreiheit der Zulieferteile und die rechtzeitige Lieferung, wenn eine Just-intime-Strategie verfolgt wird. Vertragliche Beendigungsrechte können relativ frei vereinbart werden, eine gerichtliche Kontrolle von Beendigungsklauseln nach dem UCTA 1977 ist ausdrücklich nicht vorgesehen und die Zulässigkeit der Ausdehnung des Anwendungsbereichs ist umstritten. Das englische Recht berücksichtigt bei der Vertragsbeendigung die Besonderheiten langfristig angelegter, kooperativer Zulieferbeziehungen nur in begrenztem Rahmen. Die Zulässigkeit der Vereinbarung von vertraglichen Beendigungsrechten wird durch das englische Recht kaum berührt. Vertragliche Beendigungsrechte können unwirksam sein, wenn sie in Rahmenvereinbarungen enthalten sind, die dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht genügen. Aus diesem Grund können Beendigungsrechte und -fristen auch nicht aus einer konkludenten Rahmenvereinbarung abgeleitet werden, der es erst recht an der erforderlichen Bestimmtheit fehlt. Einfluss auf vertragliche Beendigungsrechte nimmt die englische Rechtsordnung vor allem über die Vertragsauslegung. Dabei haben die Richter einen gewissen Spielraum, ihre Vorstellungen von kaufmännisch sinnhaften Beendigungsrechten einzubringen. Auch können sie konkludente Treue-, Kooperations-, Rücksichtnahme- und Informationspflichten aus einem Vertragsverhältnis ableiten, deren Verletzung ein Beendigungsrecht begründen kann. Von diesen Möglichkeiten wird im englischen Recht nur restriktiv Gebrauch gemacht, um besonders missbräuchliches Verhalten zu sanktionieren. Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Automobilhersteller vorgesehenen Beendigungsrechte spiegeln diese Rechtslage wider. Die Hersteller behalten sich weitgehende Beendigungsrechte auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grunds vor. Während die Bedingungen von Bentley für den Zulieferer kein Beendigungsrecht vorsehen, beruhen die Bedingungen der Ford-Gruppe auf dem Konzept von Jahresverträgen, deren Verlängerung auch der Zulieferer abwenden kann. Fristlose Kündigungsrechte oder Beendigungsrechte mit sehr kurzen Fristen favorisieren Hold-up-Situationen. Der Besteller hat gegenüber dem Zulieferer ein Druckmittel, da er mit der kurzfristigen Vertragsbeendigung drohen kann.63 Dadurch werden andererseits hohe beziehungsspezifische Investitionen für den Zulieferer weniger attraktiv. Dieses Druckmittel hat der Zulieferer nach den Bentley-Bedingungen nicht; nach den Bedingungen der Ford-Gruppe ist es durch ein Kooperationsgebot bei dem Aufbau eines Ersatzlieferanten und die Möglichkeit einer einseitigen Erstreckung der Belieferungszeit abgemildert.

63

Vgl. Ben-Shahar/White, Michigan Law Review 104 (2006), 953, 959.

C. Vertragsbeendigung nach italienischem Recht

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C. Vertragsbeendigung nach italienischem Recht Auch das italienische Recht unterscheidet zwischen Beendigungsgründen, die auf Fehlern vor oder bei Vertragsschluss beruhen, und Beendigungsgründen im Rahmen der Vertragsdurchführung. Die rescissione schützt die Vertragspartner vor missbräuchlichem Verhalten der jeweils anderen Partei vor oder bei Vertragsschluss, indem sie ihr das (einseitige) Recht einräumt, sich vom Vertrag zu lösen, wenn der Vertrag unter besonderen, missbräuchlichen Umständen geschlossen wurde.64 Die rescissione gleicht also der englischen rescission und der deutschen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung. Sie hat die Nichtigkeit ex tunc zur Folge. Bei langfristigen Lieferbeziehungen geht es vor allem um Beendigungsmöglichkeiten im Rahmen der Vertragsdurchführung. Das sind nach italienischem Recht die risoluzione und der recesso.

I. Beendigungsrechte Im italienischen Vertragsrecht gilt die Grundregel des Art. 1372 CC65, wonach ein Vertrag nur im beiderseitigen Einverständnis oder auf Grundlage gesetzlicher Bestimmungen beendet werden kann. 1. Risoluzione Das italienische Recht folgt für die Vertragsbeendigung dem Leitbild der Vertragsaufhebung, denn die Rückabwicklung erfolgt grundsätzlich nur aufgrund richterlicher Entscheidung (risoluzione giudiziale), Art. 1453 CC.66 Das entspricht der französischen Tradition: Die Vertragsbeendigung ist Ergebnis einer Aufhebungsklage vor dem Zivilgericht.67 Es gibt drei Fälle, in denen die Parteien nicht auf den Richter zurückgreifen müssen: (1) bei einem vertrag-

64

Alpa, Manuale di diritto privato, 2015, 495 ff. „Art 1372 I CC Il contratto ha forza di legge tra le parti. Non puo` essere sciolto che per mutuo consenso o per cause ammesse dalla legge.“ 66 „Art. 1453 CC: Risolubilita` del contratto per inadempimento Nei contratti con prestazioni corrispettive, quando uno dei contraenti non adempie le sue obbligazioni, l’altro puo` a sua scelta chiedere l’adempimento o la risoluzione del contratto, salvo, in ogni caso, il risarcimento del danno. La risoluzione puo` essere domandata anche quando il giudizio e` stato promosso per ottenere l’adempimento; ma non puo` piu` chiedersi l’adempimento quando e` stata domandata la risoluzione. Dalla data della domanda di risoluzione l’inadempiente non puo` piu` adempiere la propria obbligazione.“ 67 Resch, Das italienische Privatrecht im Spannungsfeld von code civil und BGB, 2001, 454. 65

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

lich vereinbarten Rücktrittsrecht (clausola risolutiva espressa), (2) wenn eine für den Vertragsschluss entscheidende Frist nicht gewahrt wurde (termine essenziale) oder (3) bei Nichterfüllung und fruchtloser Nachfristsetzung von mindestens 15 Tagen (diffida ad adempiere).68 Wie im deutschen Recht wird zwischen gesetzlichen Beendigungsgründen und vertraglich vereinbarten Beendigungsgründen unterschieden. Als gesetzliche Beendigungsgründe sieht das italienische Recht (erhebliche) Vertragsverstöße (risoluzione per inadempimento) (Art. 1453–1462 CC), nachträglicher Unmöglichkeit (impossibilita`) und nachträgliche wirtschaftliche Unmöglichkeit (eccessiva onerosita`) (Art. 1463–1466; 1467–1469 CC) sowie Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage an.69 Die Vertragsaufhebung wirkt regelmäßig ex tunc, eine Ausnahme bilden jedoch gemäß Art. 1458 CC Dauerschuld- und Sukzessivlieferungsverhältnisse, bei denen bereits erbrachte Leistungen nicht rückerstattet werden und die Beendigungswirkung ex nunc eintritt.70 Die Art. 1662 und 1668 CC regeln für den contratto di appalto spezielle Vertragsauflösungsgründe, die gegenüber den allgemeinen Regeln der Art. 1453 ff. CC Vorrang haben.71 Art. 1662 CC knüpft an die Vertragsmäßigkeit des Werks an. Wenn das Werk nicht entsprechend der vertraglichen Vereinbarung voranschreitet bzw. nicht den Regeln der Kunst entspricht, kann der Besteller eine Nacherfüllungsfrist setzen, nach deren fruchtlosen Ablauf der Vertrag als aufgelöst gilt.72 Ist das Werk bzw. die Dienstleistung gänzlich ungeeignet für die vorgesehene Verwendung, kann der Besteller die Vertragsaufhebung verlangen, Art. 1668 II CC. Nicht jede Form der Nichtbzw. Schlechterfüllung durch den Werkunternehmer eröffnet dem Besteller ein Recht zur Vertragsauflösung. Vielmehr ist die Vertragsbeendigung nur bei Mängeln möglich, die so gravierend sind, dass das Werk nicht mehr bestimmungsgemäß zu gebrauchen ist und auch nicht mehr repariert werden kann.73 Es soll zunächst versucht werden, ein einmal erstelltes Werk zu erhalten, und der Besteller soll an sein in der Bestellung zum Ausdruck gekom-

68

Vgl. Alpa, Manuale di diritto privato, 2015, 505; zum vertraglich vereinbarten Rücktrittsrecht (clausola risolutiva espressa) Art. 1456 CC, zum termine essenziale Art 1457 CC, zur Nichterfüllung und Nachfristsetzung Art. 1454 CC. 69 Vgl. Grundmann, in: Zaccaria/Grundmann (Hrsg.), 2007, 220. 70 Vgl. auch Kindler, Einführung in das italienische Recht, 2008, 157. 71 Vgl. Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, 79. 72 Die gerichtliche Vertragsauflösung hat in diesem Fall der risoluzione di diritto dann nur noch feststellenden Charakter. 73 Giuseppe Ferri/Angelici/Giovanni B. Ferri, Manuale di diritto commerciale, 2019, 712.

C. Vertragsbeendigung nach italienischem Recht

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menes Interesse an dem Werk gebunden bleiben.74 Die risoluzione beim Werkvertrag wirkt regelmäßig ex tunc, die Leistungen sind rückabzuwickeln.75 2. Recesso Die einseitige Vertragsbeendigung durch recesso unilaterale ist in Art. 1373 CC geregelt. Der recesso unilaterale setzt eine vertragliche Vereinbarung voraus und kann grundsätzlich nur erklärt werden, bevor mit der Vertragsdurchführung begonnen wurde.76 Gemäß Art. 1373 II CC kann der recesso bei langfristigen Vertragsbeziehungen (contratti a esecuzione continuata o periodica) aber auch nach erfolgtem Leistungsaustausch (Teilerfüllung) erklärt werden, erbrachte Leistungen sind dann nicht rückabzuwickeln. Darüber hinaus bestehen für die einzelnen Vertragstypen spezielle gesetzliche Kündigungs- bzw. Beendigungsrechte.77 Gesetzliche Kündigungsrechte für Zulieferverträge können sich vor allem aus den Regeln über den contratto di appalto ergeben, nämlich aus Art. 1660 CC78, Art. 1671 CC79 und Art. 1674 CC80. Gemäß Art. 1660 CC kann der Besteller gegen eine angemessene Entschädigung den Werkvertrag beenden, wenn erhebliche Veränderungen des Projekts notwendig sind, um das Werk nach den Regeln der Kunst auszuführen. Nach Art. 1671 CC kann der Besteller den Werkvertrag außerdem beenden, wenn er dem Werkunternehmer für die entstandenen Kosten, die ausgeführten Arbeiten sowie den entgangenen Gewinn entschädigt. Die (ordentliche) Kündigung eines unbefristeten Vertrags ist in Art. 1569 CC81 für den contratto di somministrazione ausdrücklich geregelt. Beide Ver74 Vgl. Sangiovanni, Responsabilita` Civile 2012, 300, 307. Hierauf beruht der Unterschied zur risoluzione beim Kaufvertrag. 75 Rendo, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 79 f. 76 Corte Cass. Civ., Sez. Lavoro, 12.02.1990, Nr. 987. 77 Zum Ganzen vgl. auch Grundmann, in: Zaccaria/Grundmann (Hrsg.), 2007, 220. 78 „Art. 1660 CC: Se per l’esecuzione dell’opera a regola d’arte e` necessario apportare variazioni al progetto e le parti non si accordano, spetta al giudice di determinare le variazioni da introdurre e le correlative variazioni del prezzo. Se l’importo delle variazioni supera il sesto del prezzo complessivo convenuto, l’appaltatore puo` recedere dal contratto e puo` ottenere, secondo le circostanze, un’equa indennita`. Se le variazioni sono di notevole entita`, il committente puo` recedere dal contratto ed e` tenuto a corrispondere un equo indennizzo.“ 79 „Art. 1671 CC: Il committente puo` recedere dal contratto, anche se e` stata iniziata l’esecuzione dell’opera o la prestazione del servizio, purche´ tenga indenne l’appaltatore delle spese sostenute, dei lavori eseguiti e del mancato guadagno.“ 80 Art. 1674 CC sieht die Kündigungsmöglichkeit bei Tod des Unternehmers bzw. Unternehmensinhabers vor. 81 „Art. 1569 CC: Se la durata della somministrazione non e` stabilita, ciascuna delle

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

tragsparteien können den unbefristeten Vertrag unter Einhaltung der vertraglich vorgesehenen Kündigungsfrist vorzeitig beenden. Wurde keine Vereinbarung getroffen, so richtet sich die Frist nach den Handelsbräuchen oder entspricht ersatzweise der für den Vertragsgegenstand angemessenen Zeitspanne. Die Möglichkeit der Beendigung sonstiger unbefristeter Vertragsverhältnisse ist als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt (recesso ad nutum). Denn nach dem ordine pubblico sind unbefristete persönliche Verpflichtungen ohne Beendigungsmöglichkeit unzulässig.82 Dann ist eine angemessene Kündigungsfrist einzuhalten.83 Zulieferverträge werden teilweise mit einer festen Laufzeitvereinbarung abgeschlossen. Dann kommt die ordentliche Kündigung i.S.d. recesso ad nutum – also ohne vertragliche Vereinbarung – nicht in Betracht. Es bleibt die Möglichkeit eines recesso di autotutela, der das Vorliegen besonderer, eine Kündigung rechtfertigender Gründe voraussetzt.84 Das soll es den Vertragsparteien ermöglichen, auf nachträglich eintretende Ereignisse zu reagieren, die die vertraglichen Interessen bedrohen.85 Diese Kündigungsmöglichkeit ist mit der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund im deutschen Recht vergleichbar.

II. Grenzen für die Vereinbarung und Ausübung von Beendigungsrechten Die Legge Subfornitura enthält spezielle Regelungen zur Beendigung von Zulieferbeziehungen, die jedoch aufgrund des eingeschränkten Anwendungsbereichs in der Automobilindustrie seltener zur Anwendung kommen. Auch für die Automobilindustrie relevant ist dagegen die Generalklausel des Art. 9 Legge Subfornitura. Hinzu kommen Beschränkungen aus den allgemeinen gesetzlichen Generalklauseln.86

parti puo` recedere dal contratto, dando preavviso nel termine pattuito o in quello stabilito dagli usi o, in mancanza, in un termine congruo avuto riguardo alla natura della somministrazione.“ 82 Franzoni, Degli effetti del contratto, 1998, 58. 83 Roppo, Il contratto, 2001, 551. 84 Gesetzlich geregelt ist die Kündigung aus wichtigem Grund in Art. 2119 CC für das Arbeitsrecht. Jede der Vertragsparteien kann den Vertrag beenden, wenn ein Grund vorliegt, der der Weiterführung des Vertrags entgegensteht, etwa wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien schwerwiegend gestört ist. 85 Roppo, Il contratto, 2001, 551. 86 Das AGB-Recht spielt in Italien im unternehmerischen Verkehr eine untergeordnete Rolle, da es eine reine formale Einbeziehungskontrolle für Vertragsklauseln vorsieht. Vgl. auch Kap. 1 C. III 4.

C. Vertragsbeendigung nach italienischem Recht

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1. Spezialgesetzliche Einschränkungen Im Anwendungsbereich der Legge Subfornitura enthält deren Art. 6 Nr. 2 spezielle Regelungen für die Kündigung langfristiger Vertragsbeziehungen. a) Angemessene Kündigungsfrist Gemäß Art. 6 Nr. 2 der Legge Subfornitura ist eine Vereinbarung nichtig, die einer der Parteien eines Zuliefervertrags ein Kündigungsrecht ohne Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist (congruo preavviso) einräumt.87 Die Rechtsfolge ist die Teilnichtigkeit nur der jeweiligen Kündigungsklausel, an deren Stelle das allgemeine Kündigungsrecht tritt.88 Soweit es sich nicht um einen befristeten Vertrag handelt, bleibt dann als einzige Kündigungsmöglichkeit die außerordentliche Kündigung. Für Werkverträge gilt allerdings daneben Art. 1671 CC, wonach der Besteller kündigen kann, wenn er dem Werkunternehmer die entstandenen Kosten, die ausgeführten Arbeiten sowie den entgangenen Gewinn entschädigt.89 Obwohl Art. 6 Legge Subfornitura das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Kündigung nicht ausdrücklich fordert, soll dieser Aspekt Putti zufolge bei der Prüfung der Angemessenheit der Kündigungsfrist Berücksichtigung finden. Auch soll das ökonomische Umfeld des Zuliefervertrags90 und die Amortisation beziehungsspezifischer Investitionen in die Bewertung einbezogen werden.91 So soll dem besonderen ökonomischen Umfeld der Zulieferverträge und der besonderen Abhängigkeit zwischen den Vertragsparteien Rechnung getragen werden.92 b) Nichtigkeitsfolge Art. 6 Nr. 2 Legge Subfornitura dient nicht ausdrücklich dem Schutz des Zulieferers, vielmehr können sich grundsätzlich beide Vertragsparteien auf die Nichtigkeit einer gesetzeswidrigen Kündigungsklausel berufen.93

„Art. 6 Nr. 2 Legge Subfornitura: E` nullo il patto che attribuisca ad una delle parti di un contratto di subfornitura ad esecuzione continuata o periodica la facolta` di recesso senza congruo preavviso.“ 88 So einleuchtend Putti: Art. 6/7 (Nullita` di clausole e proprieta`), in: Alpa/Clarizia (Hrsg,), 1999, 203. 89 Siehe bereits oben unter I. 2. 90 Putti: Art. 6/7 (Nullita` di clausole e proprieta`), in: Alpa/Clarizia (Hrsg,), 1999, 202. 91 Vgl. Natoli, in: Roppo/Benedetti (Hrsg.), 2014, 371. 92 So auch Las Casas, Comparazione e diritto civile (open access) Nov. 2012, 1, 9. 93 Putti: Art. 6/7 (Nullita` di clausole e proprieta`), in: Alpa/Clarizia (Hrsg,), 1999, 188. 87

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

Die Reichweite der Nichtigkeit ist umstritten, in Betracht kommen entweder die nullita` di protezione nur zugunsten des Zulieferers oder die nullita` assoluta für beide Parteien.94 Das hat auch Bedeutung für die Frage, ob die Nichtigkeit der Klausel zur Gesamtnichtigkeit des Liefervertrags führen kann. Die vollständige Nichtigkeit des Vertrags wird in der Regel nicht im Interesse der schutzbedürftigen Vertragspartei sein, wenn diese sich auf die Unwirksamkeit der Kündigungsklausel beruft, um eine Kündigung mit unangemessen kurzer Frist abzuwehren. Da die Legge Subfornitura keine Aussagen zur Teilnichtigkeit (nullita` parziale) enthält, gelten die allgemeinen Prinzipien der Art. 141995 und 1339 CC, die im Falle der Zulieferbeziehung freilich zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führen können: Wurden dem Zulieferer die Vertragsbedingungen diktiert, wird oftmals nicht nachzuweisen sein, dass der Besteller den Vertrag auch ohne den nichtigen Teil abgeschlossen hätte. Mit unterschiedlicher Begründung wird aber vertreten, dass ein Verstoß gegen Art. 6 Nr. 2 Legge Subfornitura nur zur Teilnichtigkeit führt.96 Folge der Teilunwirksamkeit des Vertrags ist die Anwendbarkeit der Allgemeinen Regeln, insbesondere des recesso unilaterale nach Art. 1373 CC sowie der besonderen Regeln der jeweils einschlägigen Vertragstypen.97 2. Missbrauchstatbestand, Art. 9 Legge Subfornitura Gemäß Art. 9 Legge Subfornitura darf der Abnehmer bei wirtschaftlicher Abhängigkeit (dipendenza economica) des Zulieferers den Vertrag nur dann kündigen, wenn er ein nachvollziehbares ökonomisches Interesse an der Kündigung darlegen kann und sein Kündigungsrecht im Einklang mit Treu und Glauben ausübt. Er darf das Kündigungsrecht insbesondere nicht missbräuchlich ausüben, um den Zulieferer zu schädigen.98 a) Missbrauchstatbestand Art. 9 der Legge Subfornitura geht in seinem Regelungsgehalt über den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im kartellrechtlichen Sinne hin-

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Dazu Merz, Formulario dei contratti, 2009, 853; vgl. auch vorstehend Kap. 1 C. III.

1. b). 95 Art. 1419 CC entspricht im Wortlaut nahezu § 139 BGB (Teilnichtigkeit): „La nullita` parziale di un contratto o la nullita` di singole clausole importa la nullita` dell’intero contratto, se risulta che i contraenti non lo avrebbero concluso senza quella parte del suo contenuto che e` colpita dalla nullita`. […].“ 96 Zum Ganzen: Putti: Art. 6/7 (Nullita` di clausole e proprieta`), in: Alpa/Clarizia (Hrsg,), 1999, 188 f., 193 f. 97 Putti: Art. 6/7 (Nullita` di clausole e proprieta`), in: Alpa/Clarizia (Hrsg,), 1999, 202. 98 Vgl. einführend bereits Kap. 1 C. III. 1. c).

C. Vertragsbeendigung nach italienischem Recht

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aus und dient dem Schutz der schwächeren Vertragspartei. Die Anwendung des Missbrauchstatbestands setzt zunächst ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen zwei Unternehmen voraus. Kriterien sind die Umsatzquoten des Abnehmers bei dem betroffenen Zulieferer, eventuelle beziehungsspezifische Investitionen der Parteien, Informationsasymmetrien, die Größenverhältnisse der Unternehmen sowie die Dauer der Geschäftsbeziehung und die Transaktionshäufigkeit.99 Zum Begriff der wirtschaftlichen Abhängigkeit wird teilweise auf die Rechtsprechung des BGH zum deutschen § 20 GWB Bezug genommen.100 Zur wirtschaftlichen Abhängigkeit muss ein Missbrauch hinzutreten. Dafür sind zwei Faktoren entscheidend. Einerseits muss das marktmächtigere Unternehmen gegenüber seinem Vertragspartner ein übermäßiges Ungleichgewicht an Rechten und Pflichten durchsetzen können.101 Bei der Bestimmung des übermäßigen Ungleichgewichts (eccessivo squilibrio) ist auf den wirtschaftlichen Inhalt des Gesamtvertrags abzustellen, insbesondere darauf, ob nachteilige Klauseln durch vorteilhafte Klauseln aufgewogen werden. Denn die Generalklausel der buona fede oggettiva verlangt die Berücksichtigung aller Umstände, die die konkrete Interessenlage charakterisieren.102 Dazu kann auch zählen, dass es eine selbstbestimmte unternehmerische Entscheidung des abhängigen Unternehmens war, sich in das Abhängigkeitsverhältnis zu begeben.103 Andererseits bedarf es einer Einordnung

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Caso, Abuso di potere contrattuale e subfornitura industriale, 2012, 180. So jedenfalls Prosperi, in: Conte/Alpa (Hrsg.), 2015, 347. Danach werden unterschieden: (1) dipendenza da assortimento; (2) dipendenza da penuria: (3) dipendenza da rapporti commerciali; (4) dipendenza del fornitore con committente singolo. 101 Art. 9 Nr. 1 S. 2 Legge Subfornitura: „Si considera dipendenza economica la situazione in cui un’impresa sia in grado di determinare, nei rapporti commerciali con un’altra impresa, un eccessivo squilibrio di diritti e di obblighi.“; Tribunale di Roma, 05.02.2008, Il Foro italiano 2008 I, 2326, 2328; Giuseppe Ferri/Angelici/Giovanni B. Ferri, Manuale di diritto commerciale, 2019, 128 f. 102 Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 94 f.; Prosperi, in: Conte/Alpa (Hrsg.), 2015, 357. 103 Das Tribunale di Roma hatte über die Beendigung der über 20 Jahre andauernden Geschäftsbeziehung zwischen RAI und CTT zu entscheiden, die Audiodeskriptionsleistungen für das Fernsehen für Sehbehinderte zum Gegenstand hatte. CTT forderte u.a. die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung für mindestens 18 Monate, blieb aber ohne Erfolg. Die Geschäftsbeziehung basierte auf einzelnen Aufträgen, ein Rahmenvertrag war nicht geschlossen worden. Seit 1991 hatten die Aufträge der RAI für CTT 75 % des Gesamtumsatzes ausgemacht. Das Gericht lehnte die Anwendung von Art. 9 Legge Subfornitura unter anderem mit dem Argument ab, dass CTT deshalb weniger schützenswert sei, weil das Unternehmen sich aufgrund einer eigenen unternehmerischen Entscheidung in das Abhängigkeitsverhältnis begeben habe und verneinte einen Anspruch auf Fortsetzung der Geschäftsbeziehung; Tribunale di Roma, Sez. X, 24.01.2017, Nr. 1239. 100

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

des Ungleichgewichts in Bezug auf den konkreten Markt.104 Dem schwächeren Unternehmen dürfen auf dem Markt keine zufriedenstellenden Alternativen (alternative soddisfacenti) zur Verfügung stehen.105 Das wird nach einem zweistufigen Verfahren geprüft: Im ersten Schritt ist festzustellen, ob auf dem Markt objektiv Alternativen eröffnet sind (dipendenza oggettiva), im zweiten Schritt, ob diese für das Unternehmen (subjektiv) realisierbar und zumutbar sind (dipendenza soggettiva). Bei der dipendenza soggettiva sind unter anderem beziehungsspezifische Investitionen, die sich noch nicht amortisiert haben, die Dauer der Geschäftsbeziehung, das schützenswerte Vertrauen in die andauernde Geschäftsbeziehung und die Bedeutung der Geschäftsbeziehung in Relation zum Gesamtumsatz zu berücksichtigen; die Beweislast liegt bei dem abhängigen Unternehmen.106 Befürwortet wird auch, bei der Auslegung des Missbrauchstatbestands die Vertragspraxis mit anderen Vertragspartnern (insbesondere auch innerhalb eines gemeinsamen Produktionsnetzes) zu berücksichtigen. Dann könnten Klauseln als missbräuchlich anzusehen sein, die ohne sachlichen Grund ungünstiger sind als die von dem Hersteller gegenüber vergleichbaren Zulieferunternehmen verwendeten Klauseln.107 b) Regelbeispiele Art. 9 Legge Subfornitura sieht drei Regelbeispiele für den Missbrauchstatbestand vor: die Weigerung zu kontrahieren (rifiuto di contrarre), das Diktieren von besonders belastenden und diskriminierenden Vertragsbedingungen (imposizione di clausole contrattuali gravose e discriminatorie) und die willkürliche Beendigung der Geschäftsbeziehung (interruzione arbitraria delle relazioni commerciali).108 Das Regelbeispiel der Durchsetzung von besonders belastenden oder diskriminierenden Vertragsbedingungen kann sich einerseits auf ökonomische Faktoren wie den Preis der Leistung beziehen, anderseits aber auch auf rechtliche Faktoren. Prosperi hält die nach Art. 33 Cod. Cons. unzulässigen Klauseln sowie Klauseln, die eine Modifikation des Vertrags durch Schweigen zulassen, für grundsätzlich missbräuchlich. Indizien für die Missbräuchlichkeit von Klauseln lassen sich auch aus den Klauselverboten des Art. 6 Legge Subfornitura ableiten.109 Demgemäß können auch Kündigungsrechte ohne

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Iamiceli, Analisi Giuridica dell’Economia 2011, 293, 300. Vgl. Astone, in: Zoppini/Lipari/Rescigno (Hrsg.), 2009, 634. 106 Tribunale di Roma, Sez. X, 24.01.2017 Nr. 1239. 107 So Iamiceli, Analisi Giuridica dell’Economia 2011, 293, 300. 108 Tribunale di Milano, Sez. Impresa, 17.06.2016, Il Foro italiano 2016, I, 3636 (Google). 109 Prosperi, in: Conte/Alpa (Hrsg.), 2015, 361 f. 105

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angemessene Kündigungsfrist und ohne Vorliegen eines wichtigen Grunds besonders belastende und diskriminierende Vertragsbedingungen im Sinne des Regelbeispiels sein.110 Das Regelbeispiel der willkürlichen Unterbrechung bzw. Beendigung der laufenden Geschäftsbeziehung (interruzione arbitraria delle relazioni commerciali in atto) betrifft vor allem zwei Situationen: die Weigerung des marktmächtigeren Unternehmens, einen Folgevertrag abzuschließen, und die Kündigung eines bestehenden Vertragsverhältnisses (recesso discrezionale).111 In die Beurteilung werden auch frühere Vertragsverstöße oder mangelhafte Erfüllung eingestellt, die der vertrauensvollen Fortsetzung einer langfristigen Vertragsbeziehung entgegenstehen. Mit dieser Begründung hielt etwa das Tribunale di Bari den recesso ad nutum gegenüber dem wirtschaftlich abhängigen Unternehmen für zulässig, dem die wiederholte Nicht- und Späterfüllung der Lieferverpflichtung vorangegangen war.112 c) Rechtsprechung Art. 9 Legge Subfornitura wurde von den Gerichten seit Einführung des Zuliefergesetzes verschiedentlich zur Beurteilung von Vertragsbeendigungen herangezogen, sodass sich mittlerweile eine Rechtspraxis abzeichnet. (1) Tribunale di Bari: Milly Boutique c. Marina Babini (2002) Einer der ersten Fälle, die ein italienisches Gericht zum Missbrauch der wirtschaftlichen Machtposition zu entscheiden hatte, war die Entscheidung des Tribunale di Bari in der Rechtssache Milly Boutique c. Marina Babini.113 Der Fall betraf eine italienische Mode-Herstellerin, Marina Babini, und ihre Vertriebspartnerin, Milly Boutique, Eigentümerin zweier Modegeschäfte in Bari. Zwei Wochen nach Bestellung der Frühjahrskollektion verweigerte die Herstellerin die Lieferung und wollte kurzfristig, aufgrund einer Umstrukturierung ihrer Betriebskanäle, von der Bestellung zurücktreten. Das Tribunale di Bari sah hierin einen Verstoß gegen Art. 9 Legge Subfornitura (Regelbeispiel der willkürlichen Beendigung der Vertragsbeziehung) und bejahte eine Verpflichtung der Herstellerin zu Erfüllung des Liefervertrags für die Frühjahrskollektion. Dabei spielte neben der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Vertriebsunternehmens eine Rolle, dass Milly Boutique aufgrund der beanstandungsfreien zehnjährigen Lieferbeziehung berechtigtes Vertrauen in deren 110

Vgl. Art. 6 Nr. 2 Legge Subfornitura, Art. 33 Nr. lit. h Cod. Cons. Tribunale di Milano, Sez. Impresa, 17.06.2016, Il Foro it. 2016, I, 3636, 3645 (Google). 112 Tribunale di Bari, 17.01.2005, Il Foro italiano, 2005, I, 1603. 113 Tribunale di Bari, 06.03.2002, Il Foro italiano, 2002, I, 2178 (Milly Boutique/Marina Babini). 111

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

Fortbestand haben durfte und ihr kurzfristig keine Bezugsalternativen zur Verfügung standen, auch aufgrund der in der Textilbranche üblichen saisonalen Vorlaufzeiten. Die langfristige Geschäftsbeziehung, in die die Lieferung eingebettet war, hielt das Gericht aber für beendet.114 (2) Corte di Cassazione Civile: Mazda/Sidauto Vertragshändlernetz (2014) Das oberste Zivilgericht maß in einer aktuelleren Entscheidung die Wirksamkeit der Kündigung von Vertragshändlern an der Generalklausel des Art. 9 Legge Subfornitura, an Art. 6 Nr. 2 Legge Subfornitura und auch am Prinzip der buona fede oggettiva.115 Die Vertragshändlerverträge mit dem MazdaImporteur Sidauto sahen zwei Kündigungsmöglichkeiten für Sidauto vor, nämlich einerseits die ordentliche Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 24 Monaten und andererseits die fristlose Kündigung im Fall der Beendigung des Importvertrags zwischen Sidauto und Mazda. Die zweite Kündigungsklausel hielt die Corte di Cassazione unter Anwendung von Art. 9 und Art. 6 Nr. 2 Legge Subfornitura für unwirksam, da die Beendigung des Importvertrags kein zulässiger wichtiger Kündigungsgrund war und das fristlose Kündigungsrecht die wirtschaftlich abhängigen Vertragshändler ungerechtfertigt benachteiligte. Das Kündigungsrecht sei darüber hinaus missbräuchlich ausgeübt worden: Der Kündigung der Vertragshändler ging eine Vereinbarung zwischen Mazda und Sidauto voraus, wonach Mazda dem Importeur für die Beendigung der Vertragshändlerverträge eine hohe Abfindung zahlen sollte, um unmittelbar Verträge mit den Vertragshändlern zu günstigeren Konditionen abschließen zu können. Die Corte di Cassazione hielt Mazda für mitverantwortlich und gemeinsam mit Sidauto haftbar auf Schadensersatz gegenüber den Vertragshändlern: Mazda und Sidauto hätten bei der Vertragsverletzung durch Sidauto kooperiert und Mazda habe die Unterbrechung der Importbeziehung fälschlich als Kündigungsgrund vorgespiegelt.116 114 Tribunale di Bari, 06.03.2002, Il Foro italiano, 2002, I, 2178 (Milly Boutique/Marina Babini); die Entscheidung ist eine der ersten, die Art. 9 Legge Subfornitura als außerhalb des Zuliefergesetzes anwendbare Generalklausel einordnet. Eine ausführliche Analyse der ersten Urteile zu Art. 9 Legge Subfornitura findet sich in italienischer Sprache bei Colangelo, L’abuso di dipendenza economica tra disciplina della concorrenza e diritto dei contratti, 2004, 98 ff. 115 Corte Cass. Civ., Sez. III, 23.07.2014, Nr. 16787. 116 Corte Cass. Civ., Sez. III, 23.07.2014, Nr. 16787, S. 24: „Correttamente, quindi, la Corte di appello ha ritenuto la societa` ricorrente corresponsabile dei danni subiti dalle concessionarie, per la sua cooperazione all’inadempimento di Sidauto e per la mala fede dimostrata nel prospettare alle concessionarie insussistenti condizioni per il recesso immediato dal rapporto – cioe` l’interruzione dei rapporti con l’importatore rapporti che in realta` non erano stati interrotti, ma erano stati consensualmente risolti dietro corrispettivo.“

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(3) Tribunale di Roma: CTT c. RAI (2017) Das Tribunale di Roma entschied im Jahr 2017 über die Kündigung einer langfristigen Geschäftsverbindung zwischen der Filmproduktionsfirma CTT und dem italienischen Fernsehsender RAI.117 Seit 1991 verband CTT mit RAI eine Geschäftsbeziehung. Die Filmproduktionsfirma machte geltend, spezifische Investitionen für die Geschäftsbeziehung mit RAI getätigt zu haben und sich in einem Verhältnis wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber RAI zu befinden. Die Kündigung durch RAI verstoße daher gegen Art. 9 Legge Subfornitura. CTT konnte aber den Missbrauch der überlegenen wirtschaftlichen Position der RAI nicht nachweisen. Berücksichtigung fand dabei auch, dass es eine unternehmerische Entscheidung der CTT gewesen war, sich in ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zu RAI zu begeben, und es an alternativen Vertragspartnern am Markt nicht fehlte. Letztlich konnte CTT auch Höhe und Art ihrer beziehungsspezifischen Investitionen nicht hinreichend nachweisen. (4) Zwischenergebnis Nach diesen Urteilen kommt ein missbräuchliches Ausnutzen wirtschaftlicher Abhängigkeit i.S.d. Art. 9 Legge Subfornitura insbesondere in Betracht, wenn aufgrund einer langfristigen Geschäftsverbindung ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis besteht und ein Vertrauen in den Fortbestand der Geschäftsbeziehung gerechtfertigt ist, das aus eigennützigen Interessen zum Schaden des Vertragspartners enttäuscht wird. Dabei spielt auch eine Rolle, ob das abhängige Unternehmen beziehungsspezifische Investitionen getätigt hat und die wirtschaftliche Abhängigkeit nicht (nur) aus einer freien unternehmerischen Entscheidung heraus entstanden ist. d) Berücksichtigung von Netzinteressen über Art. 9 Legge Subfornitura Iamiceli will den Missbrauchstatbestand der Legge Subfornitura auch dazu nutzen, Netzinteressen bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Vertragsbeendigung zu berücksichtigen. Der Richter müsse bei seiner Entscheidung die Kohärenz und Kompatibilität des Ergebnisses mit der Kooperationsverpflichtung des im Netz unter einem gemeinsamen Produktionsprogramm eingebundenen Unternehmens prüfen. Gegebenenfalls könne eine im Zwei-Personen-Verhältnis wirksame Kündigung deshalb missbräuchlich sein, weil sie einen ungerechtfertigten Ausschluss aus dem Produktionsnetzwerk bedeuten würde.118 Diesen Ansatz haben Gerichte bislang nicht aufgenommen. 117

Tribunale di Roma, Sez. X, 24.01.2017, Nr. 1239. Iamiceli, Analisi Giuridica dell’Economia 2011, 293, 302 f., eine Mindermeinung in der italienischen Diskussion vertretend. 118

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e) Rechtsfolgen Rechtsfolge einer missbräuchlichen Vertragsbeendigung i.S.d. Art. 9 Legge Subfornitura ist zunächst die Unwirksamkeit des missbräuchlichen Rechtsgeschäfts (also der Kündigung). Daraus folgt die Verpflichtung zur weiteren Durchführung des Vertrags,119 eventuell für die Dauer einer Auslauffrist und unbeschadet einer etwaigen Vertragsbeendigung durch eine nicht missbräuchliche Kündigung unter Einhaltung einer angemessenen Frist. Daneben kommen Ansprüche auf Unterlassen und auf Schadensersatz in Betracht.120 3. Treu und Glauben (Verbot des abuso del diritto) Einschränkungen ergeben sich schließlich aus den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben (canoni della buona fede, della lealta` e della correttezza).121 Die buona fede oggettiva nach Art. 1375 CC beinhaltet die Verpflichtung, vertragliche Beendigungsrechte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auszuüben und sich nicht rechtsmissbräuchlich zu verhalten.122 Eine Vertragspartei darf ihr Kündigungsrecht nicht unvermittelt und willkürlich entgegen den nach der bisherigen Geschäftsbeziehung berechtigten Erwartungen des Vertragspartners ausüben.123 Das ist der Fall, wenn der Rücktritt oder die Kündigung auf eine Weise und zu einer Zeit erklärt wurde, die nicht dem schützenswerten Interesse des Kündigenden entspricht, sondern allein darauf abzielt, dem Vertragspartner Schaden zuzufügen.124 Bei dauerhaften Geschäftsbeziehungen sind insbesondere spezifische Investitionen und die zu deren Amortisierung notwendige Vertragsdauer von Bedeutung.125

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Prosperi, in: Conte/Alpa (Hrsg.), 2015, 366 f. Astone, in: Zoppini/Lipari/Rescigno (Hrsg.), 2009, 634; Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 79. 121 Vgl. bereits Kap. 1 C. III. 122 Calvagno D’Achille, in: Ciaccafava (Hrsg.), 2013, 399 f. 123 Vgl. Corte Cass. Civ., Sez. I, 16.10.2003, Nr. 15482, Il Foro italiano, 2004, 1845, 1849: „alla stregua del principio per cui il contratto deve essere eseguito secondo buona fede, dove accertare che il recesso non sia esercitato con modalita` impreviste ed arbitrarie, tali da contrastare con la ragionevole aspettativa“. 124 Corte Cass. Civ., Sez. I, 16.10.2003, Nr. 15482, Il Foro italiano, 2004, 1845: „la corrispondenza a buona fede dell’esercizio del diritto di recesso, contrattualmente previsto, nella specie per il contratto di fornitura, deve essere calculata nel complessivo contesto dei rapporti intercorrenti tra le parti, onde accertare se il recesso sia stato esercitato o meno secondo modalita` e tempo che non rispondono ad un interesse titolare del diritto meritevole di tutela, ma soltanto allo scopo di recare danno all’altra parte, incidendo sulla condotta sostanziale che le parti sono obbligate a tenere per preservare il reciproco interesse all’esatto adempimento delle rispettive prestazioni.“ 125 Prosperi, in: Conte/Alpa (Hrsg.), 2015, 349. 120

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Weil die Verletzung des Prinzips von Treu und Glauben mit einer Vertragsverletzung (inadempimento) gleichzusetzen ist, kann der Geschädigte bei missbräuchlicher Ausübung eines Beendigungsrechts Schadensersatz verlangen.126 In Betracht kommt auch, wie bei der Verletzung von Art. 9 Legge Subfornitura, die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts.127 a) Corte di Cassazione Civile: Alibrandi e altri/Soc. Renault Italia (2009) In der Entscheidung des obersten Zivilgerichts ging es um die Wirksamkeit der Kündigung von Vertragshändlerverträgen durch Renault Italia.128 Eine Gruppe von Vertragshändlern der Renault Italia begehrte Schadensersatz wegen widerrechtliche Beendigung der langfristigen Vertragsbeziehungen (durchschnittliche Dauer zehn Jahre).129 Das Urteil gilt als Ausgangspunkt für die verstärkte Berücksichtigung von Missbrauchsgesichtspunkten (abuso del diritto) im italienischen Recht.130 Die Corte di Cassazione hielt das Prinzip der buona fede e correttezza auch bei der ordentlichen Kündigung für relevant. Bewertungsmaßstab sei die Verhältnismäßigkeit der Kündigung im Lichte der Geschäftsbeziehung und der Parteiinteressen, insbesondere auch, ob Ausgleichsansprüche oder Nachverhandlungen vorgesehen waren.131 Das oberste Zivilgericht berücksichtigt also auch das Ungleichgewicht der Vertragsmacht der Parteien.132 Die Sache wurde an das Instanzgericht zurückverwiesen, das die Kündigungen nach dem Prinzip der buona fede e correttezza zu beurteilen hatte.

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Vgl. etwa Corte Cass. Civ., Sez. III, 18.09.2009, Nr. 20106, Il Foro italiano, 2010, 85 (Renault Italia); Corte Cass. Civ., Sez. Unite civ., 15.11.2007, Nr. 23726. 127 Nanci, Ordines 2018, 143, 158. 128 Corte Cass. Civ., Sez. III, 18.09.2009, Nr. 20106, Il Foro italiano, 2010, 85 (Renault Italia). 129 Konkret begehrten die Vertragshändler Ausgleich für den Verlust des Kundenstamms aufgrund der Beendigung der Geschäftsbeziehung, Schadensersatz wegen der bösgläubigen oder missbräuchlichen Ausübung des Beendigungsrechts sowie Ausgleich für die getätigten spezifischen Investitionen auf Grundlage der dauerhaften Geschäftsbeziehung. 130 Vgl. Nanci, Ordines 2018, 143, 150. 131 Corte Cass. Civ., Sez. III, 18.09.2009, Nr. 20106, Il Foro italiano, 2010, 85 (Renault Italia): „[...] il punto rilevante e` quello della proporzionalita` dei mezzi usati. Proporzionalita` che esprime una certa procidemalizzazione nell’ersercizio del diritto di recesso (per es. attraverso la previsione di trattative, il riconoscimento di indennita` ecc.). [...] In concreto avrebbe dovuto valutare – e tale esame spetta ora al gudice del rinvio – se il recesso ad nutum previsto dalle condizioni contrattuali, era stato attuato con modalita` e per perseguire fini diversi ed ulteriori rispetto a quelli consentiti.“; Besprechung etwa bei Galgano, contratto e impresa 2011, 311. 132 Vgl. auch Nanci, Ordines 2018, 143, 156.

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

b) Tribunale di Bergamo (2017) Das Tribunale di Bergamo nahm in einer recht aktuellen Entscheidung eine Abgrenzung zwischen dem Verbot des Missbrauchs wirtschaftlicher Abhängigkeit aus Art. 9 Legge Subfornitura und dem allgemeinen Missbrauchsverbot aus dem Gutglaubensprinzip vor.133 Für die Vertragsbeziehungen kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der gekündigte Vertragshändler mangels Lock-in-Effekt und bei Vorhandensein ausreichender Alternativen am Markt nicht in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zu dem Traktorenhersteller stand.134 Art. 9 Legge Subfornitura konnte daher nicht zur Anwendung kommen, die Kündigung aber nichtsdestotrotz nach dem Prinzip der buona fede beurteilt werden. Auf Grundlage dessen hielt das Gericht die Kündigungsfrist von drei Monaten für eine ordentliche Kündigung (ein wichtiger Kündigungsgrund konnte nicht hinreichend glaubhaft gemacht werden) für ungerechtfertigt kurz und ordnete eine Übergangsfrist von einem Jahr an.135

III. Einkaufsbedingungen nach italienischem Recht Für die Untersuchung standen wiederum die sehr ausführlichen Allgemeinen Einkaufsbedingungen von Fiat136 und die vergleichsweise knappen Allgemeinen Einkaufsbedingungen des VW-Konzernunternehmens Lamborghini137 zur Verfügung, die beide eine Rechtswahlklausel zugunsten des italienischen Rechts enthalten. In beiden Bedingungswerken wird nicht danach differenziert, ob der Vertragspartner ein Zulieferer im Sinne der Legge Subfornitura (Auftragsfertiger) ist oder nicht. Lamborghini sieht in ihren Bedingungen umfassende Beendigungsrechte vor. Ohne Kündigungsgrund kann Lamborghini den Zuliefervertrag nach diesen Einkaufsbedingungen unter Einhaltung einer Frist von 30 Tagen kün-

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Tribunale di Bergamo, 04.01.2017, RG Nr. 6591/2016. Der Umsatzanteil machte nur 24,2 % aus, es wurden kaum vertragsspezifische Investitionen getätigt und der Vertragshändler war auch keine Alleinbezugsverpflichtung eingegangen. 135 Vgl. auch Nanci, Ordines 2018, 143, 169 f. 136 FCA Italy S.p.A.: Condizioni Generali di Acquisto (Stand Juni 2002) (Fiat-Einkaufsbedingungen 2002) und Addendum 2011, die auch nach dem Zusammenschluss von Fiat und Chrysler noch Anwendung finden; der Autorin von Fiat (FCA Italy S.p.A.) zur Verfügung gestellt, nicht öffentlich abrufbar. 137 Automobili Lamborghini S.p.a.: General Terms and Conditions for Purchase of Goods and Services (Stand Januar 2017), , 30.07.2020 (Lamborghini-Einkaufsbedingungen 2017). 134

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digen, Art 24. Darüber hinaus kann Lamborghini den Zuliefervertrag bei Insolvenz des Zulieferers, bei umfassender oder partieller Vertragsverletzung, bei Nichterfüllung arbeitssicherheitsrelevanter Dokumentationspflichten, bei vom Zulieferer zu vertretendem Lieferverzug, bei Qualitätsmängeln, bei einseitiger Änderung von Preisen und sonstigen Lieferkonditionen, bei Änderungen des Unternehmensnamens des Zulieferers oder in seinen Kontrollstrukturen sowie bei Verstoß gegen den Ethikcode von Lamborghini ohne Einhaltung einer Frist beenden, Art. 25. Diese Klausel konkretisiert das Recht zur außerordentlichen Kündigung, wobei die Nachrangigkeit der Vertragsbeendigung im Rahmen der Mängelgewährleistung beim contratto di appalto abbedungen wird. Die Tendenz der Rechtsprechung, solche Kündigungsrechte an Art. 9 Legge Subfornitura und den Grundsätzen von Treu und Glauben zu messen, findet in den Bedingungen keinen Niederschlag. Die Einkaufsbedingungen von Fiat sehen zwei Möglichkeiten der Vertragsbeendigung vor. Nach der risoluzione per inadempimento soll Fiat den Zuliefervertrag auflösen können, wenn der Zulieferer eine Verpflichtung aus dem Vertrag nicht erfüllt hat, der Besteller diese Pflichtverletzung unter Nachfristsetzung angezeigt hat und diese Nachfrist erfolglos verstrichen ist, Art. 47.1.138 Diese Regelung orientiert sich – im Unterschied zu den Bedingungen von Lamborghini – am Kaufrecht.139 Weiter hat der Besteller das Recht, den Zuliefervertrag mit einfacher schriftlicher Erklärung zu unterbrechen, wenn Umstände eintreten, die auf eine bestehende oder zukünftige Unfähigkeit des Zulieferers seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, schließen lässt (z.B. Zahlungsausfälle gegenüber Mitarbeitern, gegenüber dem Finanzamt oder Banken, Entzug von Lizenzen, oder Bestrebungen, ein Insolvenzverfahren einzuleiten) oder der Zulieferer für einen Zeitraum von mehr als fünf Tagen seinen vertraglichen Lieferverpflichtungen nicht nachgekommen ist. Wenn diese Situation nicht innerhalb von zehn Tagen nach Eingang der Unterbrechungserklärung endet, steht dem Besteller ein einseitiges Beendigungsrecht durch schriftliche Erklärung zu, Art. 48.140 Auch hier wird dem Zulieferer also eine, wenn auch recht kurze, Nachfrist zugestanden.

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Fiat-Einkaufsbedingungen 2002, Art. 47. In den meisten Fällen dürften Zulieferverträge nach italienischem Recht aber dem contratto die appalto zuzuordnen sein, vgl. bereits Kap. 1 C. III 1. 140 Fiat-Einkaufsbedingungen 2002, Art. 48. 139

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

IV. Resümee Das italienische Recht sieht zur Beendigung der laufenden Vertragsbeziehungen die beiden Institute risoluzione und recesso vor. Die risoluzione ist subsidiäre Beendigungsmöglichkeit des Bestellers im Rahmen der Gewährleistungsvorschriften des italienischen Werkvertragsrechts. Sie setzt das Vorliegen erheblicher Mängel des Werks voraus. Mit dem recesso haben beide Vertragsparteien die Möglichkeit, eine Kündigung auszusprechen. Bei unbefristeten Verträgen besteht grundsätzlich ein ordentliches Kündigungsrecht (recesso ad nutum), das an die Einhaltung einer angemessenenen Frist gebunden ist. Die Kündigung aus wichtigem Grund (recesso di autotela) ist wie im deutschen Recht auch bei befristeten Verträgen möglich. Die Wirksamkeit von Kündigungen langfristiger Geschäftsbeziehungen wird von italienischen Gerichten zunehmend der Missbrauchskontrolle unterzogen, um Ungleichgewichte zwischen den Vertragspartnern auszugleichen.141 Das kann entweder nach dem nur für Zulieferverträge im Sinne der Legge Subfornitura geltenden Art. 6 Legge Subfornitura, nach der Generalklausel bei Missbrauch wirtschaftlicher Abhängigkeit, Art. 9 Legge Subfornitura, oder nach der allgemeinen Missbrauchskontrolle auf Basis des Gutglaubensprinzips (buona fede) erfolgen. Gemeinsames Kriterium ist dabei, dass Beendigungsrechte grundsätzlich unter Einhaltung einer angemessenen Frist ausgeübt werden müssen. Gegenstand der Rechtsprechung im Bereich der Automobilindustrie waren auch Vertriebsbindungen, insbesondere die Kündigung von Vertragshändlerverträgen. Mögliche Rechtsfolgen können durch das Gericht bestimmte Auslauffristen, die Nichtigkeit der Kündigung, aber auch Schadensersatzansprüche sein. Bei der Beurteilung der Angemessenheit von Kündigungsfristen und bei der Festlegung von Auslauffristen spielen regelmäßig Faktoren wie das Ausmaß der Abhängigkeit der schwächeren Vertragspartei und der Umfang vertragsspezifischer Investitionen, die Gesamtdauer der Geschäftsbeziehung und die Möglichkeiten der schwächeren Vertragspartei, alternative Geschäftsbeziehungen einzugehen, eine Rolle. Diese Entwicklungen haben in den hier untersuchten allgemeinen Einkaufsbedingungen von Lamborghini auf dem Stand von 2017 keine Berücksichtigung gefunden. Im Vergleich zu früheren Bedingungen von Lamborghini wurden über die gesetzlichen Regelungen hinausgehende, umfassende vertragliche Beendigungsrechte für den Besteller geschaffen, bei deren Ausübung keine oder sehr kurze Fristen (ordentliche Kündigung: 30 Tage) einzuhalten sind. Nach den Bedingungen von Fiat berechtigt eine Vertragsverletzung zur Kündigung, wenn eine Nachfrist fruchtlos abgelaufen ist. Liefer141

Das wird auch im Schrifttum diskutiert, vgl. Fabbio, in: Olivieri/Zoppini/Catricala` (Hrsg.), 2008, 153; Fabbio, L’abuso di dipendenza economica, 2006.

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verzug und andere Umstände, die den Vertragszweck gefährden und über mehr als fünf Tage andauern, berechtigen Fiat zunächst zu einer Aussetzung des Vertrags und nach weiteren zehn Tagen gleichfalls zur Kündigung. Kündigungsrechte der Lieferanten sehen beide Bedingungswerke nicht vor. Trotz unterschiedlicher gesetzlicher Ausgangslage ergibt sich ein ähnliches Bild wie in den Bedingungswerken nach englischem Recht, nämlich ein Ungleichgewicht der Beendigungsmöglichkeiten der Vertragsparteien.

D. Vertragsbeendigung nach deutschem Recht Da es sich bei Zulieferverträgen in der Automobilindustrie regelmäßig um Dauerschuldverhältnisse handelt,142 kommen nach deutschem Recht neben der Beendigung durch Zeitablauf beim befristeten Vertrag vor allem die Kündigung und der Rücktritt vom Vertrag als Beendigungsmöglichkeiten in Betracht.

I. Beendigungsmöglichkeiten beim Dauerschuldverhältnis 1. Ordentliche Kündigung und Beendigung durch Zeitablauf In der Regel sind Zulieferverträge in den spezialisierten Segmenten (d.h. Modul- und Systemzulieferer) in der Automobilindustrie auf ein bestimmtes Projekt bezogen und die Vertragslaufzeit ist an die Laufzeit des jeweiligen Projekts (d.h. der Produktlinie) gebunden. Eine ordentliche Kündigung ist dann nur zulässig, wenn sie von den Parteien ausdrücklich vereinbart wurde.143 Wenn der Rahmenvertrag auf das Projektende befristet ist (ausdrücklich oder konkludent), so endet das Schuldverhältnis mit Ablauf des Projekts.144 Das ist bei Automobilzulieferverträgen der Regelfall, da es für die Befristung nicht notwendig ist, dass die Projektlaufzeit bestimmt ist.145 Wenn das Eintreten des Ereignisses aus Sicht der Vertragsparteien sicher ist (das Ob), schadet Ungewissheit bezüglich des Zeitpunktes nicht.146

142

Was die Rahmenvereinbarung angeht, vgl. Kap. 1 C. II. 1. d). Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 367. Anderer Ansicht F.-H. Lange, NJOZ 2013, 577, 579. 144 Vgl. zuletzt zum Zuliefervertrag OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.02.2020 – U (Kart) 4/19, BeckRS 2020, 2204 Rn. 131, 135 ff. Auch eine ausdrückliche Laufzeit z.B. auf 6 Jahre wird z.T. vereinbart, vgl. LG Braunschweig, Urt. v. 12.08.2016 – 21 O 1578/16, BeckRS 2016, 125240. 145 A.A. F.-H. Lange, NJOZ 2013, 577, 579. 146 Palandt-Ellenberger: § 163 BGB, Rn. 1; MüKoBGB-Westermann: § 163, Rn. 1. Vgl. für den Vertragshändlervertrag Martinek/Semler/Flohr-Moolen: § 26, Rn. 23. 143

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

Unbefristete Zulieferverträge können ordentlich gekündigt werden, dieses Recht kann durch AGB nicht vollständig ausgeschlossen werden.147 Die Regelungen der §§ 624, 723 BGB finden auf unbefristete Zulieferverträge entsprechende Anwendung und eine angemessene Kündigungsfrist ist Voraussetzung für die ordentliche Kündigung.148 2. Kündigung aus wichtigem Grund, § 314 BGB Sowohl befristete als auch unbefristete Zulieferverträge können aus wichtigem Grund gekündigt werden, § 314 BGB. Ein wichtiger Grund liegt gemäß § 314 I 2 BGB vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Kündigungsgründe lassen sich dabei vor allem zwei Fallgruppen zuordnen: Leistungsstörungen und nachhaltige Störungen der Vertrauensgrundlage.149 Regelmäßig müssen sich die Kündigungsgründe der Risikosphäre des Kündigungsgegners zuordnen lassen.150 Bei in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen verdrängt das Recht zur außerordentlichen Kündigung in der Regel das Recht zum Rücktritt gemäß § 323 I BGB151 – eine außerordentliche Kündigung ist also auch wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung i.S.d. § 323 I BGB der richtige Rechtsbehelf.152 Die wichtigen Gründe, die zur Kündigungsmöglichkeit führen sollen, können vertraglich konkretisiert werden. Grundsätzlich ist eine außerordentliche Kündigung gemäß § 314 I BGB fristlos möglich. Sofern aber eine Pflicht aus dem Vertragsverhältnis verletzt wird, ist gemäß § 314 II 1 BGB zunächst eine angemessene Frist zur Abhilfe (Abmahnung) zu setzen. Eine Fristsetzung ist in den Fällen des § 323 II Nr. 1, 2 BGB sowie dann entbehrlich, wenn besondere Umstände die sofortige Kündigung rechtfertigen (§ 314 II 2, 3 BGB).153 Der zur außerordentlichen Kündigung Berechtigte muss sein Kündigungsrecht innerhalb einer angemessenen Frist ab Kenntnis des Kündigungsgrunds ausüben, § 314 III BGB. Die Länge dieser Frist richtet sich insbesondere nach dem Vertragstyp und beträgt beispielsweise beim Ver147 BGH, Urt. v. 15.12.1993 – VIII ZR 157/92, NJW 1994, 722, 723; Palandt-Grüneberg: § 314 BGB, Rn. 13. 148 Palandt-Grüneberg: § 314 BGB, Rn. 13; F.-H. Lange, NJOZ 2013, 577, 579. 149 So zutreffend herausgearbeitet von Doralt, Langzeitverträge, 2018, 416 ff. 150 MüKoBGB-Gaier: § 314, Rn. 10. 151 BGH, Urt. v. 10.07.1968 – VIII ZR 120/66, BGHZ 50, 312 = NJW 1969, 37; BGH, Urt. v. 06.02.1985 – VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124, 125; BT-Drs. 14/6040, S. 177. 152 Vgl. MüKoBGB-Gaier: § 314, Rn. 11. 153 Siehe erläuternd HK-BGB-Schulze: § 314, Rn. 5.

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tragshändlervertrag regelmäßig zwei Monate ab Kenntnis.154 Als Mindestfrist werden zwei Wochen angesehen.155 3. Freie Kündigung bei nicht vertretbaren Sachen, § 648 i.V.m. § 650 S. 3 BGB? Sofern es sich bei den Zulieferteilen um nicht vertretbare Sachen (§ 91 BGB) handelt,156 sieht § 650 S. 3 BGB grundsätzlich die Anwendung von § 648 BGB vor. Danach kann der Besteller bei einem Werkvertrag bis zur Vollendung des Werks den Vertrag jederzeit kündigen.157 Ein solches freies Kündigungsrecht des Bestellers widerspräche aber den Besonderheiten der hier untersuchten Zulieferverträge.158 Komplexe, langfristig angelegte Zulieferbeziehungen sind keine reinen Werklieferungsverträge, sondern enthalten neben kauf- und werkvertraglichen Elementen auch kooperative Elemente, die geschäftsbesorgsungsvertraglicher und/oder dienstvertraglicher Natur sein können.159 Diese kooperativen Elemente geben der Beziehung ein besonderes Gepräge. Der Zulieferer hat in der Regel ein über den reinen Vergütungsanspruch hinausgehendes berechtigtes Interesse an der Ausführung der Vertragsleistung, das auf die Amortisation der Investitionen in die Entwicklung der Teile und in die Einrichtung eines abnehmerspezifischen Qualitätssicherungssystems gerichtet ist.160 Auch gewährt der Zulieferer dem Hersteller weitreichende Einblicke in das eigene Produktionsverfahren, was dem Hersteller zugute kommt. Durch ein freies Kündigungsrecht des Herstellers würde der Zulieferer daher unangemessen benachteiligt. Es entspräche nicht dem Sinn und Zweck des § 648 BGB, der auf der Annahme beruht, dass bei einem Werk vor allem der Besteller am Erfolg interessiert ist und das Interesse des Werkunternehmers im Wesentlichen auf die Vergütung gerichtet ist.161 Kooperative Zulie154

Palandt-Grüneberg: § 314 BGB, Rn. 10. NK-BGB-Krebs/Jung: § 314 BGB, Rn. 50. 156 Vgl. hierzu Kap. 1 C. II. 1. b). 157 So für einen Internet-System-Vertrag BGH, Urt. v. 27.01. 2011 – VII ZR 133/10, BGHZ 188, 149 = NJW 2011, 915, 916 Rn. 11 ff.; StaudingerBGB-Peters: § 648 BGB, Rn. 4; so wohl auch Westphalen, BB 2000, 1529, 1530. 158 Ausnahmen ausdrücklich zulassend, BGH, Urt. v. 27.01. 2011 – VII ZR 133/10, BGHZ 188, 149 = NJW 2011, 915, 916 Rn. 13: „wenn der Unternehmer über die Realisierung seines Vergütungsanspruchs hinaus ein berechtigtes Interesse an der Ausführung der Vertragsleistung hat, welches durch eine jederzeitige freie Kündigung des Vertrags in einer Weise beeinträchtigt werden würde, die hinzunehmen ihm nicht zugemutet werden kann“; vgl. für den Bauträgervertrag BGH, Urt. v. 21.11.1985 – VII ZR 366/83, BGHZ 96, 275 = NJW 1986, 925, 926. 159 Vgl. Kap. 1 C. II. 1. 160 So für den Bauträgervertrag BGH, Urt. v. 21.11.1985 – VII ZR 366/83, BGHZ 96, 275 = NJW 1986, 925, 926. 161 BGH, Urt. v. 27.01. 2011 – VII ZR 133/10, BGHZ 188, 149 = NJW 2011, 915, 916 Rn. 11; MüKoBGB-Busche: § 648, Rn. 3. 155

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ferverträge sind daher ergänzend dahin auszulegen, dass § 648 BGB abbedungen wird.162 4. Rücktrittsrechte a) Allgemeines Rücktrittsrecht aus § 323 BGB Im Unterschied zur Kündigung wandelt sich beim Rücktritt das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis. Beim Dauerschuldverhältnis besteht ein Rücktrittsrecht jedenfalls vor dessen Vollzug. Beim in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnis kann die Wandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis jedoch nicht möglich oder jedenfalls nicht sinnvoll sein. Es herrscht daher weitgehende Einigkeit, dass das Rücktrittsrecht beim in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnis grundsätzlich vom Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund verdrängt wird.163 Ausnahmen sind aber möglich, sofern dem Rücktritt auch beim vollzogenen Vertrag eine eigene Bedeutung zukommt – etwa weil sich die Leistungen tatsächlich interessengerecht rückabwickeln lassen oder ein berechtigtes Interesse an der Rückabwicklung besteht.164 Das kommt insbesondere in Betracht, wenn bereits die erste Lieferung nicht vertragsgerecht war, oder auch, wenn zu Tage getretene Qualitätsmängel den Verdacht begründen, dass auch frühere Lieferungen dieselben Mängel aufweisen. b) Spezielles Rücktrittsrecht aus § 376 HGB Ein gesetzliches Rücktrittsrecht kann sich bei Zulieferverträgen auch aus § 376 HGB ergeben, wenn es sich um einen Fixhandelskauf handelt,165 also ein relatives Fixgeschäft vorliegt.

162

Für den Bauträgervertrag hat der Gesetzgeber das nunmehr in § 650u BGB ausdrücklich festgelegt. Vgl. für den Sukzessivlieferungsvertrag auch MüKoBGB-Busche: § 648, Rn. 4; auf die Befristungsabrede abstellend so zum alten Recht auch WellenhoferKlein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 392. Das OLG Karlsruhe maß hingegen eine Kündigungsklauseln in einem Automobilzuliefervertrag an § 649 S. 2 (aF), OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.07.2010 – 6 U 145/08, BeckRS 2010, 31018. 163 Vgl. BGH, Urt. v. 10.07.1968 – VIII ZR 120/66, BGHZ 50, 312 = NJW 1969, 37; BGH, Urt. v. 06.02.1985 – VIII ZR 15/84, 125; BGH, Urt. v. 25.03.1987 – VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004, 2006; BT-Drs. 14/6040, S. 177; MüKoBGB-Gaier: § 314, Rn. 3; HKBGB-Schulze: § 314, Rn. 2; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, 224. 164 Vgl. BGH, Urt. v. 19.02.2002 – X ZR 166/99, NJW 2002, 1870 im Fall eines Vertrags über die Entwicklung, Herstellung und Lieferung eines Produkts.; Palandt-Grüneberg: § 314 BGB, Rn. 12; MüKoBGB-Ernst: § 323, Rn. 36. 165 Die Voraussetzungen des Handelskaufs sind i.d.R. erfüllt, da die Zulieferbeziehung für beide Parteien regelmäßig ein Handelsgeschäft i.S.d. § 343 HGB ist.

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Selbst Just-in-time-Zulieferverträge sind in der Regel keine absoluten Fixgeschäfte, bei denen die Leistung nach der Leistungsfrist nicht nachholbar ist und das Recht der Unmöglichkeit Anwendung findet.166 Für den Automobilhersteller ist es aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeiten (gemeinsame technische Entwicklung, spezifische Fertigungsapparaturen) kaum möglich, den Zulieferer kurzfristig zu wechseln. Auch beim Multiple Sourcing kann die Ersatzlieferung durch den anderen Zulieferer typischerweise nicht sofort erfolgen. Deshalb würde der Hersteller regelmäßig auch eine verspätete Lieferung akzeptieren. Das Geschäft „steht und fällt“ also nicht mit der Einhaltung der Lieferfrist, obgleich die Einhaltung der Lieferfrist große Bedeutung für den Abnehmer hat.167 Auch wenn beim relativen Fixgeschäft Erfüllung nach Fristablauf grundsätzlich möglich und die Leistung somit nachholbar ist, soll der Gläubiger gemäß § 376 I 1 HGB dennoch vom Vertrag Abstand nehmen können;168 seinen Erfüllungsanspruch behält er nur, wenn er sofort nach Fristablauf erklärt, dass er auf Erfüllung besteht, § 376 I 2 HGB. Ob der Lieferabruf beim Just-in-time-Vertrag ein Fixgeschäft begründet, ist umstritten. Zwar spricht bei Just-in-time-Kooperationsbeziehungen die sehr hohe Bedeutung der Einhaltung der Lieferfrist zunächst für die Einordnung als relatives Fixgeschäft.169 Es widerspräche aber der Besonderheit der Just-in-time Beziehung (regelmäßige zeitgenaue Lieferung auf Abruf), wenn der Abnehmer bei jeder Verzögerung der Lieferung sein weiteres Interesse an der Erfüllung anzeigen müsste, um weiterhin Erfüllung verlangen zu können.170 Bei der Annahme eines relativen Fixgeschäfts ist Zurückhaltung geboten, Zweifel stehen ihr entgegen.171 Zulieferverträge sind daher nicht grundsätzlich als relative Fixgeschäfte anzusehen. Die Einordnung als relatives Fixgeschäft ist auch für den Rücktritt nach § 323 BGB von Bedeutung. Entsprechend ist beim Just-in-time-Geschäft je-

166

Vgl. MüKoBGB-Ernst: § 323, Rn. 42. Vgl. Röhricht/Westphalen/Haas, HGB-Laschet: Besondere Handelsverträge. Qualitätssicherungsvereinbarungen, Rn. 88; MüKoHGB-Grunewald: § 376, Rn. 11; Baumbach/Hopt-Hopt: § 376 HGB, Rn. 7. 168 BGH, Urt. v. 18.04.1989 – X ZR 85/88, NJW-RR 1989, 1373; BGH, Urt. v. 17.01.1990 – VIII ZR 292/88, BGHZ 110, 88, 96; Baumbach/Hopt-Hopt: § 376 HGB, Rn. 6. 169 So wohl Palandt-Grüneberg: § 323 BGB, Rn. 20; MüKoBGB-Ernst: § 323, Rn. 118; Baumbach/Hopt-Hopt: Einl. vor § 373 HGB, Rn. 32. 170 So schon Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 14. 171 BGH, Urt. v. 18.04.1989 – X ZR 85/88, NJW-RR 1989, 1373; BGH, Urt. v. 17.01.1990 – VIII ZR 292/88, BGHZ 110, 88, 96; a.A aber MüKoHGB-Grunewald: § 376, Rn. 9. 167

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

denfalls nicht automatisch davon auszugehen, dass eine Nachfristsetzung nach § 323 II Nr. 2 BGB entbehrlich ist.172

II. Grenzen für die Vereinbarung von Beendigungsrechten Schließlich können Kündigungs- und/oder Rücktrittsrechte auch nach deutschem Recht in Individualvereinbarungen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehen werden. Die Vertragsfreiheit wird jedoch insbesondere durch das AGB-Recht und das Missbrauchsverbot nach §§ 242, 138 BGB begrenzt.173 1. Wirksamkeit von AGB Vertragliche Beendigungsrechte müssen sich regelmäßig an den §§ 305 ff. BGB messen lassen. a) Ausschluss von Kündigungsrechten und fristlose Kündigung AGB-rechtlich unzulässig ist im Regelfall die Vereinbarung von Kündigungsrechten, die nicht an die Einhaltung einer Kündigungsfrist oder an das Vorliegen eines wichtigen Grunds geknüpft sind.174 Gleichwohl kann das Recht zur ordentlichen Kündigung unbefristeter Zulieferverträge auch nicht

172 Anderer Ansicht aber wohl MüKoBGB-Ernst: § 323, Rn. 118; Palandt-Grüneberg: § 323 BGB, Rn. 20. 173 In Bezug auf einen Energieliefervertrag (aber unter Erstreckung auch auf die fortlaufende Lieferung von Waren) hielt der BGH (IX. Zivilsenat) eine insolvenzabhängige Lösungsklausel für unwirksam nach § 119 InsO, weil sie im Voraus das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO ausschließe, BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, NJW 2013, 1159, 1160. Da solche Klauseln regelmäßig in den hier untersuchten Zulieferverträgen enthalten sind, stellt sich die Frage der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf die Insolvenz des Zulieferers. Das ist zu bezweifeln. Einerseits hatte die Entscheidung des BGH die gegegenteilige Konstellation (Insolvenz des Abnehmers) zum Gegenstand. Andererseits hat der BGH (VII. Zivilsenat) für eine insolvenzabhängige Klausel in einem Bauvertrag eine Interessenabwägung angestellt hat, die in ähnlicher Weise auch auf den Automobilhersteller zutreffen dürfte: „Im Unterschied zu anderen Gläubigern, insbesondere Warenlieferanten, hat der Auftraggeber eines Bauvertrags regelmäßig ein schwerwiegendes, die Interessen der Insolvenzgläubiger an einer Fortführung des Bauvertrags erheblich überwiegendes Interesse daran, sich im Fall des Eigeninsolvenzantrags des Auftragnehmers frühzeitig vom Vertrag lösen zu können und den ihm durch die anderweitige Vergabe der Restarbeiten etwa entstehenden Schaden geltend zu machen, ohne gem. § 649 S. 2 BGB [aF] gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Zahlung einer Vergütung für nicht erbrachte Leistungen verpflichtet zu sein.“, BGH, Urt. v. 07.04.2016 – VII ZR 56/15, NJW 2016, 1945, 1948 Rn. 33. Vertiefend MüKoInsO-Huber: § 119, Rn. 28 ff. 174 K. W. Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, 581.

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vollständig ausgeschlossen werden.175 Das Recht zur außerordentlichen Kündigung kann weder in AGB noch individualvertraglich ausgeschlossen werden, da es für Dauerschuldverhältnisse auf das allgemeine Prinzip von Treu und Glauben zurückzuführen ist.176 Das ist für den Handelsvertretervertrag in § 89a I HGB auch ausdrücklich geregelt. Unzulässig kann auch die Vereinbarung überlanger Kündigungsfristen oder unangemessen kurzer Kündigungsfristen sein.177 Orientierung bietet dabei die Rechtsprechung zum Vertragshändlervertrag, der ebenfalls durch eine auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung mit starken gegenseitigen Abhängigkeiten gekennzeichnet ist. So berücksichtigte der BGH bei der AGBrechtlichen Beurteilung einer ordentlichen Kündigungsfrist in einem Vertragshändlervertrag, dass den Hersteller eine besondere Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Vertragshändler trifft, die sich aus dem speziellen Abhängigkeitsverhältnis des Vertragshändlers ergibt: Die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung sei für seinen Betrieb von wesentlicher Bedeutung.178 Der BGH stellte dabei die Anlage der Geschäftsbeziehung auf Dauer, die Möglichkeiten, einen Ersatz für die gekündigte Geschäftsbeziehung zu finden, den Umfang beziehungsspezifischer Investitionen und die spezifische Ausrichtung auf den Hersteller in die Abwägung ein und hält im Ergebnis eine Kündigungsfrist von einem Jahr für AGB-rechtlich zulässig.179 Auch das besondere Kooperations- und Abhängigkeitsverhältnis in Zulieferbeziehungen ist bei der AGB-rechtlichen Kontrolle von Kündigungsfristen zu berücksichtigen, weil typischerweise hohe beziehungsspezifische Investitionen getätigt werden und das konkrete Lieferprojekt sich gewöhnlich über einen langen Zeitraum (Modellreihe) erstreckt. Die Rechtsprechung zum Vertragshändlervertrag in der Kfz-Branche ist aber nicht unmittelbar übertragbar, da der Grad der Abhängigkeit der Kfz-Zulieferer in der Regel geringer ist und ein Kfz-Zulieferer auch nicht nur für einen Hersteller tätig wird.180

175

Palandt-Grüneberg: § 314 BGB, Rn. 13. BGH, Urt. v. 26.05.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134 f.; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360, 364; BGH, Versäumnisurt. v. 08.02.2012 – XII ZR 42/10, NJW 2012, 1431, 1432; BT-Drs. 14/6040, S. 176. 177 Mesch, ZVertriebsR 2015, 8, 9. 178 BGH, Urt. v. 21.02.1995 – KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260, 1261. 179 BGH, Urt. v. 21.02.1995 – KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260, 1261; ein Argument für die Zulässigkeit dieser Frist leitete der BGH aus den Wertungen der damaligen Gruppenfreistellungsverordnung zu Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge ab (VO (EWG) Nr. 123/85), deren Art. 5 II Nr. 2 eine Mindestfrist für die ordentliche Kündigung von einem Jahr vorsieht. Vgl. auch Wauschkuhn/Teichmann, ZVertriebsR 2013, 139, 140. 180 A.A. für Just-in-time-Verträge Baumbach/Hopt-Hopt: Einl. vor § 373 HGB, Rn. 34. 176

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b) Kündigungsgründe Werden die Gründe, die nach § 314 BGB eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würden, in AGB erweitert, kann das zulässig sein. Es ist aber zu prüfen, ob das Kündigungsrecht auf diese Weise missbräuchlich zulasten einer strukturell unterlegenen Vertragspartei ausgeweitet wird.181 Je nach konkreter Ausgestaltung der Zulieferbeziehung kann bei starker wirtschaftlicher Abhängigkeit des Zulieferers und erheblichem Machtungleichgewicht die Vereinbarung eines erweiterten Rechts des Herstellers zur außerordentlichen Kündigung als missbräuchlich und nach § 307 BGB unzulässig anzusehen sein. 2. Kontrolle von Individualvereinbarungen nach §§ 242 und 138 BGB Auch bei individualvertraglich vereinbarten und ausgehandelten Kündigungsrechten kommt im Einzelfall deren Unzulässigkeit wegen Verstoßes gegen das allgemeine Missbrauchsverbot in Betracht.182 So kann auch individualvertraglich das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nicht vollständig ausgeschlossen werden.183 Der Ausschluss einzelner Kündigungsgründe ist hingegen denkbar.184 Ordentliche Kündigungsrechte können individualvertraglich bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit, § 138 BGB, ausgeschlossen werden.185 Für Bierlieferungsverträge hat der BGH festgestellt, dass Sittenwidrigkeit dann vorliegen kann, „wenn durch die Bindung allein oder ihre Ausgestaltung im Einzelfall […] die persönliche Selbständigkeit und Freiheit sowie ein Mindestmaß an wirtschaftlichem Bewegungsspielraum eines der Vertragspartner so beschränkt werden, dass er seinem Kontrahenten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist.“186 Es gelten also strenge Maßstäbe.

181

Vgl. MüKoBGB-Gaier: § 314, Rn. 4. So auch K. W. Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, 581. 183 BGH, Urt. v. 04.04.1973 – VIII ZR 47/72, BB 1973, 819; BT-Drs. 14/6040, S. 176; MüKoBGB-Gaier: § 314, Rn. 4; Palandt-Grüneberg: § 314 BGB, Rn. 3. 184 Vgl. OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.09.2014 – 4 U 97/14, ZIP 2014, 2176, 2177; JauernigBGB-Stadler: § 314 BGB, Rn. 3; MüKoBGB-Gaier: § 314, Rn. 4; NK-BGBKrebs/Jung: § 314 BGB, Rn. 61; Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, 568. 185 BGH, Urt. v. 07.05.1975 – VIII ZR 210/73, BGHZ 64, 290 = NJW 1975, 1268; Palandt-Grüneberg: § 314 BGB, Rn. 13. 186 BGH, Urt. v. 07.05.1975 – VIII ZR 210/73, BGHZ 64, 290 = NJW 1975, 1268, 1269 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 16./17.09.1974– VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089. 182

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III. Grenzen für die Ausübung von Beendigungsrechten Im deutschen Schrifttum werden unterschiedliche Ansätze diskutiert, um das Kooperations- und Abhängigkeitsverhältnis in Zulieferbeziehungen bei der Beendigung der Vertragsbeziehung angemessen zu berücksichtigen.187 1. Kartellrechtlicher Auslaufschutz und Übergangsfristen Im Einzelfall kann der Missbrauchstatbestand der unbilligen Behinderung aus §§ 20 I, 19 II Nr. 1 GWB bei einer für das Zulieferunternehmen existenzbedrohenden vorzeitigen Kündigung erfüllt sein188 und zur Folge haben, dass der marktstarke Abnehmer eine längere Auslauffrist gewähren muss.189 Bei Vertragshändlerverträgen und Vertriebsnetzen geht die Rechtsprechung regelmäßig von einer unternehmensbedingten Abhängigkeit aus. Im Automobilbereich richten Vertragshändler ihren Geschäftsbetrieb durch spezifische Investitionen so sehr auf den Vertrieb einer bestimmten Automobilmarke aus, dass ein Wechsel zu einer alternativen Kooperationsbeziehung nur unter Inkaufnahme erheblicher Wettbewerbsnachteile möglich ist.190 Einige Autoren sprechen sich daher auf der Grundlage von §§ 20 I, 19, I, II, GWB für Auslauffristen aus.191 Auch für einen Franchisenehmer leitete das OLG Stuttgart aus § 20 I GWB einen Auslaufschutz ab: es gehe um eine „Kündigungsschranke, die zeitlich auf eine angemessene Frist zur Abwicklung des Kooperationsverhältnisses zwischen Franchisenehmer und -geber gerichtet sei, um den Absatzmittler in seiner wettbewerblichen Betätigungsmöglichkeit zu schützen.“192 Dem Franchisenehmer wurde eine Auslauffrist

187 Ein besonderes Schutzbedürfnis des Zulieferers sieht beispielsweise Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, 245 f. 188 Immenga/Mestmäcker-Fuchs: § 19 GWB, Rn. 186. 189 Kessen, Nachfragemacht der Automobilindustrie, 1996, 106; Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, 231. So für einen Kfz-Vertragshändlervertrag BGH, Urt. v. 21.02.1995 – KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260; im Überblick Bechtold/Bosch-Bosch: § 20 GWB, Rn. 17–18; Immenga/Mestmäcker-Fuchs: § 19 GWB, Rn. 130. Hierzu bereits Kap. 1 C. II. 3. c). 190 Für einen Kfz-Vertragshändler mit Vertriebsbindung BGH, Urt. v. 23.02.1988 – KZR 20/86, GRUR 1988, 642 (Opel-Blitz), allerdings unter Hinweis darauf, dass es auf die Amortisation beziehungsspezifischer Investitionen nicht ankommen solle. Vgl. außerdem BGH, Urt. v. 28.06.2005 – KZR 26/04, NJW-RR 2006, 689, 690 (Qualitative Selektion); BGHZ 189, 94 = NJW 2011, 2730, 2731 (MAN-Vertragswerkstatt); BGH, Urt. v. 06.10.2015 – KZR 87/13, NZKart 2015, 535, 537 (Porsche-Tuning), GWR 2015, 500 (mit Anmerkung Podszun); BGH, Urt. v. 26.01.2016 – KZR 41/14, NJW 2016, 2504 (JaguarVertragswerkstatt). 191 Martinek/Semler/Flohr-Moolen: § 26, Rn. 72 f.; Martinek/Semler/Flohr-Flohr: § 32, Rn. 124. 192 OLG Stuttgart, Urt. v. 16.02.2001 – 2 U 218/99, NJOZ 2002, 483, 486.

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

von sechs Monaten eingeräumt, um ihm zu „ermöglichen, sich aus der Abhängigkeit zu lösen und auf dem Markt anderweitig Fuß zu fassen.“193 Spiegelbildlich hierzu sind auch vorübergehende Abnahmeverpflichtungen eines marktstarken Nachfragers denkbar,194 für Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie ist aber zu berücksichtigen, dass die Abhängigkeitsverhältnisse in der Regel anders ausgeprägt sind, als beim Franchising. Bei der Anwendung des kartellrechtlichen Auslaufschutzes auch auf kooperative Zulieferbeziehungen195 ist problematisch, dass anders als bei der Vertriebsbindung nicht der Zugang zum Absatzmarkt betroffen ist, sondern es um Einkaufsbindungen geht, die die Bezugsfreiheit des Nachfragers einschränken.196 Der Abbruch einer Geschäftsbeziehung zwischen zwei Automobilzulieferern war Gegenstand eines Urteils des LG Frankfurt im Jahr 1987.197 Zwar sah das Gericht darin, dass das Zulieferunternehmen seinen Betrieb „in erheblichem Umfang auf die Belieferung der Bekl. ausgerichtet“ hatte, eine relative Markstärke des Abnehmers begründet. Im Rahmen der Interessenabwägung kam es aber zu dem Ergebnis, dass die Kündigung keine unbillige Behinderung darstellte. Dabei berücksichtigte das Gericht unter anderem, dass es die freie unternehmerische Entscheidung des Zulieferunternehmens gewesen war, sich in das Abhängigkeitsverhältnis zu begeben und es nicht zum Abschluss eines über einen längeren Zeitraum geltenden Rahmenvertrags gekommen war.198 Ob die „selbstverschuldete Abhängigkeit“ dem Zulieferer im Rahmen der Interessenabwägung anzulasten ist, erscheint dann zweifelhaft, wenn sie auf einer unterlegenen Position bereits bei den Vertragsverhandlungen beruht und ein Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Dauer der Zusammenarbeit geschaffen wurde.199 Bei der Beurteilung von Kündigungen muss allerdings berücksichtigt werden, dass ein Vertrauensschutz zugunsten des Zulieferers nicht auf einen sozialpolitischen Kündigungsschutz hinauslaufen darf. Das 193

OLG Stuttgart, Urt. v. 16.02.2001 – 2 U 218/99, NJOZ 2002, 483, 487. Wenn nämlich die Bezugssperre des Nachfragers darauf abzielt, bestimmte Anbieter zugunsten anderer vom Marktzugang auszuschließen, so dass deren Existenz bedroht ist, OLG Dresden, Urt. v. 07.11.2018, Az. U 3/18 Kart, unveröffentlicht; vgl. auch Wiedemann-Lübbert/Schöner: § 23 Das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen im deutschen Kartellrecht (§ 19 GWB), Rn. 147. 195 Dies befürwortend Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, 231. 196 Vgl. Immenga/Mestmäcker-Fuchs: § 19 GWB, Rn. 187; Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 547 f. 197 LG Frankfurt, Urt. v. 29.07.1987, WuW/E LG/AG 624. 198 So letztlich auch die Beurteilung der Monopolkommission bei der Sektoranalyse: Monopolkommission, Mißbräuche der Nachfragemacht und Möglichkeiten zu ihrer Kontrolle im Rahmen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1977, 75 f. 199 In diesem Sinne auch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 508. 194

D. Vertragsbeendigung nach deutschem Recht

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würde dem Zweck des GWB zuwiderlaufen.200 Zugunsten des Abnehmers streitet auch seine grundsätzliche Freiheit, seine Bezugsquellen im Wettbewerb mit anderen Nachfragern zu wählen. Da ihn letztlich das Absatzrisiko trifft, darf diese Bezugsfreiheit nur unter engen Voraussetzungen eingeschränkt werden.201 Ausgeschlossen ist ein kartellrechtlicher Auslaufschutz jedenfalls dann, wenn dem Zulieferer zivilrechtlich ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund (insbesondere wegen Verletzung der Vertrauensbeziehung) zusteht. Dann steht auch das Kartellrecht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen.202 2. Besondere Kündigungsfristen Für Handelsvertreterverträge hat der Gesetzgeber spezielle Kündigungsfristen vorgesehen, um die strukturelle Abhängigkeit des Handelsvertreters von seinem Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen. Für den unbefristeten Handelsvertretervertrag richtet sich die ordentliche Kündigungsfrist nach § 89 HGB. Sie orientiert sich an der Dauer der Vertragsbeziehung und beträgt ein bis sechs Monate. Die ältere Rechtsprechung wandte diese Regelungen auf den Vertragshändlervertrag entsprechend an.203 Das entspricht heute nicht mehr der herrschenden Meinung.204 Bei Vertragshändlerverhältnissen werden teils erheblich höhere vertragsspezifische Anfangsinvestitionen getätigt als bei Handelsvertreterverträgen. Die gesetzlich für den Handelsvertretervertrag vorgesehenen Fristen für eine ordentliche Kündigung passen daher nicht und bedürfen der Anpassung.205 Den branchenspezifischen Besonderheiten Rechnung tragend wird bei Vertragshändlerverträgen in der Automobilbranche eine Mindestkündigungsfrist von einem Jahr angenommen.206 Auch bei Franchiseverträgen können die angemessenen Mindestkündigungsfristen die

200 LG Frankfurt, Urt. v. 29.07.1987, WuW/E LG/AG 625; Langen/Bunte-Nothdurft: § 20 GWB, Rn. 53. 201 Vgl. Immenga/Mestmäcker-Fuchs: § 19 GWB, Rn. 187; Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 547 f. 202 Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 508 f. Dem folgend zuletzt OLG Dresden, Urt. v. 7.11.2018, Az. U 3/18 Kart, unveröffentlicht. 203 BGH, Urt. v. 08.06.1988 – I ZR 244/86, NJW-RR 1988, 1305; BGH, Urt. v. 09.10.2002 – VIII ZR 95/01, NJW-RR 2003, 98; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Löwisch: § 89 HGB, Rn. 148; Wauschkuhn/Teichmann, ZVertriebsR 2013, 139, 139. 204 HK-HGB-Prasse: Anh. Franchise- und Vertragshändlerverträge, Rn. 50–51. Differenzierend Martinek/Semler/Flohr-Moolen: § 26, Rn. 24. 205 Martinek/Semler/Flohr-Moolen: § 26, Rn. 24. 206 BGH, Urt. v. 21.02.1995 – KZR 33/93, NJW-RR 1995, 1260, 1261; Wauschkuhn/ Teichmann, ZVertriebsR 2013, 139, 140.

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

des Handelsvertreterrechts überschreiten, da hohe spezifische Anfangsinvestitionen die Regel sind, die sich über die Vertragslaufzeit amortisieren sollen.207 Bei Zulieferverträgen handelt es sich zwar ebenfalls um eine vertikale, auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung, zu deren Durchführung oftmals spezifische Investitionen getätigt werden. Gegen eine analoge Anwendung des § 89 HGB spricht aber die fehlende Vergleichbarkeit zentraler Aspekte wie beispielsweise, dass der Zulieferer keinen Kundenstamm erwirbt.208 Zulieferbetriebe sind regelmäßig zwar kleiner als global tätige Automobilhersteller, aber doch weit entfernt von dem gesetzgeberischen Leitbild der Ein-MannHandelsvertretung. Die Voraussetzungen einer Analogie sind daher für Zulieferverträge regelmäßig nicht erfüllt. 3. Grenzen bei der Ausübung von Kündigungsrechten, § 242 BGB Der Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet den, der sich auf ein Kündigungsrecht beruft, dieses nach Treu und Glauben auszuüben.209 Die enge Kooperationsbeziehung und das Abhängigkeitsverhältnis in der Zulieferbeziehung begründen besondere Rücksichtnahme-, Treue- und Kooperationspflichten, aus denen sich zusätzliche Grenzen für die Ausübung von (auch ordentlichen) Kündigungsrechten ergeben können.210 a) Erheblichkeitsschwelle Die langfristige, von einem Kooperations- und Vertrauensverhältnis geprägte Geschäftsbeziehung zwischen Zulieferer und Hersteller stellt erhöhte Anforderungen an den Kündigungsgrund. Eine nicht vertragsgemäße Erbringung der Leistung muss wenigstens erheblich sein.211 Entsprechend reicht auch eine einzelne Schlechtleistung durch den Zulieferer regelmäßig nicht aus, die Vertrauensgrundlage nachhaltig zu stören und eine (fristlose) Kündigung zu rechtfertigen. Auch AGB-rechtlich ist trotz der Zeitsensibilität von Zulieferverträgen ein Recht zur zweiten Andienung grundsätzlich geboten.

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Westphalen: Franchising, Rn. 49. Vgl. Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, 227; Baumbach/HoptHopt: Einl. vor § 373 HGB, Rn. 31. 209 BGH, Urt. v. 07.07.1988 – I ZR 78/87, NJW-RR 1988, 1381, 1382. 210 Z.T. auch bereits aus dem Dauerschuldverhältnis, vgl. StaudingerBGB-Martinek/ Omlor: § 675, Rn. B 255; Baumbach/Hopt-Hopt: Einl. vor § 373 HGB, Rn. 30 und durch die Besonderheiten der Zulieferbeziehung noch intensiviert. Vgl auch Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, 239; Wellenhofer, KritV 2006, 187, 197. Ausführlicher bereits in Kap. 1 C. II. 2. 211 Vgl. § 323 V 2 BGB für den Rücktritt. 208

D. Vertragsbeendigung nach deutschem Recht

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Aus der Kooperationsverpflichtung des Abnehmers wird von einigen Autoren abgeleitet, dass dieser den Zulieferer dabei unterstützen muss, eventuelle Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Qualitätsvorgaben zu beheben, bevor er zur Kündigung berechtigt ist.212 Dafür spricht zwar, dass die Qualitätssicherungs- und Fehleranalysekonzepte des Zulieferers zumindest teilweise vom Hersteller vorgegeben werden.213 Eine generelle Förderpflicht des Herstellers, wie sie im Gesellschaftsrecht besteht,214 ginge aber sicher zu weit. b) Investitionsschutz: Kündigungshemmung und/oder Ausgleichsansprüche? Je höher die beziehungsspezifischen Investitionen der Parteien sind, desto größer ist ihr Interesse daran, die Vertragsbeziehung mindestens solange aufrecht zu erhalten, bis sich diese Investitionen amortisiert haben. Dieses Interesse muss mit der Vertragsbeendigungsfreiheit der anderen Vertragspartei in Einklang bzw. zum Ausgleich gebracht werden.215 Für Vertragshändler wird daher aus § 242 BGB ein Investitionsschutz abgeleitet.216 Der Investitionsschutz nach § 242 BGB ist Ausdruck des allgemeinen Verbots missbräuchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium).217 Er ist vom kartellrechtlichen Auslaufschutz abzugrenzen, der primär wettbewerbsrechtliche Ziele verfolgt. und kann entweder durch eine Kündigungshemmung bis zur Amortisation oder durch Ausgleichsansprüche218 verwirklicht werden.219 Zwar spricht die besondere Treue- und Rücksichtnahmepflicht in Zulieferverhältnissen bei hohen abnehmerspezifischen, irreversiblen und nicht anderweitig verwendbaren Investitionen für einen Investitionsschutz.220 Allerdings ist das Abhängigkeitsverhältnis zwischen 212 K. W. Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, 583; Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 95 f. 213 Vgl. Kap. 2. 214 Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 95 f. 215 Baumbach/Hopt-Hopt: Einl. vor § 373 HGB, Rn. 34. 216 Etwa Martinek/Semler/Flohr-Moolen: § 26, Rn. 77 ff.; Ensthaler, NJW 2003, 3106, 3108; Stumpf, NJW 1998, 12, 17. 217 Vgl. Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, 233; Martinek/Semler/ Flohr-Moolen: § 26, Rn. 77–79; Stumpf, NJW 1998, 12, 17; Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 423. 218 Ein Ausgleichanspruch analog § 89b HGB scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage aus: Der Zulieferer ist nicht in vergleichbarer Weise strukturell schutzwürdig und es kommt bei Zulieferverträgen nicht zum Aufbau eines Kundenstammes. Gegen eine entsprechende Anwendung des Handelsvertreterrechts auf Kündigungsfristen vgl. bereits vorstehend unter 3. b). 219 Vgl. auch Ensthaler, NJW 2003, 3106, 3107; Martinek/Semler/Flohr-Moolen: § 26, Rn. 81. 220 Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, 239; Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 387 f.

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

Zulieferer und Hersteller regelmäßig weniger intensiv als die Bestimmung des Herstellers bei Vertriebssystemen. So sind Zulieferer im Unterschied zu Vertragshändlern in der Regel für mehrere Hersteller tätig, insgesamt ist die Integration weniger weitgehend.221 Eine Kündigungshemmung auf Basis des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ist für Zulieferbeziehungen daher nur ausnahmsweise anzunehmen und erfordert eine einzelfallbezogene Interessenabwägung. Faktoren können dabei insbesondere der Kündigungszeitpunkt (z.B. nur kurz nach Vertragsschluss), das Maß der Fremdbestimmung des Zulieferers durch den Hersteller222 und die Schaffung eines „besonderen Vertrauenstatbestands“ in das Fortbestehen der Vertragsbeziehung223 sein, wenn die Kündigung nicht aus sonstigen Gründen gerechtfertigt ist (z.B. bei Störung der Vertrauensbeziehung).224 Investitionsersatzansprüche werden bereits bei Vertragshändlern kritisch gesehen.225 In Zulieferbeziehungen kommt ein Investitionsausgleichsanspruch daher ebenfalls nur ausnahmsweise in Betracht.226 Ein vertraglich vereinbarter Ausgleichsanspruch bei frühzeitiger Kündigung kann auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit von vertraglichen Kündigungsrechten und der Angemessenheit vereinbarter Kündigungsfristen berücksichtigt werden.227 Bei einer außerordentlichen Kündigung durch den Hersteller aus Gründen in der Sphäre des Zulieferers scheiden Ausgleichsansprüche aus § 242 BGB in aller Regel aus, weil es dann rechtfertigende Gründe für die Kündigung gab.228

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K. W. Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, 587. Vgl. Ensthaler, NJW 2003, 3106, 3107. 223 Martinek/Semler/Flohr-Moolen: § 26, Rn. 77. 224 Vgl. auch LG Dortmund, Urt. v. 27.02.2019, Az. 8 O 19/18 Kart, NZKart 2019, 231, Vollversion abrufbar unter . So bereits Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 423. 225 Gegen die Annahme eines allgemeinen Investitionsersatzanspruchs etwa Wauschkuhn/Teichmann, ZVertriebsR 2013, 139, 149; Baumbach/Hopt-Hopt: Einl. vor § 373 HGB, Rn. 42. In diese Richtung auch OLG München, NJW-RR 1995, 1137, 1139. 226 So mit Beispielen auch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 437; Baumbach/Hopt-Hopt: Einl. vor § 373 HGB, Rn. 34. Budde/Geks, ZVertriebsR 2012, 37, 40 über ergänzende Vertragsauslegung nach § 313 BGB. 227 Vgl. LG Braunschweig, Urt. v. 12.08.2016 – 21 O 1578/16, BeckRS 2016, 125240: Aus der Schilderung des Tatbestands durch das Gericht ergibt sich, dass der Hersteller nach vorzeitiger Beendigung eine Ersatzpflicht für projektspezifische Entwicklungskosten dem Grunde nach anerkannt hatte. 228 Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 97. 222

D. Vertragsbeendigung nach deutschem Recht

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4. Rechtsprechung: Entscheidung des LG Dortmund in der Sache TWB/Volkswagen (2019) Im Zuge des Streits zwischen Prevent und Volkswagen229 ist auch die Überprüfung der Wirksamkeit einer Kündigung durch den Automobilhersteller vor die deutschen Gerichte gelangt. Nachdem die Volkswagen AG dem der Prevent-Gruppe angehörenden Hintersitzlehnen-Zulieferer TWB mit einer Frist von einem Jahr die Zulieferbeziehung gekündigt hatte, wehrte sich der Zulieferer vor dem LG Dortmund gegen die Kündigung. Das Gericht hielt die Kündigung aber für wirksam. Bei der Begründung stellte es maßgeblich darauf ab, dass aufgrund der im Vorfeld durch andere Prevent-Zulieferer, von denen einer Tochterunternehmen von TWB war, durchgeführten Zulieferstopps ein „zur Kündigung berechtigender Vertrauensverlust“ eingetreten war.230 5. Zwischenergebnis Für Zulieferverträge sieht das deutsche Gesetzesrecht keine ausdrücklichen Grenzen für die Beendigung vor. Die für Handelsvertreter- und Vertragshändlerverträge entwickelten speziellen Regeln lassen sich auf Zulieferverträge in der Automobilindustrie nicht analog anwenden. Bei der ordentlichen Kündigung bildet das Erfordernis einer angemessenen Kündigungsfrist eine Grenze, bei deren Bestimmung die besonderen Interessenstrukturen in der Zulieferbeziehung Berücksichtigung finden müssen. Die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB kann zwar grundsätzlich fristlos erfolgen. Vor allem in der Literatur wird die fristlose Beendigung von Zulieferverträgen auch aus wichtigem Grund indes nicht immer als interessengerecht empfunden. Das zeigen die zahlreichen Versuche, weitere Grenzen für die Beendigung von Zulieferverträgen zu begründen. Die besonderen Interessen, die mit der Ausgestaltung als Langzeitbeziehung und der von gegenseitigen Abhängigkeiten geprägten Kooperationsbeziehung einhergehen, müssen auch bei einer außerordentlichen Kündigung vor allem darin Berücksichtigung finden, dass eine angemessene Umstellungsfrist (im Ergebnis Kündigungsfrist) gewährt wird. Insoweit ist eine Korrektur nach § 242 BGB erforderlich.231

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Vgl. hierzu bereits unter Kap. 1 B. I. LG Dortmund, Urt. v. 27.02.2019, Az. 8 O 19/18 Kart, NZKart 2019, 231, Vollversion abrufbar unter . 231 Zu diesem Ergebnis kommt auch Doralt, Langzeitverträge, 2018, 426. Dieser Lösung nicht abgeneigt zeigt sich ebenfalls das LG Dortmund in seiner aktuellen Prevent-Entscheidung, Urt. v. 27.02.2019, Az. 8 O 19/18 Kart, Rn. 126, NZKart 2019, 231, Vollversion abrufbar unter . 230

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

IV. Einkaufsbedingungen nach deutschem Recht Zum deutschen Recht wurden wiederum die VDA-Konditionenempfehlung232 sowie die Allgemeinen Einkaufsbedingungen der Automobilhersteller VW233, Audi234, Porsche235, Daimler236 und BMW237 untersucht. Die VDA-Konditionenempfehlung sieht ein ausdrückliches Rücktrittsrecht zunächst im Bereich der Mängelgewährleistung vor. Nach Abschnitt X Nr. 1 lit. a muss der Besteller dem Zulieferer bei Entdeckung des Mangels vor Fertigungsbeginn zwar (soweit es ihm zumutbar ist) die Möglichkeit zur Nacherfüllung einräumen, die gesetzlichen Regeln werden aber dahingehend verschärft, dass der Zulieferer nicht innerhalb einer angemessenen Frist, sondern „unverzüglich“ nacherfüllen muss. Anderenfalls kann der Besteller ohne weitere Fristsetzung von der Bestellung zurücktreten.238 Bei wiederholter mangelhafter Lieferung ist ein Rücktrittsrecht auch für den nicht erfüllten

232 Verband der Automobilindustrie: Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Bezug von Produktionsmaterial und Ersatzteilen, die für das Automobil bestimmt sind (Stand September 2015), , 30.07.2020 (VDA-Konditionenempfehlung 2015); Untersuchung der VDA-Konditionenempfehlung (wenn auch in älterer Fassung) auch bei Küpper, ZGS 2009, 117; Kannowski, BB 2007, 2301; Kessel/ Passauer, BB 2004, 1974. 233 Volkswagen AG: Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial (Stand Juli 2015), , 30.07. 2020 (VW-Einkaufsbedingungen 2015). 234 Audi AG: Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial (Stand Juli 2015), , 30.07.2020 (Audi-Einkaufsbedingungen 2015). 235 Porsche AG: Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial der Dr. Ing. h.c. F. Porsche Aktiengesellschaft (Stand November 2018), , 30.07.2020 (Porsche-Einkaufsbedingungen 2018). 236 Daimler AG: Einkaufsbedingungen. Produktionsmaterial und Ersatzteile für Kraftfahrzeuge (Stand Oktober 2018), , 30.07.2020 (Daimler-Einkaufsbedingungen 2018). 237 BMW Group: Internationale Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial und Kraftfahrzeugteile (IPC) (Stand März 2018), , 30.07.2020 (BMW-Einkaufsbedingungen 2018). 238 Verschärfung insoweit gegenüber §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB, wenn man nicht ohnehin von der Entbehrlichkeit der Frist beim Zuliefervertrag ausgeht, vgl. vorstehend unter I. 3.

D. Vertragsbeendigung nach deutschem Recht

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Lieferumfang möglich.239 Bei Feststellung des Mangels erst nach Fertigungsbeginn ist ein Rücktritt hingegen nicht vorgesehen. Ein weiteres Rücktrittsrecht beider Vertragsparteien für den nicht erfüllten Lieferumfang enthalten die Allgemeinen Bestimmungen (Art. XV Nr. 2) für den Fall der Zahlungseinstellung oder der Insolvenz. Die Einkaufsbedingungen der Volkswagen AG und der Audi AG entsprechen auch hinsichtlich der Beendigungsrechte der VDA-Konditionenempfehlung. Die Porsche AG sieht in ihren Einkaufsbedingungen neben dem Rücktrittsrecht nach den Vorschriften der Sachmängelgewährleistung (§§ 437 Nr. 2, 323 BGB) noch ein besonderes Kündigungsrecht bei Verstößen gegen Compliance-Vorgaben (Bekämpfung von Korruption und Vermeidung von Rechtsverstößen) vor.240 In Übereinstimmung mit den Bedingungen des VDA ist außerdem ein Rücktrittsrecht im Insolvenzfall vorgesehen. Auch die Einkaufsbedingungen der BMW Group enthalten Rücktrittsrechte im Rahmen der Sachmängelgewährleistung. Bei wiederholter fehlerhafter Lieferung nach Anzeige der Fehlerhaftigkeit steht BMW ein Rücktrittsrecht auch vom Rahmenvertrag zu.241 Im Vergleich zu der Empfehlung des VDA werden dem Besteller aber weitergehende Pflichten auferlegt. Zusätzlich regeln die Einkaufsbedingungen ein außerordentliches Kündigungsrecht des Bestellers (Klausel 2.6) bei Vertragsverletzungen des Zulieferers, gegen die es keine Abhilfe gibt oder denen der Zulieferer nicht innerhalb von 30 Tagen nach entsprechender Aufforderung abhilft; weitere außerordentliche Kündigungsgründe sind ein wesentlicher Verstoß gegen geltendes Recht und Bestechungsversuche des Zulieferers.242 Ein Kündigungsrecht besteht ferner bei Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Zulieferers (Klausel 2.7). 239

Diese Klausel ist wohl so auszulegen, dass dann ein Rücktritt von der gesamten Lieferbeziehung für das betroffene Projekt möglich sein soll. Eventuelle gesteigerte Treueund Rücksichtnahmepflichten des Bestellers (insbesondere bei Bestimmung zu konkreten Qualitätssicherungsmaßnahmen und gemeinsamer Entwicklung) gegenüber dem Zulieferer werden hier nicht berücksichtigt. 240 Porsche-Einkaufsbedingungen 2018, Klausel 18.2: „Bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtungen oder bei Bestehen eines begründeten Verdachts auf einen solchen Verstoß im Zusammenhang mit der Erfüllung der Verpflichtungen unter dieser Vereinbarung hat der Lieferant den Besteller unverzüglich zu unterrichten und ihm mitzuteilen, welche Abhilfemaßnahmen er ergreift, um den Verstoß zu heilen und künftige Verstöße zu verhindern. Unterlässt es der Lieferant, den Besteller unverzüglich zu unterrichten oder innerhalb von 60 Tagen nach Kenntniserlangung geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, ist der Besteller berechtigt, den betroffenen Vertrag fristlos zu kündigen oder die Geschäftsbeziehung insgesamt mit sofortiger Wirkung zu beenden.“ 241 BMW-Einkaufsbedingungen 2018, Klausel 10.3: „Wird die Ware wiederholt mangelhaft geliefert, so ist der Käufer berechtigt, vom gesamten Liefervertrag und/oder dem dazugehörigen Rahmenliefervertrag zurückzutreten, vorausgesetzt der Käufer hat dem Verkäufer die Mangelhaftigkeit der Waren schriftlich angezeigt und der Verkäufer liefert auch nach dieser Bekanntgabe weiterhin mangelhafte Waren.“ 242 BMW-Einkaufsbedingungen 2018, Klausel 2.6. Insoweit erfolgt eine Konkretisie-

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

In den Einkaufsbedingungen von Daimler wird zum Rücktrittsrecht bei Sachmängeln auf das Gesetz verwiesen, Abschnitt 10.6. Ein fristloses Kündigungs- bzw. Rücktrittsrecht, das dann die gesamte Geschäftsbeziehung betrifft, hat Daimler bei bestimmten strafbaren Handlungen des Zulieferers (Abschnitt 16.1). Beide Parteien haben nach den Einkaufsbedingungen ein Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des anderen Vertragspartners und bei einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Lieferanten, die die Stabilität der Lieferungen gefährde, Abschnitt 14.1, sowie bei dessen Zahlungseinstellung, Abschnitt 16.2. Die Einkaufsbedingungen der deutschen Automobilhersteller enthalten keine ordentlichen Kündigungsrechte zu ihren Gunsten. Ob die Zulieferverträge ordentlich kündbar sind, hängt also davon ab, ob ein befristeter oder unbefristeter Vertrag geschlossen wurde.243 Überwiegend werden Rücktrittsrechte (auch vom gesamten Liefervertrag) bei wiederholten Qualitätsmängeln vorgesehen. Außerordentliche Kündigungsrechte bestehen einheitlich bei Insolvenz des Zulieferers (oder auch beider Parteien, so die Daimler Einkaufsbedingungen).244 Die Bedingungen von Porsche, BMW und auch Daimler statuieren darüber hinaus außerordentliche Kündigungsgründe bei korruptem Verhaltens oder Verstößen gegen (andere) Compliance-Vorgaben. Insgesamt orientieren sich die vertraglichen Regelungen weitgehend an der Gesetzeslage. Investitionsschutzansprüche des Zulieferers werden nicht behandelt.

E. Hold-up-Situation und gerichtlicher Rechtsschutz In der Regel wirken die Gegenseitigkeit des Abhängigkeitsverhältnisses, die Reputationsmechanismen der Branche und die grundsätzliche Voice-Orientierung in Zulieferverträgen in der Automobilindustrie einem Hold-up entgegen. Ein Hold-up kommt vor allem auf Seiten des Zulieferers in Betracht, der es in der Hand hat, die Zulieferteile rechtzeitig und auf Abruf zu liefern. Das Hold-up-Potential des Automobilherstellers betrifft eher künftige Ver-

rung der außerordentlichen Kündigungsgründe, die AGB-rechtlich unbedenklich sein dürfte, vgl. vorstehend unter II. 243 Vgl. oben unter D. I. 1. 244 Gegen die Zulässigkeit der Anknüpfung eines Kündigungsrechts an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in AGB sprechen könnte die neuere BGH-Rechtsprechung: BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, NJW 2013, 1159, 1160 (mit Anmerkung Römermann) für einen Energieliefervertrag. Eine solche Klausel verstoße gegen § 119 InsO, weil sie im Voraus das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 ausschließe. Vgl. auch BeckFormB BHW-Meyer-Sparenberg: 2. Rahmen-Liefervertrag, 15.

E. Hold-up-Situation und gerichtlicher Rechtsschutz

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tragsabschlüsse: Drohmittel des Herstellers ist neben der Kündigung des laufenden Projektvertrags vor allem die Ankündigung, künftig keine weiteren Projektverträge abzuschließen.

I. Hold-up des Zulieferers: Lieferstopp Der Lieferstopp im Sinne einer Weigerung des Zulieferers, den Hersteller trotz Lieferfähigkeit weiter zu beliefern,245 bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der berechtigten Ausübung von Zurückbehaltungsrechten, wenn der Hersteller seinen Zahlungsverpflichtungen oder sonstigen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt, und dem missbräuchlichen Hold-up als Drohmittel zur Verwirklichung anderer Ziele. Beispiele finden sich sowohl in der englischen als auch in der deutschen Rechtsprechung. 1. Leyland DAF v Automotive Products (1993) Der Fall Leyland DAF v Automotive Products246 war ungewöhnlich, weil nicht der Zulieferer sondern der Hersteller insolvent wurde. Der LKW- und VanHersteller Leyland DAF musste Insolvenz anmelden und wurde vor Gericht durch die Konkursverwaltung vertreten, die die Zulieferbeziehung mit dem Zulieferer Automotive Products aufrechterhalten wollte. Der Zulieferer war zu einer Weiterbelieferung nur bereit, wenn zuvor aufgelaufene Schulden von ca. 750 Tausend Pfund beglichen würden. Der Court of Appeal ging davon aus, dass weder eine dominante Marktposition des Zulieferers angenommen werden könne noch ein missbräuchliches Verhalten, sodass europäisches Wettbewerbsrecht nicht anzuwenden war. Nach englischem Recht war das Verhalten des Zulieferers als rechtmäßige Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts bei anhaltendem Zahlungsverzug des Abnehmers zu beurteilen, das unabhängig von dessen Insolvenz bestand. Es handelte sich also nicht um den Fall eines missbräuchlichen Hold-up. 2. Land Rover Group Ltd. v UPF (UK) Ltd. (2002) Im Fall Land Rover Group Ltd. v UPF (UK) Ltd.247 ging es um eine Zulieferbeziehung zwischen Land Rover und UPF, bei der UPF Single Source für Fahrwerke (Chassis) des Modells Land Rover Discovery war. Land Rover beteiligte sich an den nötigen Anfangsinvestitionen, insbesondere der An245 Ein Lieferstopp kann auch auf einen Ausfall in der Lieferkette des Zulieferers zurückzuführen sein oder andere (rechtfertigende) Gründe haben. Z.B. konnte Bosch bestellte Lenkgetriebe nicht an BMW liefern, da ein Sublieferant keine Druckgehäuse geliefert hatte: Peitsmeier, FAZ 30.05.2017, 22. 246 Leyland DAF Ltd. v Automotive Products Plc [1993] 4 WLUK 59 (CA). 247 Land Rover Group Ltd. v UPF (UK) Ltd. [2002] EWHC 3183 (QBD).

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

schaffung spezifischer, für die Produktion benötigter Maschinen. Die Belieferung erfolgte über ein “call-off”-Verfahren, d.h. über regelmäßige Lieferabrufe. Während der Lieferbeziehung meldete UPF Insolvenz an und die Zwangsverwaltung wollte die Belieferung von Land Rover stoppen. Land Rover beantragte per einstweiliger Verfügung (injunction) die weitere Belieferung für die Dauer von sieben Monaten, um in dieser Zeit einen neuen Lieferanten aufzubauen. Dem gab Judge Norris statt und gewährte specific performance. Das stellt eine Besonderheit dar, weil in England grundsätzlich Schadensersatzansprüche als vorrangig, da effizienter, angesehen werden. Zudem befand sich UPF in Zwangsverwaltung (receivership), für die besondere Regeln gelten. So hat der Verwalter dem Unternehmen gegenüber keine Treueverpflichtung, sondern handelt nur im Interesse der Gläubiger. Hierzu kann zählen, Vertragsverletzungen zu begehen und das Unternehmen Schadensersatzansprüchen auszusetzen, die schließlich zur Insolvenz führen.248 Dennoch wurde in der Land Rover-Entscheidung eine einstweilige Verfügung auf Weiterbelieferung erlassen, die gerade während des receivership nicht üblich ist. Das spricht für eine Aussagekraft der Entscheidung über den Einzelfall hinaus dahingehend, dass sich nämlich aus langfristigen Geschäftsverbindungen Treue- und Rücksichtnahmepflichten ergeben, aus denen sich auch Übergangsfristen für die Vertragsbeendigung ableiten lassen können.249 3. Aston Martin Lagonda v Automotive Industrial Partnership (2009) Die Queen’s Bench Division District Registry (Birmingham) war mit der Rechtssache Aston Martin Lagonda v Automotive Industrial Partnership250 befasst. Es ging ebenfalls um eine Hersteller-Zulieferer-Beziehung in der Automobilindustrie. Der Hersteller verlangte im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Weiterbelieferung mit diversen Systemteilen (insbes. Windschutzscheibe und Scheibenwischersystem) und die Herausgabe von für die Produktion zur Verfügung gestellten Werkzeugen. Im Rahmen der beim einstweiligen Rechtsschutz anzustellenden Interessenabwägung kam das Gericht unter Verweis auf die Entscheidung in Land Rover Group Ltd. v UPF (UK) Ltd. zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Herstellers an Weiterbelieferung aufgrund der Zeitsensibilität der Automobilproduktion den vergleichsweise geringen finanziellen Schaden des Zulieferers überwog.

248 Airlines Airspares Ltd. v Handley Page Ltd. and Another [1970] Ch. 193, 198 (Ch); Goode, Principles of corporate insolvency law, 2011, 358. 249 Goode, Principles of corporate insolvency law, 2011, 360. 250 Aston Martin Lagonda Ltd. v Automotive Industrial Partnership Ltd. [2009] 2 WLUK 195 (QBD Birmingham).

E. Hold-up-Situation und gerichtlicher Rechtsschutz

229

4. LG Braunschweig: Volkswagen AG ./. Car Trim GmbH (2016) In der Rechtssache Volkswagen AG ./. Car Trim GmbH verpflichtete das LG Braunschweig den Zulieferer zur Weiterbelieferung des Automobilherstellers für die Dauer von zehn Monaten.251 Hintergrund des vom Zulieferer ausgeübten Lieferstopps war die Kündigung eines anderen Projekts der Parteien durch Volkswagen, das noch nicht zur Serienlieferung gelangt war. Zwischen Car Trim und Volkswagen bestand allein ein sogenanntes Nomination Agreement. Das LG Braunschweig gab dem Antrag von Volkswagen statt. Das Nomination Agreement begründe ein Dauerschuldverhältnis, aus der sich eine „Lieferpflicht […] auf Bestellung und Abruf“ ergebe.252 Ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Investitionsausgleichsanspruchs aus dem weiteren, vor Serienproduktion gekündigten Projekt konnte Car Trim vor allem der Höhe nach nicht ausreichend glaubhaft machen. 5. OLG Dresden: ES Automobilguss GmbH ./. Volkswagen AG (2018) In der Rechtssache ES Automobilguss GmbH ./. Volkswagen AG hatte der Hersteller vor Serienbelieferung ordentlich gekündigt. Daraufhin stoppten andere Unternehmen der Prevent-Gruppe, der auch ES Automobilguss angehörte, die Belieferung von Unternehmen des Volkswagen-Konzerns. Unter diesem Druck nahm die Volkswagen AG ihre Kündigung zurück, erklärte aber später die Anfechtung. Das OLG Dresden hielt die Fortsetzung des Vertrags mit ES Automobilguss für anfechtbar wegen widerrechtlicher Drohung nach § 123 BGB und wies den von ES Automobilguss geltend gemachten Abnahmeanspruch ab. Kartellrecht, insbesondere §§ 20, 19 II Nr. 1 GWB, stand nach seiner Auffassung der privatautonomen Ausübung der Anfechtung nicht entgegen.253

251

LG Braunschweig, Urt. v. 12.08.2016 – 21 O 1578/16, BeckRS 2016, 125240. Eine Besonderheit der Entscheidung war auch, dass die Lieferabrufe und direkten Lieferbeziehungen nicht zwischen dem Automobilhersteller und dem Zulieferer bestanden, sondern über 1st-Tier-Lieferanten vermittelt waren, „die die gelieferten Komponenten mit Komponenten anderer Lieferanten verarbeiteten und erst dann das fertige Produkt an die Verfügungsklägerin lieferten“. Nach Ansicht des Gerichts bestand gleichwohl eine unmittelbare Vertragsbeziehung mit dem Endhersteller, da die Beauftragung per Nomination-Agreement durch diesen erfolgt war. 253 OLG Dresden, Urt. v. 7.11.2018, Az. 1 U 3/18 Kart, unveröffentlicht. Um die Wirksamkeit der Kündigung durch den Hersteller ging es auch in der Entscheidung vor dem LG Dortmund, Urt. v. 27.02.2019, Az. 8 O 19/18 Kart, NZKart 2019, 231, Vollversion abrufbar unter . 252

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Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

II. Hold-up des Abnehmers: Verweigerung des Abschlusses weiterer Lieferverträge für die Zukunft Das Hold-up durch den Abnehmer ist rechtlich schwerer zu fassen, insbesondere, wenn es in der Ankündigung besteht, künftig keine weiteren Projektverträge mit dem Zulieferer abzuschließen. Im englischen Recht wird diese Konstellation nicht problematisiert, Entscheidungen hierzu liegen nicht vor. Im italienischen Recht kann in engen Grenzen Art. 9 Legge Subfornitura zur Anwendung kommen, der ausdrücklich die Weigerung zu kaufen oder zu verkaufen als Regelbeispiel vorsieht. Aus allgemeinen Treue- und Rücksichtnahmepflichten dürfte sich nach deutschem Recht eine Abschlusspflicht nicht ableiten lassen; zu denken wäre allenfalls an eine kartellrechtliche Verpflichtung nach den §§ 19 I, II, 20 I GWB, die allerdings restriktiv ausgelegt werden.254

III. Ergebnis Im Falle eines nicht berechtigten Lieferstopps des Zulieferers ist der Hersteller die geschädigte Vertragspartei. Auch der in der Regel wirtschaftlich mächtigere Abnehmer wird in seiner Abhängigkeitsposition geschützt. Das deutsche Recht gewährt gegebenenfalls einstweiligen Rechtsschutz in Form der Leistungsverfügung. Das ermöglicht es dem Hersteller, die weitere Belieferung bis zum Aufbau eines Ersatzlieferanten sicherzustellen.255 Nicht vermeiden lässt sich allerdings in der Regel ein vorübergehender Bandstillstand, der zu erheblichen Kosten führt. Ähnliche Entscheidungen per injunction erließen auch englische Gerichte. Dabei ist im Vergleich zum deutschen Recht bemerkenswert, dass auf Weiterbelieferung erkannt wurde, obwohl Erfüllung nach englischem Recht nicht das erste Mittel der Wahl ist und es grundsätzlich zulässig ist, dass sich Vertragsparteien für eine absichtliche Vertragsverletzung entscheiden und Schadensersatzzahlungen in Kauf nehmen, wenn das im Ergebnis wirtschaftlicher ist. Entscheidungen italienischer Gerichte liegen nicht vor. Die Treue- und Rücksichtnahmepflichten in der Zulieferbeziehung gelten zwar für und wider beide Vertragsparteien. Der Schutz des Zulieferers vor einem Hold-up des Abnehmers, der seine Existenz bedrohen kann, ist in den untersuchten Rechtsordnungen aber wenig ausgeprägt. Ansätze finden sich mit Art. 9 Legge Subfornitura allein im italienischen Recht.

254 Vgl. bereits oben unter D. III. 3. a). Siehe auch OLG Dresden, Urt. v. 07.11.2018, Az. 1 U 3/18 Kart, unveröffentlicht. 255 Kessel/Koch, BB 2009, 1032, 1034.

F. Resümee

231

F. Resümee I. Vertragspraxis Eine Untersuchung der Vertragsbedingungen amerikanischer Automobilhersteller im Jahr 2006 ergab, dass sich alle Hersteller in ihren Einkaufsbedingungen ein einseitiges Beendigungsrecht vorbehielten, dies aber nicht für ihre Zulieferer vorsahen.256 Diese Beobachtung gilt im Wesentlichen auch für europäische Automobilhersteller. Insbesondere Hersteller mit Sitz in England und Italien sehen zu ihren Gunsten recht umfassende einseitige (ordentliche und außerordentliche) Beendigungsrechte vor und gestehen umgekehrt dem Zulieferer kaum vertragliche Beendigungsrechte zu. Anders die deutschen Hersteller, sie weichen insgesamt nur in geringem Umfang von den gesetzlichen Bestimmungen ab. Die Bedingungswerke enthalten grundsätzlich kein Recht zur ordentlichen Kündigung, das nur bei unbefristeten Verträgen auch gesetzlich vorgesehen ist.

II. Berücksichtigung der Besonderheiten der Zulieferbeziehung und Einflussnahme der Rechtsordnungen In allen untersuchten Rechtsordnungen lässt sich die Tendenz von Rechtsprechung und Wissenschaft feststellen, den Besonderheiten langfristiger, enger Kooperationsbeziehungen Rechnung zu tragen. Am stärksten ausgeprägt ist dies in Italien, wo den Gerichten mit Art. 6 und Art. 9 Legge Subfornitura und der allgemeinen Generalklausel des Abuso del Diritto gleich drei Institute zur Verfügung stehen, um einen angemessenen Interessenausgleich bei der Kündigung langfristiger Geschäftsbeziehungen herzustellen. Wie weit diese Regelungen auf Zulieferverträge in der Automobilindustrie Anwendung finden können bzw. sollen, ist jedoch nicht abschließend beurteilt. Äußere Grenze ist die allgemeine Missbrauchskontrolle, nach der Übergangsfristen bei unangemessen kurzen Kündigungsfristen oder fristlosen Kündigungen vorgesehen werden können. Missbräuchlich sind danach vor allem willkürliche Kündigungen, die dem Interesse des Vertragspartners am Fortbestand der Zulieferbeziehung widersprechen, das aufgrund vertragsspezifischer Investitionen, der langfristigen Geschäftsbeziehung und der engen Kooperationsbeziehung schützenswert ist. Art. 9 Legge Subfornitura findet als Spezialfall dieser allgemeinen Missbrauchskontrolle im Falle einer wirtschaftlichen Abhängigkeit des gekündigten Vertragspartners Anwendung. Bei Vorliegen dieser zusätzlichen Voraussetzung wird ein weitreichenderes Eingreifen des Richters in die Risikoverteilung der

256

Ben-Shahar/White, Michigan Law Review 104 (2006), 953, 958.

232

Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

Vertragsparteien zugelassen, weil zu vermuten ist, dass die abhängige Vertragspartei ihren Interessen bei Vertragsschluss nicht ausreichend Durchsetzung verschaffen konnte. Im englischen Recht stehen dem Richter weniger flexible Mittel zur Verfügung, um die Zulässigkeit einer Kündigung zu beurteilen. Allerdings ist in Sec. 15A SGA 1979 eine Erheblichkeitsschwelle vorgesehen, nach der kein (gesetzliches) Kündigungsrecht besteht, wenn dies aufgrund der Art der Vertragsverletzung unbillig wäre. Im Übrigen wird eine Art Billigkeitskontrolle vor allem über die Vertragsauslegung verwirklicht. (Nur) ein Teil der Richter257 zeigt sich bereit, Gutglaubenserwägungen auf diese Weise zu berücksichtigen: beispielsweise bei Zulieferbeziehungen auch gegenseitige Treueund Rücksichtnahmepflichten in den Vertrag hineinzulesen und auf diese Weise unter anderem Einfluss auf die Zulässigkeit von Kündigungen zu nehmen. Bedenken gegen flexible Generalklauseln bestehen aber insbesondere, weil eine Verringerung der Rechtssicherheit befürchtet wird. In Deutschland wird der Vereinbarung von Kündigungsregeln nach dem AGB-Recht Grenzen gesetzt. Ordentliche wie außerordentliche Kündigungsrechte dürfen in AGB nicht vollständig ausgeschlossen werden. Im Schrifttum wird für Zulieferverträge diskutiert, inwieweit bei vorzeitiger Beendigung Investitionsschutzansprüche der Parteien bestehen und ob Übergangsfristen vorzusehen sind. Ein genereller Auslaufschutz bis zu einem Modellwechsel dürfte aber nicht begründet sein.

III. Governance der vorzeitigen Beendigung in Zulieferverträgen Im Vergleich zur Frage der Verteilung des Fehlerrisikos, die, solange es nicht zu gravierenden und nachhaltig nicht lösbaren Qualitätsproblemen kommt, eher im internen Verhältnis der Parteien Klärung findet und daher grundsätzlich der Voice-Option nach Hirshman zuzuordnen ist, manifestiert sich in der Vertragsbeendigung die Entscheidung für die Exit-Option. Auf dieser Ebene wirken Rechtsprechung und Rechtsordnungen ungleich intensiver auf die Risikoverteilung der Vertragsparteien ein, als es während der Vertragsbeziehung der Fall ist. Das zeigt sich auch an der im Vergleich zu Qualitätssicherungsfragen reicheren Rechtsprechung in diesem Bereich. Bei Fragen der Qualitätssicherung und des Fehlerrisikos ist es für die Parteien kostspieliger, die Anfangsinvestitionen („sunk costs“) und die Kooperationsbeziehung durch Streit zu gefährden, als im Beendigungsprozess. Zudem können staatliche Regulierungsmittel erst greifen, wenn die Kooperations- und Vertrauensbeziehung in der langfristigen Zulieferbeziehung soweit gestört ist, dass es zu einer vorzeitigen Vertragsbeendigung kommt, weil die Parteien

257

Bislang vor allem Legatt LJ und Judge Norris.

F. Resümee

233

dann den Streit auch vor staatlichen Gerichten austragen. Ähnlich gestaltet sich die Lage bei einer bewusst begründeten Hold-up-Situation, bei der mit Vertragsbeendigung gedroht wird. Auch hier wird das Vertrauensverhältnis gestört und staatlicher Rechtsschutz daher eher in Anspruch genommen. 1. Kündigungshemmnisse In den untersuchten Rechtsordnungen lässt sich die Tendenz zu einer Erheblichkeitsschwelle beobachten. Das langfristig orientierte Zulieferverhältnis soll sich nicht ohne weiteres auf Kosten des Vertragspartners vorzeitig beendigen lassen. Aus rechtlicher Perspektive begründet die intensive Kooperationsbeziehung, die mit den gegenseitigen Abhängigkeiten und vertragsspezifischen Investitionen zwischen reinem Austauschvertrag und Gesellschaftsvertrag angesiedelt ist, besondere Treue- und Rücksichtnahmepflichten. Hieraus lassen sich vor allem zeitliche Schranken für die Ausübung von Kündigungsrechten ableiten. Auch aus ökonomischer wie betriebswirtschaftlich-strategischer Perspektive sollte die vorzeitige Kündigung der Produktionsbeziehung letztes Mittel bleiben, schließlich ist Ziel der vertikalen Integration, die Produktqualität nachhaltig zu steigern und die Fehlerquote kontinuierlich zu verringern.258 Das entspricht auch der Exit-und-Voice-Theorie, wonach Nachverhandlungsmöglichkeiten vorrangig genutzt werden sollen. Gegen eine allzu starke Einschränkung vertraglicher Kündigungsrechte sprechen gleichzeitig aber die Selbstbestimmung im kaufmännischen Verkehr und die Wettbewerbsfreiheit. Eine Einschränkung ist daher nur in engen Grenzen denkbar – wenn die Verhandlungsmacht der Parteien offensichtlich im Ungleichgewicht ist und der Vertrag die Interessen nicht zum gerechten Ausgleich bringen kann. 2. Investitionsschutz, Übergangsfristen und Ausgleich vertragsspezifischer Investitionen Investitionsausgleichansprüche werden in England und Italien kaum diskutiert. Vereinzelt sehen die Hersteller aber selbst bei vorzeitiger Beendigung einen gewissen Ausgleich für Investitionen vor. Gegen eine rechtliche Verpflichtung zum Investitionsausgleich bei vorzeitiger Beendigung spricht, dass hier das unternehmerische Risiko unangemessen auf die andere Vertragspartei abgewälzt würde. Es liegt genau in der unternehmerischen Leistung, das Ausmaß der Investitionen zu kalkulieren und eine Risiko-FolgenAbwägung vorzunehmen. Übergangsfristen, die eine Umstellung der Pro-

258

K. W. Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998, 579.

234

Kapitel 3: Die vorzeitige Beendigung von Zulieferbeziehungen

duktion ermöglichen, können dem missbräuchlichen Ausnutzen des Abhängigkeitsverhältnisses durch einen Vertragspartner aber entgegenwirken. Sie lassen sich in Italien vor allem über die Missbrauchskontrolle, in Deutschland über die Generalklausel des § 242 BGB und in England über die Vertragsauslegung verwirklichen.

Kapitel 4

Schutz von Geschäftsgeheimnissen und betrieblichem Know-how in der Zulieferbeziehung A. Einführung und Interessenlage Geschäftsgeheimnisse und betriebliches Know-how können für die Unternehmen einen bedeutenden Unternehmenswert ausmachen.1 Das ist vor allem dann der Fall, wenn Geschäftsgeheimnisse dazu beitragen, die Wettbewerbsposition auf dem Markt abzusichern und eigene Entwicklungs- oder Managementleistungen zu nutzen.2 Verschiedene Studien der letzten Jahre haben gezeigt, dass Unternehmen regelmäßig hohe Verluste aufgrund von Know-how-Abfluss erleiden, gleichzeitig aber Know-how in der Unternehmenspraxis kaum über gewerbliche Schutzrechte geschützt wird, sondern hauptsächlich auf informellem Weg und durch strenge Geheimhaltung.3 In Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie spielen Entwicklungsleistungen eine wichtige Rolle. Endhersteller kooperieren vornehmlich mit System- und Modullieferanten und profitieren von deren Entwicklungskompetenzen. In der Praxis wird in Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen geregelt, welche Partei welche Nutzungs- und Verwertungsrechte an altem und neuem technologischem Wissen erhalten soll. Geheimhaltungsvereinbarungen werden oftmals bereits vor Aufnahme der Vertragsverhandlungen abgeschlossen, um einem Know-how-Abfluss frühzeitig entgegenzuwirken.4 Es stellen sich besondere Herausforderungen, die an der langfristigen und kooperativen Ausrichtung der Zulieferbeziehung anknüpfen.

1 Vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler: § 17 UWG, Rn. 1; BGH, Urt. v. 25.02.1955 – I ZR 15/53, BGHZ 16, 172 = GRUR 1955, 388, 389 (Dücko). 2 So auch Erwägungsgründe der RL 2016/943/EU, ABl. EU Nr. L 157, S. 1 (Geschäftsgeheimnis-Richtlinie). 3 Vgl. McGuire, GRUR 2016, 1000, 1000 f.; INS – Studie 2013, Status quo des Knowhow-Schutzes im Maschinen- und Anlagenbau, , 30.07. 2020; Study on Trade Secrets and Confidential Business Information in the Internal Market, MARKT/2011/128/D (April 2013), , 30.07.2020. 4 Vgl. etwa Lieb/Hans, GWR 2016, 329, 329.

236

Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Die Interessen der Beteiligten lassen sich zwei Gruppen zuordnen. Einerseits besteht auf beiden Seiten ein Interesse an der Geheimhaltung nicht schutzfähiger oder jedenfalls ungeschützter Informationen, die im Rahmen der Kooperation zugänglich gemacht werden müssen. Andererseits ist die ökonomische Nutzung des Entwicklungsergebnisses des gemeinsam geschaffenen Know-hows sowie (sonstigen) geistigen Eigentums von Bedeutung.

I. Herausforderungen der engen Kooperation Mit der engen Kooperation bei der Qualitätssicherung und der produktionssynchronen Beschaffung5 geht ein ständiger Informationsfluss zwischen Zulieferer und Hersteller einher. Das betrifft bereits die Prüfung der Eignung des Zulieferers für die Produktionsstrategie des Herstellers und das Bemusterungsverfahren vor Abschluss des Zuliefervertrags.6 Während der Zulieferbeziehung erfolgt ein großer Teil der regelmäßigen Kommunikationen über virtuelle Plattformen.7 In den Qualitätssicherungsvereinbarungen und den Allgemeinen Einkaufsbedingungen behalten sich die Hersteller regelmäßig Auditierungs- und Kontrollrechte vor, aber auch datentechnische Überwachungsmöglichkeiten. Gemeinsames Interesse ist, dass Dritte nicht unberechtigt Kenntnis von den Betriebsgeheimnissen und Entwicklungsergebnissen erlangen. Zu diesem Zweck müssen beide Vertragspartner jeweils den innerbetrieblichen Geheimnisschutz (insbesondere in den Verträgen mit Mitarbeitern und Subunternehmern, aber auch in den innerbetrieblichen Abläufen) sicherstellen.8 Geheimnisschutzinteressen können aber auch gegenläufig sein: Eine gemeinsame und kooperative Entwicklung setzt die Offenlegung einiger technischer Informationen voraus. Das birgt für die Parteien die Gefahr, dass der Vertragspartner dieses Wissen für andere Entwicklungsprojekte nutzen oder an Dritte weitergeben könnte. Personelle Verflechtungen erhöhen das Risiko, dass dem Geheimnisschutz nicht ausreichend Rechnung getragen wird.

5

Hierzu ausführlich Kap. 2. Vgl. etwa Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, 8. Zum Verfahren auch Verband der Automobilindustrie, VDA-Schriftenreihe „Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie“, 2008. 7 Steckler, Die rechtlichen Risiken der Just-in-time-Produktion, 1996, 13. 8 Die Automobilindustrie ist nach einer von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenen Studie besonders gefährdet im Hinblick auf Industriespionage, vgl. Study on Trade Secrets and Confidential Business Information in the Internal Market, MARKT/2011/128/D, , 30.07. 2020. 6

A. Einführung und Interessenlage

237

Je mehr Vorgaben der Hersteller dem Zulieferer für die Produktion macht, auch durch Überlassung von Fertigungsmitteln, technischen Zeichnungen und Spezifikationen, desto mehr eigenes geistiges Eigentum und Know-how muss er dem Zulieferer offenbaren und hierfür ggf. (zweckgebundene) Lizenzen zur Nutzung gewähren.9 Andererseits sind für einen spezialisierten Zulieferer seine Forschungsund Entwicklungsleistung und/oder sein produktionsspezifisches Knowhow Abgrenzungsmerkmale gegenüber Wettbewerbern. Gegenüber dem Hersteller steht er aber unter dem Druck, ihm sein für die Produktion erforderliches Wissen zur Verfügung zu stellen, insbesondere wenn zur Bedarfsdeckung oder unter Risikoaspekten der Aufbau eines zweiten Zulieferers erforderlich oder vorgesehen ist.10

II. Nutzung der Innovationspotentiale Zulieferer und Hersteller haben das gemeinsame Interesse, ein wettbewerbsfähiges Produkt zu entwickeln und ihre Kooperations- und Vertrauensbeziehung während der Vertragsdurchführung aufrecht zu erhalten, damit sich die gemeinsamen Investitionen in Forschung und Entwicklung rentieren.11 Verwertungsfragen stellen sich für den Zulieferer, wenn in das fertige Zulieferprodukt geistiges Eigentum und Know-how des Herstellers eingeflossen ist. Umgekehrt kann der Hersteller an einer Lizenzierung des Fertigungsund Verfahrens-Know-hows des Zulieferers interessiert sein, wenn er sich um einen Zweitlieferanten bemühen will oder muss (insbesondere bei vorzeitiger Vertragsbeendigung).

III. Öffentliches Interesse und Agency-Situation Bei Forschungs- und Entwicklungskooperationen treten neben die Interessen der Vertragsparteien auch übergeordnete gesamtwirtschaftliche Interessen des Staates, den Wettbewerb vor Industriespionage zu schützen und Innovationen zu fördern, gleichzeitig aber Ineffizienzen zu vermeiden.12

9 Vgl. Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden zu rechtlichen Aspekten der Tätigkeit industrieller Zulieferer in der Europäischen Gemeinschaft, 1990, 34 f.; WellenhoferKlein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 569 f. 10 Zum Risiko des Know-how-Abflusses Picot/Dietl/Franck/Fiedler/Royer, Organisation, 2012, 250. 11 Vgl. auch Martinek, Moderne Vertragstypen – Band II Franchising, Know-HowVerträge, Management- und Consultingverträge, 1992, 208. 12 Ausführlich hierzu: S. Wagner, Know-how, 2015, 27 ff.

238

Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Ineffizienzen können sich insbesondere dann ergeben, wenn es zu einer Agency-Situation kommt:13 Sichert sich der Hersteller die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an den Entwicklungsergebnissen und kann der Zulieferer diese dann selbst nicht für andere Projekte nutzen, so besteht das Risiko, dass der Zulieferer weniger eigene Ressourcen in die Entwicklung investiert.14 Dieses Risiko ist nur bedingt beherrschbar, da sich die Qualität der Entwicklungsanstrengungen durch Dritte nur schwer beurteilen lässt.15 Erwirbt der Hersteller dagegen nur eingeschränkte Rechte an den Entwicklungsergebnissen, so begibt er sich in ein intensiveres Abhängigkeitsverhältnis zu dem Zulieferer: Er ist für die Nutzung der entwickelten Produkte und Verfahren auf die Kooperation des Zulieferers angewiesen und kann – etwa bei zeitweiligem Lieferausfall oder bei vorzeitiger Vertragsbeendigung – seinen Bedarf nicht kurzfristig und in gleicher Qualität anderweitig decken.

IV. Zwischenergebnis und Ausblick Aus rechtlicher Perspektive sind in Zusammenhang mit technologischem Wissen zwei Aspekte zentral; einerseits die Geheimhaltung vertraulichen Wissens und der Schutz von Betriebsgeheimnissen und andererseits die Frage, wem die Nutzungs- und Verwertungsrechte an neuem oder altem geistigem Eigentum zustehen. Auf Ebene der Vertragspraxis ist interessant, inwieweit die Parteien den Agency-Risiken und der Bedeutung der Vertrauensbasis für den Geheimnisschutz Rechnung tragen. Der Geheimnisschutz spielt schließlich nicht nur während der Geschäftsbeziehung eine Rolle, sondern bleibt auch nach Beendigung der Vertragsbeziehung von Bedeutung.

B. Geheimnisschutz vor und während der Geschäftsbeziehung Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen vervollständigt den Schutz, der durch registrierte technische Schutzrechte (insbesondere durch das Patent) erzielt werden kann.16 Während der Patentinhaber den Schutz über die Offenlegung der Erfindung erlangt, ist der Geheimnisschutz präventiv ausgestaltet und auf dauerhafte Geheimhaltung gerichtet. Das Schutzinteresse 13

Im Sinne der Transaktionskostentheorie, Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 1976, 305; vgl. Kap. 1 B. I. 1. 14 Ben-Shahar/White, Michigan Law Review 104 (2006), 953, 964. 15 Kloyer, Managerial and Decision Economics 32 (2011), 457, 457 mit Studien zu adhoc erstmaligen F&E Kollaborationen. 16 Vgl. Erwägungsgrund 1, RL 2016/943/EU, ABl. EU Nr. L 157 , S. 1 (Geschäftsgeheimnis-Richtlinie).

B. Geheimnisschutz vor und während der Geschäftsbeziehung

239

kann sich dabei auf eine Erfindung beziehen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt patentiert werden soll, oder auf technisches Wissen, das keine Erfindung beinhaltet und deshalb nicht patentfähig ist, aber trotzdem Wettbewerbsvorteile verspricht. Solches technisches Wissen genießt im Regelfall auch keinen Urheberrechtsschutz, der einen anderen Schutzzweck hat und auf eine künstlerische und gestalterische Leistung abzielt; der Leistungsinhalt wird allenfalls indirekt geschützt. Eine Ausnahme gilt jedoch vor allem für Software, die im Kern urheberrechtlich geschützt wird17 – im deutschen Recht nach §§ 2 I Nr. 1, 69 UrhG. Auch für Software kommt aber ergänzend der Geheimnisschutz in Betracht.18 Der Geheimnisschutz kann auch eine Alternative zum immaterialgüterrechtlichen Schutz sein, wenn die für diesen Schutz notwendige Offenlegung der patentfähigen Informationen gerade nicht gewünscht wird (beispielsweise, weil Umgehungsmöglichkeiten bestehen) oder nicht wirtschaftlich ist, etwa weil sich die Kosten der Patentierung aufgrund der Kurzlebigkeit der Erfindung nicht amortisieren oder die Kommerzialisierbarkeit noch nicht sicher ist.19 Im Unterschied zum Patentschutz wird beim Geheimnisschutz nicht der Inhalt des Geheimnisses geschützt, sondern vielmehr die Geheimnissphäre. Daher ist der Erwerb des Geheimnisinhalts durch legale Mittel, etwa auch Rekonstruktion (reverse engineering), grundsätzlich erlaubt.20 Die Schwierigkeit in Kooperationsbeziehungen besteht darin, die dauerhafte Geheimhaltung sicherzustellen, obwohl einzelne Informationen und Geheimnisse dem Kooperationspartner im Rahmen der Zusammenarbeit offengelegt werden müssen. In der Regel vereinbaren die Parteien vertraglich Geheimhaltung. Verstöße gegen solche Vereinbarungen werden vom Gesetzgeber nicht nur als Vertragsverletzung, sondern auch als Verstoß gegen den gesetzlichen Geheimnisschutz sanktioniert.

I. Gemeinsame europäische Vorgaben für den Geheimnisschutz und nationale Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie Im Rahmen der WTO wurde zum Schutz nicht offenbarter Informationen bzw. Geschäftsgeheimnisse (confidential information, segreti commerciali) das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) beschlossen, das nach der Uruguay-Runde dem Allge17 In allen drei betrachteten Rechtsordnungen auf Grundlage der europäischen Richtlinie 91/250/EWG, ABl. EG 1991 Nr. L 122, S. 42. 18 Dreier/Schulze-Dreier: § 69a UrhG, Rn. 5. 19 Obergfell/Hauck: Lizenzvertragsrecht, 2016, 18; S. Wagner, Know-how, 2015, 22 f.; so auch Libertini, Il Diritto industriale 2017, 566, 568. 20 Galli, in: Galli (Hrsg.), 2018, 66.

240

Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

meinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) als Standard für alle WTOMitgliedsstaaten hinzugefügt wurde (Art. 39 TRIPS). Allerdings blieb die Rechtslage aufgrund der unterschiedlichen Verortung des Geheimnisschutzes in den nationalen Rechtsordnungen für die Rechtsanwender unübersichtlich. Das Abkommen hat weder zu einer vollständigen Harmonisierung der Regelungen noch der Begrifflichkeiten geführt.21 Diesem Ziel verschreibt sich für den europäischen Rahmen die Geschäftsgeheimnis-Richtlinie22 aus dem Jahr 2016, die in den untersuchten Rechtsordnungen bereits umgesetzt worden ist. 1. Geschäftsgeheimnis-Richtlinie Zielsetzung der Geschäftsgeheimnis-RL ist der Ausbau des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen in der Europäischen Union. Zu diesem Zweck soll in den Mitgliedstaaten eine einheitliche Definition des Geschäftsgeheimnisses zu Grunde gelegt und ein kohärentes System zivilrechtlicher Rechtsbehelfe (insbesondere die Möglichkeit der Unterlassungsverfügung gegen Verletzer) etabliert werden. Darüber hinaus sollen die Ansprüche des rechtmäßigen Geheimnisinhabers auf Vernichtung von missbräuchlich hergestellten Produkten, auf Herausgabe der Dokumente und sonstigen Materialien, die das Geschäftsgeheimnis enthalten, sowie auf Schadensersatz bei unberechtigter Nutzung vereinheitlicht werden. Flankiert werden diese Rechtsbehelfe durch verstärkten Geheimnisschutz im gerichtlichen Verfahren.23 a) Begriff des Geschäftsgeheimnisses Die Geschäftsgeheimnis-RL nutzt den Begriff „Geschäftsgeheimnis“ als Oberbegriff für Know-how, Geschäftsinformationen und technologische Informationen.24 21

Vgl. Erwägungsgrund 6, RL 2016/943/EU, ABl. EU Nr. L 157 , S. 1 (Geschäftsgeheimnis-Richtlinie). Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb: Stellungnahme zu einem Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung vom 28.11.2013, COM (2013) 813 final, , 11.05.2018. 22 RL 2016/943/EU, ABl. EU Nr. L 157, S. 1 (Geschäftsgeheimnis-Richtlinie). 23 Erwägungsgründe 6 und 7, RL 2016/943/EU, ABl. EU Nr. L 157, S. 1 (Geschäftsgeheimnis-Richtlinie); zum Geheimnisschutz im Verfahren näher unter D. II. 24 Erwägungsgrund 14 Geschäftsgeheimnis-Richtlinie. Im Folgenden wird dieser Begriff zu Grunde gelegt. Know-how dürfte nach dieser Definition über den Bereich der Geschäftsinformationen und technologischen Informationen hinausgehen, bislang wurde der Begriff im deutschen Recht uneinheitlich verwendet, z. B: als Oberbegriff und Synonym zum Geschäftsgeheimnis oder noch weiter als Oberbegriff für sowohl geheimes als

B. Geheimnisschutz vor und während der Geschäftsbeziehung

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Gemäß Art. 2 Geschäftsgeheimnis-RL sind Geschäftsgeheimnisse: „Informationen, die alle nachstehenden Kriterien erfüllen: a) Sie sind in dem Sinne geheim, dass sie weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich sind; b) sie sind von kommerziellem Wert, weil sie geheim sind; c) sie sind Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch die Person, die die rechtmäßige Kontrolle über die Informationen besitzt;“

Art. 2 ist zwar in Art. 1 Geschäftsgeheimnis-RL nicht als Vollharmonisierungselement aufgeführt. Die vollharmonisierenden Regelungen beziehen sich aber auf die Definition und arbeiten mit ihr. Faktisch ist also eine Vollharmonisierung auch der Definition erforderlich.25 Nicht als Geschäftsgeheimnis geschützt werden der rechtmäßige Erwerb, die rechtmäßige Nutzung und die rechtmäßige Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen. Hierunter fällt gemäß Art. 3 Geschäftsgeheimnis-RL auch die unabhängige Entdeckung oder Erfindung und die Rekonstruktion anhand des öffentlichen Endprodukts (reverse engineering). b) Schutz der Geschäftsgeheimnisse Der Geheimnisschutz wird in der Richtlinie auf zwei Wege verwirklicht. Einerseits werden die Inhaber der Geschäftsgeheimnisse selbst in die Pflicht genommen, durch Schutzmaßnahmen für die Geheimhaltung zu sorgen. Andererseits wird die missbräuchliche Nutzung des geschützten Geheimnisses sanktioniert. Dabei sind gemäß Art. 4 Geschäftsgeheimnis-RL der Erwerb und die Nutzung der Geschäftsgeheimnisse durch unberechtigte Dritte und die missbräuchliche Nutzung oder Offenlegung durch den rechtmäßigen Erwerber zu unterscheiden. c) Rechtsfolgen und Sanktionen von Verletzungen des Geheimnisschutzes Art. 10 der Geschäftsgeheimnis-RL sieht zur Sanktion von Verletzungen von Geschäftsgeheimnissen als Mindestmaßstab den einstweiligen Rechtsschutz vor. Dieser richtet sich insbesondere auf die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen (Verbot der Nutzung und Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses, Verbot des Herstellens, Anbietens, Vermarktens oder Nutzung rechtsverletzender Produkte) und Herausgabeansprüchen hinsichtlich

auch nicht geheimes Wissen. Vgl. zum Stand der Diskussion in Deutschland S. Wagner, Know-how, 2015, 126 ff. 25 Vgl. N. Ackermann/Rindell, GRUR-Int. 2017, 486, 487; McGuire, GRUR 2016, 1000, 1008.

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Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

rechtsverletzender Produkte. Daneben kann der Geschädigte Schadensersatzansprüche geltend machen.26 Zusätzlich enthält Art. 9 der Richtlinie prozessrechtliche Standards, die für eine vertraulichere Behandlung von Geschäftsgeheimnissen in gerichtlichen Verfahren sorgen sollen. 2. Geheimnisschutz und Umsetzung der Richtlinie in Italien Im italienischen Recht erfährt Know-how einen doppelten zivilrechtlichen Schutz, nämlich einerseits über das Lauterkeitsrecht (Verbot der concorrenza sleale), geregelt in Art. 2598 III CC27, andererseits über das Recht am geistigen Eigentum, geregelt insbesondere in Art. 98 CPI.28 Der Schutz des geistigen Eigentums und die Regeln über den unlauteren Wettbewerb werden als komplementäre zivilrechtliche Regelungen angesehen.29 Verstöße gegen den Geheimnisschutz können aber zusätzlich Straftatbestände erfüllen (Art. 621 ff. Codice Penale). So stellt Art. 623 Codice Penale (rivelazione di segreti scientifici o industriali) die Betriebsspionage unter Strafe.30 a) Lauterkeitsrecht (Verbot der concorrenza sleale) Art. 2598 Nr. 1 CC31 enthält drei Fallgruppen lauterkeitsrechtlich verbotener Verhaltensweisen, nämlich den Namens- und Kennzeichenmissbrauch (uso di nomi e segni distintivi), die sklavische Nachahmung (imitazione servile) und

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Zur Berechnung des Schadens Böhm/Nestler, GRUR-Prax 2018, 181, 182 f. „Art. 2593 CC: Ferme le disposizioni che concernono la tutela dei segni distintivi e dei diritti di brevetto, compie atti di concorrenza sleale chiunque: […] 3) si vale direttamente o indirettamente di ogni altro mezzo non conforme ai principi della correttezza professionale e idoneo a danneggiare l’altrui azienda.“ 28 Die letzte größere Reform vor der Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie erfolgte erst 2010 durch das D. Lgs. 131/10 vom 13.08.2010. 29 So zuletzt etwa Tribunale di Milano, Sez. Imprese, 23.02.2017, Nr. 2302. 30 Galli, in: Galli (Hrsg.), 2018, 14. 31 „Art. 2598 CC Ferme le disposizioni che concernono la tutela dei segni distintivi e dei diritti di brevetto, compie atti di concorrenza sleale chiunque: 1) usa nomi o segni distintivi idonei a produrre confusione con i nomi o i segni distintivi legittimamente usati da altri, o imita servilmente i prodotti di un concorrente, o compie con qualsiasi altro mezzo atti idonei a creare confusione con i prodotti e con l’attivita` di un concorrente; 2) diffonde notizie e apprezzamenti sui prodotti e sull’attivita` di un concorrente, idonei a determinarne il discredito, o si appropria di pregi dei prodotti o dell’impresa di un concorrente; 3) si vale direttamente o indirettamente di ogni altro mezzo non conforme ai principi della correttezza professionale e idoneo a danneggiare l’altrui azienda.“ 27

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sonstige Handlungen mit vergleichbarer Wirkung am Markt.32 Die Norm setzt voraus, dass es sich bei den Beteiligten um Wettbewerber handelt, die grundsätzlich auf der gleichen Produktions- oder Handelsstufe tätig sein müssen.33 Zwar wird diese Voraussetzung weit verstanden und auch potenzieller Wettbewerb mit einbezogen, allerdings müssen die Unternehmen zumindest über einen gemeinsamen Abnehmerkreis verfügen. Denn der wettbewerbliche Nachteil, dem das Lauterkeitsrecht begegnen soll, besteht in dem Abwerben von Abnehmern (sviamento della clientela).34 Im Verhältnis zwischen Zulieferern und Herstellern in der Automobilindustrie dürften lauterkeitsrechtliche Ansprüche daher gewöhnlich nicht eröffnet sein. b) Recht des geistigen Eigentums Das Recht des geistigen Eigentums ist in den Art. 98 und 99 CPI geregelt. Dabei ist es eine Besonderheit des italienischen Rechts, dass Geschäftsgeheimnisse Immaterialgüterrechte sind. Die Rechte an Geschäftsgeheimnissen gelten im Unterschied zum Lauterkeitsrecht gegenüber Jedermann und nicht nur gegenüber Wettbewerbern. Allerdings haben im italienischen Recht Geschäftsgeheimnisse keine absolute Ausschließlichkeitswirkung, sondern erlangen Ausschließlichkeitswirkung nur unter den durch das Gesetz bestimmten Voraussetzungen.35 c) Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie In Italien bestand – anders als in England und Deutschland – nur geringer Anpassungsbedarf im Hinblick auf die Definition von Geschäftsgeheimnissen, da sich die italienischen Regeln bereits stark an der Definition in Art. 39 TRIPS orientierten.36 Die Umsetzung erfolgte durch das D. Lgs. 11 maggio 2018 n. 63.37 Die Definition des Geschäftsgeheimnisses in Art. 98 CPI38 wurde nur klarstellend angepasst: Die geschützten Informationen werden nunmehr als 32 Grauso, La concorrenza sleale, 2007, 36. Vgl. zur Übersetzung auch Kindler, Italienisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2014, Rn. 183. 33 Grauso, La concorrenza sleale, 2007, 20. 34 Vgl. Kindler, Italienisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2014, Rn. 192; Cian/Trabucchi-Mayr: Art. 2598, 3317. 35 Galli, in: Galli (Hrsg.), 2018, 13. 36 Falce, Il Diritto industriale 2017, 560, 561. 37 In Kraft seit 22. Juni 2018. 38 „Art. 98 CPI: 1. Costituiscono oggetto di tutela i segreti commerciali. Per segreti commerciali si intendono le informazioni aziendali e le esperienze tecnico-industriali, comprese quelle commerciali, soggette al legittimo controllo del detentore, ove tali informazioni: a) siano segrete, nel senso che non siano nel loro insieme o nella precisa configurazione e

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segreti commerciali (also Geschäftsgeheimnisse) und nicht mehr als informazioni aziendali riservate bezeichnet.39 Im Übrigen entsprach die gesetzliche Definition bereits weitgehend Art. 2 Geschäftsgeheimnis-RL. Gegenüber der Richtlinie enthält sie lediglich eine zusätzliche Präzisierung zum Umfang der segreti commerciali, die betriebliche Informationen und technisch-industrielle Erfahrungswerte, auch geschäftlicher Natur, umfassen (informazioni aziendali e esperienze tecnico-industriali, comprese quelle commerciali).40 Die nach Art. 3 Geschäftsgeheimnis-RL vom Geheimnisschutz ausgenommenen Verhaltensweisen wurden im italienischen Umsetzungsgesetz nicht vollständig aufgenommen. Aufgrund der Mindestharmonisierung in diesem Bereich41 werden verbliebene Lücken durch Auslegung geschlossen.42 Eine größere Änderung hat Art. 99 CPI erfahren, der den Schutz von Geschäftsgeheimnissen regelt. Die neu eingeführten Regeln präzisieren, welche Handlungen als Erwerb, Nutzung oder Veröffentlichung von Geschäftsgeheimnissen zu verstehen sind. Anders als nach der bisherigen Regelung, fallen nunmehr auch Handlungen Dritter, die gegen Vertraulichkeitsvereinbarungen verstoßen, ausdrücklich in den Anwendungsbereich des Art. 99 CPI.43 Auch die Verjährungsvorschriften für Rechtsmittel mussten angepasst werden, da der italienische Gesetzgeber zuvor nur die Verjährung des Schadensersatzanspruchs geregelt hatte.44 Die Verjährung von fünf Jahren wurde mit Art. 99 I-quater CPI auch auf die anderen Ansprüche und Rechtsmittel erstreckt. Neu geregelt wurde auch der Geheimnisschutz im Verfahren.45

combinazione dei loro elementi generalmente note o facilmente accessibili agli esperti ed agli operatori del settore; b) abbiano valore economico in quanto segrete; c) siano sottoposte, da parte delle persone al cui legittimo controllo sono soggette, a misure da ritenersi ragionevolmente adeguate a mantenerle segrete.“ Die Hervorhebung weist die letzten Änderungen durch D. Lgs. 63/18 vom 11.05.2018 aus. 39 Ersetzt wurde der Begriff informazioni aziendali riservate. 40 Vgl. auch Jandoli/Dani, European Intellectual Property Review 41 (2019), 46, 52; Libertini, in: Galli (Hrsg.), 2018, 22. 41 Art. 1 I Geschäftsgeheimnis-RL. 42 Libertini, in: Galli (Hrsg.), 2018, 26. 43 Vgl. Art. 4 III lit. b Geschäftsgeheimnis-Richtlinie; Fabbio, Guida al Diritto 2018, 94, 96. 44 Vgl. Fabbio, Guida al Diritto 2018, 94, 97. 45 Näher unter D. II.

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3. Geheimnisschutz und Umsetzung der Richtlinie in England Bis zur Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-RL gab es in England keine spezielle gesetzliche Regelung zum Geheimnisschutz. Der Geheimnisschutz wurde durch Common Law und vertragliche Regelungen zwischen den Parteien verwirklicht. Zwar hatte die Law Commission for England and Wales in einem Bericht aus dem Jahr 1981 bereits die Ausarbeitung eines eigenen Gesetzes über die Breach-of-Confidence-Action vorgeschlagen, um die Rechtssicherheit zu verbessern und den Richtern eine allgemeine Struktur für dieses Rechtsgebiet an die Hand zu geben.46 Zur Umsetzung dieses Vorschlags kam es aber nicht. Im Unterschied zum deutschen Recht gibt es im englischen Recht kaum strafrechtliche Regelungen zum Geheimnisschutz.47 Insbesondere wird die missbräuchliche Aneignung fremder Geschäftsgeheimnisse mangels Eigentumsqualität der geheimen Informationen und Kenntnisse48 nicht als Diebstahl bestraft. Eine Konsultation der Law Commission zur Frage der strafrechtlichen Haftung für den vorsätzlichen Missbrauch fremder Geschäftsgeheimnisse (trade secrets) im Jahr 1997 gelangte nicht über die Konsultationsphase hinaus.49 a) Breach-of-Confidence-Action In der Entscheidung Coco v A.N. Clark (Engineers) Ltd. statuierte die Chancery Division des High Court of Justice die drei zentralen Voraussetzungen einer Breach-of-Confidence-Action: Es muss sich um (1) eine geheime Information handeln (necessary quality of confidence), (2) sie muss unter Umständen übermittelt worden sein, die eine Vertraulichkeitsverpflichtung implizieren und (3) das Geheimnis muss missbräuchlich, auf Kosten des Geheimnisinhabers genutzt worden sein. Eine vertragliche Beziehung ist grundsätzlich keine weitere Voraussetzung.50 Innerhalb des Oberbegriffs confidential information wurden im englischen Recht bislang vier Kategorien unterschieden: trade secrets, artistic and literary information, government secrets und personal information.51 Für Zulie46

The Law Commission of England and Wales, Breach of Confidence, 1981, 100 f. Vgl. auch Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum, The Baseline of Trade Secrets Litigation in the EU Member States, 2018, 329; Caenegem, Trade secrets and intellectual property, 2014, 95. 48 Oxford v Moss (1979) 68 Cr. App. R. 183 (DC); vgl. auch Hull, Criminal Law Review 1998, 246, 246. 49 The Law Commission of England and Wales: Legislating in the Criminal Code: Misuse of Trade Secrets consultation paper, , 30.07.2020. 50 Vgl. auch Hunt, Intellectual Property Quarterly 2011, 66, 66. 51 Vgl. Aplin/Bently/Johnson, Gurry on breach of confidence, 2012, 176. Mit der Um47

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ferverträge in der Automobilindustrie spielt vor allem die Kategorie der trade secrets eine Rolle, die einerseits technische Geheimnisse (technical secrets) und andererseits Geschäftsgeheimnisse im engeren Sinne (business secrets) umfasst. Technische Geheimnisse betreffen die Produktion von Waren und Dienstleistungen sowie den Produktionsprozess.52 In Thomas Marshall (Exports) Ltd. v Guinle forderten die Richter die Betriebsbezogenheit von trade secrets („I speak of such information or secrets only in an industrial or trade setting.“).53 Sec. 43 II Freedom of Information Act 2000 definiert trade secret als eine Information, deren Offenlegung mit großer Wahrscheinlichkeit die wirtschaftlichen Interessen des Inhabers beeinträchtigen würde.54 Im Unterschied zum Begriff des Geschäftsgeheimnisses in der europäischen Richtlinie verlangte die englische Definition jedoch nicht, dass trade secrets von kommerziellem Wert sein müssen.55 Eine wesentliche Voraussetzung für den Geheimnisschutz nach der Breach-of-Confidence-Action ist eine Vertraulichkeitsbeziehung zwischen dem Geheimnisinhaber und dem Schädiger. Das ist Ausdruck des Treue- und Missbrauchsgedankens im Equity-Recht.56 Wo die Vertraulichkeitsbeziehung nicht bereits aus der Natur der Sache folgt, wie etwa bei Ärzten, Rechtsanwälten und Eheleuten, kann sie sich nach dem limited purpose test konkludent ergeben. Wenn ein Geheimnis nur zu einem bestimmten Zweck offengelegt wurde, gilt die Vermutung, dass es einer Vertraulichkeitsversetzung der Geschäftsgeheimnis-RL muss in Zukunft ein teilweise anderes Begriffsverständnis zugrunde gelegt werden, da im Umsetzungsgesetz der Begriff trade secret benutzt wird. 52 So beispielsweise ein mechanisches System für Autos in Mechanical and General Inventions Company v Austin and the Austin Motor Company [1935] A.C. 346 (HL) oder der Produktionsprozess für Leim in Amber Size and Chemical Company, Limited v Menzel [1913] 2 Ch. 239 (Ch.). 53 Thomas Marshall (Exports) Ltd. v Guinle [1978] I.C.R 905, 925 (Ch.); Hull, Journal of Intellectual Property Law & Practice 4 (2009), 203, 205. 54 „Sec. 43 Freedom of Information Act 2000: Commercial interests. (1) Information is exempt information if it constitutes a trade secret. (2) Information is exempt information if its disclosure under this Act would, or would be likely to, prejudice the commercial interests of any person (including the public authority holding it). (3) The duty to confirm or deny does not arise if, or to the extent that, compliance with section 1(1)(a) would, or would be likely to, prejudice the interests mentioned in subsection.“ Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Freedom of Information Act keine Geheimnisschutzvorschriften im engeren Sinn enthält, sondern vor allem Informationsansprüche regelt. 55 Vgl. Caenegem, Trade secrets and intellectual property, 2014, 75; Aplin/Bently/Johnson, Gurry on breach of confidence, 2012, 162. 56 Vgl. Hunt, Intellectual Property Quarterly 2011, 66, 69.

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pflichtung unterliegt.57 So entschied der Court of Appeal in Saltmann Engineering v Campbell Engineering58, dass die Geheimhaltungsverpflichtung implied term eines Vertrags war, durch den die eine Partei der anderen vertrauliche Unterlagen bzw. Informationen zum Zwecke der Produktion überließ.59 Sind Informationen teilweise öffentlich zugänglich (etwa als Inhalt der Patentschrift) und teilweise geheim, unterliegen die geheimen Informationen der Vertraulichkeitsverpflichtung.60 Außerhalb von Vertraulichkeitsbeziehungen kommt die Breach-of-Confidence-Action nur in Ausnahmefällen zur Anwendung.61 Einen Schutz vor Industriespionage bietet die Breach-ofConfidence-Action daher in der Regel nicht.62 Die Breach-of-Confidence-Action verlangt eine Verletzung der Vertraulichkeitsverpflichtung durch missbräuchliche Nutzung oder Offenbarung des Geheimnisses. Die Rekonstruktion eines Produkts, das auf dem Markt ist (reverse engineering), verletzte die Vertraulichkeitsverpflichtung nach englischem Recht bereits vor Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-RL nicht.63 Ob zusätzliche Voraussetzung ist, dass die Vertraulichkeitsverpflichtung auf Kosten des Geheimnisinhabers verletzt wird (detrimental use), ließ Megarry J in Coco v A.N. Clark (Engineers) Ltd. offen.64 Seither wurde diesem Merkmal in der Rechtsprechung wenig Bedeutung beigemessen.65

57 Die Vertraulichkeitsverpflichtung wird verletzt, wenn die Informationen zu anderen Zwecken als dem vereinbarten eingesetzt werden; Ackroyds (London) Ltd. v Islington Plastics Ltd. [1962] 1 WLUK 23 (QBD); Colston/Dougan, Modern intellectual property law, 2005, 216. Die Leitlinien des britischen Intellectual Property Office raten dazu, in Vertraulichkeitsvereinbarungen die Nutzung der vertraulichen Informationen auf einen bestimmten Zweck zu beschränken: Intellectual Property Office, Guidance: Non-disclosure Agreements, 15.03.2015, , 30.07.2020. 58 Saltman Engineering Co v Campbell Engineering Co [1963] 3 All E.R. 413 (CA). 59 Dabei ging es um technische Zeichnungen von Maschinen zur Produktion von Lochzangen, die der Beklagten für die Produktion überlassen worden waren und von dieser auch für eigene Produktionszwecke genutzt wurden. Das Gericht sah hierin die Verletzung der Rechte des Geheimnisinhabers und sprach Saltmann Schadensersatzansprüche zu. 60 So Lord Denning in Seager v Copydex Ltd. [1967] 2 All E.R. 415, 417 (CA). 61 Im Zusammenhang mit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten von Personen des öffentlichen Lebens, hat das House of Lords teilweise auf die Voraussetzung einer Vertraulichkeitsbeziehung verzichtet. Vgl. Campbell v MGN [2005] 1 W.L.R. 3394 (HL); OBG Ltd. v Allan [2007] 2 W.L. R. 920 (HL); T. Hart/Clark/Fazzani, Intellectual property law, 2013, 67. Teilweise wird auch ein Tort of Privacy diskutiert. 62 Vgl. nur Colston/Dougan, Modern intellectual property law, 2005, 233 f. 63 Vgl. Aplin/Bently/Johnson, Gurry on breach of confidence, 2012, 671. 64 Coco v A.N. Clark (Engineers) Ltd. [1968] F.S.R. 415, 421 (CA). 65 Aplin/Bently/Johnson, Gurry on breach of confidence, 2012, 677; Caenegem, Trade secrets and intellectual property, 2014, 81.

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Aus einem Breach of Confidence kann ein Anspruch auf Unterlassen geltend gemacht werden.66 Außerdem bestehen Ansprüche auf Herausgabe oder Zerstörung rechtsverletzender Produkte und Materialien (delivery up and destruction), Gewinnausgleich (account of profits in equity), aber auch Schadensersatzansprüche. Bei der Berechnung des Schadens werden entgangene Lizenzgebühren, ein potentieller Verkaufspreis oder auch der entgangene Gewinn berücksichtigt.67 b) Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie In England wurde die Geschäftsgeheimnis-RL durch die Umsetzungsverordnung Nr. 597 2018 (Trade Secret Regulations)68 mit Wirkung zum 9. Juni 2018 umgesetzt. Zuvor wurde eine Konsultation interessierter Parteien der Wirtschaft durchgeführt.69 Dabei wurde vor allem kritisiert, die Umsetzung kurz vor dem Brexit führe zu terminologisch bedingter Rechtsunsicherheit: Die Umsetzungsverordnung übernimmt den Begriff des trade secret der europäischen Richtlinie, obwohl sich das englische Recht um den Begriff der confidential information herum entwickelt hat.70 Dem Begriff des trade secret kam im englischen Recht traditionell eine engere Bedeutung zu.71 Die Trade Secret Regulations übernehmen in Sec. 2 wortwörtlich den Definitionen-Abschnitt der europäischen Richtlinie. Sie eröffnen aber einen weitergehenden Schutz als die Geschäftsgeheimnis-RL und lassen in Sec. 3 ausdrücklich den (zusätzlichen) Rechtsweg der Breach-of-ConfidenceAction zu, solange die Vorgaben von Art. 1 der Geschäftsgeheimnis-RL berücksichtigt bleiben. Ausdrücklich geschützt wird auch die Geheimhaltung im Gerichtsverfahren und nach dessen Abschluss.72 Im Übrigen passen die Regulations die Verjährungsfristen an die Vorgaben der Richtlinie an.

66 Dieser kann ggf. zeitlich begrenzt sein, wenn die springboard doctrine Anwendung findet, die auf den Schutz von Vorreiterrenditen abzielt. Vgl. insbes. Terrapin v Builders Supply Co (Hayes) [1967] R.P.C. 375. 67 Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, 2014, Rn. 27–32. 68 Verordnung 2018 Nr. 597, Intellectual Property, The Trade Secrets (Enforcement, etc.) Regulations 2018 (im Folgenden Regulations); abrufbar unter . 69 Vgl. , 30.07.2020. 70 Vgl. die Antwort auf die Konsultation von Morcom, , 30.07.2020. Zu dem Begriff der confidential information ausführlich untenstehend. 71 Vgl. oben unter a). 72 Näher unter D. II.

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4. Neuordnung des Geheimnisschutzes in Deutschland Der deutsche Geheimnisschutz war im Unterschied zum italienischen und englischen Recht bislang vornehmlich strafrechtlich ausgestaltet und gewährte einen zivilrechtlichen Ausgleich nur in Anknüpfung an die Verwirklichung eines Straftatbestands. Diese vornehmlich strafrechtliche Ausgestaltung des deutschen Geheimnisschutzes wurde als fragmentiert und nicht mehr zeitgemäß empfunden73, gefordert wurde eine stärkere Orientierung an internationalen und europäischen Vorgaben (TRIPS und Geschäftsgeheimnis-RL).74 Bei der Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-RL wurde diese Kritik in dem neuen Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) aufgenommen.75 Das GeschGehG regelt den Geheimnisschutz vollumfänglich und sieht entsprechend der europäischen Richtlinie einen originären zivilrechtlichen Schutz vor. Der zentrale Verletzungstatbestand ist § 4 GeschGehG, der sich an Art. 4 Geschäftsgeheimnis-RL orientiert und die unbefugte Erlangung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen, die bösgläubige Erlangung von Geschäftsgeheimnissen von unbefugten Dritten sowie die bösgläubige Herstellung verletzender Produkte erfasst.76 Die bislang im UWG enthaltenen strafrechtlichen Vorschriften (§§ 17–19 UWG) wurden leicht modifiziert in das neue Gesetz integriert und so die zivilrechtlichen Vorschriften ergänzt. Die bisherige strafrechtliche Ausrichtung des Geheimnisschutzes in Deutschland wurde also umgekehrt.77 Den geschäftlichen Verkehr betrifft vor allem78 § 18 UWG, der sich in § 23 III GeschGehG wiederfindet und den Geheimnisschutz akzessorisch zu § 4 GeschGehG regelt. Danach ist es verboten, im geschäftlichen Verkehr anvertraute, geheime

73 Ohly, GRUR 2014, 1, 11; U. Becker/Kussnik, RAW 2018, 119, 120. Anderer Ansicht aber offenbar Söbbing, GWR 2010, 237, 240. 74 Kalbfus, GRUR 2016, 1009, 1011; McGuire, GRUR 2016, 1000, 1008. 75 Das GeschGehG ist am 26.04.2019 in Kraft getreten. Zur Erforderlichkeit eines eigenen Gesetzes: N. Ackermann/Rindell, GRUR-Int. 2017, 486, 492; McGuire, GRUR 2016, 1000, 1008; Kalbfus, GRUR 2016, 1009, 1016 für eine Reform auch Ohly, GRUR 2014, 1, 11. Einen Überblick über das neue Gesetz geben auch Ohly, GRUR 2019, 441–451; Alexander, WRP 2019, 673; Hauck, GRUR-Prax 2019, 223. 76 Ein kommentierter Überblick findet sich bei Ohly, GRUR 2019, 441–451, 445. 77 Hauck, WRP 2018, I (Editorial). 78 Der Geheimnisschutz ist auch für bestimmte Berufsgruppen strafrechtlich bewehrt – insbes. Anwälte, Ärzte und Notare, öffentliche Bedienstete und Gesellschaftsorgane, die besonderen Vertraulichkeitsverpflichtungen unterliegen. Ein Überblick über den strafrechtlichen Schutz findet sich u.a. bei I. Westermann, Handbuch Know-how-Schutz, 2007, 50 ff.; Stier/Gordian Hasselblatt, in: Götting/Nordemann/Ackermann (Hrsg.), 2016, Rn. 7; S. Wagner, Know-how, 2015, 64.

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Vorlagen oder Vorschriften technischer Art unbefugt zu verwerten oder einem Dritten mitzuteilen.79 a) Wesentliche Änderungen durch das GeschGehG § 2 GeschGehG definiert den Geheimnisbegriff. Im Unterschied zu der zuvor von der Rechtsprechung entwickelten Definition von Geschäftsgeheimnissen müssen die geheimen Informationen nun Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen sein. Bisher war zwar Betriebsbezogenheit und ein (subjektives80 und objektives) Geheimhaltungsinteresse erforderlich, aber keine konkreten Geheimhaltungsmaßnahmen. Das deutsche GeschGehG weicht aber in der Definition erneut von der europarechtlichen Regelung ab: Im Vergleich zu der in der Richtlinie vorgesehenen Definition verlangt § 2 GeschGehG zusätzlich ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung.81 Die in den §§ 6 ff. GeschGehG geregelten Rechtsbehelfe und Sanktionen werden den Regeln zum Schutz von geistigem Eigentum angenähert. Gleichzeitig wird aber die vorherrschende Meinung bestätigt, dass Geschäftsgeheimnisse nach deutschem Recht kein geistiges Eigentum sind.82 Unternehmensgeheimnisse und Know-how erfahren nur solange Schutz, als sie auch geheim sind. Ihnen wohnt daher, anders als dem Eigentum, keine vollständige Ausschließlichkeitswirkung inne, sondern es wird nur ein Zustand geschützt, nämlich die Nichtoffenkundigkeit der Informationen.83 Nach dem GeschGehG kommen als Rechtsbehelfe in Entsprechung zur bisherigen Rechtslage Unterlassungsansprüche in Betracht, sofern eine Verletzung droht (Erstgefahr oder Wiederholungsgefahr), sowie bei eingetretener Verletzung Beseitigungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche.84 79

Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler: § 18, Rn. 2, 8 ff. Z.B. BGH, Urt. v. 01.07.1960 – I ZR 72/59, GRUR 1961, 40, 43 (Wurftaubenpresse). Vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler: § 17 UWG, Rn. 10, die Voraussetzung des subjektiven Elements in Frage stellend etwa MüKoUWG-Brammsen: § 17 UWG , Rn. 27; Maume, WRP 2008, 1275, 1280. Das ohnehin umstrittene Kriterium des subjektiven Geheimhaltungswillens wird im GeschGehG durch die Voraussetzung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen ersetzt. 81 Die zusätzliche Voraussetzung des berechtigten Interesses war in dem Referentenentwurf noch nicht vorgesehen und wurde erst im weiteren Verfahren eingefügt. Sie stößt angesichts der Mindestharmonisierung in der europäischen Richtlinie auf europarechtliche Bedenken, vgl. auch Ohly, GRUR 2019, 441–451, 444; Hauck, GRUR-Prax 2019, 223, 224. 82 Vgl. nur Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler: Vor § 17 UWG, Rn. 2: Immaterialgut, das Schutz über Art. 14 I GG und als „sonstiges Recht“ über § 823 I BGB erfahren soll; für eine Einordnung als immaterialgüterrechtsähnliche „sonstige Schutzposition“ Ahrens/ McGuire, Modellgesetz für geistiges Eigentum, 2012, 50 f. 83 Vgl. Ohly, GRUR 2014, 1, 3 f. 84 Überblick über die bisherige Rechtslage bei McGuire/Joachim/Künzel/Weber, GRUR-Int. 2010, 829, 833. 80

B. Geheimnisschutz vor und während der Geschäftsbeziehung

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Hinzu treten Ansprüche auf Vernichtung oder Herausgabe der Dokumente und Materialien, die das Geschäftsgeheimnis enthalten oder verkörpern, sowie auf den Rückruf rechtsverletzender Produkte und ihre Entfernung bzw. Rücknahme vom Markt (§ 7 GeschGehG), wenn das nicht unverhältnismäßig ist (§ 9 GeschGehG). Neben Schadensersatzansprüchen, die die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Verbotstatbestände voraussetzen, ist auch eine Abfindung in Geld vorgesehen, mit der Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche und Ansprüche aus § 7 GeschGehG abgewendet werden können (§ 11 GeschGehG). Die dreifache Schadensberechnung bei Immaterialgüterrechten, die alternativ auf den konkreten Schaden, entgangene Lizenzgebühren oder die Herausgabe des Gewinns abstellt,85 gilt auch für die Schadensersatzansprüche nach dem neuen Gesetz.86 b) Geheimnisschutz außerhalb des GeschGehG Zwischen Vertragspartnern einer langfristigen Lieferbeziehung gilt eine allgemeine Vertraulichkeitspflicht in Bezug auf geschütztes Know-how, die auch nach Beendigung fortwirkt und die den Zulieferer vor Verwertung und/oder Nutzung des eingebrachten Know-hows und Weitergabe an Dritte schützt.87 Sie ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben und den Rücksichtnahmepflichten zwischen Vertragspartnern, §§ 241 II, 242 BGB.88 Über § 311 II BGB gilt das bereits im Zeitpunkt der Aufnahme von Vertragsverhandlungen und bei Anbahnung des Vertrags.89 Dem Geschädigten stehen daher bei einer Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen vertragliche Schadensersatzansprüche nach § 280 I BGB zu. Der (außervertragliche) zivilrechtliche Geheimnisschutz wurde in Deutschland bisher über Generalklauseln (insbesondere § 3 I UWG als lauterkeitsrechtliche Generalklausel) und über die Anknüpfung an die Verletzung der Straftatbestände insbesondere des UWG gewährleistet.90 Den Ge85 BGH, Urt. v. 18.02.1977 – I ZR 112/75, GRUR 1977, 539, 541 (Prozessrechner); BGH, Urt. v. 16.11.2017, GRUR 2018, 541, 544 (Knochenzement II); Köhler/Bornkamm/ Feddersen-Köhler: § 17 UWG, Rn. 58. Z.B. in § 139 II PatG und § 97 II UrhG. 86 So auch Ohly, GRUR 2019, 441–451, 449. 87 Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, 1993, S. 242 f.; Rohe, Netzverträge, 1998, 406; I. Westermann, Handbuch Know-how-Schutz, 2007, 80; Kraßer, GRUR 1977, 177, 177. 88 Siehe I. Westermann, Handbuch Know-how-Schutz, 2007, 80; Köhler/Bornkamm/ Feddersen-Köhler: § 17 UWG, Rn. 62.; NK-BGB-Krebs: § 241 BGB, Rn. 55; MAH Gewerblicher Rechtsschutz-Musiol: § 25 Wettbewerbs- und zivilrechtlicher Know-howSchutz, Rn. 25. 89 Vgl. z.B. Schöwerling, GRUR-Prax 2015, 52, 53; Söbbing, GWR 2010, 237, 239. 90 Die Straftatbestände des UWG gelten als Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB; vgl. Begr. RegE zu UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, S. 22; BGH, Urt. v. 16.11.2017 – I ZR 160/16, GRUR 2018, 541, 544 (Knochenzement II); Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler: § 17 UWG, Rn. 53.

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Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

heimnisschutz nach dem GeschGehG ergänzen weiterhin die deliktsrechtlichen Generalklauseln § 826 BGB91, § 823 I BGB sowie § 1004 I BGB(analog)92 und der bereicherungsrechtliche Schutz über die Eingriffskondiktion § 812 I 1 Fall 2 BGB93.

II. Geheimnisschutz in der Praxis In der Praxis sind vor allem zwei Wege üblich, um den Geheimnisschutz im Unternehmen zu verwirklichen. Einerseits werden Geschäftsgeheimnisse nur zusammen mit einer Vertraulichkeitsverpflichtung offenbart (vertraglicher Geheimnisschutz) und andererseits wird der Zugang zu den Geheimnissen innerhalb des Unternehmens beschränkt (faktischer Geheimnisschutz). Der faktische Geheimnisschutz hat vor dem Hintergrund der Voraussetzung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen nach der Geschäftsgeheimnis-RL an Bedeutung gewonnen: Schützen Unternehmen ihre Geheimnisse nicht

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Dazu BeckOK BGB-Förster: § 826 BGB, Rn. 235–236. Jedenfalls bei einer Haftung nach § 826 BGB dürfte das Vorliegen angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen auch nicht Voraussetzung sein. 92 Für die (umstrittene) Anwendung von § 823 I BGB und § 1004 I BGB (analog) spielt der Streit um die Rechtsnatur von Geschäftsgeheimnissen eine Rolle. Würde diesen Immaterialgütern eine eigentumsähnliche Qualität zugesprochen, so käme ihnen der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz zu und sie wären auch zivilrechtlich über das Deliktsrecht als absolute Rechte besonders geschützt. Schutz erfahren Geschäftsgeheimnisse jedenfalls als Teil des eingerichteten Gewerbebetriebs nach § 823 I BGB: BGH, Urt. v. 09.03.1989 – I ZR 189/86, BGHZ 107, 117, 122 = NJW 1990, 52 (Forschungskosten); BGH, Urt. v. 21.12.1962 – I ZR 47/61, GRUR 1963, 367, 369; BeckOK BGB-Förster: § 823 BGB, Rn. 180; Ann, GRUR 2007, 39, 42. Wohl auch BGH, Urt. v. 25.02.1955 – I ZR 15/53, BGHZ 16, 172 = GRUR 1955, 388, 389 Rn. 9 (Dücko), obgleich danach differenzierend, ob „der Erfinder seine Absicht, die Erfindung wirtschaftlich zu verwerten, kundgetan und damit zu erkennen gegeben habe, dass er selbst seine Erfindung als Vermögenswert ansehe und ausbeute“. Ob Geschäftsgeheimnisse darüber hinaus als eigenständige sonstige Rechte Schutz erfahren, ist hingegen umstritten. Bejahend BGH, Urt. v. 09.03.1989 – I ZR 189/86, BGHZ 107, 117, 122 = NJW 1990, 52 (Forschungskosten); BGH, Urt. v. 21.12.1962 – I ZR 47/61, GRUR 1963, 367, 369; StaudingerBGB-Hager: § 823 BGB, Rn. D9; BeckOK BGB-Förster: § 823 BGB, Rn. 180; Ann, GRUR 2007, 39, 42. 93 Auch bereicherungsrechtliche Ansprüche aus Eingriffskondiktion, § 812 I 1 Fall 2 BGB, sind umstritten. Nach der herrschenden Meinung kommt es bei der Eingriffskondiktion darauf an, dass in den Zuweisungsgehalt einer fremden Rechtsposition eingegriffen wurde, vgl. etwa BGHZ 68, 90, 99; 107, 117, 120; JauernigBGB-Stadler: § 812 BGB, Rn. 51; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 1994, § 69 I 1b m.w.N. Bei Immaterialgüter(rechte)n ist entscheidend, wem deren Nutzung und Verwertung zugordnet ist, BGH, Urt. v. 09.03.1989 – I ZR 189/86, BGHZ 107, 117, 122 = NJW 1990, 52 (Forschungskosten).

B. Geheimnisschutz vor und während der Geschäftsbeziehung

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oder unzureichend, so kommen sie auch nicht in den Genuss des gesetzlichen Geheimnisschutzes.94 1. Geheimhaltungsmaßnahmen im Unternehmen Ein effektiver Geheimnisschutz erfordert die Sicherstellung der Geheimhaltung im eigenen Unternehmen. Solche faktischen (oder physischen) Geheimhaltungsmaßnahmen können beispielsweise spezielle Zugangsbarrieren (Schlüssel, Codes, etc.) zu Forschungslaboratorien sein, die nur von den beteiligten Forschern überwunden werden können. Das entspricht dem Grundsatz der Informationssparsamkeit, wonach nur so viele Personen wie nötig von Geheimnissen (ggf. auch nur ausschnittweise) Kenntnis erlangen sollten („need to know“).95 Von Bedeutung sind weiter die Identifizierung, Bewertung, Kategorisierung und deutliche Kennzeichnung von vertraulichen Dokumenten und deren Aufbewahrung an einem sicheren und zugangsgeschützten Ort (z.B. Safe).96 Elektronische Dokumente sollen durch Passwörter und Verschlüsselung vor fremdem Zugriff geschützt werden. Für das Management von Know-how können Technische Normen eine Orientierung bieten; für die IT-Sicherheit empfiehlt beispielsweise der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) ein InformationSecurity-Management-System (ISMS) nach den ISO 27001 Standards.97 2. Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen im Rechtsvergleich Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen sind nach der Geschäftsgeheimnis-RL auch Voraussetzung für den gesetzlichen Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Die Anforderungen an dieses Merkmal waren in den Rechtsordnungen bisher unterschiedlich. Im italienischen Recht ist das Merkmal der angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen schon länger Voraussetzung für den Geheimnisschutz nach Art. 98, 99 CPI. Darunter werden sowohl physische Geheimhaltungsmaßnahmen (z.B. Passwortschutz) als auch rechtliche Geheimhaltungsmaßnahmen gefasst. Die Anforderungen an angemessene Geheimhaltungsmaß-

94 Eine Ausnahme gilt nach englischem Recht, wonach die Breach-of-ConfidenceAction, die lediglich eine Vertraulichkeitsverpflichtung voraussetzt, neben der Umsetzungsverordnung weiterhin anwendbar bleibt. 95 U. Becker/Kussnik, RAW 2018, 119, 123. 96 Mit konkreten Praxishinweisen auch Kalbfus, GRUR-Prax 2017, 391, 393. 97 INS – Studie 2013, Status quo des Know-how-Schutzes im Maschinen- und Anlagenbau, S. 60 ff., , 30.07.2020. Vgl. auch Steinmann/ Schubmehl, CCZ 2017, 194, 197.

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Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

nahmen können recht streng sein.98 So hat das Tribunale di Bologna die Annahme eines schützenswerten Geschäftsgeheimnisses i.S.d. Art. 98 CPI abgelehnt, weil die Informationen lediglich passwortgeschützt auf einem privaten Computer abgelegt waren: Es bedürfe eines betrieblichen Systems, das vom Unternehmen selbst gesteuert und kontrolliert werden könne; erst dann könne das Unternehmen effektiv die rechtmäßige Nutzung der Informationen sicherstellen.99 Die Anforderungen an die Geheimhaltung richten sich aber auch nach dem Wert des Geheimnisses. Bei Geheimnissen von hohem Wert werden strengere Anforderungen an Geheimhaltungsmaßnahmen gestellt.100 Mitarbeiter, Vertragspartner und andere Personen, die mit Geschäftsgeheimnissen in Berührung kommen, müssen durch entsprechende Hinweise und durch vertragliche Vertraulichkeitsvereinbarungen zur Geheimhaltung verpflichtet werden.101 Im englischen Recht waren angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen vor Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-RL nicht Gegenstand des Geheimnisbegriffs, sondern nur dazu geeignet, eine Vertraulichkeitsverpflichtung (obligation of confidentiality) zu indizieren. Eine Rechtsprechungslinie zu erforderlichen Geheimhaltungsmaßnahmen konnte sich daher (noch) nicht herausbilden. Der deutsche Geheimnisbegriff verlangte abweichend von der Definition des TRIPS und der Geschäftsgeheimnis-RL nur ein (subjektives und objektives) Geheimhaltungsinteresse, aber keine konkreten Geheimhaltungsmaßnahmen.102 Nach der Rechtsprechung durften an die „Manifestation des Geheimhaltungswillens keine überzogenen Anforderungen gestellt werden“.103 Um den Geheimnisschutz nicht zu sehr einzuschränken, sollte das auch für das Erfordernis angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen nach der neuen

98

Für eine weite Auslegung plädierend aber Libertini, Il Diritto industriale 2017, 566,

575. 99

Allerdings nahm das Gericht die Anwendbarkeit der lauterkeitsrechtlichen Regeln des Codice Civile an, da es sich zwar nicht um angemessen geschützte geheime Informationen handelte, aber dennoch um vertrauliche Informationen, die gem. Art. 2598 CC Schutz erfahren; Tribunale di Bologna, Sez. Imprese, 27.07.2015, Nr. 2340. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung der italienischen Gerichte. Danach setzt der Schutz des Art. 2598 CC nur voraus, dass die geschützten Informationen dazu bestimmt sind, nicht gegenüber Dritten, außerhalb des Unternehmens, offengelegt zu werden, vgl. nur Corte Cass. Civ., Sez. I, 13.10.2014, Nr. 21588. 100 Ghidini/F. de Benedetti/DeBenedetti, Codice della proprieta` industriale, 2006, 255. 101 Galli, in: Galli (Hrsg.), 2018, 65. 102 BGH, Urt. v. 10.05.1995 – 1 StR 764/94, BGHSt 41, 140 = NJW 1995, 2301; Köhler/ Bornkamm/Feddersen-Köhler: § 17 UWG, Rn. 10; Harte/Henning-Harte-Bavendamm: § 17 UWG, Rn. 5; Rengier: § 17 UWG, Rn. 18. 103 BGH, Urt. v. 27.04.2006 – I ZR 126/03, NJW 2006, 3424, 3426 (Kundendatenprogramm).

B. Geheimnisschutz vor und während der Geschäftsbeziehung

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Definition des Geschäftsgeheimnisses gelten.104 Dem neuen Erfordernis wird aber in Zukunft größere Bedeutung zukommen, zumal der Geheimnisinhaber die Beweislast trägt.105 Da eine einzelfallbezogene Bewertung der Geheimhaltungsmaßnahmen geboten ist,106 spielen der kommerzielle Wert des Geheimnisses für das Unternehmen, die Entwicklungskosten, die Branchenüblichkeit sowie vertragliche Geheimhaltungsmaßnahmen gegenüber Arbeitnehmern und Geschäftspartnern eine Rolle.107 3. Vertraglicher Geheimnisschutz Zu den Geheimhaltungsmaßnahmen zählen auch vertragliche Vereinbarungen, die den Geheimnisschutz gegenüber Arbeitnehmern und Vertragspartnern sicherstellen. a) Vertraulichkeitsvereinbarungen (non-disclosure agreement, NDA) Vertraulichkeitsvereinbarungen mit Vertragspartnern werden regelmäßig bereits vorvertraglich getroffen:108 Denn schon bei der Anbahnung von Vertragsverhandlungen und im Rahmen dieser Verhandlungen muss regelmäßig Einblick in geheime Informationen gewährt werden, um es dem potentiellen Vertragspartner zu ermöglichen, den Wert der Kooperation einzuschätzen. Ziel vertraglicher Geheimnisschutzregeln ist es, die weitere Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen sicherzustellen.109 Vertraulichkeitsvereinbarungen enthalten eine (möglichst präzise) Begriffsbestimmung der vertraulichen Informationen und die Identifizierung des Mitwisserkreises.110 Eine sehr pauschale und weite Definition der vertraulichen Informationen kann zu Schutzlücken führen und auch nach deutschem AGB-Recht problematisch sein.111 Es wird daher gewöhnlich vereinbart, dass die Vertraulichkeit sich nicht auf Informationen erstreckt, die dem Vertragspartner bereits vor Abschluss der Vereinbarung bekannt waren, die der Öffentlichkeit be104 In diese Richtung auch Kalbfus, GRUR-Prax 2017, 391, 392 f.; Steinmann/Schubmehl, CCZ 2017, 194, 198. Zuvor etwa Ohly, GRUR 2014, 1, 5. Vgl. auch BGH, Urt. v. 22.03.2018 – I ZR 118/16, GRUR 2018, 1161 (Hohlfasermembranspinnanlage II). 105 Vgl. auch Busekist/Racky, ZRP 2018, 125, 137. 106 U. Becker/Kussnik, RAW 2018, 119, 123. 107 RefE – Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943, Begründung S. 22; s. hierzu auch Ohly, GRUR 2019, 441–451, 444. 108 Beispielsweise Lamborghini bei Ausschreibung eines Auftrags: Automobili Lamborghini S.p.a.: Geheimhaltungsabkommen (Stand April 2015), , 30.07.2020. 109 Galli, in: Galli (Hrsg.), 2018, 64. 110 Vgl. auch U. Becker/Kussnik, RAW 2018, 119, 124 f. 111 Hierzu sogleich unter III.

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Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

reits offenbart wurden, die dem Vertragspartner ohne Hinweis auf deren Vertraulichkeit offenbart werden und die dem Vertragspartner von Dritten offenbart werden, die keiner Vertraulichkeitsverpflichtung unterliegen.112 Die Weitergabe von offenbarten Geschäftsgeheimnissen ist gewöhnlich nur auf Need-to-know-Basis und unter Weiterleitung identischer Geheimhaltungsverpflichtungen oder unter Vorbehalt der vorherigen Zustimmung gestattet.113 Die Vertraulichkeitsverpflichtung kann über eine Einschränkung der Nutzungs- und Weitergabebefugnisse auch bestimmte Geheimhaltungsvorkehrungen (etwa bei der Speicherung) umfassen.114 Zur besseren Durchsetzung von Ansprüchen bei Verstößen gegen die Geheimhaltungsverpflichtung und zur Abschreckung werden schließlich oftmals Vertragsstrafen oder pauschalierter Schadensersatz vereinbart.115 Schließlich sollten sich die Geheimhaltungsverpflichtungen auf die gesamte Dauer der Geschäftsbeziehung erstrecken, um den Geheimnisschutz nicht auf halber Strecke zu verlieren.116 b) Geheimhaltungsverpflichtungen in Allgemeinen Einkaufsbedingungen Für die Untersuchung nach italienischem Recht standen die Allgemeinen Einkaufsbedingungen von Fiat117 und die Allgemeinen Einkaufsbedingungen des VW-Konzernunternehmens Lamborghini118 zur Verfügung. Für das englische Recht werden beispielhaft die Einkaufsbedingungen der Automobilhersteller Bentley Motors119 und von in England ansässigen Herstellern der 112 Portuese, ECLR 2018, 274, 274; Harroch, The Key Elements of Non-Disclosure Agreements, 10.03.2016, , 30.07.2020. 113 So auch in den untersuchten Einkaufsbedingungen der Automobilhersteller, vgl. nachfolgend. 114 Zur Vertragspraxis vgl. Steinmann/Schubmehl, CCZ 2017, 194, 195 f. 115 So auch die Empfehlung von U. Becker/Kussnik, RAW 2018, 119, 125. 116 Galli, in: Galli (Hrsg.), 2018, 75. 117 FCA Italy S.p.A.: Condizioni Generali di Acquisto (Stand Juni 2002) (Fiat-Einkaufsbedingungen 2002) und Addendum 2011, die auch nach dem Zusammenschluss von Fiat und Chrysler noch Anwendung finden; der Autorin von Fiat (FCA Italy S.p.A.) zur Verfügung gestellt, nicht öffentlich abrufbar. 118 Automobili Lamborghini S.p.a.: General Terms and Conditions for Purchase of Goods and Services (Stand Januar 2017), , 30.07.2020. 119 Bentley Motors Limited: Terms and Conditions for the Purchase of Production Material and other Goods (Stand September 2018), , 30.07.2020 (Bentley-Einkaufsbedingungen 2018).

B. Geheimnisschutz vor und während der Geschäftsbeziehung

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Ford-Gruppe120 herangezogen (Austin Martin Lagonda, Jaguar und Land Rover). Zum deutschen Recht wurden die VDA-Konditionenempfehlung121 sowie die Allgemeinen Einkaufsbedingungen der Automobilhersteller VW122, Audi123, Porsche124, Daimler125 und BMW126 untersucht. In ihren Einkaufsbedingungen sehen die Hersteller regelmäßig Geheimhaltungspflichten in Bezug auf von ihnen übermittelte Modelle, Zeichnungen, Produktspezifikationen und Know-how vor; oftmals verbunden mit einer Begrenzung der Nutzung für die Erfüllung des Liefervertrags mit dem Hersteller. Das Recht zur Weitergabe dieser Informationen an Geschäftspartner ist in einigen Bedingungen an die ausdrückliche Zustimmung des Herstellers geknüpft;127 in anderen Bedingungen wird eine Weitergabe auf 120 Ford Motor Company: Production Purchasing Global Terms and Conditions (Stand Januar 2004), , 30.07.2020 (Ford Global Terms 2004). 121 Verband der Automobilindustrie: Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Bezug von Produktionsmaterial und Ersatzteilen, die für das Automobil bestimmt sind (Stand September 2015), , 30.07.2020 (VDA-Konditionenempfehlung 2015); Untersuchung der VDA-Konditionenempfehlung (wenn auch in älterer Fassung) auch bei Küpper, ZGS 2009, 117; Kannowski, BB 2007, 2301; Kessel/ Passauer, BB 2004, 1974. 122 Volkswagen AG: Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial (Stand Juli 2015), , 30.07.2020 (VW-Einkaufsbedingungen 2015). 123 Audi AG: Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial (Stand Juli 2015), , 30.07.2020 (Audi-Einkaufsbedingungen 2015). 124 Porsche AG: Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial der Dr. Ing. h.c. F. Porsche Aktiengesellschaft (Stand November 2018), , 30.07.2020 (Porsche-Einkaufsbedingungen 2018). 125 Daimler AG: Einkaufsbedingungen. Produktionsmaterial und Ersatzteile für Kraftfahrzeuge (Stand Oktober 2018), , 30.07.2020 (Daimler-Einkaufsbedingungen 2018). 126 BMW Group: Internationale Einkaufsbedingungen für Produktionsmaterial und Kraftfahrzeugteile (IPC) (Stand März 2018), , 30.07.2020 (BMW-Einkaufsbedingungen 2018). 127 So beispielsweise in den Bedingungen von Lamborghini (Art. 16.3) und Fiat (Art. 50.2); aber auch in den Bedingungen der Ford-Gruppe, sofern die Weitergabe an Automobilhersteller oder -händler beabsichtigt ist, vgl. Sec. 17.01. Für die Verwendung

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Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Need-to-know-Basis und unter Weitergabe derselben Vertraulichkeitsverpflichtung zugelassen.128 Die Geheimhaltungsverpflichtung wird teilweise mit Sanktionen verknüpft, insbesondere vorzeitigen Kündigungsrechten, Schadensersatzansprüchen und Herausgabeansprüchen hinsichtlich widerrechtlich registrierter Immaterialgüterrechte.129 Während die untersuchten Bedingungen nach italienischem Recht keine Geheimhaltungspflichten des Herstellers vorsehen, enthalten die Bedingungen der Ford-Gruppe hierzu ausdrückliche Bestimmungen. Nach den Ford Global Terms ist der Zulieferer verpflichtet, dem Hersteller die für Zusammenbau und Nutzung der Zulieferprodukte notwendigen technischen Informationen (technical information) zu übermitteln. Die Geheimhaltungspflichten des Herstellers richten sich danach, ob die technischen Informationen als „Level One Materials“ oder als „Level Two Materials“ zu qualifizieren sind, Sec. 16.01: „Level One Materials“ kann der Hersteller uneingeschränkt nutzen und offenbaren, sofern nicht Patente oder Markenrechte des Zulieferers betroffen sind. Hierzu zählen allgemeine Beschreibungen des Zulieferprodukts und der Wechselwirkungen mit dem Endprodukt, Sec. 16.02. „Level Two Materials“ enthalten detailliertere Informationen zum Zulieferprodukt und zum Produktionsprozess. In Bezug auf diese Informationen treffen den Hersteller Geheimhaltungsverpflichtungen, Sec. 16.03. Über die Kategorisierung verhandeln die Parteien nach Treu und Glauben (in good faith), allerdings wird vermutet, dass es sich um „Level One Materials“ handelt, wenn die Parteien sich nicht einigen, Sec. 16.04. Deutsche Einkaufsbedingungen sehen im Unterschied hierzu gewöhnlich reziproke Geheimhaltungsverpflichtungen beider Vertragspartner vor.130 So richtet sich die Geheimhaltungsklausel in den Allgemeinen Einkaufsbedingungen mehrerer Hersteller nach der folgenden VDA-Konditionenempfehlung:131

von dem Zulieferer zur Verfügung gestellten Fertigungsmitteln auch VDA-Konditionenempfehlung 2015 (Abschnitt XIII.) sowie in den Bedingungen von VW, Audi und Porsche. 128 So in den Bentley-Einkaufsbedingungen 2018, Klausel 11.1. und BMW-Einkaufsbedingungen 2018, Ziff. 18.2. 129 So in den Bedingungen von Lamborghini, Art. 16.4 und 16.5. 130 Auch die Bedingungen von BMW enthalten in Ziffer 18.1 eine gegenseitige Geheimhaltungsverpflichtung des Zulieferers und des Herstellers, die sich ihrerseits zur Haftung für ihre verbundenen Unternehmen verpflichten. 131 Wortlautgetreu wurde die Klausel in den Bedingungen von VW und Audi übernommen.

B. Geheimnisschutz vor und während der Geschäftsbeziehung

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„V. Geheimhaltung 1. Die Vertragspartner verpflichten sich, alle nicht offenkundigen kaufmännischen und technischen Einzelheiten, die ihnen durch die Geschäftsbeziehungen bekannt werden, als Geschäftsgeheimnis zu behandeln. 2. Zeichnungen, Modelle, Schablonen, Muster und ähnliche Gegenstände dürfen unbefugten Dritten nicht überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden. Die Vervielfältigung solcher Gegenstände ist nur im Rahmen der betrieblichen Erfordernisse und der urheberrechtlichen Bestimmungen zulässig. 3. Unterlieferanten sind entsprechend zu verpflichten. 4. Die Vertragspartner dürfen nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung mit ihrer Geschäftsverbindung werben.“

Die erst 2019 aktualisierten Porsche-Bedingungen ergänzen die VDA-Klausel um einen Abs. 5, der dem Zulieferer dem aktuellen Stand der Technik entsprechende Geheimhaltungsmaßnahmen abverlangt. Hierdurch wird den Anforderungen des GeschGehG Rechnung getragen.

III. Grenzen des vertraglichen Geheimnisschutzes Grenzen des vertraglichen Geheimnisschutzes finden sich in erster Linie im deutschen AGB-Recht. Die Kontrolle von Standardverträgen ist in England und Italien weit weniger ausgeprägt.132 Kartellrechtliche Erwägungen spielen allenfalls in Bezug auf übermäßig lange nachvertragliche Geheimhaltungsverpflichtungen eine Rolle.133 Bei der AGB-Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB stehen sich das legitime Geheimhaltungsinteresse des Verwenders auf der einen und die Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit des Zulieferers auf der anderen Seite gegenüber. Nicht mehr angemessen dürften nach einer Interessenabwägung daher Klauseln sein, die pauschal jegliche mitgeteilten und übermittelten Informationen, Dokumente etc. einer Geheimhaltungsverpflichtung unterwerfen, unabhängig davon, ob diese Informationen geheim und geheimhaltungsbedürftig sind.134 Auf der anderen Seite ist auch den Geheimhaltungsinteressen des Zulieferers Rechnung zu tragen. Zwar ist die Entwicklung spezifischen technischen Verfahrens-Know-hows oftmals Teil der (geschuldeten) Leistung eines Zulieferers. Das Verfahrens-Know-how kann aber auch die Kernkompetenz ausmachen und Alleinstellungsmerkmal vor allem hoch spezialisierter Zulieferer sein, auf der ihre Geschäftschancen basieren.135 Zudem ist VerfahrensKnow-how schwer zu schützen: Da es bei der Anmeldung von Schutzrechten offenzulegen ist, provoziert der Zulieferer die Nachahmung seines Verfah132

Vergleiche hierzu ausführlicher Kap. 1 C. Hierzu nachfolgend unter C. II. 2. und 3. 134 So Westphalen: Einkaufsbedingungen, Rn. 80 f. 135 Zu der Problematik vgl. Nagel, DB 1988, 2291, 2292. 133

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Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

rens unter Umgehung der schutzfähigen Merkmale und verliert so die Kontrolle über sein Verfahrens-Know-how; auch sind Verstöße besonders schwer nachweisbar.136 Eine formularvertragliche Verpflichtung zur Offenlegung prozessbezogener Geschäftsgeheimnisse kann daher im Einzelfall nach § 307 BGB unzulässig sein. Bei der Vereinbarung pauschalierter Schadensersatzansprüche ist die Indizwirkung von § 309 Nr. 5 lit. b BGB zu berücksichtigen. Danach ist pauschalierter Schadensersatz nur zulässig, wenn dem Vertragspartner der Nachweis gestattet wird, dass ein Schaden nicht entstanden ist oder erheblich unter der Pauschale liegt.137

IV. Resümee Mit Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-RL wird ein gemeinsamer Mindeststandard für den zivilrechtlichen Geheimnisschutz in den untersuchten Rechtsordnungen geschaffen. Für das englische und das deutsche Recht bringt das die Neuerung mit sich, dass die Parteien angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen treffen müssen, um den gesetzlichen Geheimnisschutz in Anspruch nehmen zu können. Im englischen Recht bleibt den Parteien zusätzlich die Breach-of-Confidence-Action, für die angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen nicht erforderlich sind und eine sich aus einer Vereinbarung oder den Umständen ergebende Vertraulichkeitsverpflichtung genügt. Im italienischen und deutschen Recht wird der zivilrechtliche Schutz durch Lauterkeitsrecht und Strafrecht ergänzt. Ein effektiver Geheimnisschutz erfordert sowohl faktische als auch rechtliche Geheimhaltungsmaßnahmen. Die Vertragsfreiheit der Parteien wird durch die Gesetzgeber nur in geringem Maße eingeschränkt. Am stärksten greift das deutsche AGB-Recht ein, das die Überprüfung von Geheimhaltungsvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ermöglicht und einen angemessenen Ausgleich zwischen den Parteiinteressen fordert. Das spiegelt sich in den untersuchten Einkaufsbedingungen der Automobilhersteller wider: Während die Bedingungen der italienischen und englischen Hersteller in erster Linie eigenen Geheimhaltungsinteressen sicherzustellen suchen, sehen die deutschen Bedingungen reziproke Geheimhaltungsverpflichtungen vor. Standardisierte vorvertragliche Vertraulichkeitsvereinbarungen zwischen Automobilherstellern und ihren Zulieferern standen für die vorliegende Untersuchung allerdings nicht zur Verfügung. 136 Legitim mag eine Vereinbarung sein, wonach der Zulieferer verpflichtet ist, das für das Komplettteil relevante spezifische Verfahrens-Know-how dem Hersteller zugänglich zu machen, wenn er selbst als Zulieferer ausfällt; vgl. auch Wellenhofer-Klein, BB 1999, 1121, 1122. 137 Söbbing, GWR 2010, 237, 239.

C. Entwicklungskooperationen

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C. Entwicklungskooperationen: Verwertung und Nutzung von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen Bei der gemeinsamen Entwicklung greifen Geheimnisschutz und die Übertragung von Nutzungs- und Verwertungsrechten an Immaterialgütern und Geschäftsgeheimnissen ineinander. Bereits in den Vertragsverhandlungen müssen einige geheime Informationen offengelegt werden, weshalb es eines entsprechenden Schutzes bedarf und die Parteien regelmäßig Geheimhaltungsvereinbarungen abschließen. Meist geht das mit einer unverbindlichen Absichtserklärung einher (auch Memorandum of Understanding). In der Entwicklungsvereinbarung müssen die Vertragsparteien regeln, welche Altschutzrechte (Background-IP) und Geschäftsgeheimnisse zur Verwirklichung der gemeinsamen Entwicklung genutzt werden.138 Daran müssen entsprechende Nutzungsrechte eingeräumt werden. Solche Nutzungsrechte können auch nach beendeter Entwicklung noch erforderlich sein, wenn sie Voraussetzung für die Nutzung und/oder Verwertung des Entwicklungsergebnisses sind. In Bezug auf die Entwicklungsergebnisse müssen Immaterialgüterrechte vertraglich zugeordnet und Nutzungs- und Verwertungsrechte vereinbart werden. Die Allokation dieser Rechte kann erheblichen Einfluss auf das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Zulieferer und Hersteller haben. Je weniger Nutzungs- und Verwertungsrechte der Hersteller an den Entwicklungsergebnissen erwirbt, desto mehr ist er auf die Kooperation des Zulieferers angewiesen. In der Praxis werden Entwicklungsverträge daher oftmals der Zulieferbeziehung vorgeschaltet und die Entwicklungsleistungen separat vergütet. Bei Entwicklungsleistungen ist schließlich regelungsbedürftig, wer das Entwicklungsrisiko übernehmen soll, d.h. wer das Risiko eines Scheiterns der Entwicklung tragen soll.139

I. Eigentum an und Verwertung von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen 1. Europäische Harmonisierung Im Bereich des geistigen Eigentums wurde eine Vielzahl an europäischen Richtlinien erlassen.140 Eine wirkliche Vereinheitlichung ist aufgrund des Territorialitätsprinzips bei geistigem Eigentum nur über die Schaffung unions-

138

Vgl. auch Heide, InTeR 2013, 2, 4. Vgl. BGH, Urt. v. 19.02.2002 – X ZR 166/99, NJW 2002, 1870, 1971. 140 Vgl. zum Aquis Communautaire etwa Schwarze-Holzmüller: Art. 118 AEUV (Schutz des geistigen Eigentums), Rn. 4–8. 139

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Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

weiter Rechtstitel, wie beispielsweite die Unionsmarke141 oder das europäische Einheitspatent142, möglich.143 Durch die Geschäftsgeheimnis-RL sollte der Bereich der Geschäftsgeheimnisse stärker vereinheitlich werden. Die Richtlinie regelt allerdings weder wer bei Kooperationsverhältnissen Geheimnisinhaber wird, noch nach welchen rechtlichen Regeln sich Nutzung und Verwertung richten. Hierzu ist auf die nationalen Vorschriften zurückzugreifen.144 2. Zuordnung der Rechte an Entwicklungsergebnissen in Forschungsund Entwicklungskooperationen Ein zentraler Aspekt von Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen ist die Zuordnung der Rechte an den Entwicklungsergebnissen. Da die gesetzlichen Regeln nicht immer zu eindeutigen Lösungen führen, ist eine eindeutige vertragliche Vereinbarung sinnvoll.145 Entwicklungsergebnisse in Zulieferbeziehungen sind oft dem Patentschutz zugänglich und enthalten wertvolle Geschäftsgeheimnisse, wie z.B. technische Zeichnungen und Beschreibungen der Produktionsprozesse.146 Für die Zuordnung dieser Rechte gilt der Grundsatz, dass derjenige rechtmäßiger Inhaber wird, der das Entwicklungsergebnis aufgrund eigenständiger Entdeckung oder Schöpfung erlangt.147 Das können bei gemeinsamer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit auch mehrere (natürliche oder juristische) Personen sein.148

141

Verordnung (EU) 2017/1001, ABl. EU Nr. L 154/1. Verordnung (EU) 1257/2012, ABl. EU Nr. L 361/1 und Verordnung (EU) 1260/2012, ABl. EU Nr. L 361/89; das einheitliche Patentsystem soll Ende 2020 starten, vgl. Europäisches Patentamt, , 30.07.2020. 143 Calliess/Ruffert-Wichard: AEUV, Art. 118, Rn. 11. 144 Vgl. auch Max-Plack-Institut für Innovation und Wettbewerb, GRUR-Int. 2014, 554, 555. 145 Vgl. auch Nitti, Contratto e impresa/Europa 2014, 347, 359. 146 OLG Jena, Urt. v. 08.12.2015 – 5 U 1042/12, NJOZ 2016, 175, 180 ff. 147 Das entsprach bereits vor der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie der Rechtslage, vgl. Art. 60 EPÜ, § 6 PatG in Deutschland. Winzer, Forschungs- und Entwicklungsverträge, 2011, Rn. 832; Heide, InTeR 2013, 2, 5. 148 Zur Ergebniszuordnung nach dem deutschen (Patent-)Recht Heide, InTeR 2013, 2, 6. Das italienische Recht wendet bei gemeinsamem Eigentum (contitolarita`) das sachenrechtliche Institut der Miteigentümerschaft (comunione) auch auf Immaterialgüterrechte an, Art. 6 CPI. Gem. Art. 1101 CC gilt dann die Vermutung, dass alle Miteigentümer den gleichen Anteil besitzen und die Miteigentümer dem jeweiligen Anteil entsprechend an Vorteilen und Nachteilen aus dem gemeinsamen Eigentum teilhaben. Für die Erfinderrechte gelten die besonderen Regeln des Patenrechts, insbes. Art 6 CPI. Vgl. auch Nitti, Contratto e impresa/Europa 2014, 347, 356. 142

C. Entwicklungskooperationen

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Gerade bei Geschäftsgeheimnissen kann die Zuordnung schwierig sein, wie der englische Fall Murray v Yorkshire Fund Managers Ltd.149 deutlich macht. Es gab mehrere Geheimnisinhaber, weshalb sich die Frage stellte, ob die Übertragungs- und Nutzungsrechte an den Geschäftsgeheimnissen jedem einzeln zustanden oder allen nur gemeinsam. Der Court of Appeal entschied, dass die gemeinsam erlangten Geschäftsgeheimnisse bei einem gemeinsamen Projekt denjenigen Beteiligten (gemeinsam) zustehen, die an dem Projekt beteiligt bleiben, während diejenigen, die aus der Zusammenarbeit austreten, damit auch ihre Rechte an dem gemeinsamen Geschäftsgeheimnis verlieren. Konkret ging es um eine Gruppe von sechs Personen, die gemeinsam einen vertraulichen Businessplan für den Erwerb eines Unternehmens entwickelt hatten. Nach Ansicht des Gerichts stand der Weitergabe an einen Dritten nicht entgegen, dass das ausgetretene Teammitglied nicht einverstanden war. Allerdings machte das Gericht auch deutlich, dass das anders zu bewerten gewesen wäre, wenn eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien bestanden hätte.150 3. Verwertung und Nutzung von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen Die Verwertung von geistigem Eigentum kann vor allem durch Übertragung oder durch Lizenzierung erfolgen. Die Übertragung setzt eine Verfügung über das geistige Eigentum voraus, die gewöhnlich in Erfüllung eines Kaufvertrags erfolgt und zum Übergang der Ausschließlichkeitsrechte an dem geistigen Eigentum führt. Nicht möglich ist eine Übertragung bei Urheberrechten – die Verwertungsrechte stehen im deutschen Recht gem. § 15 UrhG ausschließlich dem Urheber zu, der Dritten Nutzungsrechte einräumen kann.151 Bei der Lizenzierung werden dem Vertragspartner vertraglich Nutzungsrechte eingeräumt, ohne dass der Inhaber des geistigen Eigentums seine Rechte endgültig verliert. Diese Nutzungsrechte können ihrerseits das Recht umfassen, Dritten durch die Vergabe von Sublizenzen Nutzungsrechte einzuräumen. a) Übertragung Bei der Übertragung von Geschäftsgeheimnissen (assignment, cessione) stellt sich dogmatisch regelmäßig das Problem, dass wer einmal Kenntnis von dem Geheimnis erlangt hat, dieses nicht aufgrund vertraglicher Regelung wieder 149

Murray v Yorkshire Fund Managers Ltd. [1998] 1 W.L.R. 951 (CA). Vgl. auch die Analyse des Falls bei Aplin/Bently/Johnson, Gurry on breach of confidence, 2012, 320 ff. 151 Vgl. Dreier/Schulze-Schulze: § 31 UrhG, Rn. 3. 150

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Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

vergessen kann. Eine Übertragung muss also mit der Verpflichtung einhergehen, die Geschäftsgeheimnisse nicht mehr zu nutzen oder zu verwerten.152 Die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit von Geschäftsgeheimnissen (gesondert oder als Bündel geistiger Eigentumsrechte) ist in der Rechtspraxis länderübergreifend anerkannt.153 Die schuldrechtliche Beziehung besteht gewöhnlich in einem (Rechts-)Kaufvertrag.154 Wo Geschäftsgeheimnisse nicht als Eigentumsrechte angesehen werden – in England155 und in Deutschland156 – ist die dogmatische Einordnung des Übertragungstatbestands allerdings umstritten.157 b) Lizenzierung Durch Lizenzvertrag (licence agreement, contratto di licenza) wird das Recht zur Nutzung von Immaterialgüterrechten und/oder Geschäftsgeheimnissen eingeräumt.158 Die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses unterliegt der Privatautonomie der Vertragsparteien.

152 McGuire/Joachim/Künzel/Weber, GRUR-Int. 2010, 829, 836. Vgl. m.w.N. auch Aplin/Bently/Johnson, Gurry on breach of confidence, 2012, 340. 153 Vgl. m.w.N. Aplin/Bently/Johnson, Gurry on breach of confidence, 2012, 340. 154 Vgl. für das italienische Recht etwa Abriani, Diritto commerciale, 2011, 151. Für das deutsche Recht: BGH, Urt. v. 27.04.2006 – I ZR 126/03, GRUR 2006, 1044, 1046 Rn. 19 (Kundendatenprogramm), BGH, Urt. v. 25.02.1955 – I ZR 15/53, BGHZ 16, 172 = GRUR 1955, 388, 389 (Dücko); Ohly/Sosnitza-Ohly: Vor §§ 17–19 UWG, Rn. 5; Köhler/ Bornkamm/Feddersen-Köhler: Vor § 17 UWG, Rn. 3. 155 Vgl. die Analyse von Hull, Journal of Intellectual Property Law & Practice 4 (2009), 203, 204 f.; Cornish/Llewelyn, Intellectual property, 2003, Rn. 8–50 ff. So auch: The Law Commission of England and Wales, Breach of Confidence, 1981, 9. Es stehen dabei nicht die Eigentümerinteressen des Geheimnisinhabers im Fokus, sondern die Beziehung zwischen den Parteien und der Kontext der Vertraulichkeit, vgl. Vrey, Towards a European unfair competition law, 2006, 273. 156 So die wohl herrschende Meinung: Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler: Vor § 17 UWG, Rn. 2; Ohly, GRUR 2014, 1, 3 f.; Martinek, Moderne Vertragstypen – Band II Franchising, Know-How-Verträge, Management- und Consultingverträge, 1992, 227 f., für eine Einordnung als immaterialgüterrechtsähnliche „sonstige Schutzposition“ Ahrens/ McGuire, Modellgesetz für geistiges Eigentum, 2012, 50 f. 157 Vgl. zum englischen Recht ausführlich Aplin/Bently/Johnson, Gurry on breach of confidence, 2012, 324 ff. Im deutschen Recht v.a. die Rechtsgrundlage für die dingliche Übertragung, vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler: Vor § 17 UWG, Rn. 3 m.w.N.; für eine Übertragung nach §§ 413, 398 ff. BGB Ohly/Sosnitza-Ohly: Vor §§ 17–19 UWG, Rn. 5; für eine Übertragung nach 929 ff. BGB z.B. Götting/Nordemann-Stier/Hasselblatt: Vor §§ 17 bis 19, Rn. 9. 158 Bei Geschäftsgeheimnissen handelt es sich nicht um eine Lizenzierung im rechtstechnischen Sinne, da diese eigentlich Ausschließlichkeitsrechte voraussetzt. Dennoch ist dies die allgemein gebräuchliche Bezeichnung. Vgl. Obergfell/Hauck: Lizenzvertragsrecht, 2016, 19.

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Ein Lizenzvertrag regelt regelmäßig, wer Lizenzgeber und wer Lizenznehmer ist, welche Nutzungsrechte den Vertragsparteien an dem Vertragsgegenstand zustehen, auf welche Dauer das Vertragsverhältnis gerichtet ist und welche Gegenleistung der Lizenznehmer zu erbringen hat. Länderübergreifend haben sich die folgenden Arten von Lizenzverträgen herausgebildet. Bei einer einfachen Lizenz darf der Lizenzgeber weitere Lizenzen an dem Vertragsgegenstand an Dritte vergeben. Das ist bei einer ausschließlichen Lizenz (exclusive, exclusiva) ausgeschlossen. Bei ausschließlichen Lizenzen lässt sich weiter danach unterschieden, ob der Lizenzgeber den Vertragsgegenstand weiter nutzen darf (sole licence) oder nicht.159 Die Nutzungsrechte können dabei örtlich und/oder zeitlich beschränkt werden.160 Üblich sind schließlich auch Technical-Assistance-Agreements, bei denen der Lizenzgeber Zusatzleistungen wie beispielsweise Einweisung in die Nutzung des Know-hows, Schulung der Mitarbeiter sowie Fertigungsmittel, Maschinen, Kunden- und/oder Lieferanten-Daten zur Verfügung stellt.161 c) Besonderheiten der Übertragung und Lizenzierung von Geschäftsgeheimnissen im Rechtsvergleich Im englischen Recht unterliegt die Verwertung und Nutzung von Immaterialgüterrechten (Patente für Erfindungen, Urheberrechte (copyright), Designrechte und Markenrechte (trade marks))162 der Vertragsfreiheit der Parteien. Der Inhaber kann über die Rechte verfügen – sie übertragen, belasten oder Lizenzen an ihnen vergeben.163 Bei der Lizenzierung von Geschäftsgeheimnissen müssen hingegen die Kriterien des Geheimnisbegriffes nach Coco v A.N. Clark (Engineers) Ltd.164 erfüllt sein. Insbesondere müssen die zu lizenzierenden Informationen geheim sein.165 In Italien gilt die vertragliche Übertragung und Lizenzierung von Geschäftsgeheimnissen (contratto di know-how) als atypischer, synallagmatischer Vertrag, auf den die allgemeinen Regeln Anwendung finden, Art. 1322 II, 1323 CC. Die Ausgestaltung unterliegt der Vertragsfreiheit der Parteien.166 Teilweise werden auf den Lizenzvertrag die Regelungen des Mietvertrags 159 Im englischen Recht impliziert exclusive licence in der Regel, dass der Lizenzgeber während der Laufzeit selbst kein Nutzungsrecht ausüben darf, vgl. Aplin/Bently/Johnson, Gurry on breach of confidence, 2012, Rn. 9-19. 160 Cornish/Llewelyn, Intellectual property, 2003, Rn. 7-23. 161 Vgl. Hull, Journal of Intellectual Property Law & Practice 4 (2009), 203, 210 f. 162 Aplin/Davis, Intellectual property law, 2013, 1. 163 Vgl. etwa T. Hart/Clark/Fazzani, Intellectual property law, 2013, 46. 164 Coco v A N Clark (Engineers) Ltd. [1968] F.S.R. 415 (Ch.); vgl. vorstehend Kap. 4 B. I. 3. 165 Hull, Journal of Intellectual Property Law & Practice 4 (2009), 203, 209. 166 Corte Cass. Civ., Sez. I, 20.01.1992, Nr. 659.

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Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

(contratto di locazione) analog angewendet.167 Vereinzelt wird die Geheimnisqualität nicht als Voraussetzung vor die Lizenzierbarkeit angesehen, sondern es für ausreichend gehalten, dass das zu lizenzierende Know-how dem Lizenznehmer zuvor nicht bekannt war.168 Auch im deutschen Recht wird der Lizenzvertrag überwiegend als gegenseitiger Vertrag sui generis angesehen.169 Charakteristische Leistung des Lizenzgebers ist die Gestattung der Nutzung, durch die dem Lizenznehmer jedenfalls ein schuldrechtliches oder auch ein dingliches Nutzungsrecht eingeräumt wird.170 Der Lizenzvertrag verpflichtet den Geheimnisinhaber zur Einräumung der Lizenz.171 Im Unterschied zum Patentvertrag172 beinhaltet der Know-how-Lizenzvertrag eine Offenlegungskomponente: Das vertragsgegenständliche Know-how muss dem Vertragspartner zugänglich gemacht, also offengelegt werden. In der Entscheidung „Möbelwachspaste“ hat der BGH ausdrücklich die Lizenzierungsfähigkeit eines bestimmten Produktionsverfahrens anerkannt, insbesondere kann auch „ein Betriebsgeheimnis, das in einem an sich bekannten Herstellungsverfahren besteht, […] zum Gegenstand eines Lizenzvertrags gemacht werden“.173 Teilweise wird wie im italienischen Recht auch die Lizenzierung bereits offenbarten Know-hows für möglich gehalten, wobei der Schwerpunkt dann nicht mehr auf der Geheimhaltung und der Exklusivität der nutzbar gemachten Information liegt, sondern auf der komfortablen und effizienten Nutzbarkeit.174 Der Know-howLizenzvertrag enthält nach deutschem Recht eine konkludente Geheimhaltungsverpflichtung, die sich aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben ergibt, § 242 BGB.175 167

Abriani, Diritto commerciale, 2011, 151. Zum Meinungsstand im Überblick Cendon: Vol VII – Compravendita e figure collegate, 2007, 43 ff. 169 Für eine Ausgestaltung als eigener, übergreifender Vertragstyp für geistiges Eigentum: Ahrens/McGuire, Modellgesetz für geistiges Eigentum, 2012, 260 ff. Die Rechtsnatur und dogmatische Einordnung des Lizenzvertrags war in den letzten Jahren Gegenstand einiger wissenschaftlicher Untersuchungen, vgl. etwa McGuire, Die Lizenz, 2012; Pahlow, Lizenz und Lizenzvertrag im Recht des Geistigen Eigentums, 2006; Carduck, Die Rechtsstellung des Unterlizenznehmers nach dem Fortfall der Hauptlizenz, 2015; Haberer, Die Lizenzkette, 2015. Zur Zuordnung zu einzelnen Vertragstypen ausführlicher Bartenbach, Patentlizenz- und Know-how-Vertrag, 2013, Rn. 2655 ff. 170 Vgl. Ohly/Sosnitza-Ohly: Vor §§ 17–19 UWG, Rn. 5; BeckOKPatR-Loth/Hauck: § 15 PatG, Rn. 40. 171 BeckOKPatR-Loth/Hauck: § 15 PatG, Rn. 39. 172 Beim Patentvertrag ist die Offenlegung schon durch die Anmeldung zum Patent erfolgt. 173 BGH, Urt. v. 15.03.1955 – I ZR 111/53, GRUR 1955, 424, 426; in Fortführung der Rechtsprechung des Reichsgerichts, RG, Urt. v. 11.07.1939 – I 4/39, RGZ 163, 1. 174 Kraßer, GRUR 1977, 177, 183; Ohly/Sosnitza-Ohly: Vor §§ 17–19 UWG, Rn. 5. 175 OLG Jena, Urt. v. 08.12.2015 – 5 U 1042/12, NJOZ 2016, 175; Bartenbach, Patent168

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II. Europarechtliche Grenzen der rechtsgeschäftlichen Verwertung Das Wettbewerbsrecht bildet einen zwingenden Rahmen für die vertragliche Vereinbarung von Nutzungs- und Verwertungsrechten.176 Im europäischen Wettbewerbsrecht wird zwischen Forschungs- und Entwicklungskooperationen und Lizenz- bzw. Technologietransfervereinbarungen unterschieden. Sowohl Forschungs- und Entwicklungskooperationen als auch Lizenzbzw. Technologietransfervereinbarungen können wettbewerbsfördernde Wirkung haben und volkswirtschaftlich sinnvoll sein (neue Markterschließungspotentiale, neue Entwicklungsmöglichkeiten, Innovationsförderung); das kann auch dem Verbraucher in Form neuer oder verbesserter Produkte zugutekommen.177 Forschungs- und Entwicklungskooperationen in Zulieferbeziehungen können das Produkt des Endherstellers wettbewerbsfähiger machen und so den Wettbewerb auf dem Absatzmarkt fördern.178 Werden Entwicklungsvereinbarungen mit Beschränkungen für die Nutzung und Verwertung der Entwicklungsergebnisse oder auch Non-CompeteKlauseln179 verbunden oder reduziert sich durch die Kooperation die Anzahl der im Wettbewerb stehenden Produkte, können sie aber auch wettbewerbsbeschränkend wirken.180 Die Europäische Kommission hat daher spezielle Freistellungsverordnungen für diese Konstellationen erlassen. 1. Allgemeine Voraussetzungen, Art. 101 AEUV Lizenzvereinbarungen sind kartellrechtlich relevant, weil sie dem Lizenznehmer ein ausschließliches Nutzungsrecht einräumen können. Für die Anwendbarkeit von Art. 101 I AEUV ist sowohl der technologieinterne als auch der Wettbewerb zwischen mehreren Technologien von Bedeutung.181 Art. 101 AEUV setzt voraus, dass die Vereinbarungen zwischen den Unternehmen eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs im Binnenmarkt

lizenz- und Know-how-Vertrag, 2013, Rn. 2830; BeckOKPatR-Loth/Hauck: § 15 PatG, Rn. 68. 176 Auch bei rein innerstaatlichen Wettbewerbsbeschränkungen orientiert sich das Wettbewerbsrecht in den untersuchten Rechtsordnungen an Art. 101, 102 AEUV und den Freistellungsverordnungen. 177 Vgl. Obergfell/Hauck: Lizenzvertragsrecht, 2016, 234 f.; Erwägungsgrund 10 Verordnung (EU) Nr. 1217/2010 der Kommission vom 14. Dezember 2010, ABl. EU Nr. L 335/36 (F&E-GVO). 178 Vgl. Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 574. 179 Vereinbarungen, in diesem Bereich nicht miteinander in Wettbewerb zu treten. 180 Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 572; Liebscher/Flohr/Petsche-Traugott: § 10 Forschung und Entwicklung, Rn. 4. 181 Leitlinien zur Anwendung von Art. 101 AEUV auf Technologietransfer-Vereinbarungen (2014 C 89/03) ABl. C 89 vom 28.3.2014, Rn. 12 (TT-Leitlinien 2014).

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Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

bezwecken oder bewirken.182 Oftmals scheitert die kartellrechtliche Überprüfung bereits am Merkmal der spürbaren Wettbewerbsbeschränkung.183 2. Zulieferbekanntmachung der Kommission (1978) Nach der Bekanntmachung der Europäischen Kommission von 1978 (Zulieferbekanntmachung)184 werden bestimmte Beschränkungen in Patent- und Know-how-Lizenzverträgen in Auftragsfertiger-Zulieferbeziehungen nicht von dem Verbot des Artikels 101 I AEUV erfasst.185 Die Zulieferbekanntmachung betrifft Zulieferbeziehungen, in denen der Hersteller den Zulieferer beauftragt, nach seinen Weisungen Erzeugnisse herzustellen, Dienstleistungen zu erbringen oder Arbeiten zu verrichten, die für den Hersteller bestimmt sind oder für seine Rechnung ausgeführt werden. Lizenziert der Hersteller dem Zulieferer in einem solchen Vertragsverhältnis Patente oder Know-how (auch Background-Lizenz), sind Zweckbindungen auf die Erfüllung des Zuliefervertrags sowie der Ausschluss der Nutzung für andere Zwecke oder der Unterlizenzierung an Dritte und Alleinbelieferungsverpflichtungen zulässig, wenn die Lizenzierung der gewerblichen Schutzrechte und des Know-hows für die Erfüllung des Zuliefervertrags notwendig ist.186 Der Abnehmer darf die Nutzung und Verwertung der übertragenen IPRechte durch den Zulieferer beschränken, um den Schutz dieser Rechte sicherzustellen.187 Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass der Zulieferer ohne den Technologietransfer nicht als selbstständiger Anbieter dieses Produkts hätte auftreten können.188 Einschränkungen der Immaterialgüterrechte des Zulieferers durch den Hersteller sind aber nur dann wettbewerbsrechtlich zulässig, wenn der Zulieferer auf die gewerblichen Schutzrechte und das Know-how des Herstellers für die Produktion des Zulieferteils angewiesen ist.189 Über die künftigen, selbstständig verwertbaren Ergebnisse seiner eigenen Entwicklungsarbeiten muss der Zulieferer frei verfügen können.

182

Calliess/Ruffert-Weiß: Art. 101 AEUV, Rn. 131. So auch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 566; vgl. bereits Kap. 1 C. 2. 184 Europäische Kommission, Bekanntmachung vom 18. Dezember 1978 über die Beurteilung von Zulieferverträgen nach Art. 85 EWG-Vertrag, ABl. EG 1979 Nr. C 1/2 (Zulieferbekanntmachung 1978). 185 Die Bekanntmachung ist weiterhin anwendbar, vgl. nur Europäische Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. EU 2010 Nr. C 130, S. 1, Rn. 22. 186 Vgl. auch Immenga/Kessel/Schwedler, BB 2008, 902, 903; Calliess/Ruffert-Weiß: Art. 101 AEUV, Rn. 174; Whish/Bailey, Competition law, 2018, 692. 187 Obergfell/Hauck: Lizenzvertragsrecht, 2016, 282. 188 Vgl. Calliess/Ruffert-Weiß: Art. 101 AEUV, Rn. 174. 189 Zulieferbekanntmachung 1978, S. 2 ff. 183

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Zulässig sind hingegen Klauseln, die den Zulieferer dazu verpflichten, technische Verbesserungen, die er während der Laufzeit des Vertrages entwickelt hat, auf nichtausschließlicher Basis an den Hersteller weiterzugeben. Lässt sich die Entwicklung des Zulieferers nicht ohne die BackgroundRechte des Herstellers nutzen oder verwerten, ist auch ein ausschließliches Nutzungsrecht des Herstellers zulässig.190 3. Gruppenfreistellungsverordnungen Die Kommission steckt in den Horizontalleitlinien die Regeln für Forschungs- und Entwicklungskooperationen in horizontalen Zuliefervereinbarungen ab, das heißt zwischen Unternehmen derselben Marktstufe.191 Für vertikale Zuliefervereinbarungen verweisen die Horizontalleitlinien auf die Vertikalleitlinien und auf die Gruppenfreistellungsvereinbarung für vertikale Beschränkungen (sowie die Zulieferbekanntmachung von 1978).192 In Betracht kommt auch eine Freistellung nach der Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-Vereinbarungen.193 a) Technologietransfer-Vereinbarungen Die Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-Vereinbarungen (TT-GVO)194 konkretisiert die Anwendung von Art. 101 III AEUV für Technologie-Transfer-Vereinbarungen und ist in ihrem Anwendungsbereich lex specialis. Erfasst sind Lizenzvereinbarungen,195 die „mit dem Ziel der Produktion von Vertragsprodukten“ geschlossen werden, Art. 1 I lit. c TT-GVO. Die Lizenz muss also für den Produktionsprozess oder die Nutzung des Vertragsprodukts erforderlich sein.

190 Zulieferbekanntmachung 1978, S. 2 ff.; vgl. auch Whish/Bailey, Competition law, 2018, 692. 191 Europäische Kommission, Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl. EU 2011 Nr. C 11 S. 1, 35. Horizontale Vereinbarungen können nach der GVO 1217/2010 (FuE-GVO) freigestellt werden. Vgl. auch Langen/Bunte-Braun: Nach Art. 101 AEUV, Rn. 149 ff. 192 Europäische Kommission, Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl. EU 2011 Nr. C 11 S. 1, Rn. 154. 193 Die Kfz-GVO wird hier nicht besprochen, da sie an den Ersatzteilemarkt gerichtet ist. 194 Verordnung (EU) Nr. 316/2014 der Kommission vom 21. März 2014 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen, ABl. (EU) Nr. L 93/17. 195 Die Übertragung von Technologierechten ist nur ausnahmsweise erfasst, vgl. Langen/Bunte-Jestaedt: Nach Art. 101 AEUV, Rn. 1305.

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Zu den Technologierechten zählen neben Know-how auch Patente, Topografien von Halbleiterprodukten und Software-Urheberrechte. Knowhow bezeichnet „eine Gesamtheit praktischer Kenntnisse, die durch Erfahrungen und Versuche gewonnen werden und die geheim […], wesentlich […] und identifiziert sind“. Das Kriterium „wesentlich“ stellt klar, dass Knowhow im Sinne der TT-GVO akzessorisch zu dem Vertragsprodukt sein muss. Es ist beispielsweise dann nicht wesentlich, wenn das Vertragsprodukt auch durch frei zugängliche Technologie hergestellt werden kann. Die TT-GVO gilt zudem für Unterlizenzvereinbarungen, die gerade in Zuliefernetzwerken regelmäßig anzutreffen sind.196 Da Zulieferer und Hersteller in Zulieferbeziehungen gewöhnlich keine Wettbewerber sind,197 beurteilen sich die Kernbeschränkungen nach Art. 2 II TT-GVO. Nicht freigestellt sind danach insbesondere Beschränkungen der Preisbildungsmöglichkeiten auf dem Absatzmarkt und territoriale Beschränkungen für den Absatz durch den Lizenznehmer. Ist der Zulieferer der Lizenznehmer, kann die Ausnahme in Art. 2 II lit. b iii) TT-GVO zur Anwendung kommen und die Verpflichtung zulässig sein, die Vertragsprodukte nur für einen bestimmten Kunden zu produzieren, um diesem eine alternative Bezugsquelle zu verschaffen. Vertraulichkeitsvereinbarungen, das Verbot der Vergabe von Unterlizenzen, nachvertragliche Nutzungsverbote und Mindestgebühren oder Mindestproduktionsmengen sind in der Regel zulässig.198 Der Lizenznehmer darf hingegen regelmäßig nicht in der Verwertung oder Weiterentwicklung seiner eigenen Technologien eingeschränkt werden. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn Lizenzgebühren auch auf Produkte erhoben werden, die der Lizenznehmer mit seinen eigenen Technologien produziert.199 b) Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen Die Gruppenfreistellungsvereinbarung für Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen (F&E-GVO)200 findet auf vertikale Kooperationen grundsätzlich keine Anwendung. Sie nimmt auf die Horizontal-Leitlinien der Europäischen Kommission Bezug und ist in ihrer Systematik auf die speziellen Probleme bei horizontalen Kooperationen ausgerichtet.201 196

TT-Leitlinien 2014, Rn. 45, 60. Weder auf dem Technologiemarkt noch auf dem nachgelagerten Produktmarkt. 198 TT-Leitlinien 2014, Rn. 183. 199 TT-Leitlinien 2014, Rn. 142. 200 Verordnung (EU) Nr. 1217/2010 der Kommission vom 14. Dezember 2010, ABl. EU Nr. L 335/36 (F&E-GVO). 201 So auch Rosenberger, GRUR-Int. 2012, 721, 723; a.A. MAH Gewerblicher Rechtsschutz-Smielick: § 49 Forschungs- und Entwicklungsverträge, Rn. 143; Liebscher/Flohr/ Petsche-Traugott: § 10 Forschung und Entwicklung, Rn. 8. 197

C. Entwicklungskooperationen

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c) Vertikale Gruppenfreistellungsverordnung Die Vertikal-GVO202 kann auf vertikale Vereinbarungen Anwendung finden, die die Übertragung von geistigen Eigentum an den Hersteller oder dessen Nutzung durch den Hersteller betreffen, gilt aber gegenüber den spezielleren Freistellungsverordnungen subsidiär.203 Voraussetzung für eine Freistellung ist dann insbesondere, dass die Übertragung oder Nutzung von geistigem Eigentum Gegenstand einer Nebenvereinbarung zum Liefervertrag ist und unmittelbar die Nutzung, den Verkauf oder den Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen durch den Hersteller betrifft.204

III. Weitere Grenzen der Verwertung und Nutzung im nationalen Recht Das englische Recht enthält abgesehen von den allgemeinen Regeln keine zusätzlichen Grenzen für vertragliche Nutzungs- und Verwertungsvereinbarungen. Der Inhalt von vertraglichen Lizenzvereinbarungen bleibt in der Privatautonomie der Parteien. Grenzen zeigen allein dieVertragsauslegung (construction) und das Wettbewerbsrecht auf.205 Die italienische und die deutsche Rechtsordnung greifen stärker in die Privatautonomie der Vertragsparteien ein. 1. Grenzen nach italienischem Recht Im Anwendungsbereich der Legge Subfornitura sind gemäß Art. 6 Nr. 3206 Vereinbarungen nichtig, bei denen der Zulieferer zugunsten des Abnehmers und ohne angemessene Gegenleistung auf ihm zustehende Immaterialgüterund Urheberrechte verzichtet.207 Die Festlegung der angemessenen Gegenleistung ist Sache der Parteien, wobei umstritten ist, ob die Gegenleistung im Gesamtpreis enthalten sein kann.208 Die italienische Rechtsprechung greift in das von den Parteien bestimmte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nur sehr zurückhaltend ein. Die Schutzwirkung des Art. 6 Nr. 3 Legge Sub-

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Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 (VertikalGVO). 203 Europäische Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. EU 2010 Nr. C 130, S. 1, Rn. 31. 204 Europäische Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. EU 2010 Nr. C 130, S. 1, Rn. 32 ff. 205 Cornish/Llewelyn, Intellectual property, 2003, Rn. 7-19. 206 ` nullo il patto con cui il subfornitore disponga, a Art. 6 Nr. 3 Legge Subfornitura: „E favore del committente e senza congruo corrispettivo, di diritti di privativa industriale o intellettuale“. 207 Nitti, Contratto e impresa / Europa 2014, 347, 364 f. 208 Vgl. Cendon: Vol VII – Compravendita e figure collegate, 2007, 152 m.w.N.

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fornitura wird daher im italienischen Schrifttum als weniger ausgeprägt eingeschätzt.209 In Betracht kommt auch eine Inhaltskontrolle nach der Missbrauchsklausel des Art. 9 Legge Subfornitura, wenn nämlich ein Vertragspartner den anderen unter Ausnutzung seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit zur Annahme für ihn ungünstiger Konditionen bestimmt.210 Das würde die Nichtigkeit der entsprechenden Klausel zur Folge haben.211 Bisher wurde das Regelbeispiel des Konditionenmissbrauchs (imposizione di condizioni contrattuali ingiustificatamente gravose o discriminatori) allerdings vor allem mit Preisdifferenzierungen und Meistbegünstigungsklauseln in Verbindung gebracht.212 Das Eigentum an dem Entwicklungsprojekt regelt Art. 7 Legge Subfornitura.213 Danach behält der Besteller das geistige Eigentum an den dem Zulieferer übermittelten Plänen und technischen Vorgaben, wobei der Zulieferer zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. Die Regelung wird weit ausgelegt und auf Immaterialgüterrechte im Allgemeinen angewandt.214 2. Grenzen nach deutschem Recht In Deutschland finden auch standardvertragliche Regelungen in Entwicklungsvereinbarungen ihre Grenze im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Zweifelhaft ist die Wirksamkeit von Klauseln, die dem AGBNutzer sämtliche Rechte an einer gemeinsamen Entwicklungsleistung zuweisen, ohne für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen.215 Das ähnelt der Regelung in Art. 6 Nr. 3 der italienischen Legge Subfornitura. Gleiches muss auch für eine standardvertragliche Verpflichtung zur Offenlegung und Lizenzierung von Geschäftsgeheimnissen gelten.216 Für die AGB-rechtliche Zulässigkeit spielt eine Rolle, inwieweit Gegenseitigkeit gewahrt wird und der Zulieferer einen Ausgleich dafür erhält, dass er dem Abnehmer technologisches Wissen zur Verfügung stellt.217 209

So Putti, Art. 6/7 (Nullita` di clausole e proprieta`), in: Alpa/Clarizia (Hrsg.), 1999,

203. 210

Vgl. Kap. 1 C. III. 1. c). Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, 79. 212 Cendon: Vol VII – Compravendita e figure collegate, 2007, 160. 213 Art. 7 Legge Subfornitura: „Il committente conserva la proprieta` industriale in ordine ai progetti e alle prescrizioni di carattere tecnico da lui comunicati al fornitore e sopporta i rischi ad essi relativi. Il fornitore e` tenuto alla riservatezza e risponde della corretta esecuzione di quanto richiesto, sopportando i relativi rischi.“ 214 Putti, Art. 6/7 (Nullita` di clausole e proprieta`), in: Alpa/Clarizia (Hrsg.), 1999, 214. 215 Immenga/Kessel/Schwedler, BB 2008, 902, 908. 216 Winzer, Forschungs- und Entwicklungsverträge, 2011, Rn. 847 f. 217 Vgl. auch Kuhnle, Grenzüberschreitende Just-in-time-Zulieferverbindungen, 2002, 92 f. 211

C. Entwicklungskooperationen

273

Die europäischen Gruppenfreistellungsverordnungen entfalten über § 2 GWB auch Indizwirkung für die AGB-rechtliche Zulässigkeit. Für freigestellte Vereinbarungen ist die Schwelle für die AGB-rechtliche Unzulässigkeit höher, erforderlich ist eine erhebliche Abweichung von der gesetzgeberischen Risikozuordnung.218 Denkbar ist auch im Bereich des Know-how-Schutzes, dass einzelne Regelungen einen Missbrauch von Nachfragemacht i.S.d. § 20 GWB begründen können. Teilweise wird das für die Verpflichtung zur Offenlegung von Produktions-Know-how gegenüber einem weiteren Lieferanten befürwortet, der als Second-Source eingesetzt werden soll.219

IV. Allgemeine Einkaufsbedingungen der Automobilindustrie In den Einkaufsbedingungen ist es üblich, die Rechte an geistigem Eigentum, Geschäftsgeheimnissen und Know-how gesammelt zu übertragen bzw. Nutzungsrechte einzuräumen. 1. Rechte am geistigen Eigentum und den Geschäftsgeheimnissen des Herstellers Sowohl in den Bedingungen der Ford-Gruppe220 als auch in denen von Lamborghini221 wird die Nutzung von geistigem Eigentum und von Geschäftsgeheimnissen des Herstellers nur mit der Zweckbestimmung der Erfüllung des Zuliefervertrags eingeräumt.222 In der Konditionenempfehlung des VDA223 wird klargestellt, dass der Zulieferer zur Verfügung gestellte Ferti218 Vgl. NK-BGB-Kollmann: § 307, Rn. 108; BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11= ZIP 2005, 1785, 1788; BGH, Urt. v. 08.05.2007 – KZR 14/04, NJW 2007, 3568 (Kfz-Vertragshändler III). 219 Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1999, 570. 220 Ford Motor Company: Production Purchasing Global Terms and Conditions (Stand Januar 2004), , 30.07.2020 (Ford Global Terms 2004). 221 Automobili Lamborghini S.p.a.: General Terms and Conditions for Purchase of Goods and Services (Stand Januar 2017), , 30.07.2020. 222 Ford Global Terms 2004, Sec. 15.01; Lamborghini-Einkaufsbedingungen 2017, Art. 16.1. 223 Verband der Automobilindustrie: Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Bezug von Produktionsmaterial und Ersatzteilen, die für das Automobil bestimmt sind (Stand September 2015), , 30.07.2020 (VDA-Konditionenempfehlung 2015).

274

Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

gungsmittel und Geschäftsgeheimnisse nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Herstellers für Lieferungen an Dritte verwenden darf.224 Dem folgen die Bedingungen von Volkswagen, Audi, Daimler, BMW und Porsche. Die anderen untersuchten Bedingungswerke enthalten keine vergleichbaren Regelungen. 2. Gemeinsame Entwicklung, Rechte des Zulieferers und Entwicklungsergebnisse Auf in Kooperation neu hergestellte Produkte und gemeinsame Entwicklungsleistungen gehen nur die Bedingungen nach italienischem und englischem Recht ein. Ausdrückliche Klauseln zur Übertragung von Immaterialgüterrechten und Geschäftsgeheimnissen des Zulieferers enthalten die Bedingungen von Bentley, der Ford-Gruppe und von Fiat. Nach den Bedingungen von Bentley225 ist der Zulieferer zur Übertragung aller (dort definierten) Immaterialgüterrechte an den Zulieferteilen verpflichtet, Klausel 9.2. Der Zulieferer garantiert die Freiheit von Rechten Dritter und muss von potentiellen Copyright-Inhabern entsprechende Verzichtserklärungen (waiver of moral rights) einholen (Klausel 9.3). Nach den Bedingungen der Ford-Gruppe räumt der Zulieferer dem Hersteller einfache (nonexclusive), weltweite Lizenzen zur Produktion, zur Nutzung (selbst und durch Dritte), zum Verkauf und zum Import von Erzeugnissen, zusammengesetzten Teilen, Maschinen und Prozessen, an seinem geistigen Eigentum ein. Sofern der Zuliefervertrag auch Entwicklungsleistungen umfasst, ist der Zulieferer verpflichtet, dem Hersteller eine Lizenz mit Recht zur Unterlizenzierung an den Entwicklungsleistungen einzuräumen sowie – zu wirtschaftlich angemessenen Konditionen – eine BackgroundLizenz an Erfindungen, die in dem Zulieferprodukt enthalten sind, Sec. 19.03. Schließlich ist der Zulieferer verpflichtet, dem Hersteller das Recht zu Umbau und Wiederherstellung (rebuild) (auch durch Dritte) der Zulieferteile einzuräumen, nicht jedoch zur Neuherstellung (newly manufacture), Sec. 19.05. Die Lizenzen werden regelmäßig als „fully-paid“ vergeben, d.h. Lizenzgebühren während der Nutzungsdauer sind nicht vorgesehen. Die Einkaufsbedingungen von Lamborghini enthalten für während und zum Zwecke der Zulieferbeziehung von dem Zulieferer entwickelte Modelle,

224

VDA-Konditionenempfehlung 2015, Abschnitt XIII. Bentley Motors Limited: Terms and Conditions for the Purchase of Production Material and other Goods (Stand September 2018), , 30.07.2020 (Bentley-Einkaufsbedingungen 2018). 225

C. Entwicklungskooperationen

275

Zeichnungen bzw. erworbenes Know-how die Vermutung, dass daran Lamborghini das Eigentum erwirbt und die Vergütung Teil der Gesamtvergütung ist, Art. 16.3. Gemäß Art. 19.5 der Einkaufsbedingungen erwirbt Lamborghini unwiderrufliche und zeitlich wie geografisch unbeschränkte Lizenzen mit Berechtigung zur Sublizenzierung an technologischen Innovationen des Zulieferers im Rahmen und zum Zweck der Erfüllung des Zuliefervertrags, die als durch die Gesamtvergütung abgegolten gelten. Eine spezielle Regelung enthält Art. 44 der Bedingungen von Fiat für den Fall des „Codesign“226. In diesem Fall sollen alle geschaffenen IP-Rechte im gemeinsamen und gleichberechtigten Eigentum der Parteien stehen, solange sie keine abweichende Vereinbarung getroffen haben. Das Recht zur Nutzung und Kommerzialisierung soll beiden Parteien einzeln zustehen. Abweichende Regelungen zugunsten des Herstellers sollen allerdings in den einzelnen Lieferabrufen getroffen werden können, sofern die betroffenen Produkte spezifisch auf Fiat-Fahrzeuge zugeschnitten sind. Ferner hat der Zulieferer nach Art. 45 der Fiat-Einkaufsbedingungen sein Bestes bei der Forschung und Entwicklung zu leisten, das Produkt betreffende Verbesserungen und Entwicklungsergebnisse zeitnah mitzuteilen und Fiat an Erfindungen eine nicht-ausschließliche Lizenz zu erteilen. Die Konditionenempfehlung des VDA und auch die anderen Bedingungswerke nach deutschem Recht sehen durchweg keine Bestimmungen für die gemeinsame Entwicklung und Nutzung gemeinsamer Entwicklungsergebnisse vor. Eine Ausnahme bilden die Einkaufsbedingungen der BMWGruppe, die in Klausel 13.1 Regelungen zum Erwerb des Eigentums an Fertigungsmitteln sowie an Schutzrechten enthalten, die mit Bezug auf Fertigungsmittel entstehen. An bei der Entwicklung entstehenden Schutzrechten erhält BMW ein zeitlich und örtlich unbegrenztes, kostenloses, vollständig abgegoltenes und nicht ausschließliches Nutzungsrecht „für den eigenen Bedarf“. Gleiches gilt für Altschutzrechte und Know-how, wenn das Nutzungsrecht für die Verwendung des Fertigungsmittels erforderlich ist, Klausel 13.1 I.

V. Resümee Der rechtliche Rahmen von Entwicklungskooperationen in der Automobilzulieferbeziehung enthält in allen drei untersuchten Rechtsordnungen wenige Vorgaben. Die Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen unterliegt grundsätzlich der Vertragsfreiheit der Parteien.

226 Codesign wird in den Bedingungen von Fiat definiert als gemeinsam durchgeführte Forschungs-, Planungs-, Erprobungs- oder Entwicklungsaktivitäten zum Zweck der Herstellung der Vertragsprodukte.

276

Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Eine Voraussetzung für die Lizenzierung von Geschäftsgeheimnissen ist in der Regel aber, dass diese geheim sind. Die zu übertragenden oder zu lizenzierenden Geschäftsgeheimnisse und sonstigen Immaterialgüterrechte müssen außerdem hinreichend genau bestimmt sein. Eine gemeinsame Grenze findet die Vertragsfreiheit im europäischen und nationalen Wettbewerbsrecht. Die Unzulässigkeit einer Vereinbarung nach Art. 101 AEUV setzt voraus, dass der Wettbewerb spürbar beeinträchtigt ist. Das kann der Fall sein, wenn eine Vertragspartei Entwicklungsergebnisse nicht in Geschäftsbeziehungen mit Wettbewerbern des Vertragspartners einsetzen kann. Auch in diesen Fällen greifen aber oftmals Freistellungstatbestände. Insgesamt werden Forschungs- und Entwicklungskooperationen in Zulieferbeziehungen durch das Wettbewerbsrecht nur in geringem Maße eingeschränkt. So kann die Vereinbarung exklusiver Nutzungsrechte an Background-IP zulässig sein. Allerdings sind regelmäßig Vereinbarungen nicht freigestellt, durch die der Lizenznehmer in der Verwertung oder Weiterentwicklung seiner eigenen Technologien eingeschränkt wird. Speziell für die Kooperation mit Auftragsfertigern gestattet die Zulieferbekanntmachung, dass der Hersteller von ihm eingebrachte Immaterialgüterrechte und Geschäftsgeheimnisse durch Zweckbestimmungen und Nutzungsbeschränkungen schützt. Im Gegenzug muss der Zulieferer über künftige, selbstständig verwertbare Forschungsergebnisse frei verfügen können. In diese Richtung gehen auch die Regeln der Legge Subfornitura für die Zulieferbeziehung mit Auftragsfertigern: Einerseits wird das eingebrachte Eigentum des Herstellers geschützt und der Zulieferer bereits gesetzlich zur Vertraulichkeit verpflichtet. Andererseits ist der Verzicht des Zulieferers auf eigene Immaterialgüterrechte nur gegen angemessenen Ausgleich zulässig. Einen angemessenen Ausgleich fordert auch das deutsche AGB-Recht, wenn von dem Erfinderprinzip erheblich abgewichen wird. In den untersuchten Einkaufsbedingungen der Automobilhersteller werden die Nutzungs- und Verwertungsrechte an Entwicklungsleistungen nicht umfassend geregelt. In den meisten Bedingungen wird aber die Ausnahme der Zulieferbekanntmachung für Beschränkungen zum Schutz von Background-IP genutzt und ausdrücklich festgelegt, dass die Nutzung von Fertigungsmitteln und Geschäftsgeheimnissen dem Zulieferer nur zum Zwecke der Erfüllung des Zuliefervertrags gestattet ist. Teilweise finden sich ergänzende Bedingungen für Entwicklungsleistungen, die Einzelheiten zur Zuordnung der Entwicklungsergebnisse regeln. Insgesamt bestätigt dieses Bild die Annahme, dass auf Ebene der Entwicklungskooperationen der Zulieferertyp eine größere Rolle spielt als in der Phase der Serienproduktion. Je nachdem, welche Entwicklungsergebnisse angestrebt werden und welche Bedeutung das Background-IP für den Zulieferer hat, verändert sich dessen Verhandlungsposition. Sind bestimmte Entwicklungsleistungen und -ergebnisse beispielsweise Ausfluss der Kernkom-

D. Besonderheiten bei vorzeitiger Vertragsbeendigung

277

petenz eines Zulieferers, so wird er dieses Wissen nicht uneingeschränkt an den Hersteller übertragen wollen (und können). Ist dem Hersteller an einer langfristigen Kooperation unter Nutzung der (gemeinsamen) Innovationspotentiale gelegen, muss er die Kernkompetenz des Zulieferer respektieren.

D. Besonderheiten bei vorzeitiger Vertragsbeendigung I. Nachvertragliche Nutzungsrechte und Nachlaufzeiten Eine Schwierigkeit bei der vorzeitigen Beendigung besteht darin, dass die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen nicht rückgängig gemacht werden kann. Das muss bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden – etwa durch ausdrückliche Untersagung der weiteren Nutzung überlassener Informationen nach Vertragsbeendigung oder auch durch Vereinbarung einer entsprechenden Gegenleistung.227 Das gilt umso mehr für die vorzeitige Vertragsbeendigung, sofern zu Beginn der Geschäftsbeziehung unter dem Verhandlungsungleichgewicht übertragenes Know-how nicht sogar zu einer Verlängerung der angemessenen Kündigungs- bzw. Umstellungsfrist führt. 1. Nachvertragliche Nutzungsrechte Nach Beendigung eines Lizenzvertrags über Patente und Geschäftsgeheimnisse endet nach deutschem Recht auch die Nutzungserlaubnis für das nicht offenkundig gewordene lizenzierte Wissen. In einer Entscheidung des OLG Jena228 stellte sich die Frage, ob der Hersteller nach Beendigung der Zulieferbeziehung berechtigt war, die von dem Zulieferer zur Verfügung gestellten technischen Zeichnungen und Produktionsunterlagen an Dritte (insbes. Wettbewerber) weiterzugeben. Da diese Dokumente einer vertraglichen Geheimhaltungsverpflichtung unterlagen und keine weiteren vertraglichen Vereinbarungen getroffen worden waren, verneinte das Gericht diese Frage und gab dem Zulieferer Recht.229 Zwar ist das geheime Wissen gegenüber dem vormaligen Lizenznehmer bereits offenbart, er darf es ohne vertragliche Vereinbarung oder Verlängerung des Lizenzvertrags aber nicht weiter nutzen:

227

Vgl. auch MAH Gewerblicher Rechtsschutz-Musiol: § 25 Wettbewerbs- und zivilrechtlicher Know-how-Schutz, Rn. 36. 228 OLG Jena, Urt. v. 08.12.2015 – 5 U 1042/12, NJOZ 2016, 175; der Sachverhalt war zwar nach CISG zu beurteilen, allerdings beruft sich das Gericht bei der Auslegung der Vertragspflichten auf Grundsätze des deutschen Rechts, insbes. bei der Definition des Geschäftsgeheimnisses. 229 OLG Jena, Urt. v. 08.12.2015 – 5 U 1042/12, NJOZ 2016, 175, 180 ff.

278

Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Sonst könnte der Lizenzvertrag durch vorsätzlich herbeigeführte außerordentliche Kündigung umgangen werden.230 Die Frage, ob Nutzungsrechte aus einer Know-how- oder TechnicalAssistance-Lizenz auch nach Ablauf der Lizenz fortbestehen, ist im englischen Recht eine Frage der Auslegung (construction) des jeweiligen Lizenzvertrags.231 In Torrington Manufacturing Ltd. v Smith232 wandte das Gericht den limited purpose test an und entschied, dass der Zweck, zu dem das Geschäftsgeheimnis offenbart worden war, nicht die nachvertragliche Verwendung einschloss. So gilt für zeitlich beschränkte Lizenzverträge grundsätzlich ebenfalls, dass auch die Nutzungsrechte mit Ablauf der Lizenz enden.233 Ein Indiz hierfür ist beispielsweise eine Klausel, wonach die Dokumente und Materialien, die ein Geschäftsgeheimnis verkörpern, nach Ablauf der Lizenz an den Inhaber herauszugeben sind.234 In Regina Glass Fibre Ltd. v Schuller235 nahm der Court of Appeal einen implied term an, der auch eine nachvertragliche Nutzung des Know-hows zuließ; eine solche Auslegung entspricht aber nicht dem Regelfall, sondern setzt besondere Gegebenheiten voraus, die auf die Absicht der Parteien schließen lassen, auch die nachvertragliche Nutzung von Know-how und Geschäftsgeheimnissen zuzulassen.236 Auch im italienischen Recht wird die Frage der nachvertraglichen Nutzungsrechte diskutiert. Zur Bewertung nachvertraglicher Nutzungsbeschränkungen lässt sich Art. 1379 CC analog heranziehen, wonach ein Veräußerungsverbot nur wirksam vereinbart werden kann, wenn es auf einen angemessenen zeitlichen Rahmen beschränkt ist und auf dem berechtigten Interesse einer Partei beruht.237 2. Zeitliche Bindungen Zeitliche Bindungen für nachvertragliche Geheimhaltungsverpflichtungen (Nachlaufzeiten) sind nach deutschem Recht grundsätzlich zulässig. AGBrechtlich unzulässig ist aber eine Nachlaufzeit, die erheblich über fünf Jahren liegt.238 Nachvertragliche Geheimhaltungspflichten sind auch am Wettbe230 BGH, Urt. v. 12.02.1980 – KZR 7/79, GRUR 1980, 750, 751 (Pankreaplex II); vgl. auch BeckOKPatR-Loth/Hauck: § 15 PatG, Rn. 95. 231 Vgl. Aplin/Bently/Johnson, Gurry on breach of confidence, 2012, 378; Hull, Journal of Intellectual Property Law & Practice 4 (2009), 203, 212. 232 Torrington Manufacturing Ltd. v Smith [1966] R.P.C. 285, 302 (Ch). 233 National Broach and Machine Co. v Churchill Gear Machines Ltd. [1966] F.S.R. 394, 401 (HL). 234 Aplin/Bently/Johnson, Gurry on breach of confidence, 2012, 378. 235 Regina Glass Fibre Limited v Schuller [1971] F.S.R. 353, 367 (CA). 236 Aplin/Bently/Johnson, Gurry on breach of confidence, 2012, 378. 237 Cendon: Vol VII – Compravendita e figure collegate, 2007, 49. 238 Westphalen: Einkaufsbedingungen, Rn. 81; Pfaff/Osterrieth-Osterrieth/Weinert: B. I. Ausschließlicher Lizenzvertrag (Mechanik), Rn. 226.

D. Besonderheiten bei vorzeitiger Vertragsbeendigung

279

werbsrecht zu messen. Wenn solche Verpflichtungen einem faktischen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot entsprechen, bildet das Wettbewerbsrecht eine Grenze.239 Das kann bei pauschalen Geheimhaltungsklauseln der Fall sein, wenn der Zulieferer daran gehindert wird, ähnliche Teile für einen anderen Hersteller zu produzieren, oder der Hersteller das Zulieferteil für ein anderes Fahrzeugmodell nicht bei einem anderen Zulieferer herstellen lassen kann. Einige Einkaufsbedingungen sehen Nachlaufzeiten vor. So enthalten die Bedingungen von BMW in Ziff. 18.4. eine nachvertragliche Geheimhaltungsverpflichtung für die Dauer von drei Jahren.240 Das entspricht dem nach deutschem AGB-Recht Zulässigen. Fiat verpflichtet den Zulieferer in ihren Einkaufsbedingungen zur (unbefristeten) nachvertraglichen Geheimhaltung technischer Informationen von Fiat (Informazione Technica Fiat Auto), Art. 46.3.241 Keine Regelungen zu Nachlaufzeiten trifft die Konditionenempfehlung des VDA sowie die daran orientierten Bedingungen von VW und Audi, aber auch Porsche. Auch in den Einkaufsbedingungen von Bentley und Lamborghini finden sich keine Nachlaufzeiten. Daimler regelt in ihren Einkaufsbedingungen die nachvertragliche Nutzung von Geschäftsgeheimnissen des Zulieferers: „Daimler ist im Fall der Beendigung des Liefervertrages berechtigt, sämtliche Informationen aus der beendeten Geschäftsbeziehung, die von Dritten für die Produktion der in diesem Liefervertrag genannten Umfänge zur Bedarfsdeckung von Daimler zwingend benötigt werden, an diese weiterzugeben, soweit die entsprechenden Informationen nicht durch gewerbliche Schutzrechte geschützt sind. Getroffene Regelungen über den Umgang mit Entwicklungsergebnissen bleiben hiervon unberührt und sind auch nach Beendigung des Liefervertrags wirksam.“242

Der nachvertragliche Geheimnisschutz wird also ausgeschlossen, sofern die Informationen für die Bedarfsdeckung zwingend benötigt werden. Mit dieser Klausel versucht der Hersteller, die durch das Single Sourcing bedingte Abhängigkeit von der Belieferung durch den Zulieferer aufzufangen. Allerdings ist die Klausel recht pauschal gefasst und könnte AGB-rechtlich problema239

C. Salger/Breitfeld, BB 2005, 154, 155; Bartenbach, Patentlizenz- und Know-howVertrag, 2013, Rn. 2621. 240 Daimler AG: Einkaufsbedingungen. Produktionsmaterial und Ersatzteile für Kraftfahrzeuge (Stand Oktober 2018), , 30.07.2020 (Daimler-Einkaufsbedingungen 2018). 241 Bei einer analogen Anwendung von Art. 1379 CC dürfte diese Klausel unangemessen sein. 242 Daimler AG: Einkaufsbedingungen. Produktionsmaterial und Ersatzteile für Kraftfahrzeuge (Stand Oktober 2018), , 30.07.2020 (Daimler-Einkaufsbedingungen 2018).

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Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

tisch sein, da eine standardvertragliche Verpflichtung zur Offenlegung und Lizenzierung von Geschäftsgeheimnissen mit einer angemessenen Gegenleistung zu verknüpfen ist. Sonst wird der Zulieferer unangemessen benachteiligt.

II. Geheimnisschutz im gerichtlichen Verfahren Zu gerichtlichen Auseinandersetzungen wegen der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen oder über Rechte an geistigem Eigentum und an Knowhow kommt es typischerweise erst nach Beendigung der Geschäftsbeziehung. Die rechtliche Durchsetzung der Geheimnisschutzvorschriften birgt für die Parteien die Gefahr, dass das Geheimnis im Zuge eines gerichtlichen Verfahrens (in Schriftsätzen oder in der mündlichen Verhandlung) offenbart werden muss und dann seine Geheimnisqualität verliert oder in die Hände von Wettbewerbern oder Fälschern gelangt.243 Dem prozessualen Geheimnisschutz widmet sich Art. 9 der Geschäftsgeheimnis-RL. Auf Antrag der Parteien ordnet das Gericht die Vertraulichkeit von Dokumenten an, von denen die Parteien im Verlaufe des Verfahrens Kenntnis erlangen. Dadurch werden alle prozessbeteiligten Personen zur Geheimhaltung verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht nach Abschluss des Verfahrens fort, es sei denn, die Dokumente und Informationen sind keine schutzwürdigen Geschäftsgeheimnisse im Sinne von Art. 2 Geschäftsgeheimnis-RL oder werden im Laufe der Zeit allgemein bekannt und offenkundig. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten mindestens die Möglichkeit vorsehen, den Zugang zu vertraulichen Dokumenten und zu Anhörungen vor Gericht zu beschränken und gerichtliche Entscheidungen nur in einer der Vertraulichkeit genügenden Fassung (Geschäftsgeheimnisse geschwärzt oder gelöscht) zu veröffentlichen. Der italienische Gesetzgeber hat die Vorgaben der Richtlinie zum Geheimnisschutz im gerichtlichen Verfahren durch einen neuen Art. 121-ter CPI umgesetzt. Dadurch entsteht ein Spannungsverhältnis zu dem im italienischen Recht wichtigen Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens. Die Anordnung der Vertraulichkeit ist daher – wie es auch die Richtlinie vorsieht – an den Antrag einer Partei (istanza di parte) gebunden.244 Ferner wurden die Art. 124 (Rechtsfolgen und Sanktionen), 126 (Veröffentlichung der Entscheidung) und 132 CPI (Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz) angepasst, die ebenfalls das Verfahren jedenfalls teilweise betreffen.245 Im Rahmen 243 Druschel/Jauch, BB, 1218, 1219; Bartenbach, Patentlizenz- und Know-how-Vertrag, 2013, Rn. 2619. Zu den Problemgruppen im deutschen Recht vgl. etwa Hauck, NJW 2016, 2218–2223, 2221. 244 Dragotti, in: Galli (Hrsg.), 2018, 124 f. 245 Vgl. auch Libertini, in: Galli (Hrsg.), 2018, 27.

D. Besonderheiten bei vorzeitiger Vertragsbeendigung

281

der Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-RL wurde gleichzeitig der strafrechtliche Schutz gegen den missbräuchlichen Umgang mit Geschäftsgeheimnissen ausgeweitet.246 Das Gerichtsverfahren in England und Wales sah bereits vor der Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-RL einen recht weitgehenden Geheimnisschutz im gerichtlichen Verfahren vor, sodass kaum Anpassungsbedarf bestand. Gemäß Sec. 39.2 (3) CPR 1998 können die Parteien den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragen. Aber auch ohne den Antrag der Parteien können die Richter Vertraulichkeit im Verfahren anordnen und den Zugang zu vertraulichen Dokumenten sehr weit einschränken. Dabei räumt das englische Recht dem Gericht einen weiten Ermessensspielraum ein.247 Daran hat sich mit der Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie wenig geändert. Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung der Parteien zur Vertraulichkeit besteht nur, wenn das Gericht feststellt, dass es sich bei den in Rede stehenden Informationen nicht um Geschäftsgeheimnisse (trade secrets) im Sinne der Regulations handelt oder sie mit der Zeit zu öffentlich bekanntem Wissen werden. Die Richtlinie hat vor allem eine Rechtsangleichung zwischen dem Recht von England und Wales und dem von Schottland befördert. Im deutschen Verfahrensrecht war der Geheimnisschutz im Verfahren bislang lückenhaft ausgestaltet.248 Ausnahmen vom Öffentlichkeitsgrundsatz waren erst ab der mündlichen Verhandlung vorgesehen: Die Öffentlichkeit kann auf Antrag der Parteien von der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen werden, § 172 Nr. 2 GVG und die Parteien können nach § 174 III GVG zur Geheimhaltung verpflichtet werden. Die in Schriftsätzen vorgetragenen Geheimnisse sind hiervon aber nicht umfasst.249 Auch die Möglichkeit, Dritten gemäß § 299 II ZPO die Einsicht in die Akten verwehren, betrifft nicht die Verfahrensbeteiligten, die daher auch nicht an der Nutzung der schriftsätzlich preisgegebenen Geheimnisse gehindert sind. Das ist vor allem bei Verfahren zwischen Wettbewerbern problematisch.250 Mit dem GeschGehG wurde das Schutzniveau in Deutschland erweitert. In Geschäftsgeheimnisstreitsachen – also Verfahren, in denen Ansprüche aus dem GeschGehG geltend gemacht werden – kann das Gericht bereits ab Klageeinreichung auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen als geheimhaltungsbedürftig einstufen, § 16 I GeschGehG. Die Verfah246

Ausführlich Libertini, in: Galli (Hrsg.), 2018, 30 ff. Die Leitentscheidung ist Warner-Lambert Co. v Glaxo Laboratories Ltd. [1975] R.P.C. 354 (CA); vgl. auch Heath, International Review of Intellectual Property and Competition Law 2017, 997, 1001. 248 Zum Status Quo vor Umsetzung der Richtlinie Hauck, NJW 2016, 2218–2223. 249 Vgl. ausführlicher McGuire/Joachim/Künzel/Weber, GRUR-Int. 2010, 829, 835. 250 Druschel/Jauch, BB, 1218, 1219; U. Becker/Kussnik, RAW 2018, 119, 120. 247

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rensbeteiligten können zur Vertraulichkeit verpflichtet werden und der Zugang zur Verhandlung beschränkt werden. Ein Ausschluss der Parteien in Form eines in-camera-Verfahrens ist jedoch nicht möglich, § 19 I 3 GeschGehG. Bei Akteneinsicht darf das Gericht nur einen Akteninhalt zur Verfügung stellen, in dem die das Geschäftsgeheimnis betreffenden Ausführungen geschwärzt wurden, § 16 III GeschGehG. Es verbleibt dennoch das Risiko, das ein Geschäftsgeheimnis gegenüber Parteien offenbart werden muss, die diese Kenntnis nachträglich missbräuchlich nutzen.251 Gleichzeitig dürfte der Schutz auf Geschäftsgeheimnisstreitsachen beschränkt sein und in allgemeinen Verfahren nur die Regeln der GVG zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen im Verfahren Anwendung finden.252 Im Hinblick auf den Geheimnisschutz im Verfahren hat die Geschäftsgeheimnis-RL vor allem für das deutsche und italienische Recht Änderungen mit sich gebracht. Das gesteigerte Schutzniveau verbessert insgesamt die Durchsetzbarkeit von Konflikten, die Geschäftsgeheimnisse betreffen: Die Rechtsverfolgung durch die Parteien wird wahrscheinlicher und der gesetzliche Geheimnisschutz effektiver.

III. Fazit Nach Beendigung der Zulieferbeziehung und insbesondere bei vorzeitiger Beendigung durch eine der Vertragsparteien kommt der vertraglichen Zuordnung von Eigentums-, Verwertungs- und Nutzungsrechten an Entwicklungsergebnissen große Bedeutung zu. Zugeständnisse des Zulieferers im nachvertraglichen Bereich, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft werden, können im Sinne einer ausgewogenen vertraglichen Governance dazu dienen, Abhängigkeiten auszugleichen, die der Hersteller während der Zulieferbeziehung in Kauf nimmt. Beispielsweise kann es sinnvoll sein, dass der Zulieferer dem Hersteller im Fall der Insolvenz Zugang zu produktionsrelevantem Know-how eröffnet und die Nutzung gestattet.253 Nachvertragliche Nutzungsrechte und Geheimhaltungsverpflichtungen sollten in den Vertragswerken ausdrücklich vereinbart werden, um Rechtssicherheit herzustellen. Mit der Geschäftsgeheimnis-RL wird die Geheim-

251

Kritisch auch Ohly, GRUR 2019, 441–451, 451. Vgl. RegE: Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, 18.07.2018, , 30.07.2020; so auch Hauck, GRURPrax 2019, 223, 225; Ohly, GRUR 2019, 441–451, 450. 253 Vgl. auch Budde/Geks, ZVertriebsR 2012, 37, 45. 252

E. Resümee

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haltung während des Gerichtsverfahrens verbessert, was auch Abschreckungswirkung haben kann.

E. Resümee Bei Entwicklungskooperationen zu Beginn und während langfristiger Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie treten zwei zentrale Herausforderungen auf. Einerseits resultieren aus der engen Kooperation und Zusammenarbeit Geheimnisschutzrisiken und andererseits hat die Verteilung der Nutzungs- und Verwertungsrechte an entstandenem geistigen Eigentum und Know-how direkten Einfluss auf das Abhängigkeitsverhältnis und auf die Anreizstrukturen (Agency-Risiko). Mit der Harmonisierung des Geheimnisschutzes auf europäischer Ebene hat der faktische Geheimnisschutz an Bedeutung gewonnen: Die Parteien müssen angemessene physische und vertragliche Geheimhaltungsmaßnahmen treffen, um gesetzlichen Geheimnisschutz zu erfahren. Der Gesetzgeber versucht auf diese Weise, die Parteien selbst zu einer adäquaten GeheimnisGovernance zu animieren. Die Problematik des Schutzes der eingebrachten Schutzrechte und des eingebrachten Know-hows beider Vertragsparteien wird bei der Vertragsbeendigung besonders deutlich: Der Hersteller hat ein hohes Interesse daran, nicht nur sein eigenes eingebrachtes Know-how über die Vertragslaufzeit hinaus geschützt zu wissen, sondern auch für die weitere Produktion auf das vom Zulieferer eingebrachte Know-how zurückgreifen zu können. Auf der anderen Seite stellt gerade für hochspezialisierte Zulieferer ihr Know-how oft ein Alleinstellungsmerkmal auf dem Markt dar, sodass sie es dem Abnehmer nicht vollständig preisgeben wollen. Für diesen Fall müssen die Parteien bereits bei Vertragsschluss durch entsprechende (nachvertragliche) Geheimhaltungsvereinbarungen, durch die Einräumung von Nutzungs- und Verwertungsrechten und durch eine sachgerechte Zuordnung der Entwicklungsergebnisse bei gemeinsamer Entwicklung vorsorgen. Die Zuordnung von Nutzungs- und Verwertungsrechten am Entwicklungsergebnis kann Einfluss auf das Abhängigkeitsverhältnis haben. Es besteht dabei eine erhöhte Gefahr, dass der Hersteller seine Verhandlungsmacht bei Vertragsabschluss missbräuchlich ausnutzt und für den Zulieferer ungünstige Klauseln diktiert. Auf europäischer Ebene schreitet der Gesetzgeber zur Förderung übergeordneter staatlicher Interessen (Innovationsförderung und Förderung des Wettbewerbs) ein. Als besonders schutzwürdig wird die Auftragsfertiger-Geschäftsbeziehung angesehen. Unzulässig sind dann vor allem Vereinbarungen, die den Lizenznehmer in der Verwertung oder Weiterentwicklung seiner eigenen Technologien einschränken. Nach deutschem und italienischem Recht ist darüber hinaus der Verzicht (des Zu-

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Kapitel 4: Schutz von Geschäftsgeheimnissen

lieferers) auf eigene Immaterialgüterrechte, abweichend vom Erfinderprinzip, nur gegen einen angemessenen Ausgleich zulässig. Im nachvertraglichen Bereich besteht weitgehend Einigkeit, dass Geheimhaltungsverpflichtungen nach Ablauf einer Know-how-Lizenz in der Regel befristet sein müssen. Die Einkaufsbedingungen der Automobilhersteller sind in diesem Bereich oft weniger ausführlich. Das bedeutet aber nicht, dass die Parteien diesem Bereich keine Aufmerksamkeit schenken. Vielmehr werden Einzelheiten von Entwicklungskooperationen oft individualvertraglich geregelt, da hier auch die einzelnen Zulieferertypen eine Rolle spielen. Will der Automobilhersteller von den technologischen Kernkompetenzen eines Zulieferers profitieren, muss er bei der vertraglichen Ausgestaltung unter Umständen die Vorstellungen des Zulieferers stärker berücksichtigen.

Kapitel 5

Governance-Ansätze zwischen Exit und Voice. Resümee und Schlussbetrachtungen A. Ausgangspunkt Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie zeichnen sich durch die Verknüpfung von Autonomie und Abhängigkeit und das Nebeneinander gleichgerichteter und entgegengesetzter Interessen aus. Beide Vertragsparteien sind an einer langfristigen und engen Kooperation und an Planungssicherheit interessiert,haben aber zugleich bei der Preisbildung, bei der Zuweisung von Haftungsrisiken für Qualitätsmängel, bei der vorzeitigen Beendigung der Lieferbeziehung und nicht zuletzt beim Know-how-Schutz gegenläufige Interessen. Aus der engen Kooperation, dem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis und der bei langfristigen Vertragsbeziehungen gesteigerten Unsicherheit ergeben sich Opportunismusrisiken, wenn einer der Vertragspartner auf beziehungsspezifischen Investitionen oder Informationsasymmetrien beruhende Lock-in-Effekte missbräuchlich ausnutzt. Mit seiner Entscheidung für das Outsourcing (und gegen die vertikale Integration) nimmt der Endhersteller diese Risiken zwar grundsätzlich in Kauf, versucht seine Interessen aber nach Möglichkeit vertraglich abzusichern, insbesondere in seinen Einkaufsbedingungen. Da der Zulieferer auf den Vertragsschluss mit dem Automobilhersteller angewiesen ist, werden die Bedingungswerke der Endhersteller gewöhnlich weitgehend akzeptiert. Aus Sicht der Institutionenökonomik können die Opportunismusrisiken zu Ineffizienzen führen. Die Principal-Agent-Theorie schlägt vor, die Interessen der Vertragsparteien durch geeignete Anreize anzugleichen, um diese Risiken zu reduzieren. Umfangreiche Vertragswerke sind dabei nicht ausreichend, da gerade bei langfristigen Beziehungen die vorherige Regelung aller denkbaren Konfliktfälle nicht möglich und auch meist nicht wirtschaftlich ist. Beispielsweise differenzieren die Standard-Einkaufsbedingungen der Automobilhersteller nicht zwischen verschiedenen Zuliefertypen. Vertragswerke können daher nur als Rahmenwerk für die hybride Organisationsform dienen, die durch andere Mechanismen ergänzt werden müssen. Von Bedeutung sind dabei relationale Aspekte. Die oligopolartige Struktur der Automobilindustrie, die von einem Bieterwettbewerb der (zahlrei-

286

Kapitel 5: Governance-Ansätze zwischen Exit und Voice

chen) Zulieferer um Ausschreibungen der (wenigen) Automobilhersteller geprägt ist, bringt es mit sich, dass Reputationsmechanismen opportunistischem Verhalten der Zulieferer entgegenwirken.1 Die Abhängigkeit des Herstellers von der (rechtzeitigen und mangelfreien) Belieferung durch den Zulieferer manifestiert sich erst nach Vertragsschluss. Da er während eines längeren Belieferungszeitraums, der sich regelmäßig an der Modelllaufzeit orientiert, auf den Zulieferer angewiesen ist, wird ein rationaler Hersteller darauf bedacht sein, seinen Zulieferer nicht so zu benachteiligen, dass dessen Existenz gefährdet würde. Dann würde nämlich auch der Reputationsmechanismus nicht mehr greifen, sondern der ohnehin vom Marktaustritt bedrohte Zulieferer könnte von seinen Hold-up-Möglichkeiten Gebrauch machen.2 So entsteht ein gewisses Gleichgewicht.

B. Vertragliche Governance Einen Schwerpunkt der vertraglichen Bedingungswerke bildet regelmäßig die vor allem präventiv ausgestaltete Qualitätssicherung.3 Das beinhaltet die Spezifizierung des Vertragsgegenstandes, Kontroll- und Dokumentationsanforderungen an den Zulieferer und der Umgang mit auftretenden Fehlern aber auch die Gewährleistungsrechte. In den italienischen und englischen Bedingungswerken werden ausdrücklich auch Nachbesserungs- bzw. Nachlieferungspflichten des Zulieferers geregelt, in deutschen Bedingungswerken wird dagegen ein subsidiäres Selbstvornahmerecht des Herstellers ausdrücklich vorgesehen. Vertraglich werden dem Hersteller also jeweils die Rechte zusätzlich eingeräumt, die ihm nach dem jeweiligen nationalen Recht nicht oder nur eingeschränkt zustehen. Offenbar werden Nachbesserungs- und Nachlieferungspflichten des Zulieferers und ein Selbstvornahmerecht von den Herstellern der drei untersuchten Rechtsordnungen übereinstimmend als wichtige Ergänzung angesehen, sofern sie nicht bereits im jeweiligen nationalen Recht verankert sind. Die Haftung des Zulieferers wird auch im Übrigen mehr oder weniger stark ausgeweitet (insbesondere in den Bedingungen nach englischem und nach italienischem Recht). Regelmäßig wird auf die Versicherung dieser Haftungsrisiken Wert gelegt, was sich etwa in Nachweispflichten zum Versicherungsschutz ausdrückt. Der kooperativen Qualitätssicherung liegen Voice-Elemente zugrunde. Fehlerprävention und schnelle Fehlerbehebung sind Ausdruck des Willens

1

So bereits Bernstein, Journal of Legal Analysis 7 (2015), 561, 604 ff., vgl. Kap. 1 B. III. 2 (S. 35). 2 Vgl. zum Hold-up durch den Zulieferer Kap. 3 E. (S. 227 ff.). 3 Ausführlich in Kap. 2 B. (S. 93 ff.).

C. Governance durch Vertragsrecht

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der Parteien, Probleme in diesen Bereichen zunächst einvernehmlich zu lösen. Aus der Auswertung der Einkaufsbedingungen der Automobilhersteller lässt sich rechtsordnungsübergreifend schließen, dass Qualitätsprobleme möglichst nicht zum Abbruch der langfristigen Lieferbeziehung führen sollen. Es werden Lösungen angestrebt, die die Aufrechterhaltung der Zusammenarbeit ermöglichen. Auf Ebene der Beendigungsrechte4 weisen die Bedingungswerke nach den unterschiedlichen Rechtsordnungen größere Unterschiede auf. Gemeinsam ist den Bedingungen italienischer und englischer Hersteller aber, dass sich der Hersteller neben einem fristlosen Kündigungsrecht aus wichtigem Grund regelmäßig auch ein ordentliches Kündigungsrecht vorbehält. Die Kündigungsfristen für die ordentlichen Kündigungsrechte variieren. Für die mängelbedingte Kündigung sehen alle untersuchten Rechtsordnungen eine Erheblichkeitsschwelle vor. Ein Rücktritt von einzelnen Bestellungen oder sogar dem gesamten Rahmenvertrag ist in der Regel nur vor Fertigungsbeginn bzw. bei schwerwiegenderen und wiederholten Schlechtleistungen vorgesehen. Die deutschen Einkaufsbedingungen orientieren sich bei der Vertragsbeendigung stärker am (restriktiveren) Gesetzesrecht, teilweise werden nur außerordentliche Kündigungsrechte konkretisiert. Zum Umgang mit Entwicklungsergebnissen und (dem geheimen) Knowhow des Vertragspartners enthalten die meisten Bedingungswerke nur wenige Regeln. Geregelt werden jedoch vertragliche Geheimhaltungsverpflichtungen und Rechte an (vor allem vom Hersteller) eingebrachten Rechten und Fertigungsmitteln.5 In diesem Bereich ist der Gesetzgeber rahmengebend tätig geworden.

C. Governance durch Vertragsrecht Die untersuchten Rechtsordnungen nehmen steuernd auf die vertragliche Ausgestaltung der Zulieferbeziehungen Einfluss.

I. Regelungsschwerpunkte Den Rechtsordnungen ist gemeinsam, dass sie bestimmte Aspekte von Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie stärker adressieren als andere. Regelungsbedarf sieht der Gesetzgeber vor allem in zwei Bereichen: zum einen, wenn die Interessen Dritter vor dem freien Spiel des Wettbewerbs geschützt werden müssen und zum anderen, wenn das Interessengleichgewicht gefährdet ist und demgemäß Missbrauchspotentiale hoch sind. 4 5

Ausführlich in Kap. 3 (S. 179 ff.); zusammenfassend unter Kap. 3 F. I. (S. 231). Vgl. Kap. 4 B. II. (S. 252 ff.) und C. IV. (S. 273 f.).

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Kapitel 5: Governance-Ansätze zwischen Exit und Voice

Interessen Dritter sind aus Sicht des europäischen Gesetzgebers insbesondere bei Sicherheitsaspekten (Produkthaftung), beim Schutz von Verbrauchern und im freien Wettbewerb (Nutzung der Innovationspotentiale) berührt. Als besonders schützenswert werden auch die Innovationspotentiale der Parteien angesehen. So werden übermäßig lange Nachlaufzeiten für Geheimnisschutz und Know-how-Nutzungsrechte regelmäßig für unzulässig gehalten.6 Die nationalen Rechtsordnungen nehmen auch bei der Unterbrechung bzw. der vorzeitigen Beendigung der Lieferbeziehung Einfluss. Das Gleichgewicht ist gestört, wenn die Unterbrechung bzw. Beendigung nicht gerechtfertigt ist, beispielsweise aufgrund einer nachhaltigen Störung der Vertrauensbeziehung. Auch bei rechtmäßiger Vertragsbeendigung wird der abhängige Vertragspartner geschützt. Eine fristlose Beendigung ohne die Gewährung von Umstellungs- bzw. Übergangsfristen ist nur ausnahmsweise, bei besonders grober Vertragsverletzung, vorgesehen.7

II. Art und Weise der Governance Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen werden vor allem in der gewählten Regelungstechnik und Einflussnahme auf die Vertragsbeziehungen deutlich. Im englischen Recht liegt der Schwerpunkt in den Möglichkeiten, die Vertragsauslegung und Vertragsergänzung bieten. Einen gewissen Einfluss auf die Wirksamkeit von Haftungsbeschränkungen hat auch das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wenn auch in ungleich geringerem Maße als im deutschen Recht. Besondere Bedeutung hat im englischen Recht der Geheimnisschutz, der über die europäische Harmonisierung hinaus weiterhin auch über die Breach-of-Confidence-Action gewährleistet wird. Im nachvertraglichen Bereich erfolgt eine Kontrolle wiederum allein über die Vertragsauslegung, die dem Richter Spielräume lässt. Im deutschen und italienischen Recht werden zentrale Aspekte der Missbrauchskontrolle durch Generalklauseln verwirklicht, die auf dem Prinzip von Treu und Glauben basieren. Das gilt insbesondere für die Beurteilung der Wirksamkeit (vorzeitiger) Beendigungsrechte. Im italienischen Recht existiert mit Art. 9 Legge Subfornitura eine Regelung, die es Unternehmen verbietet, die wirtschaftliche Abhängigkeit anderer Unternehmen missbräuchlich auszunutzen. Diese Regelung geht über die kartellrechtlichen Regelungsziele hinaus, und verfolgt das generelle Ziel, ein missbräuchliches vertragliches Ungleichgewicht auszugleichen, sofern dieses auf einer Ver-

6 7

Siehe Kap. 4 D. (S. 277 ff.). Hierzu näher in Kap. 3. F. (S. 231 ff.)

C. Governance durch Vertragsrecht

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handlungssituation wirtschaftlicher Abhängigkeit beruht. Bei der vorzeitigen Beendigung einer Vertragsbeziehung können sich daraus Übergangsfristen und Ausgleichsansprüche ergeben. Im deutschen Recht spielt das AGB-Recht eine zentrale Rolle, das auf die Einkaufsbedingungen in Automobil-Zulieferverträgen recht weitgehend Einfluss nimmt. Der mit Art. 9 Legge Subfornitura teilweise vergleichbare § 20 III GWB hat in diesem Bereich hingegen nur geringe Bedeutung: Er setzt eine Behinderung des Wettbewerbs voraus, woran es im Zulieferverhältnis gewöhnlich fehlt.

III. Schlussfolgerungen In allen drei Rechtsordnungen wird die Missbrauchskontrolle über flexible Instrumente verwirklicht, die eine Kontextualisierung der Vertragsbeziehung durch den Richter ermöglichen oder sogar erfordern. Diese Möglichkeiten erfahren im englischen Recht ihre Grenze in der vertraglichen Vereinbarung: Je vollständiger die Parteien ihre Vertragsbeziehung selbst regeln, desto weniger Auslegungsspielräume verbleiben dem Richter. Auch (konkludente) Gutglaubensverpflichtungen werden bislang nur zurückhaltend berücksichtigt. Hinter dem italienischen Zuliefergesetz stehen Effizienzerwägungen nämlich den Zuliefersektor über klare Regelungen in die Lage zu versetzen, seine Potentiale auszuschöpfen und Vollbeschäftigung zu erreichen. Im Einzelnen sollen die Transparenz in den Handelsbeziehungen verbessert, die Einhaltung von Zahlungsfristen gewährleistet, Missbrauch verhindert und geeignete Konfliktlösungsmechanismen zur Verfügung gestellt werden.8 Die vom italienischen Gesetzgeber gewählte Gesetzestechnik wird im italienischen Schrifttum allerdings stark kritisiert.9 Zwar stellte das Gesetz Begriffsklarheit hinsichtlich des Begriffs “subfornitura” her.10 Da der Anwendungsbereich des Gesetzes nicht eindeutig, daher umstritten und nach der überwiegenden Auffassung auf Auftragsfertiger begrenzt ist, nimmt es aber wenig Einfluss auf die rechtliche Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Automobilherstellern und ihren System- oder Modul-Zulieferern. Eine Ausnahme bildet Art. 9 der Legge Subfornitura, der von Rechtsprechung und herrschender Lehre als Generalklausel angesehen wird, die auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Legge Subfornitura neben das allgemeine Missbrauchsverbot tritt und der vorzeitigen Beendigung von Zulieferverträgen oder grob missbräuchlichen Vertragsklauseln entgegenstehen kann.“11 8

Alvisi, Subfornitura e autonomia collettiva, 2002, S. 2. Prosperi, Il contratto di subfornitura e l’abuso di dipendenza economica, 2002, S. 31. 10 Mantucci, Profili del contratto di subfornitura, 2005, S. 132. 11 Siehe hierzu Kap. 1 C. III. 1. c) (S. 66 ff.). 9

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Kapitel 5: Governance-Ansätze zwischen Exit und Voice

Obwohl eine mit der Legge Subfornitura vergleichbare spezialgesetzliche Regelung nicht getroffen wurde, greift das deutsche Recht stärker als das italienische Recht in die Ausgestaltung von Zulieferbeziehungen ein. Vor allem die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen im unternehmerischen Rechtsverkehr, die weder das italienische noch das englische Recht in dieser Form kennen, steuert die Ausgestaltung der Vertragsbeziehung. Daneben ermöglicht die Generalklausel des § 242 BGB eine Missbrauchskontrolle insbesondere für Kündigungsrechte bzw. -beschränkungen auch in Individualvereinbarungen. Es wird deutlich, dass flexible Instrumente wie Generalklauseln oder auch die von den englischen Richtern praktizierte Vertragsauslegung oft einen stärkeren Einfluss auf die Vertragspraxis nehmen als einzelne zwingende Regeln. Gegen zwingende Regeln spricht gerade im Bereich komplexer Vertragsbeziehungen, dass es schwierig ist, Regeln vorzugeben, die auch im Einzelfall zu einer interessengerechten Lösung führen.12 Hinzu tritt bei wirtschaftlichen Kooperationen, dass die konkrete strategische Ausgestaltung ökonomischer Beziehungen einem beständigen Wandel unterliegt. Beispielsweise wurde noch in den 80er Jahren der Auftragsfertiger als typischer Zuliefertyp angesehen, was sich so heute nicht bestätigen lässt. Ein Nachteil flexibler Eingriffsinstrumente ist freilich die (zunächst) geringere Rechtssicherheit. Das wird anhand der unterschiedlichen Auswirkungen auf die Vertragspraxis in den untersuchten Rechtsordnungen deutlich. Den stärksten Einfluss nimmt das deutsche AGB-Recht auf die Ausgestaltung der Verträge. Zurückzuführen ist dies auf die umfangreiche und über lange Jahre gefestigte Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle auch bei Verträgen zwischen Unternehmen. In Italien entwickelt sich diese Linie erst und in England gibt es nur vereinzelt Rechtsprechung zu dieser Thematik: Der Einfluss auf die Vertragspraxis ist daher bislang geringer.

D. Fazit Die rechtliche Governance von Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie ist vielschichtig. Neben der vertraglichen Governance durch spezielle und standardisierte Vertragsvereinbarungen und durch Inbezugnahme privater Standards spielen andere Mechanismen eine Rolle, insbesondere Reputationsmechanismen. Die Rechtsordnungen nehmen weniger Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung der Geschäftsbeziehung, stecken aber über eine (in der Regel flexible) Missbrauchskontrolle die Grenzen vertraglicher Rege-

12

Vgl. z.B. auch Cohen, in: Geest (Hrsg.), Contract law and economics, 2011, S. 125, 135; Collins, Regulating Contracts, 1999, 286.

D. Fazit

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lungsfreiheit ab. Für diese Missbrauchskontrolle eröffnen das deutsche Recht (insbesondere über die AGB-rechtliche Klauselkontrolle) und in Teilbereichen auch das italienische Recht (insbesondere über Art. 9 Legge Subfornitura) weitergehende Möglichkeiten als das englische Recht, das im wesentlichen dort richterliche Eingriffe erlaubt, wo Raum für eine richterliche Vertragsauslegung bleibt. Zulieferbeziehungen enthalten Exit- und Voice-Elemente. Staatliche Regulierungsansätze erscheinen vor allem im Exit-Bereich (vorzeitige Vertragsbeendigung) geeignet, Missbrauch zu unterbinden und das Interessengleichgewicht aufrechtzuerhalten. Eine stärkere Voice-Orientierung lässt sich bei der Allokation des Fehlerrisikos beobachten. Hier ist eine nur indirekte Regulierung sinnhaft, solange nicht Drittinteressen betroffen sind: Zum einen bleibt im Voice-Bereich kaum Raum für eine staatliche Rechtsdurchsetzung. Zum anderen ist das gemeinsame Interesse der Vertragsparteien an der Aufrechterhaltung und Durchführung des Zuliefervertrags grundsätzlich ausreichender Garant für einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen, z.B. bei Qualitätsmängeln. Zwischen den beiden Polen von Exit und Voice können Fragen des Geheimnisschutzes und Know-how-Transfers zu einer Verschiebung der Abhängigkeitsverhältnisse und Interessenstrukturen führen.

Anhang

Legge Subfornitura (deutsche Übersetzung) Gesetz vom 18. Juni 1998, Nr. 192 – Regelung der Zulieferung im produzierenden Gewerbe1 Art. 1 – Definition 1. Mit dem Zuliefervertrag verpflichtet sich ein Unternehmer im Auftrag eines bestellenden Unternehmens, Arbeiten an von dem Besteller zur Verfügung gestellten Halbfertigprodukten oder an von dem Besteller zur Verfügung gestellten Rohstoffen durchzuführen, oder verpflichtet sich, dem Besteller Produkte oder Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, die dazu bestimmt sind, im Betrieb des Bestellers oder bei der Herstellung einer komplexen Sache eingebaut oder verwendet zu werden, in Übereinstimmung mit Projektentwürfen auszuführenden Entwürfen, technischen und technologischen Kenntnissen, Modellen oder Prototypen des Bestellers. 2. Von der Definition in Absatz 1 ausgeschlossen sind Verträge, die die Lieferung von Rohstoffen, die Erbringung von Dienstleistungen für öffentliche Zwecke und die Lieferung von sonstigen Hilfsmitteln, die nicht Fertigungsmittel sind. Art. 2 – Zuliefervertrag: Form und Inhalt 1. Das Zulieferverhältnis entsteht mit dem Vertrag, der der Schriftform genügen muss; ein nicht in Schriftform abgeschlossener Vertrag ist nichtig. Der Schriftform genügen auf den Vertragsschluss oder auf die Vertragsänderung gerichtete Willenserklärungen, die per Telefax oder mittels anderer Telekommunikationsmittel oder Datenübertragung abgegeben werden. Im Falle der Nichtigkeit im Sinne dieses Absatzes hat der Zulieferer dennoch Anspruch auf Bezahlung der bereits erbrachten Leistungen und auf Ersatz der in gutem Glauben zum Zwecke der Vertragserfüllung getätigten Aufwendungen. 2. Falls auf ein, von dem Besteller gemäß der in Absatz 1 genannten Modalitäten versandtes, Angebot keine schriftliche Annahme des Zulieferers folgt, dieser aber dennoch mit den Arbeiten oder Lieferungen beginnt, ohne dass er die Änderung irgendwelcher Elemente des Angebots verlangt hat, gilt der Vertrag als im Sinne dieses Gesetzes schriftlich und zu den in dem Angebot gemachten Bedingungen abgeschlossen, unbeschadet der Anwendbarkeit des Art. 1341 des italienischen Zivilgesetzbuches. 3. Bei Verträgen, die fortlaufend oder in wiederkehrenden Abständen zu erfüllen sind, müssen auch die Bestellungen der einzelnen Lieferungen dem Zulieferer von dem Besteller in einer der in Absatz 1 vorgesehenen Formen mitgeteilt werden. Auf sie finden ebenfalls die in Absatz 1 vorgesehenen Regelungen Anwendung.

1 Aktualisierte und überarbeitete Übersetzung auf Grundlage der Übersetzung von Fritzinger/Maglio, in: Di Majo (Hrsg.), 1999, 257 ff. Anmerkungen der Bearbeiterin sind kursiv hervorgehoben.

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Anhang Legge Subfornitura (deutsche Übersetzung)

4. Der Preis der Sachen oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, muss bestimmt oder in klarer und präziser Weise bestimmbar sein, sodass keine Ungewissheiten bei der Auslegung des Umfangs der gegenseitigen Leistungen und bei der Durchführung des Vertrages auftreten können. 5. Im Zuliefervertrag müssen bestimmt sein: a) die spezifischen Eigenschaften der Sache oder der Dienstleistung, die von dem Besteller verlangt werden, mittels genauer Angaben, die die exakte Bestimmung der konstruktiven und funktionellen Eigenschaften ermöglichen, oder durch Verweis auf technische Normen, die, sofern sie nicht für den Zulieferer üblich oder in Gesetzen oder Verordnungen enthalten sind, in Kopie beigefügt sein müssen; b) der vereinbarte Preis; c) Fristen und Modalitäten der Lieferung, der Prüfung und der Zahlung. Art. 3 – Zahlungsfristen 1. Der Vertrag muss die Zahlungsfristen ab der Lieferung der Sache oder ab der Mitteilung über die erfolgte Erbringung der Leistung bestimmen. Der Vertrag muss ferner eventuelle für Vorauszahlung vereinbarte Rabatte bestimmen. 2. Der vereinbarte Preis muss innerhalb einer Frist von höchstens 60 Tagen ab Übergabe der Sache oder der Mitteilung über die erfolgte Erbringung der Leistung gezahlt werden. Jedoch kann in Vereinbarungen auf nationaler Ebene für bestimmte Wirtschaftszweige und Sparten eine abweichende Frist bestimmt werden, die 90 Tage nicht überschreiten darf. Diese Vereinbarungen sind von allen für den Wirtschaftszweig zuständigen Mitgliedern des Consiglio nazionale dell’economia e del lavoro, die die Zulieferer und Besteller vertreten, zu treffen und bei dem Ministerium für Industrie, Handel und Handwerk zu unterschreiben. Außerdem kann in Vereinbarungen, die sich auf das Zuständigkeitsgebiet einer Kammer für Handel, Industrie, Handwerk und Landwirtschaft [Camera di commercio, industria, artigianato e agricoltura] beziehen, eine abweichende Frist bestimmt werden, die 90 Tage nicht überschreiten darf. Diese Vereinbarungen sind von den lokalen Vertretungen der in Satz zwei genannten Parteien zu treffen und bei der Kammer für Handel, Industrie, Handwerk und Landwirtschaft zu unterschreiben. Die in diesem Absatz vorgesehenen Vereinbarungen müssen geeignete Klauseln enthalten, um den technologischen Fortschritt, die Berufsausbildung und die Arbeitsteilung in der Produktion zu gewährleisten und zu verbessern. 3. Wird die Zahlungsfrist nicht eingehalten, schuldet der Besteller dem Zulieferer, ohne dass es erforderlich ist, ihn in Verzug zu setzen, Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Refinanzierungszins der Europäischen Zentralbank zum ersten Kalendertag des fraglichen Halbjahrs, unbeschadet der Möglichkeit der Parteien, höhere Zinsen zu vereinbaren, und unbeschadet der Möglichkeit, einen weitergehenden Schaden nachzuweisen. Der Referenzzins, der am ersten Werktag des fraglichen Halbjahres gilt, gilt für die sechs Folgemonate. Wenn die Zahlung länger als 30 Tage nach Ablauf der vereinbarten Frist ausbleibt, schuldet der Besteller zusätzlich eine Strafe in Höhe von 5 % der Summe, für die er die Zahlungsfrist nicht eingehalten hat. 4. Die Nichteinhaltung der Zahlungsfristen begründet einen Titel für die Erlangung eines vorläufig vollstreckbaren Mahnbescheids [ingiunzione di pagamento provvisoriamente esecutiva] gemäß Art. 633 ff. der italienischen Zivilprozessordnung. 5. Falls im Verlaufe des Zulieferverhältnisses auf Verlangen des Bestellers bedeutende Änderungen vorgenommen werden, die in eine Erhöhung der Kosten mit sich bringen, hat der Zulieferer einen Anspruch auf Anpassung des Preises, auch wenn dies nicht ausdrücklich im Vertrag vorgesehen ist.

Anhang Legge Subfornitura (deutsche Übersetzung)

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Art. 4 – Verbot der Weitervergabe 1. Die Lieferung von Sachen und die Erbringung von Dienstleistungen, die Gegenstand des Zuliefervertrages sind, kann ohne die Zustimmung des Bestellers nicht für einen Anteil von mehr als 50 % des Wertes des Gesamtvolumens weitervergeben werden, es sei denn, die Parteien haben in dem Vertrag einen höheren Wert bestimmt. 2. Vereinbarungen, mit denen der Zulieferer andere Unternehmen mit der Erbringung der eigenen Leistungen unter Verletzung von Absatz 1 beauftragt, sind nichtig. 3. Vereinbarungen über die Weitervergabe bezüglich eines Teils der Waren und Dienstleistungen, die Gegenstand des Zuliefervertrages sind, sind ebenfalls Zulieferverträge im Sinne dieses Gesetzes. Es dürfen in diesem Untervertrag keine ungünstigeren Zahlungsfristen als in dem Hauptzuliefervertrag vereinbart werden. Art. 5 – Haftung des Zulieferers 1. Der Zulieferer haftet für die Funktionsfähigkeit und die Qualität des von ihm nach den vertraglichen Vorgaben und den Regeln der technischen Kunst hergestellten Teils oder zusammengefügten Produkts bzw. der entsprechend erbrachten Dienstleistung. 2. Der Zulieferer haftet nicht für Fehler des Materials oder der Werkzeuge, die ihm von dem Besteller für die Durchführung des Vertrags zur Verfügung gestellt worden sind, wenn diese dem Besteller unverzüglich angezeigt wurden. 3. Jede den Absätzen 1 und 2 widersprechende Vereinbarung ist nichtig. 4. Beanstandungen im Zusammenhang mit der Durchführung des Zuliefervertrags müssen von dem Besteller innerhalb der im Vertrag vereinbarten Fristen, die nicht von den allgemeinen gesetzlichen Regeln abweichen dürfen, mitgeteilt werden. Art. 6 – Nichtigkeit einzelner Klauseln 1. Eine Vereinbarung zwischen Zulieferer und Besteller, die einem von beiden die Befugnis einräumt, einseitig eine oder mehrere Klauseln des Zuliefervertrages zu ändern, ist nichtig. Wirksam sind jedoch vertragliche Vereinbarungen, die es dem Besteller erlauben, nach vorheriger Benachrichtigung und innerhalb vertraglich festgelegter Fristen und Grenzen, die zu produzierende Menge und die Fristen für die Erbringung der Leistung zu bestimmen. 2. Eine Vereinbarung, die einer der Parteien in einem Zuliefervertrag, der fortlaufend oder in wiederkehrenden Abständen zu erfüllen ist, die Befugnis einräumt, ohne angemessene Frist zu kündigen, ist nichtig. 3. Eine Vereinbarung, mit der der Zulieferer dem Besteller ohne angemessene Gegenleistung Immaterialgüterrechte einräumt, ist nichtig. Art. 7 – Eigenschaften des Projekts 1. Der Besteller behält das geistige Eigentum an den Plänen und technischen Vorgaben, die er dem Zulieferer übermittelt hat und trägt die damit verbundenen Risiken. Der Zulieferer ist zur Vertraulichkeit verpflichtet und haftet für die korrekte Durchführung des von ihm Verlangten, wofür er das Risiko trägt. Art. 8 – Regelung bezüglich der Mehrwertsteuer (I.V.A) 1. Dem Art. 74 des Dekretes des Präsidenten der Republik vom 26. Oktober 1972, Nr. 633, wird nach dem vierten Absatz folgendes hinzugefügt: ,,Bei Zulieferverträgen, in denen für die Zahlung des Preises eine Frist nach der Lieferung der Sache oder nach der Mitteilung der Erbringung der Leistung vorgesehen ist, kann der Zulieferer die Zahlung [der Mehrwertsteuer] zum nächsten Steuertrimester vornehmen, ohne dass dies zur Verzinsung verpflichtet“. 2. [... ]

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Anhang Legge Subfornitura (deutsche Übersetzung)

Art. 9 – Missbrauch wirtschaftlicher Abhängigkeit 1. Es ist Unternehmen verboten, die wirtschaftliche Abhängigkeit zu missbrauchen, in der sich ein anderes Unternehmen als Kunde oder Lieferant befindet. Als wirtschaftliche Abhängigkeit gilt die Situation, in der ein Unternehmen in der Lage ist, in den Handelsbeziehungen mit einem anderen Unternehmen ein übermäßiges Missverhältnis von Rechten und Pflichten durchzusetzen. Die Bewertung der wirtschaftlichen Abhängigkeit erfolgt auch unter dem Gesichtspunkt, ob die den Missbrauch erleidende Partei die tatsächliche Möglichkeit hat, auf dem Markt zufriedenstellende Alternativen zu finden. 2. Der Missbrauch kann unter anderem in der Weigerung zu verkaufen oder zu kaufen, in der Durchsetzung von ungerechtfertigt belastenden oder diskriminierenden Vertragsbedingungen oder in der willkürlichen Unterbrechung der bestehenden Handelsbeziehungen bestehen. 3. Die den Missbrauch wirtschaftlicher Abhängigkeit beinhaltende Vereinbarung ist nichtig. 3-bis. Unbeschadet der Anwendbarkeit von Art. 3 Kartellgesetz [legge 10 ottobre 1990, n. 287] kann die Kartellbehörde [Autorita` garante della concorrenza e del mercato], wenn sie der Ansicht ist, dass im Einzelfall ein missbräuchliches Ausnutzen wirtschaftlicher Abhängigkeit vorliegt, das den Schutz des Wettbewerbs und des Markts betrifft, oder auf Hinweis von Wettbewerbern und infolge eigener Marktüberwachung, die nach Art. 15 Kartellgesetz vorgesehenen Maßnahmen und Sanktionen gegenüber dem Unternehmen ergreifen, das sich missbräuchlich verhalten hat. Im Fall der häufigen und wiederholten Verletzung der Regelung des decreto legislativo 9 ottobre 2002, n. 231 [in Umsetzung der Zahlungsverzugsrichtlinie] ist der Missbrauch unabhängig von dem vorliegen wirtschaftlicher Abhängigkeit zu prüfen. Art. 10 – Schlichtung und Schiedsverfahren (aufgehoben mit D.lgs. 25.11.2016, n. 219) Art. 11 – Inkrafttreten 1. Das vorliegende Gesetz tritt 120 Tage nach seiner Veröffentlichung in dem italienischen Gesetzblatt in Kraft.

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Sachregister Abhängigkeit – des Abnehmers 19 – des Zulieferers 19 – nachfragebedingte 55 – unternehmensbedingte 55 AGB-Kontrolle 50–52, 136f., 214–216, 272, siehe auch condizioni generali; Einkaufsbedingungen; standard contract terms Agency, siehe Principal-Agent-Ansatz Al Nehayan v Kent 85 Alleinbelieferung 43f. Alleinbelieferung/somministrazione 73 appalto, contratto di 71 Arbeitsteilung 1, 9–11, 95 Aston Martin Lagonda v Automotive Industrial Partnership 228 Audit 93–98 Auftragsfertiger 13, 43, 115, 268 Ausgleichsanspruch 222 Auslaufschutz 217–219 Ausschließlichkeitsbindung, siehe Alleinbelieferung Automotive Latch Systems Ltd v Honeywell International Inc 189 Baird Textile Holdings Ltd v Marks and Spencer Plc 83, 187 Belieferungspflicht 227–229 Bemusterung 97 breach of confidence 245–248 breach of contract 102 buona fede 75, 205f. Caroll v Fearon 147 Choice Theory of Contracts 38 Coco v A.N. Clark (Engineers) Ltd. 245, 247 compravendita, contratto di 71

concorrenza sleale 242f. concorso di colpa 124 condition 103, 105, 181f. condizioni generali 74 confidential information 245 Contract Governance 32f. contratto di rete 69 contributory negligence 108 Dauerschuldverhältnis 48 – im englischen Recht 82ff. – siehe auch somministrazione Dokumentationspflichten 94, 97 Donoghue v Stevenson 147 E Hobbs (Farms) v The Baxenden Chemical Co. 148 Eingangskontrolle, siehe Wareneingangskontrolle Einkaufsbedingungen 138–142, 168–170, 224–226, 256–259, 273–275, 279 Einkaufsbedingungen – nach englischem Recht 111–114, 151f., 190f., 256–258, 273–275 – nach italienischem Recht 125–128, 157f., 206f., 256–258, 273–275, 279 Entwicklungskooperation, siehe Forschungs- und Entwicklungskooperation equity 106, 246 Erstbemusterung 97 Exit und Voice 36 Fehleranalyse 97 Fixgeschäft – absolutes 213 – relatives 212f. Forschungs- und Entwicklungskooperation 261–267

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Sachregister

Geheimhaltungsmaßnahmen 250, 252– 255 Geheimnisschutz 238f., 241, 249–252, 260 – im gerichtlichen Verfahren 280–282 – im englischen Recht 245–248 – im italienischen Recht 242–244 – vertraglicher 252, 255 geistiges Eigentum 250 Generalklauseln 38, 53f. Geschäftsgeheimnis 240f., 250, siehe auch confidential information; segreti commerciali; trade secret Geschäftsgeheimnis-Gesetz 249–251 Geschäftsgeheimnis-Richtlinie 240f., 243, 248 Globe Motors Inc v TRW LucasVarity Electric Steering Ltd 84, 86 good faith 84–85 Gruppenfreistellungsverordnung 43f., 269–271 Handelsbrauch 80 Handelskauf 48, 212 Handelsvertreter 219 Hold-up 23, 180, 226–230 Hong Kong Fir Shipping Co Ltd v Kawasaki Kisen Kaisha 103, 182 IATF-Standard 95 implication of terms 84 Incomplete Contract Theory 24–25 Institutionenökonomik 19 Interessenstruktur 14–17 Investitionsrisiko 19 – Anfangsinvestitionen 19, 25, 188, 219, 232 – beziehungsspezifische Investitionen 21–22 – Investitionsschutz 19, 33, 221f., 233f. Italienisches Privatrecht/Einführung und Überblick 60 Just-in-time 10 kartellrechtlicher Auslaufschutz, siehe Auslaufschutz Know-how 235, 237, 240f. komplexer Langzeitvertrag 31

Kooperations- und Rücksichtnahmepflichten 85, 188 kleine und mittlere Unternehmen 56 Kündigung 219 – außerordentliche 210 – ordentliche 209 Land Rover Group Ltd v UPF (UK) Ltd. 187f., 227f. Legge Subfornitura 61–69, 197f. Leyland DAF v Automotive Products 227 Lieferantenauswahl 97 Lieferantenregress 101, 130, 145f. Lieferstopp 227–229 Lizenzvertrag 264–266 Lock-in-Effekt 23 Make or Buy 18, 33 Mängelanzeige 132f. – im englischen Recht 105 – im italienischen Recht 116 Mangelgewährleistung 130–132 – im englischen Recht 102ff. – im italienischen Recht 115–116, 119 Missbrauch von Marktmacht 44, 57, 273 Missbrauch wirtschaftlicher Abhängigkeit/ abuso di dipendenza economica 66–68, 198–203 Mitverschulden 135, 141, 166, 171, siehe auch concorso di colpa; contributory negligence Moral Hazard 24 Murray v Yorkshire Fund Managers Ltd. 263 Nacherfüllung 114, 116, 129f. Nachfragemacht 217f., 272f. Nachverhandlung 25, 33, 84, 178, 233 Netzvertrag 69, siehe auch Vertragsnetz Nomination letter 11 opera, contratto d' 71 Opportunismus 22–23 Organisationsherrschaft 174 Outsourcing 9–11 Ökonomische Analyse des Rechts 39

Sachregister Principal-Agent-Ansatz 22–25, 238 Privatrechtstheorie 3, 40 Produktbeobachtungspflicht 159f., 162 Produkthaftung 144f., 154 Produktrückruf 161–166 – im englischen Recht 147–149 – im italienischen Recht 155 Qualität 91 Qualitätssicherung 93–97 Qualitätssicherungsvereinbarung 99 Rahmenvertrag 46, siehe auch umbrella agreement recesso 195f., 208 Rechtsvergleich 4 Regina Glass Fibre Limited v Schuller 278 relationaler Vertrag 27–28 – relational contract 83–85 Relative Marktmacht 55–56, 217–219 Reputationsmechanismen 30,32 rete, contratto di 69–70 risoluzione 193f., 208 Rückruf, siehe Produktrückruf Rücksichtnahmepflicht, siehe Treuepflicht Rücktritt 212 Rügeobliegenheit 48, 133, 139 Sachmangel 112, 115, 119, 129 Sale of Goods 78 Saltmann Engineering v Campbell Engineering 247 segreti commerciali 243f. self-enforcing 26, 34 Single Sourcing 13, 20, 179f. social embeddedness 29 somministrazione, contratto di 72–73 specific performance 106, 228 standard contract terms 81 subfornitura, contratto di 62–69, 119– 123 Sublieferant 13 – Haftung für 118 Sukzessivlieferungsvertrag Systemzulieferer 12–13

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termination 181–183, 192 test of reasonableness 81, 110f., 185 Timeload Ltd v British Telecommunications Plc 186 Torrington Manufacturing Ltd v Smith 278 tort (of negligence) 107, 146f. trade secret 246, 248 Transaktionskostentheorie 21 Treu und Glauben 53f., 220, 251, siehe auch buona fede; good faith Treuepflichten 31, 85, 228, 230 umbrella agreement 82, 186f. unfair contract terms 81, 110f., 185 Verkehrssicherungspflichten 160f. Verlängerte Werkbank 13 Vertragsauslegung/im englischen Recht 78–81 Vertragsbeendigung 179, 209–214 – vorzeitige 180 – siehe auch termination; Kündigung; recesso; risoluzione Vertragshändler 202, 208, 215, 219 Vertragsnetz 30–31, 69 Vertragspraxis 5, 11–12 Vertragstyp 47–48 Vertragsverhandlung 16, 92, 218, 235, 261 Vertrauensschutz 218 Vertraulichkeitsvereinbarung 255–256 vertretbare Sache 47–48 Waiver 184 Walton v British Leyland 149 Wareneingangskontrolle 94, 133, 160, 172f. Warnpflicht 92, 147, 162f. Werklieferungsvertrag 46f., 211 widersprüchliches Verhalten 222 Yam Seng Pte Ltd. v International Trade Corp Ltd. 85, 182, 188 Zertifizierung 95f. Zulieferbekanntmachung 1978 41, 268f. Zulieferertypen 12–14