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German Pages 1152 [1154] Year 2014
JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 180
Ulrich G. Schroeter
Ratings – Bonitätsbeurteilungen durch Dritte im System des Finanzmarkt-, Gesellschaftsund Vertragsrechts Eine rechtsvergleichende Untersuchung
Mohr Siebeck
Ulrich G. Schroeter, geboren 1971; Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg i.Br. und Lausanne; 2005 Promotion; 2011 Habilitation; seit 2012 Professor an der Universität Mannheim und Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Internationales Unternehmensund Finanzmarktrecht, Europäisches Wirtschaftsrecht; Direktor des Instituts für Unternehmensrecht an der Universität Mannheim (IURUM).
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT.
e-ISBN PDF 978-3-16-153283-2 ISBN 978-3-16-152043-3 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Textservice Zink in Schwarzach aus der Stempel Garamond gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau im Wintersemester 2010/11 als Habilitationsschrift angenommen. Mein herzlicher Dank gilt meinem akademischen Lehrer Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M. für die Betreuung der Arbeit und die Erstbegutachtung sowie Professor Dr. Uwe Blaurock für die Zweitbegutachtung, die er ungeachtet seiner zwischenzeitlichen Emeritierung übernahm. Die Arbeit entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Assistent am Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Abt. II in Freiburg, an die ich gern zurückdenke. Recherchen zum schweizerischen Recht fanden vor allem bei Besuchen an der Universität Basel statt, diejenigen zum Hongkonger und zum U.S.-amerikanischen Recht während mehrmonatiger Forschungsaufenthalte an der University of Hong Kong und der New York University School of Law. Die an der Bonham Road und am Washington Square verbrachten Monate sind mir in vielerlei Hinsicht in besonders positiver Erinnerung geblieben. Ein persönlicher Dank gilt Andreas Maywald für seine stete Gastfreundschaft in der Duane Street. Rechtsvergleichende Untersuchungen bergen stets in gleichsam potenziertem Maße die Gefahr, in ihren Detaildarstellungen zum geltenden Rechtszustand durch Reformen überholt zu werden. Dies gilt umso mehr auf dem Gebiet des Finanzmarktrechts, sofern dort – wie im Nachgang zur globalen Finanzkrise der Jahre 2007–09 – nahezu zeitgleich rechtsordnungsübergreifend Neuregelungen vorgenommen werden. Ich habe mich daher nach Abschluss des Habilitationsverfahrens dazu entschlossen, vor Publikation der Arbeit die wichtigsten angekündigten Rechtsreformen auf gesetzlicher und untergesetzlicher Ebene (namentlich in den U.S.A. durch den Dodd–Frank Act, aber auch im EU-Recht und in Hongkong) abzuwarten und diese noch in den Text einzuarbeiten. Dies hat die Veröffentlichung notwendigerweise verzögert, bringt die Untersuchung aber auf den aktuellen Stand der Finanzmarktgesetzgebung, ohne dass letztlich grundlegende inhaltliche Neuausrichtungen des Textes erforderlich wurden. In der vorliegenden Fassung befindet er sich auf dem Stand Januar 2014. Die Arbeit wurde mit dem Hochschulpreis 2011 des Deutschen Aktieninstituts (1. Preis in der Kategorie Dissertationen und Habilitationen), dem StiftungsFörderpreis 2012 der Stiftung Kapitalmarktrecht für den Finanzstandort Deutschland sowie dem Förderpreis 2013 der Esche Schümann Commichau Stiftung Hamburg ausgezeichnet. Den Vorständen und wissenschaftlichen Beiräten der Institutionen gilt mein Dank für die wissenschaftliche Anerkennung.
VI
Vorwort
Bei der für die Drucklegung erforderlichen Aktualisierung des Fußnotenapparates, der Erstellung des druckreifen Manuskripts und der Anfertigung der Verzeichnisse haben meine Sekretärin Jutta Metz, meine Assistenten Maria Krämer, Jonas von Göler und Heinrich Nemeczek, meine wissenschaftliche Mitarbeiterin Rabea Döllinger und meine studentischen Mitarbeiter Jana Beringer, Jule Schneckener, Julia Franziska Stein, Matthias Hausdorf, Martin Stache und Johannes Wicke an der Universität Mannheim wertvolle Hilfe geleistet. Ihnen gebührt mein aufrichtiger Dank. Dank gilt schließlich Herrn Dr. Franz-Peter Gillig und Frau Ilse König im Verlag Mohr Siebeck, die sich deutlich über das übliche Maß hinaus um die Drucklegung verdient gemacht haben. Dem Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT danke ich für den gewährten Druckkostenzuschuss. Mannheim, im Mai 2014
Ulrich Schroeter
Inhaltsübersicht Erster Teil: Ratings als Marktinformationen § 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand
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Erster Abschnitt: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte: Charakteristika und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Die historische Entwicklung des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
Zweiter Abschnitt: Die Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . .
50
§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . . § 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt: Empirische Befunde und informationstheoretische Begründung . . .
50
41
58
Zweiter Teil: Regulierung durch Ratings: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich Erster Abschnitt: Regulierung von Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 § 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 § 7 Die Bedeutung von Ratings im Rahmen sonstiger rechtlicher Vorgaben für Banken und andere Finanzinstitute . . . . . . . . . . . . 137 Zweiter Abschnitt: Regulierung von Markteintritt und -teilnahme an den Finanzmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 § § § §
8 9 10 11
Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen . . Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität . . . . . Ratings am Markt für komplexe Finanzinstrumente . . Ratings und gesetzliche Marktteilnahmepublizität . . . .
. . . . . . . .
173
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198
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244
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292
Dritter Abschnitt: Regulierung von Marktteilnehmern . . . . . . . . . . . . 335 § 12 Die ratingbasierte Regulierung institutioneller Investoren am Beispiel von Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13 Ratings im Recht der Unternehmensfinanzierung . . . . . § 14 Ratings und die Pflicht zur guten Unternehmensführung (Corporate Governance) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 15 Ratings in der Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
335
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377
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400
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422
VIII
Inhaltsübersicht
Vierter Abschnitt: Ratings in der privaten Regelsetzung . . . . . . . . . . . . 445 § 16 Die Regulierungsfunktion des Ratings aufgrund vertraglicher Inbezugnahmen („rating trigger“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Fünfter Abschnitt: Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 § 17 Die Regulierungsfunktion des Ratings in der zusammenfassenden Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 § 18 Die adressatengerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen als Postulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 Dritter Teil: Regulierung des Ratings: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens § 19 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 Erster Abschnitt: Grundfragen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522
§ 20 Markt und Wettbewerb der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . 522 § 21 Der Institutionsschutz der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . 556 Zweiter Abschnitt: Präventive Kontrolle der Rating-Agenturen . . . . . . . 604 § 22 Staatliche Zulassungs- und Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 § 23 Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 Dritter Abschnitt: Pflichten der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . 681 § 24 Begründung von Organisations- und Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 § 25 Einzelne Organisations- und Verhaltenspflichten der RatingAgenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702 Vierter Abschnitt: Haftung der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . 777 § 26 Grundfragen der zivilrechtlichen Haftung im Ratingkontext § 27 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dem Emittenten beim beauftragten Rating . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 28 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dem Emittenten für unbeauftragte (unsolicited) Ratings . . . . . . . . . . . . . . § 29 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 30 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . 777 . . . . . 791 . . . . . 852 . . . . . 873 . . . . . 885
Fünfter Abschnitt: Kontrolle der Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . . . 956 § 31 Systemische Risiken der Regulierungsfunktion des Ratings und ihre Vermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 956 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 985
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLVII
Erster Teil
Ratings als Marktinformationen § 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand I. Einleitung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
II. Der Funktionswandel des Ratings: Von der privaten Marktinformation zum Bestandteil rechtlicher Regelungen . . . . . .
5
1. Die Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Regulierungsfunktion des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 6
III. Methode und Gang der Untersuchung
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Rechtsvergleichung als Methode und Spektrum der untersuchten Rechtsordnungen . . . . . . . a) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) U.S.A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Hongkong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . .
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Erster Abschnitt: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte: Charakteristika und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
I. Das Rating als Bonitätsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bonität als alleiniger Aussagegegenstand eines Ratings . . . a) Bonität, Kreditrisiko und Kreditwürdigkeit . . . . . . . . . . b) Risiken jenseits des Aussagegehalts des Ratings . . . . . . . c) Das verbreitete Missverständnis des Ratings als „allgemeines Gütesiegel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mangelnder Empfehlungscharakter von Ratings . . . . . . . 2. Das Rating als subjektive Meinung der Rating-Agentur mit Prognosecharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ratings als relative Einstufungen in Bonitätskategorien . . . . .
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X
Inhaltsverzeichnis
II. Ratings als symbolhaft ausgedrückte Bonitätseinstufungen . . . . . . 1. Das „Ratingkürzel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ratingskala für langfristige Verbindlichkeiten der Moody’s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ratingskala für langfristige Verbindlichkeiten der Standard & Poor’s und Fitch . . . . . . . . . . . c) Weitere Ratingskalen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die begleitenden Ratingberichte . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . Rating-Agentur . . . . . . . . . . . Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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23
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24 27 27
III. Ratinggegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Emittentenratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Emissionsratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strukturierte Finanzinstrumente (Verbriefungen) c) Vorzugsaktien (preferred stock) . . . . . . . . . 3. Sovereign Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Das Rating als Aussage eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rating-Agenturen und andere Anbieter von Ratings . . . . . . . . . . . 2. „Externe“ und „interne“ Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellung der Rating-Agentur zwischen Emittenten (Kapitalnachfragern) und Investoren (Kapitalanbietern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftsmodelle der Rating-Agenturen: „investor pays“ und „issuer pays“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Beauftragte“ und „unbeauftragte“ Ratings . . . . . . . . . . . . . . aa) Beauftragte oder „solicited“ Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unbeauftragte, „unsolicited“ oder „investor related“ Ratings . .
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§ 3 Die historische Entwicklung des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Die Kreditauskunfteien als Vorgänger der Rating-Agenturen
. . . .
II. Entstehung und Ausbau des Ratings durch Rating-Agenturen in den U.S.A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gründung und Wachstum der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . 2. Der Übergang vom „investor pays“- zum „issuer pays“Geschäftsmodell in den 1970er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Die Internationalisierung des Ratings
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Die zunehmende Verwendung von Ratings außerhalb der U.S.A. . . . . 2. „Ratingskandale“ als Kehrseite der gestiegenen Bedeutung der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ratings und die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum (ab 2010) . . . . . .
46
Zweiter Abschnitt: Die Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . .
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§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . . .
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I. Ratings als private Marktinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
1. Die Bedeutung von Bonitätsinformationen am Finanzmarkt . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
XI
2. Die Rating-Agenturen als Informationsintermediäre . . . . . . . . . . . a) Bedeutung der Marktinformationsfunktion des Ratings für die Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung der Marktinformationsfunktion des Ratings für die Funktionsfähigkeit der internationalen Finanzmärkte . . . . .
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II. Ratings im Informationssystem des Finanzmarkts . . . . . . . . . . .
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1. Private Marktinformationen und gesetzliche Pflichtpublizität . . . . . . 2. Rating-Agenturen und andere Informationsintermediäre („gatekeeper“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt: Empirische Befunde und informationstheoretische Begründung . . . I. Einleitung
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58
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung . . . . . . . . . .
59
1. Marktreaktionen auf Ratingveröffentlichungen als Beweis ihres Informationswertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anleihenkurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) . . . . . . . . c) Aktienkurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auffälligkeiten in den Marktreaktionen und Rückschlüsse auf den Informationswert des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Marktanpassungen bereits vor Ratingänderungen – Irrelevanz für Informationswert und „through the business cycle“-Methode der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stärkere Marktreaktionen bei Herabstufungen von Ratings als bei Heraufstufungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonders heftige Marktreaktionen bei Ratingänderungen an der „investment grade“-/„non-investment grade“-Schwelle . . . . d) Marktreaktionen auch auf die Veröffentlichung unbeauftragter Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Theoretische Begründung auf der Grundlage informationsökonomischer Modellannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Neoklassische Theorie: Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und Rationalmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationsökonomische Begründung der empirischen Marktreaktionen auf Ratings bei informationseffizientem Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlender Informationswert von Ratings am informationseffizienten Kapitalmarkt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „Regulatory license theory“ (Partnoy): Regulierungsfunktion des Ratings als alleiniger Grund für Marktreaktionen am informationseffizienten Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . cc) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XII
Inhaltsverzeichnis
(1) Verarbeitung vertraulicher Emittenteninformationen im Rating als (teilweise) Erklärung des Informationswerts selbst an informationseffizienten Märkten . . . . . . . . . . . (2) Fehlende Erklärbarkeit der Marktreaktionen allein durch die Regulierungsfunktion des Ratings . . . . . . . . . b) Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und Rationalmodell als Grundlagen geltender gesetzlicher Publizitätsregelungen . . . . . aa) U.S.-amerikanisches Kapitalmarktrecht: Efficient Market Hypothesis als anerkannte Grundlage des gesetzlichen Publizitätssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Deutsches, schweizerisches und Hongkonger Kapitalmarktrecht: Efficient Market Hypothesis und Rationalmodell als Grundlage einzelner Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neoinstitutionalistische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationswert von Ratings infolge von Informationskostenvorteilen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlende Erklärbarkeit der Marktreaktionen auf Ratingänderungen, die ausdrücklich keine Neubewertung der Bonität signalisieren . . . aa) Marktreaktionen auf die technische Verfeinerung der Moody’s-Ratingskala (1982) . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Marktreaktionen auf die Herabstufung des ThyssenKruppRatings infolge einer internen Ratingmethodeänderung (2003) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Eigener Erklärungsansatz: Die Codierung der Information als Grund des Informationswertes von Ratings . . . . . . . . . . . . .
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1. Die Aufnehmbarkeit der in Ratingkürzeln codierten Informationen durch die Informationsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mangelnde Berücksichtigung der begrenzten Informationsaufnahmekapazität „realer“ Marktteilnehmer durch Rationalmodell und Verhaltensökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Codierung der Information als Grund für die effektive Aufnahme von Ratings durch „reale“ Marktteilnehmer . . . . . . . 2. Die einfache Verarbeitbarkeit der in Ratingkürzeln codierten Bonitätseinstufungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationsverarbeitung und Verhaltensökonomik . . . . . . . . . b) Der standardisierte, global einheitliche Aussagegehalt von Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V. Zusammenfassung
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XIII
Inhaltsverzeichnis
Zweiter Teil
Regulierung durch Ratings: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich Erster Abschnitt: Regulierung von Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 § 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Einleitung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Rechtslage vor „Basel II“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. „Basel I“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . b) „Basel I“ und die begrenzte regulatorische Verwendung von Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ratingunabhängige Kreditrisikobewertung unter „Basel I“ . . bb) Revidierter Basel I-Akkord (1996): Ratings als Bewertung des Marktrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG: Fakultative Bewertung des Marktrisikos durch Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einzelne Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutsches und europäisches Recht: Zögerliche Ratingverwendung für Zwecke der Marktrisikobewertung . . . . . . . . . . . . . . . b) Schweizer Recht: Starkes Abstellen auf Ratings für Zwecke der Marktrisikobewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) U.S.-amerikanisches Recht: Bereits frühes Abstellen auf Ratings . aa) Bedeutung von Ratings im Verfahren der aufsichtsbehördlichen Bankenzulassung (ab 1930) . . . . . . . . . . . . (1) Rating von Anleihen im Bankenportfolio und Beurteilung der finanziellen Lage der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Baldige Überlagerung durch ratingbasierte Anlagevorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ratings und Marktrisikobewertung nach „Basel I“ . . . . . . d) Hongkonger Recht: Abstellen auf „investment grade“-Rating für Zwecke der Marktrisikobewertung . . . . . . . . . . . . . . .
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III. „Basel II“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Der Basel II-Akkord und seine regulatorische Verwendung von Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die ratingbasierte Bewertung von Kreditrisiken unter „Basel II“ im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Standardansatz: Die Maßgeblichkeit externer Ratings . . . . . aa) Externe Ratings als Risikogewichtung der Bankaktiva . . . bb) Kritik an der zentralen regulatorischen Bedeutung des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) IRB-Ansatz: Die Maßgeblichkeit „interner“ Ratings . . . . . . c) Eigenmittelunterlegung bei Verbriefungen: Die durchgehende Maßgeblichkeit externer Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XIV
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3. Erfordernis der staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen als Voraussetzung für die regulatorische Ratingverwendung . . . . . 4. Begrenzte Änderungen durch „Basel III“ . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umsetzung und praktische Relevanz der ratingspezifischen Regelungen des Basel II/III-Akkords in den einzelnen Rechtsordnungen . . . . . a) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) U.S.A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vor „Basel III“: Verwendung von Ratingbezugnahmen nur im IRB-Ansatz (Verbriefungen) . . . . . . . . . . . . . . . bb) Seit „Basel III“: Vollständiger Verzicht auf Ratingbezugnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Hongkong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Rechtsvergleichender Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Bewertung der Regulierungsfunktion des Ratings im Basler Akkord . . 131 3. Zweckwidrige Lücke in den Ratinganforderungen des Eigenmittelrechts? Die ratingunabhängige Privilegierung von Staatsanleihen in Bankenportfolien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
§ 7 Die Bedeutung von Ratings im Rahmen sonstiger rechtlicher Vorgaben für Banken und andere Finanzinstitute . . . . . . . . . . . . 137 I. Die Beschränkung zulässiger Bankeninvestitionen auf Finanzinstrumente mit einem bestimmten Mindestrating . . . . . 137 1. U.S.-amerikanisches Recht: Umfassendes Verbot von Bankeninvestitionen in Fremdkapitaltitel privater Emittenten unterhalb des „investment grade“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Glass–Steagall Act und seine Anlagevorschriften für Banken aa) Mindestbonitätsvorgaben für Bankeninvestitionen . . . . . . bb) Die Erfindung des ratingabhängigen „investment grade“ . . b) Übernahme der „investment grade“-Grenze durch andere Bankenaufsichtsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen der strikten Mindestratingvorgabe . . . . . . . . . . . . . aa) Erhöhte Bedeutung des Ratings am Anleihenmarkt . . . . . bb) Durchbruch für die Regulierungsfunktion des Ratings im U.S.-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beseitigung der geschriebenen Mindestratingvorgabe infolge des Dodd–Frank Acts (2013) . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Selbstbeurteilung der Bonität durch investierende Bank statt Drittbeurteilung der Bonität durch Rating-Agenturen . bb) Gleichwohl fortdauernde Bedeutung des Ratings . . . . . . . cc) Ergebnis: Primär formelle Umgestaltung der Regelung . . . 2. Deutsches Recht: Beschränkte ratingbasierte Vorgaben für Investitionen bestimmter Spezialbanken in Fremdkapitaltitel . . . . a) Investitionen von Bausparkassen in Schuldverschreibungen mit „investment grade“-Rating (§ 4 Abs. 3 Nr. 5 BausparkG) . .
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XV
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b) Deckungsstockfähigkeit ausländischer öffentlicher Schuldverschreibungen nach § 4 Abs. 1 PfandBG . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Die Sicherung der Liquidität von Banken und anderen Finanzinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Präventive Anforderungen an die Bankenliquidität . . . . . . . . . . a) Hohe Ratingeinstufung als Indikator der kurzfristigen Liquidierbarkeit von Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Präventive Anforderungen an die Liquidität anderer Finanzinstitute a) Die U.S.-amerikanische „net capital rule“ für broker-dealer . . . aa) Die „net capital rule“ als ratingbasierte Liquiditätsregelung (bis 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswirkungen auf die Regulierungsfunktion des Ratings im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schaffung der Kategorie der „Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ (NRSRO) . . . . . . . . . (2) Übernahme des „NRSRO“-Begriffs auch in andere ratingbasierte Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Streichung ausdrücklicher Ratingbezugnahmen aus der „net capital rule“ infolge des Dodd–Frank Acts (2014) . . . . b) Liquiditätsanforderungen an Finanzintermediäre im Hongkonger Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sicherung der Bankenliquidität durch Zentralbanken . . . . . . . . . a) Mindestrating als Voraussetzung für die Zentralbankfähigkeit von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Liquiditätszufuhr über geldpolitische Instrumente . . . . . . . bb) Anlassbezogene Liquiditätszufuhr (lender of last resort) . . . b) Zweck und Folgen der regulatorischen Ratingverwendung . . . .
III. Weitere ratingbasierte Vorgaben
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1. Vorgaben zur Unternehmensverfassung von Banken . . . . . . . . . . . 2. Bonitätsanforderungen an Sicherungsmechanismen für Banken und andere Finanzinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168 169
IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Zweiter Abschnitt: Regulierung von Markteintritt und -teilnahme an den Finanzmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 § 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen
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173
I. Ein allgemeines Ratingobligatorium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Status quo: Kein Ratingobligatorium in den untersuchten Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ratingobligatorien als Mittel der Marktregulierung . . . a) Verfolgte Regelungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Rating und die Zulassung von Anleihen zu organisierten Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. „Investment grade“-Rating als Voraussetzung der Börsenzulassung in der Schweiz (1985–1990) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ratingerfordernis für Anleihen ausländischer Emittenten in den Richtlinien der Schweizerischen Zulassungsstelle . . . . . . b) Kritik und Abschaffung des Ratingerfordernisses . . . . . . . . . . 2. „B“-Mindestrating als Voraussetzung für die Börsenzulassung am New York Stock Exchange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rating als Voraussetzung für die Zulassung zu „Mittelstandssegmenten“ deutscher Börsen (seit 2010) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgestaltung der Ratingerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweck der Ratingerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung: Missverständnisse hervorrufendes Ratingerfordernis auf einem Marktsegment für Privatanleger . . . . . . . . . . . . . aa) Erfordernis lediglich eines Emittentenratings als Problem . . . bb) Dominanz zwar behördlich, aber nicht am Markt anerkannter Rating-Agenturen als Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Investment grade“-Rating als Grund für verfahrensmäßige Privilegierung bei der Börsenzulassung in Hongkong . . . . . . . . . 5. „Investment grade“-Rating als Grund für steuerliche Privilegierung in Hongkong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Tendenz: Markteintrittspublizität statt regulatorische Bonitätsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 179 . . 179 . . 181 . . 182 . . 183 . . 183 . . 185 . . 185 . . 186 . . 187 . . 188 . . 189 . . 190
III. Faktischer Zwang zum Rating: Das Rating als Markteintrittsvoraussetzung bei „traditionellen“ Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Rating als standardisierte und international verständliche Marktinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Ratingbasierte Anlagebeschränkungen für institutionelle Investoren . . . 194 3. Rating als Voraussetzung für öffentliche wie private Anleiheplatzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
IV. Zusammenfassung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität . . . . . . . . . . . . . 198 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 II. Pflicht zur Angabe von Ratings in Wertpapierprospekten
. . . . . . 199
1. Deutsches und europäisches Prospektrecht . . . . . . . . . . a) Richtigkeit und Vollständigkeit des Wertpapierprospekts nach §§ 21 f. WpPG (§ 44 BörsG a.F.) . . . . . . . . . . . aa) Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M. zur Prospekthaftung bei der Bond-DM-Anleihe . . . bb) Die herrschende Gegenansicht im Schrifttum . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ziel der Prospektpublizität als entscheidender Ansatzpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . 199 . . . . . . . 199 . . . . . . . 200 . . . . . . . 201 . . . . . . . 201 . . . . . . . 202
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(2) Inhalt und Grenzen der ratingbezogenen Prospektpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ratingspezifische Anforderungen nach der EG-ProspektVO . . . aa) Verhältnis von EG-ProspektVO und deutschem Prospekthaftungsrecht (§§ 21 ff. WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten nach der EG-ProspektVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis: Ratings und Prospektpflicht im unionsrechtlich harmonisierten deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweizerisches Prospektrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflicht zur Angabe von Ratings in Emissionsprospekten . . . . . aa) Selbstregulierung durch die Schweizerische Bankiervereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzliche Prospektpflicht (Art. 1156 i.V.m. Art. 652a OR) . b) Pflicht zur Angabe von Ratings in Kotierungsprospekten . . . . . c) Zwischenergebnis: Ratings und Prospektpflicht in der Schweiz . . U.S.-amerikanisches Prospektrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten . . . . . . . aa) Freiwilligkeit von Ratingangaben im Prospekt . . . . . . . . . bb) Historische Versuche der SEC zur Einführung einer Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten . . . . . . . . . . . . . b) Förderung der freiwilligen Ratingangabe durch regulatorische Privilegien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rule 436(g) zum Securities Act of 1933 (1982–2010) . . . . . . (1) Die Entbehrlichkeit des Einverständnisses von NRSROs zur Ratingangabe im Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Freistellung der NRSRO von der Prospekthaftung als Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Aufhebung der Rule 436(g) durch den Dodd–Frank Act (2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ratings in „tombstone advertisements“ . . . . . . . . . . . . . c) Empfehlungen zu Inhalt und Form von Ratingangaben . . . . . . Hongkonger Prospektrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Reduktion gesetzlicher Publizitätsvorgaben bei Emissionen mit bestimmtem Mindestrating: Das Rating als Prospektsubstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. U.S.-amerikanisches Recht: Ausnahme kurzfristiger Schuldverschreibungen mit hohem Rating von der Registrierungs- und Prospektpflicht (§ 3(a)(3) Securities Act of 1933) . . . . . . . . . . . . . 2. U.S.-amerikanisches Recht: Einschränkung der Registrierungsund Prospektpflicht für Fremdkapitaltitel mit „investment grade“Rating (bis 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stark reduzierter Prospektinhalt bei Anleihen und preferred stock mit „investment grade“-Rating (Form S–3 zum Securities Act of 1933) (bis 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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aa) Abgestufte gesetzliche Markteintrittspublizität unter Zugrundelegung der Efficient Market Hypothesis . . . . . . . bb) Das „investment grade“-Rating als Beweis der effektiven Emittentenüberwachung durch die Rating-Agenturen sowie als Investoreninformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kritik an der Regulierungsfunktion des Ratings in Form S–3 . dd) Aufhebung der Ratingbezugnahme in Form S–3 in Umsetzung des Dodd–Frank Acts (2011) . . . . . . . . . . b) „Shelf registration“ bei Anleihen und preferred stock mit „investment grade“-Rating (Rule 415 zum Securities Act of 1933) (bis 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schweizer Prospektrecht: Emissionsrating als Substitut für Angaben zur Emittentenfinanzlage bei Anleihen deutscher Bundesländer . . .
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IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Rechtsvergleichender Befund . . . . . . . . . . a) Regelungsphilosophien der Prospektrechte b) Prospektpflichtigkeit von Ratings . . . . . c) Rating als Prospektsubstitut . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 10 Ratings am Markt für komplexe Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . 244 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. „Komplexe“ Finanzinstrumente als faktisches und rechtliches Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Spielarten komplexer Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . b) Komplexe Finanzinstrumente als Schuldverschreibungen besonderer Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dominanz institutioneller Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ratingabhängigkeit des Marktes für komplexe Finanzinstrumente . . a) Bedeutung des Marktes aus Sicht der Rating-Agenturen . . . . . . b) Mangel an aufnehm- und verarbeitbaren Informationen über komplexe Finanzinstrumente als Grund der Ratingbedeutung aus Sicht der Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bedeutung der Regulierungsfunktion des Ratings . . . . . . . . .
. . 244 . . 245 . . . .
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II. Ratings und Regulierung des Marktzugangs für komplexe Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Rating als rechtliche Voraussetzung für die Zulassung komplexer Finanzinstrumente zu organisierten Märkten . . . . . . . . . . . . . . a) Hongkonger Recht: „A“-Rating als Voraussetzung für die Börsenzulassung bestimmter strukturierter Finanzinstrumente . . . . . . b) Schweizer Recht: Rating als Voraussetzung für die Börsenzulassung von Asset-Backed Securities . . . . . . . . . . . . . . . . 2. U.S.-amerikanisches Recht: „Investment grade“-Rating als Substitut für aufsichtsrechtlichen Anlegerschutz bei strukturierten Finanzinstrumenten (Rule 3a–7 zum Investment Company Act of 1940) . .
. . 251 . . 251 . . 252
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a) Rule 3a–7 als ratingabhängige Freistellung von dem umfassenden Anlegerschutzregime des Investment Company Act of 1940 . . . . b) Rating durch Rating-Agenturen als Ersatz für die aufsichtsbehördliche Überwachung der Corporate Governance des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zweck des „investment grade“-Mindestratings . . . . . . . . . . bb) Die Mindestratingvorgabe der Rule 3a–7 im Einzelnen . . . . . (1) „Investment grade“-Schwelle auch bei strukturierten Finanzprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Regulatorische Ermöglichung eines Ein-Rating-Standards am Markt für strukturierte Finanzprodukte . . . . . . . . . (3) Anerkennung und Unabhängigkeit der Rating-Agentur . . . (4) Fortlaufende Überwachung der Finanzproduktstrukturen als Aufgabe der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . c) Fortbestand der Ratingbezugnahmen in Rule 3a–7 trotz des Dodd–Frank Acts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mindestrating als rechtliche Voraussetzung für den Erwerb komplexer Finanzinstrumente durch regulierte institutionelle Investoren . . . . . a) U.S.-amerikanisches Recht: Einheitliches Mindestrating für Investitionen in „mortgage related securities“ (Secondary Mortgage Market Enhancement Act of 1984) . . . . . . aa) Förderung privater Hypothekenkreditverbriefungen als Regelungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einführung eines einheitlichen „AA“-Mindestratings für Investitionen durch institutionelle Investoren als Mittel . . . cc) Auswirkungen des einheitlichen Mindestratings und Kritik an der regulatorischen Ratingverwendung . . . . . . . . . . . . dd) (Einstweilen schwebende) Beseitigung des Mindestratings infolge des Dodd–Frank Acts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ratingabhängige Eigenmittelanforderungen beim Erwerb strukturierter Finanzinstrumente durch Banken („Basel II“) . . . . c) U.S.-amerikanisches Recht: Ausnahmslose Ratingvorgabe für den Erwerb von Asset-Backed Securities durch Geldmarktfonds . . . .
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III. Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität bei komplexen Finanzinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Pflicht zur Angabe bestehender Ratings in Prospekten und funktionsäquivalenten Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . a) Selbstregulierung in der Schweiz: Pflicht zur Ratingangabe im vereinfachten Prospekt für strukturierte Produkte . . . . . . . b) U.S.-amerikanisches Recht: Pflicht zur Ratingangabe in Registrierungserklärungen für Asset-Backed Securities (Regulation AB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Hongkonger Recht: Pflicht zur Ratingangabe in der „formellen Bekanntgabe“ der Börsenzulassung strukturierter Produkte . . . d) Deutsches und europäisches Recht: Keine ausnahmslose Pflicht zur Ratingangabe in Prospekten für komplexe Finanzinstrumente
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2. Reduktion gesetzlicher Publizitätsvorgaben bei komplexen Finanzinstrumenten mit „investment grade“-Rating: Das Rating als Prospektsubstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anlegerschutz durch Markteintrittspublizität vs. flexible Emissionsdurchführung bei Asset-Backed Securities . . . . . . . b) Vorschläge zur ratingunabhängigen Neuregelung von „shelf registrations“ und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Neugefasster Regelungsvorschlag der SEC (2011) . . . . . . bb) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Platzierung komplexer Finanzinstrumente jenseits der gesetzlichen Markteintrittspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausnahmen von der gesetzlichen Markteintrittspublizität . . . . b) Die Erstellung „privater“ Ratings als Folge . . . . . . . . . . . .
. . . 273 . . . 274 . . . 275 . . . 276 . . . 276 . . . 278 . . . 278 . . . 279
IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Rechtsvergleichender Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ratings als gesetzliche Marktzugangsvoraussetzung . . . . . . b) Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität . . . . . . . . c) Inhaltliche Besonderheiten der regulatorischen Ratingverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Marktgetriebene Besonderheiten der „Gatekeeper“-Rolle der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Rating als Beurteilung der Bonität komplexer Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Modellbasierte Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beurteilung nach Tranchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keinerlei Aussagegehalt des Ratings zu sonstigen Risiken . b) Rating-Agenturen als „Berater“ bei der Emission komplexer Finanzinstrumente mit maßgeschneiderter Bonität . . . . . . . 3. Erhöhte Wettbewerbsintensität unter den Rating-Agenturen und „rating shopping“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Modelldivergenzen als ratinganbietergetriebene Voraussetzung b) „Ein-plus-Rating(s)“-Standard als weitere (ratingnachfragergetriebene) Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 11 Ratings und gesetzliche Marktteilnahmepublizität . . . . . . . . . . . . 292 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 II. Information des Marktes über Bonitätsurteile: Die Publizitätspflichtigkeit von Ratings und Ratingänderungen . . . . . . . . . . . . 293 1. Publizitätspflicht des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutsches Recht: Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 WpHG . . . . . . . . aa) Ratings und der Begriff der „Insiderinformation“ i.S. des § 13 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Rating als nicht öffentlich bekannter Umstand (2) Eignung der Information zur Kursbeeinflussung . .
. . . . . . 294 . . . . . . 294 . . . . . . 295 . . . . . . 295 . . . . . . 297
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bb) Ausschließlich aufgrund öffentlich bekannter Umstände erstellte Bewertungen (§ 13 Abs. 2 WpHG) – unsolicited ratings . . . . cc) Weitere Voraussetzungen einer Emittentenpflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . (1) Ratings als Insiderinformationen, die den Emittenten „unmittelbar“ betreffen, § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG? . . . . . (2) Vertraulichkeitsausnahme, § 15 Abs. 3 WpHG . . . . . . . . b) Schweizerisches Recht: Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten gemäß Art. 53 KR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rating als kursrelevante Tatsache, Art. 53 Abs. 1 Satz 1, 2 KR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Irrelevanz eines öffentlichen Bekanntseins des Ratings? . . . . . cc) Eintritt externer Ratings „im Tätigkeitsbereich“ des Emittenten, Art. 53 Abs. 1 Satz 1 KR? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Suspendierung der Ad hoc-Publizitätspflicht bei Vertraulichkeit, Art. 54 KR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Marktteilnahmepublizitätspflicht des Emittenten nach U.S.-amerikanischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Form 8–K . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rule 15c2–12: Continuing Disclosure Agreements bei öffentlichen Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Marktteilnahmepublizität aufgrund von Börsenrichtlinien . . . d) Hongkonger Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigene Ad hoc-Publizitätspflicht der Rating-Agentur . . . . . . . . . . a) Deutsches und europäisches Recht: Publizitätspflicht der Rating-Agentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schweizer, U.S.-amerikanisches und Hongkonger Recht: Keine Ad hoc-Publizitätspflicht von Rating-Agenturen . . . . . . .
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III. Rating-Agenturen als privilegierte Informationsempfänger: Ad hoc-Publizität und informationelle Gleichbehandlung . . . . . . 317 1. Die informationelle Privilegierung der Rating-Agenturen im deutschen und europäischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Informationsadressaten im Rahmen der Ad hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Insiderrechtliches Weitergabeverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ad hoc-Publizitätspflicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG) . . . . . b) Die begrenzte Privilegierung zur Vertraulichkeit verpflichteter Informationsadressaten durch § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG . . . . . aa) Die (gestrichene) ratingspezifische Ausnahme von der Publizitätspflicht im Kommissionsvorschlag zur EG-Marktmissbrauchsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die eingeschränkte Ad hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG und die Emittentenkommunikation mit Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Schweizerisches Recht: Strikte informationelle Gleichbehandlung ohne Privilegien zugunsten der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . 3. U.S.-amerikanisches Recht: Informationelle Privilegierung der Rating-Agenturen durch die Regulation FD . . . . . . . . . . . a) Kommunikation mit Informationsintermediären als Regelungsgegenstand der Regulation FD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Spezifische Nichtanwendbarkeit auf Rating-Agenturen (2000–2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Streichung der spezifischen Privilegierung von Rating-Agenturen in Umsetzung des Dodd–Frank Acts (2010) . . . . . . . . . . . . d) Gleichwohl fortgeltende informationelle Privilegierung von Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hongkonger Recht: Strikte informationelle Gleichbehandlung ohne Privilegien zugunsten der Rating-Agenturen . . . . . . . . . .
. . . 323 . . . 323 . . . 324 . . . 325 . . . 326 . . . 327 . . . 328
IV. Organisatorische Absicherung der informationellen Gleichbehandlung: Die Pflicht der Rating-Agenturen zur Führung von Insiderverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 1. Deutsches Recht: Pflicht der Rating-Agentur zur Führung eines Insiderverzeichnisses gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG . . . . . . 329 2. Keine Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
V. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 1. Publizitätspflicht des Emittenten bezüglich Ratingänderungen . . . . . . 331 2. Publizitätsrechtliche Privilegierung der Rating-Agenturen als Informationsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 3. Publizitätsrechtliche Pflichten der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . 334
Dritter Abschnitt: Regulierung von Marktteilnehmern
. . . . . . . . . . . . 335
§ 12 Die ratingbasierte Regulierung institutioneller Investoren am Beispiel von Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 II. Gesetzliche Vorgaben für Investitionen durch Fonds
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1. Deutsches und Schweizer Recht: Keine allgemeinen Ratingvorgaben für Investitionen durch Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. U.S.-amerikanisches und Hongkonger Recht: Strikte Mindestratings für Investitionen durch trust funds . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) U.S.-amerikanisches Recht: „legal investment lists“ . . . . . . . b) Hongkonger Recht: „A“-Mindestrating . . . . . . . . . . . . . . 3. Indirekt wirkende Mindestratings für Investitionen durch Geldmarktfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) U.S.-amerikanisches Recht: Rule 2a–7 zum Investment Company Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rule 2a–7 zwischen ratingbasierter Bewertungsregelung und Marktzugangsstandard . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . 338 . . . 339 . . . 339 . . . 340 . . . 341 . . . 341 . . . 341
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bb) Inhalt, Zweck und Wirkungen der Ratingvorgabe in Rule 2a–7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Sicherung der Portfolioqualität durch Mindestratingvorgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ratingvorgabe als Begrenzung von Kreditund allgemeinem Marktrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Auswirkungen der Ratingvorgabe . . . . . . . . . . . . . . (a) Auswirkungen auf den Markt für Commercial Paper . (b)Auswirkungen auf die Pflicht der Fondsleitung zur eigenständigen Bonitätsprüfung . . . . . . . . . . . (c) (Bloße) Prüfungspflicht des Fonds bei Ratingherabstufungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) (Bislang) Fortbestand der Ratingbezugnahmen in Rule 2a–7 trotz des Dodd–Frank Acts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europäisches und deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) OGAW-Richtlinie, CESR-Leitlinien und FondskategorienRichtlinie der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Künftige Beseitigung der regulatorischen Ratingverwendung durch EU-GeldmarktfondsVO? . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mindestratings und Risikobegrenzung bei bestimmten Anlagetechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) EG-Recht (OGAW-Richtlinie): Ratings und Gegenparteirisiko bei Investitionen richtlinienkonformer Fonds in Geldmarktinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ratings und ausreichende Sicherheiten bei Wertpapierleihen (Securities Lending) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schweizer Recht: Effektenleihe durch Effektenfonds . . . . . bb) Deutsches Recht: Wertpapier-Darlehen durch richtlinienkonforme Fonds (bis 2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ratings und Zulässigkeit von Pensionsgeschäften . . . . . . . . . aa) Schweizer Recht: Ratings und zulässiger Gegenstand von Pensionsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mindestrating bei Reverse Repos . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ratingvorgabe zur Begrenzung von Kreditoder Marktrisiko? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) U.S.-amerikanisches Recht: Mindestratings bei Pensionsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mindestratingvorgabe für den Gegenstand privilegierter Pensionsgeschäfte (Rule 5b–3) . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ratingvorgabe zur Begrenzung von Marktund Liquiditätsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine Auswirkung des Dodd–Frank Acts auf Fortbestand der Ratingbezugnahme in Rule 5b–3 . . . . . . . . . . . . d) Schweizer Recht: Ratings und Gegenparteirisiko bei Derivatgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Private Regelsetzung zu Investitionen durch Fonds: Ratingbezugnahmen in internen Anlagerichtlinien . . . . . . . . . . . 367 1. Regulierungsfunktion des Ratings in internen Anlagerichtlinien . . . . . 367 2. Das „investment grade“ als einheitliches Mindestrating . . . . . . . . . . 369
IV. Verbot eines übermäßigen Rückgriffs auf Ratings . . . . . . . . . . . . 370 1. Europäisches und deutsches Fondsrecht: Verbot des übermäßigen Rückgriffs auf Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 2. Zweck der Regelung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
V. Ratings als Konkretisierung allgemeiner Sorgfaltsmaßstäbe für Investitionen durch Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 VI. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 1. Rechtsvergleichender Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
§ 13 Ratings im Recht der Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . 377 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 II. Rechtliche Bedeutung des Ratings für die Fremdfinanzierung von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 1. Fehlende rechtliche Determinierung der Finanzierungsstruktur von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rating-Agenturen als private Standardsetzer . . . . . . . . . . a) Ratinginduzierte Eigenkapitalquote als Grenze der Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Hybride“ Formen der Unternehmensfinanzierung als ratinggetriebenes Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflicht der Unternehmensleitung zur Beauftragung einer Rating-Agentur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Eigenkapitalfinanzierung: Ratings im Recht der Kapitalaufbringung und -erhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „Vollwertigkeit“ von Ansprüchen gegen den Gesellschafter als Kriterium des modernisierten Kapitalaufbringungsund -erhaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Funktion des Ratings in der Vollwertigkeitsbeurteilung . . aa) Die Verwendung von Ratings als Vollwertigkeitsindikatoren in der wissenschaftlichen Diskussion . . . . . . . . . . . . . (1) Die „außerhalb jedes vernünftigen Zweifels stehende“ Kreditwürdigkeit des Gesellschafters i.S. des „NovemberUrteils“ als „AAA“-Bonität? . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ratings und die „Vollwertigkeit“ von Ansprüchen gegen den Gesellschafter seit MoMiG und ARUG . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtssicherheit durch das Abstellen auf Bonitätsbeurteilungen durch einen unabhängigen Dritten . . . . .
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(2) Die Ratingbeachtung als „safe harbour“? . . . . . . . . c) Die Pflicht der Geschäftsleitung zur fortlaufenden Bonitätsüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Informationspflichten: Nutzung von Ratings in ihrer Marktinformationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . bb) Reaktionspflichten: Vertragliche Verwendung von Ratings in ihrer Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 14 Ratings und die Pflicht zur guten Unternehmensführung (Corporate Governance) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 I. Ratings als Informationsgrundlage für unternehmerische Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 1. Unternehmerische Entscheidungen mit Bonitätsbezug: Fallgruppen . . 2. Pflicht der Geschäftsleiter zur Ratingbeachtung . . . . . . . . . . . . . a) „Business judgment rule“ und Anforderungen an die Informationsgrundlage unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . b) Recht der Geschäftsleiter zur Ratingbeachtung . . . . . . . . . . . . aa) Untauglichkeit von Ratings als Informationsgrundlage infolge mangelnder Unabhängigkeit der Rating-Agenturen? . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Pflicht zur Ratingbeachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ratingbeachtung durch Geschäftsleiter als „safe harbour“? . . . . . . .
II. Zusammenarbeit mit Rating-Agenturen und unternehmensinterne Corporate Governance
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1. Organzuständigkeit für die Zusammenarbeit mit Rating-Agenturen . 2. Kommunikation mit Rating-Agenturen und Verschwiegenheitspflicht der Unternehmensleitung (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AktG) . . . . . . . . . 3. Organschaftliche Pflichten der Unternehmensleitung im Ratingkontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflichten bei der Zusammenarbeit mit Rating-Agenturen . . . . . b) Pflicht zur Vermeidung existenzbedrohender „rating trigger“ . .
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III. Ratingerhaltung als übergeordnetes Ziel unternehmerischen Handelns? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 § 15 Ratings in der Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 I. Einleitung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
422
II. Die rechtliche Ordnung der Anlageberatung in den untersuchten Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 1. 2. 3. 4.
Deutsches Recht . . . . . . Schweizer Recht . . . . . . U.S.-amerikanisches Recht Hongkonger Recht . . . .
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III. Die Rolle von Ratings im Rahmen der Anlageberatung . . . . . . . . 430 1. Die Pflicht des Anlageberaters zum Hinweis auf bestehende Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Existenz, Voraussetzungen und Begründung der Pflicht . . . aa) Voraussetzungen der Hinweispflicht . . . . . . . . . . . . bb) Begründung der Hinweispflicht . . . . . . . . . . . . . . b) Hinweispflicht nur bezüglich der Ratings bekannter RatingAgenturen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Pflicht des Anlageberaters zur Erläuterung des Ratings . . . d) Ratinghinweis als per se ausreichende Aufklärung über das Bonitätsrisiko („safe harbour“)? . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflicht des Anlageberaters zum Hinweis auf das Fehlen eines Ratings? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine fortdauernde Hinweispflicht auf Ratingänderungen nach getätigter Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 Vierter Abschnitt: Ratings in der privaten Regelsetzung . . . . . . . . . . . . 445 § 16 Die Regulierungsfunktion des Ratings aufgrund vertraglicher Inbezugnahmen („rating trigger“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 II. Ratingbasierte Zinsanpassung
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1. Der Einfluss des Ratings auf die Zinskonditionen bei Finanzierungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ratingbasierte Zinsklauseln („pricing grids“): Zweck und Gestaltungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Anforderungen an ratingbasierte Zinsklauseln . . . . . a) Die Unabhängigkeit der Rating-Agentur als Grund für die Inhaltskontrollfreiheit von „rating triggern“ . . . . . . . . b) Die Unabhängigkeit der Rating-Agentur als Grund für die Vereinbarkeit von „rating triggern“ mit dem Transparenzgebot 4. Folgen und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . 446 . . . . 447 . . . . 448 . . . . 449 . . . 450 . . . . 452
III. Ratingbasierte Besicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 1. Ratingbasierte Besicherungsklauseln: Zweck und Gestaltungsformen . . 454 2. Gefahr eines „Klippeneffekts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
IV. Ratingbasierte Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 1. Ratingbasierte Kündigungsrechte: Zweck und Gestaltungsformen . . . . 456 2. Gefahr eines „Klippeneffekts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458
V. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459
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Fünfter Abschnitt: Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 § 17 Die Regulierungsfunktion des Ratings in der zusammenfassenden Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 I. Die Regulierungsfunktion des Ratings im rechtsvergleichenden Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 1. Die Bedeutung der Regulierungsfunktion in den einzelnen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bedeutung der Regulierungsfunktion auf den unterschiedlichen Sachgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Typologie der Ratingbezugnahmen in rechtlichen Regelungen . . . a) Ratings als Bestandteil materiellrechtlicher Vorgaben . . . . . . aa) Ratings als Auslöser unmittelbar wirkender rechtlicher Gebote oder Verbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ratings als Risikomaßstab in mittelbar verhaltenssteuernden rechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rolle von Ratings im System der gesetzlich geregelten Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ratings als Gegenstand gesetzlicher Publizitätspflichten . . bb) Ratings als Ersatz gesetzlicher Publizitätspflichten . . . . . . 4. Neuere Tendenzen zur Zurückdrängung der Regulierungsfunktion des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsvergleichender Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) U.S.-amerikanisches Recht: Vorgaben des Dodd–Frank Acts und deren Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begrenzter Anwendungsbereich des Abschaffungspostulats . bb) Fortdauernde regulatorische Bedeutung von Ratings trotz Streichung expliziter Ratingbezugnahmen . . . . . . . . . . c) Risiken der Zurückdrängung der Regulierungsfunktion des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Gründe für die Regulierung durch Ratings und Rückwirkungen auf die Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . . . . . . . . 480 1. Gründe für die Regulierung durch Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Potentielle Rückwirkungen auf die Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
481 484
III. Missverständnisse bezüglich des Aussagegehalts von Ratings und daraus resultierende Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 1. Missverständnisse unter Marktteilnehmern 2. Missverständnisse unter Regelsetzern . . . a) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
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. . . .
. . . .
486 488 488 490
IV. Der Synchronisierungseffekt des Rechts: Das ubiquitäre Abstellen auf „investment grade“ und „non-investment grade“ . . . 491 1. Das Entstehen der Dichotomie von „investment grade“ und „non-investment grade“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
492
XXVIII
Inhaltsverzeichnis
2. Die globale Übernahme der „investment grade“-Schwelle in ratingbasierte Rechtsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 3. Der Synchronisierungseffekt des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
V. Fazit: Bedarf für eine Regulierung des Ratings . . . . . . . . . . . . . . 496 § 18 Die adressatengerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen als Postulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 I. Publizität als zweckgerichtetes Regelungsinstrument . . . . . . . . . . 498 1. Adressatenmodelle des geltenden Publizitätsrechts . . . . . . . . . . . a) U.S.A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutschland, Schweiz und Hongkong . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mangelnde Berücksichtigung der begrenzten Informationsaufnahmeund -verarbeitungskapazität „realer“ Publizitätsadressaten . . . . . . 3. Die Adressatengerechtheit als Leitgedanke eines Systems abgestufter Publizitätsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 500 . . 500 . . 501 . . 502 . . 505
II. Bedingungen der Adressatengerechtheit von Publizitätsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 1. Adressatengerechter Informationsumfang . a) Reduktion der Informationsmenge . . . b) Die Entkoppelung von Information und 2. Adressatengerechte Informationscodierung
. . . . . . . . . . Haftung . . . . .
. . . . als . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorschlag . . . . . . . . . . . . .
506 506 508 509
III. Funktionelle Grenzen des Publizitätsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 510
Dritter Teil
Regulierung des Ratings: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens § 19 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 I. Schutzbedürfnis und Schutzrichtungen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 514
1. Schutz vor unzutreffenden Bonitätsbeurteilungen . . . . 2. Schutz vor systemischen Auswirkungen des Ratings . . . 3. Besonderer Schutz staatlicher Emittenten als Ziel der Ratingregulierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufsichtsrechtliche Sonderregeln zu sovereign ratings im EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erwogenes Verbot unbeauftragter Ratings von EU-Staatsanleihen . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestehende Sondervorschriften der EG-RatingVO b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . 514 . . . . . . . . . 515 . . . . . . . . . 515 . . . . . . . . . 516 . . . . . . . . . 516 . . . . . . . . . 517 . . . . . . . . . 518
II. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520
XXIX
Inhaltsverzeichnis
Erster Abschnitt: Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 § 20 Markt und Wettbewerb der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . 522 I. Wettbewerb als marktendogener Kontrollmechanismus . . . . . . . . 522 1. Die oligopolistische Struktur des Marktes der Rating-Agenturen 2. Die Erhöhung des Wettbewerbs als Desiderat . . . . . . . . . . a) Die Gründung lokaler Rating-Agenturen als Lösung . . . . b) Die Gründung staatlicher Rating-Agenturen als Lösung . . . c) Die staatliche Anerkennung weiterer Rating-Agenturen für regulatorische Zwecke als Lösung . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
522 524 526 528
. . . . .
529
II. Der Markt der Rating-Agenturen als natürliches Oligopol . . . . . . 531 1. Ausgangsbefund: Konstant geringe Anzahl an Rating-Agenturen trotz wechselnder Marktbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ursachen des natürlichen Oligopols . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herrschender Erklärungsansatz: Anbieterbedingtes natürliches Oligopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der langjährige track record als Markteintrittshürde . . . . . bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigener Erklärungsansatz: Nachfragerbedingtes natürliches Oligopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Komplexitätsreduzierende Wirkung eines Informationsanbieteroligopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Belege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Tendenz zur Vereinheitlichung der Ratingskalen . . . (2) Die „Zwei-plus-Ratings“-Usance . . . . . . . . . . . . . . (a) „Zwei-plus-Ratings“-Usance als oligopolperpetuierende Investorenpräferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b)Gegensatz: Keine Geltung der „Zwei-plus-Ratings“Usance am Markt für komplexe Finanzinstrumente . . cc) Oligopolistische Marktstruktur bewirkt Informationsäquilibrium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen für Wettbewerbsmechanismus und staatliche Regulierung . . a) Beschränkter Wettbewerb am natürlich-oligopolistischen Ratingmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vor- und Nachteile des beschränkten Wettbewerbs am Ratingmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
532 533
. . . . . .
534 534 535
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537 538 539 540
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541
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543
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545 546
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546
. .
547
III. Die rechtliche Ordnung des Wettbewerbs auf einem dauerhaft oligopolistischen Ratingmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 1. Kartellverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veröffentlichung unbeauftragter Ratings als unlauterer Wettbewerb? . .
549 550
IV. Fazit: Begrenzte wettbewerbsgetriebene Selbstregulierung des Marktes für Bonitätsinformationen und resultierender Regulierungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 1. Lediglich eingeschränkter Anreiz zur Ruferhaltung am natürlicholigopolistischen Ratingmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
553
XXX
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2. Bedarf für eine Ergänzung der Marktmechanismen durch eine rechtliche Regulierung des Ratingwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 3. Materielle Regulierung internationaler Oligopolisten durch nationales Recht: „Race to the top“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554
§ 21 Der Institutionsschutz der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . 556 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 II. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im U.S.-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 1. Die Rating-Agenturen und das First Amendment . . . . . . . . . . . a) Der „Marktplatz der Ideen“ und die freie Information der Öffentlichkeit als Schutzziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Marktinformationsfunktion der Rating-Agenturen als Grund ihres Institutionsschutzes durch das First Amendment . . . . . . . aa) Der Regelfall: Öffentlich verfügbare Ratings . . . . . . . . . . (1) Bedeutung der unbeauftragten Ratingerstellung und -aktualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ratings als nicht lediglich „commercial speech“ . . . . . . bb) Der Ausnahmefall: „Private“ Ratings . . . . . . . . . . . . . . cc) Irrelevanz der zusätzlichen Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis: Öffentlich zugängliche Ratings als „the world’s shortest editorials“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch das First Amendment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz vor staatlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz im Rahmen von pre-trial discoveries . . . . . . . . . . . . . aa) Institutionsschutz durch das First Amendment . . . . . . . . . bb) Einfachgesetzlicher Institutionsschutz durch journalistenschützende „shield laws“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz vor Schadensersatzhaftung: Der „actual malice“Standard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzung: Der Ratinggegenstand als „matter of public concern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haftung der Rating-Agentur nur für nachweisbar falsche Äußerungen und die (irrelevante) Einordnung von Ratings als „Meinung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Haftung der Rating-Agentur nur bei nachweisbar gröbstem Verschulden: Der „actual malice“-Verschuldensmaßstab . . . dd) Beweisbelastung des Klägers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Umfang des Institutionsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 557 . . 558 . . 560 . . 561 . . 561 . . 562 . . 563 . . 564 . . 565 . . . .
. . . .
565 565 567 568
. . 568 . . 570 . . 571
. . 574 . . . .
. . . .
576 577 578 579
III. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 1. Die Rating-Agenturen und die Medien- und Meinungsäußerungsfreiheit des EU-Primärrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581
XXXI
Inhaltsverzeichnis
a) Schutz durch die Medienfreiheit (Art. 11 Abs. 2 GR-Charta) . . b) Schutz durch die Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 GR-Charta, Art. 10 Abs. 1 EMRK) . . . . . . . 2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Medien- und Meinungsäußerungsfreiheit . . . . . . . . . . . a) Schutz vor unionsrechtlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . b) Schutz vor Schadensersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . .
581
. . .
581
. . . . . . . . .
583 583 584
IV. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im deutschen Recht . . . . 585 1. Die Rating-Agenturen und die Meinungs- und Pressefreiheit des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) b) Schutz durch die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) . . 2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Meinungs- und Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz vor staatlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz vor Schadensersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . .
585 585 586
. . . . . . . . . . . . . . .
590 590 591
V. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im Schweizer Recht . . . . 592 1. Die Rating-Agenturen und die Medien- und Meinungsfreiheit der Bundesverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz durch die Medienfreiheit (Art. 17 BV) . . . . . . . . b) Schutz durch die Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Medien- und Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz vor staatlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz vor Schadensersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
593 593
. . . . . .
595
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
596 596 597
VI. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im Recht Hongkongs . . . 598 1. Der Schutz der Presse und der Meinungsäußerung im Hongkonger Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Presse- und Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz vor staatlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . b) Schutz vor Schadensersatzhaftung . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
598
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
600 600 601
VII. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 Zweiter Abschnitt: Präventive Kontrolle der Rating-Agenturen . . . . . . . 604 § 22 Staatliche Zulassungs- und Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 I. Einleitung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
604
1. Zulassung und Registrierung als präventive Kontrolle der Rating-Agenturen in ihrer Marktinformationsfunktion . . . . . . . . 2. Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
604 605
XXXII
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II. Die staatliche Zulassung von Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . 606 1. Kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach U.S.-amerikanischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwurf eines Credit Rating Agency Duopoly Relief Act of 2005 und Entwürfe zum Dodd–Frank Act (2010) . . . . . . . . . . . . b) Unvereinbarkeit von „prior restraint“ mit dem First Amendment 2. Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach Europäischem Unionsrecht (seit 2010) . . . . . . . . . . . . . . a) „Registrierung“ nach der EG-RatingVO: Zulassungserfordernis oder bloßes Anerkennungserfordernis für Zwecke der regulatorischen Bezugnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Institutionsschützende Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK als abschließende Sonderregelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 EMRK an vorherige Publikationsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zweck und Klarheit des Zulassungserfordernisses nach der EG-RatingVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fehlende Verhältnismäßigkeit des Zulassungserfordernisses nach der EG-RatingVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis: Unvereinbarkeit des Zulassungserfordernisses mit höherrangigem Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen und Garantie der Zulassungsfreiheit der Presse nach deutschem Recht . . . . . . . 4. Kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach Hongkonger Recht (seit 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erbringung von Ratingdienstleistungen als regulierte Tätigkeit i.S.d. Securities and Futures Ordinance . . . . . . . . . . . . . . . b) Institutionsschützende Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 607 . . 607 . . 609 . . 611
. . 611 . . 614 . . 614 . . 615 . . 616 . . 616 . . 619 . . 619 . . 621 . . 622 . . 623 . . 624
III. Staatliche Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen . . . . . 626 1. Institutionsschützende, insb. verfassungsrechtliche Grenzen . . . . . . . 626 2. Begrenzter Nutzen einer Registrierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 629
IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630 § 23 Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 1. Die Notwendigkeit der staatlichen Anerkennung einer RatingAgentur als Voraussetzung ihrer Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . 632 2. Die Freiwilligkeit der Anerkennung als Charakteristikum . . . . . . . . 634
II. Bestehende Regelungen zur staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 1. Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen im EU-Recht . . . . 635
Inhaltsverzeichnis
2.
3.
4.
5.
XXXIII
a) Zulassung von Rating-Agenturen nach der EG-RatingVO und deren Anerkennungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke der „Basel II“/„Basel III“-Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorgaben der EG-Bankenrichtlinie für die mitgliedstaatliche Anerkennung von Rating-Agenturen (bis 2013) . . . . . . . . . bb) Pauschale Anerkennung nach der EG-RatingVO zugelassener Rating-Agenturen durch die EU-CRR (seit 2014) . . . . . . . . Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anerkennung für Zwecke der Eigenmittelanforderungen an Banken (2007–2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Blankettnormen zur Anerkennungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen im U.S.-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anerkennung als Nationally Recognized Statistical Rating Organizations (NRSRO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestätigung des Anerkanntseins der Rating-Agentur am nationalen Markt: Das „no-action letter“-Verfahren der SEC (bis 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Formelle Anerkennung als NRSRO gemäß § 15E Securities Exchange Act of 1934 (seit 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Charakteristika des reformierten Anerkennungsregimes (Credit Rating Agency Reform Act of 2006) . . . . . . . . . (2) Bewertung: Das Verhältnis von staatlicher Anerkennung und Marktakzeptanz der Rating-Agenturen . . . . . . . . . b) Anerkennung durch sonstige U.S.-amerikanische Regulierungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen nach Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „pragmatische“ Anerkennung am Markt beachteter RatingAgenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennung seit „Basel II“ (Art. 6 ERV) . . . . . . . . . . . . . . Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen in Hongkong . . . a) Anerkennung als External Credit Assessment Institution (ECAI) durch die HKMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennung durch die HKMA für den Bereich der Pensionsgeschäfte mit dem „Lender of Last Resort“ . . . . . . . . . . . . . . c) Gemischte Anerkennung für Zwecke der Gewinnbesteuerung . . . d) Anerkennung durch die Securities and Futures Commission . . . . e) Anerkennung im Trust- und im Versicherungsrecht: Gleichwertigkeit mit den beiden großen Rating-Agenturen als Voraussetzung . f) Anerkennung durch die Mandatory Provident Fund Scheme Authority . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Anerkennung durch die Hongkonger Börse für Zwecke der Börsenzulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Fazit zur Anerkennungsregelung in Hongkong . . . . . . . . . . . .
.
635
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636
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636
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655
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656 656
XXXIV
Inhaltsverzeichnis
III. Die Charakteristika der staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen im Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . 657 1. Die Voraussetzungen für die staatliche Anerkennung . . . . . . . . . . a) Anforderungen an die Governance der Rating-Agentur als Anerkennungsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorgabe allgemeiner Grundsätze für die Ratingmethode (Schweizer und Hongkonger Anerkennungsrecht) . . . . . . . . bb) Publizitätsvorgaben nebst einzelnen spezifischen Verbotstatbeständen (U.S.-amerikanische NRSRO-Anerkennung) . . . . . cc) Detaillierte Organisations- und Verhaltensregeln (EG-RatingVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Erstellung beauftragter oder unbeauftragter Ratings als Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Marktakzeptanz der Rating-Agentur als Anerkennungsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wirkungen einer staatlichen Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Relevanz der Anerkennung allein für Zwecke der Anlass gebenden regulatorischen Ratingverwendung . . . . . . . . . . . . . b) Ausstrahlungswirkungen der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Regulierung der Rating-Agenturen durch aufsichtsrechtliche Anerkennungsfolgepflichten und das Paradoxon zusätzlicher Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine inhaltliche Regulierung und Überwachung der Ratingtätigkeit durch staatliche Stellen . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ausweitung der „Transparenz“ als Kern der Ratingregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ermöglichung der Ratingkontrolle durch den Markt als Zweck der Transparenzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Marktkontrolle komplexitätsreduzierender Informationsintermediäre mittels komplexitätserhöhender Transparenzpflichten als Paradoxon . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Global tätige Rating-Agenturen als Adressaten nationaler und regionaler Anerkennungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Koordination durch anerkannte Rating-Agentur und „race to the top“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Äquivalenzlösung der EG-RatingVO . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 657 . 657 . 658 . 660 . 661 . 664 . 665 . 668 . 668 . 669
. 671 . 672 . 672 . 673
. 675 . 677 . 677 . 678
Dritter Abschnitt: Pflichten der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . 681 § 24 Begründung von Organisations- und Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 II. Anwendbarkeit gesetzlicher Organisations- und Verhaltenspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683
XXXV
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III. Anwendbarkeit gesetzlicher Organisations- und Verhaltenspflichten für Finanzanalysten auf Rating-Agenturen . . . . . . . . . . 684 1. Deutsches und europäisches Recht: Umstrittene Nichtanwendbarkeit des § 34b WpHG und der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie auf Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ratings als „indirekte“ Empfehlungen? . . . . . . . . . . . . . b) Widersprüchlichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben . c) Ergebnis: Keine Anwendung von § 34b WpHG und EG-Marktmissbrauchsrichtlinie auf Rating-Agenturen . . . . 2. U.S.-amerikanisches Recht: Anwendbarkeit der Regulierung für „Investment Adviser“ infolge freiwilliger Registrierung der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „freiwillige“ Registrierung nach dem Investment Advisers Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die unklaren Rechtsfolgen der Registrierung . . . . . . . . . . 3. Schweizer und Hongkonger Recht: Nicht bindende Verhaltensstandards für Finanzanalysten ohne Anwendbarkeit auf Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Selbstregulierung der Rating-Agenturen durch freiwillige Verhaltenskodizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 1. Globale Vorbereitung und Koordination der Selbstregulierung durch die IOSCO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der IOSCO-Kodex als Muster für freiwillige Verhaltenskodizes der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Durchsetzungsproblem: Die Überwachung der freiwilligen Kodexkonformität durch die Kapitalmarktöffentlichkeit . . . . 2. Regionale Regulierung der Selbstregulierung in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Ergebnis: Pluralität einschlägiger Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . 700 § 25 Einzelne Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702 I. Pflicht der Rating-Agenturen zur Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . 702 1. Die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen als Grundvoraussetzung für die Erfüllung ihrer Marktinformations- und Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch ihre Beauftragung und Bezahlung durch die Emittenten . . . . . . . . . . . a) Interessenskonflikte aufgrund des „issuer pays“-Modells als Gefährdungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen . . . . . . . . aa) Der Anreiz der Rating-Agenturen zur Ruferhaltung als ausreichende Sicherung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Spektrum der Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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(1) Gesetzliche Offenlegungspflichten der Rating-Agenturen als Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Ersetzung des „issuer pays“-Modells durch ein alternatives Beauftragungs- oder Bezahlungsmodell als Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Einführung einer Bezahlung durch die Investoren . . . . Vorgeschlagene „investor pays“-Modelle . . . . . . . Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b)Einführung einer Beauftragung durch staatliche Behörden oder private Plattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigener Ansatz: Ausgleich spezifischer Fehlanreize durch spezifische gesetzliche Verbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Bedeutung von Marktstruktur und -usancen für die Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch Marktmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Marktsegmente mit „Zwei-plus-Ratings“-Usance . . . . . (b)Marktsegmente, auf denen ein Rating ausreicht . . . . . . (2) Verbot der Abhängigkeit der Ratingeinstufung von der Bezahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verbot der lediglich nachträglichen Beauftragung und Bezahlung der Rating-Agentur nach Wahl des Emittenten (sog. Provisionsmodell) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Das „Provisionsmodell“ (commission model) . . . . . . . (b)Fehlanreize und Unabhängigkeitsgefährdung . . . . . . . (c) Regelungsbedarf und -ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Umsatzbezogener Ausschlussgrund für Rating-Agenturen . 3. Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch gesellschaftsrechtliche Verflechtung mit anderen Unternehmen . . . . 4. Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch ihre Konsultation bereits im Rahmen der Strukturierung später zu ratender Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kombination aus „Beratung“ und späterem Rating als Gefährdungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. 712 . 712 712 713 . 715 . 717
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II. Pflicht der Rating-Agenturen zur Vorhaltung einer ausreichenden Kapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735 1. Schweizer, U.S.-amerikanisches und Europäisches Recht: Unspezifische Vorgabe einer hinreichenden Kapitalisierung . . . . . . . 735 2. Hongkonger Recht: Spezifische Vorgaben zur Kapitalisierung . . . . . . 736
III. Pflicht der Rating-Agenturen zur Transparenz
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1. Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 738 a) Transparenzgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 738 b) Spezifische Gefahren der Transparenz von Ratingmodellen und -methoden für strukturierte Finanzinstrumente . . . . . . . . . . 740
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2. Transparenz gegenüber staatlichen Aufsichtsbehörden . . . . . . . . . . 3. Transparenz gegenüber konkurrierenden Rating-Agenturen . . . . . . .
741 742
IV. Pflicht der Rating-Agenturen zur Geheimhaltung von Unternehmensdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744 V. Sorgfaltspflichten der Rating-Agenturen bei der Ratingerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745 1. Deutsches und Schweizer Recht: Übertragbarkeit prozedural-materieller Sorgfaltsstandards für Warentests auf die Ratingerstellung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „Stiftung Warentest“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und deren Rezeption im schweizerischen Schrifttum . . . . . . . . b) Übertragbarkeit der „Stiftung Warentest“-Formel auf RatingAgenturen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ratingspezifische Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sorgfalt bei der Erhebung der Tatsachengrundlage der Ratings . . aa) Grundsatz: Keine Rechtspflicht zur Datenüberprüfung . . . . bb) Aufsichtsrechtliche Organisationspflichten zur Sicherung der Datenqualität bei komplexen Finanzinstrumenten . . . . . b) Sorgfalt bei der Vornahme der Bonitätsbeurteilung . . . . . . . . aa) Die „Objektivität“ der Ratingmethode . . . . . . . . . . . . . bb) Pflichten bei der Vornahme der Bonitätsbeurteilung als einer subjektiven Meinung über ein künftiges Ereignis . . . . . . .
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VI. Mitwirkungs- und Widerspruchsrechte der Emittenten vor Veröffentlichung des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757 1. Stellungnahmerecht des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Widerspruchsrecht des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
757 759
VII. Pflichten der Rating-Agenturen bezüglich der Publikation des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 1. Art und Weise der Ratingpublikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten bei unbeauftragten Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflicht zur Kennzeichnung unbeauftragter Ratings . . . . . . . . . . b) Zeitpunkt der Ratingpublikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei Ratings für komplexe Finanzinstrumente . . . . . 4. Besonderheiten bei Ratings von EU-Staatsanleihen . . . . . . . . . . . a) Zeitpunkt der Ratingpublikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorgaben der EG-RatingVO: Jahreszeitplan und Freitagsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinbarkeit mit höherrangigem europäischem Recht . . . . . b) Inhalt der Ratingpublikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbot der pauschalen Ankündigung von Ratingüberprüfungen bezüglich einer Ländergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorgaben der EG-RatingVO zum zulässigen Inhalt von Ratingüberprüfungsankündigungen . . . . . . . . . . . . (2) Unvereinbarkeit mit höherrangigem europäischen Recht . .
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XXXVIII
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bb) Verbot von Empfehlungen zur staatlichen Politik durch Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773 (1) Vorgaben der EG-RatingVO zum zulässigen Inhalt von Ratingberichten und -ausblicken . . . . . . . . . . . . . . 773 (2) Unvereinbarkeit mit höherrangigem europäischen Recht . . . 774
VIII. Ratingspezifische Folgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775 Vierter Abschnitt: Haftung der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . 777 § 26 Grundfragen der zivilrechtlichen Haftung im Ratingkontext . . . . . 777 I. Funktionen der zivilrechtlichen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 777 1. Haftung als individueller Ausgleichsmechanismus . . . . . . . . . . . . . 777 2. Haftung als präventiver Schutz- und Steuerungsmechanismus . . . . . . 778
II. Haftungskonstellationen im Ratingkontext . . . . . . . . . . . . . . . . 779 1. Haftung der Rating-Agenturen und Gang der Darstellung . . . . . . . . 779 2. Weitere Haftungskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780 3. Haftung der Rating-Agenturen nach dem U.S.-amerikanischen FIRREA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781
III. Die Haftung global agierender Informationsintermediäre nach nationalem Haftungsrecht und die Sonderrolle des U.S.-amerikanischen Rechts für die Ratinghaftung . . . . . . . . . 783 1. Kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren Haftungsrechts im Erkenntnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der U.S.-Staat New York als Sitz und Ort der Hauptverwaltung der größten Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begrenzte kollisionsrechtliche Relevanz nicht-amerikanischer „Niederlassungen“ der größten Rating-Agenturen . . . . . . . . 2. Der Institutionsschutzstandard des U.S.-amerikanischen Rechts als indirekter globaler Mindeststandard . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Recht des U.S.-Staates New York als regelmäßige lex fori executionis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der New Yorker Libel Terrorism Protection Act of 2008 und der SPEECH Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . 783 . . . 783 . . . 784 . . . 786 . . . 787 . . . 788 . . . 790
§ 27 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dem Emittenten beim beauftragten Rating . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 791 I. Haftung der Rating-Agentur wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Ratingvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792 1. Der Ratingvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragstypologische Einordnung . . . . . . . . . . . . . b) Kollisionsrechtliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsbegründende Pflichtverletzung der Rating-Agentur a) Die Veröffentlichung eines „falschen“ Ratings als Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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792 792 793 794
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XXXIX
aa) Denkbare Ansatzpunkte für die Einordnung eines Ratings als „falsch“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Unmöglichkeit der Ermittlung der „Richtigkeit“ eines Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Prognosecharakter des Ratings und für die Beurteilung der „Richtigkeit“ maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . (2) Das Rating als relatives Wahrscheinlichkeitsurteil . . . . . . (3) Das Rating als Meinung der Rating-Agentur . . . . . . . . . b) Pflichtverletzung der Rating-Agentur bei der Ratingerstellung . . . aa) Ausdrückliche vertragliche Sorgfalts- und Verfahrenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stillschweigend vertraglich vereinbarte Sorgfaltsund Verfahrenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) U.S.-amerikanisches Recht: Stillschweigende Sorgfaltsund Verfahrenspflichten als Umgehung des institutionsschützenden „actual malice“-Standards . . . . . . . . . . . . (2) Deutsches und schweizerisches Recht: Ansätze für umfangreiches, stillschweigend vereinbartes Sorgfaltsund Verfahrenspflichtenprogramm . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ableitung des Pflichtenprogramms aus dem Ratingvertrag selbst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b)Aufsichtsrechtliche Folgepflichten in ihrer Regulierungsfunktion anerkannter Rating-Agenturen als vertragliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Pflichtenregelungen in freiwilligen Verhaltenskodizes der Rating-Agenturen als vertragliche Pflichten . . . . . . cc) Kausalität der Verfahrenspflichtverletzung für das Ratingergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beweislast für die Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kenntnisnahme des Emittenten vom Erstrating vor dessen Veröffentlichung und Folgen für die Haftung (volenti non fit iniuria) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschulden der Rating-Agentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutsches und Schweizer Recht: Vermutete Fahrlässigkeit . . . . . b) U.S.-amerikanisches Recht: „Actual malice“-Verschuldensmaßstab auch bei vertraglicher Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vertragliche Haftungsbeschränkungen zugunsten der Rating-Agentur a) Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schweizerisches und Hongkonger Recht . . . . . . . . . . . . . . . c) U.S.-amerikanisches (New Yorker) Recht . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Haftung der Rating-Agentur wegen fraudulösen Verhaltens . . . . . 817 III. Haftung der Rating-Agentur aufgrund fahrlässiger Ruf- oder Vermögensschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818 1. Grundlagen einer deliktischen Haftung der Rating-Agentur aufgrund fahrlässiger Rufschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XL
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a) U.S.-amerikanisches Recht: Haftung der Rating-Agentur nach dem law of defamation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsches und Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen einer deliktischen Haftung der Rating-Agentur aufgrund fahrlässiger Vermögensschädigung . . . . . . . . . . . . . . . a) U.S.-amerikanisches Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein deliktischer Vermögensschutz bei bestehender Vertragsbeziehung: Die Economic Loss Rule . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsches Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schweizer Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen mangels Schutzgesetz zugunsten des Emittentenvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der „volenti non fit iniuria“-Einwand gegenüber dem beauftragenden Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bei Erstratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bei Folgeratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Haftung der Rating-Agentur wegen Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1, 3 EG-RatingVO . . . . . 830 1. Dogmatische Haftungskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 35a EG-RatingVO als hybride unionsrechtliche Haftungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kollisionsrechtliche Bestimmung des ergänzend anwendbaren nationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Einschlägigkeit des internationalen Privatrechts für vertragliche Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einschlägigkeit des internationalen Privatrechts für deliktische Schuldverhältnisse (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO)? . . . . . . . . cc) Anknüpfung gem. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Rom II-VO an den Sitz der zulassenden Aufsichtsbehörde? . . . . . . . . . . . . . . . dd) Anknüpfung gem. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Rom II-VO an den Sitz der Rating-Agentur (Herkunftsmitgliedstaat) als vorzugswürdige Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personeller Anwendungsbereich: Haftung nur europäischer Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftungsbegründende Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verstoß der Rating-Agentur gegen Anhang III zur EG-RatingVO b) Kausale Auswirkung des Verstoßes auf ein Rating . . . . . . . . . c) Verstöße gegen Anhang III und ihre potentielle Ratingergebnisrelevanz im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verstöße gegen Informationspflichten gegenüber der ESMA oder gegen Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verstöße gegen überwachungsbezogene Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verstöße gegen ratingerstellungsferne allgemeine Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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839 840 840 841
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XLI
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4. 5. 6. 7. 8.
dd) Verstöße gegen ratingerstellungsferne Verhaltenspflichten ee) Verstöße gegen ratingerstellungsbezogene Organisationsund Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweislast für die Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . Haftungsausschlüsse im Ratingvertrag und deren Wirksamkeit Verschuldensmaßstab: Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Rating-Agentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersatzfähiger Schaden des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V. Zusammenfassung
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844 845 847
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§ 28 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dem Emittenten für unbeauftragte (unsolicited) Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 852 I. Haftung der Rating-Agenturen für Ruf- und Vermögensschädigung nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853 1. Haftung für Kredit gefährdende Tatsachenäußerungen, § 824 BGB 2. Haftung für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Emittenten, § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch ungefragte Ratingveröffentlichung („Heberger“-Rechtsprechung) . . . . . . b) Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch ungerechtfertigt niedrige Ratingeinstufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung für die Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . a) Schutz vor bonitätsbezogenen Werturteilen . . . . . . . . . . . . b) Keine Anwendbarkeit der „Stiftung Warentest“-Rechtsprechung auf Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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862 863
II. Haftung der Rating-Agenturen für Rufschädigung nach schweizerischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 863 1. Haftung wegen Verletzung der Persönlichkeit des Emittenten, Art. 28 ZGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der geschäftliche Ruf von Unternehmen als Schutzgegenstand b) Drittwirkung der Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens, Art. 3 UWG .
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864 864 865 866
III. Haftung der Rating-Agenturen für Rufschädigung nach U.S.-amerikanischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867 1. Verdrängung deliktischer Ansprüche nach Gliedstaatenrecht durch den Credit Rating Agency Reform Act of 2006? . . . . . . . . . . 2. Hindernisse einer deliktischen Haftung für unbeauftragte Ratings . . . .
868 869
IV. Haftung der Rating-Agenturen für Rufschädigung nach dem Recht Hongkongs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870
XLII
Inhaltsverzeichnis
§ 29 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 II. Haftung der Rating-Agenturen wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag mit dem Abonnenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 874 1. Abonnementvertrag als Grundlage vertraglicher Pflichten zu Ratinginhalt und -erstellung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) U.S.-amerikanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsches und Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Beratungs- oder Auskunftspflicht der RatingAgenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vertragliche Bestimmung des geschuldeten Publikationsinhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsbeschränkungen zugunsten der Rating-Agentur . . . . . . . a) Kollisionsrechtliche Bestimmung des auf den Abonnementvertrag anwendbaren Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsches, schweizerisches, Hongkonger und französisches Recht: Vertragliche Haftungsausschlüsse und deren Wirksamkeit . . . . . c) U.S.-amerikanisches Recht: Institutionsschützende Wirkungen der Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 875 . . 875 . . 876 . . 877 . . 878 . . 881 . . 881 . . 882 . . 882 . . 883
III. Haftung der Rating-Agenturen aufgrund sonstiger Grundlagen . . . 884 § 30 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885 II. Prospekthaftung der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 886 1. Deutsches Recht: Keine Prospekthaftung von Rating-Agenturen nach §§ 21 ff. WpPG (§§ 44 ff. BörsG a.F.) . . . . . . . . . . . . 2. Schweizer Recht: Prospekthaftung von Rating-Agenturen nach Artt. 752, 1156 Abs. 3 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. U.S.-amerikanisches Recht: Keine Prospekthaftung von RatingAgenturen nach §§ 11 ff. Securities Act of 1933 . . . . . . . . . 4. Hongkonger Recht: Allenfalls theoretische Prospekthaftung von Rating-Agenturen nach §§ 38C, 40 Companies Ordinance .
. . . . . 886 . . . . . 887 . . . . . 890 . . . . . 892
III. Haftung der Rating-Agenturen wegen vorsätzlicher Schädigung der Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 1. Mangelnde Beweisbarkeit vorsätzlichen Fehlverhaltens als rechtsordnungsübergreifendes Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 2. Insbesondere: Securities fraud und Institutionsschutz der RatingAgenturen nach U.S.-amerikanischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 893 a) Darlegung von scienter ohne pre-trial discovery-Möglichkeit . . . . . 894
XLIII
Inhaltsverzeichnis
b) Reduzierter pleading standard bei Klagen gegen Rating-Agenturen (seit 2010) und Beweis von „actual malice“ nach dem First Amendment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Deliktische Haftung der Rating-Agenturen für fahrlässig verursachte Vermögensschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 896 1. Deutsches Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schweizer Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen wegen fehlender Rechtspflicht zum Schutz des Investorenvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. U.S.-amerikanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 552 Restatement (Second) of Torts . . . . . . . . . . . . . . bb) Negligent misrepresentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftungsmildernde Wirkung des institutionsschützenden „actual malice“-Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hongkonger Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen mangels Sorgfaltspflicht gegenüber dritten Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Rechtsgeschäftsähnliche Informationsdritthaftung der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 908 1. Deutsches Recht: Rechtsgeschäftsähnliche Expertenhaftung nach § 311 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 311 Abs. 3 BGB als Ankernorm und Verhältnis zur vertraglichen Dritthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 311 Abs. 3 BGB als Ankernorm . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Verdrängung, aber Zurückführung der Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . b) Die „Inanspruchnahme besonderen Vertrauens“ als Haftungsvoraussetzung und -beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abstraktes Vertrauen der Investorenöffentlichkeit in Expertise der Rating-Agenturen nicht ausreichend . . . . . . . . . . . . bb) Beschränkung der Vertrauensinanspruchnahme durch notwendigen Bezug zu konkreter Vertragsanbahnung . . . . . (1) Dogmatische Herleitung des Erfordernisses . . . . . . . . (a) Wortlaut des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . (b)Bisherige Rechtsprechung zur Sachwalterund Gutachterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Mittelbare Drittwirkung der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anwendung auf die Informationserstellung und -veröffentlichung durch Rating-Agenturen . . . . . . . . . cc) Beschränkung der Vertrauensinanspruchnahme durch Inhalt der Ratingveröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schweizer Recht: Vertrauenshaftung der Rating-Agenturen? . . . . .
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XLIV
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a) Die Grundsätze der Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 922 b) Haftung der Rating-Agenturen aus enttäuschtem „Ratingvertrauen“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 923 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925
VI. Haftung der Rating-Agenturen infolge einer Schutzwirkung des Ratingvertrages mit dem Emittenten zugunsten dritter Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 926 1. Kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren Rechts . . . . . 2. Verletzung einer Pflicht aus dem Ratingvertrag als haftungsauslösender Umstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Rating-Agenturen auch gegenüber dritten Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nach deutschem Recht: Der Ratingvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten dritter Investoren . . . . . . . . . aa) Leistungsnähe der allgemeinen Investorenöffentlichkeit . . . bb) Im Vertrag verankertes Gläubigerinteresse am Schutz dritter Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Relevanz der gegenläufigen Interessen von Emittent und Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beschränkung des Kreises der in die Schutzwirkung einbezogenen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kriterien der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . (b)Anwendung auf Ratingverträge . . . . . . . . . . . . . cc) Erkennbarkeit von Leistungsnähe und Gläubigerinteresse . . dd) Keine Schutzbedürftigkeit dritter Investoren aufgrund bestehender Ansprüche gegen den Emittenten . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nach Schweizer Recht: Keine vertraglichen Schutzwirkungen zugunsten Dritter bei gegenläufigem Gläubigerinteresse . . . . . c) Nach U.S.-amerikanischem Recht: Keine Einordnung dritter Investoren als „third-party beneficiaries“ . . . . . . . . . . . . . d) Nach Hongkonger Recht: Kein vertraglicher Drittschutz . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . 926 . . . 928 . . . 930 . . . 930 . . . 931 . . . 932 . . . 933 . . . .
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937 937 938 939
. . . 940 . . . 941 . . . 942 . . . 943 . . . 945 . . . 945
VII. Haftung der Rating-Agentur wegen Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1, 2 EG-RatingVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 946 1. Ergänzend anwendbares Haftungsstatut . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsbegründender Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . a) Pflichtverletzung der Rating-Agentur und Beweislast . . b) Nachweis vertretbaren Anlegervertrauens auf das Rating 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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947 948 948 949 951
VIII. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 952 1. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 952 2. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 954
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Inhaltsverzeichnis
Fünfter Abschnitt: Kontrolle der Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . . . 956 § 31 Systemische Risiken der Regulierungsfunktion des Ratings und ihre Vermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 956 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 956 II. Ratingbezugnahmen in Regelungen staatlichen Ursprungs . . . . . . 958 1. Abschaffung oder Reduktion staatlicher Ratingbezugnahmen . . . a) Vollständige Abschaffung staatlicher Ratingbezugnahmen? . . . aa) Ansatz in Rechtsetzung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . bb) Das Problem der fehlenden regelungstechnischen Alternative (1) Credit Spreads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Risikobeurteilung durch staatliche Behörden . . . . . . . (3) Risikobeurteilung durch andere unabhängige Dritte . . . (4) Risikobeurteilung durch den Regulierten selbst . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung staatlicher Ratingbezugnahmen auf Fälle der Kreditrisikoregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systemrisikoreduzierende Ausgestaltung staatlicher Ratingbezugnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestände staatlicher Ratingbezugnahmen . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgeanordnungen staatlicher Ratingbezugnahmen . . . . c) Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. (Ergänzende) Verpflichtung regulierter Marktteilnehmer zur Vornahme eigener Bonitätseinschätzungen . . . . . . . . . . . . a) Rechtsvergleichende Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . b) Zweck der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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958 958 958 959 960 961 961 963 965
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III. Ratingbezugnahmen in privaten Regelwerken („rating trigger“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 972 1. Offenlegungspflichten für „rating trigger“ als Lösung? . . . . . . . . . a) Rechtsvergleichender Befund zu gesetzlichen Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Offenlegung von „rating triggern“ als Teil der Markteintrittspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Offenlegung von „rating triggern“ als Teil der Marktteilnahmepublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) U.S.-amerikanisches Recht: Pflicht zur Offenlegung von Ratingklauseln mit „wesentlicher“ Bedeutung im Rahmen der Regelpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Deutsches und europäisches Recht: Pflicht zur Offenlegung (auch ratingabhängiger) Change of Control-Klauseln im jährlichen Lagebericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Offenlegung von „rating triggern“ als Teil der anlassabhängigen Marktteilnahmepublizität . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkte Tauglichkeit der Risikoprävention durch Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Ausgleich systemischer Wirkungen von „rating triggern“ durch kompensierende aufsichtsrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . 980 3. Gesetzliche Verbote vertraglicher Ratingbezugnahmen und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 981 4. Adressatengerechte Publizität als Lösung: Die Offenlegung vertraglicher Ratingbezugnahmen gegenüber den Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 983
Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 985 Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 989 Verzeichnis der zitierten Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1063 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1083
Abkürzungen Abschn. Acad. Management Rev. AFV-EBK
Abschnitt Academy of Management Review Verordnung der EBK über die Anlagefonds (AFV-EBK) vom 24. Januar 2001 in der Fassung vom 22. März 2005, in Kraft bis zum 15. Februar 2007 (Schweiz) AFV-EBK a.F. Verordnung der EBK über die Anlagefonds (AFV-EBK) vom 27. Oktober 1994 (Schweiz) AJP Aktuelle juristische Praxis Ala. L. Rev. Alabama Law Review Am. Bankr. Inst. J. American Bankruptcy Institute Journal Am. Bus. L.J. American Business Law Journal Am. J. Comp. L. American Journal of Comparative Law Amer. Econ. Rev. American Economic Review AMF Autorité des marchés financiers (Frankreich) ÄnderungsVO Nr. 513/2011 Verordnung (EU) Nr. 513/2011 des Europäischen zur EG-RatingVO Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, ABl. EU vom 31.5.2011, Nr. L 145, S. 30 ff. ÄnderungsVO Nr. 462/2013 Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen zur EG-RatingVO Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, ABl. EU vom 31.5.2013, Nr. L 146, S. 1 ff. AnSVG Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), BGBl. I 2004, S. 2630 AnwBl Anwaltsblatt APLR Asia Pacific Law Review (Hongkong) Asia Pac. Bus. Rev. Asia Pacific Business Review AVO Verordnung über die Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen vom 9. November 2005, in Kraft seit dem 1. Januar 2006 (Schweiz) BankG Bundesgesetz vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz) (Schweiz) Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. Banking and Financial Services Policy Report Banking L.J. Banking Law Journal BankV Verordnung vom 17. Mai 1972 über die Banken und Sparkassen (Bankenverordnung, BankV) in der Fassung vom 26. September 2006, in Kraft seit dem 1. Januar 2007 (Schweiz) BankV a.F. Verordnung vom 17. Mai 1972 über die Banken und Sparkassen (Bankenverordnung, BankV) in der Fassung vom 30. September 2005, in Kraft bis zum 31. Dezember 2006 (Schweiz) Basel II-Akkord Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, Überarbeitete Rahmenvereinbarung (Juni 2006) Basel III – EigenkapitalBasler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel III: Ein globaler anforderungen Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme (Juni 2011)
XLVIII Basel III – Liquiditätsanforderungen
Abkürzungen
Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel III: Mindestliquiditätsquote und Instrumente zur Überwachung des Liquiditätsrisikos (Januar 2013) B.C. L. Rev. Boston College Law Review Begr. Begründer BEHG Schweizerisches Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (Börsengesetz) vom 24. März 1995 B.F.R.L. Banking and Finance Law Review (Kanada) BFuP Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis BGE Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts BGer Bundesgericht (Schweiz) B.J.I.B. & F.L. Butterworths Journal of International Banking & Financial Law BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht B.R. Bankruptcy Reporter BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung Brook. J. Int’l L. Brooklyn Journal of International Law Brook. L. Rev. Brooklyn Law Review BuB Bankrecht und Bankpraxis Buff. L. Rev. Buffalo Law Review Bus. Law. Business Lawyer Bus. L. Today Business Law Today Bus. & Soc. Rev. Business and Society Review BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGK Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts BVA Bundesversicherungsamt CA Cour d’appel (Frankreich) Cal. L. Rev. California Law Review CalPERS California Public Employees’ Retirement System Cap. Chapter Cardozo Stud. L. & Literature Cardozo Studies in Law and Literature Case W. Res. J. Int’l L. Case Western Reserve Journal of International Law Case W. Res. L. Rev. Case Western Reserve Law Review Cass. Corte Suprema di Cassazione (Italien) Cass. civ. Cour de cassation, Chambre civile (Frankreich) CCZ Corporate Compliance Zeitschrift – Zeitschrift zur Haftungsvermeidung im Unternehmen CEBS Committee of European Banking Supervisors CEBS-Anerkennungsleitlinien Guidelines on the recognition of External Credit Assessment Institutions vom 20. Januar 2006 CESR Committee of European Securities Regulators (Ausschuss der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden) CFL Corporate Finance Law C.F.R. Code of Federal Regulations CGFS Committee on the Global Financial System Chapman L. Rev. Chapman Law Review China Bus. Rev. China Business Review CMLJ Capital Markets Law Journal CML Rev. Common Market Law Review
Abkürzungen Colum. Bus. L. Rev. Colum. L. Rev. Company L. Conn. Ins. L.J. Conn. L. Rev. Corp. L. Rev. CRA Code of Conduct Hong Kong DAJV-NL DBW DCGK DePaul Bus. L.J. Det. C. L. Rev. Die Bank Dodd–Frank Act DogmJ
DStR DStRE DTR Durchführungsrichtlinie zur EG-OGAW-Richtlinie
Durchführungsrichtlinie 2003/ 125 zur EG-Marktmissbrauchsrichtlinie
DV DVBl. E. EBA EBAV EBOR ECAI ECMI Econ. Notes Econometrica EG-Abschlussprüferrichtlinie 2006/43
XLIX
Columbia Business Law Review Columbia Law Review The Company Lawyer Connecticut Insurance Law Journal Connecticut Law Review The Corporation Law Review Securities and Futures Commission (Hong Kong), Code of Conduct for Persons Providing Credit Rating Services (June 2011) Newsletter der Deutsch-Amerikanischen Juristen-Vereinigung Die Betriebswirtschaft Deutscher Corporate Governance Kodex DePaul Business Law Journal Detroit College Law Review Die Bank – Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis Dodd–Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act vom 21. Juli 2010 (U.S.A.) Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts (ab 1893 Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts) Deutsches Steuerrecht Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst Disclosure and Transparency Rules der Financial Services Authority (Vereinigtes Königreich) Richtlinie 2007/16/EG der Kommission vom 19. März 2007 zur Durchführung der Richtlinie 85/611/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Hinblick auf die Erläuterung gewisser Definitionen, ABl. EU vom 20.3.2007, Nr. L 79, S. 11 ff. Richtlinie 2003/125/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABl. EU vom 24.12.2003, Nr. L 339, S. 73 ff. Die Verwaltung Das Deutsche Verwaltungsblatt Erwägung European Banking Authority Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung European Business Organization Law Review External Credit Assessment Institutions European Capital Markets Institute Economic Notes Econometrica – Journal of the Econometric Society Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über die Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EU vom 9.6.2006, Nr. L 157, S. 87 ff.
L EG-Bankenrichtlinie
Abkürzungen
Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung), ABl. EU vom 30.6.2006, Nr. L 177, S. 1 ff., in Kraft bis zum 31. Dezember 2013 EG-Börsenrichtlinie Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EU vom 6.7.2001, Nr. L 184, S. 1 ff. EG-EBAV-Richtlinie Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, ABl. EU vom 23.9.2003, Nr. L 235, S. 10 ff. EG-Insiderrichtlinie Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. November 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. EG vom 18.11.1989, Nr. L 334, S. 30 ff. (mit Wirkung zum 12.4.2003 aufgehoben) EG-Kapitaladäquanzrichtlinie Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung), ABl. EU vom 30.6.2006, Nr. L 177, S. 201 ff., in Kraft bis zum 31. Dezember 2013 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU vom 12.4.2003, Nr. L 96, S. 16 ff. EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGMR-E Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Deutschsprachige Sammlung EG-OGAW-Richtlinie Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (Neufassung), ABl. EU vom 17.11.2009, Nr. L 302, S. 32 ff. EG-Prospektrichtlinie Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU vom 31.12.2003, Nr. L 345, S. 64 ff. EG-ProspektVO Durchführungsverordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung, ABl. EU vom 30.4.2004, Nr. L 149, S. 1 ff. (zuletzt geändert durch Delegierte Verordnung (EU) Nr. 759/2013 der Kommission, ABl. EU vom 8.8.2013, Nr. L 213, S. 1 ff.) EG-RatingVO Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABl. EU vom 17.11.2009, Nr. L 302, S. 1 ff. EG-Transparenzrichtlinie Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Trans-
Abkürzungen
EG-Übernahmerichtlinie
E.H.R.L.R. EHRR EIOPA EJCL ERV
ESMA ESMA-VO
ESZB-Satzung EU-AIFM-Richtlinie
EU-CRD IV
EU-CRR
EU-DurchführungsVO Nr. 583/2010
EuR Europ. J. Finance F.2d F.3d FamRZ Fin. Analysts J.
LI
parenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU vom 31.12.2004, Nr. L 390, S. 38 ff. Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. EU vom 30.4.2004, Nr. L 142, S. 12 ff. European Human Rights Law Review European Human Rights Report European Insurance and Occupational Pensions Authority Electronic Journal of Comparative Law Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler (Eigenmittelverordnung, ERV) vom 1. Juni 2012 (Stand am 1. März 2013) (Schweiz) Europäische Wertpapier-und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority) Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier-und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/ 2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU vom 15.12.2010, Nr. L 331, S. 84 ff. Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010, ABl. EU vom 1.7.2011, Nr. L 174, S. 1 ff. Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/ EG, ABl. EU vom 27.6.2013, Nr. L 176, S. 338 ff. Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012, ABl. EU vom 27.6.2013, Nr. L 176, S. 1 ff. Verordnung (EU) Nr. 583/2010 der Kommission vom 1. Juli 2010 zur Durchführung der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die wesentlichen Informationen für den Anleger und die Bedingungen, die einzuhalten sind, wenn die wesentlichen Informationen für den Anleger oder der Prospekt auf einem anderen dauerhaften Datenträger als Papier oder auf einer Website zur Verfügung gestellt werden, ABl. EU vom 10.7.2010, Nr. L 176, S. 1 ff. Europarecht European Journal of Finance Federal Reporter, 2d Series (U.S.A.) Federal Reporter, 3d Series (U.S.A.) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Financial Analysts Journal
LII Finance Devel. FinAnV
FINMA FINMAG
Fin. Manage. Fin. Markets, Inst. & Instruments Fin. Rev. Fin. Stab. Rev. FIRREA First Amend. L. Rev. Fla. St. U. L. Rev. Fn. Fordham Int’l L.J. Fordham J. Corp. & Fin. L. Fordham L. Rev. Fordham Urb. L.J. FR FRBNY C.I. FRBNY Econ. Pol. Rev. FRBNY Q. Rev. FS F.Supp. GAO Geo. L.J. Geo. Wash.L. Rev. GesKR GewO Governance GR-Charta GS Harv. Bus. L. Rev. Harv. J. L. & Pub. Pol’y Harv. L. Rev. Hastings Bus. L.J. HGB HKD HKIMR HK Lawyer HKLJ HKLRD HKMA Hong Kong Listing Rules Hrsg.
Abkürzungen Finance and Development Finanzanalyseverordnung – Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3522), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2007 (BGBl. I S. 1430) Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Schweiz) Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz) vom 22. Juni 2007, in Kraft seit dem 1. Januar 2009 (Schweiz) Financial Management Financial Markets, Institutions and Instruments The Financial Review Financial Stability Review (Belgische Nationalbank) Financial Institutions Reform, Recovery, and Enforcement Act of 1989 (U.S.A.) First Amendment Law Review Florida State University Law Review Fußnote Fordham International Law Journal Fordham Journal of Corporate and Financial Law Fordham Law Review Fordham Urban Law Journal Federal Register (U.S.A.) Federal Reserve Bank of New York, Current Issues in Economics and Finance Federal Reserve Bank of New York Economic Policy Review Federal Reserve Bank of New York Quarterly Review Festschrift Federal Supplement United States Government Accountability Office Georgetown Law Journal George Washington Law Review Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht (Schweiz) Gewerbeordnung Governance: An International Journal of Policy, Administration, and Institutions Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007 Gedächtnisschrift Harvard Business Law Review Harvard Journal of Law & Public Policy Harvard Law Review Hastings Business Law Journal Handelsgesetzbuch Hong Kong Dollar Hong Kong Institute for Monetary Research Hong Kong Lawyer Hong Kong Law Journal Hong Kong Law Reports & Digest Hong Kong Monetary Authority Rules governing the Listing of Securities on the Stock Exchange of Hong Kong Limited, zuletzt geändert am 1. Januar 2009 Herausgeber
Abkürzungen hrsgg. ILR Ind. L.J. Indus. Manage. Rev. InhKontrollV
Int. Adv. Econ. Res. Int. Economy Int’l Fin. L. Rev. Int. J. Finance Econ. Int. J. Ind. Organ. Int. Rev. L. & Econ. Int. Tax Rev. Inv. Lawyer InvG IOSCO IRZ J. Acc. Aud. & Fin. J. Acct. & Econ. JARAF J. Bank. Regul. J. Banking & Fin. Jb.J.ZivRWiss. J. Bus. J. Bus. Fin. & Acct. J. Bus. & Tech.L. J. Competition L. & Econ. J. Corp. L. J. Econ. Behav. Organ. J. Econ. & Bus. J. Econ. & Fin. J. Econ. Surveys J. Fin. J. Fin. Econ. J. Fin. & Quant. Analysis J. Fin. Res. J. Fin. Transf. J. Fixed Income J.I.B.L.R. J. Int’l Money & Fin. J. Int’l Sec. Markets J. L., Econ. & Organ. J. Law & Econ. J. Legal Stud. J. Monet. Econ. J. Money, Credit & Banking JOI J. Priv. Int. L. J. Pub. Policy J. Pub. Pol’y & Marketing J. Struct. Fin.
LIII
herausgegeben International Law Reports Indiana Law Journal Industrial Management Review Inhaberkontrollverordnung – Verordnung über die Anzeigen nach § 2c des Kreditwesengesetzes und § 104 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (InhKontrollV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. März 2009 International Advances in Economic Research International Economy International Financial Law Review International Journal of Finance and Economics International Journal of Industrial Organization International Review of Law and Economics International Tax Review Investment Lawyer Investmentgesetz vom 15. Dezember 2003, seit dem 22. Juli 2013 außer Kraft International Organization of Securities Commissions Zeitschrift für internationale Rechnungslegung Journal of Accounting, Auditing and Finance Journal of Accounting and Economics Journal of Applied Research in Accounting and Finance Journal of Banking Regulation Journal of Banking & Finance Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler Journal of Business Journal of Business Finance and Accounting Journal of Business and Technology Law Journal of Competition Law and Economics Journal of Corporation Law Journal of Economic Behavior and Organization Journal of Economics and Business Journal of Economics and Finance Journal of Economic Surveys Journal of Finance Journal of Financial Economics Journal of Financial and Quantitative Analysis Journal of Financial Research Journal of Financial Transformation Journal of Fixed Income Journal of International Banking Law and Regulation Journal of International Money and Finance Journal of International Securities Markets Journal of Law, Economics, & Organization Journal of Law and Economics Journal of Legal Studies Journal of Monetary Economics Journal of Money, Credit and Banking Journal of Investing Journal of Private International Law Journal of Public Policy Journal of Public Policy & Marketing Journal of Structured Finance
LIV Jusletter KAG
KAGB KG
KKV
KKV-FINMA
KMG
Konzern KoR KR K&R KStZ KuK LA Lawyer Law & Pol’y Int’l Bus. Lewis & Clark L. Rev. LiqV Listing Rules SEHK LPG MaRisk MBEA Proc. McGill L.J. Metr. Corp. C. MiFID
MiFID-Durchführungsrichtlinie 2006/73
Abkürzungen Jusletter (Schweiz) Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagengesetz – KAG) vom 23. Juni 2006, in Kraft seit dem 1. Januar 2007 (Schweiz) Kapitalanlagegesetzbuch vom 4. Juli 2013, in Kraft seit dem 22. Juli 2013 Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz – KG) vom 6. Oktober 1995 (Schweiz)/ Kammergericht (Deutschland) Verordnung über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagenverordnung – KKV) vom 22. November 2006, in Kraft seit dem 1. Januar 2007 (Schweiz) Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht über die kollektiven Kapitalanlagen vom 21. Dezember 2006, in Kraft seit dem 15. Februar 2007 (Schweiz) Bundesgesetz über das öffentliche Anbieten von Wertpapieren und anderen Kapitalveranlagungen und über die Aufhebung des Wertpapier-Emissionsgesetzes (Kapitalmarktgesetz – KMG) vom 6. Dezember 1991 mit nachfolgenden Änderungen (Österreich) Der Konzern Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Kotierungsreglement der SIX Swiss Exchange in der Fassung vom 21. April 2010, in Kraft seit dem 1. Mai 2010 Kommunikation & Recht Kommunale Steuer-Zeitschrift Kredit und Kapital Los Angeles Lawyer Law and Policy in International Business Lewis & Clark Law Review Verordnung über die Liquidität der Institute (Liquiditätsverordnung – LiqV) vom 14. Dezember 2006 Rules Governing the Listing of Securities on the Stock Exchange of Hong Kong Limited, zuletzt geändert am 31. Dezember 2012 Landespressegesetz Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), Rundschreiben 15/2009(BA) der BaFin vom 14. August 2009 Proceedings of the Midwest Business Economics Association McGill Law Journal The Metropolitan Corporate Counsel Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/ EWG des Rates, ABl. EU vom 30.4.2004, Nr. L 145, S. 1 ff. Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. EU vom 2.9.2006, Nr. L 241, S. 26 ff.
Abkürzungen Minn. J. Int’l L. Minn. L. Rev. Mio. Miss. L.J. MittRhNotK MJ MLR Mrd. NAIC NBER Macro Annual N.C. L. Rev. Notre Dame L. Rev. NVwZ Nw. U. L. Rev. NY L.J. N.Y. Times Mag. N.Y.U. J. L. & Bus. N.Y.U. J. Legis. & Pub. Pol’y NZG NZS NZZ ÖBA OCIE OGAW Okla. L. Rev. PaPKG PfandBG PFKapAV Psych. Rev. Publ. Man. Public Budg. Finance OGH Q. J. Bus. & Econ. QLR Q. Rev. Econ. & Bus. Q. Rev. Econ. & Fin. RatingVAG
RDV Rep. Rev. Banking & Fin. L. Rev. crit. dr. int. privé Rev. Econ. Stud. Rev. Financ. Stud. Rev. Gen. Psychol. Rom I-VO
LV
Minnesota Journal of International Law Minnesota Law Review Million(en) Mississippi Law Journal Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Maastricht Journal of European and Comparative Law Modern Law Review Milliarde(n) National Association of Insurance Commissioners (U.S.A.) National Bureau of Economic Research Macroeconomics Annual North Carolina Law Review Notre Dame Law Review Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Northwestern University Law Review New York Law Journal New York Times Magazine New York University Journal of Law and Business New York University Journal of Legislation and Public Policy Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zürcher Zeitung Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen Office of Compliance Examinations and Inspections Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren Oklahoma Law Review Preisangaben- und Preisklauselgesetz Pfandbriefgesetz Pensionsfonds-Kapitalanlagenverordnung Psychological Review Public Management Public Budgeting and Finance Oberster Gerichtshof (Österreich) Quarterly Journal of Business and Economics Quinnipiac Law Review Quarterly Review of Economics and Business Quarterly Review of Economics and Finance Ausführungsgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung – RatingVAG) vom 14. Juni 2010, in Kraft seit dem 19. Juni 2010 Recht der Datenverarbeitung Reports of Judgments and Decisions of the European Court of Human Rights Review of Banking and Financial Law Revue critique de droit international privé Review of Economic Studies Review of Financial Studies Review of General Psychology Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht
LVI Rom II-VO
SA SAG San Diego L. Rev. sbr S.Ct. SEA SEC SEC Dock. Seton Hall Legis. J. SGb SIFMA SolvV
ST Stan. J. L. Bus. & Fin. Stan. L. Rev. StB St. John’s L. Rev. St. Mary’s L.J. Syracuse L. Rev. SZW SZW/RSDA Tex. Int’l L.J. Tex. L. Rev. Transnat’l L. & Contemp. Probs. Transnat’l Law. Tul. L. Rev. Tz. U.C. Davis Bus. L.J. U. Cin. L. Rev. U. Ill. L. Rev. U. Miami L. Rev. Unif. L. Rev. U. Pa. L. Rev. U. Pitt. L. Rev. Utah L. Rev. VAG
Va. J. Int’l L. Va. L. & Bus. Rev. Va. L. Rev. Val. U. L. Rev. VermVerkProspV
Abkürzungen Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Securities Act Die Schweizerische Aktiengesellschaft San Diego Law Review Schmalenbach Business Review Supreme Court Reporter Securities Exchange Act United States Securities and Exchange Commission SEC Docket Seton Hall Legislative Journal Die Sozialgerichtsbarkeit – Zeitschrift für das aktuelle Sozialrecht Securities Industry and Financial Markets Association Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholdinggruppen (Solvabilitätsverordnung – SolvV) vom 14. Dezember 2006 (in Kraft bis zum 31. Dezember 2013) Der Schweizer Treuhänder Stanford Journal of Law, Business and Finance Stanford Law Review Der Steuerberater St. John’s Law Review Saint Mary’s Law Journal Syracuse Law Review Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht/Revue suisse de droit des affairs et du marché financier Texas International Law Journal Texas Law Review Transnational Law & Contemporary Problems Transnational Lawyer Tulane Law Review Teilziffer U.C. Davis Business Law Journal University of Cincinnati Law Review University of Illinois Law Review University of Miami Law Review Uniform Law Review University of Pennsylvania Law Review University of Pittsburgh Law Review Utah Law Review Versicherungsaufsichtsgesetz (Deutschland) bzw. Bundesgesetz betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen vom 17. Dezember 2004, in Kraft seit dem 1. Januar 2006 (Schweiz) Virginia Journal of International Law Virginia Law and Business Review Virginia Law Review Valparaiso University Law Review Verordnung über Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte vom 16. Dezember 2004
Abkürzungen VersR Vill. L. Rev. VSWG Vt. L. Rev. VuR VVDStRL Wash. & Lee L. Rev. Wash. U. L.Q. wbl Wirtschaftsdienst Wis. Int’l L.J. WiSt Wm. & Mary Bus. L. Rev. WpDVerOV
WPg WpHG Yale J. on Reg. ZBJV ZBl ZErb ZEV ZfB zfbf ZG ZInsO ZKredW ZP ZR
LVII
Versicherungsrecht – Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht Villanova Law Review Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Vermont Law Review Verbraucher und Recht Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Washington and Lee Law Review Washington University Law Quarterly Wirtschaftsrechtliche Blätter Wirtschaftsdienst: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik Wisconsin International Law Journal Wirtschaftswissenschaftliches Studium William & Mary Business Law Review Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung – Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juli 2007, zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. November 2007 (BGBl. I S. 2602) Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsgesetz Yale Journal on Regulation Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Planung & Unternehmenssteuerung Blätter für Zürcherische Rechtsprechung
Erster Teil
Ratings als Marktinformationen
§ 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand I. Einleitung Ratings, als Buchstabenkürzel ausgedrückte Bonitätsbeurteilungen, die durch eine kleine Gruppe international tätiger Rating-Agenturen erstellt und veröffentlicht werden, rufen an den Finanzmärkten wie auch in der allgemeinen Öffentlichkeit seit jeher starke Emotionen hervor. Man schreibt den Rating-Agenturen in farbenreichen Metaphern die Macht eines absoluten Herrschers zu und konstatiert, wir lebten deshalb „mit einem Stück Absolutismus in unserer Mitte“1, bezeichnet Ratings als „Schicksal“2 oder „Schreckgespenst“3 und spricht den Rating-Agenturen eine „nahezu biblische Autorität“4 zu, bei deren Bonitätsbeurteilungen es sich angesichts des Fehlens einer Berufungsmöglichkeit um „eine moderne Form des Gottesurteils“5 handele. Der U.S.-amerikanische Autor Thomas Friedman charakterisierte die Rating-Agenturen in einem viel zitierten Ausspruch wie folgt: „There are two superpowers in the world today in my opinion. There’s the United States, and there’s Moody’s Bond Rating Service. The United States can destroy you by dropping bombs, and Moody’s can destroy you by downgrading your bonds. And believe me, it’s not clear sometimes who’s more powerful.“6 Die erkennbare Emotionalität, die in den zitierten Stellungnahmen zum Ausdruck kommt, muss auf den ersten Blick überraschen, handelt es sich bei Ratings doch um eher technische Informationen, die sich an die Finanzmärkte und deren rationale Marktteilnehmer richten.7 Sie mag sich zum einen dadurch erklären, 1
Däubler, NJW 2003, 1096, 1097; ders., BB 2003, 429, 430. Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 388. 3 Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 93. 4 Goodman, Fin. Analysts J. (May/June 1968), 59, 60: „Through a series of circumstances, they have assumed almost Biblical authority throughout the American investing economy and have an enormous influence on banks, trustees, institutional investors, and individuals. The issuer, underwriter, and taxpaying public are also directly affected by the decisions reached by the small handful of men in each organization“ (Hervorhebungen im Original). 5 Mues, ZBB 1996, 252, 256; Strunz-Happe, WM 2004, 115; Wenzel, WM 1996, 1605, 1609. 6 Thomas L. Friedman, Interview in The Newshour with Jim Lehrer vom 13. Februar 1996; zitiert nach Gerke/Mager, BFuP 2005, 203; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 620; dems., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 66; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341; Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 35; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 192. Dazu die Einschätzung von Coffee, Gatekeepers, S. 283: „Friedman overstated only marginally“. 7 Sinclair, The New Masters of Capital, S. 179: „Despite its bean-counter image, bond rating is something that stirs great passions …“. Zum Rationalmodell und alternativen theoretischen Ansätzen innerhalb der Informationsökonomik siehe noch § 5 III. 2
§ 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand
3
dass eine Bonitätsbeurteilung nicht lediglich als Einstufung des wirtschaftlichen Kreditrisikos,8 sondern zugleich als allgemeines Werturteil über den betroffenen Schuldner empfunden wird.9 In dem veralteten Begriff des „Kredits“, mit dem lange Zeit auch Ruf und Ansehen einer Person bezeichnet wurden,10 kam dies noch sichtbar zum Ausdruck. Zum anderen dürfte eine Rolle spielen, dass fast alle Ratings, die heute öffentlich zugänglich publiziert werden, von denselben drei U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen – Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch – stammen11 und die Aufgabe der allgemeingültigen Beurteilung von Bonitätsfragen daher in wenigen Händen konzentriert zu sein scheint. Der Einfluss der Rating-Agenturen, ja ihre Macht12 wird daher im Ergebnis von niemandem bestritten. Vor dem beschriebenen Hintergrund erstaunt es, dass die Praxis des Ratings bis in jüngere Zeit kaum Gegenstand rechtswissenschaftlicher Abhandlungen gewesen ist,13 wirft sie doch zahlreiche interessante Rechtsfragen auf.14 Der Bedarf für eine rechtliche Durchdringung dieses Phänomens erschließt sich dabei schon aufgrund der Bedeutung der Rating-Agenturen und ihrer Ratings an den heutigen Finanzmärkten: Wenn Ratings 80% der gesamten Weltkapitalströme be-
8
Siehe zu Bonität, Kreditrisiko und Kreditwürdigkeit noch näher § 2 I 1 a). So im Schweizer Schrifttum Wiegand/Geiger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 99, 103; im U.S.-amerikanischen Schriftum Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 629: „the concept of ,credit‘, broadly defined as the promise to pay in the future, includes notions of trust and credibility“. 10 Im deutschen Recht klingt dies sprachlich noch in § 824 Abs. 1 BGB an, der es für schadensersatzpflichtig erklärt, durch unwahre Tatsachenbehauptungen „den Kredit eines anderen zu gefährden“; ähnlich im Schweizer Recht § 9 Abs. 1 UWG. 11 Nach gängigen Zahlen werden 95% der weltweit verfügbaren Ratings durch diese drei Rating-Agenturen erstellt; vgl. statt vieler Europäische Kommission, Impact Assessment (2008), S. 9 f. Die verbleibenden 5% des globalen Marktes für Ratings werden durch ca. 150 kleinere, überwiegend lediglich national tätige oder auf einzelne Branchen spezialisierte Rating-Agenturen abgedeckt. Siehe zu den drei großen Rating-Agenturen die detaillierten Angaben bei Langohr/Langohr, Rating Agencies, S. 386 ff. 12 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 130; Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 490; ders., ZGR 2007, 603, 609; Claussen, in FS Hopt (2010), S. 1695, 1708; Däubler, BB 2003, 429, 431; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 133; Großfeld, NZG 2005, 1, 4; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 186: „immenses Machtpotential“; Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413: „die mächtigsten Akteure im Finanzgeschäft“; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 128; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 640; Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 342; ders., 89 Cornell L. Rev. (2004), 394, 406; Meister, BFuP 2005, 258; Nagy, 94 Minn. L. Rev. (2009), 140, 141; Niedostadek, Rating, Rn. 2; Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65: „… credit ratings are enormously valuable and important. Rating agencies have great market influence …“; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 2; Vetter, WM 2004, 1701, 1709; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1349. 13 So die kritischen Hinweise bei Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 133; Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 389; dems., NZG 2005, 1, 4; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 41: „Rechtsfragen des Ratings sind im deutschen Recht juristisches Neuland“; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 436; dems., RabelsZ 64 (2000), 517, 532. 14 Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 389; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 877; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 436. 9
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
einflussen15 und eine Ratingherabstufung auf betroffene Unternehmen wie ein wirtschaftlicher Atomschlag wirkt,16 wenn die Rating-Agenturen ganze Volkswirtschaften zu destabilisieren vermögen,17 aber gleichzeitig die „größte unkontrollierte Machtstruktur im Weltfinanzsystem“18 geblieben sind – in diesem Fall ist unverkennbar, dass es einer Ordnung und Kontrolle des Ratings durch das Recht bedarf. Der Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007–09,19 die verbreitet auf Fehlentwicklung im Bereich des Ratings zurückgeführt wird,20 hat dies erneut deutlich werden lassen. Hinzu kommt, dass Ratings in jüngerer Zeit selbst vermehrt zum Bestandteil gesetzlicher und vertraglicher Rechtsregeln gemacht und den Rating-Agenturen auf diesem Wege Regulierungsaufgaben zugewiesen werden,21 welche die originäre Funktion des Ratings verändern und der rechtlichen Erfassung bedürfen. Der Untersuchung der damit umrissenen Themen – der Regulierung des Ratings einerseits und der Regulierung durch Ratings andererseits – ist die vorliegende Abhandlung gewidmet. In sprachlicher Hinsicht kann der Anglizismus „Rating“ (vom englischen to rate, für „schätzen, bewerten, beurteilen“) dabei sowohl den Beurteilungsvorgang und als auch das Beurteilungsergebnis (etwa das sprichwörtliche „AAA“) bezeichnen.22 Im Fortgang der Untersuchung wird er im einen wie im anderen Sinne verwandt. Deutschsprachige Begriffsäquivalente (wie dasjenige der Bonitätsbeurteilung23) haben dagegen weder im allgemeinen noch im wissenschaftlichen Sprachgebrauch eine vergleichbare Verbreitung erlangt.
15 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 93. 16 Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 342; ders., 89 Cornell L. Rev. (2004), 394, 406: „a rating downgrade effectively functions like a corporate nuclear bomb“. 17 Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 2: „Rating agencies have the power to destabilize whole national economies, municipal governments, major corporations.“ 18 So ein Ausspruch des Präsidenten der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) Jochen Sanio aus dem Jahre 2003 (zitiert nach Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32; Theilacker, ZKredW 2005, 177). Zustimmend Strunz-Happe, BFuP 2005, 231, 232. 19 Vgl. noch näher § 3 III 2. 20 Vgl. nur Erwägungsgrund 10 zur EG-RatingVO: „Es wird allgemein die Auffassung vertreten, dass die Ratingagenturen einerseits die verschlechterte Marktlage nicht früh genug in ihren Ratings zum Ausdruck gebracht haben und dass es ihnen andererseits nicht gelungen ist, ihre Ratings rechtzeitig anzupassen, als sich die Krise auf dem Markt schon zugespitzt hatte“, sowie die weiteren Nachw. in § 3 III 2. 21 Zur Regulierungsfunktion des Ratings sogleich näher unter II 2. 22 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 435 Fn. 256; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 405. 23 Dieser wurde bis Ende 2013 in §§ 52 ff. SolvV a.F. benutzt.
§ 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand
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II. Der Funktionswandel des Ratings: Von der privaten Marktinformation zum Bestandteil rechtlicher Regelungen Fragt man nach den Gründen des spürbaren Einflusses der Rating-Agenturen und ihrer Ratings, so muss im Ausgangspunkt festgehalten werden, dass den Rating-Agenturen keinerlei originäre Macht zukommt: Es handelt sich lediglich um private Gesellschaften, die Informationen publizieren, die von anderen wiederum wahrgenommen oder aber schlicht ignoriert werden können. „Macht“ kommt Rating-Agenturen mit anderen Worten nur dann zu, wenn sie ihnen und ihren Ratings durch Dritte verliehen wird.24 Eine entsprechende Zuweisung von Macht (oder, vorsichtiger formuliert, Einfluss) an die Rating-Agenturen erfolgt dabei zum einen durch den Markt und die Marktteilnehmer, zum anderen durch das Recht. Man kann daher zwischen zwei Funktionen des Ratings und der Rating-Agenturen unterscheiden,25 die im Folgenden als Marktinformationsfunktion26 und Regulierungsfunktion27 bezeichnet werden.
1. Die Marktinformationsfunktion des Ratings Die originäre Funktion des Ratings besteht in der Information des Marktes und seiner Marktteilnehmer, vor allem aktueller und potentieller Erwerber von Anleihen, über die Bonität des jeweiligen Schuldners und damit das Kreditrisiko, das sie bei Investitionen in dessen Anleihen eingehen. Ratings sind also private Marktinformationen, die von den Rating-Agenturen publiziert werden, die dafür wiederum von den Auftraggebern des Ratings und den Abonnenten von Ratingpublikationen eine Vergütung erhalten. Die so umrissene Marktinformationsfunktion kann dabei durch die Rating-Agenturen nur erfolgreich ausgeübt werden, wenn die Informationsadressaten – also die Marktöffentlichkeit – die publizierten Ratings als wertvolle Informationen ansehen, ihnen also einen Informationswert zubilligen.28 Es ist daher das Vertrauen der Ratingnutzer, aus dem der Einfluss der Rating-Agenturen an den internationalen Finanzmärkten erwächst.29 Ratings sind dabei natürlich nicht die einzigen Marktinformationen, die den Marktteilnehmern zur Verfügung stehen, sondern treten neben eine Fülle ande24
Eichel, BFuP 2005, 257. In diesem Sinne in der Rechtsprechung auch In re Fitch, 21.5.2003, 330 F.3d 104, 106 (2nd Cir. 2003); Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 165 (S.D.N.Y. 2009); im Schrifttum Brister/Kennedy/Liu, 21 J. Bus. Fin. & Acct. (1994), 511; Hill, 35 Conn. L. Rev. (2003), 1145, 1154. Eine andere Funktionskategorisierung findet sich etwa bei Stemper, Rahmenbedingungen, S. 74 ff. 26 Dazu sogleich unter 1. 27 Dazu unter 2. 28 Macey, 65 U. Chi. L. Rev. (1998), 1487: „Indeed, the only reason that rating agencies are able to charge fees at all is because the public has enough confidence in the integrity of these ratings to find them of value in evaluating the riskiness of investments.“ 29 Eichel, BFuP 2005, 257. 25
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
rer vorhandener Informationen, denen am Markt jedoch überwiegend keine vergleichbare Bedeutung zugesprochen wird.30 Dies wirft die Frage auf, worin sich die Ratings der Rating-Agenturen von den Informationen sonstiger Informationsintermediäre31 unterscheiden – eine Fragestellung, die sich auf Marktinformationen als tatsächliches Phänomen bezieht und daher nur unter Rückgriff auf empirische Befunde und Erkenntnisse der Informationsökonomik beantwortet werden kann.32 Vor allem tritt mit Ratings aber eine Form der privaten, freiwilligen Publizität neben die Offenlegung von Informationen, die durch die zahlreichen gesetzlichen Publizitätsregeln vorgeschrieben wird33 und einen Grundpfeiler des „Informationsmodells“ der modernen Kapitalmarktregulierung darstellt.34 Diese Koexistenz von privater und gesetzlicher Publizität ist dabei nicht neu; namentlich in den U.S.A. versorgen Rating-Agenturen den Anleihemarkt schon länger mit Bonitätsbeurteilungen, als es die Securities and Exchange Commission (SEC) gibt.35 Die Marktinformationsfunktion des Ratings rückt gleichwohl das allgemeine Verhältnis zwischen privater und gesetzlich geregelter Publizität in den Vordergrund,36 das in jüngerer Zeit noch dadurch verkompliziert wird, dass neuere gesetzliche Publizitätsanforderungen ihrerseits Ratings tatbestandlich einbinden oder sogar als Ersatz für andernfalls verlangte Offenlegungen genügen lassen.
2. Die Regulierungsfunktion des Ratings Im Gegensatz zur Marktinformationsfunktion ist die Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen und ihrer Ratings nicht originärer, sondern derivativer Natur: Sie wird den Rating-Agenturen von dritter Seite zugewiesen, indem staatliche und private Regelsetzer in rechtlichen Regelungen auf die Ratings der RatingAgenturen verweisen und diese damit zur Verfolgung des jeweiligen Regelungszwecks in Dienst nehmen. Auf diese Weise wird die Regulierungsfunktion als 30 Vgl. etwa zum Unterschied zwischen Rating-Agenturen und Abschlussprüfern Pixley, Emotions in Finance, S. 148: „Compared to accountancy firms, they [d.h. die Rating-Agenturen] are a source of fear.“ 31 Zur Funktion der Rating-Agentur als Informationsintermediär sowie zu sonstigen Informationsintermediären (wie etwa den in der vorstehenden Fußnote genannten Abschlussprüfern) siehe noch § 4. 32 Dazu § 5. 33 Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1086: „Arguably, bond ratings and public disclosure are alternative means to inform investors about the quality of debt.“ 34 Vgl. nur Merkt, Unternehmenspublizität, S. 224 ff. 35 Die ersten Ratings im heutigen Sinne wurden im Jahre 1909 veröffentlicht, und 1924 deckten die großen Rating-Agenturen bereits nahezu 100% des Anleihenmarktes der U.S.A. ab. Zur Einrichtung der SEC kam es dagegen erst im Jahre 1934, nachdem zuvor der Securities Act of 1933 und der Securities Exchange Act of 1934 erlassen worden waren. Vgl. zur Geschichte des Ratings noch § 3. 36 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 226 ordnet die freiwillige Publizität als „zumindest gleichberechtigte, wenn nicht gar logisch vorrangige weil originäre (‚natürliche‘) Erscheinungsform der Unternehmenspublizität“ ein.
§ 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand
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zweite, zusätzliche Funktion des Ratings begründet,37 die sich an dessen Marktinformationsfunktion anschließt und durch die Rating-Agenturen bei Ratingerstellung gleichsam automatisch (und, so wird man anmerken müssen, ungefragt und ohne gesonderte Vergütung38) miterfüllt wird. Auch das Phänomen dieser „Regulierung durch Ratings“ ist nicht neu, sondern kommt im U.S.-amerikanischen Bankenrecht bereits seit dem Jahre 1936 vor.39 Sein Umfang und vor allem seine internationale Verbreitung haben in den letzten Jahrzehnten allerdings stark zugenommen40 und damit die Bedeutung der Regulierungsfunktion für die Rating-Agenturen wie für die Finanzmärkte in jüngerer Zeit beträchtlich erhöht. Dies zeigt sich etwa daran, dass ratingbasierte Rechtsvorschriften mittlerweile auch außerhalb der U.S.A. in den meisten Rechtsordnungen anzutreffen sind und namentlich durch den „Basel II“-Akkord aus dem Jahre 2005, der zahlreichen Staaten der Welt zum Vorbild für die Reform des Eigenmittelrechts der Banken diente,41 in den Rang eines internationalen Regulierungsstandards erhoben wurde.42 Die rechtliche Bezugnahme auf Ratings fügt sich dabei als Spielart der privaten Regelsetzung in eine allgemeine Entwicklung ein, die eine zunehmende Indienstnahme privater Akteure auch für Zwecke der staatlichen Regulierung mit sich gebracht hat43 und weiter mit sich bringen wird.44 Die zunehmende Regulierungsfunktion des Ratings, die von den RatingAgenturen selbst sehr kritisch betrachtet wird,45 wirft eine Reihe von Schwierigkeiten auf, deren Inhalt, Ausmaß und rechtliche Bewältigung bislang kaum untersucht wurde.46 Problematisch erscheint zum einen, dass durch die rechtliche 37 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 100; Brister/Kennedy/Liu, 21 J. Bus. Fin. & Acct. (1994), 511; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 5; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 5. 38 Treffend Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 213: „the regulatory use of credit ratings is an example of free-riding: the regulators use ratings, and the CRAs’ analytical resources, without having paid for them, in order to satisfy their own needs.“ 39 Siehe näher § 3 II 1 und § 7 I 1 a). 40 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 148; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 298: „government reliance on ratings is swiftly expanding worldwide“. 41 Siehe zum Basel II-Akkord im Einzelnen noch § 6 III. 42 Becker, ZG 2009, 123, 132. 43 Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 3: „representative of a growing trend toward private ordering of traditionally public functions“. 44 Vgl. im deutschen Finanzmarktrecht etwa § 4 Abs. 3 FinDAG, der es der BaFin erlaubt, sich zur Erfüllung kapitalmarktrechtlicher Aufsichtsfunktionen privater Institutionen zu bedienen, zu denen auch Rating-Agenturen zählen (Höfling, Gutachten F zum 68. DJT (2010), S. F 41). 45 Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 105; Berblinger, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 21, 50; sowie der bekannte Ausspruch von Thomas J. McGuire, Executive Vice President von Moody’s, im Jahre 1995: „the weight of government regulators on private institutions can be enormous. Eight hundred pound gorillas should be careful where they sit“ (McGuire, Ratings in Regulation: A Petition to the Gorillas, zitiert nach Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 623 Fn. 15). 46 Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 37.
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Indienstnahme von Ratings die Rolle der Rating-Agenturen verändert wird,47 die nicht länger nur private Informationsintermediäre sind, sondern eine quasi-öffentliche Funktion wahrnehmen:48 Die Regulierung durch Ratings wirft damit die Frage nach einer Regulierung des Ratings49 auf und lässt zugleich erwarten, dass Rückwirkungen auf seine originäre Marktinformationsfunktion eintreten können.50 Eine starke Strömung in der Literatur ist insoweit bereits heute der Ansicht, dass der Einfluss der Rating-Agenturen allein aus seiner Regulierungsfunktion resultiert.51 Zum anderen ist bislang nicht geklärt, welche Auswirkungen rechtliche Bezugnahmen auf Ratings für das System der Finanzmarktregulierung und sein Funktionieren besitzen können – auch hier steht eine Untersuchung aus rechtswissenschaftlicher Sicht noch aus.52
III. Methode und Gang der Untersuchung Die beschriebene Lücke soll durch die vorliegende Untersuchung geschlossen werden, die dem Rating in seiner Marktinformations- und in seiner Regulierungsfunktion gewidmet ist.
1. Rechtsvergleichung als Methode und Spektrum der untersuchten Rechtsordnungen In methodischer Hinsicht verfolgt die Arbeit dabei zum einen – wie bereits angesprochen – einen interdisziplinären Untersuchungsansatz und greift auf empirische und theoretische Erkenntnisse der Ökonomie zurück, soweit dies zur Erklärung von Informationserstellungs-, -übermittlungs-, -aufnahme- und -verarbeitungsvorgängen im Rahmen rechtlicher Regelungszusammenhänge hilfreich ist. Zum anderen setzt die Untersuchung die Methode der Rechtsvergleichung ein, um die Ansätze unterschiedlicher Rechtsordnungen im Umgang mit Ratings fruchtbar zu machen.53 Die Rechtsvergleichung liegt dabei nicht zuletzt deshalb 47 Goodman, Fin. Analysts J. (May/June 1968), 59, 60; Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 78; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 5. 48 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 66; Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1918; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 653; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1014. 49 Dazu der Dritte Teil der vorliegenden Untersuchung. 50 Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 22. Siehe dazu noch § 17 II 2. 51 Siehe zur sog. regulatory license theory noch näher in § 5 III 1 a) bb). 52 Vgl. in diesem Sinne aus jüngerer Zeit die Beschlüsse des 68. Deutschen Juristentages in Berlin 2010, Abteilung Öffentliches und Privates Wirtschaftsrecht, Beschluss Nr. 22: „Voraussetzungen und Konsequenzen normativer Inbezugnahmen von Ratings sind zu überdenken“. Aus der U.S.-amerikanischen Literatur etwa Dombalagian, 55 Buff. L. Rev. (2007), 1, 51: Ratings „present myriad unforeseen regulatory problems that could give regulators pause“. 53 Einen rechtsvergleichenden Untersuchungsansatz hat im Ratingkontext bislang vor allem Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481 ff. verwandt. Methodisch geht es hier wie dort um Mikrorechtsvergleichung (vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 1 II), die sich in der vorliegen-
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nahe, weil es sich bei Ratings um international, ja weltweit gleichermaßen verständliche Informationen handelt, die daher typischerweise in verschiedenen Rechtsordnungen gleichzeitig rezipiert und in ihrer Marktinformations- wie auch Regulierungsfunktion verwandt werden:54 Ein globales Phänomen wie das Rating verlangt schon aus diesem Grund in besonderem Maße nach der Berücksichtigung von Erfahrungen aus unterschiedlichen Staaten. Hinzu kommt, dass die Finanzmärkte, an die sich Ratings als Informationen primär richten, ihrerseits zunehmend grenzüberschreitend verschmelzen55 und nationale Rechte daher einerseits in ihrer Regelungsmacht relativieren,56 andererseits aber jede Finanzmarkttransaktion der potentiellen Anwendbarkeit mehrerer Rechtsordnungen aussetzen.57 Auch insofern verspricht ein Rechtsvergleich verschiedener Regelungsansätze bei der Regulierung durch wie der Regulierung des Ratings Erkenntnisgewinn.58 Vor diesem Hintergrund behandelt die vorliegende Untersuchung vier Rechtsordnungen, die zum einen mit Blick auf die Abdeckung unterschiedlicher Regionen der Welt und zum anderen der gleichmäßigen Berücksichtigung der beiden großen Rechtsfamilien des Civil Law und des Common Law59 ausgewählt wurden:60 a) Deutschland Am deutschen Finanzmarkt wie im deutschen Recht haben Ratings erst vergleichsweise spät Bedeutung erlangt, später als in jeder der anderen hier untersuchten Rechtsordnungen. Dass Ratings in Deutschland noch in den 1980er Jahren als Besonderheit des U.S.-amerikanischen Kapitalmarkts galten61 und zu dieser Zeit nur einige Dutzend deutsche Unternehmen über ein Rating der großen U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen verfügten,62 lag allerdings vor allem daran, dass der deutsche Anleihemarkt überhaupt erst ab dem Jahr 1990 größere wirtschaftliche Bedeutung erlangte, nachdem das bis dahin geltende staatliche
den54Arbeit freilich nicht nur auf die rechtliche Lösung einzelner, sondern einer ganzen Reihe von Sachproblemen und Interessenskonflikten bezieht, die durch das faktische Phänomen des Ratings aufgeworfen und untereinander verbunden werden; siehe zu den fließenden Grenzen zwischen Mikro- und Makrovergleichung Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 31. 55 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 94; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 186; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 876. 55 Vgl. nur Philipps/Rechtschaffen, 21 Fordham Int’l L.J. (1998), 1754; Rudolf, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 1 Rn. 58. 56 Allgemein Nimmer, Information Law, Stand: 6/2003, § 1:6. 57 Rudolf, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 1 Rn. 16. 58 Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 5. 59 Zur letzteren groben Einordnung nur Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 18 I. 60 Vgl. zur Auswahl der zu vergleichenden Rechtsordnungen aus methodischer Sicht Constantinesco, Rechtsvergleichung II, S. 49 ff. 61 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347. 62 Vgl. mit näheren Angaben Theilacker, ZKredW 2005, 177.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
Genehmigungserfordernis für Unternehmensanleihen63 weggefallen war.64 Die Rolle der Rating-Agenturen als Informationsintermediäre weitete sich danach schnell aus.65 Eine Regulierungsfunktion erlangten Ratings in Deutschland vor allem durch entsprechende Vorgaben der EG (und später der EU), deren Richtlinien das deutsche Kapitalmarktrecht seit jeher maßgeblich prägen.66 Heute finden sich regulatorische Bezugnahmen auf Ratings in unionsrechtlich präformierten wie auch autonom gestalteten Regelungen des deutschen Rechts.67 b) Schweiz Der Schweizer Finanzmarkt konnte dagegen bereits früher Erfahrungen mit Ratings sammeln,68 weil er traditionell einen hohen Anteil ausländischer Anleiheemittenten aufweist und diese ihre Bonität schon durch Ratings der international bekannten Rating-Agenturen nachzuweisen suchten, als Schweizer Emittenten noch allein auf ihren marktbekannten Namen vertrauen konnten. In der Schweiz fanden sich aus diesem Grund bereits ab Mitte der 1980er Jahre rechtliche Bezugnahmen auf Ratings, die sich in ihrem persönlichen Anwendungsbereich einstweilen allein an ausländische Anleiheschuldner richteten69 und im Wege der Selbstregulierung durch die Interessenvereinigung der schweizerischen Banken sowie die privatrechtlich verfassten Schweizer Börsen geschaffen wurden. Die hervorgehobene Rolle der Selbstregulierung zeichnet das Schweizer Finanzmarktrecht generell aus und macht es schon deshalb als weitere europäische, aber von der Rechtsharmonisierung innerhalb der EU nicht direkt betroffene Rechtsordnung zu einem lohnenden Untersuchungsgegenstand.70 Darüber hinaus weist die Schweiz im Ratingkontext noch eine weitere Besonderheit auf, weil neben den internationalen Rating-Agenturen, die in der Schweiz durchweg keine eigenen Niederlassungen unterhalten und insoweit von ausländischen Standorten aus tätig werden,71 auch die großen Schweizer Banken – vor allem UBS, Credit Suisse und Zürcher Kantonalbank – Ratings einheimischer Unternehmen wie auch staatlicher Emittenten und 63
§§ 795, 808a BGB a.F. Siehe dazu noch näher § 8 I. Für Anleihen des DM-Euroanleihemarkts wurden Ratings seit 1988 vergeben; Nöth, KuK 1995, 535, 539. 65 Zur historischen Entwicklung § 3 III. 66 Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 136; Merkt, in FS Hopt (2010), S. 2207, 2222; Weber, NJW 2006, 3685, 3686. 67 Eine Untersuchung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht stellte im Jahre 2000 noch lapidar fest, dass Deutschland als einziges der zwölf Mitgliedsländer Ratings nicht für regulatorische Zwecke verwende (Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 41: „The exception is Germany“) – dies traf schon damals nicht zu und ist heute erst recht überholt. 68 Im Jahre 1990 verfügten bereits 68% der börslich oder außerbörslich in der Schweiz gehandelten Anleihen über ein Rating; Rohr, Emissionsrecht, S. 295. 69 Vgl. zu den diesbezüglichen Regelungen § 8 II 1 a) sowie § 9 II 2 a) aa). 70 Mittlerweile nehmen auch zahlreiche gesetzliche Normen des Schweizer Rechts auf Ratings Bezug. 71 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 56. Zu den (wenigen) kleinen Schweizer Rating-Agenturen vgl. Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 187 ff. 64
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Emissionen erstellen und veröffentlichen, und zwar unabhängig davon, ob die betreffenden Emittenten zum eigenen Kundenkreis zählen.72 Dieses international ungewöhnliche Phänomen beweist, dass Ratings als Marktinformationen nicht zwingend durch spezialisierte Rating-Agenturen erstellt werden müssen, und ermöglicht Vergleiche zwischen Rating-Agenturen und diesen funktionsäquivalenten, aber parallel selbst als Marktteilnehmer auftretenden Informationsintermediären.73
c) U.S.A. Die Vereinigten Staaten von Amerika stellen für jede rechtsvergleichende Untersuchung von Ratings in gewisser Weise die „Leitrechtsordnung“ dar, weil Ratings in den U.S.A. in ihrer Marktinformations- wie auch Regulierungsfunktion auf die längste Geschichte zurückblicken und bis heute die breiteste Verwendung finden. Dass das U.S.-amerikanische Recht auch darüber hinaus aus vielerlei Gründen eine erhebliche Ausstrahlungswirkung auf andere Rechtsordnungen ausübt, ist häufig aufgezeigt worden74 und braucht hier nicht wiederholt zu werden. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ist schließlich auf den Umstand hinzuweisen, dass die drei großen, den globalen Ratingmarkt dominierenden75 Rating-Agenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch sämtlich ihren Gesellschaftssitz und ihre Hauptverwaltung in New York unterhalten,76 weshalb dem U.S.-amerikanischen Recht (einschließlich des Rechts des U.S.-Gliedstaates New York) auch als Heimatrecht der wesentlichen Ratinganbieter eine herausgehobene Bedeutung zukommt.77 d) Hongkong Mit dem Recht Hongkongs wird schließlich das Recht eines der wichtigsten Finanzplätze Asiens78 in die Untersuchung einbezogen. Hongkong ist seit dem 72 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 56; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 139. 73 Es überrascht vor diesem Hintergrund nicht, dass die ratingerstellenden Banken nach Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 139 am Markt als weniger unabhängig als die Rating-Agenturen eingestuft werden. 74 Vgl. nur Merkt, ZHR 171 (2007), 490 ff.; spezifisch zum Kapitalmarktrecht Otto, WM 2010, 2013. 75 Siehe dazu noch § 20. 76 Eine gewisse Ausnahme gilt allerdings für die Rating-Agentur Fitch, die unter dem Dach einer Holding (Fitch Group) parallel zwei operativ tätige Gesellschaften betreibt (die in New York registrierte Fitch Inc. und die in London registrierte Fitch Ltd) und auch faktisch Hauptverwaltungen sowohl in New York als auch in London unterhält; sie beschreibt sich daher selbst als „dualheadquartered“. 77 Deipenbrock, WM 2005, 261, 262; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 437; Möschel, ZRP 2009, 129, 132. Zu den kollisionsrechtlichen Auswirkungen siehe § 26 III. 78 Kwan/Stott, Stand: Release 1 (Oct. 2007), Rn. 12.001; Lee, 16 Wis. Int’l L.J. (1997–98), 687, 710. Der Erhaltung der internationalen Bedeutung des Finanzplatzes wird in Hongkong durch Art. 109 Basic Law sogar Verfassungsrang eingeräumt: „The Government of the Hong Kong Special Administrative Region shall provide an appropriate economic and legal environment for the maintenance of the status of Hong Kong as an international financial centre.“
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
1. Juli 1997 als Sonderverwaltungsregion Teil der Volksrepublik China, nachdem es bis dahin 142 Jahre lang britische Kronkolonie gewesen war. Innerhalb Chinas verfügt es seitdem über ein autonomes Rechtssystem, das weiterhin aus dem bis zum Souveränitätswechsel (dem sog. handover) geltenden englischen Common Law und den Gesetzen der Hongkonger Legislative besteht;79 das Hongkonger Recht stellt sich aus kollisionsrechtlicher Sicht also als eigenständige Teilrechtsordnung80 innerhalb der Volksrepublik China dar. Die Folge ist, dass das Finanzmarkt- wie auch Vertragsrecht Hongkongs bis heute im Wesentlichen dem englischen Recht folgt, und zwar einschließlich der Rechtsprechung englischer Gerichte, der zwar seit dem handover nicht länger bindende Wirkung, aber doch weiterhin interpretatives Gewicht zukommt.81 Der Hongkonger Finanzmarkt war dabei lange Zeit kaum reguliert, sondern durch eine geradezu sprichwörtliche Freiheit der Marktteilnehmer (einschließlich des Bankenwesens) gekennzeichnet.82 Dies wurde erst in den letzten Jahrzehnten zugunsten einer strikteren staatlichen Gesetzgebung geändert,83 obgleich der Selbstregulierung der Marktteilnehmer weiterhin – insofern vergleichbar der Situation in der Schweiz – ein hoher Stellenwert eingeräumt wird.84 Der Regulierung mittels Ratingbezugnahmen kommt dabei in Hongkong eine beträchtliche Bedeutung zu, was sich auch durch den ausgesprochen hohen Anteil ausländischer Emittenten am Hongkonger Anleihemarkt85 und das daraus resultierende Bedürfnis nach international verständlichen Bonitätsinformationen erklären mag. Die drei großen internationalen Rating-Agenturen sind in Hongkong jedenfalls durchgehend mit eigenen Niederlassungen präsent.86 Die Bedeutung Hongkongs als Standort für das Ratinggeschäft wurde in jüngerer Zeit dadurch bestätigt, dass hier im Jahre 2013 die Universal Credit Rating Group (UCRG) als 79 Art. 8 Basic Law: „The laws previously in force in Hong Kong, that is, the common law, rules of equity, ordinances, subordinate legislation and customary law shall be maintained, except for any that contravene this Law, and subject to any amendment by the legislature of the Hong Kong Special Administrative Region.“ 80 Vgl. etwa Art. 22 Abs. 1 Rom I-VO. 81 Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 259. 82 Zur Rechtslage in den 1960er Jahren plastisch Emery, Financial Institutions of Southeast Asia, S. 117: „even barber shops in Hong Kong were more closely regulated than banks“; zu den 1980er Jahren Gunningham, 15 Law & Soc. Inquiry (1990), 1, 31: „the market was ,free‘ in the sense that there were no rules at all“. 83 Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 262. 84 Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 256; Skully, Financial Institutions and Markets in Hong Kong, S. 28, 39. 85 Gemessen am Marktwert sind 83–93% der am Hongkonger Markt gehandelten Emissionen solche ausländischer Emittenten (an der New Yorker Börse NYSE hingegen nur 3%); vgl. Chen/ Poon, in: Vandenbrink/Hew, Capital Markets in Asia, S. 5. Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 1.20 beschreiben den Hongkonger Anleihemarkt als „both highly sophisticated and materially underused“; ähnlich Donald, Hong Kong Stock and Futures Exchanges, Rn. 2.027. 86 Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 2; Arner/Chau/ Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 372; Park/Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 215 (mit Zahlen).
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neue internationale Rating-Agentur gegründet wurde, die – als Joint Venture bestehender Rating-Agenturen aus China, Russland und den U.S.A.87 – ab 2020/25 von Hongkong aus Ratings an den globalen Finanzmärkten anbieten will.
2. Gang der Untersuchung Die folgende Untersuchung gliedert sich in drei Teile, unter denen der Erste Teil (§§ 1–5) die Charakteristika von Ratings als Marktinformationen sowie ihre Wirkung an den Finanzmärkten behandelt. Der Zweite Teil (§§ 6–18) untersucht rechtsvergleichend die Regulierung durch Ratings in den oben genannten Rechtsordnungen und die Folgen, die sich daraus für das geltende Recht der Marktpublizität ableiten lassen. Der Dritte Teil (§§ 19–31) erörtert schließlich die Regulierung des internationalen Ratingwesens als Reaktion auf die Risiken, die sich aus dem Einfluss und aus der systemischen Bedeutung der Rating-Agenturen für einzelne Marktteilnehmer sowie für die Stabilität der Finanzmärkte insgesamt ergeben.
87 Gründungsgesellschafter der UCRG sind die chinesische Rating-Agentur Dagong Global Credit Rating, die (kleine) U.S.-amerikanische Rating-Agentur Egan-Jones und die russische Rating-Agentur RusRating.
Erster Abschnitt: Grundlagen
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte: Charakteristika und Abgrenzung Trotz seiner Bedeutung als Phänomen war der Begriff des „Ratings“ bis in jüngste Zeit gesetzlich nicht definiert. Im Jahr 2009 wurde sodann fast zeitgleich sowohl im U.S.-amerikanischen Recht als auch im europäischen Gemeinschaftsrecht erstmals eine Legaldefinition geschaffen, die ein „Rating“ knapp als „assessment of the creditworthiness of an obligor as an entity or with respect to specific securities or money market instruments“1 oder – umständlicher, aber in der Sache gleichbedeutend – als „Bonitätsurteil in Bezug auf ein Unternehmen, einen Schuldtitel oder eine finanzielle Verbindlichkeit, eine Schuldverschreibung, eine Vorzugsaktie oder ein anderes Finanzinstrument oder den Emittenten derartiger Schuldtitel, finanzieller Verbindlichkeiten, Schuldverschreibungen, Vorzugsaktien oder anderer Finanzinstrumente, das anhand eines festgelegten und definierten Einstufungsverfahrens für Ratingkategorien abgegeben wird“2 umschreibt. Eine ganz ähnliche Begriffsdefinition findet sich seit 2011 auch im Hongkonger Recht.3 Diese Definitionen entsprechen im Kern dem Ratingbegriff, der in der internationalen Diskussion schon zuvor anerkannt war.4 Wie im Fortgang der Untersuchung deutlich werden wird, macht der Begriff des „Ratings“ allein jedoch anscheinend nur unzureichend deutlich, was mit einem Rating genau gemeint und was, vor allem, ein Rating nicht ist; sowohl unter Marktteilnehmern und Wissenschaftlern als auch nationalen Gesetzgebern und Aufsichtsbehörden sind jedenfalls eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffsverständnisse und -missverständnisse nachweisbar.5 Da das Rating ursprünglich nicht als rechtliche Kategorie, sondern als tatsächliches Phänomen entstand, empfiehlt es sich daher, seine Charakteristika vorab im Wege ihrer Abgrenzung von verwandten Erscheinungen zu entwickeln.
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So § 3(a)(60) Securities Exchange Act of 1934 zum Begriff des „credit rating“. So Art. 3 Abs. 1 lit. a EG-RatingVO. 3 Siehe Schedule 1 zur Securities and Futures Ordinance (Cap. 571) zum Begriff „credit ratings“: „opinions, expressed using a defined ranking system, primarily regarding the creditworthiness of (a) a person other than an individual; (b) debt securities; (c) preferred securities; or (d) an agreement to provide credit“. 4 Deipenbrock, WM 2007, 2217, 2219. 5 Vgl. dazu vor allem § 17 III. 2
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte
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I. Das Rating als Bonitätsbeurteilung Im deutschen Sprachgebrauch kann der Anglizismus „Rating“, wie bereits erwähnt,6 sowohl als Beschreibung eines Beurteilungsvorgangs als auch eines Beurteilungsergebnisses verwandt werden. Stellt man auf letzteren Begriffssinn ab, so bedarf zuvörderst der Klärung, was durch ein Rating beurteilt wird und wozu Ratings keine Aussage treffen.
1. Die Bonität als alleiniger Aussagegegenstand eines Ratings a) Bonität, Kreditrisiko und Kreditwürdigkeit Ratings im hier verwandten Wortsinn beurteilen die Bonität einer Person oder eines Wertpapiers7 und sind damit Einschätzungen der Wahrscheinlichkeit der versprechensgemäßen (d.h. vollständigen wie termingetreuen) Erfüllung von Zinsund Tilgungsverpflichtungen.8 Gleichbedeutend spricht man von einer Beurteilung der Kreditwürdigkeit9 oder, in mittlerweile veraltetem Sprachgebrauch, des „Kredits“ eines Schuldners;10 ein Bezug, der in der englischen Sprache noch ungleich präsenter ist, weil dort üblicherweise nicht allein von ratings (also Bewertungen oder Einstufungen irgendwelcher Art), sondern präziser von credit ratings die Rede ist.11 Aus der Perspektive eines Gläubigers oder potentiellen Gläubigers (Investors) betrachtet, beurteilt ein Rating das Kreditrisiko12 oder Ausfallrisiko,13 das mit einer Kapitalüberlassung verbunden ist, also die Wahrscheinlichkeit, dass die Zins- und Rückzahlung nicht wie versprochen erfolgen wird.14 Manche Rating-Agenturen lassen zudem in ihr Bonitätsurteil einfließen, wie hoch die Ausfallquote in letzterem Fall voraussichtlich sein würde, während andere insoweit nicht differenzieren15 – der Aussagegehalt der Ratings unterschiedlicher Agenturen ist insofern also nicht einheitlich. 6
Siehe schon § 1 I. Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387; Leuering, Praxisprobleme der Ad-hoc-Mitteilungspflicht, S. 171, 185; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622; Vetter, WM 2004, 1701. 8 Merkt, RabelsZ 64 (2000), 517, 531; Presber, in: Derleder/Knops/Bamberger, 1. Aufl., § 30 Rn. 13; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 193. 9 Engert, GmbHR 2007, 337, 339; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 472 f.; Luttermann/ Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532; Volk, ZBB 2005, 273, 274. 10 So etwa der seit 1896 unveränderte Wortlaut des § 824 Abs. 1 BGB, wo mit dem „Kredit eines anderen“ ebenfalls dessen Bonität gemeint ist; vgl. OLG Frankfurt a.M., 6.11.1988, NJW-RR 1988, 562, 564; Palandt/Sprau, § 824 Rn. 8; sowie unten § 28 I 1. 11 Vgl. in diesem Sinne auch die oben im Text wiedergegebene Legaldefinition in § 3(a)(60) Securities Exchange Act of 1934. 12 Aus bankbetriebswirtschaftlicher Sicht Norden/Weber, Bewertung von Ratingsystemen durch Markt und Staat, S. 31, 33. 13 Arendts, WM 1993, 229, 230. 14 Blaurock, ZGR 2007, 603 f.; Presber, in: Derleder/Knops/Bamberger, 1. Aufl., § 30 Rn. 13; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 302; Scholz, BFuP 2005, 259; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 6. 15 Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43. 7
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
b) Risiken jenseits des Aussagegehalts des Ratings Neben dem Kreditrisiko sind Investitionen am Finanzmarkt potentiell noch einer Fülle weiterer Risiken ausgesetzt, wie etwa Liquiditätsrisiken, Marktrisiken, Volatilitätsrisiken und Währungsrisiken. Ein Rating trifft zu keinem dieser sonstigen Risiken irgendeine Aussage,16 und zwar weder unmittelbar noch mittelbar. Diese Begrenzung des sachlichen Aussagegehalts eines Ratings ergibt sich im Grunde bereits aus seiner Eigenschaft als Bonitätsbeurteilung; die Rating-Agenturen weisen darauf zudem in ihren Publikationen durchgehend deutlich hin.17 Es überrascht daher, dass nicht selten – unzutreffend – davon ausgegangen zu werden scheint, das Rating einer Rating-Agentur bilde alle Risiken eines Investitionsobjektes umfassend ab18 und signalisiere daher bei einer hohen Ratingeinstufung, namentlich dem sprichwörtlichen Triple-A („AAA“), die vollständige Risikofreiheit einer Investition. Dieses evidente Missverständnis dürfte einer der zentralen Gründe für das zu beobachtende (und viel kritisierte) Phänomen sein, dass Marktteilnehmer sich bei Investitionsentscheidungen übermäßig oder gar ausschließlich auf Ratings stützen und es unterlassen, eine eigene Risikobewertung vorzunehmen. Wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird,19 ist dasselbe Missverständnis aber auch bei staatlichen Regelsetzern anzutreffen,20 die Ratings in ihren Rechtsvorschriften als Indikator für Risiken einsetzen, zu denen ein Rating schlicht nichts aussagt – eine regulatorische Fehlentwicklung, die ihrerseits zum Entstehen systemischer Risiken beitragen kann. c) Das verbreitete Missverständnis des Ratings als „allgemeines Gütesiegel“ Eng verwandt mit dem soeben umschriebenen Missverständnis ist eine weitere Fehlvorstellung, nämlich die des Ratings als „allgemeines Gütesiegel“21 zugunsten des beurteilten Unternehmens bzw. Wertpapiers. Sie entfernt sich noch weiter vom begrenzten Aussagegehalt eines Ratings, indem sie in ihm eine allgemeine, über eine bloße Risikoeinschätzung hinausgehende Bewertung des
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Scholz, BFuP 2005, 259. Vgl. etwa den standardisierten abschließenden Hinweis jeder Publikation der Rating-Agentur Moody’s, der stets den Satz enthält: „Ratings treffen keinerlei Aussage über andere Risiken, wie z.B. Liquiditätsrisiken, Marktwertrisiken oder Kursvolatilität.“ 18 Zu weit oder jedenfalls zu undifferenziert etwa Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 547: Rating als „assessment of the relative risk of an obligation“; Sullivan, 94 Minn. L. Rev. (2010), 2136, 2139: „… their highest rating, indicating a very low risk of default and corresponding loss of value“. 19 Siehe § 17 III 2. 20 Vgl. etwa die oben (vor I.) zitierte Legaldefinition von „credit ratings“ des Hongkonger Aufsichtsrechts (Schedule 1 zur Securities and Futures Ordinance), in der von „opinions […] primarily regarding the creditworthiness“ (meine Hervorhebung) die Rede ist. 21 In diesem Sinne etwa Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 52; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 286; Schröder, ZBB 2010, 280, 285: „TÜV-Gütesiegel der Finanzmärkte“; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 535: „Their ultimate stamp of approval, an AAA rating, is the closest thing bond investors can get to a fool-proof guaranty.“ 17
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte
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Ratinggegenstandes erkennen will, welche die „Qualität“22 oder den „tatsächlichen Wert“ eines Wertpapiers ausdrückt.23 Tatsächlich sind Ratings jedoch keine Urteile über die „Güte“ eines Unternehmens24 oder den Wert eines Finanzinstruments,25 wie der europäische Gesetzgeber nunmehr sogar ausdrücklich klargestellt hat.26 Auch die Corporate Governance eines Unternehmens ist nicht Gegenstand eines (Bonitäts-)Ratings, obwohl die Güte der Unternehmensführung die Kreditwürdigkeit beeinflussen und daher als Gesichtspunkt in Ratingeinstufung einfließen kann; unterscheidbar wird sie jedoch nur durch sog. „Corporate Governance-Ratings“ bewertet,27 die von Ratings im hier behandelten Sinne streng zu trennen sind. Da es lediglich eine Einschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit darstellt, trifft ein Rating schließlich keine Aussage zur Rendite eines Finanzinstruments28 oder der Angemessenheit seines Marktpreises (regelmäßig also seines Kurses), weil beide außer durch die Bonität noch durch andere Faktoren (wie namentlich die Verzinsungshöhe) beeinflusst werden. d) Mangelnder Empfehlungscharakter von Ratings Als bloße Bonitätsbeurteilung fehlt einem Rating zudem jeder Empfehlungscharakter, weshalb es unstreitig keine Empfehlung zum Kaufen, Halten oder Verkaufen des beurteilten Wertpapiers darstellt. Dieser Umstand, den die RatingAgenturen seit jeher in ihren Ratingpublikationen betont haben,29 ist im deutschen,30 schweizerischen31 und U.S.-amerikanischen Schrifttum32 einheitlich an22 So etwa Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 2, die Ratings als „Qualitätseinschätzung aller am Markt befindlichen Wertpapiere“ beschreiben. 23 Unzutreffend (oder zumindest ungenau) daher etwa Plumbers’ Union Local No. 12 Pension Fund v. Nomura Asset Acceptance Corp., 20.1.2011, 632 F.3d 762, 775 (1st Cir. 2011): „The ratings are opinions purportedly expressing the agencies’ professional judgment about the value and prospects of the certificates“ (Hervorhebung im Original). 24 Zutreffend Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 53. 25 Zutreffend Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622; a.A. Sullivan, 94 Minn. L. Rev. (2010), 2136, 2139. 26 Art. 3 Abs. 2 lit. c EG-RatingVO. 27 Vgl. zu diesen Marsch-Barner, in: ders./Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, § 2 Rn. 40; Prigge/ Offen, ZBB 2007, 89 ff. 28 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 548; a.A. wohl Merkt, RabelsZ 64 (2000), 517, 531 f. 29 Vgl. den Standardhinweis der Rating-Agentur Moody’s: „Bei Ratings handelt es sich weder um finanzielle noch Anlageratschläge, noch um Empfehlungen, bestimmte Wertpapiere zu kaufen, zu verkaufen oder zu halten. Ratings treffen keinerlei Aussage über die Eignung einer Kapitalanlage für bestimmte Investoren.“ 30 Blaurock, ZGR 2007, 603, 604; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 44; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 287: „auf keinen Fall“; Vetter, WM 2004, 1701, 1702: „nicht im strengen Sinne“. 31 Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. XXIV Rn. 73; Rohr, Emissionsrecht, S. 236; Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 3 Rn. 27. 32 Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 42; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 202; Pixley, Emotions in Finance, S. 149; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 341. Im kanadischen Schrifttum ebenso Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
erkannt und wurde auch in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung bestätigt;33 die EG-RatingVO enthält nunmehr zudem eine ausdrückliche legislative Klarstellung in dieser Hinsicht.34 Dass Ratings nichts zur Eignung einer Kapitalanlage für bestimmte Investoren sagen können, ergibt sich dabei schon daraus, dass es sich um standardisierte Aussagen handelt, die auf die Präferenzen eines einzelnen Investors gar nicht abstellen können.35 Es ist ihnen aber nach Wortlaut und Zweck auch der Charakter einer nicht-individualisierten Anlageempfehlung fremd, weil eine Einschätzung der wirtschaftlichen Eignung eines Investitionsobjektes die Bewertung weiterer Faktoren jenseits der Bonität erfordern würde, mit der Rating-Agenturen nicht befasst sind:36 Eine mit „AAA“ geratete Anleihe kann sich schließlich als schlechte Investition darstellen, wenn sie mit 110% ihres Nennwerts notiert, während eine Anleihe mit „BBB“-Rating bei einem entsprechend niedrigen Kurs eine exzellente Anlage sein kann.37 Die Ratings der RatingAgenturen unterscheiden sich darin von den Anlageempfehlungen der Finanzanalysten,38 die gelegentlich ebenfalls als „Ratings“ bezeichnet werden.39 Dabei ist unverkennbar, dass Ratings innerhalb des Entscheidungsprozesses vieler Investoren eine wichtige Rolle spielen, weil das Kreditrisiko generell einen zentralen Faktor bei der Anlageauswahl darstellt und bestimmte (institutionelle) Investoren infolge rechtlicher Anlagevorschriften sogar gezwungen sind, nur Fremdkapitaltitel mit einem bestimmten Mindestrating zu erwerben.40 Wenn aus diesem Grund gelegentlich festgestellt wird, dass Ratings de facto wie eine Anlageempfehlung wirken,41 so darf nicht übersehen werden, dass diese Wirkung aus dem Umgang der Adressaten mit der Bonitätsinformation herrührt und nicht bedeutet, dass den Ratings ein solcher Aussagegehalt innewohnt – eine Differenzierung, der für die Anwendbarkeit mancher Finanzmarktregelungen entscheidende Bedeutung zukommt.42
33 First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s, 28.9.1987, 670 F.Supp. 115, 116 (S.D.N.Y. 1987): „The publication [Standard & Poor’s Corporation Records] does not, however, include any investment recommendations by the publisher, nor does it endorse any of the securities it lists“; Commercial Financial Services v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 111 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004). 34 Art. 3 Abs. 2 lit. b EG-RatingVO. 35 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 158. 36 Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 299; ders., 8 Duke J. Comp. & Int’l L. (1998), 235, 253. 37 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 549; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622. 38 Pixley, Emotions in Finance, S. 149. 39 So zur Schweizer Finanzmarktpraxis Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 3 Rn. 27; zu den U.S.A. Jennings, 32 St. Mary’s L.J. (2001), 543, 609. 40 Siehe zu dieser „Regulierungsfunktion“ des Ratings zunächst § 1 II sowie ausführlich den Zweiten Teil dieser Untersuchung. 41 Niedostadek, Rating, Rn. 219; Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 17; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 196; Vetter, WM 2004, 1701, 1702. 42 Siehe namentlich zur Anwendung der aufsichtsrechtlichen Regelungen über Finanzanalysten auf Rating-Agenturen noch § 24 III.
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte
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2. Das Rating als subjektive Meinung der Rating-Agentur mit Prognosecharakter Da eine Bonitätsbeurteilung sich nach dem Gesagten auf die Wahrscheinlichkeit der künftigen Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen durch den Emittenten bezieht, handelt es sich dabei stets um eine Prognose.43 Ratings beziehen sich mit ihrer Aussage also nicht auf die Gegenwart, sondern auf die Zukunft,44 und unterscheiden sich darin von Sachverständigengutachten, Warentests, anwaltlichen Rechtsgutachten und Jahresabschlusstestaten, mit denen sie häufig (aber insoweit unzutreffend) gleichgesetzt45 werden. Durch ihre Ratings bestätigt eine RatingAgentur also nicht etwa, dass das geratete Unternehmen mit einer bestimmten Sicherheit nicht ausfallen wird, sondern drückt ihre subjektive Einschätzung der Wahrscheinlichkeit aus, mit der eine künftige Rückzahlung empfangener Gelder erfolgen wird. Darüber hinaus ist eine solche Prognose eine Meinung der Rating-Agentur.46 Legt man das im Rechtsvergleich weitgehend konsentierte Abgrenzungskriterium zugrunde, dem zufolge eine Tatsache sich dadurch auszeichnet, dass sie einem Beweis zugänglich ist,47 so ist eine Ratingeinstufung keine Tatsache,48 son-
43 KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“): „prognostische Einschätzung“; Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 40; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 45; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 286; Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 184; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 881; Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1691: „inherently forward-looking“; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 128; Niedostadek, Rating, Rn. 218; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1022; Peters, Haftung und Regulierung, S. 53; Scholz, BFuP 2005, 276, der Ratings mit Wettervorhersagen vergleicht; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 32; Veil/Veil/Teigelack, § 21 Rn. 14: „prognostischer Charakter“. 44 Eine punktuelle Ausnahme gilt für Ratings in der untersten Ratingkategorie („C“ auf der Moody’s-Skala und „SD“/„D“ auf der Fitch-Skala – siehe dazu noch im Text unter II.), weil diese Einstufungen einen bereits eingetretenen Zahlungsausfall signalisieren sollen. 45 So Möschel, ZRP 2009, 129, 132 zu Ratings und Testaten. 46 Abel, RDV 2006, 108; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850; Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 548; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 2; García Alcubilla/Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 58; Hitselberger/Lynch, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2009 Supplement, § 7.01; Hunt, 60 S. C. L. Rev. (2009), 749, 763; Moloney, EC Securities Regulation, S. 688; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 219; Rohr, Emissionsrecht, S. 236; Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 3 Rn. 27; Scholz, BFuP 2005, 276; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 193; St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399, 400; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137; von Schweinitz, WM 2008, 953; Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293, 294. 47 So zur EMRK EGMR, 8.7.1986 – Lingens ./. Österreich, EuGRZ 1986, 424 Tz. 46; zum deutschen Recht BGH, 24.1.2006, BGHZ 166, 84 Tz. 63 („Kirch ./. Deutsche Bank AG und Breuer“); zum Schweizer Recht BGer, 30.8.1988, BGE 114 II, 385, 387; BGer, 24.1.1992, BGE 118 IV, 41, 44; zum U.S.-amerikanischen Recht Milkovich v. Lorain Journal Co., 21.6.1990, 497 U.S. 1, 21, 110 S.Ct. 2695 (1990). 48 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 548; Glöckle, Zukunftsbezogene Publizität, S. 158; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 286.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
dern eine subjektive, wertende Schlussfolgerung,49 welche die Rating-Agentur auf Grundlage der ihr vorliegenden Informationen über den Emittenten, die Emission, die volkswirtschaftliche Lage u.s.w. – wozu regelmäßig auch oder sogar vorwiegend Tatsachen gehören – getroffen hat. Einem Beweis ist dieses Beurteilungsergebnis nicht zugänglich, und zwar auch deshalb nicht, weil es sich auf die Zukunft bezieht. Tatsächlich sind die Schlüsse, die aus einer bestehenden wirtschaftlichen Situation für Kreditwürdigkeit und künftige Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens ableitbar sind, häufig heftig umstritten, und zwar ebenso zwischen Darlehensgebern und Darlehensnehmern wie auch zwischen RatingAgenturen und Emittenten (die ihre eigene Bonität typischerweise als besser einschätzen, als dies im Rating zum Ausdruck kommt50). Die Qualifikation einer Bonitätsbeurteilung als Meinung und ihrer Veröffentlichung durch die RatingAgenturen als Meinungsäußerung51 ist in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung schon häufig bestätigt worden;52 im neueren Hongkonger Aufsichtsrecht wird der Charakter von Ratings als Meinungen sogar gesetzlich festgeschrieben.53 An der Einordnung eines Ratings als subjektivem Werturteil ändert sich dadurch nichts, dass Rating-Agenturen ihre Ratings erklärtermaßen auf Grundlage von Tatsachen (also objektiver Grundlage) und unter Anwendung (von gelegentlich so bezeichneten54) objektiven Methoden erstellen:55 Die Ratingeinstufung selbst, und dies ist allein maßgeblich, kommt letztlich durch eine subjektive Auswertung und Gewichtung der zugrunde liegenden Faktoren zustande, wird damit in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt56 und stellt folglich eine Meinung dar.57 Darin un49 So aus der deutschen Rechtsprechung auch KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („ScopeFondsrating“): wertende Beurteilung. 50 Treffend Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 549 Fn. 18: „This is to be expected because everyone loves his own baby.“ 51 Blaurock, ZGR 2007, 603; Boos, BFuP 2005, 267; Vetter, WM 2004, 1701, 1704. Siehe zur Einordnung als Meinungsäußerung im verfassungsrechtlichen Sinne noch näher in § 21. 52 In re Fitch, 21.5.2003, 330 F.3d 104, 106 (2nd Cir. 2003); In re Lehman Brothers MortgageBacked Sec. Litig., 11.5.2011, 650 F.3d 167, 183 (2nd Cir. 2011): „The rating issued by a Rating Agency speaks merely to the Agency’s opinion of the creditworthiness of a particular security“; Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 522 (6th Cir. 2007); J & R Marketing, SEP v. General Motors Corp., 5.3.2008, 519 F.3d 552, 555 (6th Cir. 2008); Plumbers’ Union Local No. 12 Pension Fund v. Nomura Asset Acceptance Corp., 20.1.2011, 632 F.3d 762, 775 (1st Cir. 2011); In re National Century Financial Enterprises, Inc., Investment Litig., 22.7.2008, 580 F.Supp.2d 630, 639 (S.D.Ohio 2008). Geringfügig anders dagegen King County, Wash. v. IKB Deutsche Industriebank, 3.1.2013, 916 F.Supp.2d 442, 449 (S.D.N.Y. 2013): „fact-based opinion“. 53 Schedule 1 zur Hongkonger Securities and Futures Ordinance zum Begriff „credit ratings“: „opinions, expressed using a defined ranking system, primarily regarding the creditworthiness …“. 54 Siehe dazu noch näher § 25 IV. 55 A.A. wohl Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850, die dies für „widersprüchlich“ hält. 56 So die bekannte Formel des deutschen Verfassungsgerichts in BVerfG, 22.6.1982, BVerfGE 61, 1, 9 („Wahlkampf“). 57 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 522 (6th Cir. 2007): „considers several objective factors, but is ultimately derived from the subjective weighing of those factors“; vgl. auch Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 485: „heavy reliance on human judgment“.
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte
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terscheiden sich Ratings von den Veröffentlichungen der Kreditauskunfteien (credit reporting agencies), die mit Rating-Agenturen zwar historisch verwandt sind und als Informationsintermediäre auch eine ähnliche Funktion besitzen,58 deren Kreditauskünfte aber Tatsachenangaben über den betreffenden Schuldner zusammenstellen.
3. Ratings als relative Einstufungen in Bonitätskategorien Schließlich zeichnen sich Bonitätsbeurteilungen in Form von Ratings noch dadurch aus, dass die Rating-Agenturen darin eine relative Einschätzung der Bonität ausdrücken,59 ohne eine absolute Bemessung der Ausfallwahrscheinlichkeit vorzunehmen.60 Das jeweilige Bonitätsurteil wird in Form eines symbolhaften Ratingkürzels (regelmäßig einer Buchstabenkombination) zusammengefasst, das einer feststehenden Ratingskala von neun bzw. zehn Ratingkategorien nebst Unterkategorien61 entnommen ist: Ein Rating von „BBB+“ beschränkt sich daher auf die Aussage, dass das Ausfallrisiko des betreffenden Wertpapiers als höher eingeschätzt wird als dasjenige einer Anleihe mit „A–“-Rating, aber geringer als eines mit „BBB“ gerateten Wertpapiers, ohne jedoch eine Meinung über das absolute Ausfallrisiko auszudrücken.62 Auch eine Beurteilung mit „AAA“ soll also nicht heißen, dass das so geratete Unternehmen mit Sicherheit nicht ausfallen wird, sondern nur, dass es im Vergleich mit anderen Investitionsmöglichkeiten (also relativ) als sicher gilt.63 An dieser Beschränkung auf relative Bonitätseinschätzungen ändert sich dadurch nichts, dass die großen Rating-Agenturen regelmäßig die in der Vergangenheit tatsächlich eingetretenen Ausfallraten nach Ratingkategorien aufgeschlüsselt publizieren:64 Diese Information der Marktöffentlichkeit soll erkennbar nicht bedeuten, dass für die einzelnen Ratingkategorien für die Zukunft eine bestimmte absolute (Höchst-)Ausfallrate garantiert wird. Empirische Untersuchungen legen allerdings nahe, dass dies von Seiten der Ratingnutzer 58 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 85. Siehe zu Kreditauskunfteien als historische Vorgänger der Rating-Agenturen noch § 3 I. 59 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878; Arendts, WM 1993, 229, 230; Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 78; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 608; Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 547; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 472; García Alcubilla/ Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 59; Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 183; Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 193; Siebel, BFuP 2005, 266; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 461. Dem entspricht die Definition in Art. 3 Abs. 1 lit. h EG-RatingVO. 60 ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 4; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 472; Kiff, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 34; St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399, 400. 61 Dazu sogleich im Text unter II. zu den Ratingskalen der drei großen internationalen RatingAgenturen Fitch, Moody’s und Standard & Poor’s. Andere Agenturen verwenden andere Skalen mit einer divergierenden Anzahl von Ratingkategorien. 62 ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 4; Müller, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 327, 338. 63 Hitselberger/Lynch, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2009 Supplement, § 7.01; Niedostadek, Rating, Rn. 94. 64 Zutreffend Kiff, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 34, 35. Dies verkennen Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 83; Wirsch, Konzern 2009, 443, 447.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
möglicherweise missverstanden wird.65 Im Übrigen dürfte eine Verwendung „absoluter“ Bonitätskategorien weder praktikabel noch sinnvoll sein, weil auf diese Weise die Änderung marktweit wirkender Umstände (wie namentlich volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen) stets eine flächendeckende Anpassung aller Ratings erfordern würde66 – ein Ansatz, dem jedenfalls eine erhebliche prozyklische Wirkung innewohnen würde.
Mit der Einstufung in Ratingkategorien geht zugleich eine gewisse Gleichsetzung heteronomer Gesellschaften einher,67 der es an mathematischer Präzision mangelt, weil alle Unternehmen innerhalb derselben Kategorie als bonitätsgleich ausgewiesen werden.68 Diese Ungenauigkeit wird zugunsten der Erreichung einer gewünschten Komplexitätsreduktion hingenommen und nur dadurch teilweise ausgeglichen, dass die Ratingkategorien seit einiger Zeit durch Hinzufügung nachgestellter Zeichen („+/–“ bzw. „1/2/3“) weiter ausdifferenziert und zudem in die begleitenden Ratingberichte genauere Angaben über das bewertete Unternehmen aufgenommen werden.
II. Ratings als symbolhaft ausgedrückte Bonitätseinstufungen Als weiteres Charakteristikum eines Ratings ist zu nennen, dass die Bonitätsbeurteilung nicht lediglich als berichtender Text, sondern vielmehr „codiert“ in Form von Symbolen („AAA“, „Baa3“) ausgedrückt wird. Diese Art der Informationsdarstellung wird zwar in den anfangs zitierten Legaldefinitionen nicht explizit erwähnt, ist aber im Schrifttum zu Recht als prägende Eigenschaft von Ratings anerkannt.69 Die an den internationalen Finanzmärkten aktiven RatingAgenturen verwenden – soweit ersichtlich – durchgehend derartige „Codierungen“ ihrer Bonitätsinformationen. Im Einzelnen zerfällt jedes veröffentlichte Rating damit in zwei Bestandteile, nämlich das in Buchstabenform codierte Ratingkürzel,70 das im Sprachgebrauch vielfach allein als „Rating“ bezeichnet wird, sowie den begleitenden Ratingbericht.71 Mit dieser Unterteilung geht bei vielen 65
ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 4: „This is an area where there is probably an understandable disconnect with the users of ratings where they tend to take the historic long-term default experience by rating category as an indicator or a measure of future default.“ 66 IMF, Sovereign Credit Ratings (Okt. 2010), S. 6. 67 Rottmann/Seitz, KuK 2008, 59, 62. 68 Durch die Verwendung von Kategorien unterscheiden sich Ratings zugleich von „Rankings“, die Wertpapiere (im gängigen Sprachgebrauch vor allem Aktien) in einer nummerierten Rangfolge auflisten; Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 77; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346. Im Schrifttum werden beide Begriffe aber nicht selten verwechselt, so etwa bei Hauptmann, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 3 Rn. 75 und Schlitt, in MünchKommAktG, § 33 WpÜG Rn. 105. 69 In diesem Sinne in der deutschen Literatur Arendts, WM 1993, 229, 230: „ähnlich einer Zensur“; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 273; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 193; Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293, 294; in der schweizerischen Literatur Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 53. 70 Siehe unter 1. 71 Dazu unter 2.
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte
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(aber nicht allen) Rating-Agenturen zugleich ein Unterschied in der Verfügbarkeit der Information einher: Während die Ratingkürzel von denjenigen Agenturen, die das „issuer pays“-Geschäftsmodell72 verwenden, kostenfrei öffentlich zugänglich gemacht werden und auch dauerhaft zugänglich bleiben, stehen die begleitenden Ratingberichte regelmäßig nur zahlenden Abonnenten zur Verfügung.
1. Das „Ratingkürzel“ Das Bonitätsurteil der Rating-Agentur wird in Form eines „Ratingkürzels“ ausgedrückt, das die Ratingkategorie angibt, der die Rating-Agentur das beurteilte Unternehmen oder Wertpapier zugeordnet hat. Da die hierzu eingesetzte Ratingskala von jeder Agentur selbst entwickelt wird und viele Rating-Agenturen zudem unterschiedliche Skalen für lang- und kurzfristige Verbindlichkeiten unterhalten, sollten am internationalen Ratingmarkt ganz uneinheitliche Ratingkürzel anzutreffen sein. Tatsächlich haben sich weltweit allein zwei Ratingskalen als prägend herausgestellt,73 nämlich einerseits die Ratingskala für langfristige Verbindlichkeiten der Rating-Agentur Moody’s74 und andererseits die ebenfalls für langfristige Verbindlichkeiten eingesetzte Ratingskala der Rating-Agenturen Standard & Poor’s und Fitch75 (die beide dieselbe Skala verwenden). Ein bestimmtes, diesen Skalen entnommenes Ratingkürzel signalisiert dabei unabhängig vom Typ des Ratingobjektes und seiner geographischen Ansiedlung stets dieselbe Bonitätseinschätzung;76 einem als „A“ gerateten chinesischen Unternehmen kommt nach Meinung der Rating-Agenturen also dieselbe Ausfallwahrscheinlichkeit zu wie einer als „A“ gerateten U.S.-amerikanischen Asset-Backed Security. Auf diese Weise fungieren die Ratingkürzel als international einheitliche wie auch international verständliche Bonitätsinformation.77 In der Ökonomie spricht man insoweit von einem informationellen Netzwerkeffekt.78 a) Ratingskala für langfristige Verbindlichkeiten der Rating-Agentur Moody’s Aaa
Aaa-geratete Verbindlichkeiten sind von höchster Qualität und bergen ein minimales Kreditrisiko.
Aa
Aa-geratete Verbindlichkeiten sind von hoher Qualität und bergen ein sehr geringes Kreditrisiko.
72
Siehe dazu noch unter IV 3 a). Vgl. Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 220 sowie unten § 20 II 2 b) bb) (1). 74 Dazu sogleich unter a). 75 Dazu unter b). 76 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 6; Schwarcz, 8 Duke J. Comp. & Int’l L. (1998), 235, 253: „ratings as worldwide standards“. 77 Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 204. 78 Zur Vergleichbarkeit von Ratings in diesem Sinne Krämer, zitiert bei Balzer, ZBB 2004, 329; aus dem ökonomischen Schrifttum Varian, Microeconomics, Tz. 35.4. 73
24
Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
A
A-geratete Verbindlichkeiten werden der „oberen Mittelklasse“ zugerechnet und bergen ein geringes Kreditrisiko.
Baa
Baa-geratete Verbindlichkeiten sind von mittlerer Qualität. Sie bergen ein moderates Kreditrisiko und weisen mitunter spekulative Elemente auf.
Ba
Ba-geratete Verbindlichkeiten weisen spekulative Elemente auf und bergen ein erhebliches Kreditrisiko.
B
B-geratete Verbindlichkeiten werden als spekulativ angesehen und bergen ein hohes Kreditrisiko.
Caa
Caa-geratete Verbindlichkeiten sind von geringer Qualität und bergen ein sehr hohes Kreditrisiko.
Ca
Ca-geratete Verbindlichkeiten werden als hochgradig spekulativ angesehen. Ein Zahlungsausfall ist möglicherweise bereits eingetreten oder steht kurz bevor. Es bestehen gewisse Aussichten auf Zins- und/oder Kapitalrückzahlungen.
C
C-geratete Verbindlichkeiten stellen die niedrigste Kategorie dar. Ein Zahlungsausfall ist in der Regel bereits eingetreten. Es bestehen geringe Aussichten auf Zins- und/oder Kapitalrückzahlungen.
Moody’s verwendet in den Ratingkategorien „Aa“ bis „Caa“ zusätzlich numerische Unterteilungen. Der Zusatz „1“ bedeutet, dass eine entsprechend bewertete Verbindlichkeit in das obere Drittel der jeweiligen Ratingkategorie einzuordnen ist, während „2“ und „3“ das mittlere bzw. untere Drittel anzeigen. b) Ratingskala für langfristige Verbindlichkeiten der Rating-Agenturen Standard & Poor’s und Fitch Die beiden Rating-Agenturen Standard & Poor’s und Fitch verwenden bei der Beurteilung langfristiger Verbindlichkeiten dieselben Ratingkürzel,79 weisen diesen jedoch – wie im Folgenden erkennbar – nicht völlig einheitliche Bedeutungen zu. AAA
S&P: An obligor rated ‚AAA‘ has extremely strong capacity to meet its financial commitments. ‚AAA‘ is the highest issuer credit rating assigned by Standard & Poor’s. Fitch: ,AAA‘ ratings denote the lowest expectation of default risk. They are assigned only in cases of exceptionally strong capacity for payment of financial commitments. This capacity is highly unlikely to be adversely affected by foreseeable events.
AA
79
S&P: An obligor rated ‚AA‘ has very strong capacity to meet its financial commitments. It differs from the highest-rated obligors only to a small degree.
Zum historischen Hintergrund noch § 20 II 2 b) bb) (1).
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte
25
Fitch: ,AA‘ ratings denote expectations of very low default risk. They indicate very strong capacity for payment of financial commitments. This capacity is not significantly vulnerable to foreseeable events. A
S&P: An obligor rated ,A‘ has strong capacity to meet its financial commitments but is somewhat more susceptible to the adverse effects of changes in circumstances and economic conditions than obligors in higher-rated categories. Fitch: ,A‘ ratings denote expectations of low default risk. The capacity for payment of financial commitments is considered strong. This capacity may, nevertheless, be more vulnerable to adverse business or economic conditions than is the case for higher ratings.
BBB
S&P: An obligor rated ,BBB‘ has adequate capacity to meet its financial commitments. However, adverse economic conditions or changing circumstances are more likely to lead to a weakened capacity of the obligor to meet its financial commitments. Fitch: ,BBB‘ ratings indicate that expectations of default risk are currently low. The capacity for payment of financial commitments is considered adequate but adverse business or economic conditions are more likely to impair this capacity.
BB
S&P: An obligor rated ,BB‘ is less vulnerable in the near term than other lower-rated obligors. However, it faces major ongoing uncertainties and exposure to adverse business, financial, or economic conditions, which could lead to the obligor’s inadequate capacity to meet its financial commitments. Fitch: ,BB‘ ratings indicate an elevated vulnerability to default risk, particularly in the event of adverse changes in business or economic conditions over time; however, business or financial flexibility exists which supports the servicing of financial commitments.
B
S&P: An obligor rated ,B‘ is more vulnerable than the obligors rated ,BB‘, but the obligor currently has the capacity to meet its financial commitments. Adverse business, financial, or economic conditions will likely impair the obligor’s capacity or willingness to meet its financial commitments. Fitch: ,B‘ ratings indicate that material default risk is present, but a limited margin of safety remains. Financial commitments are currently being met; however, capacity for continued payment is vulnerable to deterioration in the business and economic environment.
CCC
S&P: An obligor rated ,CCC‘ is currently vulnerable, and is dependent upon favorable business, financial, and economic conditions to meet its financial commitments. Fitch: Default is a real possibility.
CC
S&P: An obligor rated ,CC‘ is currently highly vulnerable. Fitch: Default of some kind appears probable.
26 C
Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
Fitch: Default is imminent or inevitable, or the issuer is in standstill. Conditions that are indicative of a ,C‘ category rating for an issuer include: a. the issuer has entered into a grace or cure period following nonpayment of a material financial obligation; b. the issuer has entered into a temporary negotiated waiver or standstill agreement following a payment default on a material financial obligation; or c. Fitch Ratings otherwise believes a condition of ,RD‘ or ,D‘ to be imminent or inevitable, including through the formal announcement of a coercive debt exchange.
R (S&P)
S&P: An obligor rated ,R‘ is under regulatory supervision owing to its financial condition. During the pendency of the regulatory supervision, the regulators may have the power to favor one class of obligations over others or pay some obligations and not others. Please see Standard & Poor’s issue credit ratings for a more detailed description of the effects of regulatory supervision on specific issues or classes of obligations.
SD (S&P)/ RD (Fitch)/ D
S&P: An obligor rated ,SD‘ (selective default) or ,D‘ has failed to pay one or more of its financial obligations (rated or unrated) when it came due. A ,D‘ rating is assigned when Standard & Poor’s believes that the default will be a general default and that the obligor will fail to pay all or substantially all of its obligations as they come due. An ,SD‘ rating is assigned when Standard & Poor’s believes that the obligor has selectively defaulted on a specific issue or class of obligations but it will continue to meet its payment obligations on other issues or classes of obligations in a timely manner. A selective default includes the completion of a distressed exchange offer, whereby one or more financial obligation is either repurchased for an amount of cash or replaced by other instruments having a total value that is less than par. Fitch: ,RD‘ ratings indicate an issuer that in Fitch Ratings’ opinion has experienced an uncured payment default on a bond, loan or other material financial obligation but which has not entered into bankruptcy filings, administration, receivership, liquidation or other formal winding-up procedure, and which has not otherwise ceased business. This would include: a. the selective payment default on a specific class or currency of debt; b. the uncured expiry of any applicable grace period, cure period or default forbearance period following a payment default on a bank loan, capital markets security or other material financial obligation; c. the extension of multiple waivers or forbearance periods upon a payment default on one or more material financial obligations, either in series or in parallel; or d. execution of a coercive debt exchange on one or more material financial obligations.
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte
27
D: ,D‘ ratings indicate an issuer that in Fitch Ratings’ opinion has entered into bankruptcy filings, administration, receivership, liquidation or other formal winding-up procedure, or which has otherwise ceased business. […]
Standard & Poor’s und Fitch ergänzen die oben wiedergegebenen Ratingkürzel um „+“- und „–“-Zusätze, wobei „+“ innerhalb einer Ratingkategorie das oberste Drittel, das Fehlen eines Zusatzes das mittlere und „–“ das unterste Drittel bedeutet. c) Weitere Ratingskalen Daneben unterhalten die drei vorstehend genannten wie auch die übrigen RatingAgenturen noch weitere Ratingskalen, unter denen die Skalen für kurzfristige Verbindlichkeiten – mit den deutlich uneinheitlicheren Staffelungen „P–1“/„P– 2“/„P–3“/„Not Prime“ (Moody’s), „A–1“/„A–2“/„A–3“/„B“/„C“/„D“ (Standard & Poor’s) und „F–1“/„F–2“/„F–3“/„B“/„C“/„RD“/„D“ (Fitch) – die größte praktische Bedeutung besitzen.
2. Die begleitenden Ratingberichte Ratingberichte ergänzen die Ratingkürzel um eine ausführliche Begründung der Bonitätseinstufung. Sie können im Falle der bloßen Bestätigung einer vorherigen Ratingeinstufung vergleichsweise knapp gehalten sein, während sie bei Veröffentlichung eines Erstratings typischerweise eine detaillierte Darstellung der Ausstattung des beurteilten Finanzinstruments und/oder eine umfangreiche Erläuterung der finanziellen und wirtschaftlichen Lage des betroffenen Emittenten enthalten.
III. Ratinggegenstände Gegenstand einer Bonitätsbeurteilung kann theoretisch jeder Schuldner von Zahlungsleistungen wie auch jede einzelne Zahlungsverpflichtung sein. Bei durch Rating-Agenturen erstellten Ratings unterscheidet man vor allem zwischen Emittenten- und Emissionsratings. Beide können auch dort eine Rolle spielen, wo es um die Kreditwürdigkeit souveräner Schuldner (also Staaten oder staatliche Untergliederungen) geht; man spricht hier als Oberbegriff von sovereign ratings.80
80
Dazu unter 3.
28
Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
1. Emittentenratings Ein Emittentenrating, das alternativ auch als „Unternehmensrating“,81 „borrower rating“82 oder „corporate credit rating“83 bezeichnet wird, beurteilt die Bonität eines Unternehmens in seiner Gesamtheit,84 also dessen allgemeine Kreditwürdigkeit.85 Als geschichtlich älteste Ratingart ist es am engsten mit der Kreditauskunft als Vorgängerin des heutigen Ratings verwandt, welche traditionell die künftige Zahlungsfähigkeit von Kaufleuten bewertete.86 In der heutigen Praxis sind Emittentenratings deutlich seltener als Emissionsratings, weil sie sich regelmäßig nur für solche Unternehmen lohnen, die (wie vor allem Banken und Versicherungen) ständig und in unterschiedlichen Formen an den Finanzmärkten Kapital aufnehmen.87 In der Sache beurteilen Emittentenratings die Ausfallwahrscheinlichkeit ungesicherter, nicht nachrangiger (senior unsecured) Verbindlichkeiten des Emittenten;88 die Emissionsratings einzelner Finanzinstrumente des Unternehmens können folglich davon abweichen.89 Eine besondere Bedeutung besitzt ein Emittentenrating schließlich für solche Unternehmen, die bereits aufgrund ihres Unternehmensgegenstandes eine zweifelsfreie Bonität signalisieren müssen – zu nennen sind hier insbesondere Versicherungen, deren voraussichtliche Zahlungsfähigkeit bei Eintritt eines Versicherungsfalles durch sog. financial strength ratings beurteilt wird,90 die sich folglich als eigenständige Unterform des Emittentenratings einordnen lassen.
2. Emissionsratings Emissionsratings beurteilen die Kreditwürdigkeit des Emittenten bezüglich eines bestimmten Finanzinstruments, also die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahlungsverpflichtungen aus diesem Wertpapier rechtzeitig und vollständig erfüllt werden. Wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird, stellt ein Emissionsrating heute auf den meisten Finanzmärkten der Welt eine faktische Markteintrittsvoraussetzung dar, ohne die eine Emission gar nicht platziert werden kann.91
81 Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 90; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346. 82 Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 298. 83 Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850. 84 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346. 85 Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 53. 86 Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 118. 87 Vgl. Däubler, BB 2003, 429. 88 Müller-Masiá/Hahnenstein/Holzberger/Söhlke, Verwendung von Ratinginformationen in der modernen Banksteuerung, S. 55, 89 Fn. 92. 89 Siehe dazu unter 2 a). 90 Vgl. Glennie v. Abitibi-Price Corp., 26.1.1996, 912 F.Supp. 993, 997 f. (W.D.Mich. 1996). 91 Siehe § 8 III.
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte
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a) Anleihen Die Urform des Emissionsratings sind Ratings „traditioneller“ Anleihen, also von Schuldverschreibungen oder (nach deutscher Diktion) „Rentenpapieren“. Bei ihrer Erstellung gehen die Rating-Agenturen von der Bonität des emittierenden Unternehmens aus,92 berücksichtigen aber zudem die Ausgestaltung der konkreten Anleihe,93 die etwa durch Besicherungen wie namentlich Garantien zu einer besseren Ratingeinstufung94 oder bei Nachrangigkeit der Anleihe (subordinated bonds) zu einem schlechteren Emissionsrating führen können.95 Bei demselben Emittenten können daher sowohl Emissions- und Emittentenrating als auch die Ratings mehrerer Emissionen untereinander divergieren.96 Dem Rating einer Anleihe kommt heute im Übrigen noch über seine originäre Funktion als Bonitätseinstufung hinaus Bedeutung zu, da es über die Zugehörigkeit der Emission zu einer von zwei Anleiheklassen bestimmt: So unterscheiden die Gepflogenheiten der internationalen Finanzmärkte streng zwischen „investment grade“-Anleihen, die über ein Rating zwischen „AAA“ und „BBB–“ verfügen, und sog. „High Yield“-Anleihen, deren Rating bei „BB+“ oder darunter und somit im „non-investment grade“-Bereich liegt.97 Für Anleihen der letztgenannten Klasse hat sich neben dem Begriff des „high yield“, der an die infolge der hohen Ausfallwahrscheinlichkeit ebenso hohe Verzinsung anknüpft, gleichberechtigt die Bezeichnung junk bond (Schrottanleihe) eingebürgert,98 die sogar in U.S.amerikanischen Gerichtsurteilen verwendet wird.99 Das Rating weist jede Anleihe damit automatisch einer dieser beiden Klassen zu und bestimmt dadurch mittelbar über die Ausgestaltung der Emission und die in Frage kommenden Investoren, weil der Markt (ebenso wie zahlreiche Rechtsvorschriften) konsequent zwischen „investment grade“ und „non-investment grade“ unterscheidet – eine Trennung, die besonders plastisch darin zum Ausdruck kommt, dass in den „non-investment grade“-Bereich herabgestufte Emittenten vielfach als fallen angels bezeichnet werden.100 92 Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 473; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 90; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346. 93 Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 273; Krämer, StB 2004, 14, 16; Norden/Weber, Bewertung von Ratingsystemen durch Markt und Staat, S. 31, 35. 94 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 92 f.; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 4. 95 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 883 mit Beispielen aus der deutschen Praxis; Hurst, 30 Company L. (2009), 61; Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 1 (2004), § 8:9 Fn. 89. 96 Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 42; Krämer, StB 2004, 14, 16; Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 409; Niedostadek, Rating, Rn. 84. 97 Strauch, in: Eilers u.a., Unternehmensfinanzierung, Kap. C Rn. 176. 98 Vgl. etwa Merkt/Göthel, U.S.-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 428 ff. 99 So etwa in In re Worlds of Wonder Sec. Litig., 20.1.1993, 814 F.Supp. 850, 854 (N.D.Cal. 1993); Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 26.5.2005, 371 F.Supp.2d 898, 899 (E.D.Mich. 2005). 100 Kusserow/Dittrich, WM 2000, 745, 746 Fn. 21; Strauch, in: Eilers u.a., Unternehmensfinanzierung, Kap. C Rn. 175.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
b) Strukturierte Finanzinstrumente (Verbriefungen) Ein weiterer wichtiger Ratinggegenstand sind strukturierte Finanzinstrumente (Verbriefungen) in ihren diversen Spielarten (mortgage-backed securities, assetbacked securities, Collateral Debt Obligations und andere), für deren Platzierung an den Finanzmärkten ein Rating die praktisch unverzichtbare Voraussetzung darstellt. Rechtlich sind Finanzmarkttitel dieser Art, die in der vorliegenden Untersuchung unter dem (untechnischen) Oberbegriff der „komplexen Finanzinstrumente“ zusammengefasst werden, nach fast allen nationalen Rechten als Schuldverschreibungen zu qualifizieren;101 sie weisen in ihrer wirtschaftlichen wie juristischen Ausgestaltung im Einzelnen jedoch so vielgestaltige Unterschiede zu „traditionellen“ Anleihen auf, dass sie in einem gesonderten Kapitel zu behandeln sein werden.102 Obwohl der Markt für geratete komplexe Finanzinstrumente noch deutlich jünger ist als der Markt für Anleihen, erlebte er ab dem Jahr 2000 ein so rasantes Wachstum, dass strukturierte Finanzprodukte im Januar 2008 erstmals der weltweit wichtigste Finanztiteltyp (gemessen am ausstehenden Volumen) waren.103 Infolge der globalen Finanzkrise ist dieses Volumen zwischenzeitlich allerdings wieder stark zurückgegangen. Mit Blick auf ihr Rating liegt eine Besonderheit der strukturierten Finanzprodukte darin, dass ihr Emissionsrating kaum durch die Bonität des Emittenten beeinflusst wird, weil Finanzinstrumente dieser Art typischerweise durch bloße Zweckgesellschaften emittiert werden; das Kreditrisiko hängt daher letztlich allein von der Qualität der verbrieften Forderungen, der „Struktur“ des Instruments und den begleitenden Sicherungsmechanismen (credit enhancements) ab. Deren Beurteilung durch die Rating-Agenturen gelang aus verschiedenen, an anderer Stelle noch näher zu behandelnden Gründen104 weniger gut als bei Anleihen überkommenen Typs und trug damit nach überwiegender Ansicht zum Entstehen der globalen Finanzmarktkrise 2007–09 bei, obgleich hier auch eine übertriebene Orientierung der Marktteilnehmer an den Ratings – die auch bei komplexen Finanzinstrumenten allein deren Bonität, nicht aber deren generelle „Risikofreiheit“ beurteilen – eine Rolle gespielt haben dürfte. c) Vorzugsaktien (preferred stock) Daneben geben Rating-Agenturen auch Emissionsratings für Vorzugsaktien (preferred stock) ab,105 und auch die eingangs erwähnte Legaldefinition des „Rating“ in der EG-RatingVO erstreckt sich explizit auf Bonitätsurteile „in Bezug 101 Zum deutschen Recht Kamlah, WM 1998, 1429, 1430; zum Schweizer Recht Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1210; zum Hongkonger Recht Lejot, 38 HKLJ (2008), 585, 586. 102 Siehe § 10. 103 Benmelech/Dlugosz, NBER Macro Annual 2009, 161, 166. 104 Siehe § 10. 105 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 3; Hurst, 30 Company L. (2009), 61.
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte
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auf eine Vorzugsaktie“.106 Dies mag auf den ersten Blick überraschen, weil Rating-Agenturen im Allgemeinen nur Kreditwürdigkeitsbeurteilungen abgeben, soweit Forderungen von Fremdkapitalgebern (debt) betroffen sind, nicht hingegen bei Eigenkapitalpositionen (equity).107 Auch bei Vorzugsaktien108 handelt es sich aber nach deutschem Aktienrecht um Mitgliedschaften und nicht um Gläubigerrechte,109 und im schweizerischen110 wie auch im U.S.-amerikanischen Aktienrecht111 wird dies ebenso gesehen.112 Die Rating-Agenturen legen insoweit jedoch eine wirtschaftliche Betrachtung zugrunde, da eine Orientierung an den dogmatischen Kategorien nationaler Gesellschaftsrechte für einen global tätigen Informationsintermediär weder praktikabel noch zielführend wäre – wirtschaftlich sind aber auch stimmrechtslose Vorzugsaktien deutscher Prägung, die in dieser Form in vielen ausländischen Aktienrechten gar nicht bekannt sind,113 als hybrides Finanzierungsinstrument zwischen Stammaktien und Schuldverschreibung zu qualifizieren114 und daher theoretisch „ratingtauglich“. Ratings von Vorzugsaktien (preferred stock ratings) beurteilen damit im Ergebnis die relative Sicherheit der geschuldeten Dividendenzahlung.115
3. Sovereign Ratings Der historische Ausgangspunkt für die Entwicklung von Ratings war die Notwendigkeit, die Bonität privater Schuldner zu beurteilen, die sich durch die Begebung von Anleihen zu finanzieren versuchten. An den heutigen Finanzmärkten tritt daneben allerdings in großem Umfang auch die öffentliche Hand als Kapitalnachfrager auf, also Staaten, staatliche Untergliederungen wie Bundesländer, Städte und Kommunen, Unternehmen oder Betriebsgesellschaften in staatlichem Auftrag oder Trägerschaft und internationale Organisationen. Tatsächlich ist in drei der hier untersuchten Staaten (nämlich Deutschland, der Schweiz und den 106
Art. 3 Abs. 1 lit. a EG-RatingVO. So Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 6 zu „pure equity securities“; Serfling/Pries, Die Bank 1990, 381 (zu Stammaktien); offener hingegen Merkt, Unternehmenspublizität, S. 435 Fn. 257. Auch K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 23 Rn. 53 ordnet Ratings als „Möglichkeit des Selbstschutzes der Aktionäre“ ein. 108 § 12 Abs. 1 Satz 2, §§ 139 ff. AktG. 109 G. Bezzenberger, in Großkomm-AktG, Stand: 1.1.1999, § 139 Rn. 4; Hüffer, § 139 Rn. 4, § 140 Rn. 1; Schröer, in MünchKomm-AktG, § 139 Rn. 4; von Caemmerer, in GS II, S. 285, 287: „Hier werden Aktien in gewisser Weise obligationsähnlich gemacht, ohne ihren Charakter als Beteiligungen zu verlieren.“ § 57 Abs. 2 AktG stellt ein Zinsverbot für Aktien auf; in jüngster Zeit für dessen Aufhebung eintretend Otto, WM 2010, 2013, 2022. 110 Artt. 654, 656 OR. 111 Vgl. Merkt/Göthel, U.S.-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 468 ff. 112 Zum schweizerischen Recht Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 4 Rn. 157, 165. 113 Claussen, in: Semler/Peltzer, Arbeitshandbuch, § 3 Rn. 150; Dauner-Lieb, in KK-AktG, § 12 Rn. 7. 114 Siebel, ZHR 161 (1997), 628 ff.; Schröer, in MünchKomm-AktG, § 139 Rn. 2. Aus bankenaufsichtsrechtlicher Sicht ebenso Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28, 29. 115 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 „Disclosure of Security Ratings in Registration Statements“ (Proposed rulemaking) vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 411. 107
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
U.S.A.) die öffentliche Hand der volumenmäßig bedeutendste Emittent von Anleihen und anderen Finanztiteln.116 Etwas anderes gilt im hier gesetzten Rahmen nur für die Sonderverwaltungsregion Hongkong, deren Regierung im Jahre 2009 – aus westlicher Sicht kaum vorstellbar – erstmals allein deshalb Staatsanleihen am Markt platzierte, um durch die Schaffung einer benchmark die Entwicklung des privaten Hongkonger Anleihemarktes zu unterstützen;117 zum Zweck der Haushaltsfinanzierung hätte die Hongkonger öffentliche Hand der so aufgenommenen Gelder nicht bedurft (!).118 Die drei großen internationalen Rating-Agenturen beurteilen heute durchgehend auch die Bonität souveräner Emittenten und ihrer Emissionen (vor allem Staatsanleihen);119 man spricht insofern von Sovereign Ratings.120 In den U.S.A. existiert daneben ein gesonderter Ratingmarkt für Anleihen unterstaatlicher Emittenten (municipal securities), der über 50 000 Kommunen, Städte, Bezirke, Schuldistrikte und kommunale Behörden umfasst und daher sowohl in Volumen wie auch Unübersichtlichkeit erheblich ist.121 Ratings sind für Investoren auch hier eine Orientierungshilfe, die als unverzichtbar angesehen wird.122 Hinsichtlich Beurteilungsvorgang und Aussagegehalt entsprechen Sovereign Ratings im Grundsatz den Ratings privater Emittenten,123 weisen aber insoweit einen Unterschied auf, als die Bonität souveräner Emittenten nicht nur von deren voraussichtlicher Zahlungsfähigkeit, sondern auch ihrer Zahlungswilligkeit abhängt:124 Da Staaten jedenfalls faktisch nicht in demselben Maße zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten aus Anleihen gezwungen werden können wie private Unternehmen, weil die völkerrechtlich geschützte Staatenimmunität der zwangs116 Für Deutschland Grüning/Hirschberg, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 16 Rn. 30; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.124 („mit Abstand“); für die Schweiz Taisch, Finanzmarktrecht, Kap. 6 Rn. 26. 117 Sog. Government Bond Programme auf Grundlage von § 3 Loans Ordinance (Cap. 61). Zuvor war die Position der Regierung insoweit zurückhaltender gewesen; siehe Hsu/Arner/Tse/ Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 1.23: „… has proven unwilling to date to ,overfund‘ by itself issuing debt substantially surplus to any government or infrastructural borrowing requirement“. 118 Vgl. Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 1.22: „a history of persistent general government surpluses prevented the development of a meaningful benchmark risk-free yield curve until recently“; Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 316; Kwan/Stott, Stand: Release 1 (Oct. 2007), Rn. 12.001. 119 Zur geschichtlichen Entwicklung siehe Cantor/Packer, 1 FRBNY C.I. (June 1995), 1, 2 ff.; Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 31. 120 Siehe allgemein IMF, Sovereign Credit Ratings (Okt. 2010), S. 1 ff.; Bruner/Abdelal, 25 J. Pub. Policy (2005), 191 ff.; zum Rating deutscher Gebietskörperschaften vgl. Budäus, in: Hill, Zukunft des öffentlichen Sektors (2006), S. 167 ff. 121 Vgl. dazu noch in § 11 II 1 c) bb). 122 Budäus, in: Hill, Zukunft des öffentlichen Sektors (2006), S. 167, 170; in den U.S.A. schon früh Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 98. 123 Cantor/Packer, 1 FRBNY C.I. (June 1995), 1. 124 Cantor/Packer, 1 FRBNY C.I. (June 1995), 1, 4; auch Budäus, in: Hill, Zukunft des öffentlichen Sektors (2006), S. 167 (für einen „erweiterten Bonitätsbegriff“). Die Zahlungswilligkeit wird von vielen allerdings generell als Aspekt der Bonität eingeordnet; vgl. etwa Blaurock, ZGR 2007, 603; Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 486.
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte
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weisen Durchsetzung entsprechender Ansprüche entgegensteht,125 können sich politische Anreize auswirken, die so bei anderen Emittenten keine Rolle spielen. Die statistische Ausfallwahrscheinlichkeit ist daher bei souveränen Emittenten vergleichsweise hoch126 – sie hat in der Vergangenheit auch keineswegs nur Entwicklungsländer betroffen, sondern ebenso U.S.-amerikanische127 und Schweizer128 Gemeinden – und die Prognosegenauigkeit der Rating-Agenturen zugleich geringer.129 Insgesamt rufen Bonitätsurteile über Staaten nicht selten starke politische Reaktionen hervor,130 weil diese mittelbar den Gestaltungsspielraum der betreffenden Regierungen beeinflussen131 – auf der anderen Seite dürften Ratings unabhängiger Rating-Agenturen in diesem Bereich eine noch wichtigere präventive Informationsfunktion zukommen als bei privaten Schuldnern, weil eine repressive Durchsetzung der gegebenen Rückzahlungsversprechen ungleich schwieriger ist. Sovereign Ratings besitzen darüber hinaus noch eine weitere wichtige Funktion, indem sie mittelbar die Ratings derjenigen privaten Unternehmen beeinflussen, die in dem betreffenden Staat niedergelassen sind: Die großen Rating-Agenturen gehen nämlich traditionell davon aus, dass kein Unternehmen für seine Fremdwährungsverbindlichkeiten eine bessere Ratingeinstufung erhalten kann als sein Heimatstaat, wodurch das Staatsrating faktisch die privaten Ratings nach oben begrenzt (sog. sovereign ceiling).132 Die Begründung für diesen methodischen Ansatz der Agenturen ist währungswirtschaftlicher Natur und geht auf die Erfahrung zurück, dass Regierungen in Zeiten ökonomischer Schwierigkeiten häufig eine Devisenbewirtschaftung einführen, die den lokalen Unternehmen die Bedienung von Fremdwährungsschulden unmöglich macht oder erschwert (sog. Transfer- und Konvertibilitätsrisiko).133 In der Gruppe der hier untersuchten Staaten hatte die sovereign ceiling in Deutschland und der Schweiz allerdings faktisch bislang schon deshalb keine Auswirkungen, weil das Staatsrating dort seit langem auf der Höchstnote „AAA“ liegt; für die U.S.A. galt bis zur Aufsehen erregenden Herabstufung um eine Schwelle auf „AA+“ 125
Vgl. hierzu Schroeter, EWiR 2006, 557 f. Vgl. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 650 Fn. 148. 127 So wurde 1994 etwa der kalifornische Bezirk Orange County zahlungsunfähig. 128 Vgl. zum Ausfall einer Anleihe der Schweizer Gemeinde Leukerbad im Jahre 1999 BGer, 21.2.2006, 4C.20/2005. Zu deutschen Kommunen umfassend Hornfischer, Insolvenzfähigkeit von Kommunen, S. 117 ff. 129 Cantor/Packer, 1 FRBNY C.I. (June 1995), 1, 4; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 702. 130 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 188; vgl. auch Däubler, BB 2003, 429, 431; Stemper, WM 2011, 1740, die von in Spanien erhobenen Strafanzeigen gegen die drei großen internationalen Rating-Agenturen berichtet, nachdem diese die Ratings spanischer Staatsanleihen herabgestuft hatten. Siehe auch § 3 III 3 sowie § 19 I 3. 131 Siehe hierzu Rosenbaum, Der politische Einfluss von Rating-Agenturen, S. 119 ff.; Justensen, 35 J. Corp. L. (2009), 193, 194: „credit raters often have more sway over foreign fiscal policy than the U.S. government“; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 94. 132 Cantor/Packer, 1 FRBNY C.I. (June 1995), 1, 2; Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 298; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 95. 133 Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 106; Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 397. 126
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
(durch Standard & Poor’s) im Jahre 2011134 dasselbe. Das sovereign rating Hongkongs hat hingegen über die Jahre hinweg häufiger geschwankt135 und hatte daher für lokale Unternehmen (vor allem Banken) entsprechende Bonitätsschranken zur Folge.136
IV. Das Rating als Aussage eines Dritten Im Unterschied zu Bonitätseinschätzungen, die jedes Unternehmen im Geschäftsverkehr bezüglich der Kreditwürdigkeit potentieller Vertragspartner vornimmt – ein Ausfluss des Grundsatzes caveat creditor137 – wurden als „Ratings“ lange Zeit nur solche Bonitätsbeurteilungen bezeichnet, die durch einen unabhängigen Dritten abgegeben werden.138 Dieses enge Verständnis des Ratingbegriffes, an dem nach hier vertretener Ansicht festgehalten werden sollte, ist allerdings in jüngerer Zeit in Frage gestellt worden.139
1. Rating-Agenturen und andere Anbieter von Ratings Als Bonitätsbeurteilungen erstellende Dritte sind zuvörderst natürlich die Rating-Agenturen zu nennen. Die Legaldefinitionen, die dieser Begriff in jüngerer Zeit erfahren hat,140 tragen dabei zur Eingrenzung wenig bei, wie der Versuch der EG-RatingVO – „,Ratingagentur‘ [ist] eine Rechtspersönlichkeit, deren Tätigkeit die gewerbsmäßige Abgabe von Ratings umfasst“ – deutlich macht. Praktische Bedeutung hat die begriffliche Abgrenzung vermutlich deshalb nie erlangt, weil der internationale Ratingmarkt seit jeher durch nur drei Rating-Agenturen dominiert wird, die nach gängigen Zahlen zusammen 95% der weltweit publizierten Ratings erstellen: Die beiden U.S.-amerikanischen Agenturen Standard & Poor’s und Moody’s mit je ca. 40% Marktanteil, und die über Hauptverwaltungen in New York und London verfügende Agentur Fitch mit weiteren 15%.141 Eine Erhebung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich aus dem Jahre
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Vgl. dazu nur Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1054 („unprecedented step“). Im August 2013 verfügte die Sonderverwaltungsregion Hongkong – die innerhalb der Volksrepublik China Währungsautonomie besitzt, und auf deren Bonität es daher ankommt – bei Standard & Poor’s über ein Rating von „AAA“ und bei Moody’s von „Aa1“. Fitch beurteilte Hongkong mit „AA+“, setzte aber die „Country Ceiling“ bei „AAA“ an. 136 Vgl. hierzu Park/Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 217 (zur Lage im Jahr 2004, als die Hongkonger sovereign ceiling noch bei „A+“ lag). 137 So zum Schweizer Recht BGer, 15.11.1994, BGE 120 II 331, 336 E. 5a („Swissair“). 138 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 632. 139 Siehe zur neueren Gegenüberstellung von „externen“ und „internen“ Ratings sogleich unter 2. 140 Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. b EG-RatingVO sowie zum englischsprachigen Äquivalent (credit rating agency) § 3(a)(61) Securities Exchange Act of 1934. 141 Die Zahlen variieren je nach Quelle geringfügig; in Europäische Kommission, Impact Assessment (2008), S. 9 f. werden für Standard & Poor’s 41%, für Moody’s 38% und Fitch 14% Marktanteil genannt. 135
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte
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2000 ergab, dass weltweit zwischen 130 und 150 Rating-Agenturen operieren,142 von denen die große Mehrzahl jedoch nur kleine oder kleinste Marktanteile besitzt und zudem regelmäßig nur in einem einzelnen Staat oder/und einem bestimmten Finanzmarktsektor tätig ist.143 Der Markt der Rating-Agenturen ist daher traditionell ein Markt mit oligopolistischer Marktstruktur144 – ein Umstand, der häufig kritisiert wird und Anlass für verschiedenste Bestrebungen war (und ist), mittels derer man einen erhöhten Wettbewerb unter den Ratinganbietern zu erreichen versucht. Daneben werden Ratings im hier verwandten Wortsinn in einzelnen Staaten noch durch andere Dritte erstellt,145 wie etwa durch Zentralbanken146 und in der Schweiz – im internationalen Vergleich ungewöhnlich – durch dortige Großbanken, welche die Bonität staatlicher und privater Emittenten unabhängig davon beurteilen, ob diese zum eigenen Kundenkreis zählen.147
2. „Externe“ und „interne“ Ratings Noch neueren Datums sind die Begriffe des „externen“ und „internen“ Ratings, die erstmals durch den „Basel II“-Akkord zur Eigenmittelausstattung von Banken eingeführt wurden148 und seitdem zum Teil auch außerhalb seines Anwendungsbereiches Verwendung finden.149 Als „externes Rating“ bezeichnet der „Basel II“-Akkord eine Bonitätsbeurteilung durch eine anerkannte RatingAgentur,150 mithin ein „Rating“ im hier verwendeten Wortsinn, wohingegen ein „internes Rating“ die Bonitätseinschätzung eines Kreditinstituts bezüglich seiner eigenen Schuldner meint151 – eine Beurteilung, die also nicht durch einen Dritten erfolgt und deshalb im überkommenen (und vorzugswürdigen) Sinn gar kein Rating ist.152
142
Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 14. Zu den wenigen mittelgroßen Rating-Agenturen mit internationaler Relevanz zählen die kanadische Dominion Bond Rating Service (DBRS), die U.S.-amerikanische, auf den Versicherungssektor spezialisierte Agentur A.M. Best sowie die japanischen Rating-Agenturen Rating and Investment Information und Japan Credit Rating Agency. 144 Siehe dazu noch näher in § 20. 145 Norden/Weber, Bewertung von Ratingsystemen durch Markt und Staat, S. 31, 35. 146 Art. 2 Abs. 2 lit. d EG-RatingVO. In Europa erstellt u.a. die französische Zentralbank Bonitätsbeurteilungen. 147 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 56; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 139. 148 Siehe zum Basel II-Akkord noch näher in § 6 III. 149 So etwa jüngst im Kommissionsvorschlag vom 4.9.2013 für eine EU-GeldmarktfondsVO; siehe dazu noch § 12 II 3 b) bb). 150 Basel II-Akkord, Tz. 90 ff. 151 Basel II-Akkord, Tz. 211 ff. 152 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 56. 143
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
3. Stellung der Rating-Agentur zwischen Emittenten (Kapitalnachfragern) und Investoren (Kapitalanbietern) Indem Rating-Agenturen Bewertungen der Bonität von Emittenten und ihrer Emissionen erstellen und anderen Marktteilnehmern zugänglich machen, agieren sie als Informationsintermediäre.153 Sie nehmen damit als unabhängige Dritte eine Stellung zwischen den Emittenten (Kapitalnachfragern) auf der einen und den Investoren (Kapitalanbietern) auf der anderen Seite ein und stehen mit beiden Gruppen in einer tatsächlichen Beziehung. Wie diese Beziehung beschaffen ist und ob zu der tatsächlichen noch eine rechtliche (Sonder-)Verbindung hinzutritt, wird durch das (typischerweise so bezeichnete) Geschäftsmodell der jeweiligen Rating-Agentur154 sowie den Anlass für die konkrete Ratingerstellung155 bestimmt. a) Geschäftsmodelle der Rating-Agenturen: „investor pays“ und „issuer pays“ Man unterscheidet insoweit zwei Geschäftsmodelle, die auf dem globalen Ratingmarkt anzutreffen sind, nämlich das „investor pays“-Modell und das „issuer pays“-Modell. Bei dem „investor pays“-Modell handelt es sich um das historische Ursprungsmodell der Ratingbranche,156 das sich dadurch auszeichnet, dass die Rating-Agentur Bonitätsbeurteilungen auf eigene Initiative sowie – seltener – den Wunsch einzelner Investoren hin erstellt und diese gegen Bezahlung interessierten Investoren und anderen Marktteilnehmern zugänglich macht.157 Letzteres geschieht üblicherweise in Form eines Abonnements, aufgrund dessen der Abonnent während eines bestimmten Zeitraums regelmäßig die Ratings der RatingAgentur (also Ratingkürzel und dazugehörige -berichte) bezieht, heute regelmäßig in Form eines Datenbankzugangs. Nicht-Abonnenten besitzen unter dem „investor pays“-Modell hingegen keinen Zugang zu den Ratings der betreffenden Agentur, weil sie ja nicht dafür bezahlt haben; weder Ratingkürzel noch -berichte werden öffentlich publiziert. Ein Rating stellt sich in dieser Form also nicht als Information des gesamten Marktes, sondern lediglich abonnierender Marktteilnehmer dar. Das „investor pays“-Modell war bis in die 1970er Jahre das allein praktizierte Geschäftsmodell der U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen, wird heute aber nur noch von den zahlreichen kleineren Rating-Agenturen sowie, in vergleichbarer Form, von Kreditauskunfteien angewandt. Die Rating-Agenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch – die bereits damals den U.S.-amerikanischen Ratingmarkt dominierten – gaben das „investor pays“-Modell hingegen Anfang der 1970er Jahre auf und stellten auf das bis heute praktizierte „issuer pays“-
153
Siehe dazu noch § 4. Dazu unter a). 155 Unter b). 156 Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung instruktiv Berghoff, VSWG 92 (2005), 141 ff. 157 In den frühen Jahren waren die Ratings noch in voluminösen Ratingverzeichnissen abgedruckt; vgl. Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 83 f.; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48. 154
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Modell um.158 Als Grund wird vor allem eine technische Entwicklung genannt, nämlich die zunehmende Verbreitung des Fotokopiergeräts:159 Da die Abonnenten, bei denen es sich fast durchweg um institutionelle Marktteilnehmer (Banken, broker-dealer, Versicherungen, Fondsgesellschaften) mit Bedarf für zahlreiche Exemplare der in Papierform vertriebenen Ratingpublikationen handelte, nunmehr günstig Kopien der Ratingberichte erstellen konnten, ging die Anzahl an Abonnements stark zurück.160 Das damit entstandene „free rider“-Problem161 veranlasste die großen Rating-Agenturen dazu, ein neues Geschäftsmodell einzuführen.
Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch etablierten aus diesem Grund das sog. „issuer pays“-Modell, welches heute schon aufgrund der anhaltenden Marktdominanz dieser drei Agenturen den faktischen Marktstandard darstellt. Nach diesem Modell beauftragen die Emittenten die Rating-Agenturen mit einer Ratingerstellung, sofern sie an einer Bonitätsbeurteilung Interesse haben, und entrichten dafür ein Honorar. Das Ratingkürzel wird sodann allgemein zugänglich publiziert und steht damit der gesamten Investorenöffentlichkeit kostenfrei als Information zur Verfügung, während der ebenfalls erstellte begleitende Ratingbericht – wie bereits im Text erwähnt162 – nur Abonnenten der Rating-Agentur gegen gesonderte Vergütung zugänglich gemacht wird. Das beschriebene „issuer pays“-Modell bedeutet also nicht, dass die Bezahlung der Rating-Agentur ausschließlich durch die Emittenten erfolgt (obgleich die von diesen entrichteten Ratinghonorare zwischen 85%163 und 95%164 des Einkommens der Rating-Agenturen ausmachen), denn Abonnementverträge mit institutionellen Investoren bestehen weiterhin – sie eröffnen jedoch den Abonnenten nicht länger den alleinigen Zugang zu Ratings, sondern vielmehr den Zugang zu umfangreicheren Bonitätsinformationen. In der Sache handelt es sich damit im Grunde um eine Mischform von „issuer pays“- und „investor pays“-Modell. Der zentrale Kritikpunkt an dem „issuer pays“-Geschäftsmodell liegt darin, dass die Rating-Agentur von dem Emittenten, dessen Bonität sie beurteilen soll, beauftragt und bezahlt wird, wodurch die Agentur einem evidenten Interessenskonflikt ausgesetzt ist. Die dadurch begründete strukturelle Gefahr für ihre Rolle als unabhängiger Dritter ist Gegenstand umfangreicher Diskussionen, die im Text noch aufzufächern sein werden.165 Ihr steht freilich als Vorteil gegenüber, dass so eine kostenfrei zugängliche Information der Finanzmarköffentlichkeit über Bonitätsfragen von allgemeinem Interesse gesichert werden kann, die auf158
Vgl. dazu noch § 3 II 2. U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 105; Mathis/McAndrews/Rochet, 56 J. Monet. Econ. (2009), 657, 658; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 47. 160 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 4. 161 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 623; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 479. 162 Oben II. 163 So Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 220. 164 So Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 72. 165 Siehe § 25 I 2. 159
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
grund der public good-Eigenschaften publizierter Ratings166 auf anderem Wege nur schwierig erreichbar ist. b) „Beauftragte“ und „unbeauftragte“ Ratings Richtet man das Augenmerk nicht auf das Geschäftsmodell der Rating-Agenturen im Allgemeinen, sondern auf die konkrete Bonitätsbeurteilung, so kann des Weiteren zwischen „beauftragten“ und „unbeauftragten“ Ratings unterschieden werden.167 Diese Begrifflichkeit knüpft unausgesprochen an das Vorliegen eines Ratingauftrages von Seiten des Emittenten an und birgt damit die Gefahr von Missverständnissen; sie hat sich aber im internationalen Sprachgebrauch allgemein durchgesetzt und wird daher auch hier verwandt. aa) Beauftragte oder „solicited“ Ratings Vom Emittenten „beauftragte“ Ratings sind unter dem „issuer pays“-Modell der praktische Regelfall.168 Die Erstellung solcher Bonitätsbeurteilungen beginnt mit Abschluss eines Ratingvertrages zwischen Emittent und Rating-Agentur und folgt sodann einem standardisierten Beurteilungsverfahren, dessen Ablauf im Detail schon häufig dargestellt wurde.169 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung genügt es, die wesentlichen Verfahrensschritte knapp zu umreißen:170 Die Erstellung eines erstmaligen Ratings beginnt mit der Zusammenstellung eines Teams von Ratinganalysten, welche zunächst die öffentlich zugänglichen Informationen über den Emittenten und ggfs. die zu beurteilende Emission, die ökonomischen Bedingungen der Branche sowie des Sitzstaates einschließlich makroökonomischer Faktoren zusammenstellt und sodann, wenn erforderlich, zusätzliche Informationen bei dem Emittenten anfordert. Nicht selten werden der Rating-Agentur in diesem Zusammenhang Geschäftsinterna und -pläne zugänglich gemacht, die im Übrigen streng vertraulich behandelt werden.171 Es schließt sich ein Gespräch mit dem Management des Emittenten an, das häufig mit einer Betriebsbesichtigung vor Ort verbunden wird und von Emittentenseite üblicherweise sehr ernst genommen wird; typischerweise nehmen CEO und CFO des 166 Gerke/Bank, Finanzierung, S. 335; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 445; Listokin/ Taibleson, 27 Yale J. on Reg. (2010), 91, 96; Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 758; Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50, 52; Portes, Rating agency reform, S. 145, 147; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14; Sinclair, The New Masters of Capital, S. 151; von Randow, ZBB 1995, 140, 147 Fn. 60. 167 Der Unterschied zwischen beiden Ratingformen wird allgemein für wesentlich gehalten; vgl. nur Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 281. 168 Blaurock, ZGR 2007, 603, 604. Es kommen aber unter dem „issuer pays“-Modell daneben auch unbeauftragte Ratingerstellungen vor; vgl. dazu sogleich unter bb). 169 Vgl. nur U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 106 f.; Krämer, StB 2004, 60, 61 ff.; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 42 ff. 170 Siehe zu den rechtlichen Pflichten der Rating-Agentur während des Ratingverfahrens noch § 25. 171 Siehe hierzu noch § 4 I 2 a) sowie aus informationstheoretischer Sicht § 5 III 1 a) cc) (1).
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Unternehmens an einem solchen Treffen teil.172 Nach Auswertung aller so gesammelten Informationen verfassen die Ratinganalysten einen Bericht an ein sog. „Ratingkomitee“, das aus leitenden Mitarbeitern der Agentur zusammengestellt wird und letztlich über die Ratingeinstufung abstimmt. Das so festgelegte Rating (d.h. Ratingkürzel und Ratingbericht) werden dem Emittenten vor Veröffentlichung zur Stellungnahme vorgelegt und dann, ggfs. nach Vornahme von Korrekturen, auf der Internet-Homepage der Rating-Agentur sowie in ihren Datenbanken veröffentlicht. Nach Veröffentlichung eines Ratings schließt sich eine laufende Beobachtung des Emittenten durch die Rating-Agentur an, die bei Veränderung der Bonitätssituation eine Anpassung des Ratings nach oben (Upgrade) oder unten (Downgrade) vornimmt. bb) Unbeauftragte, „unsolicited“ oder „investor related“ Ratings Das Gegenstück zum beauftragten Rating ist das „unbeauftragte“ Rating, das auch im deutschen Sprachgebrauch vielfach alternativ als unsolicited bezeichnet wird.173 Es zeichnet sich dadurch aus, dass der Anstoß für seine Erstellung nicht vom Emittenten ausgeht, sondern von der Rating-Agentur oder – in der Praxis seltener – einzelnen Investoren.174 Unterstellt man, dass die Veröffentlichung jedes Ratings dem Informationsinteresse der Investorenschaft dient, so mag man unbeauftragte Ratings alternativ auch als investor related titulieren. Unbeauftragte Ratings sind heute der zahlenmäßige Ausnahmefall,175 was schlicht darauf zurückgeht, dass die drei marktbeherrschenden Rating-Agenturen dem „issuer pays“-Geschäftsmodell folgen und daher vor allem beauftragte Ratings erstellen.176 Bei den kleineren, nach dem „investor pays“-Modell arbeitenden Rating-Agenturen ist die unbeauftragte Ratingerstellung dagegen der Regelfall, weil eine Vergütung hier ja allein durch die Investoren erfolgt und eine vertragliche Beziehung mit dem Emittenten nicht eingegangen wird.177 Sofern man nicht auf die Anzahl der erstellten Ratings, sondern die Anzahl der RatingAgenturen abstellt, ist die Erstellung unbeauftragter Ratings daher sogar der Normalfall.178
172 Aus der betriebswirtschaftlichen Literatur Jewell/Livingston, 8:4 Fin. Markets, Inst. & Instruments (1999), 1, 8; Krämer, StB 2004, 60, 63. 173 Die deutsche Textfassung der EG-RatingVO verwendet ausweislich ihres Art. 3 Abs. 1 lit. x den Ausdruck „nicht angefordertes Rating“. 174 Niedostadek, Rating, Rn. 86; Vetter, WM 2004, 1701, 1703; Witte/Bultmann, in: Achleitner/ Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 92. 175 Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 453; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1851; Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 77. 176 Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 40 charakterisiert das „issuer pays“-Modell daher als „am Vertragsrating orientiertes Geschäftsmodell“. 177 Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 220; Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 302. 178 Dies gilt auch für die Ratingerstellung durch Schweizer Großbanken, die durchgehend „unbeauftragt“ erfolgt; vgl. Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 65.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
Daneben werden unbeauftragte Ratings gelegentlich auch durch die drei großen Rating-Agenturen erstellt, obgleich diese in einem solchen Fall in Ermangelung eines vergütungspflichtigen Auftrags von Emittentenseite keine Bezahlung erhalten.179 Es sind diese, durch „issuer pays“-Agenturen „systemfremd“ erstellten und publizierten unsolicited ratings, die ganz im Mittelpunkt der Diskussion stehen – sie erfahren auch deshalb die größte Aufmerksamkeit, weil diese Spielart unbeauftragter Ratings allgemein zugänglich veröffentlicht wird, während unbeauftragte Ratings kleinerer „investor pays“-Agenturen nur deren Abonnenten erreichen. Ihren Grund finden unbeauftragte Ratingerstellungen durch die drei großen internationalen Rating-Agenturen in deren Bemühen, für einzelne Marktsegmente eine ausnahmslose Ratingabdeckung zu bieten;180 für kleinere „issuer pays“-Agenturen stellen sie zudem einen Weg dar, sich erstmals eine Marktpräsenz und damit künftig Ratingaufträge zu erarbeiten.181 Sowohl in Deutschland als auch der Schweiz werden unsolicited ratings dagegen nicht selten sehr kritisch gesehen,182 weil man allein auf Grundlage öffentlich zugänglicher Informationen erstellte Bonitätsbeurteilungen für wenig aussagekräftig hält183 und befürchtet, der Emittent können dadurch zur Erteilung eines (bezahlten) Ratingauftrages gezwungen werden.184 Im Ergebnis besteht immerhin Einigkeit, dass die unbeauftragte Veröffentlichung von Ratings nicht per se unzulässig ist,185 obgleich in jüngster Zeit auf EU-Ebene tatsächlich ein Verbot unbeauftragter Ratings von EU-Staatsanleihen diskutiert wurde.186 Auf de lege lata bestehende Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gegen die Rating-Agenturen wegen unsolicited ratings wird noch in § 28 einzugehen sein.
179 Eine im Jahre 1998 unter U.S.-amerikanischen Emittenten durchgeführte Umfrage ergab, dass 9% der Emittenten von Standard & Poor’s, 11% von Moody’s und sogar 40% von Fitch ein (oder mehrere) unsolicited ratings erhalten hatten; Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 106. 180 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 5; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 2; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 74. 181 Vgl. Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 51 f.; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 637. 182 Aus der deutschen Literatur Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 199; Möllers, JZ 2009, 861, 866; aus der schweizerischen Literatur Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 74; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 160. Auch im U.S.-amerikanischen Schrifttum finden sich Bezeichnungen wie „hostile ratings“ (so Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 79). 183 Blaurock, ZGR 2007, 603, 647; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 57; Vetter, WM 2004, 1701, 1703. 184 Blaurock, ZGR 2007, 603, 647; Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 36; Möllers, JZ 2009, 861, 866; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 160; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 95 f. Zu unbeauftragten Ratingerstellungen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht siehe § 20 III 2. 185 Zum deutschen Recht Blaurock, ZGR 2007, 603, 647; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 199; zum Schweizer Recht Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 159; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 476. 186 Siehe dazu noch näher in § 19 I 3 a) aa).
§ 3 Die historische Entwicklung des Ratings Die Geschichte der Rating-Agenturen und ihrer Ratings ist bereits mehrfach ausführlich dargestellt worden1 und soll an dieser Stelle nicht nochmals im Einzelnen nachgezeichnet werden. Die folgende Darstellung beschränkt sich daher in gebotener Knappheit auf diejenigen historischen Entwicklungen, welche die Rolle der Rating-Agenturen an den internationalen Finanzmärkten bis heute beeinflussen und deshalb für das Verständnis der sich anschließenden Untersuchung hilfreich sind.
I. Die Kreditauskunfteien als Vorgänger der Rating-Agenturen Lässt man die Geschichte der Kapitalmärkte bereits mit der Gründung der Holländischen Ostindien-Kompanie und der Bank von Amsterdam als einer QuasiZentralbank im Jahre 1609 beginnen,2 so traten Rating-Agenturen in der Historie des Kapitalmarktes erst verhältnismäßig spät auf.3 Als ihre Vorgänger gelten – neben englischen Schiffsklassifizierungsgesellschaften wie Lloyd’s Register of Shipping, die ab 1760 die Seetüchtigkeit von Schiffen mit Buchstabenkürzeln bewerteten4 – vor allem die Kreditauskunfteien (mercantile rating agencies), deren Auskünfte (ebenso wie Ratings) der Investoreninformation dienen.5 Die erste Kreditauskunftei wurde im Jahre 1841 in New York durch Louis Tappan gegründet6 und sammelte bonitätsrelevante Informationen über Kaufleute durch ein Netz sog. Kreditkorrespondenten, die sich persönlich vor Ort ein Bild über die Vermögensverhältnisse und auch den Charakter des einzelnen Schuldners machten.7 Die dabei erhobenen Tatsachen wurden sodann in Berichten niedergelegt, die interessierten Geschäftspartnern und Gläubigern gegen eine Gebühr zugänglich gemacht wurden. Zu den Kreditkorrespondenten, die für die damaligen Aus1 In deutscher Sprache Berghoff, VSWG 92 (2005), 141 ff. (allerdings vorrangig zur Geschichte der Kreditauskunfteien); in englischer Sprache Sinclair, The New Masters of Capital, S. 22 ff.; Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19 ff. 2 So Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 20. 3 García Alcubilla/Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 1; Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19: „rating agencies are hardly an integral part of capital market history“. 4 Auf diese funktionelle Parallele hinweisend Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 794. 5 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 85; ausführlich Berghoff, VSWG 92 (2005), 141, 145 ff. 6 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 2; Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 85. 7 Berghoff, VSWG 92 (2005), 141, 148; Vlassis, 43 Va. L. Rev. (1957), 561.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
kunfteien tätig waren, zählten mit Abraham Lincoln, Ulysses S. Grant, Grover Cleveland und William McKinley nicht weniger als vier spätere Präsidenten der Vereinigten Staaten.8 Eine Neuausrichtung erfuhr das Geschäft der Kreditauskunfteien ab den 1850er Jahren, als neu gegründete U.S.-amerikanische Eisenbahngesellschaften ihren immensen Kapitalbedarf zunehmend über die Begebung von Anleihen zu finanzieren begannen, ohne dass eine nennenswerte gesetzlich vorgeschriebene Unternehmenspublizität existierte.9 Am damit begründeten U.S.-amerikanischen Anleihenmarkt, der noch für Jahrzehnte im Wesentlichen ein Markt für Eisenbahngesellschaftsanleihen bleiben sollte,10 entstand ein erheblicher Bedarf an Informationen über die weithin unbekannten Emittenten dieser Anleihen. Dies erkannte Henry Poor, der im Jahre 1854 mit der Zusammenstellung und Veröffentlichung von Finanzdaten über die diversen Eisenbahngesellschaften in Buchform begann;11 ab 1868 wurde Poor’s Manual of the Railroads of the United States als forthin jährlich erscheinender Band publiziert.12 Diese Nachschlagewerke, die bald in vergleichbarer Form auch durch andere Kreditauskunfteien veröffentlicht wurden,13 beschränkten sich jedoch auf die Zusammenstellung von Tatsachenangaben14 über die einzelnen Emittenten, die gelegentlich durch eine zusammenfassende Bewertung ergänzt wurden. Obgleich damit bereits ein „Rating“ im allgemeinen Sinn des Wortes vorgenommen wurde,15 gab es Bonitätsurteile in Form von Ratingkürzeln bislang noch nicht. Schon die frühen Kreditauskunfteien hatten dabei mit dem „Trittbrettfahrer-Problem“ zu kämpfen, das ab den 1970er Jahren auch die Rating-Agenturen traf und schließlich zur Umstellung vom „investor pays“- auf das seitdem gängige „issuer pays“-Geschäftsmodell führte:16 Ihre Kunden hatten einen erkennbaren ökonomischen Anreiz, die erstellten Nachschlagewerke (reference books) nach deren kostenpflichtigem Erwerb mit anderen Kunden zu teilen, um auf diese Weise Kosten zu sparen. Die Kreditauskunfteien versuch-
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Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 26 Fn. 2. Berghoff, VSWG 92 (2005), 141, 145 ff.; Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 22. 10 Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 22. 11 Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 22. 12 Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 24. 13 Vgl. zur Geschichte der Kreditauskunftei Dun & Bradstreet, die im Jahr 1962 ihrerseits die Rating-Agentur Moody’s erwerben sollte, Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 300. 14 Als ein U.S.-amerikanisches Gericht im Jahre 1897 die Angemessenheit der durch einen Trustee getätigten Investition in Anleihen einer Eisenbahngesellschaft zu beurteilen hatte, bestätigte es, dass das vom Trustee konsultierte Poor’s Manual detaillierte Angaben zum Ausbaustand der jeweiligen Bahnstrecke und der Anzahl der verfügbaren Lokomotiven, Passagier- und Frachtwagons enthalte und es folglich „must be conceded under the evidence, that the trustees used all the care that a person of ordinary care and prudence would use in determining upon an investment of his personal funds“; In re Bartol, 11.10.1897, 182 Pa. 407, 416. 15 Die Kreditauskunfteien bezeichneten ihre zusammenfassenden Bewertungen in der Tat als „ratings“; vgl. Vlassis, 43 Va. L. Rev. (1957), 561. 16 Siehe dazu schon § 2 IV 3 a). 9
§ 3 Die historische Entwicklung des Ratings
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ten dieser Zweitverwertung dadurch entgegenzuwirken, dass sie ihre reference books nicht verkauften, sondern nur vorübergehend vermieteten und die Bücher dabei mit einem Schloss versahen, zu dem es lediglich einen Schlüssel gab.17
II. Entstehung und Ausbau des Ratings durch Rating-Agenturen in den U.S.A. 1. Gründung und Wachstum der Rating-Agenturen Die erste Publikation eines Ratings im heutigen Sinne erfolgte sodann im Jahre 1909 durch John Moody,18 dem Begründer von Moody’s Investors Service. Das schnelle Wachstum des Marktes für Rating-Agenturen führte in den folgenden Jahren zur Gründung von Poor’s Publishing Company (1916) und der Standard Statistics Company (1922) sowie im Jahre 1924 zur Aufnahme des Ratinggeschäfts durch die bereits 1913 gegründete Fitch Publishing Company – sämtlich Namen, die sich bis heute am Ratingmarkt erhalten haben. Die 1920er Jahre waren dabei auch für die Rating-Agenturen „goldene Jahre“, in denen sie Bonitätsbeurteilungen für über 3000 Emittenten unterhielten und jährlich eine Gesamtzahl von Ratings erstellten, die erst im Jahre 1994 wieder erreicht werden sollte.19 Es deutete sich zudem bereits an, dass mit den Ratings eine international einsetzbare Art der Marktinformation erfunden worden war, denn schon damals waren 15% der gerateten Emittenten außerhalb der U.S.A. ansässig; zudem eröffneten die ersten Rating-Agenturen Büros in London.20 Schon in den 1930er Jahren konnte ein U.S.-amerikanischer Autor daher konstatieren, dass „[b]ond ratings have become an institution in the American field of investment“.21 In der Tat agierten die Rating-Agenturen damit bereits zu einem Zeitpunkt als Garanten einer privaten Marktpublizität, als es die Securities and Exchange Commission (SEC) noch gar nicht gab.22 Im Jahre 1936 kam es sodann zum Erlass der ersten aufsichtsrechtlichen Regelung, die explizit auf die Ratings der privaten Rating-Agenturen Bezug nahm und damit die Regulierungsfunktion des Ratings begründete: Der Comptroller of the Currency, eine der U.S.-amerikanischen Bankenaufsichtsbehörden, verwies darin auf „recognized rating manuals“, anhand derer die für den Erwerb durch Ge17
Berghoff, VSWG 92 (2005), 141, 155. Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 2. 19 Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 22: „The 1920s were, in fact, the golden age of rating agencies.“ Im Jahre 1924 deckte Moody’s mit seinen Ratings nahezu 100% des Anleihenmarktes der U.S.A. ab; vgl. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 638 f. 20 Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 22. 21 Harold, Bond Ratings as an Investment Guide, S. 3. 22 Die SEC wurde im Jahre 1934 eingerichtet, nachdem zuvor in Reaktion auf die Börsenkrise im Oktober 1929 der Securities Act of 1933 und der Securities Exchange Act of 1934 erlassen worden waren, die bis heute als die wichtigsten Gesetze des U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrechts fungieren. 18
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
schäftsbanken zugelassenen Wertpapiere zu bestimmen seien.23 Mit dieser Vorschrift, die (einschließlich ihrer Ratingbezugnahme) bis zum Jahr 2012 galt, war die Entwicklung zur Dichotomie von Marktinformations- und Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen angestoßen. Sie erhellt zugleich, dass den am damaligen U.S.-amerikanischen Finanzmarkt anerkannten Rating-Agenturen Fitch Publishing, Moody’s Investors Service, Poor’s Publishing und Standard Statistics schon nahezu ebenso lange eine (freilich ungefragt zugewiesene) Rolle in der U.S.-amerikanischen Finanzmarktregulierung zukommt wie der SEC, die selbst erst kurz zuvor ihre Tätigkeit aufgenommen hatte. Nachdem die Konkurrenten Standard Statistics und Poor’s Publishing wenig später zu Standard & Poor’s fusioniert hatten,24 hatte sich der Kreis der drei „großen“ Rating-Agenturen konsolidiert, die bis heute den internationalen Ratingmarkt beherrschen.25
2. Der Übergang vom „investor pays“- zum „issuer pays“-Geschäftsmodell in den 1970er Jahren Nachdem die Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, in denen der U.S.-amerikanische Anleihemarkt im Wesentlichen stagnierte, zunächst auch für die Rating-Agenturen ohne entscheidende Entwicklungen geblieben waren – erwähnenswert ist allein, dass Standard & Poor’s 1966 durch den Medienkonzern McGraw-Hill erworben wurde26 – kam es in den frühen 1970er Jahren sodann zu einer bedeutsamen Änderung im Geschäftsmodell der Rating-Agenturen.27 Bis zu diesem Zeitpunkt hatte diese ihr Einkommen allein aus dem Verkauf ihrer diversen Ratingpublikationen an Abonnenten bezogen, zu denen vor allem institutionelle Investoren und sonstige Unternehmen zählten; nicht abonnierende Privatanleger konnten Ratings folglich nur in öffentlichen Bibliotheken einsehen.28 Dieses „investor pays“-Geschäftsmodell bedeutete einerseits, dass alle Ratings auf Initiative der Rating-Agentur und ohne Auftrag oder Bezahlung durch den Emittenten vorgenommen wurden, hieß aber andererseits auch, dass Ratings der Öffentlichkeit nicht kostenfrei zugänglich gemacht werden konnten. Nachdem die Fortentwicklung der Kopiertechnik dazu geführt hatte, dass ab den 1960er Jahren zunehmend bezahlbare Fotokopiergeräte Verbreitung fanden, hielten die großen Rating-Agenturen das bisherige „investor pays“-Modell infolge des ent-
23 Treasury Department, Comptroller of the Currency, Regulations Governing the Purchase of Investment Securities, and Further Defining the Term „Investment Securities“ as Used in Section 5136 of the Revised Statutes as Amended by the Banking Act of 1935 vom 15. Februar 1936, Sec. II. Siehe zu dieser Regelung im Einzelnen noch § 7 I 1 a) aa). 24 Die beiden Rating-Agenturen fusionierten im Jahre 1941. 25 Siehe zur oligopolistischen Marktstruktur noch § 20. 26 Vgl. Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 412. 27 Siehe dazu im Einzelnen schon § 2 IV 3 a). 28 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 83: „The individuals who consult the rating books in the public libraries are legion.“
§ 3 Die historische Entwicklung des Ratings
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standenen „free rider“-Problems nicht länger für tragfähig29 und stellten ab 1970 auf das „issuer pays“-Geschäftsmodell um, das bis heute vorherrscht.30 Voraussetzung für diesen Schritt war freilich zudem, dass Emittenten überhaupt bereit waren, für die bislang kostenfreie Bonitätsbeurteilung durch die Rating-Agenturen zu zahlen. Diese Bereitschaft entstand, nachdem im Jahre 1970 die Eisenbahngesellschaft Penn Central zusammenbrach und von ihr begebene kurzfristige Schuldverschreibungen (Commercial Paper) in Höhe von 82 Mio. USD ausfielen31 – ein Vorgang, der das Investorenvertrauen am Markt für Commercial Paper tiefgreifend erschütterte.32 Da die Penn Central-Schuldverschreibungen zwar durch eine Kreditauskunftei,33 aber durch keine Rating-Agentur beurteilt und vor allem keinerlei öffentlich zugängliche Informationen über deren Bonität verfügbar gewesen waren,34 verlangten die Investoren nunmehr ein öffentlich publiziertes Rating als Voraussetzung dafür, überhaupt in Commercial Paper zu investieren.35 Ratings waren damit zu einer kriseninduzierten Markteintrittsvoraussetzung geworden, die es den großen Rating-Agenturen von nun an erlaubte, von den Emittenten eine Vergütung für ihre Tätigkeit zu verlangen.36
III. Die Internationalisierung des Ratings Seit den 1980er Jahren ist die Entwicklung des Ratings ganz durch seine zunehmende Internationalisierung gekennzeichnet,37 infolge derer den drei großen Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch heute die Rolle globaler Informationsintermediäre zukommt.
29 Becker/Milbourn, 101 J. Fin. Econ. (2011), 493, 500; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 623; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 478 f.; García Alcubilla/Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 5; Zimmer, in FS Hopt (2010), S. 2689, 2693. 30 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 105; Mathis/McAndrews/Rochet, 56 J. Monet. Econ. (2009), 657, 658; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 47. 31 Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 347; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 47: „a significant event for credit rating agencies“. 32 Stigum/Crescenzi, Stigum’s Money Market, S. 980: „it shook the market“. 33 Die Commercial Paper von Penn Central waren durch The National Credit Office (NCO), eine Tochter der Kreditauskunftei Dun & Bradstreet, Inc., bis zur Insolvenz als „prime“ bewertet gewesen; vgl. University Hill Foundation v. Goldman, Sachs & Co., 27.10.1976, 422 F.Supp. 879, 886 (S.D.N.Y. 1976). 34 Mallinckrodt Chemical Works v. Goldman, Sachs & Co., 13.9.1976, 420 F.Supp. 231, 236 (D.C.N.Y. 1976): „The NCO rating is not like a bond rating that is published and quoted for the world to see, nor is the rating available to the general public.“ 35 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 4; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 65; Haghshenas, 8 First Amend. L. Rev. (2010), 452, 461 f.; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 347. 36 Von Emittentenseite wurde der Übergang zu „issuer pays“-System teilweise allerdings auch deshalb begrüßt, weil man sich hiervon eine bessere Personalausstattung der Agenturen (und dadurch präzisere Ratings) versprach; so etwa Goodman, Fin. Analysts J. (May/June 1968), 59, 65. 37 Darbellay, Regulating Ratings, S. 22; St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399, 402.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
1. Die zunehmende Verwendung von Ratings außerhalb der U.S.A. Treibkraft dieser Entwicklung war die zunehmende „Globalisierung“ der bis dahin im Wesentlichen nationalen Finanz- und Kapitalmärkte,38 die ab den frühen 1980er Jahren zunehmend zu einer Platzierung von Anleihen im Ausland sowie, gleichsam gegenläufig, zur Tätigung von Investitionen auf ausländischen Märkten führte. Durch beide Tendenzen wuchs die Nachfrage nach international verständlichen Informationen über die Bonität ausländischer Emittenten und Emissionen, welche die Rating-Agenturen durch ihre standardisierten, verständlich codierten Ratings in unvergleichbarer Weise bedienen konnten.39 Infolgedessen fanden Ratings zunächst dadurch in nicht-amerikanische Finanzmärkte Eingang, dass sich dort finanzierende U.S.-amerikanische Unternehmen ihre Ratings als Bonitätsnachweis „mitbrachten“; dies geschah etwa in der Schweiz, wo in den 1980er Jahren mehr Wertpapiere U.S.-amerikanischer Emittenten gehandelt wurden als irgendwo sonst außerhalb Nordamerikas40 und Ratings schon ab 1985 auch in ihrer Regulierungsfunktion eingesetzt wurden, soweit es um Schuldverschreibungen ausländischer Schuldner ging.41 In Deutschland begannen im selben Zeitraum diejenigen (großen) Unternehmen ein Rating zu beauftragen, die sich am U.S.-amerikanischen Kapitalmarkt finanzierten,42 jedoch ohne diese Ratings auch auf ihrem Heimatmarkt zu verwenden,43 wo die Unternehmensfinanzierung traditionell vorwiegend über Bankkredite erfolgt.44 Letzteres ergab sich erst ab den späten 1980er Jahren, als die großen U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen begannen, unter deutschen Unternehmen um Ratingaufträge zu werben und verschiedentlich auch unbeauftragte Ratings veröffentlichten.45 Ab den frühen 1990er Jahren eröffneten die drei großen RatingAgenturen schließlich sämtlich Büros in Deutschland, die bald in Form von Tochtergesellschaften verselbständigt wurden;46 fast zeitgleich gründeten sie auch Niederlassungen in Hongkong,47 das zu diesem Zeitpunkt noch eine britische Kronkolonie war. (Der Schweizer Ratingmarkt wird dagegen bis heute durch 38
Siehe § 8 III 1. Siekmann, DV 43 (2010), 95, 104. 40 Vgl. Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 11 sowie näher § 8 II 1. 41 Vgl. zu den diesbezüglichen Regelungen § 8 II 1 a) sowie § 9 II 2 a) aa). 42 Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 84; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 92. 43 Kritisch Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 84: „Ganz offensichtlich wird die Notwendigkeit, hier [in Deutschland] ein Rating zu unterhalten, nicht erkannt.“ Vgl. auch OLG Celle, 25.11.1992, NJW-RR 1993, 500, 501 („Bond-DM-Anleihe“): „anders als in Deutschland, wo Ratingsysteme bislang nicht angewendet werden, ist es in anderen Ländern üblich, dass sich jeder Emittent einer Bonitätsbeurteilung in Form des sog. Rating unterzieht …“. 44 Boos, BFuP 2005, 261. 45 Vgl. Littmann, Wirtschaftswoche vom 25.8.1989, S. 77 f.: „rüde Methoden“. 46 Den Auftakt machte 1991 Moody’s, 1992 folgte Standard & Poor’s und 1999 schließlich Fitch. 47 Park/Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 215 (mit Zahlen); Smith/Walter, in: Levich/ Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 301 f. 39
§ 3 Die historische Entwicklung des Ratings
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ausländische Niederlassungen der internationalen Rating-Agenturen bedient.48) Da vergleichbare Expansionsentwicklungen auch auf den Finanzmärkten anderer Staaten stattfanden und die Ratingnutzung sich im Laufe der Zeit stetig ausweitete, darf das Rating ab Mitte der 1990er Jahre als international gängige Marktinformation gelten.
2. „Ratingskandale“ als Kehrseite der gestiegenen Bedeutung der Rating-Agenturen Mit der zunehmenden Bedeutung des Ratings nahm freilich auch die Kritik an den Rating-Agenturen beständig zu. Neben einem allgemeinen Unbehagen bezüglich der „Macht“ der Rating-Agenturen, das in zahlreichen der einleitend zitierten Aussagen über die Agenturen49 zum Ausdruck kommt, äußert sich dieses Phänomen vor allem darin, dass nahezu jede Finanzkrise seit den 1990er Jahren mit einem angeblichen „Versagen“ der Rating-Agenturen in Zusammenhang gebracht zu werden pflegt – nicht immer, wie noch zu belegen sein wird,50 mit sachlicher Begründung. Typischerweise wird den Agenturen dabei zum Vorwurf gemacht, ihre Ratings nicht oder nicht rechtzeitig gesenkt zu haben, um die Marktteilnehmer vor dem drohenden Zusammenbruch eines Unternehmens oder ganzer Volkswirtschaften zu warnen; entsprechende Vorwürfe werden u.a. bezüglich der asiatischen Finanzkrise (1997),51 des Zusammenbruchs der U.S.-amerikanischen Unternehmen Enron (2001)52 und WorldCom (2002)53 sowie der italienischen Gesellschaft Parmalat (2003)54 vorgebracht. Sie weisen dadurch auf Missverständnisse bezüglich des Aussagehalts von Ratings und dessen Grenzen hin, die unter Marktteilnehmern häufig nachweisbar sind,55 denn ein Rating besitzt zum einen lediglich Prognosecharakter56 und Rating-Agenturen sind zum anderen ebenso wenig wie sonstige Marktteilnehmer, Abschlussprüfer und Aufsichtsbehörden davor gefeit, durch kriminelles Verhalten einer Unternehmensleitung getäuscht zu werden.57 Es darf folglich nicht vorschnell im Wege der Rück48
Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 56. Siehe § 1. 50 Siehe zum Fall Enron etwa unten § 17 II 2. 51 Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 110 ff.; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 219; a.A. Caliari, 19 Transnat’l L. & Contemp. Probs. (2010), 145, 195. 52 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 108 ff.; Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 457 f.; Blaurock, ZGR 2007, 603, 613; Hill, 35 Conn. L. Rev. (2003), 1145; dies., 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 70; Moloney, EC Securities Regulation, S. 648; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14: „spectacular failure“. Siehe dazu jedoch noch näher in § 17 II 2. 53 Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531. 54 Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481; Moloney, EC Securities Regulation, S. 690. 55 Siehe noch § 17 III 1. 56 Dazu bereits § 2 I 2. 57 Zutreffend Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 883; Gerke/Mager, BFuP 2005, 203; Millon, 60 Wash. & Lee L. Rev. (2003), 309, 324. 49
48
Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
schau darauf geschlossen werden, dass bei einer unzutreffenden Bonitätsprognose auch ein Fehlverhalten der Rating-Agentur vorliegt. Eine wesentliche Mitverantwortung wird den Rating-Agenturen schließlich auch am Ausbruch der globalen Finanzkrise gegeben,58 als deren Beginn üblicherweise das Jahr 2007 genannt und die in der vorliegenden Untersuchung durchgehend (und möglicherweise ungenau) als „globale Finanzkrise 2007–09“ bezeichnet wird.59 Im Vorfeld dieser Krise war es nun bei dem Rating komplexer Finanzinstrumente60 in der Tat zu beträchtlichen Fehlentwicklungen gekommen, die diese Einschätzung als zutreffend erscheinen lassen. Im Ergebnis hat die globale Finanzkrise 2007–09 vor allem bei der Regulierung der Rating-Agenturen eine ganze Reihe neuerer Entwicklungen ausgelöst,61 welche die rechtliche Ordnung des Ratingwesens maßgeblich umgestaltet haben und im Fortgang der Untersuchung daher wiederholt zu thematisieren sein werden.
3. Ratings und die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum (ab 2010) Als jüngster erwähnenswerter Abschnitt in der Geschichte des internationalen Ratings ist schließlich die „Staatsschuldenkrise“ innerhalb der Euro-Währungszone zu nennen, in der ab März 201062 mehrere hochverschuldete Staaten (Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Zypern) durch Hilfsmaßnahmen der EUMitgliedstaaten und der Europäischen Zentralbank in ganz erheblichem Umfang gestützt wurden.63 Die großen internationalen Rating-Agenturen nahmen im Verlauf der Krise verschiedentlich Herabstufungen der sovereign ratings der betroffenen EU-Staaten vor und erfuhren hierfür heftige Kritik von Vertretern dieser Staaten64 und der EU-Kommission,65 welche die von ihnen prognostizierten 58 Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2010, S. 119; Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 458 f.; Alexander, ZBB 2011, 337, 338; Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1; Claussen, in FS Hopt (2010), S. 1695, 1709; Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 232; Diomande/Heintz/Pollin, The Economists’ Voice 6 (June 2009), Art. 6, 1; Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1092; Hill, 15 Chapman L. Rev. (2011), 133; Hurst, 30 Company L. (2009), 61; Möllers, JZ 2009, 861, 864; Nagy, 94 Minn. L. Rev. (2009), 140; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 403; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1028; Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: 2009 Supplement, § 1.02[A]; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14; Sanio, ZKredW 2008, 16, 18; Siekmann, DV 43 (2010), 95, 102; Theilacker, ZKredW 2009, 643. So auch Erwägungsgrund 10 zur EG-RatingVO. 59 Ob die Finanzkrise im Jahre 2009 als beendet gelten konnte oder tatsächlich noch länger andauerte, wird unterschiedlich beurteilt, ist aber wohl keiner zweifelsfreien Feststellung zugänglich. 60 Vgl. zu diesem Ratingsektor noch § 10. 61 Siehe etwa zum U.S.-amerikanischen Dodd–Frank Act die Ausführungen vor § 6. 62 Das erste Hilfsprogramm für die Hellenische Republik wurde von 16 Staaten der Eurozone im März 2010 beschlossen und im April 2010 von der griechischen Regierung beantragt. 63 Die „Krise“ dauerte bei Abschluss des vorliegenden Manuskripts noch an. 64 So etwa der damalige griechische Premierminister Giorgos Papandreou Anfang 2011 mit dem Vorwurf, die Rating-Agenturen „are seeking to shape our destiny and determine the future of our children“ (vgl. Schroeter, JARAF 6(1) (2011), 14, 15). 65 Vgl. die Rede von EU-Kommissar Michel Barnier „The new European Securities and Markets Authority: helping enhance the resilience of financial markets“ (Paris, 11. Juli 2011), SPEECH/
§ 3 Die historische Entwicklung des Ratings
49
positiven Auswirkungen der vereinbarten Hilfsprogramme als nicht hinreichend gewürdigt ansahen. Dass von Emittentenseite Kritik an Ratingherabstufungen geübt wird, ist dabei als solches nicht ungewöhnlich, sondern entspricht einem gängigen Verhaltensmuster sowohl unter privaten als auch staatlichen Emittenten – als 2004 vorübergehend eine Herabstufung des „AAA“-Ratings der Bundesrepublik Deutschland erörtert wurde, setzte auch in Deutschland sogleich eine Debatte über die Legitimatität der Macht von Rating-Agenturen ein.66 Im Übrigen erwiesen sich die tendenziell skeptischeren Prognosen der Rating-Agenturen während der Euro-Staatsschuldenkrise im Nachhinein als durchaus begründet, wie schon daran deutlich wird, dass private Investoren durch den griechischen Schuldenschnitt Anfang 2012 nicht weniger als 107 000 000 000 € (107 Mrd. €) investiertes Kapital verloren; darüber hinaus werden Annahmen, die den staatlichen Hilfsprogrammen zugrunde lagen, mittlerweile auch von den verantwortlichen Stellen als übermäßig optimistisch eingestuft.67
Historische Bedeutung für das Ratingwesen kommt der Euro-Staatsschuldenkrise demgegenüber deshalb zu, weil sie der Auslöser für eine gesonderte Behandlung von sovereign ratings sowohl im Rahmen der Regulierung durch Ratings68 als auch der Regulierung des Ratings69 war, die es zuvor so nicht gegeben hatte. Dieses neue, im Rechtsvergleich einstweilen nur im EU-Recht nachzuweisende Phänomen wirft schwierige Fragen auf, weil die öffentliche Hand hier einerseits als Inhaberin souveräner Regelungsgewalt über Finanzmarktakteure (einschließlich der Rating-Agenturen) und andererseits als bedeutende Kapitalnachfragerin auf den Finanzmärkten70 (und damit potentielles Ratingobjekt), mithin in einer Doppelfunktion auftritt. Sie unterliegt daher selbst einem Interessenskonflikt, auf den im Laufe der Untersuchung noch verschiedentlich zurückzukommen sein wird. 66 11/514: „It is an issue of financial stability. It is an issue of political responsibility and democracy. Who can justify and accept that private companies have such power over populations who are committed to efforts which are unheard of? We need to be more demanding when it comes to how CRAs rate sovereign debt. These ratings play a crucial role not only for the rated countries but for all our countries: a downgrading has the immediate effect of making a country’s borrowing more expensive, it makes states weaker, and there are possible effects of contagion on neighbouring economies. The objective is not to break the thermometer: clearly some Member States face real difficulties. But one can’t just not take into account the fact that these Member States are members of a European Union, they benefit from the solidarity of its members; and they are subject to internationally agreed aid packages.“ (Weniger als acht Monate später nahm die Hellenische Republik den im Fortgang des Textes erwähnten Schuldenschnitt vor.). 66 Berghoff, VSWG 92 (2005), 141. 67 Vgl. nur International Monetary Fund, Greece: Ex-post Evaluation of Exceptional Access under the 2010 Stand-by Arrangement (20. Mai 2013), S. 29: „In the event, the judgments underlying both Criteria 3 (good prospects of regaining access to private capital markets) and 4 (a reasonably strong prospect of the program’s success taking into account institutional and political capacity to deliver adjustment) proved to be too optimistic and with the benefit of hindsight, it is debatable whether these criteria were met at the time.“ 68 Siehe zur Freistellung der Staatsanleihen verschiedener EU-Staaten von den traditionell ratingbasierten Anforderungen der EZB an die Zentralbankfähigkeit von Sicherheiten § 7 II 3 b). 69 Siehe dazu noch § 19 I 3. 70 Vgl. dazu schon § 2 III 3.
Zweiter Abschnitt: Die Marktinformationsfunktion des Ratings
§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings Die originäre Funktion des Ratings besteht, wie bereits festgestellt,1 in der Information des Finanzmarktes und seiner Marktteilnehmer über Kreditrisiken. Da diese Marktinformationsfunktion sich darüber hinaus auch als Basis der daran anknüpfenden rechtlichen Verwendung des Ratings, also seiner Regulierungsfunktion2 darstellt, ist es erforderlich, im Folgenden überblicksartig ihre Rolle innerhalb des Informationssystems des Finanzmarktes3 zu behandeln. Es soll dabei an dieser Stelle einstweilen nur um die allgemeinen Grundlagen dieser Informationsfunktion gehen, bevor im nächsten Kapitel näher auf empirische Befunde zum Informationswert von Ratings und dessen informationstheoretische Begründung aus Sicht der Ökonomie eingegangen wird.
I. Ratings als private Marktinformationen 1. Die Bedeutung von Bonitätsinformationen am Finanzmarkt Im Ausgangspunkt ist dabei anerkannt, dass die Verfügbarkeit von Informationen eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Märkten im Allgemeinen und Finanzmärkten im Besonderen ist: Informationen sind, so wird gesagt, das Blut in den Adern des Finanzmarktes.4 Der Grund hierfür liegt in der Informationsasymmetrie, die zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern – vor allem Kapitalnachfragern und Kapitalanbietern (Investoren) – existiert5 und bei ihrem Fortbestehen den nicht ausreichend informierten Marktteilnehmer davon abhalten könnte, in ihrem Risikogehalt für ihn nicht einschätzbare Markttransaktionen vorzunehmen.
1
Siehe § 1 II 1. Zur Regulierungsfunktion des Ratings und ihrem derivativen Charakter bereits § 1 II 2. 3 In terminologischer Hinsicht werden die Begriffe des „Kapitalmarktes“ auf der einen und des „Finanzmarktes“ auf der anderen Seite bislang, soweit ersichtlich, nicht streng unterschieden, sondern (zumindest im deutschsprachigen juristischen und ökonomischen Schrifttum) weitgehend austauschbar verwandt (vgl. in diesem Sinne auch Merkt, in FS Hopt (2010), S. 2207 f.). Die vorliegende Untersuchung schließt sich dem an und benutzt beide Termini als Synonyme, wenngleich manches dafür spricht, „Finanzmarkt“ und „Finanzmarktrecht“ als die jeweils umfassenderen der Begriffe zu verstehen (in diesem Sinne etwa Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 14.26 f.). 4 Dombalagian, 55 Buff. L. Rev. (2007), 1; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.277. 5 Scholz, BFuP 2005, 265: „ein dauerhaftes Merkmal sämtlicher Märkte“. 2
§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings
51
Informationsasymmetrien bestehen dabei fast immer zum Nachteil der Anleger, denen gegenüber das kapitalnachfragende Unternehmen über einen Wissensvorsprung verfügt. Zwingend ist diese Informationsverteilung freilich nicht, wie das Beispiel des § 27a WpHG zeigt, dessen Mitteilungspflichten einen Wissensvorsprung des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft ausgleichen sollen.
Auf dem Markt für Anleihen und strukturierte Finanzinstrumente, auf dem es um zeitlich beschränkte Kapitalüberlassung gegen Verzinsung und Rückzahlung des überlassenen Kapitals geht,6 entsteht die entscheidende Informationsasymmetrie zuvörderst dadurch, dass der Emittent seine eigene wirtschaftliche Lage weitaus besser kennt als der Investor.7 Der Investor benötigt damit Informationen über die Kreditwürdigkeit (die Bonität) des Emittenten, um eine informierte Investitionsentscheidung treffen zu können, weil er nur auf deren Grundlage die Wahrscheinlichkeit der versprechensgemäßen Rückzahlung seines Kapitals einschätzen kann.8 Während die Bonität des Vertragspartners bei jeglichem Vertragsschluss Gegenstand von Informationsasymmetrien ist, kommen am Anleihemarkt (debt market) noch zwei weitere Faktoren asymmetrieverstärkend hinzu: Zum einen sind die einzelnen Finanzinstrumente selbst vielfach höchst komplex ausgestaltet, sodass das Informationsdefizit der Investoren aus diesem Grund besonders ausgeprägt ist,9 und zum anderen wird an den Finanzmärkten – die zunehmend zu einem globalen Finanzmarkt zusammenwachsen – eine praktisch unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher Finanzprodukte angeboten, woraus eine zusätzliche Intransparenz resultiert.10
2. Die Rating-Agenturen als Informationsintermediäre Die Rating-Agenturen tragen in ihrer Marktinformationsfunktion zum teilweisen Abbau der beschriebenen Informationsasymmetrie bei11 und fungieren am 6 Die wirtschaftliche Bedeutung dieses Finanzmarktsektors ist beträchtlich, weil Anleihen die volumenmäßig bedeutsamsten Kapitalmarkttitel darstellen; vgl. Gottmann, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 78. 7 Langohr/Langohr, Rating Agencies, S. 9; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622; Scholz, BFuP 2005, 265. 8 Deipenbrock, BB 2003, 1849; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 417; Ohler, AfP 2010, 101, 102. 9 Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 65; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 202; Stürner, in FS Canaris I (2007), S. 1489, 1491. 10 Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 101; Koller, ZBB 2007, 197, 198. Vgl. White, 30 Regulation (Spring 2007), 48: „Consider the fact that, at the end of September 2006, there was over $8 trillion of corporate, state and local government, and asset-backed structured finance bonds outstanding – much of it rated by only a (literal) handful of bond rating companies.“ 11 Deipenbrock, WM 2005, 261; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 195 f.; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 30; Listokin/Taibleson, 27 Yale J. on Reg. (2010), 91, 95 f.; Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 485; Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50, 52; Möllers, JZ 2009, 861; Moloney, EC Securities Regulation, S. 687; Norden/Weber, Bewertung von Ratingsystemen durch Markt und Staat, S. 31, 45; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 222; Schwarcz, in:
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
Finanzmarkt daher als Informationsintermediäre.12 Sie erfüllen diese Aufgabe dadurch, dass sie der allgemeinen Investorenöffentlichkeit (im praktischen Regelfall des „issuer pays“-Ratingmodells, bei dem die erstellten Ratings kostenfrei öffentlich zugänglich gemacht werden13) oder zumindest denjenigen Investoren, welche die kostenpflichtigen Publikationen der Rating-Agentur abonniert haben (beim „investor pays“-Modell) ihre eigene Beurteilung der Bonität von Emittenten und Emissionen zugänglich machen.14 Die Marktinformationsfunktion des Ratings besitzt damit an den heutigen Finanzmärkten eine erhebliche Bedeutung für die Marktteilnehmer,15 aber auch für die Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts als Institution.16 a) Bedeutung der Marktinformationsfunktion des Ratings für die Marktteilnehmer Unter den Marktteilnehmern sind Ratings zuvörderst für die Investoren von Bedeutung, weil sie ihnen eine eigene Informationsbeschaffung über die Bonität des jeweiligen Emittenten weitgehend abnehmen. Der darin liegende Vorteil wird überwiegend in der Senkung der Informationskosten der Anleger17 gesehen, weil die Investoren die notwendige Informationserhebung selbst nur zu höheren Kosten durchführen könnten.18 Tatsächlich dürften der Aufwand, der durch die Vornahme eigener Bonitätsanalysen auf Seiten der Investoren entstünde, angesichts von Komplexität und Anzahl der am Finanzmarkt angebotener Finanzinstrumente sogar als prohibitiv einzustufen sein.19 Es spricht daher viel für die 12 Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 302; ders., U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 10; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 76 ff.; Vetter, WM 2004, 1701; von Schweinitz, WM 2008, 953; Weber/ Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 5; skeptischer hingegen Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 138. 12 Coffee, Gatekeepers, S. 283; Haar, JZ 2008, 964, 969; Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423; Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europ. Unternehmens- u. KapitalmarktR, § 17 Rn. 87; Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50, 53; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 12; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 78; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 468; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 5. 13 Siehe § 2 IV 3 a). 14 Siehe zur Rolle der Reputation des Informationsintermediärs noch unter II 1. 15 Dazu sogleich unter a). 16 Unter b). 17 Vgl. zur zentralen Rolle der Informationskosten etwa Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. (1984), 549, 593 ff. 18 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 94; Blaurock, ZGR 2007, 603, 608; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 415 f.; Lannoo, Intereconomics 2008, 265; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622; von Randow, ZBB 1995, 140, 142. 19 Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 233: „‚do-it-yourself‘ financial analysis of opaque debt instruments is no more feasible for most financial institutions than ‚do-it-yourself‘ brain surgery“; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 660: „even the most sophisticated market participants are unable to generate accurate methods of estimating credit risks, despite the importance of doing so“.
§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings
53
Annahme, dass das Rating über die Senkung von Informationskosten hinaus überhaupt erst ermöglicht, dass Investoren sich über die Bonität der Kapitalnachfrager am Markt informieren können. Die Bedeutung des Ratings für die Emittenten stellt sich sodann als Reflexwirkung des Nutzens auf Investorenseite dar: Der Einsatz von Ratings ermöglicht es dem Emittenten, gegenüber der Finanzmarktöffentlichkeit seine Bonität zu signalisieren und damit Investorenkreise zu erschließen, die andernfalls durch die bestehende Informationsasymmetrie von einer Anlage abhalten würden.20 Im Vordergrund steht auch hier eine Kostenersparnis, weil die Nutzung der RatingAgenturen als Informationsintermediäre auch dann, wenn der Emittent – wie im Rahmen des „issuer pays“-Modells – die Bezahlung der Ratingerstellung übernimmt, für diesen zu niedrigeren Kapitalkosten führt.21 Dieser Kostenvorteil lässt sich zum Teil auf eine Besonderheit des beauftragten Ratings zurückführen, das es dem Emittenten nämlich ermöglicht, für ihn positive, aber vertrauliche Informationen durch das Rating „verschlüsselt“ an den Finanzmarkt weiterzugeben: Teilt der Emittent der Rating-Agentur während des Ratingverfahrens geschäftliche Interna mit, die sich positiv auf seine Kreditwürdigkeit auswirken, aber nicht allgemein (und damit auch gegenüber Konkurrenten) offen gelegt werden sollen,22 so werden diese über die verbesserte Ratingeinstufung an den Finanzmarkt kommuniziert, bleiben in ihrem Inhalt aber weiterhin vertraulich.23 Die beschriebene Spielart der Marktkommunikation fehlt hingegen, wenn der Emittent bonitätsrelevante Informationen direkt offen legt, und verleiht der Marktinformationsfunktion des Ratings aus Emittentensicht einen zusätzlichen Wert. b) Bedeutung der Marktinformationsfunktion des Ratings für die Funktionsfähigkeit der internationalen Finanzmärkte Darüber hinaus ist anerkannt, dass Rating-Agenturen als Informationsintermediäre zur Funktionsfähigkeit der internationalen Finanzmärkte beitragen, indem 20
Scholz, BFuP 2005, 265; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 196. Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1102; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 876; Moloney, EC Securities Regulation, S. 687 f.; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 353. Vgl. das Zitat des Vorstandes eines deutschen Unternehmens (bei Großfeld, NZG 2005, 1, 4): „Gekostet hat das Rating praktisch nichts. Die jährlichen Rechnungen von den Rating-Unternehmen [werden] durch geringere Finanzierungskosten mehr als aufgewogen.“ 22 Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 181 (S.D.N.Y. 2009): „… the Rating Agencies’ access to non-public information that even sophisticated investors cannot obtain“; KG, 24.8.1995, NJW-RR 1996, 1060, 1062; Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 455; Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 290; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 79. 23 Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 487; ders., ZGR 2007, 603, 608; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 419. Siehe aus Perspektive der Informationsökonomik zu dieser Form der Marktkommunikation § 5 III 1 a) cc) (1). Kritisch zum sich daraus ergebenden Unterschied zwischen beauftragten und unbeauftragten Ratings Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1128. 21
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
sie die Markttransparenz24 und damit auch die Markteffizienz25 zumindest wesentlich erhöhen. Eine weiter gehende Auffassung geht zutreffend sogar davon aus, dass Ratings eine effiziente Kapitalallokation an den heutigen Finanzmärkten überhaupt erst ermöglichen,26 weil eine eigene Bonitätsanalyse durch die Investoren – die in Übereinstimmung mit der neoinstitutionalistischen ökonomischen Theorie27 regelmäßig als Vergleichsmaßstab herangezogen wird – in Anbetracht der großen Zahl analysebedürftiger Finanzinstrumente und ihrer zunehmenden Komplexität effizient gar nicht stattfinden könnte, wenn derselbe Beurteilungsvorgang durch eine Vielzahl von Investoren durchgeführt werden müsste.28 Im Ergebnis kann daher konstatiert werden, dass Rating-Agenturen heute einen unverzichtbaren Bestandteil des zunehmend globalisierten Finanzmarktes darstellen:29 „Gäbe es keine Rating-Agenturen, müssten sie erfunden werden.“30
II. Ratings im Informationssystem des Finanzmarkts Das Rating steht in seiner Marktinformationsfunktion am Finanzmarkt freilich nicht allein, sondern tritt innerhalb eines Informationssystems neben weitere Informationen unterschiedlicher Herkunft. Von Bedeutung ist insoweit zum einen sein Verhältnis zur gesetzlichen Pflichtpublizität und zum anderen zu den Marktinformationen sonstiger Informationsintermediäre.
1. Private Marktinformationen und gesetzliche Pflichtpublizität Emittenten, die zum Zweck der Fremdkapitalaufnahme an den Finanzmarkt herantreten, werden heute in allen hier untersuchten Rechtsordnungen weitgehenden gesetzlichen Publizitätspflichten unterworfen.31 Da die gesetzlich geregelte 24 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 79; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 4; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 186; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 30; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 121. 25 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 883; Meeh-Bunse/Sattler, DB 2012, 1449; Millon, 60 Wash. & Lee L. Rev. (2003), 309, 314; Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 293; Sullivan, 94 Minn. L. Rev. (2010), 2136, 2137. 26 Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 65; aus dem ökonomischen Schrifttum Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 204. 27 Vgl. noch § 5 III 2. 28 Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 623; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 412. 29 In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 820 (S.D.Tex. 2005): „credit rating agencies […] perform an essential service for economy and efficiency of the capital markets“; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 132; Haar, JZ 2008, 964, 969; Hopt/Voigt, in: dies., Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 9, 131; Vetter, WM 2004, 1701; Witte/Henke, DB 2013, 2257. 30 So Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 204. 31 Vgl. namentlich Merkt, Unternehmenspublizität, S. 350 ff.
§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings
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Markteintritts- und Marktteilnahmepublizität ebenfalls bezweckt, aktuelle und potentielle Investoren über die für ihre Investitionsentscheidungen relevanten Umstände in Kenntnis zu setzen,32 soll sie ihnen auch eine Einschätzung von Emittenten- oder Emissionsbonitäten erlauben. Ratings als private Marktinformationen treten damit neben die Informationen, die infolge der gesetzlichen Pflichtpublizität an den Markt gelangen, und spielen aus Sicht der Investoren mit diesen zusammen. In sachlicher Hinsicht überschneiden sich private Rating- und gesetzliche Pflichtpublizität dabei allerdings von vornherein nur in begrenztem Maße, weil der Informationsinhalt von Ratings deutlich enger ist als die Offenlegung, welche von den gängigen gesetzlichen Publizitätspflichten angestrebt wird: Während Letztere nämlich üblicherweise eine Information der Investoren über sämtliche Faktoren bewirken wollen, die für deren Anlageentscheidungen erheblich sein können, beschränken sich Ratings auf die alleinige Beurteilung des Kreditrisikos und sagen über andere Risikofaktoren nichts aus. Ein weiterer Unterschied liegt in der Grundlage der jeweiligen Publizitätsform, die bei der gesetzlichen Pflichtpublizität in der staatlichen Anordnung besteht: Die genannten Informationen werden dem Markt von Seiten des Emittenten zur Verfügung gestellt, weil das Gesetz dies verlangt. Im Falle der privaten Publizität durch Veröffentlichung von Ratings fungiert hingegen die Reputation der Rating-Agenturen als Grundlage, von der die Marktakzeptanz der privaten Informationen abhängt: Nur sofern ein Informationsintermediär über eine ausreichende Glaubwürdigkeit unter den Investoren (und letztendlichen Ratingadressaten) verfügt, wird seinen Informationen am Markt Beachtung geschenkt und damit erreicht, dass er weiterhin Aufträge für seine Dienstleistungen erhält.33 Die Voraussetzungen, unter denen ein reputational intermediary über einen hinreichenden Ruf am Markt verfügt, sind im Schrifttum im Einzelnen herausgearbeitet worden;34 es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die auf dem internationalen Finanzmarkt tätigen Rating-Agenturen diese Voraussetzungen erfüllen.35 32
Vgl. zum U.S.-amerikanischen Markteintrittspublizitätsrecht nur Pinter v. Dahl, 15.6.1988, 486 U.S. 622, 638, 108 S.Ct. 2063 (1988): „The primary purpose of the Securities Act is to protect investors by requiring publication of material information thought necessary to allow them to make informed investment decisions concerning public offerings of securities in interstate commerce“; zum deutschen Recht allgemeiner BVerfG, 26.6.2002, BVerfGE 105, 252, 267 („Glykolwarnung“): „Die Rechtsordnung zielt auf die Ermöglichung eines hohen Maßes an markterheblichen Informationen und damit auf Markttransparenz.“ 33 Choi, 92 Nw. U. L. Rev. (1998), 916, 961; Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. (1984), 549, 605; Hsueh/Kidwell, 17:1 Fin. Manage. (1988), 46, 47; Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423, 425; Meeh-Bunse/Sattler, DB 2012, 1449, 1450; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 624; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 415; Schwarcz, 8 Duke J. Comp. & Int’l L. (1998), 235, 252. 34 Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. (1984), 549, 613 ff. 35 Amihud/Garbade/Kahan, 51 Stan. L. Rev. (1999), 447, 481; Haar, JZ 2008, 964, 969; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 426; Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50, 53; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 295 f.; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 624; a.A. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 703.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
Nicht geklärt ist hingegen, ob das Interesse der Rating-Agenturen an der Erhaltung ihres Reputationskapitals allein ausreicht, um sie zur Erstellung qualitativ hochwertiger Ratings an- und von einer Rücksichtnahme auf zahlende Emittenten abzuhalten – eine Problematik, die im Fortgang der Untersuchung noch vertieft zu erörtern sein wird.36
2. Rating-Agenturen und andere Informationsintermediäre („gatekeeper“) Schließlich treten die Rating-Agenturen in ihrer Marktinformationsfunktion noch neben eine Reihe weiterer Informationsintermediäre, die den Finanzmarkt ebenfalls mit Informationen versorgen. Im U.S.-amerikanischen Schrifttum hat sich insoweit der Oberbegriff der „gatekeeper“ etabliert, zu denen neben den Rating-Agenturen37 etwa Finanzanalysten, Abschlussprüfer, Investmentbanken, Rechtsanwälte und lead plaintiffs in class action suits gerechnet werden.38 Ihr gemeinsames Merkmal wird traditionell in der Fähigkeit gesehen, durch die Gewährung oder Verweigerung ihres fachlichen Plazets den Marktzugang für den Emittenten zu öffnen oder zu verschließen.39 Die gängige Zuordnung der RatingAgenturen zu dieser (deskriptiven) Kategorie darf freilich nicht den Blick auf die Unterschiede verstellen, die sie als Informationsintermediäre gegenüber anderen „gatekeepern“ auszeichnen:40 So erstellen Rating-Agenturen reine Bonitätsbeurteilungen, während Finanzanalysten Kauf- oder Verkaufsempfehlung abgeben41 und zudem üblicherweise nicht als unabhängige Dritte agieren, sondern als „sell side“- oder „buy side“-Analysten tätig werden.42 Abschlussprüfer bestätigen durch ihre Testate dagegen lediglich, dass die Buchführung der Gesellschaft unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erfolgte und die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Jahresabschluss zutreffend dargestellt ist,43 ohne jedoch etwas über die Bonität auszusagen.44 Ratings werden schließlich – anders als Finanzanalysen oder Testate – nach ihrer Veröffentlichung als Marktinformation laufend aktualisiert und bieten der Marktöffentlichkeit daher keine lediglich einmalige, sondern kontinuierliche Bo-
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Siehe § 25 I 2. Coffee, in: Fuchita/Litan, Financial Gatekeepers, S. 177, 179; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 608; Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1104; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 35; Hatchett, 63 Ala. L. Rev. (2012), 407; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 535; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 197; Lerch, BKR 2010, 402, 403; Sack/Juris, 238 NY L.J. (5. Nov. 2007); Schwarcz, 8 Duke J. Comp. & Int’l L. (1998), 235, 253; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 193; Veil/Veil/Teigelack, § 21 Rn. 3. 38 Coffee, in: Fuchita/Litan, Financial Gatekeepers, S. 177, 179; Kraakman, 2 J. L. Econ. & Organ. (1986), 53, 62. 39 Vgl. Kraakman, 2 J. L. Econ. & Organ. (1986), 53, 54. 40 Zutreffend Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1692. 41 Findeisen, DAJV-NL 2008, 64. 42 Drinkuth, Fehlerhafte Finanzanalysen, S. 167, 169 f.; Kuthe, ZIP 2004, 883, 887; Spindler, NZG 2004, 1138, 1139. 43 § 322 Abs. 3 Satz 1 HGB. 44 Assmann, AG 2004, 435, 448. 37
§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings
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nitätsinformation,45 die zudem (wiederum anders als die meisten Finanzanalysen) kostenfrei zugänglich ist. Die entscheidende Besonderheit von Ratings im Vergleich zu anderen Marktinformationen dürfte aber nicht in ihrem Inhalt (dem „Was“), sondern in der Form der Information (dem „Wie“) liegen: Es ist gerade die „Codierung“ ihrer Bonitätsbeurteilungen in Form standardisierter Ratingkürzel,46 welche die Marktinformationen der Rating-Agenturen von anderen Informationen abhebt und ihnen – wie im folgenden Kapitel informationstheoretisch zu untermauern sein wird – zu einem herausragenden Informationswert verhilft.
45 Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 171; Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 93; Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 484; Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 14; Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 684 f.; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 413. 46 Zu den Ratingskalen der drei führenden Rating-Agenturen siehe bereits § 2 II 1.
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt: Empirische Befunde und informationstheoretische Begründung I. Einleitung Im Gegensatz zur Rechtswissenschaft befasst sich die Ökonomie bereits seit langem mit der Erforschung von Ratings. Die zahlreichen Untersuchungen in der ökonomischen Forschung konzentrierten sich dabei bislang – kaum überraschend – ganz auf die Marktinformationsfunktion von Ratings,1 während die Rolle ihrer Regulierungsfunktion keine wesentliche Beachtung fand.2 Für die Zwecke der vorliegenden rechtswissenschaftlichen Untersuchung sind die Erkenntnisse der Ökonomie zur Marktinformationsfunktion des Ratings gleichwohl aus zweierlei Gründen von Interesse: Zum einen können sie Aufschluss darüber geben, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise Ratings als Informationen durch die Marktteilnehmer wahrgenommen und verwandt werden, ob und warum ihnen also – in der Diktion der Ökonomie – ein „Informationswert“ zugemessen wird. Erst dieses Verständnis ermöglicht sodann die sachgerechte rechtswissenschaftliche Untersuchung der Rechtsregeln, die das Rating zum Gegenstand haben, sich damit also auf die Erstellung, Übermittlung und Aufnahme von Bonitätsinformationen beziehen und diese rechtlich ordnen. Zum anderen setzt das Recht Informationen in vielerlei Hinsicht selbst als Mittel ein, um einen Regelungszweck zu verwirklichen, indem es die Erstellung, Übermittlung und (obgleich vielfach nur implizit) auch die Aufnahme von Informationen zum Bestandteil rechtlicher Regelungen macht. Im Rahmen der folgenden Kapitel steht insoweit die „Regulierung durch Ratings“ im Vordergrund; das Phänomen ist jedoch allgemeiner Natur: Das gesamte Informationsmodell der modernen Marktregulierung beruht gedanklich auf der Aufnahme und Verarbeitung der publizitätspflichtigen Informationen durch die Informationsadressaten und kann ohne sie nicht funktionieren. In jedem dieser Zusammenhänge ist folglich auch von juristischem Interesse, ob und wie die Informationen durch die Regelungsadressaten tatsächlich verwandt werden, weil davon das Erreichen des Regelungsziels abhängt3 – auch hier können Erkenntnisse der Ökonomie helfen.4 1
Zu dieser bereits soeben in § 4. Eine Ausnahme aus jüngster Zeit ist die Untersuchung von Horsch, Rating und Regulierung, S. 271 ff. 3 Vgl. allgemein Assmann, in Großkomm-AktG, Stand: 1.3.1992, Einl. Rn. 356. 4 In diesem Sinne auch Merkt, Unternehmenspublizität, S. 190. 2
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt
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Im Folgenden sind aus diesem Grund zunächst die bisherigen Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung zur Rolle von Ratings an den Kapitalmärkten5 zusammenzufassen,6 bevor auf die informationstheoretische Begründung der Befunde eingegangen wird.7 Die dabei in gebotener Knappheit zu behandelnden Erklärungsansätze der Informationsökonomik sind dabei auch deshalb von Bedeutung, weil sie – wie zu zeigen sein wird8 – zugleich die theoretische Grundlage für zahlreiche der rechtlichen Publizitätsvorschriften bilden, die in den verschiedenen Rechtsordnungen mit Ratings in ihrer Marktinformations- und Regulierungsfunktion zusammenwirken. Da die gängigen Theorieansätze der Ökonomie im Ergebnis nicht erklären können, warum Kapitalmärkte die empirisch nachgewiesenen Reaktionen auf Ratingveröffentlichungen zeigen, soll abschließend ein eigener Erklärungsansatz vorgestellt werden, der in Gestalt der Informationscodierung einen entscheidenden Unterschied zwischen Ratings und sonstigen Marktinformationen zur Begründung heranzieht.9
II. Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung Die Frage, inwieweit der Veröffentlichung von Ratings durch die Kapitalmarktteilnehmer ein Informationswert zugemessen wird, ist in der Vergangenheit Gegenstand umfangreicher empirischer Untersuchungen gewesen. Der Eigenschaft von Ratings als internationale Marktinformationen10 entspricht es, dass diesbezügliche ökonomische Studien auf den unterschiedlichsten nationalen Finanzmärkten durchgeführt wurden, wodurch auch Rückschlüsse auf den Einfluss der jeweiligen externen Marktbedingungen auf den Informationswert von Ratingveröffentlichungen ermöglicht werden. Im Ergebnis wissen wir daher verhältnismäßig genau, auf welche Ratingveröffentlichungen die Finanzmärkte wie reagieren – weniger klar (und in theoretischer Hinsicht umstritten) ist hingegen, warum sie dies im Einzelnen tun.11
5 Die Begriffe des „Kapitalmarkts“ und des „Finanzmarktes“ werden für die Zwecke der vorliegenden Unterschung, wie bereits in § 4 festgestellt, grundsätzlich als Synonyme verwandt (vgl. auch Merkt, in FS Hopt (2010), S. 2207 f.). Da der ältere Terminus des „Kapitalmarktes“ sich jedoch gerade im ökonomischen Schrifttum zur Informationseffizienz von Märkten formelartig verfestigt hat, wird er im folgenden Zusammenhang allein benutzt. 6 Unter II. 7 Unter III. 8 Siehe vor allem III 1 b). 9 Unter IV. 10 Siehe dazu schon § 1 III. 11 Siehe dazu noch näher unter III, IV.
60
Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
1. Marktreaktionen auf Ratingveröffentlichungen als Beweis ihres Informationswertes Um den Informationswert von Ratings zu prüfen, bedient sich die empirische Kapitalmarktforschung üblicherweise des Mittels der Ereignisstudie: Untersucht wird, ob der Sekundärmarkt sich nach Veröffentlichung einer Ratinganpassung seinerseits anpasst.12 Sofern dies der Fall ist, wird diese Marktreaktion als Beweis des Informationsgehalts des Ratings eingeordnet; eine Methode, die in der ökonomischen Forschung zu Ratings allgemein anerkannt ist.13 Die einschlägigen Ereignisstudien, die an dieser Stelle schon aufgrund ihrer beträchtlichen Anzahl nicht im Einzelnen darzustellen sind,14 haben vor allem Reaktionen am Markt für Fremdkapital (in Gestalt von Anleihenkursen sowie, in jüngerer Zeit, der Konditionen von Credit Default Swaps)15 untersucht, konnten aber – auf den ersten Blick überraschend – auch an den Aktienmärkten Marktreaktionen nachweisen.16 Wie bereits vorweggenommen werden kann, belegen die empirischen Untersuchungen dabei fast ausnahmslos, dass die Finanzmärkte den veröffentlichten Ratings einen Informationswert zubilligen.17 12 Deutlich seltener finden sich Untersuchungen am Primärmarkt, welche die Beeinflussung des Anlegerverhaltens bei Neuemissionen durch Ratings in den Blick nehmen (so Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59 ff.). 13 Vgl. nur Ederington/Yawitz/Roberts, 10 J. Fin. Res. (1987), 211, 212: „certainly a logical and proper test of whether or not rating changes have any informational content“. 14 Überblicksartige Nachweise finden sich bei Cantor, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2565 ff.; Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 662 ff. (Ereignisstudien aus den Jahren 1974–2000); Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 32 ff. (Ereignisstudien aus den Jahren 1974–2003). 15 Unter a) und b). 16 Dazu unter c). 17 Berger/Davies/Flannery, 32 J. Money, Credit & Banking (2000), 641, 665; Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 106; Campbell/Taksler, 58 J. Fin. (2003), 2321, 2334; Cornell/Landsman/ Shapiro, 4 J. Acc. Aud. & Fin. (1989), 460, 479; Dichev/Piotroski, 56 J. Fin. (2001), 173, 202; Ederington/Goh, 33 J. Fin. & Quant. Analysis (1998), 569, 572; Ederington/Yawitz/Roberts, 10 J. Fin. Res. (1987), 211, 223; Followill/Martell, 21 J. Econ. & Fin. (Summer 1997), 75, 81; Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 72; Glascock/Davidson/Henderson, 26 Q. J. Bus. & Econ. (Summer 1987), 67, 77; Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2007; dies., 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 101, 111; Grier/Katz, 49 J. Bus. (1976), 226, 239; Griffin/Sanvincente, 37 J. Fin. (1982), 103, 118; Hand/Holthausen/Leftwich, 47 J. Fin. (1992), 733, 752; Hite/Warga, Fin. Analysts J. (May/ June 1997), 35, 43 (freilich auf Grundlage methodisch fragwürdiger Annahmen); Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 85; Hull/Predescu/White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2802 f.; Ingram/Brooks/Copeland, 38 J. Fin. (1983), 997, 1002; Jewell/Livingston, 8:4 Fin. Markets, Inst. & Instruments (1999), 1, 41 f.; Katz, 29 J. Fin. (1974), 551, 558; Kisgen, 61 J. Fin. (2006), 1035, 1038 f.; Kish/Hogan/Olson, 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 363, 375; Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 354; Liu/Thakor, 16 J. Money Credit & Banking (1984), 344, 350; Matolcsy/Lianto, 19 J. Banking & Fin. (1995), 891, 900 f.; May, 34 J. Banking & Fin. (2010), 2822, 2835; Moloney, EC Securities Regulation, S. 713: „Rating announcements clearly carry considerable informational content“; Nayar/Rozeff, 49 J. Fin. (1994), 1431, 1440; Nöth, KuK 1995, 535, 557; Poddig/Fieberg/Frädrich/Grigat/Moys, ZBB 2013, 60, 66; Reiter/Ziebart, 26 Fin. Rev. (1991), 45, 72; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 551; dies., 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 154; Wansley/Clauretie, 8 J. Fin. Res. (1985), 31, 41; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 53 f.; Zaima/McCarthy, 23 Fin. Rev. (1988), 483, 497.
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt
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a) Anleihenkurse Die größte Gruppe unter den Ereignisstudien untersucht dabei, ob die Änderung von Ratings (durch downgrades oder upgrades) sich auf die Kurse der betreffenden Anleihen bzw. deren Rendite auswirkt. Entsprechende Reaktionen der Anleihekurse wurden am U.S.-amerikanischen Kapitalmarkt bereits in den 1920er und 1930er Jahren empirisch nachgewiesen,18 und auch die weit überwiegende Anzahl neuerer Untersuchungen belegt für den Zeitraum nach einer Ratingänderung eine signifikante Marktpreis- (d.h. Kurs-)anpassung19 bzw. eine Anpassung der Rendite der Anleihe,20 die vor dem Hintergrund der überwiegend festen Verzinsung traditioneller Anleihen ebenfalls auf einer Kursanpassung beruht. Eine im Auftrag der EG-Kommission erstellte Studie über in den Jahren 1997–2001 emittierte Unternehmensanleihen wies nach, dass sich auch Unterschiede im Credit Spread dieser Papiere – also der Renditedifferenz zu einer laufzeitkongruenten, risikolosen Anleihe mit ansonsten gleichen Charakteristika – zu 94% auf deren Ratingeinstufung zurückführen lassen.21 Im Ergebnis wird aus der beschriebenen Empirie zu Marktreaktionen geschlossen, dass Ratings nach Ansicht der Marktteilnehmer ein originärer, d.h. nicht bereits zuvor in den Kursen abgebildeter Informationsgehalt zukommt.22 Im Gegensatz dazu hatten einige ältere, überwiegend noch aus den 1970er Jahren stammende Untersuchungen festgestellt, dass auf Ratingänderungen keine signifikanten Kursoder Renditeanpassungen folgten, und hatten daraus auf einen mangelnden Informationswert der Ratings geschlossen.23 Diese älteren empirischen Befunde werden im juristischen Schrifttum bis heute durch eine Gruppe von Autoren herangezogen, die den Marktein18
Vgl. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 645. Grier/Katz, 49 J. Bus. (1976), 226, 239; Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57 ff.; Jewell/Livingston, 8:4 Fin. Markets, Inst. & Instruments (1999), 1, 41 f.; Liu/Thakor, 16 J. Money Credit & Banking (1984), 344, 350 (für U.S.-amerikanische municipal bonds); Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 551; dies., 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 154; Zaima/McCarthy, 23 Fin. Rev. (1988), 483, 497. 20 Campbell/Taksler, 58 J. Fin. (2003), 2321, 2334; Ederington/Goh, 33 J. Fin. & Quant. Analysis (1998), 569, 572; Ederington/Yawitz/Roberts, 10 J. Fin. Res. (1987), 211, 223; Hand/Holthausen/Leftwich, 47 J. Fin. (1992), 733, 734 ff.; Hite/Warga, Fin. Analysts J. (May/June 1997), 35, 43; Ingram/Brooks/Copeland, 38 J. Fin. (1983), 997, 1002; Katz, 29 J. Fin. (1974), 551, 558; Kish/Hogan/Olson, 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 363, 375; Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 354; May, 34 J. Banking & Fin. (2010), 2822, 2835; Nöth, KuK 1995, 535, 557; Reiter/ Ziebart, 26 Fin. Rev. (1991), 45, 72; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 53 f. 21 London Economics, Quantification of the Macro-Economic Impact of Integration of EU Financial Markets (November 2002), S. 81. 22 Ederington/Goh, 33 J. Fin. & Quant. Analysis (1998), 569, 570: „Clearly, the market views most downgrades as informational events“; Jewell/Livingston, 8:4 Fin. Markets, Inst. & Instruments (1999), 1, 3; Moloney, EC Securities Regulation, S. 713; Norden/Weber, Bewertung von Ratingsystemen durch Markt und Staat, S. 31, 46; Richter, WM 2008, 960, 963; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 633; von Randow, ZBB 1995, 140, 149. 23 Peavy/Scott, 38 J. Econ. & Bus. (1986), 255, 268; Wakeman, Bond Rating Agencies and the Capital Markets (1978); ders., in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 411; Weinstein, 5 J. Fin. Econ. (1977), 329, 345. 19
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
fluss von Ratings ausschließlich auf deren Regulierungsfunktion zurückführen will (sog. regulatory license theory)24 – da der Markt den Ratingveröffentlichungen in den 1970er Jahren keinen Informationsgehalt zugemessen habe und der regulatorische Einsatz von Ratings ab Mitte der 1970er Jahre in den U.S.A. deutlich zugenommen habe, müsse daraus abgeleitet werden, dass die heute nachweisbaren Marktreaktionen auf Ratingänderungen allein Auswirkungen von ratingbasierten Rechtsvorschriften seien.25 Die besseren Gründe sprechen jedoch dafür, dass sich die vereinzelt fehlende Feststellbarkeit von Marktreaktionen vor allem auf methodische Besonderheiten der damaligen Studien zurückführen lässt,26 die nämlich nicht mit tagesaktuellen Kursdaten, sondern mit monatlichen Durchschnittswerten arbeiteten: Der Nachweis einer messbaren Kursreaktion hing daher davon ab, dass während des betreffenden Monats keine sonstigen Ereignisse mit gegenläufigem Kurseinfluss auftraten, und zwang die Autoren im Umkehrschluss zu der Annahme, dass ein veränderter Monatsdurchschnittskurs ausschließlich auf die erfolgte Ratingänderung zurückzuführen sei – eine Unterstellung, die von Autoren entsprechender ökonomischer Studien gelegentlich selbst als „heroisch“ eingestuft wurde.27
Die vorstehend genannte Empirie bezieht sich dabei – wie empirische Untersuchungen mit Ratingbezug generell – vorwiegend auf den U.S.-amerikanischen Anleihemarkt. Marktreaktionen wurden jedoch darüber hinaus auch bei Anleihen Schweizer28 und Hongkonger Emittenten29 sowie am deutschen Anleihemarkt30 nachgewiesen, wo sie in ganz ähnlichem Umfang wie in den U.S.A. auftreten und ebenso als empirischer Beleg des Informationsgehalts von Ratings gewertet werden.31 Dieser tatsächliche Befund lässt zum einen den Schluss zu, dass Kursreaktionen auf Ratingänderungen jedenfalls nicht entscheidend von den Besonderheiten des jeweiligen Rechts- und Marktsystems abhängen, treten sie doch bei Anleihen an den unterschiedlichsten Finanzplätzen in vergleichbarer Form auf. Er deutet zum anderen bereits an, dass die Grundthese der regulatory license theory – die regulatorische Verwendung von Ratings als alleiniger Grund für deren Markteinfluss – nicht richtig sein kann: Dass empirische Untersuchungen schon am deutschen Anleihemarkt der Jahre 1986–94 Kursreaktionen auf 24
Siehe dazu noch näher unter III 1 a) bb). So namentlich Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 660. 26 So auch Followill/Martell, 21 J. Econ. & Fin. (Summer 1997), 75 f. 27 So Hite/Warga, Fin. Analysts J. (May/June 1997), 35, 37 (deren empirische Untersuchung auf diese Weise Kursreaktionen auf Ratingänderungen „nachweisen“ konnte): „we make the heroic assumption that price reactions in the month of a rating change are driven largely by the rating change“. 28 So in der Untersuchung von Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 61. 29 So bei Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98 ff. 30 Kaserer, ÖBA 1995, 263, 265 (DM-Auslandsanleihen 1989–93); Nöth, KuK 1995, 535, 548, 557 (Anleihen am DM-Euroanleihemarkt 1988–91); Rottmann/Seitz, KuK 2008, 59, 63 ff., 71 (Euro-Festkuponanleihen am deutschen Anleihemarkt 1996–2003, wobei die untersuchten Anleihen 45% des gesamten Anleihemarktes in Deutschland abdeckten); Steiner/Heinke, 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 145 (Anleihen am deutschen Anleihemarkt 1986–94); dies., ZfB 2000, 541, 551 (DM-Auslandsanleihen 1986–1994); Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 36 f. (EUR-Anleihen 1999–2004). 31 von Randow, ZBB 1995, 140, 149. 25
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt
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Ratingänderungen nachweisen konnten,32 ließe sich nach der genannten Theorie nämlich nur damit erklären, dass ratingbasierte Regelungen auch am deutschen Anleihemarkt in diesem Zeitraum entsprechende An- und Verkaufsvorgänge erzwungen hätten. Das deutsche Recht wies vor 2007 jedoch – wie bereits eingangs erwähnt33 und in den folgenden Kapiteln noch im Einzelnen auszuführen – noch keinerlei gesetzliche Vorschriften mit Ratingbezugnahmen auf,34 und es erscheint zumindest sehr zweifelhaft, ob die betreffenden Marktreaktionen allein durch vereinzelte untergesetzliche Ratingbezugnahmen, vertragliche „rating trigger“,35 private Anlagerichtlinien36 oder aber ausländische ratingbasierte Rechtsvorschriften verursacht werden konnten. Der Rechtsvergleich spricht vielmehr für die Annahme, dass Ratings unabhängig von der nationalen Marktumgebung ein originärer Informationswert zukommt und die Regulierungsfunktion des Ratings seine Marktinformationsfunktion lediglich ergänzt (sowie möglicherweise beeinflusst37), ohne diese jedoch zu verdrängen. b) Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) Die Reaktionen an den Märkten für Anleihen wurden in jüngerer Zeit durch empirische Untersuchungen am Markt für Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) bestätigt, die Auswirkungen von Ratingänderungen auf die Prämie nachweisen konnten, die am Markt für die Absicherung des Ausfalls von Anleiheschuldnern verlangt wird.38 Die betreffenden Marktanpassungen belegen ebenfalls den Informationswert von Ratings,39 vermögen den Zusammenhang zwischen Bonitätsbeurteilungen durch die Rating-Agenturen und der Markteinschätzung des Kreditrisikos aber noch präziser abzubilden als Kursänderungen, weil Anleihenkurse neben dem Kreditrisiko noch weitere Risikofaktoren inkorporieren,40 die durch ein Rating nicht ausgedrückt werden. Auch am Markt für Credit Default Swaps treten Reaktionen auf Ratingänderungen nicht nur bezüglich U.S.-amerikanischer, sondern ebenso europäischer und asiatischer Emittenten auf.41
32 So die Untersuchungen von Kaserer, ÖBA 1995, 263, 265; Nöth, KuK 1995, 535, 548; Steiner/ Heinke, 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 145; dies., ZfB 2000, 541, 551. 33 Siehe § 1 III 1 a). 34 Es bestanden zuvor vereinzelt schon aufsichtsrechtliche Ratingbezugnahmen auf untergesetzlicher Ebene, die aber ebenfalls erst ab dem Jahr 2000 (und damit nach dem oben genannten Zeitraum) geschaffen wurden; siehe dazu überblicksartig § 17 I 1. 35 Siehe § 15. 36 Siehe § 12 III. 37 Siehe zu Wechselwirkungen zwischen beiden Funktionen noch § 17 II 2. 38 Hull/Predescu/White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2802 f.; Norden/Weber, 28 J. Banking Finance (2004), 2813, 2825 f. 39 Hull/Predescu/White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2802 f. 40 Cantor, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2565, 2570. 41 Norden/Weber, 28 J. Banking Finance (2004), 2813, 2825 f.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
c) Aktienkurse Schließlich sind Kursreaktionen auf Ratingänderungen in einer Vielzahl von Untersuchungen auch am Aktienmarkt nachgewiesen worden: Die Herabstufung des Anleiheratings eines Emittenten hatte danach ein Absinken der Aktienkurse des betreffenden Unternehmens zur Folge, während Ratingheraufstufungen regelmäßig42 zu steigenden Aktienkursen führten.43 Entsprechende Änderungen der Aktienkurse wurden wiederum vor allem bei Aktien nachgewiesen, die an den U.S.-amerikanischen Börsen notiert sind, traten aber gleichermaßen auch bei Aktien an deutschen Börsen auf.44 Die beschriebenen Marktreaktionen überraschen gleich in mehrerer Hinsicht: So ist zunächst nicht ersichtlich, welchen unmittelbaren Informationswert die Bonitätsbeurteilung der Fremdkapitalverbindlichkeiten eines Unternehmens für dessen Aktionäre besitzen soll, haben diese doch – im Gegensatz zu Anleiheinhabern – weder Zins- noch Kapitalrückzahlungen zu erwarten. Die Beurteilung des Kreditrisikos durch Rating-Agenturen ist daher für Aktionäre jedenfalls im Ausgangspunkt nicht von Interesse. Erblickt man in einem Rating hingegen über seinen originären Aussagegehalt hinaus eine Information zu den Zukunftsaussichten des Unternehmens,45 so leuchtet nicht ein, warum eine Ratingherabstufung fast durchgehend zu einem Sinken des Aktienkurses führt,46 sich der Marktpreis der Aktien also parallel zu demjenigen der Anleihen desselben Unternehmens entwickelt: Diese Parallelität liegt aus ökonomischer Sicht nicht ohne weiteres nahe, weil für Eigenkapitalgeber (Aktionäre) sehr wohl gut sein kann, was für
42 Die Kursreaktionen auf Heraufstufungen blieben in ihrem Umfang allerdings vielfach hinter den Reaktionen bei Herabstufungen zurück; siehe zu diesem allgemeinen Phänomen noch unten II 2 b). 43 Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 106; Cornell/Landsman/Shapiro, 4 J. Acc. Aud. & Fin. (1989), 460, 479; Dichev/Piotroski, 56 J. Fin. (2001), 173, 202; Followill/Martell, 21 J. Econ. & Fin. (Summer 1997), 75, 81 (für review announcements); Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2003 f.; dies., 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 101, 111; Glascock/Davidson/Henderson, 26 Q. J. Bus. & Econ. (Summer 1987), 67, 77; Griffin/Sanvincente, 37 J. Fin. (1982), 103, 118; Hand/Holthausen/Leftwich, 47 J. Fin. (1992), 733, 734; Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 84 f.; Jorion/Liu/Shi, 76 J. Fin. Econ. (2005), 309, 320 f.; Matolcsy/Lianto, 19 J. Banking & Fin. (1995), 891, 900 f. (nur für Downgrades); May, 34 J. Banking & Fin. (2010), 2822, 2835; Nayar/Rozeff, 49 J. Fin. (1994), 1431, 1447; Poddig/Fieberg/Frädrich/Grigat/Moys, ZBB 2013, 60, 66; Wansley/Clauretie, 8 J. Fin. Res. (1985), 31, 40; Zaima/McCarthy, 23 Fin. Rev. (1988), 483, 497. Keine Kursreaktionen am Aktienmarkt wurden hingegen festgestellt durch Pinches/Singleton, 33 J. Fin. (1978), 29, 42 (Aktienkursanpassungen erfolgten bereits 15–18 Monate vor Ratingänderungen); Slovin/Sushka/Hudson, 7 J. Int’l Money & Fin. (1988), 289, 300 (bei veränderten Ratings von Schuldverschreibungen mit kurzer Laufzeit (Commercial Paper)) – vgl. hierzu aber die Methodenkritik durch Nayar/Rozeff, 49 J. Fin. (1994), 1431, 1441 mit Fn. 14. 44 Beckert, Ratings und Aktienkurse: Das Zusammenspiel von Anleiheratings und Aktienkursen, S. 7 ff. 45 So Nayar/Rozeff, 49 J. Fin. (1994), 1431. 46 Empirische Untersuchungen, die in Reaktion auf Ratingverschlechterungen steigende Aktienkurse nachweisen konnten, sind vereinzelt geblieben; vgl. aber Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879, 2881.
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt
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Fremdkapitalgeber (Anleiheinhaber) schlecht ist.47 In der modernen Finanzierungstheorie wird sogar davon ausgegangen, dass eine Änderung der Unternehmensbonität typischerweise zu einem Vermögenstransfer von Anleiheinhabern zu Aktionären (bzw. umgekehrt) führt und sich Anleihe- und Aktienkurs daher in entgegengesetzte Richtungen entwickeln müssten, weil das Eingehen größerer Risiken (wie etwa durch eine Erhöhung der leverage des Unternehmens, also des Verhältnisses von Eigen- zu Fremdkapital48) nur den Aktionären nützt, die von einem größeren Gewinn profitieren, wohingegen die Anleiheinhaber allein am Risikozuwachs teilnehmen.49 Eine Ratingherabstufung, die ein sinkendes Kreditrisiko signalisiert, sollte danach regelmäßig zu einem sinkenden Aktienkurs führen, denn „good news for bondholders is actually bad news for stockholders“.50 Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn die Ratingänderung eine Veränderung des Unternehmenswertes signalisiert, weil diese Information das Interesse von Aktionären wie Anleiheinhabern in gleicher Weise betrifft.51 Die vorstehend beschriebene Hypothese haben Goh und Ederington empirisch zu testen versucht: Sie untersuchten die Auswirkungen von 428 Ratingänderungen aus den Jahren 1984–86 auf die Aktienkurse des emittierenden Unternehmens und differenzierten dabei nach den Gründen für die jeweilige Ratingänderung, welche die Rating-Agentur Moody’s gemeinsam mit dem Rating veröffentlicht hatte.52 Die gefundenen Ergebnisse bestätigten die Ausgangshypothese nur zum Teil: Ratinganpassungen, zu deren Begründung auf eine Veränderung der finanziellen Aussichten oder der Leistungsfähigkeit des Emittenten verwiesen wurde, führten zwar erwartungsgemäß zu fallenden Aktienkursen (weil diese Entwicklung für Fremd- wie Eigenkapitalgeber gleichermaßen negativ ist). Dagegen hätten Ratingherabstufungen, die aufgrund einer Veränderung in der leverage des Unternehmens vorgenommen wurde, eigentlich zu steigenden Aktienkursen führen müssen, weil eine größere leverage für Anleiheinhaber zwar negativ, für Aktionäre jedoch positiv ist. Diese erwartete Marktreaktion trat jedoch nicht ein; die Aktienkurse blieben vielmehr unverändert.53
Die Erklärung der beschriebenen Kursreaktionen am Aktienmarkt fällt nicht leicht; auf Grundlage der neoklassischen ökonomischen Theorie und ihrer An47 Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 104: „Any reduction in bond value is wealth expropriated from bondholders to stockholders“; Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001; Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 66; Merkt, RabelsZ 64 (2000), 517, 532. 48 Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2003 f. 49 So namentlich das ökonomische option pricing model (vgl. Galai/Masulis, 3 J. Fin. Econ. (1976), 53 ff.); Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 104; Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. (2001), 1165, 1166: „the interests of fixed claimants conflict with the interests of equity claimants whenever a firm makes a decision about how to allocate capital“; Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2002; Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879, 2893; Merkt, RabelsZ 64 (2000), 517, 532; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1806; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 413; Zaima/McCarthy, 23 Fin. Rev. (1988), 483 ff. 50 Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879, 2893. 51 Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 66. 52 Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001 ff. 53 Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2007.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
nahme informationseffizienter Finanzmärkte54 sind sie kaum begründbar. Nach hier vertretener Ansicht stellt die empirisch nachweisbare Beachtung von Ratingveröffentlichungen auch durch Eigenkapitalgeber ein erstes Anzeichen dafür dar, dass der Informationswert von Ratings an den Finanzmärkten maßgeblich auf ihrer Codierung beruht, welche die Aufnahme der Ratinginformation auch durch „reale“ Marktteilnehmer mit begrenzter Informationsaufnahmekapazität erst ermöglicht:55 Weil Ratings damit zu denjenigen (wenigen) Marktinformationen zählen, die für Anleiheinhaber wie auch Aktionäre unschwer aufnehm- und verarbeitbar sind, werden sie auch durch Aktionäre aufgenommen (für die sie im Grunde nicht bestimmt sind), während die begleitenden Ratingerläuterungen aufgrund ihrer mangelnden Codierung vermutlich unbeachtet bleiben.56 In den Marktreaktionen am Aktienmarkt zeichnet sich freilich bereits eine Schwierigkeit ab, die im Laufe der vorliegenden Untersuchung noch in anderen Zusammenhängen offenbar werden wird: Die aus Sicht der ökonomischen Theorie „unrichtige“ Reaktion der Aktionäre, die Ratingherabstufungen anscheinend als negative, Ratingheraufstufungen hingegen als positive Nachrichten verstehen, deutet auf die unzutreffende Einordnung des Ratings als „allgemeines Gütesiegel“57 hin, bei welcher der tatsächlich beschränkte Aussagegehalt des Ratings als bloße Bonitätsbeurteilung verkannt wird.58
2. Auffälligkeiten in den Marktreaktionen und Rückschlüsse auf den Informationswert des Ratings Die Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung beschränken sich jedoch nicht auf den allgemeinen Befund, dem zufolge Ratingveröffentlichungen durch die Marktteilnehmer ein Informationswert zugemessen wird. Sie konnten darüber hinaus vielmehr verschiedene Auffälligkeiten in den Marktreaktionen auf Ratings ermitteln, die als tatsächlicher Ausgangspunkt für eine theoretische Begründung der so erheblichen Bedeutung des Ratings als Marktinformation dienen können.
54
Siehe dazu noch unten III 1 a). Näher unten IV. 56 Dies könnte die durch Goh und Ederington ermittelten Marktreaktionen erklären, die anscheinend nicht nach dem mitgeteilten Grund der Ratingänderung differenzieren: Weil dieser Grund nicht in dem Ratingsymbol, sondern nur in den begleitenden schriftlichen Erläuterungen zur Ratinganpassung kommuniziert wurde, mag er durch die Aktionäre am Markt schlicht nicht aufgenommen worden sein. 57 Dieses Missverständnis findet sich gelegentlich auch im ökonomischen Schrifttum; so etwa bei Meixner, Aktienmärkte und Rolle der Rating-Agenturen, S. 304. Siehe bereits § 2 I 1 c). 58 Siehe hierzu noch § 17 III 1. 55
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt
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a) Marktanpassungen bereits vor Ratingänderungen – Irrelevanz für Informationswert und „through the business cycle“-Methode der Rating-Agenturen Eine erste Beobachtung, die erstmals bereits in den 1930er Jahren59 und seitdem in einer Reihe von Ereignisstudien60 gemacht wurde, bezieht sich auf den Umstand, dass eine Änderung der Marktpreise teilweise nicht nur nach Veröffentlichung des Ratings erfolgt, sondern bereits vor diesem Zeitpunkt einsetzt. Da letztere Kursbewegungen nicht kausal durch die (spätere) Ratingpublikation verursacht worden sein können, ist hieraus vereinzelt geschlossen worden, Ratings könne kein Informationswert zukommen, weil der Markt die Ratinganpassungen vorwegnehme und die Rating-Agenturen dem Markt lediglich folgen.61 Dieser Schluss vermag jedoch aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen. So taugt er schon logisch nicht zur Widerlegung der Informationswertthese, denn das Einsetzen von Marktbewegungen vor einer Ratingveröffentlichung ändert nichts an dem sie stützenden Befund, dass Ratingveröffentlichungen selbst nachweisbar zu statistisch relevanten Marktreaktionen führen: Dass der Markt bereits zuvor auf andere bonitätsrelevante Informationen reagiert hat, schließt in keiner Weise aus, dass er später (und stärker) auf Ratings reagiert.62 Darüber hinaus übersieht die hier kritisierte Literaturauffassung, dass die „verzögerte“ Anpassung ihrer Bonitätsbeurteilungen durch die Rating-Agenturen mit einem methodischen Grundansatz erklärbar ist, den alle großen Agenturen verwenden, nämlich der sog. „through the business cycle“-Methode:63 Danach passen die RatingAgenturen ihre veröffentlichten Ratings erklärtermaßen erst an, wenn sie zuversichtlich sind, dass die beurteilte Zahlungsfähigkeit sich dauerhaft geändert hat (und nicht aufgrund zyklischer Umstände lediglich vorübergehend schwankt), wodurch sich zwangsläufig eine Verzögerung der Ratinganpassungen im Vergleich zu den Marktpreisen ergibt, die jede Bonitätsschwankung sogleich abbilden, sich daher aber ständig ändern.64 Ratings stellen sich folglich nicht etwa als 59 Vgl. Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 89: „… a rating policy which in turn has a tendency to follow the market, although often after a substantial lapse of time …“. 60 Goh/Ederington, 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 101, 106; Hettenhouse/Sartoris, 16 Q. Rev. Econ. & Bus. (1976), 65, 78; Hite/Warga, Fin. Analysts J. (May/June 1997), 35, 37; Hull/Predescu/ White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2800; Kaplan/Urwitz, 52 J. Bus. (1979), 231 ff.; Norden/ Weber, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2813, 2837; Poddig/Fieberg/Frädrich/Grigat/Moys, ZBB 2013, 60, 65; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 44. 61 So namentlich Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 620; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65; ebenso Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 411; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 6. 62 Dies wird auch daran deutlich, dass zahlreiche der empirischen Untersuchungen, die Marktanpassungen bereits vor Ratingänderungen nachweisen, selbst zum Ergebnis gelangen, dass Ratings Informationswert besitzen. 63 Wie hier Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 72; Hull/Predescu/White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2800; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 106 f. 64 Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 3; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 106 f.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
„langsamer“ Bonitätsindikator dar, der die im Marktpreis abgebildeten Informationen lediglich nachvollzieht – es handelt sich aufgrund der „through the cycle“Methode vielmehr von vornherein um ein aliud. Markpreisanpassungen, die Ratingänderungen zeitlich vorausgehen, sprechen daher nicht gegen den Informationswert von Ratings. b) Stärkere Marktreaktionen bei Herabstufungen von Ratings als bei Heraufstufungen Eine weitere Auffälligkeit liegt darin, dass die Finanzmärkte auf Ratingherabstufungen erheblich stärker reagieren als auf Heraufstufungen, die Marktteilnehmer sich in ihrer Reaktion also asymmetrisch verhalten. Diese Erscheinung wurde in einer großen Anzahl empirischer Studien nachgewiesen.65 Ihre Erklärung ist bislang nicht überzeugend gelungen: Im ökonomischen Schrifttum wird als mögliche Begründung angeführt, dass Rating-Agenturen größere Ressourcen auf die Entdeckungen von negativen als von positiven Entwicklungen verwenden66 und – in der Stoßrichtung ähnlich – die Unternehmen ihrerseits gute Nachrichten früher und bereitwilliger veröffentlichen als schlechte,67 weshalb Anlässe für Ratingheraufstufungen am Markt bereits bekannt und in die Kurse eingepreist seien. Dieser Erklärungsansatz, der auf Grundlage der neoklassischen Markttheorie argumentiert, verkennt jedoch zum einen, dass eine besonders konzentrierte Beobachtung negativer Unternehmensentwicklungen durch die Rating-Agenturen nichts darüber aussagt, warum der Markt auf daraus resultierende Ratingänderungen stärker reagiert als auf gute Nachrichten. Zum anderen unterstellt er, dass Ratingherabstufungen deshalb Marktreaktionen hervorrufen, weil sie auf durch das Unternehmen noch nicht kommunizierten Informationen beruhen, die der Rating-Agentur im Gegensatz zum Markt gleichwohl bekannt sind – dies kann jedoch allenfalls auf beauftragte
65 Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 106; Dichev/Piotroski, 56 J. Fin. (2001), 173, 202; Ederington/Goh, 33 J. Fin. & Quant. Analysis (1998), 569, 572; Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2006 f.; dies., 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 101, 106; Griffin/Sanvincente, 37 J. Fin. (1982), 103, 118 (für Aktienkurse); Hand/Holthausen/Leftwich, 47 J. Fin. (1992), 733, 744 (für Anleihenwie Aktienkurse); Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 68 f.; Hull/Predescu/White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2802 f.; Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 340; Matolcsy/Lianto, 19 J. Banking & Fin. (1995), 891, 900 f.; May, 34 J. Banking & Fin. (2010), 2822, 2835 (nur für Änderungen von Aktien-, nicht auch für Anleihenkurse); Nayar/Rozeff, 49 J. Fin. (1994), 1431, 1443; Poddig/Fieberg/Frädrich/Grigat/Moys, ZBB 2013, 60, 65; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 554; dies., 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 145 f.; Stickel, 8 J. Acct. & Econ. (1986), 197 ff.; Wansley/Clauretie, 8 J. Fin. Res. (1985), 31, 41; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 48 ff.; Zaima/McCarthy, 23 Fin. Rev. (1988), 483, 497 (für Anleihen- wie Aktienkurse). 66 Ederington/Goh, 33 J. Fin. & Quant. Analysis (1998), 569, 584; Richter, WM 2008, 960, 963; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 555. 67 Ederington/Goh, 33 J. Fin. & Quant. Analysis (1998), 569, 584; Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 71; Matolcsy/Lianto, 19 J. Banking & Fin. (1995), 891, 901: „good news travels faster than bad news“; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 54.
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt
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Ratings zutreffen, aber der Markt reagiert (wie noch zu zeigen sein wird68) nachweisbar auch auf die Herabstufung unbeauftragter Ratings. Eine alternative Erklärung wird in der Regulierungsfunktion des Ratings gesehen, welche sich nur bei Herabstufungen auswirke, weil ratingbasierte Anlagevorschriften in diesem Fall zur (kurswirksamen) Veräußerung des herabgestuften Wertpapiers zwingen können, während ein spiegelbildlicher Zwang zum Kauf unbekannt ist.69 Die beschriebene Auswirkung ratingbasierter Rechtsregeln auf den Marktpreis von Anleihen erscheint durchaus naheliegend. Sie vermag die beobachteten Preisbewegungen aber allein nicht zu erklären, weil „asymmetrische“ Marktreaktionen auf Downgrades auch am deutschen Anleihemarkt in einem Zeitraum nachgewiesen wurden, zu dem Ratings in Deutschland jedenfalls gesetzlich noch gar nicht zu Regulierungszwecken eingesetzt wurden;70 zudem treten übermäßige Verkaufsreaktionen auch bei Aufnahme von Ratings in die Watchlist mit negativem Ausblick71 sowie am Aktienmarkt72 auf, obgleich diese Reaktionen durch ratingbasierte Rechtsregeln nicht verlangt werden.73 Es sprechen daher gute Gründe für die Annahme, dass zu den Auswirkungen der Regulierungsfunktion des Ratings noch „anomale“ Verhaltensmuster der Marktteilnehmer hinzutreten, wie sie in der Verhaltensökonomie (behavioral finance-Forschung) identifiziert wurden. Solche Verhaltensmuster bewirken eine Nutzung von Marktinformationen, die von dem rationalen Entscheidungsmodell der neoklassischen ökonomischen Theorie abweicht: So soll etwa ein Überreaktionseffekt (overreaction effect) im Verhalten von Anlegern eintreten können, wenn diese mit dramatischen und unerwarteten Nachrichten konfrontiert werden,74 was asymmetrisch-übertriebene Marktreaktionen auf Ratingherabstufungen erklären könnte.75 In dieselbe Richtung weisen auch Forschungsergebnisse der Psychologie, denen zufolge negative Nachrichten auf Menschen generell eine stärkere Wirkung ausüben als positive Neuigkeiten.76
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Unter d). Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 555; dies., 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 150. 70 So namentlich durch die vorstehend zitierten Untersuchungen von Steiner und Heinke, die jeweils Ratings deutscher Anleihen der Jahre 1986–94 betrafen. 71 Followill/Martell, 21 J. Econ. & Fin. (Summer 1997), 75, 81; Hull/Predescu/White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2802 f.; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 555; dies., 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 146. 72 Griffin/Sanvincente, 37 J. Fin. (1982), 103, 118; Hand/Holthausen/Leftwich, 47 J. Fin. (1992), 733, 744; Matolcsy/Lianto, 19 J. Banking & Fin. (1995), 891, 901; Zaima/McCarthy, 23 Fin. Rev. (1988), 483, 497. 73 So für negative Watchlist-Ankündigungen auch Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 557. 74 De Bondt/Thaler, 40 J. Fin. (1985), 793 ff.; auch Klöhn, Spekulation, S. 111 ff. 75 Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 53. 76 So etwa Baumeister/Bratslavsky/Finkenauer/Vohs, 5 Rev. Gen. Psychol. (2001), 323 ff. unter dem plastischen Titel „Bad Is Stronger Than Good“; aus dem juristischen Schrifttum Fleischer, in FS Priester (2007), S. 75, 86. 69
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
c) Besonders heftige Marktreaktionen bei Ratingänderungen an der „investment grade“-/„non-investment grade“-Schwelle Die empirisch nachgewiesenen Marktreaktionen auf Ratingänderungen zeichnen sich schließlich noch durch eine weitere Auffälligkeit aus: Kurs und Rendite von Anleihen wie auch Aktien ändern sich nämlich immer dann besonders stark, wenn eine Ratingänderung über die „investment grade“-/“non-investment grade“-Schwelle77 hinweg erfolgt, also bei einer Herabstufung von „BBB–“78/ „Baa3“79 auf „BB+“/„Ba1“ oder tiefer,80 aber auch bei einer gegenläufigen Heraufstufung in den „investment grade“-Bereich hinein.81 Die betreffenden Reaktionen des Marktes auf solche Ratingänderungen fallen durchgehend deutlich heftiger aus als bei anderen Änderungen, welche sich über dieselbe Anzahl von Ratingklassen erstrecken, aber den „investment grade“-Bereich nicht verlassen. Die Ratingskalen selbst bieten für diesen Unterschied keinen Anlass, unterteilen sie doch das Bonitätsspektrum erklärtermaßen in gleichmäßige Ratingklassen ein. Die beschriebenen Markteffekte an der „investment grade“-/„non-investment grade“-Schwelle wird man auf die Regulierungsfunktion des Ratings zurückführen können, weil dieser Schwelle – wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird – vor allem in ratingbasierten Anlagevorschriften für institutionelle Investoren eine besondere Bedeutung zukommt. Zurückgehend auf eine Regelung des U.S.amerikanischen Bankenrechts der 1930er Jahre82 schreiben heute nämlich eine Vielzahl gesetzlicher Vorschriften wie auch interner Anlagerichtlinien ein „investment grade“-Rating als Mindestvoraussetzung für den Erwerb und das Halten von Finanztiteln vor83 mit der Folge, dass diese bei einer Herabstufung in den „non-investment grade“-Bereich abgestoßen werden müssen – eine rechtliche Vorgabe, die einen plötzlichen Kursverfall bewirken kann.84 Daneben können ratingbasierte Anlagevorschriften aber auch zu einem übermäßigen Kursanstieg führen, weil eine Heraufstufung in das „investment grade“ ein Wertpapier einem
77 Zur Dichotomie von „investment grade“ und „non-investment grade“ sowie ihrem historischen Hintergrund siehe noch näher § 7 I 1 a) bb). 78 Standard & Poor’s, Fitch. 79 Moody’s. 80 Brister/Kennedy/Liu, 21 J. Bus. Fin. & Acct. (1994), 511, 521 f.: „uniquely large jump in yield premium per unit of default risk as ratings deteriorate from BBB to BB“; Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 106; Goh/Ederington, 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 101, 110; Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 84 f.; Johnson, 13 J. Fixed Income (2004), 25, 34 f.; May, 34 J. Banking & Fin. (2010), 2822, 2835 f.; Steiner/Heinke, 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 150; Wansley/Glascock/Clauretie, 19 J. Bus. Fin. & Acct. (1992), 733 ff. 81 Hite/Warga, Fin. Analysts J. (May/June 1997), 35, 43. 82 Siehe § 7 I 1 a). 83 Siehe § 17 IV. 84 Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 545. Die beschriebenen Markteffekte können zudem zur Folge haben, dass zu Regulierungszwecken zugelassene Rating-Agenturen mit einer Herabstufung unter die „investment grade“-Schwelle länger zögern als andere Agenturen, deren Ratings keine Regulierungsfunktion zukommt (so die empirischen Befunde bei Johnson, 13 J. Fixed Income (2004), 25, 34) – eine problematische Wechselwirkung, die in § 17 II 2 noch zu erörtern sein wird.
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt
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beträchtlichen Kreis regulierter Investoren zugänglich macht, der dieses zuvor nicht erwerben durfte85 – der verbreitete regulatorische Einsatz des „investment grade“ vermag daher beide beobachteten Markteffekte zu erklären. d) Marktreaktionen auch auf die Veröffentlichung unbeauftragter Ratings Schließlich wurde in Ereignisstudien nachgewiesen, dass der Markt nicht nur solchen Ratings einen Informationsgehalt zuspricht, die im Auftrag des Emittenten erstellt wurden, sondern dass die Veröffentlichung unbeauftragter (unsolicited) Ratings dieselben Marktreaktionen hervorruft.86 Von Bedeutung ist diese Erkenntnis für die theoretische Begründung des Informationsgehalts von Ratings,87 weil sie belegt, dass der Zugang der Rating-Agentur zu vertraulichen Emittenteninformationen nicht (oder jedenfalls nicht allein) der Grund für die Ratingrelevanz in den Augen der Marktteilnehmer sein kann,88 denn solche vertraulichen Angaben finden in unbeauftragte Ratings eben typischerweise keinen Eingang.
III. Theoretische Begründung auf der Grundlage informationsökonomischer Modellannahmen Die theoretische Begründung des Informationswertes von Ratings ist höchst umstritten. Ihre Klärung ist zum einen Voraussetzung für das Verständnis, woraus die empirisch nachgewiesene Bedeutung des Ratings als Marktinformation resultiert und wie die vorstehend beschriebenen Auffälligkeiten in den Marktreaktionen89 erklärbar sind. Zum anderen beeinflussen informationsökonomische Modellannahmen auch die Auslegung und Anwendung gesetzlicher Publizitätsvorschriften, vor deren Hintergrund (und, nicht selten, als deren Tatbestandsmerkmal) Ratings ihre Wirkung entfalten, und die im Fortgang der Arbeit noch zu untersuchen sein werden.90 Es ist an dieser Stelle zunächst auf die Begründungsansätze der neoklassischen91 und sodann der neoinstitutionalistischen ökonomischen Theorie92 einzugehen, bevor anschließend ein eigener Erklärungsansatz vorgestellt wird.93
85 86 87 88 89 90 91 92 93
Dies übersehen Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 545. Behr/Güttler, 32 J. Banking & Fin. (2008), 587, 598; Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 106. Dazu sogleich unter III., IV. Hierzu noch unter III 1 a) cc) (1). Oben unter II 2. Siehe zusammenfassend § 17 I 3 b). Sogleich unter 1. Unter 2. Dazu IV.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
1. Neoklassische Theorie: Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und Rationalmodell Ausgangspunkt sind die informationsökonomischen Modellannahmen der neoklassischen ökonomischen Theorie in Gestalt der Hypothese des effizienten Kapitalmarktes (Efficient Capital Market Hypothesis) sowie des Rationalmodells. Die Efficient Capital Market Hypothesis (häufig auch knapper als Efficient Market Hypothesis bezeichnet) ist in ihren drei theoretischen Grundformen (schwach, halbstreng und streng)94 schon häufig im deutschsprachigen juristischen Schrifttum dargestellt worden;95 sie soll an dieser Stelle nicht nochmals in ihren Einzelheiten präsentiert werden. Entscheidend ist, dass diese Theorie in ihrer halbstrengen Form eine informationelle Effizienz des Kapitalmarktes unterstellt,96 aufgrund derer sämtliche öffentlich bekannten Informationen umgehend in den aktuellen Marktpreis eingehen, Marktteilnehmer also allein aufgrund solcher Informationen den Markt nicht schlagen können.97 In der ökonomischen Literatur wird für entwickelte Kapitalmärkte überwiegend von der Belegbarkeit der halbstrengen Informationseffizienz ausgegangen.98 Das „Rationalmodell“ der neoklassischen rational choice-Theorie nimmt demgegenüber nicht den Markt, sondern das Individuum in den Blick99 und kann insoweit als theoretischer Unterbau der Informationseffizienzhypothese in ihrer halbstrengen Form betrachtet werden.100 Es geht dabei in seinen einzelnen, hier nicht aufzufächernden Spielarten101 von dem Modell des rationalen, nutzenmaximierenden homo oeconomicus aus,102 der seine Entscheidungen nach Auswertung 94
Grundlegend Fama, 25 J. Fin. (1970), 383 ff. Vgl. etwa Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 129 f.; Sauer, Haftung für Falschinformation, S. 127 ff.; Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, S. 91 ff. 96 Vgl. zur Abgrenzung der informationellen Effizienz von der ebenfalls unterstellten fundamentalen Effizienz, der Allokationseffizienz und der institutionellen Effizienz überblicksartig Klöhn, Spekulation, S. 60. 97 Statt vieler Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. (1984), 549, 557 f.; Langevoort, 140 U. Pa. L. Rev. (1992), 851. 98 Restatement (Third) of Trusts (Prudent Investor Rule), § 227 General Note on Comments e through h: U.S.-amerikanischer Kapitalmarkt als „highly efficient“; Craft, 14 DePaul Bus. L.J. (2001), 119, 128; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 1 Rn. 28; Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, S. 97 f., 100 f.; Sester, ZGR 2009, 310, 328. Für Anleihemärkte wird dies teilweise skeptischer gesehen (vgl. Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 17.8.2012, 888 F.Supp.2d 431, 473 (S.D.N.Y. 2012): „Rated notes do not trade in an efficient market like shares of publicly-traded stock“; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2004, 1, 19; Steiner/ Heinke, ZfB 2000, 541, 543: „zwar in hohem Maße, aber nicht vollständig effizient“); für den Markt für strukturierte Finanzinstrumente ebenfalls zurückhaltend Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 656. Generell a.A. D. Schneider, DB 1993, 1429, 1432 ff. 99 Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S. 12. 100 Avgouleas, ECFR 2009, 440, 443; Klöhn, Spekulation, S. 89. 101 Siehe zu diesen die überblicksartige Darstellung bei Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. (2000), 1051, 1060 ff. 102 Die klassische Formel von Brunner/Meckling, 3 J. Money, Credit & Banking (1977), 70, 71 umschreibt diesen als „resourceful, evaluating, maximizing man“ (REMM). 95
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sämtlicher relevanter Informationen trifft und zu diesem Zweck über eine unbegrenzte Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität verfügt.103 Das Rationalmodell wird im Schrifttum verbreitet als präziseste theoretische Vorhersage menschlichen Verhaltens gesehen.104 Die Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und das Rationalmodell spielen allerdings nicht nur für die informationsökonomische Erklärung des Informationswerts von Ratings am Kapitalmarkt eine Rolle, auf die sogleich einzugehen ist, sondern bilden darüber hinaus auch die theoretische Grundlage zahlreicher gesetzlicher Publizitätsregelungen. Ihre insoweit bestehende Bedeutung für das Informationsmodell der modernen Finanzmarktregulierung wird noch gesondert zu thematisieren sein.105
a) Informationsökonomische Begründung der empirischen Marktreaktionen auf Ratings bei informationseffizientem Kapitalmarkt Eine verbreitete Ansicht im ökonomischen und juristischen Schrifttum geht davon aus, dass Ratings an informationseffizienten Kapitalmärkten keinerlei Informationswert zukomme106 und sich die nachgewiesenen Marktreaktionen allein auf die Regulierungsfunktion des Ratings zurückführen lassen.107 Wie zu zeigen sein wird,108 kann dieser theoretische Erklärungsansatz jedoch letztlich nicht überzeugen. aa) Fehlender Informationswert von Ratings am informationseffizienten Kapitalmarkt? Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung, dass Informationsintermediäre an einem informationseffizienten Kapitalmarkt (mit halbstrenger Effizienz) keine Existenzberechtigung besitzen, weil alle zugänglichen Informationen ja ohne weiteres in den aktuellen Marktpreis einfließen und darin abgebildet werden.109 103 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 38 Fn. 51; Paredes, 81 Wash. U. L. Q. (2003), 417, 434: „The starting point for analyzing how people behave and think […] is rationality – the assumption that individuals are able to anticipate and consider all relevant factors in making choices and that they have unlimited computational capabilities“; Simon, 69 Q. J. Econ. (1955), 99: „This man is assumed to have knowledge of the relevant aspects of his environment which, if not absolutely complete, is at least impressively clear and voluminous. He is assumed also to have a well-organized and stable system of preferences, and a skill in computation that enables him to calculate, for the alternative courses of action that are available to him, which of these will permit him to reach the highest attainable point on his preference scale.“ 104 So etwa Coffee, 70 Va. L. Rev. (1984), 717, 719; Eidenmüller, JZ 1999, 53, 55; ders., JZ 2005, 216, 218; Posner, 50 Stan. L. Rev. (1998), 1551 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 64 f. 105 Siehe im Text unter b). 106 Dazu unter aa). 107 Dazu unter bb). 108 Dazu unter cc). 109 Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 659, 665; Horsch, Rating und Regulierung, S. 94 f.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 414; Wappenschmidt, Ratinganalyse, S. 21.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
Auch durch Rating-Agenturen erstellte Ratings könne daher kein Informationswert zukommen;110 diese vollzögen vielmehr nur bereits am Markt bekannte Informationen nach („ratings changes lag the market“).111 bb) „Regulatory license theory“ (Partnoy): Regulierungsfunktion des Ratings als alleiniger Grund für Marktreaktionen am informationseffizienten Kapitalmarkt Eine mögliche Erklärung für die gleichwohl nachweisbare Bedeutung des Ratings an den Kapitalmärkten versucht sodann die von dem U.S.-amerikanischen Autor Partnoy entwickelte sog. „regulatory license theory“,112 die im internationalen Schrifttum erhebliche Gefolgschaft gefunden hat113 und oben im Text114 bereits angesprochen wurde. Partnoy meint, das Paradoxon der höchst einflussreichen Rating-Agenturen, deren Ratings aber kein Informationswert zukomme, erkläre sich durch die vielen rechtlichen Inbezugnahmen von Ratings: Ratings seien nicht deshalb für Kapitalmarktteilnehmer wertvoll, weil sie zutreffend und verlässlich sind, sondern weil sie die mit regulatorischen Vorgaben verbundenen Kosten senken.115 Zu Regulierungszwecken anerkannte Rating-Agenturen besäßen folglich eine „regulatorische Lizenz“; deren ursprüngliche Marktinformationsfunktion werde heute ganz durch ihre Regulierungsfunktion verdrängt.116 cc) Kritik Der obige theoretische Erklärungsansatz für die nachgewiesenen Marktreaktionen auf Ratingänderungen überzeugt nicht, und zwar in keinem seiner beiden argumentativen Bestandteile.
110 Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 659; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 662; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 414; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 543; Wappenschmidt, Ratinganalyse, S. 21; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 6; Weinstein, 5 J. Fin. Econ. (1977), 329, 331. 111 Siehe dazu bereits oben in I 2 a). 112 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 681 ff.; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 66 ff.; auch Flannery/Houston/Partnoy, 158 U. Pa. L. Rev. (2010), 2085, 2090. 113 Bonewitz, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 391, 400 ff.; Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 167; Darbellay, Regulating Ratings, S. 22; Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1695 f.; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 342 Fn. 4; Portes, Rating agency reform, S. 145 f.; Steiner/ Heinke, ZfB 2000, 541, 545; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 106; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 5; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 50; Wilmarth, U. Ill. L. Rev. 2002, 215, 469 f. 114 Unter II 1 a). 115 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 681; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 66; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 50. 116 Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 66: „Put simply, credit ratings are important because regulations say they are.“
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(1) Verarbeitung vertraulicher Emittenteninformationen im Rating als (teilweise) Erklärung des Informationswerts selbst an informationseffizienten Märkten So geht die informationstheoretische Ausgangsthese, Ratings könne an informationseffizienten Märkten kein originärer Informationswert zukommen, schon dann fehl, wenn man – wie bei der Beschreibung bestehender Kapitalmärkte ganz herrschend – das Modell einer halbstrengen Informationseffizienz zugrunde legt: Da nach deren Annahme nämlich (nur) öffentlich zugängliche Informationen sogleich in den Marktpreis einfließen, stellen Äußerungen von Informationsintermediären dann neue (und daher marktpreisbeeinflussende) Informationen dar, wenn diese nicht-öffentliche Informationen an den Markt geben. Dies ist bei den Rating-Agenturen – in entscheidendem Unterschied zu sonstigen Informationsintermediären – deshalb der Fall, weil sie bei Erstellung beauftragter Ratings mit der Unternehmensleitung des betroffenen Emittenten in einen Dialog eintreten, in dessen Verlauf den Rating-Agenturen typischerweise detaillierter Einblick in vertrauliche Unternehmensdetails (wie Informationen zu den einzelnen Bilanzund GuV-Positionen, dem aktuellen Geschäftsverlauf, Einzelheiten der Unternehmensstrategie, der Finanzplanung und künftigen Projekten) gewährt wird, die das Unternehmen weder gegenüber der Marktöffentlichkeit noch einzelnen Investoren offenlegen würde.117 Im Schrifttum wird insofern konstatiert, dass die Vertreter einer Rating-Agentur, die das zu bewertende Unternehmen analysieren und das Gespräch mit dem Management und einzelnen Spezialisten führen, „danach meist ein größeres Insiderwissen haben als ein durchschnittliches Aufsichtsratsmitglied“.118 Dem Unternehmen eröffnet dieses Verfahren die Möglichkeit, die Bonitätsbeurteilung in seinem Sinne zu beeinflussen und zugleich über das erteilte Rating mittelbar vertrauliche Informationen an den Markt zu signalisieren, die es als solche nicht öffentlich bekannt geben möchte.119 Es ist diese Eigenschaft (nämlich die inhärente Kommunikation ansonsten nicht zugänglicher Emittenteninformationen), aufgrund derer Ratings auch unter Zugrundelegung der Efficient Markt Hypothesis an einem halbstreng-informationseffizienten
117 KG, 24.8.1995, NJW-RR 1996, 1060, 1062: „Die noch wesentlich weiterreichenden Angaben über Positionen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sowie über den aktuellen Geschäftsverlauf, die von internationalen Rating-Agenturen als Grundlage für ihre Bonitätsbewertung gefordert werden …“; Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 181 (S.D.N.Y. 2009): „… the Rating Agencies’ access to non-public information that even sophisticated investors cannot obtain“; Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 85; Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 104; Franken/Heinsius, in FS Budde (1995), 213, 221; Kliger/ Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 242; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 634; Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 290; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 79. 118 Däubler, BB 2003, 429, 431. 119 Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2002; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 419; Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
Markt ein Informationswert zukommen kann120 – ein Ergebnis, das durch Befunde der empirischen Kapitalmarktforschung gestützt wird.121 Der privilegierte Zugang zu Unternehmensinformationen, der Rating-Agenturen durch die Emittenten freiwillig (d.h. aus Eigeninteresse) gewährt wird,122 wirft allerdings Fragen nach der informationellen Gleichbehandlung der Marktteilnehmer auf. Der U.S.-amerikanische Gesetzgeber reagierte hierauf im Jahre 2000 mit dem Erlass der Regulation FD, welche Emittenten im Grundsatz jede privilegierte Weitergabe vertraulicher Unternehmensinformationen verbietet, die Rating-Agenturen hiervon jedoch – als einzige Informationsintermediäre, anders als etwa Finanzanalysten – ausnimmt.123 Ihr damit nunmehr exklusives Informationsprivileg hatte zur Folge, dass sich die Marktreaktionen auf Ratingänderungen am U.S.-amerikanischen Kapitalmarkt nachweisbar erheblich verstärkten, weil jetzt allein Rating-Agenturen nicht-öffentliche Emittenteninformationen an den Markt kommunizierten;124 der Informationswert von Ratings hatte daher in den U.S.A. deutlich zugenommen.125
Die Verarbeitung nicht öffentlich bekannter Informationen durch die RatingAgenturen vermag die Marktreaktionen auf Ratings allerdings nicht vollständig zu erklären, weil diese sich nur bei beauftragten Ratings (und dem damit einhergehenden privilegierten Zugang zum Emittenten) niederschlägt: Die im Text dargestellten empirischen Befunde126 belegen jedoch, dass der Markt auch auf unbeauftragte Ratings gleichermaßen reagiert, obgleich diese regelmäßig allein auf Grundlage ohnehin öffentlich zugänglicher Informationen erstellt wurden.127 Nach den Annahmen der neoklassischen Informationsökonomik dürfte unbeauftragten Ratings daher keinerlei Informationswert zukommen.128 120 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 6; Everling, Die Bank 1991, 308, 314: „besondere Informationsqualität“; Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 661; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 275; Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50, 54; Moloney, EC Securities Regulation, S. 713; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 543; van Aubel, Anleiherating und Bonitätsrisiko, S. 64. Dies gesteht auch Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 634 Fn. 63 zu. 121 Berger/Davies/Flannery, 32 J. Money, Credit & Banking (2000), 641, 666; Ederington/Yawitz/Roberts, 10 J. Fin. Res. (1987), 211, 223. 122 Vgl. Franken/Heinsius, in FS Budde (1995), S. 213, 221: „bemerkenswert, dass die RatingAgenturen über keinerlei Rechtsanspruch auf diese Informationen verfügen, aufgrund ihrer Marktposition jedoch auch sensible Informationen erhalten“. 123 Siehe zur Regulation FD noch näher in § 11 III 3 (dort auch zur Haltung der übrigen Rechtsordnungen zu dieser Sachfrage). 124 So die Ergebnisse der empirischen Untersuchung von Jorion/Liu/Shi, 76 J. Fin. Econ. (2005), 309, 313. 125 Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 243; Richter, WM 2008, 960, 963; Zhang, 25 QLR (2007), 573, 588 Fn. 136. 126 Oben II 2 d). 127 Dies kann anders sein, wenn die Rating-Agentur dem Emittenten gleichwohl eine Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und der Emittent daraufhin im selben Umfang vertrauliche Informationen zugänglich macht, wie er dies gegenüber einer von ihm selbst ausgesuchten Agentur getan hätte; vgl. Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 311 f. 128 Behr/Güttler, 32 J. Banking & Fin. (2008), 587, 588 f.; Lerch, BKR 2010, 402, 404; Byoun/ Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 104.
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Der Markteinfluss auch unbeauftragter Ratings wurde im viel beachteten Fall Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s129 deutlich: Im September 1993 beabsichtigte der im U.S.-Staat Colorado gelegene Schuldistrikt Jefferson County School District No. R-1, eine Refinanzierungsanleihe im Nennwert von USD 110 325 000,00 am U.S.amerikanischen Kapitalmarkt zu platzieren. Der Schuldistrikt beauftragte Standard & Poor’s und Fitch mit der Erstellung von Ratings für die Anleihe, nicht aber Moody’s, obgleich letztere Rating-Agentur in der Vergangenheit ebenfalls beauftragte Ratings für Emissionen des Schuldistrikts erstellt hatte. Nachdem die Anleihe am Tag ihres Erstangebots binnen kurzer Zeit bereits fast vollständig gezeichnet worden war, kündigte Moody’s über seine „Rating News“ ein ausdrücklich als unsolicited gekennzeichnetes negatives Rating des Emittenten an. Kurz darauf blieben jegliche weiteren Kaufangebote aus und mehrere bestehende Angebote wurden storniert, sodass der Emittent gezwungen war, die Verzinsung der Anleihe zu erhöhen, um diese trotz des durch Moody’s angekündigten unbeauftragten Ratings platzieren zu können.
Der vorstehende Fall ist deshalb bemerkenswert, weil der Markt darin auf ein unbeauftragtes Rating reagierte, obwohl für dieselbe Emission zwei beauftragte (d.h. unter Zugang zu vertraulichen Emittenteninformationen erstellte) Ratings vorlagen, die eine positivere Bonitätsbeurteilung ausdrückten: Dies beweist, dass die Investoren dem unbeauftragten Rating einen originären Informationswert zumessen,130 den es an einem informationseffizienten Kapitalmarkt nicht besitzen dürfte. Damit steht zugleich fest, dass die tradierte neoklassische Informationsökonomik keine schlüssige theoretische Begründung für den Informationswert von Ratings bieten kann.131 (2) Fehlende Erklärbarkeit der Marktreaktionen allein durch Regulierungsfunktion des Ratings Der Erklärungsansatz der „regulatory license theory“,132 der die Begründung des Markteinflusses der Rating-Agenturen allein in ihrer Regulierungsfunktion sieht, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen.133 Gegen ihn spricht vor allem der Umstand, dass Marktreaktionen auf Ratings empirisch auch in solchen Staaten nachgewiesen wurden, in denen die rechtliche Indienstnahme von Ratings zu je-
129 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.4.1997, 988 F.Supp 1341, 1344 (D.Colo. 1997); aff’d. 4.5.1999, 175 F.3d. 848 ff. (10th Cir. 1999). 130 Eine gelegentlich vorgeschlagene Erklärung für den Informationswert unbeauftragter Ratings, der zufolge diese signalisieren, dass Emittenten mit schlechter Bonität deshalb keine RatingAgentur beauftragt haben, um die Veröffentlichung eines schlechten Ratings zu vermeiden (Ellis, 7. J. Fixed Income (1998), 35, 40 f.; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 637), scheidet daher aus. 131 Siehe daher zu Erklärungsansätzen der neoinstitutionalistischen Ökonomie unter 2., bevor unter IV. ein eigener Erklärungsansatz präsentiert wird. 132 Oben III 1 a) bb). 133 Wie hier Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 65: „Partnoy overstates the case“; Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 24; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 225; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 633; Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 36.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
nem Zeitpunkt (wie etwa am deutschen Anleihemarkt der 1980er und 1990er Jahre) kaum vorkam;134 die dort verzeichneten Marktpreisänderungen können also nicht durch regulatorische Ratingverwendungen verursacht worden sein. Das damalige Fehlen gesetzlicher Ratingbezugnahmen im deutschen Recht schließt freilich nicht völlig aus, dass sich die Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen auf anderem Wege doch am deutschen Finanzmarkt auswirken konnte: So ist zum einen denkbar, dass Anleihenverkäufe und dadurch verursachte Kursbewegungen schon in den 1980er und 1990er Jahren auf „rating trigger“ in privaten Verträgen135 und internen Anlagerichtlinien institutioneller Investoren136 zurückgingen (empirische Erkenntnisse hierzu liegen für diesen Zeitraum nicht vor). Zum anderen bestanden ratingbasierte Regulierungen gesetzlicher und vertraglicher Art in anderen Rechtsordnungen, die folglich das Investitionsund Deinvestitionsverhalten ausländischer Akteure am deutschen Anleihemarkt gesteuert haben mögen – auch dies ist freilich nicht mehr als eine Vermutung.
Auch an denjenigen Finanzmärkten, an denen ratingbasierte Rechtsregeln nachweislich eingreifen, vermag die Regulierungsfunktion von Ratings zudem jedoch weder zu erklären, warum Emittenten ihre Anleihen üblicherweise nicht lediglich durch eine, sondern durch zwei oder mehr Rating-Agenturen bewerten lassen,137 während nach den meisten rechtlichen Ratingbezugnahmen ein Rating genügt,138 noch warum sie auch Ratings im „non-investment grade“-Bereich veröffentlichen lassen, stellt sich ein regulatorischer Vorteil doch typischerweise erst ab dem „investment grade“ ein.139 Schließlich weist der Markt der Rating-Agenturen traditionell auch solche Agenturen auf, die nicht für regulatorische Zwecke anerkannt sind und daher keine Regulierungsfunktion besitzen – der Wert ihrer Ratings für die Marktteilnehmer ist daher nicht mit einer „regulatorischen Lizenz“ begründbar.140 Allerdings liegt nahe, dass die Regulierungsfunktion des Ratings die Marktreaktionen mit beeinflusst (wenn auch nicht allein bewirkt). Die regulatorische Verwendung von Ratings kann insbesondere die übermäßig starken Marktpreisänderungen bei Überschreiten der Schwelle vom „investment grade“ zum „non-investment grade“141 erklären, die durch den informationellen Gehalt der Ratingänderung nicht begründbar ist, weil diese Schwelle in rechtlichen Vorschriften besonders häufig Verwendung findet.142 Es ist daher von einem Zusammenwirken von Regulierungs- und Marktinformationsfunktion auszugehen,143 134
Oben II 1 a). Siehe § 15. 136 Siehe § 12 III. 137 Vgl. zu der „Zwei-plus-Ratings“-Usance an den Anleihemärkten noch näher § 20 II 2 b) bb) (2). 138 Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 66; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 634. 139 Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 67. 140 Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 225. 141 Oben II 2 c). 142 Siehe noch § 17 IV. 143 So auch Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1697. 135
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wobei noch offen ist, wie der die Marktinformationsfunktion ausfüllende Informationswert von Ratings informationsökonomisch zu untermauern ist.144 b) Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und Rationalmodell als Grundlagen geltender gesetzlicher Publizitätsregelungen Die beschriebenen Modelle der neoklassischen ökonomischen Theorie – das Modell des informationseffizienten Kapitalmarktes und die Vorstellung des homo oeconomicus als typisierten Marktteilnehmers – vermögen nach alledem den Informationswert von Ratings und die Bedeutung der Rating-Agenturen an den Finanzmärkten nicht überzeugend zu erklären. Für den Fortgang der Untersuchung kommt diesem Befund noch aus einem weiteren Grund Bedeutung zu, weil die genannten informationsökonomischen Modelle nämlich – ausgesprochen oder unausgesprochenen – zahlreichen der geltenden gesetzlichen Publizitätsregelungen zugrunde liegen, deren Zusammenspiel mit Ratingveröffentlichungen zu erörtern sein wird:145 Ratings als Form der privaten Marktpublizität wirken an den Finanzmärkten nicht isoliert, sondern vor dem Hintergrund und im Wechselspiel mit der gesetzlich vorgeschriebenen Publizität. Als Ausgangspunkt mag daran erinnert werden, dass jeder Regelsetzer von einem bestimmten Bild der Akteure ausgehen muss, deren Verhalten von einer zu schaffenden Regelung gesteuert werden soll.146 Dies gilt für die Schaffung von Informationspflichten147 ebenso wie für die Setzung jeder anderen Norm. Da Gesetzesvorschriften auf eine Vielzahl von Regelunterworfenen Anwendung finden sollen und daher nicht auf die konkreten Eigenschaften des einzelnen Regeladressaten zugeschnitten werden können, muss hierzu mit einem Modell gearbeitet werden. Das Adressatenmodell, das der jeweilige Regelsetzer dabei zugrunde legt, zeitigt – wie im Fortgang der Untersuchung deutlich werden wird – vor allem in zweierlei Hinsicht Folgen: Zum einen kommt ihm für die Auslegung der betreffenden Publizitätsregelung maßgebliche Bedeutung zu, und zum anderen kann es entscheidend beeinflussen, ob die Regelung die ihr zugedachte Aufgabe in der praktischen Rechtsanwendung zu erfüllen vermag oder nicht. Letzteres hat wiederum Auswirkungen auf die Nutzung von Ratings als Form der „privaten“ Kapitalmarktpublizität, mittels derer Marktteilnehmer als dysfunktional oder unzureichend empfundene gesetzliche Publizitätsregeln zu ergänzen versuchen: Gerade dort, wo ein Adressatenmodell der gesetzlichen Kapitalmarktpublizität von den Eigenschaften und Bedürfnissen „realer“ Marktteilnehmer abweicht, greifen diese auf Ratings zurück. 144
Siehe daher noch unter 2. sowie unter IV. Dazu in § 9 II, III, § 10 III, § 11 II, III sowie zusammenfassend in § 17 I 3 b). 146 Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217; Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. (2000), 1051, 1070. 147 Vgl. zum deutschen Verbraucherinformationsrecht Schoch, NJW 2010, 2241, dem zufolge die dortigen gesetzlichen Informationsregeln „auf einer bestimmten Grundannahme zum Marktsystem, auf einem bestimmten Verbraucherbild und auf einem gewissen Vertrauen in die verhaltenssteuernde Wirkung von Informationen“ beruhen. 145
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Die Möglichkeit einer Definition des Adressatenmodells, bei dem es bei der Regulierung der Finanzmärkte vorrangig um das Bild des typisierten Investors geht, ist in den hier untersuchten Rechtsordnungen in ganz unterschiedlicher Weise genutzt worden.148 Die Unterschiede beziehen sich allerdings vor allem auf das „Wie“ des Definitionsvorgangs, der teilweise durch die ausdrückliche Festlegung eines übergreifenden einheitlichen Modells, teilweise hingegen durch lediglich normspezifische Modellannahmen erfolgt. Im Hinblick auf das ausgewählte Adressatenmodell (also das „Was“) wird dagegen international fast einheitlich auf die Efficient Market Hypothesis und das Rationalmodell abgestellt. aa) U.S.-amerikanisches Kapitalmarktrecht: Efficient Market Hypothesis als anerkannte Grundlage des gesetzlichen Publizitätssystems Am eindeutigsten bekennt sich das Publizitätssystem des U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrechts – bestehend vor allem aus den Vorgaben des Securities Act of 1933, des Securities Exchange Act of 1934 sowie der konkretisierenden untergesetzlichen Regelungen, die seit den 1970er Jahren im Sinne eines integrated disclosure system verstanden und angewandt werden149 – zur Hypothese effizienter Kapitalmärkte. So hat die SEC zu verschiedenen Anlässen explizit betont, dass die von ihr erlassenen Regelungen unter Zugrundelegung der Efficient Market Hypothesis konzipiert wurden.150 Deren Modellannahmen versteht die SEC dabei – und dies ist bemerkenswert – nicht lediglich als Hypothese, sondern als Spiegel der tatsächlichen Gegebenheiten am U.S.-amerikanischen Kapitalmarkt, qualifiziert sie diese doch ausdrücklich als Abbild der „realities of the marketplace“.151 Auch das Schrifttum erkennt in der Efficient Market Hypothesis die systematische (also nicht nur punktuelle) Grundlage der gesetzlichen Publizitätsregelungen der U.S.A.152 Diese hat schließlich auch in der U.S.-amerikanischen 148
Siehe dazu noch § 18 I 1. Vgl. näher Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 15 ff. 150 So etwa in SEC Release 33–6235, IC–11327 „Proposed Comprehensive Revision to System for Registration of Securities Offerings“ vom 2. Sep. 1980, 20 SEC Dock. (1980), 1175, 1177: „the market accordingly acts efficiently“; SEC Release 33–6331, 23 SEC Dock. 288, 290 f. (1981): „… the Commission’s belief that the market operates efficiently for these companies …“, „recognizes the applicability of the efficient market theory“; SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39– 700, IC–12264, AS–306 „Adoption of Integrated Disclosure System“ (Final rules) vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1267: „…, in reliance on the efficient market theory, …“; SEC Release 33–6499, 34–20384, 35–23122 „Shelf Registration“ (Final Rule) vom 17. Nov. 1983, 48 FR 52889 ff. (23. Nov. 1983): „Forms S–3 and F–3 recognize the applicability of the efficient market theory“. 151 So in SEC Release 33–6331, 34–18007, IC–11888 vom 6. Aug. 1981, 46 FR 41902 ff.: „Thus, the eligibility criteria are designed to recognize the realities of the marketplace by matching a registrant to the form which will furnish investors with the appropriate disclosure for delivery in the prospectus.“ 152 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 604 Fn. 161; Cohen, 40 Bus. Law. (1985), 987, 992 ff.; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 652 f.; Fox, 109 Col. L. Rev. (2009), 237 ff.; Gilson/ Kraakman, 70 Va. L. Rev. (1984), 549, 553; Gordon/Kornhauser, 60 N.Y.U. L. Rev. (1985), 761, 149
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt
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Rechtsprechung Anerkennung gefunden, die vor allem bei Entwicklung der fraud on the market-Theorie explizit die Annahme eines informationseffizienten Kapitalmarkts zugrunde gelegt hat.153 bb) Deutsches, schweizerisches und Hongkonger Kapitalmarktrecht: Efficient Market Hypothesis und Rationalmodell als Grundlage einzelner Publizitätspflichten In den übrigen hier untersuchten Rechtsordnungen finden sich dagegen kaum allgemeine Aussagen zu den informationsökonomischen Modellannahmen, die dem gesetzlichen Publizitätssystem insgesamt zugrunde liegen. Dieser Umstand dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass die interdisziplinäre theoretische Durchdringung des Rechts der Unternehmenspublizität in diesen Staaten noch hinter derjenigen zurückbleibt, die sich in den U.S.A. während der vergangenen Jahrzehnte entwickeln konnte.154 Nimmt man hingegen nicht das gesamte Publizitätssystem, sondern einzelne Publizitätsregelungen in den Blick, so wird schnell deutlich, dass auch in Deutschland, in der Schweiz und in Hongkong das Modell des informationseffizienten Kapitalmarkts sowie des rational handelnden homo oeconomicus Pate gestanden hat: Im deutschen Kapitalmarktrecht erlangte die Frage nach dem ökonomischen Adressatenmodell zunächst mittelbar, nämlich über kapitalmarktrechtsharmonisierende Richtlinien der EG Bedeutung, deren Vorgaben nach überwiegender Ansicht auf dem ökonomischen Konzept informationseffizienter Kapitalmärkte basieren.155 Im deutschen juristischen Schrifttum führte dies zu (streitigen) Diskussionen, die sich insbesondere um die Regelung des Insiderrechts und die gesetzliche Pflicht zur Ad hoc-Publizität156 entspannen.157 Hinsichtlich der heute geltenden Vorschriften in §§ 12 ff. WpHG ist allerdings anerkannt, dass sie auf der Hypothese eines effizienten Kapitalmarktes in ihrer halbstrengen Form beruhen,158 und der in § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG angesprochene „verständige Anle810153ff.; Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 150; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 16; Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329 f. Deutlich skeptischer hingegen Langevoort, 140 U. Pa. L. Rev. (1992), 851, 876 ff. 153 Basic, Inc. v. Levinson, 7.3.1988, 485 U.S. 224, 247, 108 S.Ct. 978 (1988): „Because most publicly available information is reflected in market price, an investor’s reliance on any public material misrepresentations, therefore, may be presumed for purposes of a Rule 10b–5 action“; Craft, 14 DePaul Bus. L.J. (2001), 119, 127 f.; Sauer, Haftung für Falschinformation, S. 126. 154 Vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 191 ff. 155 Zur EG-Börsenrichtlinie Mülbert, WM 2001, 2085, 2094 f.; zu gemeinschaftsrechtlichem Insiderrecht und Ad hoc-Publizität (früher geregelt in der EG-Insiderrichtlinie, heute in der EGMarktmissbrauchsrichtlinie) Fleischer, ZGR 2001, 1, 30; Mülbert, a.a.O.; zur EG-Transparenzrichtlinie Möllers, JZ 2009, 861, 863; allgemein zur Bezugnahme auf „Kapitalmarkteffizienz“ in EG-Richtlinien Sester, ZGR 2009, 310 ff. 156 Zu dieser noch in § 11 II. 157 Vgl. auf der einen Seite Hopt, AG 1995, 353 ff.; auf der anderen Seite D. Schneider, DB 1993, 1429 ff. 158 Vgl. BT-Drucks. 12/6679, S. 46: „Haben die Marktteilnehmer von der Tatsache Kenntnis genommen, werden sie die Information in ihre Dispositionen einfließen lassen mit der Folge, dass
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
ger“ wird in der Literatur zudem als homo oeconomicus verstanden, mittels dessen das deutsche Insiderrecht also auf das ökonomische Rationalmodell Bezug nimmt.159 Im Gegensatz zum U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrecht wird in Deutschland allerdings bislang kaum davon ausgegangen, dass das gesetzliche Publizitätsrecht in seiner Gesamtheit auf neoklassische ökonomische Modellannahmen zurückgeführt werden kann,160 wenngleich dies zum deutschen Verbraucherschutzrecht durchaus vertreten wird.161 Zudem sind bestimmte Folgerungen, die in den U.S.A. aus der Efficient Market Hypothesis gezogen werden, in der deutschen Rechtsprechung ausdrücklich abgelehnt worden, wie der BGH namentlich zur Frage der Anknüpfung an das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung (fraud on the market-Theorie)162 und die instanzgerichtliche Rechtsprechung zum ökonomischen, auf der Annahme effizienter Märkte beruhenden CAPM-Modell163 judiziert hat. Das einschlägige Adressatenmodell muss im deutschen Recht daher weiterhin ausgehend von der konkreten Publizitätsnorm bestimmt werden.164 Auch im Schweizer Kapitalmarktrecht hat die Hypothese informationseffizienter Märkte bislang noch nicht die umfassende Akzeptanz erfahren, die sie in den U.S.A. genießt; es besteht aber eine zunehmende Literaturansicht, der zufolge die Publizitätspflichten des Schweizer Rechts auf der Efficient Market Hypothesis beruhen.165 Überwiegend wird aber wohl die Interpretation der einzelnen Rechtsvorschrift als ausschlaggebend angesehen. Die Rechtsprechung des BGer hat die U.S.-amerikanische fraud on the market-Theorie schließlich ebensich159die Information in den Börsen- oder Marktpreisen niederschlägt.“ Aus dem Schrifttum Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 33; Fleischer, ZGR 2001, 1, 30; Klöhn, Spekulation, S. 147; Möllers, AcP 208 (2008), 1, 7; Schwark/Zimmer/Zimmer/Kruse, § 15 WpHG Rn. 7. 159 Pawlik, in KK-WpHG, § 13 Rn. 87; Schmolke, ZBB 2007, 454, 460; Veil, ZBB 2006, 162, 163. 160 Schwark, in FS Hadding (2004), S. 1117, 1136. 161 Kroeber-Riel/Weinberg, Konsumentenverhalten, S. 248 mit der These, man habe dort verbreitet das Leitbild des „rationalen Handelns internalisiert“; zustimmend Koller, in FS U. Huber (2006), S. 821, 825. 162 BGH, 19.7.2004, BGHZ 160, 134 („Infomatec“); BGH, 4.6.2007, NJW 2008, 76, 78 („Comroad IV“). 163 LG Frankfurt a.M., 13.6.2006, NZG 2006, 868, 872 („SAI Automotive“): „Tatsächlich ist dieses Verfahren – welches grundsätzlich zur Bewertung einer Aktienanlage entwickelt wurde und nicht zur Bewertung eines Unternehmens – jedoch nur unter der Annahme ‚vollkommener Kapitalmärkte‘ sinnvoll, wenn sich alle Informationen korrekt in den Kursen widerspiegeln und unternehmensspezifische Risiken durch Diversifikation keine Relevanz für den Unternehmenswert haben. Die Realität spricht jedoch gegen vollkommene Kapitalmärkte. Gründe für diese Unvollkommenheiten sind durch Transaktionskosten, Konkurskosten, Informationsdefizite der Aktionäre, schlecht diversifizierte Portfolios sowie Verfahren zur Bewertung der unsicheren Zahlungen psychologisch bedingte Bewertungsfehler der Investoren am Aktienmarkt. So führt ein hoher Vermögensanteil in einem einzelnen Unternehmen zu einer Bedeutung unternehmensspezifischer Risiken, die im Betafaktor des CAPM nicht erfasst werden – wohl aber im Rating.“ 164 Veil, ZBB 2006, 162, 164. 165 Watter, in Basler Komm., Art. 1 BEHG Rn. 11; ders., a.a.O., Art. 752 OR Rn. 26a; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55, 58.
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falls nicht übernommen, rekurriert in Fällen der Kapitalmarktinformationshaftung argumentativ aber doch auf Elemente der Informationseffizienz.166 Im Kapitalmarktrecht Hongkongs werden Efficient Market Hypothesis und Rationalmodell zwar im Schrifttum als Grundlage einzelner Publizitätsregeln benannt.167 Die Hongkonger Regulierungsbehörden lassen sich hingegen nicht vorrangig von informationstheoretischen Erwägungen leiten, sondern verfolgen einen pragmatischen Ansatz, der Abweichungen tatsächlicher Marktgegebenheiten von ökonomischen Modellannahmen im Blick behält: So ermittelte die Securities and Futures Commission durch regelmäßige Umfragen, dass nicht weniger als zwei Drittel der Hongkonger Investoren ihre eigene Informiertheit und ihren Sachverstand am Finanzmarkt als ungenügend einstufen168 und so vom Bild des umfassend informierten Marktteilnehmers divergieren. Im Schrifttum wird darüber hinaus auf eine Tendenz zum glücksspielartigen Verhalten verwiesen, welches am Hongkonger Kapitalmarkt nachgewiesen werden kann und bei modellhaft-rational agierenden Investoren ebenfalls nicht (oder jedenfalls nicht in dieser Häufigkeit) vorkommen könnte.169 Der vorstehende Befund zu den informationsökonomischen Modellen, die gesetzlichen Publizitätsregelungen zugrunde liegen, wird im Fortgang der Untersuchung anhand der jeweiligen Publizitätsnormen zu überprüfen sein. Dies gilt sowohl für die drei Rechtsordnungen, die kein explizites allgemeines Adressatenmodell kennen, als auch für das U.S.amerikanische Recht, weil einzelne Vorschriften in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht selten doch von neoklassischen Modellannahmen abweichen.
2. Neoinstitutionalistische Theorie Einen alternativen informationsökonomischen Begründungsansatz für den Informationswert von Ratings stellt die neoinstitutionalistische ökonomische Theorie bereit,170 die – anders als die neoklassischen Theorieansätze – die Existenz von Informationsasymmetrien an den Finanzmärkten sowie dadurch verursachte Transaktionskosten in Rechnung stellt, zu denen namentlich Informationskosten der Marktteilnehmer zählen. Sie geht daher davon aus, dass Marktpreise infolge 166 Vgl. BGer, 28.8.2006, BGE 132 III 715, E. 3.2.1: „Unter der Annahme eines effizienten Kapitalmarktes darf der Erwerber nämlich davon ausgehen, dass die Preisbildung am Markt unter Einbezug der Informationen aus dem Emissionsprospekt zustande gekommen ist …“. Vgl. zum Kausalitätsnachweis in Prospekthaftungsfällen im Folgenden noch § 30 II 2. 167 Vgl. in diesem Sinne Kwan/Chiu/Shen, Stand: Release 0 (June 2007), Rn. 10.053 (zu den Listing Rules der Hongkonger Börse); Lejot, 38 HKLJ (2008), 585, 590. 168 Securities and Futures Commission, Retail Investor Survey (Oct. 2001), S. 2; dazu Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 1.60: „They are informationally impaired …“. 169 Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 1.62 f. Vgl. zur Börse als Glücksspielersatz aus Sicht der Verhaltensökonomik Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. (2003), 1, 15 f. 170 Vgl. im Einzelnen Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 683 ff.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 343 ff.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
der Kosten der Informationserhebung nicht sämtliche öffentlich zugänglichen Informationen widerspiegeln, sondern diejenigen nicht, deren Erhebung unökonomisch wäre.171 a) Informationswert von Ratings infolge von Informationskostenvorteilen? Auf dieser theoretischen Grundlage lässt sich der Informationswert von Ratings mit der Begründung bejahen, dass die Rating-Agenturen den Investoren Bonitätsinformationen kostengünstiger und effizienter zur Verfügung stellen können, als diese durch die Investoren selbst erhoben werden könnten.172 Die Marktreaktionen auf Ratingveröffentlichungen stellen sich danach als Reaktionen auf neue Informationen (Signale) über die Kreditwürdigkeit der Kapitalnachfrager am Markt dar, die durch die Investoren selbst bislang aus Kostengründen nicht erhoben wurden.173 b) Fehlende Erklärbarkeit der Marktreaktionen auf Ratingänderungen, die ausdrücklich keine Neubewertung der Bonität signalisieren Auch auf dieser informationsökonomischen Basis ist allerdings Voraussetzung jeden Informationswertes eines Ratings, dass dieses überhaupt eine neue Aussage über die Bonität des Ratingobjektes ausdrückt.174 Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass der Markt nachweisbar auch auf solche Ratingänderungen reagiert, die ausdrücklich keine Neubewertung der Bonität signalisieren, sondern lediglich technische Anpassungen der Ratingstufe ohne eigenen Aussagegehalt darstellen. Zu informationswertindizierenden Marktreaktionen auf „bonitätsaussagefreie“ Ratingänderungen kam es in der Vergangenheit bei zumindest zwei Gelegenheiten: aa) Marktreaktionen auf die technische Verfeinerung der Moody’s-Ratingskala (1982) Das erste Beispiel rein „technischer“ Ratinganpassungen ergab sich im Jahre 1982, als die Rating-Agentur Moody’s seine bisherige Ratingskala durch das erstmalige Hinzufügen der Ziffern 1, 2 oder 3 verfeinerte. Diese Änderung erforderte es, sämtliche zu diesem Zeitpunkt erteilten Ratings zeitgleich auf die neue, diffe171
Grossman/Stiglitz, 70 Amer. Econ. Rev. (1980), 393, 404; Ho/Michaely, 23 J. Fin. & Quant. Analysis (1988), 53, 54; Wappenschmidt, Ratinganalyse, S. 25. 172 Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 104; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 72; Ingram/ Brooks/Copeland, 38 J. Fin. (1983), 997, 998; Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 415 ff.; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 342 Fn. 4; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 414; Steiner/Heinke, 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 140; van Aubel, Anleiherating und Bonitätsrisiko, S. 64; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 412; Wappenschmidt, Ratinganalyse, S. 28 f. Zum Einfluss von Ratings auf die Informationskosten von Emittenten und Investoren bereits § 4. 173 Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 689. 174 Auch die Neue Institutionenökonomik hält nämlich im Übrigen am Bild des rationalen Akteurs fest; vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 3 ff.
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renzierte Ratingskala umzustellen, wobei die entsprechenden Anpassungen der ausstehenden Ratings auf keine Bonitätsänderung zurückgingen, wie Moody’s ausdrücklich klarstellte.175 Die Kreditwürdigkeit der gerateten Unternehmen blieb vor und nach der Ratinganpassung vielmehr vollständig gleich, jene war also allein „technischer“ Natur.176 Wie Kliger und Sarig in einer Ereignisstudie über 916 U.S.-amerikanische Unternehmen feststellten, änderten sich deren Anleihe- und Aktienkurse am Tag der Ratinganpassung gleichwohl maßgeblich, indem Anleihenkurse bei positiven Ratinganpassungen (also bei Hinzufügung des Denominators „1“) stiegen und bei negativen Ratinganpassungen (Hinzufügung des Denominators „3“) fielen, während sich die Aktienkurse der Unternehmen gerade gegenteilig verhielten.177 Diese Kursänderungen stellten damit eine Reaktion auf die „technische“ Ratinganpassung dar, obgleich die beurteilten Unternehmensbonitäten sich erklärtermaßen nicht geändert hatten. Im Übrigen konnten auch regulatorische Bezugnahmen auf Ratings nicht der Grund sein, weil diese damals allein an Ratingklassen (und nicht Denominatoren) anknüpften. Es handelt sich mithin um einen empirischen Beweis für den originären Informationswert selbst rein „technischer“ Ratingänderungen,178 der in theoretischer Hinsicht weder auf Grundlage der neoklassischen noch der neoinstitutionalistischen Informationsökonomie erklärbar ist. bb) Marktreaktionen auf die Herabstufung des ThyssenKrupp-Ratings infolge einer internen Ratingmethodeänderung (2003) Ein weiteres Beispiel stellen die heftigen Marktreaktionen auf rein „technische“ Ratinganpassungen dar, welche die Rating-Agentur Standard & Poor’s im Jahre 2003 in Umsetzung einer geänderten internen Ratingmethode vornahm.179 Standard & Poor’s entschloss sich zu diesem Zeitpunkt zu einem Methodenwechsel bei der Behandlung von Pensionsrückstellungen und qualifizierte den Finanzierungsstatus von Pensionsverpflichtungen, die nicht durch vom gerateten Unternehmen separierte Vermögenswerte gedeckt sind, für Zwecke der Bonitätsbeurteilung nunmehr uneingeschränkt (und nicht lediglich anteilig) als Fremdkapi-
175 Vgl. Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 339, die darin mit Recht eine „extraordinary opportunity“ zur Prüfung eines originären Informationswertes der Ratinganpassungen erkennen. 176 Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 354. 177 Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879, 2880. Die Ratinganpassungen fanden sämtlich am 26. April 1982 statt. 178 Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879, 2881; Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 340. 179 Im ökonomischen Schrifttum zogen die Auswirkungen dieses Vorgangs am Markt eine erhebliche Aufmerksamkeit auf sich; vgl. Gohdes/Meier, BB 2003, 1375 ff.; Heubeck/Seeger, DB 2004, 993 ff.; Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 406 f.; Meixner, Aktienmärkte und Rolle der Rating-Agenturen, S. 306 f.; Park/Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 218; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 59 ff. Aus Sicht der Politikwissenschaften Rosenbaum, Der politische Einfluss von Rating-Agenturen, S. 66 f.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
tal.180 Diese Umstellung, die erst nach ausführlichen Konsultationen mit der Marktöffentlichkeit vorgenommen wurde, zog bei einer Reihe gerateter Emittenten eine Ratinganpassung nach sich, obgleich sich die finanzielle Lage der Unternehmen gar nicht verändert hatte. Im Falle der ThyssenKrupp AG führte sie zu einer besonders brisanten181 Herabstufung des Emittenten- wie verschiedener Emissionsratings vom „investment grade“- in den „non-investment grade“-Bereich,182 weil die Fremdkapitalquote des Unternehmens nach den geänderten internen Beurteilungsmaßstäben von Standard & Poor’s von 45% auf 60% angestiegen war.183 Die Marktreaktionen auf die darauf folgende Ratingherabstufung waren dramatisch:184 Innerhalb kürzester Zeit fiel nicht nur der Kurs der größten Anleihe der ThyssenKrupp AG um 8%,185 sondern auch der Aktienkurs brach um 6% ein;186 die verursachten zusätzlichen Zinskosten werden im Schrifttum auf 30 Mio. € pro Jahr beziffert.187 Die Heftigkeit der Marktreaktionen wird deshalb als auffällig eingestuft, weil die Ratingherabstufung in den Pressemitteilungen und Ratingberichten von Standard & Poor’s ausdrücklich nicht mit einer Änderung der objektiven Risikosituation des Unternehmens, sondern allein mit einem agenturinternen Methodenwechsel begründet wurde.188 Zudem rechneten die beiden anderen großen Rating-Agenturen Moody’s und Fitch Pensionsrückstellungen weiterhin nur anteilig dem Fremdkapital zu.189 Die Ratingänderung kommunizierte daher nach neoinstitutionalistischer Theorie keine neuen Informationen über die Unternehmensbonität, sondern nur über die relative Einstufung der Bonität durch eine von drei am Markt akzeptierten Informationsintermediären – ein Vorgang, der den beobachteten Kursverfall als kaum erklärbar erscheinen lässt.190 Nicht fernliegend ist allerdings die Annahme, dass sich im genannten Fall die Regulierungs180
Gohdes/Meier, BB 2003, 1375, 1378. Gohdes/Meier, BB 2003, 1375; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 59. 182 Standard & Poor’s hatte am 7. Februar 2003 zunächst zehn europäische Emittenten mit dem Ausblick „Credit watch negative“ auf die Beobachtungsliste gesetzt und stufte sodann am 21. Februar 2003 – dem Tag der Hauptversammlung der ThyssenKrupp AG – das Emittentenrating von ThyssenKrupp um zwei Ratingstufen auf „BB+“ sowie das Emissionsrating der ausstehenden ThyssenKrupp-Anleihen auf „BB“ herab. 183 Gohdes/Meier, BB 2003, 1375, 1378. 184 Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 204; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 60. Die heftige Kritik in der Wirtschaftstagespresse referiert Rosenbaum, Der politische Einfluss von Rating-Agenturen, S. 66. 185 Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 204 (mit Grafik des Kursverlaufs). 186 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 884; Blaurock, ZGR 2007, 603, 610. 187 Däubler, NJW 2003, 1096; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 7; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 196. 188 Aus Sicht der Ökonomie Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 205: „ein interessanter Vorfall“; Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 407. 189 Vgl. im Einzelnen Gerke/Pellens, Forschungsgutachten (2004), S. 20 ff. 190 Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 205; Heubeck/Seeger, DB 2004, 993; Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 407; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 61 (einen Überreaktionseffekt konstatierend). 181
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funktion des Ratings auswirkte und eine Veräußerung von ThyssenKrupp-Anleihen durch institutionelle Investoren erzwang, weil interne Anlagerichtlinien häufig ein „investment grade“-Mindestrating verlangen.191 Den Verfall auch des Aktienkurses kann dies hingegen kaum erklären, denn Investitionen in Aktien unterliegen üblicherweise keinen Ratinganforderungen.
IV. Eigener Erklärungsansatz: Die Codierung der Information als Grund des Informationswertes von Ratings Da die empirischen Befunde zum Informationsgehalt von Ratings192 nach alledem weder durch neoklassische noch neoinstitutionalistische Ansätze der Informationsökonomie überzeugend erklärt werden können, soll im Folgenden ein eigener, alternativer Erklärungsansatz vorgestellt werden. Dieser knüpft an die Feststellung an, dass sich Ratings von anderen Marktinformationen maßgeblich durch die Codierung der übermittelten (Bonitäts-)Information unterscheiden, also durch den Ausdruck der Bonitätsbeurteilung in Form eines Buchstabenkürzels („AAA“, „B+“ usw.), das an einer länder- wie branchenübergreifend einheitlichen Skala193 ausgerichtet ist. Nach hier vertretener Auffassung ist der Einfluss von Ratingveröffentlichungen an den Finanzmärkten vor allem dadurch erklärbar, dass die Marktteilnehmer die in Ratingkürzeln codierten Informationen tatsächlich aufnehmen können, während andere Marktinformationen mit ihrer Veröffentlichung zwar am Markt verfügbar sind, aber infolge der begrenzten Informationsaufnahmekapazität „realer“ Marktteilnehmer194 – die in der überkommenen Informationsökonomik weitgehend ignoriert wird – letztlich keinen Eingang in deren tatsächlichen mentalen Entscheidungsvorgang finden.195 Darüber hinaus erleichtert die Ausrichtung der aufnehmbar codierten Bonitätsinformationen an einer leicht verständlichen Ratingskala auch die Verarbeitung durch die Marktteilnehmer und trägt damit deren ebenfalls begrenzter Informationsverarbeitungskapazität Rechnung.196 Es ist also die Aufnehm- und Verarbeitbarkeit der in Ratingkürzeln codierten Bonitätsinformationen durch „reale“ Marktteilnehmer, welche den Markteinfluss und Informationswert von Ratings begründet. Im Einzelnen:
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So die Erklärung bei Däubler, NJW 2003, 1096; Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 204. Unter II. 193 Siehe zu den Ratingskalen der großen Rating-Agenturen bereits § 2 II 1. 194 Im Text wird hier und im Folgenden von dem „realen“ Marktteilnehmer gesprochen, um deutlich zu machen, dass es den (einheitlichen) Marktteilnehmer in der Realität nicht gibt: Es liegt insofern unweigerlich eine Typisierung vor, die hier jedoch anhand empirischer Erkenntnisse und nicht theoretischer Modelle vorgenommen wird. 195 Dazu sogleich unter 1. 196 Dazu unter 2. 192
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
1. Die Aufnehmbarkeit der in Ratingkürzeln codierten Informationen durch die Informationsadressaten a) Mangelnde Berücksichtigung der begrenzten Informationsaufnahmekapazität „realer“ Marktteilnehmer durch Rationalmodell und Verhaltensökonomik Die Modelle der neoklassischen Theorie der Informationsökonomik – die Hypothese des informationseffizienten Kapitalmarktes wie auch das Rationalmodell – blenden den Schritt der Informationsaufnahme durch den einzelnen Marktteilnehmer bewusst aus, indem sie für ihre Zwecke dessen unbeschränkte Informationsaufnahmekapazität unterstellen.197 Die Codierung von Informationen besitzt auf dieser theoretischen Grundlage keine Bedeutung, und Marktreaktionen hängen allein vom Inhalt der Information ab, gleich ob dieser in Form eines knappen oder mehrere hundert Seiten langen Textes, in allgemeinverständlicher Sprache oder in Fachterminologie, als Tabelle, Zeichnung oder Formel übermittelt wird:198 Die kommunizierte Information gilt in jedem dieser Fälle als „verfügbar“ (available), und dies reicht im Modell eines informationseffizienten Marktes mit rationalen Marktteilnehmern aus. Die Informationsaufnahme spielt aber auch in den diversen neueren Erklärungsansätzen, die unter dem Oberbegriff der Verhaltensökonomik (behavioral economics) zusammengefasst werden,199 überwiegend keine eigene Rolle. So stellte etwa Simon’s frühes Modell der begrenzten Rationalität (bounded rationality) zwar den begrenzten Informationszugang (access to information) und die beschränkte kognitive Informationsverarbeitungskapazität (computational capacity) des Individuums in Rechnung,200 setzte den Informationszugang des Adressaten aber erkennbar mit dem Zugänglichmachen der Information, regelmäßig also deren Veröffentlichung durch den Informierenden gleich. Dass die Aufnehmbarkeit einer zugänglichen Information durch deren Präsentation beeinflusst (und möglicherweise verhindert) werden kann, wird in diesem Zusammenhang hingegen vernachlässigt. Neuere verhaltensökonomische Ansätze berücksichtigen Faktoren wie die Komplexität von Informationen hingegen durchaus, behandeln diese jedoch überwiegend als Frage der logisch nachgelagerten Infor-
197
Vgl. Fama, 25 J. Fin. (1970), 383, 387: „a frictionless market in which all information is freely available“; Paredes, 81 Wash. U. L. Q. (2003), 417, 434: „… the assumption that individuals are able to anticipate and consider all relevant factors in making choices …“; Simon, 69 Q. J. Econ. (1955), 99: „This [rational economic] man is assumed to have knowledge of the relevant aspects of his environment which, if not absolutely complete, is at least impressively clear and voluminous.“ 198 Vgl. Schmolke, ZBB 2007, 454, 460. 199 Eine Systematisierung ist schwierig, da sich die Verhaltensökonomik noch in einem vergleichsweise frühen Stadium ihrer Entwicklung befindet. Vgl. Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. (2003), 1, 10: „Instead of a theory, behavioral economics relies on a hodgepodge of evidence showing the ineffectiveness of human decisionmaking in various circumstances (often in a controlled, laboratory setting).“ 200 Simon, Models of Man: Social and Rational, S. 241 f.
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt
89
mationsverarbeitung,201 so vor allem der Verwendung von „Daumenregeln“ (heuristics) durch Investoren:202 Als Beispiele nennt man etwa das alleinige Abstellen auf den Ruf der emissionsbegleitenden Investmentbank als Indikator einer risikoarmen Investition, um dadurch die Lektüre des umfangreichen Emissionsprospekts zu sparen,203 die Annahme der Investoren, einfach verständlichen Informationen komme ein höherer Wahrheitsgehalt zu als komplexen Informationen,204 oder – allgemeiner – die Tendenz, Informationen zu ignorieren, die unseren Interessen, Wünschen oder Glaubenssätzen zuwiderlaufen und damit kognitive Dissonanzen auslösen würden,205 sowie die im Vergleich stärkere Wahrnehmung leicht verfügbarer Informationen.206 Auch diese Erklärungsansätze unterstellen daher implizit, dass Umfang und Art der Darstellung einer Information – nach hier verwandter Terminologie: deren „Codierung“ – nicht verhindert, dass diese durch den Adressaten aufgenommen wird und daher für eine kognitive Verarbeitung überhaupt zur Verfügung steht, denn niemand kann gar nicht aufgenommene Informationen deshalb ignorieren, weil ihr Inhalt seinen Interessen zuwiderläuft.207 Der Hintergrund der weitgehenden Gleichsetzung von Informationsverfügbarkeit und Informationsaufnahme in der behavioral economics-Forschung mag damit zusammenhängen, dass diese typischerweise mit Experimenten in einer Laborumgebung arbeitet, in denen dem Probanden gezielt bestimmte Informationen zur Verfügung gestellt und sodann die Folgen für dessen Entscheidungsfindung untersucht werden. In solchen Laborszenarien mag in der Tat unterstellt werden können, dass die vorgelegten Informationen, die zudem in ihrer Menge begrenzt sind, durch die Probanden tatsächlich aufgenommen werden. Diese kontrollierte Situation unterscheidet sich jedoch maßgeblich von der Situation des „realen“ Investors an den Finanzmärkten, der – heute vor allem über das Internet – ständig mit einer fast unüberschaubaren Masse an verfügbaren Informationen konfrontiert wird: Es ist diese „reale“ Situation, aus der sich Marktreaktionen an den realen Finanzmärkten entwickeln und die daher auch Ausgangspunkt für die Erklärung des Informationswertes von Ratings sein muss.
b) Die Codierung der Information als Grund für die effektive Aufnahme von Ratings durch „reale“ Marktteilnehmer Dass die modellartige Annahme einer unbegrenzten Informationsaufnahmekapazität die kognitiven Fähigkeiten des durchschnittlichen Investors nicht akkurat widerspiegelt, ist freilich seit langem bekannt; dies wurde schon bei Schaffung 201 202 203 204
Vgl. etwa Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. (2000), 1051, 1077. Siehe dazu noch unten 2. Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. (2003), 1, 7 ff., 13. Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. (2003), 1, 13 f. Vgl. zur sog. „illusion of truth“ Reber/Schwarz, 8 Consciousness & Cognition (1999),
338 ff. 205
Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218. Goldberg/von Nitzsch, Behavioral Finance, S. 207; Hirshleifer, 56 J. Fin. (2001), 1533, 1541 f.; Koller, ZBB 2007, 197, 198. 207 Anders Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218, der schon die Informationsaufnahme verneint. 206
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
des U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrechts in den 1930er Jahren als Argument gegen den Einsatz umfassender Publizitätspflichten vorgebracht.208 In der informationsökonomischen Theorie209 wie auch im juristischen Schrifttum zum Informationsmodell der Kapitalmarktregulierung210 geht man allerdings traditionell davon aus, dass zumindest professionelle Marktteilnehmer zur Aufnahme auch umfangreicher und inhaltlich komplexer Informationen fähig sind und diese daher mittelbar auch den sonstigen Marktteilnehmern zugänglich machen, und zwar entweder durch ihre Tätigkeit als professionelle Informationsintermediäre (wie etwa als Finanzanalyst oder Anlageberater) oder aber als Verwalter von „smart money“, welche die ausgewerteten Informationen in Investitionsentscheidungen umsetzen und dadurch in den Marktpreis einfließen lassen. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben jedoch grundsätzliche Zweifel aufkommen lassen, ob dieses Vertrauen auf professionelle Marktteilnehmer gerechtfertigt ist;211 man konstatiert eine „signifikante Durchlöcherung“ der Theorie informationseffizienter Märkte.212 Hintergrund ist vor allem der Umstand, dass auf dem Markt für strukturierte Finanzinstrumente, der Ausgangspunkt für die globale Finanzkrise 2007–09 war, nahezu ausschließlich professionelle Marktteilnehmer auftreten.213 Diese hätten nach den überkommenen informationstheoretischen Annahmen die Informationen über die dort gehandelten Finanzprodukte, die in Übereinstimmung mit den publizitätsrechtlichen Vorgaben publiziert wurden214 und daher „zugänglich“ (available) waren, auch aufnehmen müssen. Die tatsächlichen Befunde weisen jedoch mit großer Deutlichkeit darauf hin, dass auch professionelle Marktteilnehmer die komplexen Informationen in Prospekten und Registrierungserklärungen offenkundig nicht in Betracht zogen und ihre Investitionsentscheidung daher ohne deren
208 So Douglas, 23 Yale Rev. (1934), 521, 524 mit dem Vorwurf, die meisten Investoren verfügten weder über „the time, money, nor intelligence to assimilate the mass of information in the registration statement“ (daher für materielle Regulierung eintretend). 209 Coffee, 70 Va. L. Rev. (1984), 717, 728 f.; Kripke, 28 Bus. Law. (1973), 631, 632 ff.; Gilson/ Kraakman, 70 Va. L. Rev. (1984), 549, 638. 210 Grundmann, Europ. Gesellschaftsrecht, Rn. 649; Koch, BKR 2012, 485, 486; Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität, S. 200 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 417; Mülbert, WM 2001, 2085, 2095, 2098 f. 211 Alexander, ZBB 2011, 337, 338 f.; Koch, BKR 2012, 485; Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 349; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 660; Spindler, AG 2010, 601: die Finanzmarktkrise habe grundlegende Annahmen über rationales Verhalten auf Märkten in ihren Grundfesten erschüttert; Stürner, in FS Canaris I (2007), S. 1489, 1493 f.; Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT (2010), S. G 15; ders., in FS Hopt (2010), S. 2689, 2691 f. 212 Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 349: „The assumption that sophisticated traders can decode opaque, complicated, or obscure financial reporting is very much in doubt. This, in turn, creates a significant hole in the theory of market efficiency.“ 213 Zur unveränderten Dominanz institutioneller Investoren am Markt für komplexe Finanzinstrumente noch § 10 I 1 c). 214 Es ist weitgehend unstreitig, dass die bestehenden gesetzlichen Publizitätspflichten bei der Platzierung komplexer Finanzinstrumente fast ausnahmslos erfüllt wurden; vgl. in diesem Sinne Avgouleas, ECFR 2009, 440, 444; Schwarcz, Utah L. Rev. 2008, 1109, 1113.
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt
91
Kenntnis trafen.215 Entsprechende Beobachtungen waren zuvor schon im Zusammenhang mit dem Enron-Zusammenbruch im Jahre 2001 gemacht worden, als veröffentlichte Informationen zu den komplizierten Scheingeschäften des Konzerns ebenfalls von keinen professionellen Marktteilnehmern aufgenommen worden waren.216 Diejenigen Marktinformationen, die hingegen durchgehend rezipiert und zur (häufig alleinigen) Entscheidungsgrundlage professioneller Investoren gemacht wurden, waren die Ratingeinstufungen der Rating-Agenturen.217 Es kann daher im Sinne eines Zwischenergebnisses festgehalten werden, dass „reale“ Marktteilnehmer generell über eine lediglich begrenzte Informationsaufnahmekapazität verfügen und dieser Umstand auch durch Marktmechanismen nur unreichend ausgeglichen wird, weil professionelle Marktteilnehmer ebenfalls einer solchen kognitiven Beschränkung unterliegen. Das oben im Text anhand empirischer Untersuchungen demonstrierte und auch im Vorfeld der globalen Finanzkrise wiederum zu beobachtende Phänomen, dass die Veröffentlichung von Ratings stets zu Reaktionen auf Seiten der Marktteilnehmer führt, während sonstige Publikationen mit Risikohinweisen keinen vergleichbaren Effekt haben, lässt sich damit begründen, dass Ratingkürzel durch die Marktteilnehmer besser aufgenommen werden können als andere Informationen, die daher nicht (oder nur in einem geringeren Maße) in Investitionsentscheidungen einfließen. Das entscheidende Merkmal ist dabei die verständliche Codierung der Bonitätsbeurteilung in Gestalt des Ratingkürzels („A+“, „Baa“ u.ä.), die anderen Marktinformationen fehlt. Dass der einfache Buchstabencode, den die Rating-Agenturen verwenden, zu einer schnellen Erfassbarkeit und unproblematischen Verständlichkeit der kommunizierten Information führt, wird im Schrifttum nicht selten als Besonderheit von Ratings herausgestellt;218 mit den Worten von Coffee ist es gerade diese „condensation of highly nuanced information into a single symbol [which] makes ratings easily
215 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 56; Alexander, ZBB 2011, 337, 339; Amtenbrink/ de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1922; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 567; Koch, BKR 2012, 485, 486; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 281; Spindler, AG 2010, 601, 612: fehlende Informationsbeschaffung selbst durch professionelle Marktteilnehmer. 216 Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 349. 217 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 56; Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 34; Avgouleas, ECFR 2009, 440, 453; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 567; Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 17. 218 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 550; Le Portz, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 319; Niedostadek, Rating, Rn. 20; Philipps/Rechtschaffen, 21 Fordham Int’l L.J. (1998), 1754, 1762 f.; Pixley, Emotions in Finance, S. 149: „Here, ‚trust in numbers‘ is radically simplified – no lengthy reports are required for a quick assessment“; Theilacker, ZKredW 2009, 643; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 412. Aus dem ökonomischen Schrifttum Krämer, StB 2004, 14, 16; Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337; MüllerMasiá/Hahnenstein/Holzberger/Söhlke, Verwendung von Ratinginformationen in der modernen Banksteuerung, S. 55, 56: „komplexitätsreduzierende Verdichtung von umfangreichen Bonitätsanalysen auf nur eine einzige Dimension“ als wesentlicher Vorteil des Ratings; van Aubel, Anleiherating und Bonitätsrisiko, S. 70: „Komplexitätsreduktionsfunktion“.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
comprehensible to even the dullest user and enables the market to respond quickly and, more or less, uniformly to changes in ratings“.219 Die Aufnehmbarkeit der in Ratingkürzeln ausgedrückten Bonitätsinformationen erklärt auch die im Text berichteten Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung, die mit überkommenen informationstheoretischen Ansätzen nicht begründbar sind: So lassen sich die zu beobachtenden Marktreaktionen auch auf unbeauftragte Ratings (die keine vertraulichen Emittenteninformationen kommunizieren)220 und sogar auf Ratingänderungen, die überhaupt keine Neubewertung der Bonität signalisieren (wie Anpassungen anlässlich der technischen Verfeinerung der Moody’s-Ratingskala und der Änderung interner Ratingmethoden durch Standard & Poor’s)221 darauf zurückführen, dass weder die Eigenschaft als unbeauftragtes Rating noch der besondere Anlass für die Ratinganpassung aus dem (geänderten) Ratingkürzel selbst ersichtlich sind. Letztere Informationen finden sich nämlich allein in begleitenden Ratingberichten sowie Pressemitteilungen, denen es aber an einer unschwer aufnehmbaren Codierung mangelt und die daher von den Investoren gar nicht aufgenommen wurden. Aus diesem Grund führten die betreffenden Ratinganpassungen zu denselben Marktreaktionen wie andere Herauf- und Herabstufungen, denn nur die neue Ratingeinstufung wurde von Seiten der Marktteilnehmer als Information aufgenommen und beeinflusste deren Reaktion am Markt. Die Maßgeblichkeit der Informationscodierung erklärt des Weiteren auch die unterschiedslosen Reaktionen von Aktienkursen auf Ratingänderungen, die nach den empirischen Erkenntnissen ohne Ansehen der jeweiligen Begründung für die Ratinganpassung erfolgten222 – auch hier ergaben sich die Anpassungsgründe der Rating-Agentur nur aus den Ratingberichten, während die Aktieninvestoren allein auf das Ratingkürzel blickten. Die unterschiedlichen Marktreaktionen auf in Ratingkürzeln codierte Bonitätsinformationen einerseits und in gängiger Textform publizierte Ratingberichte andererseits erhellt zugleich, dass die Reputation des Informationsverfassers – die eine mögliche Begründung für die Beachtung von Ratings am Markt für strukturierte Finanzinstrumente unter Außerachtlassung der von den Emittenten stammenden Informationen sein könnte223 – nicht der entscheidende Grund sein kann, denn Ratingkürzel und Ratingbericht stammen von demselben Informationsverfasser.
Im Ergebnis entscheidet folglich nicht der Inhalt der Marktinformation, sondern deren Codierung darüber, ob sie durch die Marktteilnehmer aufgenommen wird und daher deren Entscheidungen überhaupt beeinflussen kann. Der Einsatz der Ratingkürzel erweist sich damit als wichtigster Grund für die Bedeutung der Bonitätsinformationen der Rating-Agenturen am Markt: Drei Buchstaben sagen mehr als tausend Worte. 219 220 221 222 223
Coffee, Gatekeepers, S. 284. Oben II 2 d). Oben III 2 b). Oben II 1 c). Zur Rolle der Reputation von Informationsintermediären bereits § 2 II 1.
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt
93
2. Die einfache Verarbeitbarkeit der in Ratingkürzeln codierten Bonitätseinstufungen Darüber hinaus erleichtert die Verwendung standardisierter Ratingkürzel auch die Verarbeitung der aufgenommenen Information durch den Marktteilnehmer. Die Unterscheidung der kognitiven Informationsaufnahme von deren anschließender Verarbeitung ist dabei auf theoretischer Ebene möglich, aber in praktischer Hinsicht schwierig, weil es sich jeweils um Vorgänge im Innern des Informationsrezipienten handelt. Bei der Erklärung empirischer Befunde, die nach außen wahrnehmbare Reaktionen von Marktteilnehmern auf die Veröffentlichung bestimmter Informationen zurückzuführen versuchen, muss daher häufig offenbleiben, ob das Fehlen einer Reaktion auf eine mangelnde Informationsaufnahme, eine mangelnde Informationsverarbeitung oder eine nach Aufnahme und Verarbeitung getroffene Entscheidung gegen eine Reaktion zurückzuführen ist. a) Informationsverarbeitung und Verhaltensökonomik Während die klassische Informationstheorie dem homo oeconomicus neben einer unbegrenzten Informationsaufnahmekapazität auch eine vollkommene Fähigkeit zur Informationsverarbeitung zuerkennt,224 stellt die Verhaltensökonomik die beschränkte Informationsverarbeitungskapazität des Individuums in Rechnung.225 Obwohl die verhaltensökonomische Forschung sich überwiegend mit „irrationalen“ Präferenzen, also Abweichungen von dem Ziel der wirtschaftlichen Nutzenmaximierung im Rahmen der Entscheidungsfindung befasst, hat sie auch – wie im Text226 bereits angedeutet – kognitive „Anomalien“ bei der Informationsverarbeitung beobachtet. Soweit die Verarbeitung komplexer Informationen in Rede steht, lassen sich die dabei ermittelten Abweichungen vom Modell des homo oeconomicus häufig sowohl mit einer willensgetragenen Entscheidung des Informationsadressaten227 („es ist zu aufwändig und teuer, eine Bilanz zu analysieren, weshalb ich mich an der Anlageempfehlung meines Finanzanalysten orientiere“)228 als auch mit einer begrenzten Fähigkeit zur Informationsverarbeitung („ich verstehe Bilanzen nicht und kann sie daher gar nicht analysieren, weshalb ich mich an der Anlageempfehlung meines Finanzanalysten orientiere“) erklären. Es mehren sich dabei in jüngerer Zeit die Stimmen, die vor allem auf eine
224
Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 38 Fn. 51. Langevoort, 140 U. Pa. L. Rev. (1992), 851, 862. Schon früh Simon, 69 Q. J. Econ. (1955), 99, 101 zu „limits on computational capacity“. 226 Oben IV 1 a). 227 Langevoort, 140 U. Pa. L. Rev. (1992), 851, 860: „The temptation to call these various predictable behaviors irrational is not quite apt. They may simply reflect coping strategies (heuristics) used in a stressful world with too much information and too many choices.“ 228 Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. (2000), 1051, 1076: „the cost of processing information, or those imposed by cognitive limitations, create a constraint on maximizing behavior“. 225
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
begrenzte Informationsverarbeitungsfähigkeit verweisen, und zwar sowohl bei privaten wie bei professionellen Marktteilnehmern.229 b) Der standardisierte, global einheitliche Aussagegehalt von Ratings Die Ratingkürzel der großen Rating-Agenturen bieten auch im Bereich der Informationsverarbeitung verschiedene Vorteile, die sie von komplexeren Informationen wie etwa Prospekten, Bilanzen, Lageberichten (und auch begleitenden Ratingberichten der Rating-Agenturen selbst) unterscheiden und ihre einfache Verarbeitung sichern: So erspart bereits der Umstand, dass die Rating-Agenturen bei der Ratingerstellung die öffentlich verfügbaren Informationen über den beurteilten Emittenten bzw. das beurteilte Finanzinstrument ausgewertet und deren Essenz zu dem Ratingsymbol „verdichtet“ haben, den Marktteilnehmern die eigene Lektüre dieser Informationen.230 Die codierten Ratingkürzel selbst sind unschwer verständlich und auch deshalb kognitiv einfach verarbeitbar, weil sie stets denselben, vergleichsweise simplen Ratingskalen entnommen sind, die sich zudem agenturübergreifend weitgehend ähneln.231 Da die großen Rating-Agenturen ihre Ratingskalen, unter denen der jeweiligen Skala für langfristige Verbindlichkeiten232 die prägende Bedeutung zukommt, global einheitlich verwenden, fungieren die Ratingkürzel dabei als „Weltfinanzsprache“, die unabhängig von Sprachgrenzen verständlich ist und damit ein wesentliches Hindernis überwindet, welches der Aufnahme und Verarbeitung fremdsprachiger Texte entgegensteht und dauerhaft entgegenstehen wird.233 Die Codierung der Bonitätsinformation in Form einfach verständlicher, standardisierter und global einheitlich verwandter Ratingkürzel bewirkt daher eine einfache Verarbeitbarkeit der Information, die komplexeren Informationen fehlt und damit die beträchtlichen Marktreaktionen auf Ratingveröffentlichungen erklären kann. In der Informationsökonomik spricht man von einem informationellen Netzwerkeffekt.234
229 Avgouleas, ECFR 2009, 440, 453; Spindler, AG 2010, 601, 602; Stürner, in FS Canaris I (2007), S. 1489, 1493 f. 230 Dalley, 34 Fla. St. U. L. Rev. (2007), 1089, 1102: „formatting function“ der Rating-Agenturen; Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 550: „telescopic quality“ des Ratings als Grund seiner Beachtung; Krämer, StB 2004, 14, 16; Le Portz, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 319; Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 488: Ratingkürzel als „auf einen Blick“ erfassund vergleichbare Information; Müller-Masiá/Hahnenstein/Holzberger/Söhlke, Verwendung von Ratinginformationen in der modernen Banksteuerung, S. 55, 56; Philipps/Rechtschaffen, 21 Fordham Int’l L.J. (1998), 1754, 1762 f.; Pixley, Emotions in Finance, S. 149; Theilacker, ZKredW 2009, 643; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 412; van Aubel, Anleiherating und Bonitätsrisiko, S. 70: „Komplexitätsreduktionsfunktion“. Anders wohl Seibt, Diskussionsbeitrag, in: Joos/Storm, Diskussionsbericht, S. 209, 212. 231 Vgl. dazu noch § 20 III. 232 Siehe § 2 II 1. 233 Everling, Die Bank 1991, 308, 310; Krämer, StB 2004, 14, 16; Loges/Zeller, in: Suyter, Risikomanagement (2004), S. 283, 284; Müller, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 327, 340; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 300. 234 Krämer, zitiert bei Balzer, ZBB 2004, 329; Varian, Microeconomics, Tz. 35.4.
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt
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Die einfache Verarbeitbarkeit der Ratingkürzel mag darüber hinaus dadurch gefördert werden, dass die gängigen Ratingkürzel in der Sache an Zensuren aus dem Schulunterricht erinnern235 und damit an eine Bewertungsordnung anknüpfen, die nahezu jedem Informationsrezipienten seit langem bekannt ist. Besonders deutlich wird dies vor allem bei einem Blick auf das U.S.-amerikanische Schulnotensystem, in dem die Noten von „A+“ (Bestnote) bis „F“ (nicht bestanden) reichen und damit eine auffällige Ähnlichkeit mit den gängigen Ratingskalen gerade der U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen aufweisen.236
V. Zusammenfassung Die außerordentlich zahlreichen empirischen Studien, die zur Ermittlung des Informationswertes von Ratingveröffentlichungen durchgeführt wurden, gelangen praktisch einheitlich zum Ergebnis, dass die Marktteilnehmer Ratings einen originären Informationswert zuerkennen. Herauf- und Herabstufungen von Ratings ziehen durchgehend nachweisbare Marktreaktionen nach sich, die bei Ratingänderungen über die „investment grade“-Schwelle hinweg besonders heftig ausfallen.237 Überraschend ist, dass nicht lediglich die Kurse am Anleihenmarkt, sondern auch die Aktienkurse auf Ratings reagieren238 und diese Reaktionen auch dann auftreten, wenn es sich um die Änderung eines unbeauftragten (unsolicited) und daher ohne Zugang zu nicht-öffentlichen Emittenteninformationen erstellten Ratings handelt239 oder die Ratingänderung ausnahmsweise gar keine Bonitätsänderung signalisiert, weil sie – wie in der Vergangenheit vereinzelt geschehen – erklärtermaßen lediglich der „technischen“ Anpassung an veränderte interne Ratingkriterien240 oder geänderte Ratingsymbole241 dient. Die letztgenannten empirischen Beobachtungen können auf Grundlage überkommener informationsökonomischer Modellannahmen – nämlich einerseits der neoklassischen Theorie (in Gestalt der Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und des Rationalmodells)242 und andererseits der neoinstitutionalistischen Theorie (mit ihrem Fokus auf Transaktions- und damit auch Informationskosten)243 – nicht erklärt werden, weil die Marktteilnehmer danach nicht hätten reagieren dürfen, brachten die Ratings doch in diesen Fällen keinerlei neue Infor235 Arendts, WM 1993, 229, 230; Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 76; Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1101; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 533; Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 485; Niedostadek, Rating, Rn. 93. 236 Im U.S.-amerikanischen Schrifttum wird diese Ähnlichkeit häufig herausgestellt; vgl. etwa Mulligan, From AAA to F: How the Credit Rating Agencies failed America and what can be done to protect Investors, 50 B.C. L. Rev. (2009), 1275 ff. 237 Dazu oben unter II 2 c). 238 Dazu oben unter II 1 c). 239 Dazu oben unter II 2 d). 240 Dazu oben unter III 2 b) bb). 241 Dazu oben unter III 2 b) aa). 242 Dazu oben unter III 1. 243 Dazu oben unter III 2.
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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
mationen an den Markt. Ein eigener, hier vorgestellter Erklärungsansatz244 führt den Informationswert von Ratings daher auf die „Codierung“ der Bonitätsinformation in Form von Ratingkürzeln („AAA“, „B+“ usw.) zurück, die eine erleichterte Aufnahme und Verarbeitung der Information erlauben. Dass Ratings infolge dieser Codierung auch durch „reale“ Marktteilnehmer tatsächlich aufgenommen werden können, die entgegen neoklassischer Modellannahmen lediglich eine begrenzte Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität besitzen, erklärt ihre Auswirkungen am Markt und unterscheidet sie von komplexeren Marktinformationen, die weit seltener aufgenommen werden und in Investitionsentscheidungen Eingang finden. Damit ist auch erkennbar, warum Marktteilnehmer nicht zwischen beauftragten und unbeauftragten Ratings oder nach den Anlässen der einzelnen Ratingänderungen differenzieren, denn diese Aspekte ergeben sich nur aus den (nicht gleichermaßen verständlich codierten) Ratingberichten und werden daher vermutlich weniger gut rezipiert als das zugehörige Ratingkürzel. Für den weiteren Fortgang der Untersuchung ist die erarbeitete informationstheoretische Begründung des Informationswertes von Ratings in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: So erhellt sie zum einen die theoretische Grundlage für die originäre Funktion des Ratings, nämlich seine Marktinformationsfunktion,245 und wirkt sich damit auf die Anwendung diesbezüglicher Rechtsregeln aus, wie namentlich im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung der Rating-Agenturen.246 Zum anderen stellt sie mittelbar die theoretischen Grundannahmen in Frage, die den gesetzlichen Publizitätsregimen der hier untersuchten Rechtsordnungen zugrunde liegen und überwiegend auf dem neoklassischen Modell eines informationseffizienten Kapitalmarktes mit rational handelnden Marktteilnehmern beruhen.247 Da Ratings nicht nur faktisch mit der geltenden Pflichtpublizität zusammenwirken, sondern ihnen selbst – wie noch zu zeigen sein wird – eine vielfach entscheidende Rolle im Rahmen des Publizitätsrechts zugewiesen wird, können die unterschiedlichen informationstheoretischen Ansätze manche Inkonsistenzen erklären, die bei der Anwendung ratingbasierter Publizitätsregeln auftreten.
244 245 246 247
Dazu oben unter IV. Siehe § 1 II. Siehe §§ 26 ff. Dazu oben unter III 1 b).
Zweiter Teil
Regulierung durch Ratings: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich Im Zweiten Teil der Untersuchung ist die bereits angesprochene Regulierungsfunktion des Ratings1 nun rechtsvergleichend in ihren einzelnen Erscheinungsformen wie auch ihrer allgemeinen Bedeutung näher zu erforschen. Die folgenden Kapitel stellen daher eine Bestandsaufnahme der rechtlichen Bezugnahmen auf Ratings in den Rechtsordnungen Deutschlands, der Europäischen Union, der Schweiz, der Vereinigten Staaten von Amerika und Hongkongs dar, wobei der Rechtsstoff zunächst in funktional-rechtsvergleichender Methode2 nach Sachproblemfeldern geordnet aufgefächert und untersucht wird,3 bevor in zwei abschließenden Kapiteln die Regulierung durch Ratings systematisch gewürdigt4 und (allgemeiner) Folgerungen für eine sachgerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen gezogen5 werden. Die Beschreibung des rechtlichen Einsatzes von Ratings stellt dabei – wie stets bei rechtsvergleichenden Werken – notwendigerweise eine Momentaufnahme dar, die gerade auf den hier schwerpunktmäßig betroffenen, schnelllebigen Teilgebieten des Finanzmarkt- und des Gesellschaftsrechts in manchen Aspekten bald überholt sein kann. Einzelne nationale Rechtsvorschriften sind daher vorrangig als Anschauungsmaterial des denkbaren Lösungsvorrats für einzelne Sachprobleme6 von Interesse, das nationalen Gesetzgebern und Regulierungsbehörden sowie – im modernen Finanzmarktrecht von ständig zunehmender Bedeutung – auch international koordinierenden Gremien7 als Inspiration dienen könnte und sollte. Nimmt man das gesamte Zeitspektrum von der ersten regulatorischen Ratingverwendung im Jahre 19368 bis in die jüngere Zeit in den Blick und lässt man Veränderungen bloßer Einzelregelungen außer Acht, so ist als rechtsgebiets- wie 1
Siehe schon § 1 II sowie § 5 III 1 a) bb). Vgl. hierzu Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 25 ff.; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 3 II sowie De Coninck, RabelsZ 74 (2010), 318, 322 ff. 3 Siehe im Folgenden §§ 6–16. 4 Siehe § 17. 5 Dazu § 18. 6 Vgl. zur diesbezüglichen Funktion rechtsvergleichender Untersuchungen Constantinesco, Rechtsvergleichung II, S. 372 f.; Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 13; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 2 II. 7 Siehe im Fortgang des Textes etwa § 6 II 1 a) (zum Basler Ausschuss für Bankenaufsicht), § 24 IV 1 (zur Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO)) und § 31 (zu den ratingbezogenen Arbeiten des Financial Stability Boards). 8 Siehe zu dieser schon § 3 II 1 und noch näher § 7 I 1 a). 2
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
rechtsordnungsübergreifende Entwicklung – wie hier bereits vorwegzunehmen ist – eine ständige Zunahme ratingbasierter Rechtsvorschriften erkennbar. Erst in jüngster Zeit ist in Reaktion auf die globale Finanzkrise 2007–09 insoweit eine gegenläufige Tendenz sichtbar geworden, weil nunmehr bewusst auf eine Zurücknahme ratingbasierter Regulierung gedrängt wird. Am zweifellos stärksten ausgeprägt hat sich letztere Tendenz in den U.S.A. gezeigt, und zwar in Gestalt des 2010 erlassenen Dodd–Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (Dodd–Frank Act9): Dieses 849 Druckseiten starke Reformgesetz, mit dem die U.S.-amerikanische Legislative auf die zahlreichen Fehlentwicklungen an den Finanzmärkten vor und während der globalen Finanzkrise reagierte, enthält einen ganzen Abschnitt mit der Überschrift „Improvements to the Regulation of Credit Rating Agencies“,10 der sich – entgegen seiner missverständlichen Benennung – nicht nur der Regulierung des Ratings,11 sondern auch der Regulierung durch Ratings annimmt. Durch die einschlägigen Vorschriften des Dodd–Frank Acts hob der Kongress zum einen mit unmittelbarer Wirkung einzelne gesetzliche und untergesetzliche ratingbasierte Bestimmungen des U.S.-amerikanischen Finanzmarktrechts auf12 – ein direktes gesetzgeberisches „Durchgreifen“, das gelegentlich zu vorhersehbaren, aber vom Kongress anscheinend nicht vorhergesehenen Marktverwerfungen führte13 und daher in der Sache kaum als sinnvoll eingestuft werden kann. Zum anderen erließ er ein an alle Bundesfinanzaufsichtsbehörden gerichtetes allgemeines Gebot, dem zufolge jede Behörde binnen eines Jahres sämtliche ratingbasierte Rechtsvorschriften in ihrem Zuständigkeitsbereich zu erfassen14 und durch einen alternativen Bonitätsmaßstab zu ersetzen15 hat. In dessen Befolgung wurden seit 2011 zahlreiche untergesetzliche Ratingverweise aufgehoben und durch taugliche oder weniger taugliche Regelungsalternativen ersetzt; viele Neuregelungen stehen allerdings weiterhin aus. Auf Ebene der Europäischen Union lässt sich in jüngster Zeit ebenfalls das allgemeine Ziel einer Zurückdrängung der Regulierungsfunktion des Ratings nach9
Das Gesetz ist benannt nach Christopher Dodd (zum Zeitpunkt der Aushandlung des Gesetzes Vorsitzender des Committee on Banking, Housing, and Urban Affairs des Senats) und Barnett „Barney“ Frank (damals Vorsitzender des Committee on Financial Services des Repräsentantenhauses). Vgl. zum Gesetz Heppe/Tielmann, WM 2011, 1883: „die größte Kapitalmarktreform seit dem New Deal“. 10 §§ 939–939H Dodd–Frank Act. 11 Siehe zu den diesbezüglichen Neuregelungen durch den Dodd–Frank Act noch § 17 I 4 b). 12 Durch § 939(a), § 939G Dodd–Frank Act. Innerhalb des Dodd–Frank Acts stellen solche Vorschriften eine Ausnahme dar, weil die meisten Normen lediglich die Grundlage für untergesetzliche Rechtssetzungstätigkeiten schaffen; vgl. Heppe/Tielmann, WM 2011, 1883. 13 Siehe zur gesetzlichen Aufhebung der Rule 436(g) zum Securities Act of 1933 durch den Dodd–Frank Act und deren Folgen noch § 9 I 3 b) aa) (3) (zum Anleihenmarkt) und § 10 III 1 b) (zum Markt für strukturierte Finanzinstrumente). 14 § 939A(a) Dodd–Frank Act. 15 § 939A(b) Dodd–Frank Act. Hinzu trat in § 939B Dodd–Frank Act eine spezielle Vorgabe, welche die SEC binnen 90 Tagen zur Aufhebung der Ratingbezugnahmen in der Regulation FD zwang (siehe dazu noch § 11 III 3).
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weisen, das hier jedoch weniger radikal verfolgt wird: Zwar statutierte der Unionsgesetzgeber im Jahre 2013 die Vorgabe, bis zum 1. Januar 2020 alle Vorschriften im Unionsrecht zu streichen, die die Nutzung oder Abgabe von Ratings zu aufsichtsrechtlichen Zwecken erfordern oder gestatten, aber eben nur – und hierin liegt ein wichtiger Unterschied zum U.S.-amerikanischen Dodd–Frank Act – „sofern geeignete Alternativen für die Bewertung des Kreditrisikos gefunden und umgesetzt worden sind“.16 Damit wird ein zentrales Problem der beschriebenen Umgestaltungstendenz erkannt und angesprochen, das in den folgenden Kapiteln noch verschiedentlich zu behandeln sein wird: Was soll an die Stelle der rechtlichen Ratingbezugnahmen treten?17 Im Gegensatz zu den U.S.A. und der EU nehmen die nationalen Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden in Deutschland, der Schweiz und Hongkong18 bislang eine abwartende Haltung ein; der regulatorische Einsatz von Ratings ist in diesen Rechtsordnungen daher (jenseits einzelner Regeländerungen im üblichen Umfang) im Wesentlichen unverändert geblieben.
16
Art. 5c EG-RatingVO, eingefügt durch ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. Siehe dazu insbesondere in § 31 II 1. 18 Vgl. Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 6: „… another related issue is to review the use of ratings for regulatory purposes. As the discussions on this area are still evolving, the SFC will continue to monitor the development in this area closely and assess its implications.“ 17
Erster Abschnitt: Regulierung von Banken
§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“) I. Einleitung Der Themenkomplex, der mehr als jeder andere dazu beigetragen haben dürfte, die Regulierungsfunktion des Ratings zum Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses unter Rechtswissenschaftlern wie auch Ökonomen zu machen, ist die risikoabhängige Bestimmung der Eigenmittelanforderungen an Banken.1 Der Grund hierfür liegt in dem Zusammentreffen zweier Faktoren, nämlich zum einen in der zentralen Bedeutung der Bankenregulierung für die Stabilität des Finanzsystems und zum anderen in dem Umstand, dass bei deren Ausgestaltung im internationalen Vergleich besonders häufig und umfassend auf Ratings zurückgegriffen wird.2 Banken sind die wichtigsten Finanzintermediäre, die an den nationalen wie internationalen Finanzmärkten tätig sind,3 und besitzen schon deshalb eine volkswirtschaftlich zentrale Bedeutung.4 Banken (oder, in der Diktion des deutschen Gesetzesrechts, Kreditinstitute5) werden in den meisten Rechtsordnungen einer umfangreichen aufsichtsrechtlichen Regulierung unterstellt, um ihre Funktionsfähigkeit sowohl im Interesse des Finanzsystems insgesamt als auch im Interesse ihrer Gläubiger sicherzustellen.6 Darüber hinaus soll die Regulierung aber auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Stabilität der Banken sichern,7 weil nach den Erfahrungen bereits der Bankenkrise von 1931 schon der Zusammenbruch einer größeren Bank zu einer Kettenreaktion (run on the bank) herbeiführen
1 So aus Sicht der Rechtswissenschaften Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 299; aus Sicht der Ökonomie Gerke/ Mager, BFuP 2005, 203, 213; Hartmann-Wendels/Lieberoth-Leden/Mählmann/Zunder, Entwicklung eines Ratingsystems, S. 1, 3. 2 Joint Forum, Stocktaking on the use of credit ratings (June 2009), S. 2; IMF, Sovereign Credit Ratings (Okt. 2010), S. 8. 3 Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1780. 4 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 17; Zeitler, WM 2001, 1397. 5 § 1 Abs. 1 KWG. 6 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 17; Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1075; Schelm, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 2.152; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1780. 7 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 17; Zeitler, WM 2001, 1397.
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kann,8 durch die weitere Banken und Finanzinstitute und schließlich die Stabilität des Finanzsystems insgesamt gefährdet wird.9 Die globale Finanzkrise 2007– 09 hat dieses systemische Risiko in jüngerer Zeit erneut demonstriert. Das Bankrecht versucht ihm durch verschiedene Mechanismen zu begegnen, unter denen das Stellen von Eigenmittelanforderungen an Kreditinstitute die vielleicht wichtigste Bedeutung besitzt.10 Diese sollen sicherstellen, dass die von Banken eingegangenen Risiken ihre Risikotragfähigkeit nicht übersteigen, und verpflichten jede Bank daher zur Vorhaltung angemessener Eigenmittel zur Abdeckung des Adressenausfall- und Marktrisikos sowie theoretisch auch anderer Risiken,11 denen sie infolge ihrer Geschäftstätigkeit ausgesetzt ist.12 Die vorgeschriebenen Eigenmittel (verbreitet, aber unpräzise auch bezeichnet als „Eigenkapital“) fungieren also als „Risikopuffer“ (capital cushion), der unerwartete Verluste abfedern soll.13 Aus Perspektive der Banken stellen sich gesetzliche Eigenmittelanforderungen dabei zum einen als bedeutsamer Kostenfaktor dar, der ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinflusst14 und bestimmte risikobehaftete Geschäfte im Extremfall schlicht unrentabel machen kann.15 Zum anderen bewirken sie, dass die Eigenmittel eines Kreditinstituts über dessen zulässiges Gesamtgeschäftsvolumen bestimmen (sog. Maßstabsfunktion).16 Beides hat zur Folge, dass Kreditinstitute ein spürbares ökonomisches Interesse daran besitzen, die Eigenmittelvorgaben möglichst lax zu halten.17
Die wirtschaftlichen Auswirkungen regulatorischer Eigenmittelanforderungen hängen vor diesem Hintergrund entscheidend von der Frage ab, welche Risiken durch die Banken mit Eigenmitteln „unterlegt“ werden müssen. Die Bedeutung 8 Avgouleas, ECFR 2009, 440, 458; Conroy, 63 Fordham L. Rev. (1995), 2395, 2413; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1780 f. 9 Sigrist, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 1, 2; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 3. 10 Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1772: „the capital adequacy regime is the single most important set of rules in both international and domestic banking law“; Kolassa, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 137 Rn. 1. 11 So lassen sich Eigenmittelanforderungen theoretisch auch zur Abfederung etwa von Liquiditätsrisiken einsetzen (Hunt, 60 S. C. L. Rev. (2009), 749, 766), die aber in den hier untersuchten Rechtsordnungen bislang anders (aber gleichwohl ratingabhängig) reguliert werden; vgl. dazu noch § 7 II. 12 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 19; Brocker, in: Derleder/Knops/Bamberger, § 65 Rn. 29; Schwennicke/Auerbach/Auerbach/Fischer, § 10 KWG Rn. 29; Weber, Börsenrecht, Art. 12 BEHG Rn. 1. 13 Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 129 Rn. 1; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1776; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 3; aus schweizerischer Sicht plastisch St. Weber, in FS Ress (2005), S. 1599, 1600: „Geldrucksack“. 14 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Boos, § 10 KWG Rn. 5; Fischer, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 129 Rn. 4. 15 Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008, § 13.03[A]. 16 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 4a; Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 129 Rn. 4; Schulte-Mattler/Manns, WM 2011, 2069, 2072; Windbichler, GesellschaftsR, § 32 Rn. 8. 17 So Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 129 Rn. 4.
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der Regulierungsfunktion des Ratings in diesem Bereich rührt nun daher, dass bei der Bestimmung des sog. „Risikogewichtes“ verbreitet auf die Ratings privater Rating-Agenturen abgestellt wird, und zwar vor allem seit Verabschiedung einer Empfehlung zur international konvergenten Regelung der Eigenmittelmessung und -anforderungen durch den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (des sog. „Basel II-Akkords“), der eine starke regulatorische Ratingverwendung vorsieht.18 Da „Basel II“ in den meisten entwickelten Staaten der Welt als Muster der nationalen Eigenmittelregulierung diente, erhielten Ratings auf diese Weise einen unmittelbaren Einfluss auf die Bestimmung des vielleicht wichtigsten Risikomaßstabs der internationalen Finanzsysteme.19 Dieser Einfluss wird auch durch die Reformen kaum reduziert, die seit 2011 zur Ergänzung und Verschärfung der Basel II-Regeln vorgeschlagen worden sind („Basel III“).20
II. Rechtslage vor „Basel II“ Entgegen einer verbreiteten Wahrnehmung begann die regulatorische Indienstnahme von Ratings in diesem Bereich allerdings nicht erst mit Schaffung des Basel II-Akkords im Jahre 2005, sondern nahm tatsächlich schon mit dessen Vorgängerregelwerk („Basel I“) ihren Anfang.
1. „Basel I“ a) Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision) ist ein Gremium der Bankenaufsichtsbehörden, das im Jahre 1974 – in Reaktion auf den vorausgegangenen Zusammenbruch der deutschen Herstatt-Bank – von den Zentralbankgouverneuren der G 10-Länder gegründet wurde und das gewöhnlich in der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in Basel tagt, wo auch sein ständiges Sekretariat angesiedelt ist. Der Basler Ausschuss setzt sich heute aus Vertretern der Zentralbanken und Bankenaufsichtsbehörden aus 27 Ländern21 zusammen und gilt als der weltweit wichtigste Regelgeber auf dem Gebiet des Bankenaufsichtsrechts,22 obgleich er über keinerlei originäre Recht18
Siehe zum im Jahre 2005 verabschiedeten Basel II-Akkord noch unter III. Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 213. 20 Siehe dazu noch unter III 4. Der Inhalt von „Basel III“ soll erst ab dem 1. Januar 2019 umfassend zur Anwendung gelangen, aber in Teilbereichen bereits vor diesem Datum umgesetzt werden. 21 Der Mitgliederkreis wurde letztmalig im Juni 2009 ausgeweitet und erreichte damit die genannte Zahl von Mitgliedern, zu denen neben Deutschland, der Schweiz und den U.S.A. auch Hongkong zählt. (Obgleich Hongkong kein souveräner Staat, sondern lediglich eine chinesische Sonderverwaltungsregion ist, verfügt es über einen eigenen, von demjenigen der Volksrepublik China unabhängigen Sitz im Gremium.). 22 Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 5: „top global banking regulator“; Zulauf, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 27, 29: „wohl wichtigster und wahrscheinlich auch qualitativ bester internationaler ‚Standardsetter‘“. 19
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setzungskompetenz verfügt, sondern lediglich unverbindliche Empfehlungen verabschieden kann.23 Die von ihm empfohlenen Regelungen, die üblicherweise als „soft law“ eingeordnet24 und gelegentlich plastisch als „juristisches Rauschen“25 umschrieben werden, werden gleichwohl in der Praxis besser befolgt als manch völkerrechtlicher Vertrag.26 Sie stellen gerade auf dem Gebiet der Eigenmittelanforderungen an Banken, auf dem der Ausschuss mit dem Basel I-Akkord und dessen Nachfolger („Basel II“, teilweise reformiert durch „Basel III“) gleich zwei auch mit Blick auf Ratings einflussreiche Regelwerke geschaffen hat, den international maßgeblichen Standard dar.27 b) „Basel I“ und die begrenzte regulatorische Verwendung von Ratings Die ersten Empfehlungen des Basler Ausschusses zu diesem Bereich wurden in einem Dokument mit dem Titel „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen“ verabschiedet, das anfänglich als „Basler Akkord“, heute hingegen üblicherweise als „Basel I“ bezeichnet wird. Sein Inhalt wurde im Laufe der Zeit in mehr als 100 Ländern übernommen. aa) Ratingunabhängige Kreditrisikobewertung unter „Basel I“ In der Ursprungsfassung von „Basel I“ aus dem Jahre 1988, dessen Regeln gelegentlich treffend als „grobschlächtig, aber dafür einfach“ beschrieben wurden,28 waren Ratings als Regulierungsinstrumente allerdings noch gar nicht vorgesehen:29 Unter „Basel I“ wurde nämlich noch nicht auf die Bonität des individuellen Schuldners abgestellt, sondern eine Unterteilung der Schuldner in wenige, abstrakte Klassen vorgenommen und die Eigenmittelanforderungen einheitlich für jede dieser Klassen bestimmt.30 Kredite an Unternehmen waren danach ohne Ansehen der Bonität des einzelnen Unternehmens mit 8% der ausgereichten Kreditsumme zu unterlegen. Vor allem von Seiten U.S.-amerikanischer Autoren wurde harsch kritisiert, dass einem Darlehen an ein mit „AAA“ geratetes Unternehmen damit unter „Basel I“ dasselbe Risikogewicht zugewiesen wurde wie ei-
23 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schulte-Mattler, § 1 SolvV Rn. 9; Felsenfeld, Banking Regulation, S. 409; Hennrichs, ZGR 2006, 563, 564; Hirte/Heinrich, ZBB 2001, 388, 390; Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 3 Rn. 284; Ohler, in: Derleder/Knops/Bamberger, § 76 Rn. 1. 24 Felsenfeld, Banking Regulation, S. 409; Hirte/Heinrich, ZBB 2001, 388, 390; Lee, 16 Wis. Int’l L.J. (1997–98), 687, 712; Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 6 Rn. 284; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1789; Zulauf, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 27, 31. 25 So St. Weber, in FS Ress (2005), S. 1599, 1609. 26 So Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 205; Zeitler, WM 2001, 1397. 27 Alexander, ZBB 2011, 337, 340; Becker, ZG 2009, 123, 131; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1781; Zulauf, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 27, 29. 28 Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 159; Sigrist, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 1, 3. 29 Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 33 f. 30 Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 159; Hennrichs, ZGR 2006, 563, 564; Litten/Cristea, WM 2003, 213, 215.
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nem „spekulativen“ Kredit an ein Unternehmen, das lediglich über ein Rating im „non-investment grade“-Bereich verfügt.31 bb) Revidierter Basel I-Akkord (1996): Ratings als Bewertung des Marktrisikos Ihre Premiere im Rahmen der Eigenmittelregulierung von Kreditinstituten feierten Ratings sodann mit der Revision des Basel I-Akkords durch die „Änderung der Eigenkapitalvereinbarung zur Einbeziehung der Marktrisiken“ vom Januar 1996.32 Durch diese Revision wurde der sachliche Anwendungsbereich des Basel I-Akkords, der sich bis dahin nur auf Kreditrisiken bezogen hatte, auf Marktrisiken (namentlich Zinsänderungs-, Aktienkurs-, Fremdwährungs- und Edelmetallrisiken) erweitert, für die nunmehr ebenfalls Eigenkapital vorzuhalten war.33 Obgleich der so geänderte Basel I-Akkord weithin als ein wichtiges Beispiel für die regulatorische Indienstnahme von Ratings bezeichnet wird,34 spielten Ratings in seinem Anwendungsbereich genau genommen nur eine ganz punktuelle Rolle:35 Es wurde auf sie im Bereich der Eigenmittelunterlegung des sog. „spezifischen Kursrisikos“ Bezug genommen,36 d.h. des Risikos ungünstiger Kursentwicklungen eines bestimmten Wertpapiers aufgrund von Faktoren, die beim jeweiligen Emittenten liegen.37 Während der Eigenkapitalbedarf für Staatspapiere durch die geänderten Basel I-Regeln insoweit auf 0%38 und für „sonstige“ Wertpapiere auf 8% festgelegt wurde, lag die Eigenmittelquote bei den dazwischen angesiedelten „qualifizierten“ Wertpapieren bei lediglich 0,25– 1,6% (abhängig von der Restlaufzeit). Für die Einstufung als „qualifiziertes“ Wertpapier wurde dabei grundsätzlich39 ein Emissionsrating der Einstufung „investment grade“ verlangt, soweit es sich um Papiere eines privaten Emittenten handelte.40 31 Conroy, 63 Fordham L. Rev. (1995), 2395, 2432 f.; Wilmarth, U. Ill. L. Rev. 2002, 215, 458 m.w.N.; ebenso aus Sicht der deutschen Banken von Boehm-Bezing, WM 2000, 1001. Aus ökonomischer Perspektive Altman/Saunders, 25 J. Banking & Fin. (2001), 25, 26. 32 Die reformierten Regelungen – die ja wiederum separat durch die einzelnen Staaten umgesetzt werden mussten – waren ab Ende 1997 anzuwenden. 33 Vorangegangen war ein Konsultationspapier des Basler Ausschusses vom April 1993; vgl. hierzu Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28 ff. 34 So etwa Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 1: „key example“. 35 Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 33 f. 36 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Änderung der Eigenkapitalvereinbarung zur Einbeziehung der Marktrisiken (Januar 1996), sub. A.1 I, S. 10 ff. 37 Vgl. Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 119; von Randow, ZBB 1995, 140, 153. 38 Siehe zu dieser bis heute fortbestehenden Privilegierung von Staatsanleihen noch unter IV 3. 39 Von diesem Erfordernis konnten die zuständigen Behörden allerdings unter bestimmten Voraussetzungen einen Dispens erteilen; vgl. dazu kritisch Zimmermann, Berücksichtigung von Risiken, S. 89: „unter bankaufsichtlichen Vorsichtsaspekten bedenklich“. 40 Der Basel I-Akkord in seiner geänderten Fassung von 1996 verlangte diesbezüglich (in einer nicht eben klar formulierten Vorschrift) entweder ein „investment grade“-Rating von mindestens zwei von der nationalen Behörde bestimmten Rating-Agenturen, oder aber ein „investment grade“-
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Bemerkenswert erscheint auf den ersten Blick, dass Ratings unter dem geänderten Basel I-Regime von 1996 also bei der Berechnung der Eigenmittelunterlegung von Marktrisiken – also des Risikos, dass gehaltene Wertpapiere aufgrund von Kursverlusten an Wert verlieren41 – herangezogen wurden, wohingegen sie heute nach „Basel II“42 primär bei der Behandlung von Kreditrisiken eine Rolle spielen.43 Zu Marktrisiken treffen Ratings aber, wie in der Literatur zutreffend betont wird, im Grundsatz gar keine Aussage,44 was die Indienstnahme von Ratings im vorliegenden Zusammenhang fragwürdig erscheinen lassen könnte. Hinter der Basel I-Regelung stand jedoch nicht der Gedanke, dass eine hohe Bonität generell (auch) ein geringes Kursrisiko zur Folge hat: Unter „Basel I“ wurde vielmehr streng zwischen spezifischem Kursrisiko einerseits und allgemeinem Markt- oder Kursrisiko andererseits unterschieden (sog. „Building Block Approach“), die als zu trennende Kursrisikoarten separat zu erfassen und gesondert mit Eigenmitteln zu unterlegen waren.45 Auf Ratings wurde dabei ausschließlich bei der Bewertung des spezifischen Kursrisikos abgestellt, welches vor allem aus bonitätsinduzierten, d.h. von der Zahlungsfähigkeit des einzelnen Emittenten abhängigen Kursänderungen erwächst46 – der Börsenkurs einer Anleihe sinkt, weil die Bonität des Emittenten und damit die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung gesunken ist (weshalb ein etwaig bestehendes Rating abgesenkt wurde) –, und damit eine enge inhaltliche Verwandtschaft mit dem Kreditrisiko aufweist. Letzteres wird auch dadurch deutlich, dass die Abgrenzung von Kredit- und besonderem Kursrisiko im Rahmen bankenaufsichtsrechtlicher Regelungen nicht selten Schwierigkeiten verursacht47 und daher im Ergebnis wahlweise Zuordnungen zugelassen werden.48 Für die Bewertung des genannten besonderen Marktri41 Rating von einer Rating-Agentur sowie ein weiteres, nicht unterhalb von „investment grade“ angesiedeltes Rating von einer weiteren, von der nationalen Behörde bestimmten Rating-Agentur. 59 Kessler, BB 2013, 1098, 1099; Tokley, Banking Law, Stand: Issue 0, Kap. II Rn. 951. 42 Siehe dazu noch unten III. 43 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 60. 44 Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1918; Darrow/Hitselberger/Cummings, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2002–2 Supplement, § 7.01[A]; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 158; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 402; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 357; Serfling/Pries, Die Bank 1990, 381; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 4. Vgl. schon früh Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 81: „Interesting is, however, Moody’s emphatic refusal to allow an interpretation of ratings which would link them with ‚market price movements‘“; 104: „price fluctuations need have nothing to do with the quality of the paper but may be a consequence of changing interest rates“. Empirische Nachweise bei Reilly/Joehnk, 31 J. Fin. (1976), 1387, 1398. 45 Boos/Schulte-Mattler, Die Bank 1997, 610; Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28, 29. Zur theoretischen Unterscheidung zwischen diesen beiden Risikotypen in der Ökonomik (Alpha und Beta) vgl. knapp Coffee, 70 Va. L. Rev. (1984), 717, 748. 46 Hannemann/Schneider/Hanenberg, MaRisk, S. 554; Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28, 29. 47 So auch Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Findings on the interaction of market risk and credit risk (May 2009), S. 1: „As the same economic factors tend to affect both risks, drawing a clear distinction between them in practical risk measurement and management is, however, very difficult.“ 48 Vgl. Hannemann/Schneider/Hanenberg, MaRisk, S. 555, 560 (zur deutschen MaRisk).
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sikos stellen Bonitätsbeurteilungen durch Rating-Agenturen im Ergebnis also in der Tat einen geeigneten Parameter dar. Die beschriebenen ratingbasierten Regelungen zum besonderen Marktrisiko wurden auch im Zuge der Weiterentwicklung der Basler Eigenkapitalvereinbarung beibehalten49 und finden sich bis heute (in allerdings ausdifferenzierterer Form) im Basel II-Akkord.50
2. EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG: Fakultative Bewertung des Marktrisikos durch Ratings Schon drei Jahre vor Revision des Basel I-Akkords war es auf europäischer Ebene zur Einführung einer Regelung gekommen, die ebenfalls zur Marktrisikobewertung auf Ratings zurückgreift: Die EG-Kapitaladäquanzrichtlinie sah in ihrer Ursprungsfassung aus dem Jahre 1993 vor, dass in diesem Zusammenhang solche Wertpapiere als „qualifizierte Aktiva“ behandelt werden können, die hinreichend liquide sowie durch mindestens zwei von den zuständigen Behörden anerkannten Rating-Agenturen hinsichtlich ihres Ausfallrisikos geratet worden sind.51 Die betreffende Richtlinienbestimmung, die sich durch eine auffällige Ähnlichkeit mit der bereits erörterten „Basel I“-Vorschrift auszeichnet und diese möglicherweise inspiriert hatte,52 wies dem Rating gleichwohl in zweierlei Hinsicht eine begrenztere Regulierungsfunktion zu: Zum einen nannte sie selbst kein bestimmtes Mindestrating,53 und zum anderen – und dies war entscheidend – schrieb sie die Maßgeblichkeit des Ratings nicht zwingend vor, sondern stellt dessen Berücksichtigung ausdrücklich in das Ermessen der (mitgliedstaatlichen) Aufsichtsbehörden54 und besaß daher nur fakultativen Gehalt. Diese „EscapeKlausel“55 wurde etwa von Deutschland genutzt, um einstweilen von einer regulatorischen Ratingverwendung absehen zu können.56 Trotz ihrer vergleichsweise schwachen Ausgestaltung kam der punktuellen Ratingklausel der EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG deshalb Bedeutung zu, weil sie die erste Bezugnahme des europäischen Gemeinschaftsrechts auf Rating-Agenturen darstellte57 und damit dazu beitrug, dass sich der Einsatz ratingbasierter Regelungen auch in Europa ausweitete.58 Gerade die zeitlich nahezu pa49
Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 8 Rn. 206. Basel II-Akkord, Tz. 710 ff.; vgl. Fischer/Klanten/Fischer, Rn. 2.338 ff. 51 Art. 2 Nr. 12 Unterabs. 2 EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG. 52 Vgl. Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 7. 53 Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28, 30. 54 Art. 2 Nr. 12 Unterabs. 3 EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG; Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28, 30. 55 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 127. 56 Siehe sogleich unter 3 a). 57 BT-Drs. 15/2815, S. 4; Deipenbrock, WM 2005, 261, 262 Fn. 28; von Randow, ZBB 1995, 140, 153: „eine neue Dimension“. Kritisch Siebel, BFuP 2005, 273: „existierendes Negativbeispiel“ für regulatorische Ratingbezugnahmen. 58 Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 204; Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 24; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 126: Weichenstellung. 50
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rallele Erstnutzung der Regulierungsfunktion des Ratings auf europäischer wie auch internationaler Ebene dürfte einen entscheidenden Anstoß zur verstärkten rechtlichen Ratingnutzung in den folgenden Jahren gegeben haben.
3. Einzelne Rechtsordnungen Die Bedeutung der ratingbasierten Marktrisikobewertung lässt sich an den beschriebenen Regelungen jedoch nur unzureichend ablesen, weil erst deren Umsetzung in nationales Recht für die regulierten Kreditinstitute bindend war. Trotz der ausgeprägten Internationalisierung des Bankengeschäfts kommt es insoweit in rechtlicher Hinsicht bis heute auf das nationale (und nur innerhalb der EU teilweise harmonisierte) Bankrecht an,59 in dem die Regulierungsfunktion des Ratings ganz unterschiedlich ausgestaltet wurde: a) Deutsches und europäisches Recht: Zögerliche Ratingverwendung für Zwecke der Marktrisikobewertung Obgleich zwischen dem Erlass der EG-Kapitaladäquanzrichtlinie (im März 1993) und des revidierten Basel I-Akkords (im Januar 1996) fast drei Jahre lagen, wurden beide in Deutschland schließlich gleichzeitig umgesetzt,60 nämlich durch die Ende 1997 in Kraft getretene 6. KWG-Novelle.61 Diese richtete sich zwar weitestgehend an den Vorgaben beider Regelwerke zum Marktrisiko aus,62 übernahm die darin enthaltene Regelung zum regulatorischen Einsatz von Ratings – die auch in der bindenden EG-Kapitaladäquanzrichtlinie nur fakultativ vorgesehen war – nicht in das deutsche Aufsichtsrecht. Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, das damals die in Deutschland insoweit zuständige Behörde war, wies zur Begründung darauf hin, dass zu diesem Zeitpunkt in KWG und einschlägigem Grundsatz I63 nirgends auf die Einstufung von Risikoaktiva durch private Rating-Agenturen abgestellt wurde64 – auch eine nur beschränkte Ratingbezugnahme hätte daher einen konzeptionellen Richtungswechsel bedeutet, den man aus grundsätzlichen Erwägungen vermeiden wollte.65 Deutschland scherte 59 Kritik erfährt dieser Zustand aus ganz unterschiedlichen Richtungen: Während teilweise das Fehlen verbindlicher internationaler Regelungen beklagt wird (so etwa Lee, 16 Wis. Int’l L.J. (1997–98), 687, 722: „banking is international, while banking regulation is national“), kritisieren andere, dass die Eigenkapitalregeln des Basler Ausschusses nur noch „im Sinne eines staatsnotariellen Aktes vom Gesetzgeber übernommen“, aber inhaltlich nicht verantwortet werden (Becker, ZG 2009, 123, 126; Mayen, AnwBl 2010, 611). 60 Boos/Schulte-Mattler, Die Bank 1997, 610. 61 Vgl. zur 6. KWG-Novelle Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 11; Mielk, WM 1997, 2200 ff. 62 Boos/Schulte-Mattler, Die Bank 1997, 610. 63 Bei dem sog. „Grundsatz I“ handelte es sich um Verwaltungsvorschriften des BAKred, welche die Eigenkapitalanforderungen an Kreditinstitute im Einzelnen regelten; vgl. Mielk, WM 1997, 2200, 2201. 64 Vgl. Zimmermann, Berücksichtigung von Risiken, S. 170, 186 f. 65 Boos/Schulte-Mattler, Die Bank 1997, 610, 614.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
also einstweilen aus dem zu verzeichnenden internationalen Trend hin zur ratingbasierten Marktrisikobewertung aus. Dies änderte sich erst im Jahre 2007 mit Umsetzung der neu gefassten EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 2006/49/EG, infolge derer das deutsche Recht66 bei der Marktrisikobewertung nunmehr erstmals auf Ratings abstellte. Die einschlägige Nachfolgeregelung findet sich mittlerweile auf Ebene des Unionsrechts in der EU-CRR,67 welche diese Ratingbezugnahmen unverändert fortführt.68 b) Schweizer Recht: Starkes Abstellen auf Ratings für Zwecke der Marktrisikobewertung Das schweizerische Bankenaufsichtsrecht übernahm die Regelungen des geänderten Basel I-Akkords im Jahre 199769 und setzte Ratings seitdem bei der Bewertung des „spezifischen Risikos“70 im Rahmen des Marktrisiko-Standardverfahrens für Zinsinstrumente ein. Die erforderlichen Eigenmittel für das spezifische Risiko von Zinsinstrumenten berechneten sich dabei abgestuft nach Klassen, in welche die Zinsinstrumente aufgeteilt wurden.71 Die einschlägige Bankenverordnung (BankV)72 übernahm in diesem Zusammenhang zunächst für die „qualifizierten Zinsinstrumente“ (zu unterlegen mit lediglich 2,5% Eigenmitteln) die ratingbasierte Definition des revidierten Basel I-Akkords73 in das schweizerische Recht und verlangte damit ein „investment grade“ als notwendige Bonität,74 fügte darüber hinaus aber noch zwei weitere – als solche nicht im Basel I-Akkord vorgesehene – Ratingbezugnahmen hinzu: Zum einen schuf sie die Kategorie der „High Yield-Zinsinstrumente“, die Schuldtitel mit einem „Rating wie ‚Caa‘, ‚CCC‘ oder tiefer“ umfasste75 und für Zwecke der Eigenmittelunterlegung mit 10% viermal höher gewichtet wurde als qualifizierte Zinsinstrumente.76 Eine solche gesonderte Klassifizierung von Ti-
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§§ 294 ff. SolvV a.F. Die Regelungen dieser Verordnung gelten seit dem 1. Januar 2014. 68 In Artt. 336 ff. EU-CRR. 69 Vgl. Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 120. 70 Das Begriffsverständnis entsprach dabei demjenigen nach „Basel I“; vgl. Bingert/Heinemann, in Basler Komm., Art. 4 BankG Rn. 82. 71 „Sonstige Zinsinstrumente“ wurden nach Art. 12m Abs. 2 BankV a.F. mit einem Satz von 8% belegt. 72 Näher konkretisiert wurden die Vorgaben der BankV durch das EBK-Rundschreiben 97/1 Eigenmittelunterlegung Marktrisiken vom 22.10.1997 (mit späteren Änderungen), Rn. 29 ff. Das Rundschreiben wurde zum 31. Dez. 2007 aufgehoben und durch EBK-Rundschreiben 06/2 Marktrisiken vom 29.9.2006 ersetzt. 73 Siehe dazu schon oben II. 74 Art. 14 lit. f BankV a.F. Die Vorschrift enthielt allerdings in ihrer Nr. 3 eine Auffangnorm für Zinsinstrumente ohne Rating, die solchen mit einem Investment-Grade-Rating vergleichbar sind, und machte damit von der im Basel I-Akkord vorgesehenen Möglichkeit eines Dispenses von der Ratinganknüpfung Gebrauch. 75 Art. 14 lit. g BankV a.F. 76 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 121. 67
§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)
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teln mit erheblich größerem Kursrisiko ließ „Basel I“ zwar zu,77 ohne bei ihrer Definition jedoch selbst auf Ratings abzustellen.78 Zum anderen ergänzte das Schweizer Recht die im Basel I-Akkord enthaltene Unterscheidung zwischen OECD- und Nicht-OECD-Staaten als Schuldner durch eine Bezugnahme auf das sovereign rating der Staaten – eine regulatorische Ratingverwendung, die in anderen Rechtsordnungen so nicht vorkam.79 In der schweizerischen Rechtsprechung hatten Rating-Agenturen bei Fragen der Eigenmittelunterlegung schon zuvor eine Rolle gespielt, nämlich im CS Holding-Entscheid des Schweizer Bundesgerichts aus dem Jahre 1990: In diesem Entscheid, in dem es um die Reichweite der Gruppen- und Konglomeratsaufsicht in Eigenmittelfragen ging, stellt das Bundesgericht fest, dass die unterschiedliche Einstufung der Schweizerischen Kreditanstalt (Credit Suisse) und ihrer (deutlich schlechter gerateten) U.S.-amerikanischen Schwestergesellschaft CS First Boston durch die internationalen Rating-Agenturen nicht bedeute, dass es an einem faktischen Beistandszwang i.S. des § 12 BankV fehle; aus dem Bericht der Rating-Agentur Moody’s gehe vielmehr klar hervor, dass die Bank- und Finanzgesellschaften der CS Holding-Gruppe eine wirtschaftliche Einheit bilden.80 Das Bundesgericht griff also schon zu diesem verhältnismäßig frühen Zeitpunkt auf Ratings zurück, um Regelungen des schweizerischen Bankenaufsichtsrechts in ihrer Anwendung auf international tätige Banken zu konkretisieren.
Die oben beschriebenen schweizerischen Regelungen zur ratinggestützten Berechnung der Eigenmittelunterlegung für das spezifische Marktrisiko gelten bis heute fort, finden sich mittlerweile allerdings in der Eigenmittelverordnung (ERV).81 Die ursprünglich verwandte Kategorie der „High Yield-Zinsinstrumente“ fiel dabei weg und ging in der blasser benannten Kategorie der „Zinsinstrumente der Ratingklassen 6 oder 7“ (d.h. „B“ oder „CCC“/„Caa“) auf,82 für die nunmehr sogar 12% Eigenmittel vorgehalten werden müssen. c) U.S.-amerikanisches Recht: Bereits frühes Abstellen auf Ratings Auf die längste Tradition können ratingbasierte Eigenmittelanforderungen bei Banken in den U.S.A. zurückblicken, wo sie bereits in den 1930er Jahren eingeführt wurden83 und damit die weltweit erste Zuweisung einer Regulierungsfunk77 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Änderung der Eigenkapitalvereinbarung zur Einbeziehung der Marktrisiken (Januar 1996), sub. A.1 I, S. 11 f. 78 Vgl. Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28, 30: Ermessen der nationalen Behörden bzgl. der Einführung einer Sonderkategorie für „junk bonds“. 79 Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 3, 41. 80 BGer, 11.12.1990, BGE 116 Ib 331, 341 („CS Holding“). 81 Die Legaldefinition des „qualifizierten Zinsinstruments“ findet sich in Art. 4 lit. g ERV; die Berechnung der vorzuhaltenden Eigenmittel bestimmt sich nach Art. 84 Abs. 1 ERV i.V.m. Anh. 5 zur ERV. Detailfragen werden geregelt in FINMA, Rundschreiben 2008/20 Marktrisiken Banken vom 20.11.2008, Rn. 93 ff. sowie zuvor bereits im EBK-Rundschreiben 06/2 Marktrisiken vom 29.9.2006, Rn. 93 ff. 82 Vgl. Anh. 5 zur ERV sowie FINMA, Rundschreiben 2008/20 Marktrisiken Banken vom 20. November 2008, Rn. 94. 83 Dazu sogleich unter aa).
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
tion an Ratings markierten – zu einem Zeitpunkt, zu dem Rating-Agenturen in anderen Rechts- und Wirtschaftsordnungen noch kaum bekannt waren.84 In jüngerer Zeit setzte das U.S.-amerikanische Bankenrecht zudem die bereits beschriebenen Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht um,85 deren ratingbezogene Inhalte vielfach ohnehin auf Vorschläge der amerikanischen Aufsichtsbehörden zurückgingen. aa) Bedeutung von Ratings im Verfahren der aufsichtsbehördlichen Bankenzulassung (ab 1930) Das U.S.-amerikanische Bankenaufsichtsrecht wies von privaten Rating-Agenturen erteilten Bonitätsbeurteilungen erstmals im Jahre 1930 eine Rolle zu, die seitdem stetig an Bedeutung zugenommen hat. Zum damaligen Zeitpunkt existierten freilich noch keine gesondert normierten Eigenmittelanforderungen an Banken (diese wurden erst in den 1980er Jahren eingeführt);86 die Überwachung von Kreditinstituten wurde vielmehr über das behördliche Zulassungsverfahren vorgenommen, das Banken vor Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit zu durchlaufen haben. (1) Rating von Anleihen im Bankenportfolio und Beurteilung der finanziellen Lage der Bank Zu diesem Zweck verlangten die einschlägigen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen – die in den U.S.A. traditionell zersplittert und daher unübersichtlich sind, weil die Zuständigkeit für die Bankenaufsicht auf mehrere Behörden verteilt ist87 – für die Aufnahme in das Federal Reserve System, dass sich die betreffende Bank in einer guten finanziellen Lage (financial condition) befand88 und allgemeinen Anforderungen an Sicherheit und Zuverlässigkeit („safety and soundness“) genügte. Ein praktisch identischer Maßstab galt auch für die Zulassung von state banks. Die aufsichtsbehördliche Überprüfung der Eigenkapitalausstattung wurde nun im Rahmen der Anwendung dieser Generalklauseln durchgeführt,89 bei der man auf Ratings zur Bewertung der Anleihen im Portfolio der Bank zurückgriff: Nachdem das Federal Reserve Board im Jahre 1930 insoweit zunächst
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Allerdings hatten die U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen bereits in den 1920er Jahren über ihre Niederlassungen in London auch europäische, vor allem englische Anleihen geratet; vgl. oben § 3 II 1. 85 Dazu unten bb). 86 Conroy, 63 Fordham L. Rev. (1995), 2395, 2398; Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 11/2007, § 9.01[1]. 87 Dies beklagend etwa Macey/Miller/Carnell, Banking Law and Regulation, S. 70. 88 Federal Reserve Board, Regulation H: Membership of State Banks and Trust Companies, 1930, S. 5 (zitiert nach Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 26). Diese Vorschrift ist bis heute in der Regulation H (12 C.F.R. § 208.3(b)(1)) enthalten. 89 Malloy, Banking Regulation, § 2.03[B], § 7.02[B][2]; Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 11/2007, § 9.01[1]; vgl. auch Felsenfeld, Banking Regulation, S. 69.
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lediglich in einer internen Richtlinie auf Ratings verwiesen hatte,90 ordnete das United States Treasury Department sodann im folgenden Jahr durch den zuständigen Comptroller of the Currency an, dass von Banken gehaltene Anleihen künftig nur dann mit den Erwerbskosten angesetzt werden konnten, wenn sie über ein Rating von „BBB“ oder besser (nach heutiger Diktion also „investment grade“) verfügten.91 Schlechter geratete Anleihen mussten dagegen mit dem Marktwert angesetzt („mark to market“) und daher ggfs. teilweise abgeschrieben werden,92 was sich unmittelbar auf die finanzielle Lage der Bank auswirkte. Diese veröffentlichte Entscheidung stellte die erste Ratingbezugnahme durch eine staatliche Regulierungsbehörde dar und erregte damals erhebliches Aufsehen;93 es wurde sogar auf der ersten Seite des Wall Street Journal über sie berichtet.94
(2) Baldige Überlagerung durch ratingbasierte Anlagevorschriften Obwohl die beschriebene, auf Bundesebene geschaffene Regelung in der Folgezeit auch von zahlreichen Bankenaufsehern in einzelnen U.S.-Gliedstaaten übernommen wurde95 und damit in einer weithin geltenden, ratingbasierten Eigenmittelanforderung resultierte,96 wurde sie in ihrer praktischen Auswirkung bald von einer weiteren, ebenfalls auf Ratings Bezug nehmenden Regulierung überlagert: Bereits im Jahre 1935 wurde nämlich eine an anderer Stelle97 noch näher zu erläuternde Regelung erlassen, die einen Erwerb von Anleihen ohne „investment grade“-Rating durch Banken nunmehr einfach verbot und damit zur Folge hatte, dass die – weiterhin geltenden – Bewertungsregelungen faktisch nicht mehr zur Anwendung gelangen konnten. Sie stellte sich damit letztlich als bloßes Durchgangsstadium auf dem Weg zu einer noch intensiveren ratingbasierten Regulierung des U.S.-amerikanischen Bankenwesens dar.
90 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 687; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 70. 91 Entscheidung des Comptroller of the Currency J.W. Pole, undatiert (nach anderen Quellen erlassen am 11. September 1931); zitiert nach Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 26 f.; Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277. 92 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 6; Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 334 Fn. 232. 93 Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 27; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 687 f. 94 The Wall Street Journal vom 12. September 1931, S. 1 mit einem Beitrag unter dem Titel „75% of Bank Bond Valuations Safe“. 95 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 6; Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 27; Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 688. 96 Am 1. Juli 1938 einigten sich die U.S.-amerikanischen Bankenaufsichtsbehörden sogar formell auf einheitliche Richtlinien über die Bewertung von Bankenaktiva (Fed. Res. Bull. (July 1938), 563 ff.), deren Abschnitt „The Appraisal of Bonds in Bank Examinations“ maßgeblich auf Ratings abstellte; vgl. im Einzelnen Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 279 f. 97 Siehe § 7 I 1 a).
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bb) Ratings und Marktrisikobewertung nach „Basel I“ Nachdem 1983 eine Kompetenz zur direkten Festlegung von Eigenkapitalanforderungen geschaffen worden war,98 erließen die verschiedenen Bankenaufsichtsbehörden der U.S.A. – das Federal Reserve Board of Governors, das Office of the Comptroller of the Currency, die Federal Deposit Insurance Corporation und das Office of Thrift Supervision – schließlich sämtlich ausdrückliche Richtlinien zur Eigenkapitalausstattung,99 die mit dem Basel I-Akkord übereinstimmten100 und später auch dessen ratingbasierte Regelungen zur Marktrisikobewertung übernahmen.101 d) Hongkonger Recht: Abstellen auf „investment grade“-Rating für Zwecke der Marktrisikobewertung Im Gegensatz zu den vorstehend behandelten Rechtsordnungen blieb das Hongkonger Bankensystem lange Zeit praktisch unreguliert.102 Die Eigenmittelregeln des Basel I-Akkords werden in Hongkong – das selbst erst seit 2009 Mitglied im Basler Ausschuss ist – jedoch seit Ende 1989 befolgt,103 um dem internationalen Standard auf diesem Gebiet gerecht zu werden,104 und 1997 wurde trotz anfänglich skeptischer Einschätzungen105 auch die durch Änderung von „Basel I“ neu gefassten Eigenkapitalanforderungen durch eine Anpassung der Banking Ordinance in Hongkong umgesetzt.106 Auf dieser Grundlage nahm die Hong Kong Monetary Authority (HKMA) als zuständige Aufsichtsbehörde sodann die Implementierung der neuen Vorgaben vor,107 namentlich durch Erlass einer „Guideline on Maintenance of Adequate Capital against Market Risk“.108 Nach dieser 98 Nämlich durch den International Lending Supervision Act of 1983; vgl. Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 11/2007, § 9.01[3]. 99 Nämlich 12 C.F.R. Part 3, app. A (für national banks), 12 C.F.R. Part 208, app. A (für state member banks), 12 C.F.R. Part 225, app. A (für bank holding companies), 12 C.F.R. Part 325, app. A (für FDIC-insured state non-member banks) und 12 C.F.R. Part 567 (für savings associations). 100 Shenker/Colletta, 69 Tex. L. Rev. (1991), 1369, 1415; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1796. 101 Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 13.03[A]; Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 11/2007, § 9.01[4]. 102 Tokley, Banking Law, Stand: Issue 17, Kap. II Rn. 1: „randomly, and vastly, under-regulated“. 103 Hsu, Laws of Banking, S. 205; ders., 28 Law & Pol’y Int’l Bus. (1997), 649, 676; Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 260. 104 Vgl. Yam, BIS Review 116/2009, 1, 2: „As an international financial centre, Hong Kong must adopt international standards and best practices“. 105 Tokley, Banking Law, Stand: Issue 0, Kap. II Rn. 953. 106 Die Änderung betraf Schedule 7 Abs. 6 der Banking Ordinance. Vgl. die Einschätzung bei Tokley, Banking Law, Stand: Issue 6, Kap. III Rn. 1251: „One of the most important issues covered in the Banking Ordinance …“. 107 Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 3.34; Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 260. 108 HKMA, Guideline on Maintenance of Adequate Capital Against Market Risk vom 14. November 1997, geändert am 8. März 2002. Der Erlass dieser statutory guideline geschah auf Grundlage von Sec. 16(10) Banking Ordinance.
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Guideline wurden Papiere mit „investment grade“-Mindestrating nach Vorbild des geänderten Basel I-Akkords für Zwecke der Marktrisikoberechnung privilegiert;109 eine entsprechende Regelung findet sich (mit durch „Basel II“ weiter ausdifferenziertem Inhalt) im Hongkonger Recht bis heute.110
III. „Basel II“ 1. Der Basel II-Akkord und seine regulatorische Verwendung von Ratings Vor allem die im Text angesprochene Kritik an der „Grobschlächtigkeit“ des Basel I-Akkords, der die Schuldner der Bank ohne Ansehen ihrer konkreten Zahlungsfähigkeit in wenigen allgemeinen Kategorien zusammenfasste,111 führte Mitte der 1990er Jahre dazu, dass der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht die Vorbereitungen für eine Überarbeitung des Regelwerkes aufnahm.112 Ergebnis war der im Jahre 2005 schließlich verabschiedete Basel II-Akkord,113 der ab 2007 schrittweise zur Anwendung gelangte und als bedeutendste Änderung der Bankenregulierung seit Jahrzehnten114 eingestuft wurde. Das vorrangige Ziel von „Basel II“ war es, die Regulierung der Eigenmittelanforderungen der Banken stärker mit den tatsächlich eingegangenen ökonomischen Risiken in Einklang zu bringen.115 Aus Sicht des Ratings ist der Akkord dabei deshalb von großem Interesse, weil er zu diesem Zweck so entscheidend und umfassend auf die regulatorische Indienstnahme der Rating-Agenturen und ihrer Bonitätsbeurteilungen setzt, dass das Regelwerk allgemein als internationaler Durchbruch des Ratings als aufsichtsrechtliche Determinante116 angesehen wird: Im internationalen Schrifttum besteht daher weitgehende Einigkeit, dass infolge des Basel II-Akkords sowohl die Regulierungsfunktion des Ratings im Allgemeinen117 als auch, gleichsam im Sinne einer Wechselwirkung, seine originäre Markt109 Completion Instructions for the Return of Market Risk Exposures of an Authorized Institution incorporated in Hong Kong (Form MA(BS)3A (Rev. 98)), Tz. 23. 110 Nämlich in § 287(1) i.V.m. Table 28 Banking (Capital) Rules (Cap. 155L). 111 Statt vieler Caliari, 19 Transnat’l L. & Contemp. Probs. (2010), 145, 153. 112 Vgl. zur Entstehung des Basel II-Akkords im Einzelnen Wittig, ZHR 169 (2005), 212 ff. 113 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung (Nov. 2005) mit 284 Druckseiten. 114 Statt mancher Niedostadek, Rating, Rn. 31. 115 Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 3 Rn. 318; von Boehm-Bezing, WM 2000, 1001. 116 Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 33; ähnlich Kravitt/Maher/Klyman, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2001–1 Supplement, § 8.07[C][2][c][i]: „This is a revolutionary development“; Moloney, EC Securities Regulation, S. 689: „from the regulatory perspective, the most notable development“ hinsichtlich der Verwendung von Ratings; Haar, JZ 2008, 964, 969; Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 497; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 2; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 4. 117 Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 204; Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 24: „massive boost“ für die regulatorische Rating-
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informationsfunktion deutlich zunahm.118 In der ökonomischen Literatur wird ebenfalls (durchaus kritisch) konstatiert, durch „Basel II“ sei der Einfluss der Rating-Agenturen „geradezu zementiert“ worden.119
2. Die ratingbasierte Bewertung von Kreditrisiken unter „Basel II“ im Einzelnen Obwohl der Basel II-Akkord Ratings in ihrer Regulierungsfunktion auch weiterhin – wie schon das reformierte Basel I-Regelwerk120 – zur Bewertung des besonderen Marktrisikos nutzt, setzt er sie vorrangig zur Qualifizierung der Kreditrisiken von Banken ein. Eine zentrale Bedeutung121 kommt dem Rating durch anerkannte Rating-Agenturen dabei im Rahmen des sog. „Standardansatzes“ zu (dazu sogleich unter a)), während der alternative „Internal Rating Based Approach“ trotz seines insoweit missverständlichen Namens gar nicht auf Ratings im hier verwandten Sinne abstellt, sondern auf Bonitätseinschätzungen durch die regulierte Bank selbst (dazu unter b)). Die Wahl zwischen beiden Ansätzen liegt dabei bei dem einzelnen Kreditinstitut. Eine gesonderte, in besonders weitgehendem Maße ratingbasierte Regulierung erfährt schließlich die Eigenmittelunterlegung für Verbriefungen c)). a) Standardansatz: Die Maßgeblichkeit externer Ratings Der „Standardansatz“,122 der als „Herzstück“ des Basel II-Akkords eingestuft wird,123 greift zur Messung des Kreditrisikos, dem eine Bank ausgesetzt ist, maßgeblich auf Ratings zurück, die – da in Gestalt der Rating-Agentur von einem unabhängigen Dritten stammend – als „externe“ Ratings bezeichnet werden.124 aa) Externe Ratings als Risikogewichtung der Bankaktiva Diese Ratings werden dabei zum Zwecke der Risikobewertung der Aktiva der Bank eingesetzt, die nämlich nicht mehr (wie noch unter „Basel I“) mit ihrem einfachen Nennwert in die Eigenmittelberechnung eingehen, sondern nach ihrer 118 verwendung; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 474: Basel II „has expanded the quasi-regulatory role of major rating agencies“; Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 397; Lucas/Goodman/ Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 24; Meier, ST 2009, 945, 946; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 55. 136 Boos, BFuP 2005, 261, 262; Darbellay, Regulating Ratings, S. 50; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 51; Park/Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 203; Schalast, BKR 2006, 193, 194; Strunz-Happe, WM 2004, 115; dies., BFuP 2005, 231, 232; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 100; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347. 119 Gerke/Mager, BFuP 2005, 203. 120 Siehe dazu schon oben II. 121 Dies betont etwa Hertig, EBOR 2006, 625, 631. 122 Basel II-Akkord, Tz. 50 ff. 123 So Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293, 299. 124 Zur Unterscheidung zwischen „externen“ und „internen“ Ratings schon in § 2 IV 2.
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Ausfallwahrscheinlichkeit gewichtet werden: So müssen etwa Forderungen der Bank an Wirtschaftsunternehmen, die mit „AAA“ bis „AA–“ geratet sind, nur zu 20% mit der Eigenmittelquote von 8% unterlegt werden, während bei einem Rating von „A+“ bis „A–“ bereits 50%, bei „BBB+“ bis „BB–“ 100% und unterhalb von „BB–“ sogar 150% des Forderungsnennwerts zu unterlegen sind.125 Bei Forderungen an Unternehmen ohne externes Rating wird nach dem Standardansatz grds. ein Risikogewicht von 100% angesetzt.126 Die Bonitätsbeurteilung des Schuldners durch die Rating-Agentur entscheidet nach alledem also über den „Nenner“ der Eigenmittelquote der Bank.127 Ratingeinstufungen und, da es nach dem Standardansatz auf das jeweils aktuelle Rating ankommt, auch spätere Ratingänderungen wirken sich damit unmittelbar auf die aufsichtsrechtlichen Eigenmittelanforderungen an die Gläubigerbank aus und beeinflussen so mittelbar auch deren Kreditvergabe- und Investitionspolitik: Da eine höhere Eigenmittelunterlegung für die Bank höhere Kapitalkosten bedeutet,128 bestimmt das Rating eines Unternehmens nach dem Standardansatz maßgeblich über dessen Aussicht, von Bankenseite Kapital zu wirtschaftlich attraktiven Zinsen zu erhalten.129 Die Ratings welcher Rating-Agenturen für Zwecke der Basel II-Vorgaben verwendbar sind, hängt dabei von der aufsichtsbehördlichen Anerkennung der Rating-Agentur ab;130 Banken können also nicht ohne weiteres auf Ratings jeder Agentur zurückgreifen, sondern sind insoweit auf Ratings staatlich in ihrer Regulierungsfunktion anerkannter Agenturen beschränkt. Die Aufsichtsbehörden legen zudem fest, welche Ratingkategorien der anerkannten Rating-Agenturen welchen Risikogewichten des Standardansatzes („Bonitätsstufen“) entsprechen (sog. Mapping).131
bb) Kritik an der zentralen regulatorischen Bedeutung des Ratings Das Regelungsmodell des Standardansatzes des Basel II-Akkords weist auffällige strukturelle Ähnlichkeiten zu den oben erörterten132 Richtlinien auf, die in den U.S.A. in den frühen 1930er Jahren galten und bereits damals bei der Eigenmit125 Vgl. Basel II-Akkord, Tz. 66. Die einschlägigen Prozentzahlen (im Regelwerk bezeichnet als „Standardrisikogewicht“) unterscheiden sich von den im Text beispielhaft genannten Ziffern, sofern andere Forderungsschuldner (etwa Staaten oder Banken) betroffen oder Sicherheiten vorhanden sind. Siehe zur Behandlung von Forderungen gegen Staaten noch näher unter IV 3. 126 Wittig, ZHR 169 (2005), 212, 218; ders., in GS Bosch (2006), S. 293, 303 f. Aus Sicht der Ökonomie kritisch Altman/Saunders, 25 J. Banking & Fin. (2001), 25, 28: „… somewhat paradoxically …“. 127 Wittig, ZHR 169 (2005), 212, 215; ders., in GS Bosch (2006), S. 293, 297. 128 Kersting, ZIP 2007, 56; Kirstein, 21 Int. Rev. L. & Econ. (2002), 393, 394; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 432; Staudinger/Freitag, § 488 Rn. 200; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 8. 129 Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 2. 130 Siehe dazu noch unter 3. 131 Art. 136 EU-CRR (Art. 82 EG-Bankenrichtlinie i.V.m. Anh. VI Teil 2; § 54 SolV a.F.). Vgl. Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293, 300, 304. 132 Oben II 3 c) aa).
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
telregulierung von Banken an („externe“) Ratings anknüpften. Es überrascht daher nicht, dass die Einführung eines ratingbasierten Regelungsansatzes auch auf internationaler Ebene auf U.S.-amerikanische Vorschläge zurückgeht, die zur Folge hatten, dass in den ersten Regelungsentwürfen zum Basel II-Akkord fast ausschließlich auf externe Ratings abgestellt133 und bankeninterne Ratings nur sehr vorsichtig am Rande erwähnt wurden.134 Zwar verlangte der Standardansatz weder in seinen Entwurfsfassungen noch im schließlich angenommenen Text, dass sämtliche Schuldner einer Bank über ein Rating verfügen müssen (er sah und sieht vielmehr durchgehend eine Kategorie „ohne Rating“ vor, die zu 100% mit der 8%igen Eigenmittelquote zu unterlegen ist); eine gute Bonitätsbeurteilung durch eine anerkannte Rating-Agentur bleibt aber doch notwendige Voraussetzung für eine etwaige Reduktion dieser Eigenmittelanforderung. Dieser starke Fokus auf externe Ratings erfuhr scharfe Kritik von Seiten derjenigen Staaten (wie namentlich Deutschlands),135 in denen Ratings in ihrer Marktinformations- und Regulierungsfunktion bislang eine geringere Rolle spielen und daher nur wenige Unternehmen geratet sind,136 denn damit wären auch bonitätsstarke Unternehmen, deren Kreditwürdigkeit aber eben – wie vor allem bei mittelständischen Gesellschaften – nicht durch das Rating einer Rating-Agentur belegt ist, in die Kategorie der ungerateten Kreditnehmer gefallen und hätten daher im Ergebnis eine überhöhte Eigenmittelunterlegung erfordert.137 Um einen solchen Wettbewerbsnachteil zu vermeiden, wurde in Gestalt des IRB-Ansatzes eine alternative Risikogewichtungsmethode zugelassen, durch die das externe Rating seine ursprünglich zentrale Rolle im Basel II-Akkord teilweise wieder einbüßte. b) IRB-Ansatz: Die Maßgeblichkeit „interner“ Ratings Der erstmals im zweiten Konsultationspapier aus dem Jahre 2001 vorgesehene „Internal Rating Based Approach“ (IRB-Ansatz)138 gestattet es den Banken, zur Kreditrisikobewertung ihrer Forderungen auf sog. „interne Ratings“ zurückzu133 Kirstein, 21 Int. Rev. L. & Econ. (2002), 393, 394 spricht vom „Basle committee’s strong bias towards external ratings“. Kritisch von Boehm-Bezing, WM 2000, 1001. 134 So war die Nutzung „interner Ratings“ im ersten Konsultationspapier (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Konsultationspapier: Neuregelung der angemessenen Eigenkapitalausstattung (Juni 1999), Tz. 38) allein für „einige hochentwickelte Banken“ ins Auge gefasst worden; vgl. zu den Regelungsvorschlägen des ersten Konsultationspapiers im Einzelnen Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1813 ff. 135 Vgl. etwa Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schulte-Mattler, 2. Aufl., Basel II Rn. 35; Paetzmann, DB 2001, 493, 494; Sanio, in: Bankrechtstag 2003, S. 3, 8; von Boehm-Bezing, WM 2000, 1001; Zeitler, WM 2001, 1397, 1398. 136 von Boehm-Bezing, WM 2000, 1001: ca. 180 von insgesamt 3,2 Mio. deutscher Unternehmen. 137 Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. V Rn. 74; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1828 f. 138 Basel II-Akkord, Tz. 211 ff. Der Akkord unterscheidet dabei des Weiteren zwischen einem Basis- und einem fortgeschrittenen IRB-Ansatz; vgl. a.a.O., Tz. 245.
§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)
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greifen.139 Ein „internes“ Rating stellt dabei zwar dem Namen nach, nicht aber in der Sache ein Rating im hier verwandten Sinne dar, weil es sich um keine Bonitätsbeurteilung durch Dritte,140 sondern eine Bonitätseinschätzung durch die regulierte Bank selbst handelt. Der IRB-Ansatz steht im Rahmen des Basel II-Akkords zwar im Ausgangspunkt gleichberechtigt neben dem auf externe Ratings abstellenden Standardansatz.141 Seine Nutzung wird aber von deutlich strengeren rechtlichen Voraussetzungen abhängig gemacht,142 weil verhindert werden muss, dass die Verwendung interner Ratings zu einer „Selbstveranlagung“ der regulierten Kreditinstitute führt:143 Die Statuierung gesetzlicher Eigenmittelanforderungen erfolgt schließlich überhaupt nur deshalb, weil die Befürchtung besteht, dass Banken andernfalls mehr Kredite vergeben, als dies aus Sicht des Finanzsystems vertretbar ist.144 Die Notwendigkeit der aufsichtsbehördlichen Zulassung und Überwachung bankeninterner Ratingsysteme stellt insofern eine immanente strukturelle Schwäche des IRB-Ansatzes dar, deren versuchte Bewältigung mit einer erheblichen Regelungskomplexität erkauft wird. Die Erfahrungen in der globalen Finanzkrise 2007–09 weisen darauf hin, dass diese Risikobewältigung nur unzureichend glückte.145 Der Basel II-Akkord setzt neben der behördlichen Kontrolle auf eine Überwachung durch den Markt (bezeichnet als „Marktdisziplin“), die er durch Publizitätspflichten der Kreditinstitute zu befördern versucht: So sieht er als sog. Säule 3 des Regelwerks umfangreiche Offenlegungsanforderungen vor,146 die das Kreditinstitut u.a. zur regelmäßigen Veröffent139 Vgl. hierzu Hertig, EBOR 2006, 625, 628: „core innovation“; Sanio, in: Bankrechtstag 2003, S. 3, 8: „wahrhaft revolutionär“. 140 Vgl. zu diesem Merkmal § 2 IV. 141 Dies betonen Paetzmann, DB 2001, 493, 494; Volk, ZKredW 2004, 1258. 142 Meier, ST 2009, 945, 947: sehr strenge Voraussetzungen; Paetzmann, DB 2001, 493, 494. Kirstein, 21 Int. Rev. L. & Econ. (2002), 393, 404 kommt aus Sicht der Ökonomie zum Ergebnis, dass allein eine Möglichkeit der Aufsichtsbehörden zur Verhängung von (Geld-)Strafen dem Anreiz der Banken zur Erteilung übermäßig positiver „interner“ Ratings würde entgegenwirken können. 143 Kirstein, 21 Int. Rev. L. & Econ. (2002), 393, 404; Staudinger/Freitag, § 488 Rn. 200; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1835: „effectively handing the reigns of regulation over to the regulated banks themselves …“; Zeitler, WM 2001, 1397, 1398; vgl. auch Hertig, EBOR 2006, 625, 637 (zu „banks’ regulatory capital interest in tampering ratings“). Kritisch hingegen Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 12: „nicht nachvollziehbar“; ebenso Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 160 ff. 144 Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 320. 145 Aus schweizerischer Sicht mit scharfer Kritik an der Verwendung institutsspezifischer, finanzmathematischer Modelle FINMA, Finanzmarktkrise und Finanzmarktaufsicht, Bericht vom 14. September 2009, S. 37 f. Ein „Versagen“ der bankinternen Risikobewertungssysteme konstatiert auch Spindler, AG 2010, 601, 603; ähnlich Siekmann, DV 43 (2010), 95, 109; im ökonomischen Schrifttum die Überlegenheit der Regulierung durch externe Ratings nachweisend Kirstein, 21 Int. Rev. L. & Econ. (2002), 393, 406; a.A. Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 168 f. Zur Reform gerade des IRB-Ansatzes im Rahmen von „Basel III“ Manns/Schulte-Mattler, WM 2010, 1577, 1581. 146 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Transparenz im Bankwesen (Sept. 1998), S. 31: „Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht hält Transparenz im Bankwesen für äusserst wichtig.“ Der Umfang der Publizitätspflichten wurde allerdings im Laufe der Konsultationen gegenüber den ursprünglichen Entwürfen deutlich verringert; vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler/ Schulte-Mattler, 2. Aufl., Basel II Rn. 179.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
lichung qualitativer und quantitativer Informationen über sein Eigenkapital, die eingegangenen Risiken und seine Risikomanagementverfahren (einschließlich der verwandten internen Ratingmodelle), der Kreditrisikominderungstechniken und der Verbriefungstransaktionen verpflichten147 und bei Nutzung des IRB-Ansatzes als echte Rechtspflichten der Bank ausgestaltet sind, während ihnen nach dem Basel II-Akkord ansonsten nur der Status von Empfehlungen („moralischen Ermahnungen“) zukommen soll.148 Das Vertrauen auf die Marktdisziplin (sprachlich genauer: die Disziplinierung der Kreditinstitute durch den Markt) beruht auf der Erwartung, dass die Banken bei Offenlegung schlechter Daten von den Marktteilnehmern abgestraft werden.149 Die dabei implizit vorausgesetzte Annahme, die Marktteilnehmer könnten die offen gelegten Angaben aufnehmen und verarbeiten,150 muss bei Zugrundelegung der hier vertretenen These einer begrenzten Informationsaufnahmekapazität des „realen“ Marktteilnehmers151 allerdings bezweifelt werden, weil die konkret publizitätspflichtigen Informationen sich durch eine ganz erhebliche Komplexität auszeichnen und keine verständliche Codierung vorgeschrieben ist.152 Ob etwa die Offenlegung der Vorschriften und Verfahren für das bilanzielle und außerbilanzielle Netting und eine Angabe des Umfangs, in dem das Institut davon Gebrauch macht,153 der Vorschriften und Verfahren für die Bewertung und Verwaltung von Sicherheiten154 sowie gegebenenfalls in Bezug auf die internen Modelle für das zusätzliche Ausfall- und Migrationsrisiko und für Korrelationshandelsaktivitäten verwendeter Methoden und anhand eines internen Modells ermittelter Risiken, einschließlich einer Beschreibung der Vorgehensweise des Instituts bei der Bestimmung von Liquiditätshorizonten, sowie der Methoden, die verwendet wurden, um zu einer dem geforderten Soliditätsstandard entsprechenden Bewertung der Eigenmittel zu gelangen, und der Vorgehensweisen bei der Validierung des Modells155 für eine relevante Anzahl von Marktteilnehmern eine taugliche Grundlage für das mögliche „Abstrafen“ des betreffenden Kreditinstituts darstellt, erscheint durchaus fraglich.156 Im Ergebnis 147 Basel II-Akkord, Tz. 537 i.V.m. Tz. 808 ff. (Säule 3 des Akkords); übernommen in Artt. 431 ff. EU-CRR (Artt. 145 ff. i.V.m. Anh. XII EG-Bankenrichtlinie, in Deutschland umgesetzt durch § 26a Abs. 1 KWG i.V.m. §§ 319 ff. SolvV a.F.). 148 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schulte-Mattler, 2. Aufl., Basel II Rn. 182 f. 149 Avgouleas, ECFR 2009, 440, 443; Beck/Samm/Kokemoor/Schmieszek, Stand: Dez. 2008, § 26a KWG Rn. 6; Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Hillen, § 26a KWG Rn. 17; Schelm, in: Kümpel/ Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 2.231; Wiegand/Geiger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 99, 127; Wittig, ZHR 169 (2005), 212, 228. 150 So bezieht sich der zugrunde liegende Bericht (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Transparenz im Bankwesen (Sept. 1998), S. 9) auf „Geschäfte mit informierten und rational handelnden Gegenparteien am Markt“ und nimmt damit erkennbar die Diktion des überkommenen ökonomischen Rationalmodells auf (siehe zu diesem bereits § 5 III 1 a). 151 Siehe oben § 5 IV. 152 Beck/Samm/Kokemoor/Schmieszek, Stand: Dez. 2008, § 26a KWG Rn. 22: die SolvV gibt keine Struktur oder Gliederung für die Darstellung vor. Zur generellen Notwendigkeit eines adressatengerechten Zuschnitts gesetzlicher Publizitätspflichten siehe noch § 18. 153 Art. 453 lit. a EU-CRR (§ 336 Abs. 1 Nr. 1 lit. a SolvV a.F.). 154 Art. 453 lit. b EU-CRR (§ 336 Abs. 1 Nr. 1 lit. b SolvV a.F.). 155 Art. 455 lit. a ii) EU-CRR. 156 Vgl. in diese Richtung auch Avgouleas, ECFR 2009, 440, 458 f.; Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Transparenz im Bankwesen (Sept. 1998), S. 11: „die Risikobereitschaft einer Bank und die Qualität ihrer internen Kontrollen [sind] zentrale Elemente für die Risikobeurteilung; es kann jedoch schwierig sein, darüber aussagekräftige Informationen abzugeben und sie somit transparent zu machen“; Ohler, AfP 2010, 101, 102.
§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)
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dürfte die Geeignetheit des IRB-Ansatzes daher nur durch eine scharfe aufsichtsbehördliche Kontrolle sichergestellt werden können, deren praktische Durchführbarkeit allerdings durchaus fraglich erscheinen muss.
„Externen“, durch unabhängige Rating-Agenturen erstellten Ratings kommt im Anwendungsbereich des IRB-Ansatzes nach alledem nur eine marginale Bedeutung zu, soweit sie nämlich bei der Erstellung des bankinternen Ratings berücksichtigt157 oder nachträglich zur Kontrolle des internen Ratings verwandt werden.158 Letztere Art der Ratingverwendung gleicht im Übrigen der U.S.-amerikanischen Bankenpraxis der 1920er Jahre, als Ratings noch ebenfalls primär zur vergleichenden Überprüfung der bankinternen Bonitätsbeurteilungen herangezogen wurden.159 c) Eigenmittelunterlegung bei Verbriefungen: Die durchgehende Maßgeblichkeit externer Ratings Die Eigenmittelanforderungen für durch Banken gehaltene Verbriefungen (Asset-Backed Securities, Zins- und Devisenswaps, Kreditderivate und ähnliche Finanzinstrumente160) haben im Basel II-Akkord eine gesonderte Regelung161 erfahren, die in besonders weit reichendem Maße auf externe Ratings abstellt: Sie verpflichtet nämlich sowohl den Standardansatz verwendende wie auch den IRB-Ansatz einsetzende Banken gleichermaßen dazu, bei der notwendigen Risikogewichtung von Verbriefungspositionen „externe“ Ratings zugrunde zu legen (sog. Ratings-Based Approach).162 In der Praxis hat diese Regelung zur Folge gehabt, dass die Regulierungsfunktion des Ratings bei Verbriefungen auch für IRBBanken entscheidende Bedeutung besitzt.163 Dem durchgängigen Abstellen auf externe Ratings wird vorgeworfen, gegen ein Grundprinzip des Basel II-Akkords zu verstoßen, weil der IRB-Ansatz den Kreditinstituten ja eigentlich das durchgehende Ersetzen externer durch interne
157 Vgl. Basel II-Akkord, Tz. 411: „Ein externes Rating kann den wichtigsten Faktor für die Zuordnung zu einer internen Risikoklasse sein [sic].“ 158 Vgl. Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 880; Bauer, BB 2013, 363, 365; Korth, in: Brezski/Claussen/Korth, Rating – Basel II und die Folgen, S. 68. 159 Vgl. Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 69. 160 Zur (außerordentlich weiten) Definition des im Basel II-Akkord verwandten Verbriefungsbegriffs siehe daselbst, Tz. 541. 161 Basel II-Akkord, Tz. 538 ff. unter dem Abschnittstitel „Kreditrisiko – Regelwerk zur Behandlung von Verbriefungen“. 162 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 54 ff.; Litten/Cristea, WM 2003, 213, 217; Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber/Hofmann, §§ 235–237 SolvV Rn. 1. Etwas anderes gilt nur in den – praktisch sehr seltenen – Fällen, in denen für eine ABS-Tranche kein externes oder abgeleitetes Rating zur Verfügung steht, weil dann nach Basel II-Akkord, Tz. 609 auf die sog. aufsichtliche Formel (Supervisory Formula) oder den internen Bemessungsansatz (Internal Assessment Approach) zurückgegriffen werden darf. 163 Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675, 694.
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Ratings ermöglichen solle.164 Als Hintergrund des starken Ratingfokus wird ein Bestreben im Rahmen des Basler Ausschusses genannt, bei der Eigenmittelunterlegung von komplexen Finanzinstrumenten ein erhöhtes Maß an Objektivität und Standardisierung sicherzustellen165 – bei Verbriefungsrisiken wollten die Bankenaufsichtsbehörden den Banken also nicht gestatten, sich auf eigene Einschätzungen zu verlassen, weil man die zutreffende Risikobeurteilung aufgrund der Komplexität dieser Finanzinstrumente offenkundig für zu schwierig hielt,166 während man den Rating-Agenturen in dieser Hinsicht eher vertraute.167 Man schloss sich damit der Einschätzung am Markt für Verbriefungen an,168 wo Ratings als unverzichtbare Marktinformation und faktische Marktzugangsvoraussetzung angesehen werden.169 Kritik wurde an der Regulierungsfunktion des Ratings im Verbriefungssektor schon bald mit der Begründung geübt, dass Ratingkürzel die zugrunde liegenden Bewertungsprozesse nicht ausreichend widerspiegeln170 und die Rating-Agenturen gerade bei der Bewertung strukturierter Finanzprodukte ganz unterschiedliche Methoden verwenden.171 Der Basel II-Akkord versucht dem dadurch Rechnung zu tragen, dass er – anders bei den Eigenmittelvorgaben für „einfache“ Forderungspositionen – ausschließlich öffentlich zugängliche Ratings genügen lässt,172 um damit sicherzustellen, dass deren Angemessenheit (jedenfalls potentiell) durch die Marktöffentlichkeit kontrolliert werden kann. Problematischer erscheinen einzelne Details der rechtlichen Ratingbezugnahmen, namentlich der aggressive Einsatz der „investment grade“-Schwelle: Aggressiv deshalb, weil ein Unterschreiten dieser Ratingschwelle nach den Basel II-Regeln einen geradezu sprunghaften Anstieg der Eigenmittelanforderungen auslöst, indem das Risiko-
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Litten/Cristea, WM 2003, 213, 219 Fn. 67. So Litten/Cristea, WM 2003, 213, 219 Fn. 67. 166 So ausdrücklich die U.S.-amerikanischen Aufsichtsbehörden in Release „Risk-Based Capital Standards: Advanced Capital Adequacy Framework – Basel II“ (Final Rule), 72 FR 69288, 69357 (7. Dez. 2007); aus dem Schrifttum Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 13.03[B][1][c]. 167 In diesem Sinne auch nach der globalen Finanzkrise 2007–09 Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2010, S. 119: „Zudem scheinen die Ratingagenturen derzeit bei der Bewertung von Verbriefungen – trotz aller Mängel, die in der Finanzkrise zutage getreten sind – noch von ihrer längeren Erfahrung und ihrem besseren Zugang zu Details über die verbrieften Forderungen gegenüber den internen Bewertungsmodellen der Banken zu profitieren.“ 168 Basel II-Akkord, Tz. 565 lit. c: „Anerkannte Ratingagenturen verfügen über ausgewiesenes Fachwissen für die Beurteilung von Verbriefungen, wofür z.B. eine starke Marktakzeptanz spricht“; Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675, 678. 169 Siehe dazu noch näher in § 10. 170 Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675, 691. 171 Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675, 691. 172 Basel II-Akkord, Tz. 565, in Deutschland bis 2013 umgesetzt in § 237 Abs. 2 Nr. 3 SolvV a.F. Die lediglich kostenpflichtige Zugänglichkeit des Ratings soll dessen „öffentliche“ Zugänglichkeit dabei nicht ausschließen (so Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber/Hofmann, §§ 235–237 SolvV Rn. 6). 165
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gewicht von 100%173 auf 350%174 bzw. 250%,175 425%176 und sogar 650%177 empor schnellt.178 Da zudem auf Ratings im „non-investment grade“-Bereich überhaupt nur durch unverbundene Investoren abgestellt werden darf, während Originatoren (d.h. ursprünglich kreditgebende Banken) alle zurückbehaltenen Verbriefungspositionen unterhalb des „investment grade“ vollständig vom Kapital abziehen müssen179 (was einem Bonitätsgewichtungsfaktor von 1.250% entspricht180), besteht die Gefahr, dass die regulatorische Ratingbezugnahme zu einem „credit cliff“-Effekt181 führt, der die Stabilität des Finanzmarkts insgesamt zu beeinträchtigen vermag.182 In jüngerer Zeit ist neben die beschriebenen Kritikpunkte, die sich auf Detailfragen der Ratingverwendung in diesem Bereich beziehen, ein genereller Zweifel getreten, ob Rating-Agenturen gerade bei der Behandlung von Verbriefungen regulatorisch in Dienst genommen werden sollten: Die negativen Erfahrungen mit den Ratings insbesondere strukturierter Finanzinstrumente während der globalen Finanzkrise 2007–09 mahnen erkennbar zur Vorsicht und haben im Basler Ausschuss zum Entschluss geführt, die geltenden „Basel II“-Regelungen zur Behandlung von Verbriefungen künftig grundlegend zu überarbeiten.183
3. Erfordernis der staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen als Voraussetzung für die regulatorische Ratingverwendung Der vielleicht wichtigste Einfluss des Basel II-Akkords auf die Regulierungsfunktion des Ratings dürfte allerdings darin liegen, dass er auf internationaler Ebene erstmals das Erfordernis einer staatlichen Anerkennung von RatingAgenturen aussprach. Er trug damit dem Gedanken Rechnung, dass durch die umfangreichen regulatorischen Bezugnahmen auf „externe“ Ratings entscheidende Teile der aufsichtsrechtlichen Eigenmittelberechnung an private Dritte de173 Bei einem „BBB–“-Rating, d.h. im unteren „investment grade“-Bereich (sowohl nach dem Standard- wie nach dem IRB-Ansatz); Basel II-Akkord, Tz. 567, 615. 174 Bei einem „BB+“-Rating (nach dem Standardansatz); Basel II-Akkord, Tz. 567. 175 Bei einem „BB+“-Rating (nach dem IRB-Ansatz); Basel II-Akkord, Tz. 615. 176 Bei einem „BB“-Rating (nach dem IRB-Ansatz); a.a.O. 177 Bei einem „BB–“-Rating (nach dem IRB-Ansatz); a.a.O. Zur stärkeren Spreizung der Risikogewichte im IRB-Ansatz vgl. Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber/Hofmann, §§ 255–258 SolvV Rn. 19. 178 Kritisch zu dieser „exponentiellen“ Steigerung (freilich vor allem aus Kostenerwägungen) Litten/Cristea, WM 2003, 213, 220. 179 Basel II-Akkord, Tz. 569 f. 180 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schulte-Mattler, 2. Aufl., Basel II Rn. 24. Vgl. EBA, EIOPA and ESMA, Joint Consultation Paper on Mechanistic references to credit ratings (7 Nov. 2013), S. 30: „Institutions have a strong incentive to use external ratings because unrated securitisation positions will receive a 1.250% risk weight, subject to some limited exemptions.“ 181 Dazu § 16 III 2, IV 2, § 17 IV. 182 Vgl. Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 2. 183 Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 15. Im Rahmen von „Basel III“ wurden die bisherigen Regeln dagegen insoweit zunächst im Wesentlichen beibehalten; siehe noch näher unter 4.
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legiert werden und dieser Schritt es erforderlich macht, die Anforderungen an taugliche Delegationsempfänger aufsichtsrechtlich zu regeln und zu kontrollieren.184 Die damit in den Blick genommene, formale staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke der regulatorischen Indienstnahme von Ratings stellt eine wichtige prozedurale Absicherung der Regulierungsfunktion des Ratings dar. Sie war als solche weder im Basel I-Akkord noch in der EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG vorgeschrieben185 und auch in drei der vier hier untersuchten Rechtsordnungen – Deutschland, der Schweiz und Hongkong – bis zur Umsetzung des Basel II-Akkords nicht vorgesehen. Das Bedürfnis nach einer staatlichen Anerkennung der Rating-Agentur als Voraussetzung für die Regulierungsfunktion ihrer Ratings resultiert dabei zum einen daraus, dass der Einsatz von Ratings als Bestandteil staatlicher Rechtsnormen zur Folge haben kann, dass die Kontrollmechanismen des Marktes – welche bei der originären Marktinformationsfunktion des Ratings noch ausreichen mögen – keine hinreichende Qualitätssicherung mehr bewirken, weil der Anreiz zur Reputationserhaltung nur noch eingeschränkt wirkt.186 Zum anderen bewirkt die Ratingverwendung im Eigenmittelrecht der Banken, dass Ratings nicht nur über die Finanzierungsoptionen eines gerateten Unternehmens am Kapitalmarkt, sondern auch über die Verfügbarkeit von Bankdarlehen entscheiden – die dadurch erzeugte, umfassende Bedeutung des Ratings für die Unternehmensfinanzierung, die entscheidend auf dessen Regulierungsfunktion im Eigenmittelrecht zurückgeht, lässt ihrerseits eine Auswahl und Kontrolle der Rating-Agenturen durch die regulierende Stelle notwendig erscheinen.187
Der Basel II-Akkord sieht daher vor, dass für die Berechnung der Eigenmittelanforderungen nur „externe“ Ratings solcher Rating-Agenturen eingesetzt werden dürfen, die als „External Credit Assessment Institution“ (ECAI) anerkannt sind.188 Der Akkord spricht die Anerkennung allerdings nicht selbst aus, sondern bestimmt lediglich, dass diese durch die nationalen Aufsichtsbehörden erfolgen muss189 (die Anerkennung einer Rating-Agentur „am Markt“ reicht also allein nicht aus190) und beschränkt sich im Übrigen auf die Aufzählung zentraler Anerkennungskriterien, wie namentlich Objektivität, Unabhängigkeit, internationale Zugängigkeit der Ratings und Transparenz hinsichtlich der Ratingmethodik, Offenlegung bestimmter Informationen durch die Rating-Agentur, ausreichende 184 In diesem Sinne Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 321; Pfenninger/Bürgi, ST 2004, 290, 293: nunmehr seien „staatliche Regulierungsfesseln“ nötig; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 4. 185 Der 1996 geänderte Basel I-Akkord verwies (ohne nähere Konkretisierung) auf von der nationalen Aufsichtsbehörde „bestimmte“ Rating-Agenturen, während Art. 2 Nr. 12 Unterabs. 2 EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG allgemein von durch die zuständigen Behörden „anerkannten“ Rating-Agenturen sprach. 186 Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 321 f. 187 Vgl. Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 321. 188 Basel II-Akkord, Tz. 90. 189 Strunz-Happe, WM 2004, 115, 116. 190 Dagegen stellte das U.S.-amerikanische Aufsichtsrecht noch bis 2006 allein auf die Anerkennung durch die Marktteilnehmer ab; vgl. näher § 23 II 3 a) aa).
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Ressourcen sowie Glaubwürdigkeit.191 Obgleich die Kriterien dieses Katalogs sich durch eine erhebliche Abstraktionshöhe auszeichnen, haben sie – wie noch zu zeigen sein wird192 – zumindest zu einer gewissen internationalen Einheitlichkeit der Anerkennungsmaßstäbe beigetragen. Die vom Basel II-Akkord vorgesehene staatliche Anerkennung bestimmter Rating-Agenturen bezieht sich dabei im Ausgangspunkt allein auf die Ratingverwendung für Zwecke des Eigenmittelregimes des harmonisierten Bankenaufsichtsrechts, ohne etwas über eine Anerkennung auch für andere Regulierungszusammenhänge auszusagen;193 die anerkennenden Aufsichtsbehörden wollen durch eine ausgesprochene Anerkennung zudem naturgemäß keine staatliche Gewähr für die Richtigkeit und Qualität der Ratings übernehmen.194 Die im Basel II-Akkord niedergelegten, auf internationale Vorarbeiten zurückgehenden Anerkennungsvoraussetzungen sind allerdings allgemeiner Natur und werden daher als guter Ansatzpunkt für die generelle Beurteilung der Güte externer Ratings angesehen;195 sie haben daher auch über den Bereich des Bankenaufsichtsrechts hinaus Vorbildfunktion erlangt.
4. Begrenzte Änderungen durch „Basel III“ Obwohl die Rating-Agenturen im Nachgang zur globalen Finanzkrise 2007–09 wegen der mangelnden Verlässlichkeit ihrer Bonitätseinstufungen heftig kritisiert wurden,196 ließ die Reform des Basler Eigenmittelregimes ab den Jahren 2010/11 („Basel III“) die regulatorische Verwendung externer Ratings als solche unberührt.197 Die Basel III-Empfehlungen zu Eigenmittelanforderungen, die kein neues umfassendes Regelwerk darstellen, sondern im Stil eines Änderungsgesetzes punktuelle Modifikationen am weiterhin fortbestehenden Basel II-Akkord vornehmen,198 beschränken sich hinsichtlich der Ratingverwendung vielmehr auf 191 Basel II-Akkord, Tz. 91. Durch „Basel III“ wurden die Anforderungen an die internationale Zugänglichkeit/Transparenz und an die geforderte Offenlegung geringfügig erweitert (siehe Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 120). 192 Siehe unten § 23 III. 193 Meier, ST 2009, 945, 946. 194 Meier, ST 2009, 945, 946. 195 Boos, BFuP 2005, 273 f. 196 Siehe dazu schon § 3 III 2. 197 Vgl. EBA, EIOPA and ESMA, Joint Consultation Paper on Mechanistic references to credit ratings (7 Nov. 2013), Tz. 30; Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50, 55; Manns/SchulteMattler, WM 2010, 1577, 1581. Das Basel III-Regelwerk führte sogar neue ratingbasierte Regelungen ein; vgl. etwa Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 99 (zur standardisierten CVA-Risikokapitalanforderung nach dem neu gefassten Basel II-Akkord, Tz. 104, bei deren Berechnung auf externe Ratings abgestellt wird), a.a.O., Tz. 111 (zu den aufsichtsrechtlichen Haircuts für Sicherheiten bei Verbriefungstransaktionen nach der neuen Fassung des Basel II-Akkords, Tz. 151, deren Höhe sich nach externen Ratings richtet), oder Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013), Tz. 52 ff. (zu neuen Vorgaben für die Bankenliquidität, die ebenfalls ratingabhängig ausgestaltet sind; zu diesen noch § 7 II 1 a)). 198 Schulte-Mattler/Manns, WM 2011, 2069.
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Detailänderungen199 wie eine geringfügige Ergänzung der Anerkennungsvoraussetzungen für ECAI200 oder die Vorgabe an Banken, auch hinsichtlich extern gerateter Forderungen zusätzliche eine eigene Risikobewertung vorzunehmen.201 Grundlegende Reformen etwa der besonders stark ratingabhängigen Eigenmittelanforderungen für Verbriefungen oder anderer Ratingverwendungen erfolgten dagegen einstweilen nicht.202
5. Umsetzung und praktische Relevanz der ratingspezifischen Regelungen des Basel II/III-Akkords in den einzelnen Rechtsordnungen Da die Regelungen des Basler Akkords als solche keine bindende Wirkung entfalten,203 hängt die Bedeutung der darin angelegten Regulierungsfunktion des Ratings letztlich von deren Übernahme in die nationalen Rechte ab. In dieser Hinsicht ist zum einen von Interesse, inwieweit die Empfehlungen von „Basel II/III“ tatsächlich in geltendes Recht umgesetzt wurden, und zum anderen, in welchem Umfang die Banken in den verschiedenen Staaten tatsächlich vom ratingbasierten Standardansatz Gebrauch machen. Der Befund in den hier untersuchten Rechtsordnungen ist insofern uneinheitlich:204 a) Deutschland Für Deutschland wie auch die übrigen Mitgliedstaaten der EU wurde die Übernahme der „Basel II“-Vorgaben von vornherein vorrangig auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene geleistet, wo zunächst durch zwei EG-Richtlinien205 ein EUweit fast einheitliches Eigenmittelregime für Banken geschaffen wurde, das dem nationalen Gesetzgeber kaum Handlungsspielräume beließ.206 Die ratingbezogenen Regelungen waren, soweit sie das Kreditrisiko betreffen,207 Gegenstand der EG-Bankenrichtlinie, deren Vorgaben durch § 10 KWG sowie vor allem die Sol199
Vgl. Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 118 ff. Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 120; siehe dazu schon oben unter 3. 201 Basel II-Akkord, Tz. 733 in der Neufassung durch „Basel III“ (es handelt sich bei dieser Vorgaben um einen Bestandteil der Säule 2 des Basel II-Akkords, der Grundsätze des aufsichtlichen Überprüfungsverfahrens aufstellt, und nicht – wie die übrigen Eigenmittelanforderungen – der Säule 1). 202 Vgl. Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 15. 203 Oben II 1 a). 204 Vgl. allgemeiner The Joint Forum, Stocktaking on the use of credit ratings (June 2009), S. 3: „Basel II serves as the foundation for the use of credit ratings in a significant number of member jurisdictions.“ 205 Nämlich die EG-Bankenrichtlinie 2006/48/EG und die (damals neu gefasste) EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 2006/49/EG. 206 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 12; Mielk, WM 2007, 52. 207 Die Regelungen zum spezifischen Marktrisiko fanden sich hingegen in der neu gefassten EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 2006/49/EG, die in erheblich weiter gehendem Maße als in ihrer Ursprungsfassung von 1993 (zu dieser oben II 2) auf Ratings abstellte und insoweit im deutschen Recht in §§ 294 ff. SolvV a.F. umgesetzt wurde. 200
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vabilitätsverordnung (SolV) umgesetzt wurden. Der Standardansatz des Basel IIAkkords wurde darin als „Kreditrisiko-Standardansatz (KSA)“208 bezeichnet; die an anderer Stelle209 noch zu behandelnden Bestimmungen zur aufsichtsrechtlichen Anerkennung von Rating-Agenturen, die sich eng am Muster des Basler Akkords orientierten, fanden sich in §§ 52 ff. SolvV a.F. Die praktische Anwendung der umgesetzten „Basel II“-Regelungen war in Deutschland stark durch die skeptische Haltung gegenüber dem ratingbasierten KSA geprägt, die bereits während der Entwicklung des Basel II-Akkords offenkundig geworden war und überhaupt erst zur Einführung des IRB-Ansatzes geführt hatte:210 So wurde im Schrifttum fast einheitlich davon ausgegangen, dass Kreditinstitute in Deutschland im Regelfall interne Ratings verwenden würden,211 und nur vereinzelt wurde der KSA als mehrheitlich benutzte Messmethode benannt.212 Verlässliches Zahlenmaterial fehlt bislang, weil der IRB-Ansatz erst nach aufsichtsbehördlicher Genehmigung eingesetzt werden darf und zahlreiche Genehmigungsverfahren noch andauern.213 Es wird aber überwiegend konstatiert, dass der Basel II-Akkord in Deutschland im Ergebnis weder die Bedeutung des externen Ratings für die Risikogewichtung wesentlich erhöht214 noch zum erhofften Entstehen eines „nationalen Ratingmarktes“ geführt hat.215 Die in der EU mit Wirkung zum 1. Januar 2014 erfolgte Umsetzung der „Basel III“-Neuerungen brachte sodann eine weitere Verlagerung nationaler Kompetenzen auf die unionsrechtliche Ebene, weil die ratingbezogenen Regelungen sich seitdem nicht länger in der (umsetzungsbedürftigen) EG-Bankenrichtlinie,216 sondern in der unmittelbar anwendbaren217 EU-CRR finden. Die re208
§§ 24 ff. SolvV a.F. Siehe § 23 II 1, 2. 210 Vgl. bereits oben im Text unter III 2 a) bb). 211 Brocker, in: Derleder/Knops/Bamberger, § 65 Rn. 30; Claussen, in: Brezski/Claussen/ Korth, Rating – Basel II und die Folgen, S. 10; Däubler, BB 2003, 429; Ehlers, ZInsO 2006, 510; Horn, BKR 2008, 452, 459; Korth, in: Brezski/Claussen/Korth, Rating – Basel II und die Folgen, S. 60. 212 Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber/Höhl, §§ 24–54 SolvV Rn. 105; in diese Richtung auch Mielk, WM 2007, 52, 54. 213 Nach dem Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2012, S. 148 f. ermittelten zum Jahresende 2012 49 Institute und Institutsgruppen ihre Eigenkapitalanforderungen für Adressrisiken anhand zugelassener interner Ratingsysteme; diese Zahl ist seit 2008 praktisch unverändert geblieben. Die Berichte der BaFin machen keine Angaben zur hier interessierenden Frage, wie sich diese Zahl zur Gesamtzahl der Kreditinstitute in Deutschland verhält. Vgl. aber EBA, EIOPA and ESMA, Joint Consultation Paper on Mechanistic references to credit ratings (7 Nov. 2013), S. 29, wo der Standardansatz als „widely used among European banks“ bezeichnet wird. 214 Horn, BKR 2008, 452, 459; Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293, 312. Dagegen gehen MeehBunse/Sattler, DB 2012, 1449, 1452 von einer vergleichbaren praktischen Bedeutung des KSA und der beiden IRB-Ansätze aus. 215 Meister, BFuP 2005, 263. 216 Die EG-Bankenrichtlinie 2006/48/EG wurde zum 31. Dez. 2013 aufgehoben und durch die EU-CRR sowie die EU-CRD IV ersetzt. 217 Art. 288 Abs. 2 AEUV. 209
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gulatorische Rolle externer Ratings erfuhr dadurch jedoch keine wesentlichen Änderungen.218 Die Anerkennung von Rating-Agenturen als ECAI219 wie auch deren laufende Überwachung obliegt nunmehr ebenfalls europäischen Behörden, nämlich der ESMA und der EBA.220 b) Schweiz Die Schweiz übernahm die Bestimmungen des Basel II-Akkords einschließlich deren Änderungen durch „Basel III“ ebenfalls fast durchgehend in ihr nationales Recht, und zwar auf untergesetzlicher Ebene durch Erlass bzw. Neufassung der Eigenmittel- und Risikoverteilungsverordnung (ERV) des Bundesrates.221 Sie orientierte sich dabei sowohl in inhaltlicher222 wie zeitlicher Hinsicht223 an der EU, setzte aber etwa dadurch eigene Akzente, dass sie im „internationalen Standardansatz“ (SA-BIZ)224 die Regelungen des Basel II-Akkords zur ratingbasierten Kreditrisikoberechnung zwar vollständig widerspiegelt,225 aber mit höheren Eigenmittelquoten verknüpft. Der anfänglich noch daneben bestehende „Schweizer Standardansatz“ (SA-CH),226 der ebenfalls auf externen Ratings beruhte, aber andere Risikogewichte als „Basel II“ verwendete,227 wurde zwischenzeitlich abgeschafft. Im Vergleich zu Deutschland kommt den ratingbasierten Bewertungsansätzen in der Schweiz dabei eine erheblich größere praktische Bedeutung zu:228 Die große Mehrheit der in der Schweiz tätigen Banken verwendet die Standardansätze,229 während der IRB-Ansatz nur von einzelnen großen Kreditinstituten – darunter den beiden Schweizer Großbanken – genutzt wird.230 Vor diesem Hintergrund ist auch die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen, die in Art. 64 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 ERV geregelt wird,231 für die schweizerische Praxis wichtiger. 218
Bauer, BB 2013, 363, 365. Siehe noch näher in § 23 II 1 b) bb). 220 Vgl. nur Art. 138 Abs. 1 EU-CRR. 221 Die Regelungen der ERV werden für Fragen der Kreditrisikobewertung konkretisiert durch das FINMA-Rundschreiben 2008/19 Kreditrisiken Banken vom 20. Nov. 2008 in der Fassung vom 18. Sept. 2013. 222 Vgl. Zulauf, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 27, 36 f. 223 Nobel, ZBB 2008, 129, 132; Sigrist, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 1, 8. 224 Artt. 50 Abs. 1 lit. a, 63 ff. i.V.m. Anh. 1–4 ERV. 225 Sigrist, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 1, 9. 226 Artt. 38 Abs. 1 lit. a, 53 Abs. 1 i.V.m. Anh. 2 ERV a.F. 227 Vgl. Bingert/Gmür/Heinemann, in Basler Komm., Art. 12 BEHG Rn. 86. 228 Diesen Unterschied betont Zulauf, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 27, 37. 229 So der Befund in Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Regulatory Consistency Assessment Programme (RCAP): Assessment of Basel III regulations – Switzerland (Juni 2013), S. 6: Zur Messung von Kreditrisiken setzen 267 Schweizer Banken den Standardansatz und nur sechs (allerdings große) Banken den IRB-Ansatz ein. 230 Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 3 Rn. 328; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 11; Zulauf, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 27, 34 f. 231 Eine Konkretisierung der Anerkennungsvoraussetzungen erfolgte durch das FINMARundschreiben 2012/1 Ratingagenturen vom 1. Jan. 2012 in der Fassung vom 1. Juni 2012; siehe dazu im Einzelnen noch § 23 II 4. 219
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c) U.S.A. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass durch Rating-Agenturen erteilte Ratings in den Vereinigten Staaten sowohl als Marktinformation als auch, wie im Laufe der Untersuchung noch deutlich werden wird, als Bestandteil rechtlicher Regelungen traditionell eine größere Verbreitung besitzen als in allen anderen hier untersuchten Rechtsordnungen, muss überraschen, dass die stark auf Ratings verweisenden Eigenmittelregelungen des Basler Akkords in den U.S.A. zunächst nur sehr eingeschränkt232 und seit der „Basel III“-Umsetzung sogar gar nicht mehr233 übernommen wurden. aa) Vor „Basel III“: Verwendung von Ratingbezugnahmen nur im IRB-Ansatz (Verbriefungen) Dieser Befund fand seinen Grund anfänglich darin, dass der ratingbasierte „Standardansatz“ des Basel II-Akkords in den U.S.A. nicht in geltendes Recht umgesetzt wurde.234 Die U.S.-amerikanischen Aufsichtsbehörden beschränkten sich nämlich nach Erlass von „Basel II“ trotz vielfach geäußerter Kritik235 zunächst auf die Übernahme des IRB-Ansatzes und schrieben auch dessen Anwendung nur für große, international tätige Banken vor,236 während es für alle anderen Kreditinstitute einstweilen bei der Geltung der inhaltlich noch auf „Basel I“ beruhenden Eigenmittelrichtlinien237 blieb. Freilich spielten „externe“ Ratings in den U.S.A. bei der Eigenmittelregelung für Banken gleichwohl eine Rolle, weil zum einen die autonom geschaffenen Eigenmittelrichtlinien – insofern in Abweichung von „Basel I“, und bereits vor „Basel II“ – in beschränktem Umfang auf Ratings Bezug nahmen238 und zum anderen Ratings auch über den IRB-Ansatz Bedeutung zukam, soweit es nämlich um die Risikogewichtung von Verbriefungspositionen ging.239 Anstatt ein gesondertes Anerkennungsregime nach dem Vorbild des Basel IIAkkords zu schaffen, knüpfte das U.S.-amerikanische Recht zu diesem Zweck an die im
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Dazu unter aa). Unter bb). 234 Benmelech/Dlugosz, NBER Macro Annual 2009, 161, 165; Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 11/2007, § 9.01[9]. Kritisch aus deutscher Sicht Manns/SchulteMattler, WM 2010, 1577, 1583. 235 Release „Risk-Based Capital Standards: Advanced Capital Adequacy Framework – Basel II“ (Final Rule), 72 FR 69288, 69289 (7. Dez. 2007): „Commenters also generally disagreed with the agencies’ proposal to adopt only the advanced approaches from the New Accord.“ 236 Vgl. Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 161; Volk/Schäfer, ZBB 2007, 159, 164 ff. 237 Vgl. die„Risk-Based Capital Guidelines“ in 12 C.F.R. Part 3, app. A (für national banks), 12 C.F.R. Part 208, app. A (für state member banks), 12 C.F.R. Part 225, app. A (für bank holding companies), 12 C.F.R. Part 325, app. A (für FDIC-insured state non-member banks) und 12 C.F.R. Part 567 (für savings associations). 238 Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 161; Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 34; Volk/Schäfer, ZBB 2007, 159, 160. 239 Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 13.03[A]. Siehe dazu schon oben III 2 c). 233
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U.S.-amerikanischen Aufsichtsrecht bereits vorgesehene Anerkennung von Rating-Agenturen als „Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ (NRSRO)240 an.
Im Jahre 2008 veröffentlichten die U.S.-amerikanischen Bankenaufsichtsbehörden schließlich doch einen Regelungsentwurf zur Übernahme des „Basel II“Standardansatzes,241 der in Anbetracht der sich zu dieser Zeit verschärfenden globalen Finanzkrise allerdings nicht in geltendes Recht umgesetzt wurde. bb) Seit „Basel III“: Vollständiger Verzicht auf Ratingbezugnahmen Zur Übernahme der „Basel II“- und „Basel III“-Regeln kam es in den U.S.A. sodann erst nach Beendigung der Finanzkrise, als nach längeren Vorarbeiten mit Wirkung zum 1. Januar 2014 ein vollständig neugestaltetes Eigenmittelregime für Banken erlassen wurde.242 Bemerkenswert ist, dass diese neuen U.S.-amerikanischen Eigenmittelanforderungen dadurch von den „Basel II/III“-Empfehlungen abweichen, dass sie bei der Risikogewichtung weder im Standardansatz243 noch im IRB-Ansatz244 oder bzgl. Verbriefungen245 auf Ratings abstellen. Selbst die weiterhin verwandte „investment grade“-Schwelle wird nunmehr ratingunabhängig definiert.246 Der Verzicht auf jegliche Ratingbezugnahmen geht dabei auf keine originär bankenaufsichtsrechtlichen Erwägungen zurück, sondern findet seinen Grund in der bereits erwähnten247 allgemeinen Vorgabe des Dodd–Frank Acts, die allen Bundesaufsichtsbehörden seit der Finanzkrise die weitestmögliche Beseitigung rechtlicher Indienstnahmen von Ratings vorschreibt.248 Vor diesem Hintergrund sahen sich die zuständigen Behörden trotz heftiger Kritik von Marktteilnehmerseite nicht mehr in der Lage, die neuen U.S.-amerikanischen Eigenmittelregeln ratingbasiert auszugestalten.249 Da gleichzeitig jedoch kein tauglicher alternativer Kreditrisikomaßstab identifiziert werden konnte, der anstelle der bisherigen Ratingbezugnahmen verwendbar schien250 – eine generelle Schwierigkeit, die erst 240 Siehe dazu noch in § 23 II 3; zur historischen Entwicklung der NRSRO-Anerkennung näher in § 7 II 2 a) bb) (1). 241 Release „Risk-Based Capital Guidelines; Capital Adequacy Guidelines: Standardized Framework“ (Proposed Rule) vom 2. Juli 2008, 73 FR 43982 ff. (29. Juli 2008). 242 Federal Reserve System Release „Regulatory Capital Rules: Regulatory Capital, Implementation of Basel III, Capital Adequacy, Transition Provisions, Prompt Corrective Action, Standardized Approach for Risk-weighted Assets, Market Discipline and Disclosure Requirements, Advanced Approaches Risk-Based Capital Rule, and Market Risk Capital Rule“ (Final Rule) vom 9. Juli 2013, 78 FR 62018 ff. (11. Okt. 2013). 243 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, 78 FR 62018, 62082. 244 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 62140 f. 245 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 621111. 246 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 62140. 247 Siehe oben vor § 6. 248 § 939A Dodd–Frank Act. 249 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 62087. 250 Vgl. Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 62087: „The agencies therefore evaluated a number of alternatives to credit ratings to provide a more granular risk weight treat-
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seit jüngster Zeit rechtsordnungsübergreifend erkannt wird251 –, weisen die erlassenen U.S.-amerikanischen Regeln zum Standardansatz einfach sämtlichen Unternehmensanleihen und sonstigen nicht gesondert geregelten Risikopositionen in Bankenportfolios unabhängig von deren Rating oder anderweitig beurteilten Bonität ein Risikogewicht von 100% zu.252 Dass auf diese Weise ein tragender Grundsatz des Basel II-Akkords – nämlich die konkret risikogewichtete Berechnung von Eigenmittelanforderungen an Banken – in den U.S.A. faktisch ausgehebelt wird, erscheint gleich aus zwei Gründen bedenklich: Zum einen wird so die angestrebte internationale Harmonisierung der Bankenregulierung eingeschränkt, und zum anderen – und dies dürfte das bedeutsamere Monitum sein – bestraft die einheitliche Risikogewichtung Investitionen in bonitätstarke Unternehmensanleihen (weil deren gute Ratings – anders als nach „Basel II/III“ – kein geringeres Risikogewicht zur Folge haben), während sie solche in besonders bonitätsschwache Titel („junk bonds“) privilegiert253 und damit einen ökonomischen Anreiz zu deren Erwerb setzt. Das gut gemeinte Ziel des U.S.-amerikanischen Kongresses, die Regulierungsfunktion des Ratings generell zurückzudrängen,254 dürfte dieses Vorgehen kaum rechtfertigen können. d) Hongkong In Hongkong erfolgte die Umsetzung des Basel II-Akkords in den Vorschriften der Banking (Capital) Rules,255 die durch die Hong Kong Monetary Authority erlassen wurden;256 deren Inhalt orientiert sich eng an den Regelungen des Akkords257 einschließlich dessen Änderungen durch „Basel III“. Die Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke des Standardansatzes und die Eigenmittelunterlegung von Verbriefungspositionen erfolgt dabei unmittelbar im Verordnungstext, der mittlerweile acht Rating-Agenturen – nämlich Standard & Poor’s, Moody’s, Fitch, Rating and Investment Information, Japan Credit Rating 251 ment for corporate exposures. For example, the agencies considered market-based alternatives, such as the use of credit default and bond spreads, and use of particular indicators or parameters to differentiate between relative levels of credit risk. However, the agencies viewed each of the possible alternatives as having significant drawbacks, including their operational complexity, or insufficient development. For instance, the agencies were concerned that bond markets may sometimes misprice risk and bond spreads may reflect factors other than credit risk. The agencies also were concerned that such approaches could introduce undue volatility into the riskbased capital requirements.“ 251 Siehe noch näher § 31 II 1 a) bb). 252 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 62087. 253 Dies deshalb, weil Unternehmensanleihen mit einem Rating unterhalb von „BB–“ nach dem Basel II-Akkord, Tz. 66 ein Risikogewicht von 150% zugewiesen wird, wohingegen es nach dem neuen U.S.-amerikanischen Eigenmittelregime bei einer 100%-Risikogewichtung bleibt. 254 Siehe dazu noch § 17 I 4 und § 31 II 1. 255 Cap. 155L, Fassung vom 1. Januar 2007. 256 Rechtsgrundlage ist § 98A der Banking Ordinance in der Fassung der Banking (Amendment) Ordinance 2005 vom Juli 2005. 257 Vgl. Lee, 16 Wis. Int’l L.J. (1997–98), 687, 728; Yam, BIS Review 116/2009, 1, 2.
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Agency, Ltd., Credit Analysis and Research Limited, CRISIL Limited und ICRA Limited – namentlich zu „external credit assessment institutions“ (ECAI) erklärt.258 Aufgrund dieser im internationalen Vergleich ungewöhnlichen Regelungstechnik gestalten sich Änderungen im Kreis der anerkannten Rating-Agenturen aufwändig.259
IV. Zusammenfassende Würdigung 1. Rechtsvergleichender Befund Die bankenaufsichtsrechtliche Regulierung der Eigenmittelanforderungen an Banken greift in allen hier untersuchten Rechtsordnungen zur Risikomessung auf Ratings zurück und weist den Rating-Agenturen in ihrer Regulierungsfunktion damit einen bedeutsamen Einfluss auf ein Aufsichtsrechtsregime zu, das vor allem die Stabilität des Finanzsystems sichern soll.260 Im Mittelpunkt steht dabei die Verwendung von Ratings zur Messung des Kreditrisikos, dem Banken ausgesetzt sind. Die diesbezüglichen ratingbasierten Rechtsvorschriften gehen in Deutschland,261 der Schweiz262 und Hongkong263 auf den Basel II-Akkord264 zurück, dessen diesbezügliche Regeln durch „Basel III“ nur punktuell geändert wurden; in den U.S.A. wird die Eigenmittelunterlegung von Banken dagegen mittlerweile kreditrisikounabhängig und daher auch ohne Bezugnahme auf Ratings geregelt.265 Daneben werden Ratings in Anknüpfung an Empfehlungen des revidierten Basel I-Akkords266 durchgehend auch zur Messung von Marktrisiken eingesetzt267 – eine rechtliche Ratingverwendung, die dem Vorwurf eines regulatorischen Fehlgriffes nur deshalb entgeht, weil sie sich allein auf das spezifische Marktrisiko und damit eine Risikokategorie bezieht, der zumindest eine enge Verbindung zum Kreditrisiko innewohnt.268 Die regulatorische Ratingverwendung im Bereich der Eigenmittelanforderungen an Banken zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass es sich um eines der wenigen Beispiele für einen international koordinierten Einsatz der Regulierungsfunktion privater Ratings handelt; namentlich durch den Basel II-Akkord fanden 258 § 2(1) Banking (Capital) Rules. In weiteren Legaldefinitionen wird sodann festgelegt, welche Tochter- bzw. Schwestergesellschaften von den verwandten Bezeichnungen für die RatingAgenturen erfasst werden. 259 Siehe dazu näher § 23 II 5 a). 260 Oben I. 261 Dazu oben III 5 a). 262 Dazu oben III 5 b). 263 Dazu oben III 5 d). 264 Dazu oben III 1, 2. 265 Dazu oben III 5 c). 266 Dazu oben II 1 b). 267 Dazu oben II 3 a)–d). 268 Dazu oben II 1 b) bb).
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Ratingbezugnahmen daher erstmals auch in die Rechte solcher Staaten Eingang, die ratingbasierte Regelungen zuvor gar nicht oder nur ganz vereinzelt kannten (so etwa Deutschland). Die Musterfunktion des Basel II-Akkords bezieht sich dabei nicht nur auf die „Regulierung durch Ratings“, sondern auch die „Regulierung des Ratings“, weil er international einflussreiche Empfehlungen zur staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion enthält.269 Er verschafft Ratings schließlich über den „Transmissionsriemen“ des Eigenmittelrechts auch für den Bereich der Darlehensvergabe Bedeutung, weil deren Kreditrisiko gleichermaßen durch Ratings bewertet werden kann270 – ein strukturell höchst bedeutsamer Effekt, weil so die Unterschiede zwischen vorrangig über den Kapitalmarkt finanzierten Volkswirtschaften (wie vor allem die U.S.A.) und solchen mit einer überwiegenden Finanzierung durch Bankkredite (so Deutschland und die Schweiz, aber mit gewissen Einschränkungen auch Hongkong) teilweise eingeebnet werden.
2. Bewertung der Regulierungsfunktion des Ratings im Basler Akkord Die regulatorische Verwendung von Ratings im Eigenmittelrecht des Basler Akkords verdient im Grundsatz zunächst deshalb Zustimmung, weil sie die Risikoeinschätzung unabhängiger Dritter – der zu diesem Zweck staatlich anerkannten Rating-Agenturen – für die Bemessung der Eigenmittelanforderungen an Banken nutzbar macht und dadurch den vielfach unterschätzten Einfluss des moral hazard mindert, der mit dem alternativen Einsatz „interner“ Ratings unvermeidbar verbunden ist. Aber auch im Einzelnen ist die Ausgestaltung der Regulierungsfunktion des Ratings durch „Basel II/III“ positiv zu bewerten, weil sie ihre Rechtsfolgen in abgestufter Form an einzelne Ratingstufen anknüpft und damit allfällige Klippeneffekte vermeidet, die bei weniger differenzierten Verweisen auf Ratings (namentlich dem verbreiteten Abstellen auf die „investment grade“Schwelle271) drohen. Im Gegensatz zu dieser sachgerechten Ratingverwendung zum Zweck der Kreditrisikoregulierung ist dessen bereits seit „Basel I“ nachzuweisender Einsatz zur Messung von Marktrisiken kritikwürdig.272 Kritik am ratingbasiert regulierten Eigenmittelrecht richtet sich im Übrigen vorrangig gegen die übermäßige Komplexität von „Basel II“273 und damit einen Aspekt, der auf die Ratingverwendung so nicht zutrifft – dem Rückgriff auf bestehende private Rating-Agenturen wird im Gegenteil gerade zugutegehalten,
269
Dazu oben III 3. Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 166; Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 321. 271 Siehe zum daraus resultierenden „Synchronisierungseffekt“ des Rechts noch § 17 IV. 272 Siehe bereits soeben unter 1. 273 Felsenfeld, Banking Regulation, S. 71: „extraordinary complexity“; Horn, BKR 2008, 452, 459; Siekmann, DV 43 (2010), 95, 112 (für eine „Rückkehr zu einfachen, theoretisch weniger eleganten Regeln, wie Basel I“ eintretend). 270
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dass sie sich durch Kostengünstigkeit und einfache Umsetzbarkeit auszeichnet.274 Daneben wird den Ratingbezugnahmen gelegentlich vorgeworfen, die prozyklische Wirkung der Eigenmittelanforderungen zu verstärken, weil Ratingabsenkungen gerade in Phasen des volkswirtschaftlichen Abschwungs häufig vorkommen und damit bewirken, dass die Banken bei der Kreditgewährung zurückhaltender werden, obwohl aus volkswirtschaftlicher Sicht die gegenteilige Haltung wünschenswert wäre.275 Es erscheint jedoch verfehlt, diese Wirkung dem Einfluss der Rating-Agenturen zuzuschreiben, denn sie resultiert schlicht aus dem Umstand, dass die Eigenmittelbemessung risikoabhängig vorgenommen wird und bei einer allgemeinen Verschlechterung des wirtschaftlichen Klimas auch die Bonität einzelner Unternehmen sinkt – eine Prozyklizität ist daher unvermeidbar, sofern der rechtlich vorgeschriebene „Risikopuffer“ unter Abstellung auf die aktuelle Bonitätssituation der Schuldner (in welcher Form auch immer) erfolgt.276 Ratings dürften sogar einen geringeren prozyklischen Effekt auslösen als andere Bonitätsindikatoren, weil die Rating-Agenturen ihre Bonitätsbeurteilungen aus einer through the cycle-Perspektive,277 also unter bewusster Außerachtlassung lediglich vorübergehender Bonitätsschwankungen vornehmen.278 Im Übrigen zeichnen sich die im Anschluss an „Basel II“ international harmonisierten Eigenmittelanforderungen an Banken dadurch aus, dass sie bei der Risikobewertung strukturierter Finanzinstrumente (also vor allem Verbriefungen) deutlich stärker auf Ratings setzen als bei anderen Forderungen der Banken.279 Vieles spricht dafür, dass die diesbezüglichen Regelungen den strukturellen Besonderheiten des Marktes für komplexe Finanzinstrumente und den daraus erwachsenden Gefahren für die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen280 nicht ausreichend Rechnung tragen und deshalb einer Überarbeitung bedürfen.281 Ihr starker Fokus auf „externe“ Ratings mag im Übrigen mittelbar dazu beigetragen haben, dass auf Seiten der Banken und möglicherweise auch anderer Finanz274 Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 4; ebenso Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 314: „has an intuitive appeal“. 275 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 35; Altman/Saunders, 25 J. Banking & Fin. (2001), 25, 29; Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 317; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 9. 276 Haug, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133a Rn. 32; Schulte-Mattler/ Manns, WM 2011, 2069, 2072; Volkenner/Walter, DStR 2004, 1399, 1404; Volk, ZKredW 2004, 1258; aus ökonomischer Sicht vgl. Amato/Furfine, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2641, 2646. In diese Richtung auch Sigrist, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 1, 6. 277 Siehe § 5 II 2 a). 278 Zutreffend Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 15. Die empirische Untersuchung von Amato/Furfine, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2641, 2674 kommt für die Jahre 1981–2001 zu dem Ergebnis, dass sich Ratings zumindest im Regelfall nicht prozyklischer entwickelten als die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen. 279 Oben III 2 c). Aus Sicht der Ökonomie befürwortend Altman/Saunders, 25 J. Banking & Fin. (2001), 25, 43. 280 Siehe zur Bedeutung von Marktstruktur und -usancen für die Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch Marktmechanismen noch § 25 I 2 b) cc) (1). 281 Entsprechende Schritte sind in Vorbereitung; siehe dazu bereits oben unter III 2 c).
§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)
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marktteilnehmer282 den Ratings auch im Übrigen eine immer größere Bedeutung bei der eigenen Risikoabschätzung zugemessen wurde, bis man schließlich allein auf Ratings blickte283 und jede eigenständige Prüfung von Kredit- und auch anderen Risiken unterblieb (Phänomen der over-reliance).284 Diese Gefahr ist sehr ernst zu nehmen, wenngleich fraglich erscheint, ob tatsächlich der Ratingeinsatz im Eigenmittelrecht der alleinige oder auch nur entscheidende Auslöser dieser Fehlentwicklung war – es dürfte näher liegen, in der verständlichen Codierung der Ratings285 einen wesentlichen Grund ihrer übertriebenen Beachtung zu sehen. Sie weist jedenfalls darauf hin, dass die Ausweitung der Regulierungsfunktion des Ratings Auswirkungen auf seine Marktinformationsfunktion haben kann, die bei der Ausgestaltung rechtlicher Regelungen mitbedacht werden müssen.286
3. Zweckwidrige Lücke in den Ratinganforderungen des Eigenmittelrechts? Die ratingunabhängige Privilegierung von Staatsanleihen in Bankenportfolien Ein letzter Kritikpunkt am international harmonisierten Eigenmittelregime für Banken betrifft weder die übermäßige Bedeutung von Ratings noch deren regulatorische Funktion im Einzelnen, sondern – gleichsam gegenläufig – das Fehlen jeglicher rechtlicher Ratinganforderungen, soweit die Eigenmittelunterlegung von Staatsanleihen in Bankportfolien in Rede steht. Handelt es sich hierbei um eine zweckwidrige Lücke innerhalb der Regulierungsfunktion des Ratings im Eigenmittelrecht? Die Privilegierung von Staatsanleihen im Rahmen des geltenden Eigenmittelrechts geht auf den Basler Akkord selbst zurück, nach dessen Regeln zwar grds. auch Forderungen an Staaten anhand von externen Ratings zu risikogewichten sind.287 Allerdings macht „Basel II“ (insoweit durch „Basel III“ unverändert) hiervon eine bedeutende Ausnahme, indem den nationalen Aufsichtsinstanzen erlaubt wird, nach ihrem Ermessen für Kredite von Banken an ihren Sitzstaat ein niedrigeres Risikogewicht zuzulassen, sofern die Forderung auf Landeswährung lautet und in dieser refinanziert288 ist.289 Wird von dieser Ermessensfreiheit 282
Pfenninger/Bürgi, ST 2004, 290, 294. Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 168; Theilacker, ZKredW 2009, 643, 644; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 8 f. 284 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 56: „There has undoubtedly been excessive reliance by many buy-side firms on ratings provided by CRAs. […] A particular failing has been the acceptance by investors of ratings of structured products without understanding the basis on which those products [gemeint wohl: ratings] were provided.“ 285 Zu diesem Faktor bereits in § 5 IV. 286 Siehe § 17 II 2. 287 Basel II-Akkord, Tz. 53. Dasselbe gilt jeweils auch für Forderungen an Zentralbanken. 288 Hiermit ist ausweislich der offiziellen Begründung gemeint, „dass die Bank auch entsprechende Verbindlichkeiten in Landeswährung hat.“ 289 Basel II-Akkord, Tz. 54. 283
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Gebrauch gemacht, so dürfen die Aufsichtsinstanzen anderer Länder ihren Banken ebenfalls gestatten, das gleiche Risikogewicht für Kredite an diesen Staat anzuwenden;290 die zulässige Privilegierung von Staatsanleihen im Heimatland kann also im Ausland „gespiegelt“ und dadurch zu einem internationalen Eigenmittelprivileg ausgeweitet werden. Die durch „Basel II“ gestattete, aber nicht etwa vorgeschriebene Zulassung eines „niedrigeren“ Risikogewichts für Staatsanleihen wurde in der Europäischen Union,291 in Deutschland,292 in der Schweiz,293 in den U.S.A.294 wie auch in Hongkong295 einheitlich in radikalstmöglicher Weise umgesetzt, indem man für inländische staatliche Schuldner durchweg296 ein Riskogewicht von Null ansetzte.297 Da die Bonität des Heimatstaates damit gesetzlich als zweifelsfrei und dessen Ausfallrisiko als nicht existent fingiert wird, spielen heute weder „externe“ sovereign ratings noch „interne“ Ratings einheimischer Staatsanleihen eine Rolle, wenn die Eigenmittelunterlegung von Bankportfolien in Rede steht. Bei Berechnung der Eigenmittelquote einer Bank beträgt der „Nenner“ insoweit von vornherein Null, und Forderungen gegenüber dem Heimatstaat sind damit von jeder Eigenkapitalunterlegung befreit.298 Bei der Risikogewichtung von Staatsanleihen ausländischer Staaten gehen die hier untersuchten Rechtsordnungen dagegen auf den ersten Blick risikobewusster vor, indem sie an das Rating des betreffenden staatlichen Schuldners anknüpfen (so die EU, die Schweiz und Hongkong299) oder ersatzweise auf Länderrisikoklassifizierungen nach OECD-Methodik abstellen, die im Basel II-Akkord300 ebenfalls zugelassen werden (so die U.S.A., seit der Dodd–Frank Act dort die Umstellung auf eine Alternative zum vormals verwandten Ra-
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Basel II-Akkord, Tz. 54. Art. 114 Abs. 3 EU-CRR: Nullgewichtung von Forderungen gegen die EZB (so auch Basel II-Akkord, Tz. 56); Art. 114 Abs. 4 EU-CRR: Nullgewichtung von Forderungen gegen alle Zentralstaaten und Zentralbanken von EU-Staaten, die auf Landeswährung lauten. 292 § 26 Nr. 2 lit. b SolvV a.F.: Nullgewichtung von Forderungen gegen EWR-Staaten. 293 Art. 66 Abs. 1 ERV i.V.m. Anh. 2 zur ERV, Tz. 1.2: Nullgewichtung von Forderungen gegen die Eidgenossenschaft und die Schweizer Zentralbank. 294 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, 78 FR 62018, 62083: Nullgewichtung von Forderungen gegen U.S.-amerikanische öffentliche Schuldner. 295 § 56(1) Banking (Capital) Rules: Nullgewichtung von Forderungen gegen die Hongkonger Regierung und den Exchange Fund. 296 Eine begrenzte Ausnahme macht allein das Schweizer Recht, das in Art. 66 Abs. 1 ERV i.V.m. Anh. 2 zur ERV, Tz. 2.3 für Forderungen gegen Kantone ohne Rating ein Risikogewicht von 20% ansetzt. 297 Hannoun, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 139, 151 betont aus Sicht des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, dass diese flächendeckende Nullgewichtung durch „Basel II“ selbst nicht vorgegeben wird, und kritisiert die umsetzenden EU-Regelungen als „not in line with the spirit of Basel II“. 298 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schulte-Mattler, § 26 SolvV Rn. 2; Kersting, 48 Tex. Int’l L.J. (2013), 269, 302. 299 In der EU Art. 114 Abs. 2 EU-CRR; in der Schweiz Art. 66 Abs. 1 ERV i.V.m. Anh. 2 zur ERV, Tz. 1.1; in Hongkong § 55(1), (2) Banking (Capital) Rules i.V.m. Schedule 6 Table A. 300 Basel II-Akkord, Tz. 55. 291
§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)
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ting erzwang301). Allerdings wird dieser scheinbare Unterschied zwischen der Behandlung in- und ausländischer Staatsanleihen dadurch sogleich wieder eingeebnet, dass es in der EU, der Schweiz und Hongkong ebenfalls für zulässig erklärt wird, sich bei ausländischen Staatsanleihen nach deren Risikogewichtung durch die Aufsichtsbehörden des emittierenden Staates zu richten:302 Da auch in ausländischen Aufsichtsrechten für Forderungen gegen den Heimatstaat aber typischerweise eine Nullgewichtung vorgesehen ist, dürfen Banken infolge dieses „Spiels über die regulatorische Bande“ im Ergebnis auch ausländischen Staatsanleihen ohne jede Eigenmittelunterlegung halten,303 und zwar unabhängig von der Bonität des betreffenden Staates in den Augen der Marktöffentlichkeit oder externer Rating-Agenturen.
Die beschriebene Ausgestaltung des Eigenmittelregimes für Banken, die trotz der Erfahrungen der Griechenland-Krise ab dem Jahre 2010 auch unter „Basel III“ unverändert beibehalten wurde,304 verdient deutliche Kritik. Sie räumt dem Ziel, Staaten günstig Zugriff auf Finanzmittel von Banken zu verschaffen, Vorrang vor der risikogerechten Eigenmittelausstattung der Banken ein,305 indem sie die generelle Risikofreiheit von Staatsanleihen unterstellt und damit einen gefährlichen Anreiz zur bevorzugten Investition gerade in bonitätsschwächere Staatspapiere306 setzt. Die in jüngerer Zeit zu Recht beklagte „Schicksalsgemeinschaft“ von Staaten und Banken307 wird durch die Nullgewichtung heimischer Staatsanleihen im geltenden Eigenmittelrecht also selbst gefördert; diese rechtliche Privilegierung muss daher beseitigt werden.308 Ihre Einführung und Beibehaltung selbst im Angesicht einer dramatischen Staatschuldenkrise weist auf einen zugrundeliegenden Interessenskonflikt hin, der die umfassend erörterten Interessenskonflikte der Rating-Agenturen309 in Intensität und Risikopotential noch erheblich übersteigen dürfte: Es handelt sich um den Interessenskonflikt des sich an den Finanzmärkten finanzierenden Staates, der die Rolle des Schuldners in Finanzierungsbeziehungen mit der Rolle des souveränen Rechtsetzers verbindet. Der sich daraus ergebende Anreiz zur Ausgestaltung von Rechtsvorschriften im vorrangigen Eigeninteresse des kapitalnachfragenden Staates hat sich im geltenen 301
Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 62084: „… consider CRCs to be a reasonable alternative to credit ratings for sovereign exposures and the CRC methodology to be more granular and risk sensitive than the current risk-weighting methodoloy based solely on OECD membership.“ 302 In der EU Art. 114 Abs. 7 EU-CRR (sofern die aufsichtlichen und rechtlichen Vorschriften dieses Landes denjenigen der EU gleichwertig sind); in der Schweiz Art. 67 ERV; in Hongkong § 56(2) Banking (Capital) Rules. 303 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schulte-Mattler, § 26 SolvV Rn. 2. 304 Lüttringhaus, EuZW 2012, 321, 322; Schulte-Mattler/Manns, WM 2011, 2069, 2078. 305 Kritisch Lüttringhaus, EuZW 2012, 321 f. 306 Kersting, 48 Tex. Int’l L.J. (2013), 269, 302; Lüttringhaus, EuZW 2012, 321, 322. 307 Vgl. Deutsche Bundesbank, Falsche Abhängigkeiten: Die Verflechtung von Banken und Staaten birgt Gefahren (31. Okt. 2013). 308 Deutsche Bundesbank, Falsche Abhängigkeiten … (31. Okt. 2013); Kersting, 48 Tex. Int’l L.J. (2013), 269, 320; Schulte-Mattler/Manns, WM 2011, 2069, 2078; auch Langenbucher/Bliesener/Spindler/Hagen, 21. Kap. Rn. 17. 309 Siehe dazu schon § 2 IV 3 a) sowie noch ausführlich § 25 I.
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Recht verschiedentlich niedergeschlagen;310 seine Auswirkungen lassen sich sowohl bei der Regulierung durch Ratings (wie etwa im hier diskutierten Zusammenhang), aber in jüngster Zeit auch bei der Regulierung des Ratings nachweisen.311 In rechtstechnischer Hinsicht betrifft die oben beschriebene Ausgestaltung des Eigenmittelrechts freilich gar nicht spezifisch die Regulierungsfunktion des Ratings, denn es handelt sich nicht um eine Ausnahme vom Ratingerfordernis, sondern um eine Freistellung von jeglicher Risikogewichtung. Der dadurch (auch) beseitigte Einfluss von Ratings auf die Eigenmittelanforderungen an Banken dürfte allerdings im Ergebnis der entscheidende Punkt sein,312 weil dadurch das einzige rechtliche Einfallstor für Bonitätsbeurteilungen durch einen unabhängigen Dritten geschlossen wurde: Da sowohl der Staat als auch die Banken ein Eigeninteresse daran besitzen, Bankinvestitionen in bonitätsschwache Staatsanleihen nicht mit hohem Eigenmittelaufwand zu belasten, wäre die Einbeziehung unabhängiger Rating-Agenturen die einzig praktible Möglichkeit zur risikogerechten Ausgestaltung des Eigenmittelrechts. Die gesetzliche „Nullgewichtung“ von Staatsanleihen stellt sich damit als zweckwidrige Lücke innerhalb der Regulierungsfunktion des Ratings dar, die künftig geschlossen werden sollte: Im Gegensatz zu dem auf anderen Rechtsgebieten nachzuweisenden Ruf nach einer Zurückdrängung von Ratingbezugnahmen bedarf es im Eigenmittelrecht der Banken also keines „Weniger“ an ratingbasierter Regulierung, sondern eines „Mehr“.
310 So bis 1990 im staatlichen Genehmigungserfordernis für Unternehmensanleihen des deutschen Rechts (§§ 795, 808a BGB a.F.), das den Marktzugang privater Kapitalnachfrager regulierte, um dadurch ggfs. die Mittelaufnahme durch die öffentliche Hand vor Konkurrenz zu schützen (siehe dazu noch § 8 I); zum geltenden Recht die Nachw. bei Kersting, 48 Tex. Int’l L.J. (2013), 269, 304 ff. 311 Siehe bereits § 3 III 3 sowie im Folgenden § 19 I 3. 312 In diese Richtung auch EBA, EIOPA and ESMA, Joint Consultation Paper on Mechanistic references to credit ratings (7 Nov. 2013), S. 29.
§ 7 Die Bedeutung von Ratings im Rahmen sonstiger rechtlicher Vorgaben für Banken und andere Finanzinstitute Die Regulierungsfunktion des Ratings spielt im Bereich der Bankenregulierung auch außerhalb der Eigenmittelanforderungen, denen – wie bereits erläutert1 – aufgrund der international harmonisierten Ratingverwendung eine hervorgehobene Bedeutung zukommt, eine beträchtliche Rolle. Die nationalen Gesetzgeber setzen Ratings dabei zu ganz unterschiedlichen Regelungszwecken ein, von denen im Folgenden die wichtigsten zu behandeln sein werden. Neben der Beschränkung von Bankeninvestitionen auf Anlagen mit einer hinreichenden Bonität2 ist insoweit namentlich die Sicherung der Liquidität von Banken und sonstigen Finanzinstituten3 zu nennen, der – wie zuletzt während der globalen Finanzkrise 2007–09 und der nachfolgenden Staatsschuldenkrise innerhalb der Eurozone deutlich wurde – erhebliche Relevanz für die Stabilität des Finanzsystems insgesamt zukommt.4
I. Die Beschränkung zulässiger Bankeninvestitionen auf Finanzinstrumente mit einem bestimmten Mindestrating Kreditinstitute ziehen Ratings traditionell bei der Vorbereitung ihrer Investitionsentscheidungen heran, um auf diese Weise Informationserhebungskosten zu reduzieren5 und die Fachkenntnis der Rating-Agenturen zu nutzen. Dass diese freiwillige Orientierung an den Bonitätseinschätzungen der Rating-Agenturen gelegentlich sehr weit reichen kann,6 wird etwa an dem Beispiel eines New Yorker Bankiers deutlich, der in den 1930er Jahren infolge seiner strikten Beschränkung auf mit „AAA“ geratete Anleihen mit dem Spitznamen „Triple-A James“ bedacht wurde.7 Die Entscheidungsfreiheit auf Seiten der Banken wird demgegenüber dort stark eingeschränkt, wo gesetzliche Anlagevorschriften den Erwerb bestimmter Investitionsgegenstände rechtlich von dem Vorliegen eines Mindestratings abhängig machen. Bestimmungen dieser Art greifen intensiv in die Frei1
Siehe § 6. Siehe unter I. 3 Die terminologische Unterscheidung zwischen „Banken“ und „anderen Finanzinstitute“ folgt dabei dem Basel II-Akkord, Tz. 24 f. 4 Siehe unter II. Weitere ratingbasierte Bestimmungen werden unter III. erörtert. 5 Vgl. § 4 I 2 a). 6 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347. 7 Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 20. 2
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heit des regulierten Investors ein und reichen in ihren Wirkungen deutlich über die bereits behandelten Eigenmittelvorschriften hinaus, welche Investitionsentscheidungen lediglich mittelbar beeinflussen.8 Sie haben im internationalen Vergleich daher keine umfassende Verbreitung erlangt, bestanden aber bis in jüngste Zeit insbesondere in den U.S.A., wo sie zudem zur ersten historisch nachweisbaren Verwendung des Ratings in seiner Regulierungsfunktion geführt haben.
1. U.S.-amerikanisches Recht: Umfassendes Verbot von Bankeninvestitionen in Fremdkapitaltitel privater Emittenten unterhalb des „investment grade“ a) Der Glass–Steagall Act und seine Anlagevorschriften für Banken Die historisch ersten und zugleich in ihren Auswirkungen bedeutsamsten Anlagevorschriften für U.S.-amerikanische Banken wurden im Jahre 1933 durch den sog. Glass–Steagall Act9 eingeführt. Dieses querschnittsartige Gesetz wurde in Reaktion auf die Bankenzusammenbrüche erlassen, zu denen es infolge des Börsencrashes 1929 und der Bankenkrise 1932/33 gekommen war,10 und führte neben verschiedenen anderen Regelungen vor allem die strikte organisatorische Trennung von Geschäftsbanken (commercial banks) und Investmentbanken ein, die in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung gelegentlich als „Maginot-Linie“ des dortigen Bankensystems charakterisiert wurde11 und bis zu ihrer Aufhebung im Jahre 1999 galt. Heute werden als Glass–Steagall Act üblicherweise die §§ 16, 20, 21 und 32 des Banking Acts of 1933 bezeichnet,12 der die aufsichtsrechtlichen Vorgaben für sog. national banks regelt. Da man die U.S.-amerikanische Bankenkrise 1932/33 u.a. auf übertrieben spekulative Wertpapiergeschäfte der Banken zurückführte, welche im Ergebnis die finanzielle Stabilität des gesamten Bankensystems gefährdet hatten,13 führte der Glass–Steagall Act in seinem § 16 gesetzliche Anlagevorschriften ein, mittels derer eine Trennung der akzeptablen Geschäftsbanktätigkeiten von (nunmehr einem gesonderten Bankentyp vorbehaltenen) Investmentbankgeschäften erreicht werden sollte.14 Die insoweit zentrale Bestimmung, die bis heute in Kraft ist, ent8 So zum U.S.-amerikanischen Aufsichtsrecht Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 276: „Previous to 1930 the Comptroller’s office valued securities at the market [dazu bereits in § 6 II 3 c) aa) (1)], but it did not tell banks what to buy.“ 9 Das Gesetz ist benannt nach seinen Initiatoren, Senator Carter Glass (1858–1946) und Mitglied des Repräsentantenhauses Henry B. Steagall (1873–1943). 10 Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 13.07[A]; Felsenfeld, Banking Regulation, S. 246. 11 Securities Industry Ass’n v. Federal Reserve Sys., 8.2.1988, 839 F.2d 47, 54 (2nd Cir. 1988). 12 Securities Industry Ass’n v. Federal Reserve Sys., 8.2.1988, 839 F.2d 47, 54 (2nd Cir. 1988); Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 6/2007, § 8.02[1]. 13 Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 6/2007, § 8.02. 14 Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 13.07[A]; Felsenfeld, Banking Regulation, S. 248; Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 6/2007, § 8.02.
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hält daher eine abschließende Definition der Bankgeschäfte, deren Vornahme zugelassenen Geschäftsbanken gestattet ist. Seit einer Gesetzesänderung im Jahre 193515 beschränkt diese den Wertpapierhandel dabei streng auf An- und Verkäufe, die im Auftrag und für Rechnung von Kunden durchgeführt werden – eigene Investitionen in Wertpapiere, die Banken in Ländern mit einem Universalbankensystem (wie etwa Deutschland und der Schweiz) generell erlaubt sind,16 bleiben U.S.-amerikanischen Geschäftsbanken dagegen grundsätzlich verboten.17 Eine begrenzte Ausnahme wird (außer für Anleihen der öffentlichen Hand) lediglich für den Erwerb sog. „investment securities“ gemacht, deren nähere Bestimmung das Gesetz dem Comptroller of the Currency überträgt.18 aa) Mindestbonitätsvorgaben für Bankeninvestitionen In Ausübung dieser Kompetenz erließ der Comptroller of the Currency sodann am 15. Februar 1936 eine Regelung,19 in der die für Bankenportfolios tauglichen Wertpapiere wie folgt abgegrenzt wurden: „The purchase of ,investment securities‘ in which the investment characteristics are distinctly and predominantly speculative, or ,investment securities‘ of a lower designated standard than those which are distinctly and predominantly speculative, is prohibited.“ Die für die Fortentwicklung des Ratinggeschäftes entscheidende Regelung fand sich dabei in einer Fußnote, die ergänzend ausführte: „The terms employed herein may be found in recognized rating manuals, and where there is doubt as to the eligibility of a security for purchase, such eligibility must be supported by not less than two rating manuals.“ Die Veröffentlichung dieser ratingbasierten Anlagevorschrift zog am U.S.-amerikanischen Finanzmarkt große Aufmerksamkeit auf sich und führte zu erheblichen Protesten in der Bankenwelt.20 Die Fachzeitschrift American Banker titelte: „Four Statistical Houses’ Ratings Govern Federal Banks’ Investing“.21 Dabei war die Regelung mit ihrer Fußnotenbe-
15
Nämlich durch § 308 des Banking Act of 1935. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 2.865, 10.4; Lutter, NZG 2010, 601, 602; Philipps/Rechtschaffen, 21 Fordham Int’l L.J. (1998), 1754, 1765. 17 12 U.S.C. 24 (Seventh): „… solely upon the order, and for the account of, customers, and in no case for its own account …“. Felsenfeld, Banking Regulation, S. 255 spricht in diesem Zusammenhang plastisch von „investment (also known as the speculation or gambling) in securities“. 18 12 U.S.C. 24 (Seventh): „Provided, That the association may purchase for its own account investment securities under such limitations and restrictions as the Comptroller of the Currency may by regulation prescribe. […] As used in this section the term „investment securities“ shall mean marketable obligations […] under such further definition of the term „investment securities“ as may by regulation be prescribed by the Comptroller of the Currency.“ Skeptisch hierzu Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70: „a delegation of legislative power, the legality of which has not been questioned.“ 19 Treasury Department, Comptroller of the Currency, Regulations Governing the Purchase of Investment Securities, and Further Defining the Term „Investment Securities“ as Used in Section 5136 of the Revised Statutes as Amended by the Banking Act of 1935, Sec. II. 20 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 688: „The ruling had explosive effect …“. 21 The American Banker vom 2. März 1936, S. 1. 16
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zugnahme auf „recognized rating manuals“ im Grunde verhältnismäßig vage formuliert;22 es bestand aber unter allen Betroffenen offenkundig Einigkeit darüber, dass mit dieser Umschreibung die damals am Markt präsenten Rating-Agenturen Fitch, Moody’s, Poor’s und Standard Statistics sowie deren periodischen Ratingverzeichnisse gemeint waren.23 Der Effekt für die Investitionsmöglichkeiten der Banken wie für den Anleihemarkt insgesamt war jedenfalls dramatisch: Von den 1.975 damals an den New York Börsen gehandelten Anleihen erfüllten 1.084 nicht die Anforderungen an eine ausreichend hoch geratete „investment security“,24 weshalb der Comptroller of the Currency das Universum der insoweit für Banken zugänglichen Anlageziele mit einem Federstrich mehr als halbiert hatte.25
Die 1936 erstmals formulierte Anlagebeschränkung für national banks gilt in den U.S.A. bis heute. In formeller Hinsicht mittlerweile im Code of Federal Regulations26 niedergelegt, blieb sie bis zum Jahre 2012 auch inhaltlich fast unverändert: Eine investment security wurde danach definiert als „a marketable debt obligation that is not predominantly speculative in nature. A security is not predominantly speculative in nature if it is rated investment grade. When a security is not rated, the security must be the credit equivalent of a security rated investment grade“,27 und unter „investment grade“ verstand man „a security that is rated in one of the four highest rating categories by: (1) Two or more NRSROs; or (2) One NRSRO if the security has been rated by only one NRSRO.“28 Hinzugefügt wurde zwischenzeitlich also nur die Klarstellung, dass es für den Zweck der Anlagevorschrift auf Ratings von als „Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ (NRSRO)29 anerkannten Rating-Agenturen ankam. Eine Änderung in der Form erfolgte erst zum 1. Januar 2013, als die in der Definition des „investment grade“ enthaltenen ausdrücklichen Ratingbezugnahmen infolge der Vorgaben des Dodd–Frank Acts entfernt wurden – eine Entwicklung, auf die im Text30 noch näher einzugehen sein wird. bb) Die Erfindung des ratingabhängigen „investment grade“ Der Anlagevorschrift des Comptroller of the Currency aus dem Jahre 1936 kommt noch darüber hinaus eine erhebliche Bedeutung für die Entwicklung des Ratings im Allgemeinen zu, verwandte sie doch zum ersten Mal die Kategorie des 22
White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 49. Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 78; Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277. Standard & Poor’s existierte hingegen – entgegen White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 49 – zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, sondern entstand erst 1941 durch Fusion der beiden namensgebenden, bis dahin noch eigenständigen Rating-Agenturen. 24 Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 31. 25 Kritisch Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 78; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 687; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 71. 26 12 C.F.R. § 1.3 (Limitations on dealing in, underwriting, and purchase and sale of securities). 27 12 C.F.R. § 1.2(e) (in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung). 28 12 C.F.R. § 1.2(d) (in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung). 29 Siehe zu diesem Begriff sogleich noch näher unter II 2 a) bb) (1). 30 Siehe unter I 1 d). 23
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„investment grade“ (für aufgrund hinreichender Bonität „investitionswürdige“ Fremdkapitaltitel), dem als Gegenstück das „non-investment grade“ (für „spekulative“ Papiere) gegenüber gestellt wurde. Die heute allgemein gängige Dichotomie von „investment grade“ und „non-investment grade“, welche die eigentlich weit differenzierteren Ratingskalen mit ihren heute über zwanzig Ratingstufen31 („notches“) in lediglich zwei Bonitätsklassen unterteilt und damit eine weitere Komplexitätsreduktion erreicht,32 ist damit in historischer Hinsicht Ausfluss der Regulierungsfunktion des Ratings, nicht von dessen Marktinformationsfunktion: Die Rating-Agenturen selbst verwandten diese Begriffe damals noch gar nicht, sondern betrachteten jede ihrer einzelnen Ratingstufen als Teil einer durchgehenden Bonitätsskala. Erst als das „investment grade“ in die Marktterminologie eingegangen war und damit auch die Marktinformationsfunktion des Ratings mitprägte, nahmen auch die Rating-Agenturen selbst diese Begriffsdichotomie auf. Der Begriff des „investment grade“ wurde dabei anscheinend von Marktteilnehmern als griffige Kurzform für den komplizierteren Wortlaut der 1936 erlassenen Anlagevorschrift geprägt,33 die die Bonitätsanforderung als nicht „distinctly and predominantly speculative“ umschrieben hatte und zur Konkretisierung auf die gängigen Ratingverzeichnisse verwies. Nach den darin enthaltenen Ratingdefinitionen lag die unterste Ratingstufe des Bereichs, der noch nicht als spekulativ (und daher für Bankeninvestitionen tauglich) galt, bei „BBB“ (Fitch), „Baa“ (Moody’s), „B*“ (Poor’s) und „B1+“ (Standard).34 Diese Ratingschwelle gilt in der Praxis der Rating-Agenturen bis heute35 und wird in den mittlerweile vielfach ausdrücklich vorgenommenen Legaldefinitionen des „investment grade“ typischerweise als die „vier höchsten Ratingkategorien“ („the four highest rating categories“) umschrieben (also „AAA“, „AA“, „A“ und „BBB“36 bzw. „Aaa“, „Aa“, „A“ und „Baa“37);38 die in den Jahren 1973 bzw. 1982 durch die drei großen Rating-Agenturen hinzugefügten, nachgestellten Zeichen39 („+“/„–“ bzw. „1“/ „2“/„3“) begründen also keine eigenen Ratingkategorien.40
31
Die von Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch augenblicklich verwandten Skalen für Langfristratings haben jeweils 21 Ratingstufen. 32 Vgl. hierzu näher § 17 IV. 33 So findet sich dieser bereits bei Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 28; wohingegen Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 102 von „high grade“ spricht. 34 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 71. 35 Als Standard und Poor’s im Jahre 1941 zu Standard & Poor’s fusionierten, übernahm die neue Rating-Agentur die von Fitch erfundene, einprägsamere Ratingskala; vgl. noch § 20 III 2 b) bb) (1). 36 So die Ratingskalen von Standard & Poor’s und Fitch. 37 So die Ratingskala von Moody’s. 38 So etwa 12 C.F.R. § 1.2(d) (in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung). 39 So die Terminologie des Art. 3 Abs. 1 lit. h EG-RatingVO. 40 Sowohl in der hier erörterten Anlagevorschrift des Comptroller of the Currency als auch in zahlreichen anderen bundesrechtlichen Vorschriften hat der „investment grade“-Begriff allerdings mittlerweile in Umsetzung des Dodd–Frank Acts of 2010 eine ratingunabhängige Definition erfahren; siehe dazu noch unter d).
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b) Übernahme der „investment grade“-Grenze durch andere Bankenaufsichtsbehörden Die beschriebene ratingbasierte Anlagevorschrift galt infolge des höchst zersplitterten, auf diverse Aufsichtsbehörden auf Bundes- und Einzelstaatenebene verteilten Bankenrechts nicht unmittelbar für alle U.S.-amerikanischen Kreditinstitute, sondern zunächst nur innerhalb der Zuständigkeit des Comptroller of the Currency. Die „investment grade“-Grenze wurde jedoch in der Folgezeit durch zahlreiche andere Bankenaufsichtsbehörden übernommen und damit auf andere Bankentypen ausgedehnt: So galt sie von vornherein kraft gesetzlicher Anordnung auch für state banks, die Mitglieder im Federal Reserve System sind,41 und wurde später auf Bundesebene auf Niederlassungen ausländischer Banken in den U.S.A.,42 auf Kreditgenossenschaften (credit unions)43 und schließlich auch auf Sparkassen (savings associations) erstreckt,44 nachdem Investitionen in spekulative Anleihen zu einer weiteren Finanzkrise – der Sparkassenkrise der 1980er Jahre – beigetragen hatten.45 Daneben übernahmen aber auch Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden zahlreicher U.S.-Gliedstaaten die „junk bond prohibition“46 für ihrer Regelungsgewalt unterliegende Kreditinstitute,47 sodass die Regulierungsfunktion des Ratings bei der Festlegung zulässiger Bankeninvestitionen (legal investments) in den U.S.A. letztlich zu einem allgemeinen Standard erstarkte.48
41 Nämlich gemäß § 9 Federal Reserve Act (12 U.S.C. § 335); vgl. Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 29; Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 276. 42 Durch §§ 4(b), 7(c)(2) International Banking Act of 1978; Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 13.07[A]. 43 12 C.F.R. § 704.6(d)(2) verlangte bei Investitionen durch corporate credit unions allerdings sogar ein Mindestrating von „AA–“; diese Schwelle wurde infolge des Dodd–Frank Acts mittlerweile durch eine ratingunabhängige Grenze ersetzt (dazu noch im Text unter d)). 44 § 28(d)(1) Federal Deposit Insurance Act: „No savings association may, directly or through a subsidiary, acquire or retain any corporate debt security not of investment grade“ (mittlerweile ersetzt durch eine ratingunabhängige Schwelle; siehe noch unter d)). Vgl. auch In re Fitch, 21.5.2003, 330 F.3d 104, 106 (2nd Cir. 2003). 45 Macey/Miller/Carnell, Banking Law and Regulation, S. 153. 46 So Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 6/2007, § 8.03[2]. 47 Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 359 (zu gliedstaatlichen „blue sky laws“); Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 70. Gelegentlich stellen Gliedstaatengesetze auch striktere Ratingvorgaben auf, wie etwa das New Yorker Recht für Investitionen durch savings banks, die von einem Rating in der höchsten (bei Commercial Paper) bzw. der drei höchsten Ratingkategorien (bei sonstigen Anleihen) abhängig gemacht werden (§ 235(12–a)(a), (21–a) New York Banking Law); sowie das Recht des Staates Connecticut für Bankeninvestitionen (Rating in einer der drei höchsten Ratingkategorien; § 36a–275(b)(1), (c) Connecticut General Statutes). 48 Er galt freilich nie ausnahmslos für alle Banktypen, weil etwa Investmentbanken von ratingbasierten Anlagevorschriften stets ausgenommen blieben.
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c) Folgen der strikten Mindestratingvorgabe Die ratingbasierten Anlagevorschriften für U.S.-amerikanische Banken hatten weit reichende Konsequenzen,49 die sich zunächst einmal auf die Investitionspolitik der Banken selbst bezogen: Während sich Ratings nämlich bis zu diesem Zeitpunkt lediglich mittelbar auf Investitionsentscheidungen der Banken ausgewirkt hatten,50 sofern sie zur Berechnung von Eigenmittelanforderungen herangezogen wurden,51 entschieden sie seitdem unmittelbar darüber, welche Anleihen eine Bank erwerben durften und welche nicht.52 Aus dieser Regulierung eines – freilich wirtschaftlich höchst bedeutsamen – Typs institutioneller Investoren erwuchsen darüber hinaus allerdings auch mittelbare Folgen, die im Ergebnis noch wichtiger gewesen sein dürften: aa) Erhöhte Bedeutung des Ratings am Anleihenmarkt Zum einen veränderte die rechtliche Investitionsbeschränkung, die den Banken auferlegt worden war, in entscheidender Weise die Nachfrageseite des U.S.-amerikanischen Markts für Schuldverschreibungen. Während Banken vor Erlass des Glass–Steagall Acts die bedeutendsten Teilnehmer am Anleihegeschäft gewesen waren53 und auch in Anleihen im jetzigen „non-investment“-Bereich investiert hatten, war das letztgenannte Marktsegment nunmehr weitestgehend eliminiert;54 der spread zwischen „BB“- und „BBB“-gerateten Schuldverschreibungen nahm deutlich zu.55 Emittenten waren gleichzeitig künftig gezwungen, ihre Anleihen raten zu lassen, sofern ihnen an deren Tauglichkeit für Bankenportfolios gelegen war,56 und das erreichte Rating bestimmte nunmehr entscheidend über Erfolg und Misserfolg einer Emission mit.57 Dieses faktische Ratingerfordernis konnte für kleinere Emittenten ein beträchtliches Finanzierungshindernis bedeuten, weil die Rating-Agenturen zu dieser Zeit bekanntlich noch nicht von Emittentenseite beauftragt und bezahlt wurden,58 sondern ihre periodischen rating 49
Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 6. Vgl. Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 276: „Previous to 1930 the Comptroller’s office valued securities at the market, but it did not tell banks what to buy.“ 51 Dazu bereits in § 6 II 3 c) aa). 52 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 72. Eine weitere Folgewirkung, die anscheinend nur zeitlich begrenzt auftrat und vor dem Hintergrund unseres heutigen Verständnisses der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen von anderen Marktteilnehmern (siehe näher § 25 I) als höchst bedenklich erscheinen muss, wird berichtet von Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277 Fn. 25: „The effect of this policy can be seen in the advertisements of rating agencies in the Journal of the American Bankers Association. They urge that small banks should turn over to them their bond accounts for management.“ 53 Felsenfeld, Banking Regulation, S. 245. 54 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 689; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 71. 55 Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 689. 56 White, 30 Regulation (Spring 2007), 48 f. 57 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 92. 58 Zum heute vielfach kritisierten „issuer pays“-Modell siehe bereits § 2 IV 3 a) und noch näher § 25 I 2 a). 50
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manuals zu einem Festpreis an interessierte Investoren veräußerten: Da damit für die Rating-Agenturen ein Anreiz bestand, vorrangig große und auf potentiell großes Investoreninteresse stoßende Emissionen mit einem (kostenträchtigen) Rating zu versehen und in ihre Ratingpublikationen aufzunehmen, barg das damalige „investor pays“-Modell für kleinere Emittenten die Gefahr, durch die privaten Rating-Agenturen nicht geratet und aus diesem Grund auch den Anforderungen der rechtlichen Anlagebeschränkungen ihrer wichtigsten Investoren nicht gerecht zu werden.59 Da ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in die privaten Ratingverzeichnisse aber nicht bestand, zeigte sich an dieser Stelle eine deutliche (und heute vielfach übersehene) Schwäche dieses Vergütungsmodells, das mit einer rechtlich oder faktisch zwingend wirkenden Ratinganforderung nicht reibungsfrei zusammenwirkt – die hinzugetretene Regulierungsfunktion des Ratings hatte dessen Wesen also in einer Weise verändert, die auch eine geänderte Form der Ratingvergütung notwendig machte (oder doch wenigstens vorteilhaft erscheinen ließ). bb) Durchbruch für die Regulierungsfunktion des Ratings im U.S.-amerikanischen Recht Darüber hinaus stellte die erörterte Anlagevorschrift das geschichtlich erste bedeutende Beispiel für die Regulierungsfunktion des Ratings dar;60 sie wurde im Schrifttum auch noch in jüngster Zeit als wichtigste ratingbasierte Regelung des U.S.-amerikanischen Rechts eingeordnet.61 Dass die Bankenaufsichtsbehörden ihre Verantwortung für die Bestimmung zulässiger Bankeninvestitionen auf diese Weise an die privaten Rating-Agenturen delegierten,62 zog allerdings von Anfang an Kritik auf sich;63 man befürchtete zum einen eine untunliche Macht der Rating-Agenturen64 und bemängelte zum anderen, dass die Banken durch die Ratingverwendung einer eigenen verantwortungsvollen Investitionsentscheidung enthoben seien.65 Die beschriebenen Monita deuten auf eine Gefahr hin, die regulatorischen Ratingverwendungen generell innewohnt: Obgleich der Comptroller of the Currency nämlich schon wenige Monate nach dem erstmaligen Erlass der Anla59 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 97 ff.; Goodman, Fin. Analysts J. (May/June 1968), 59, 61; andeutungsweise auch Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 689. 60 Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 223: „the first significant rating-based regulation“; ebenso Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 91. 61 Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 102. 62 Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277; Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70. 63 Hickman, Corporate Bond Quality and Investor Experience, S. 144 f.; Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 89; Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 37 f.; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 49. 64 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 89; von Randow, ZBB 1995, 140, 155. Dies hatte u.a. zur Folge, dass die ausdrückliche Ratingbezugnahme in der vorerwähnten Fußnote im Jahre 1938 gestrichen wurde, ohne dass dadurch die Ratingverwendung durch die Bankenaufsichtsbehörden beendet worden wäre (vgl. Sylla, a.a.O.). 65 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 689.
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gevorschrift aus gegebenem Anlass klarstellte, dass die Geschäftsleitung der Bank weiterhin für die Investitionsentscheidung verantwortlich sei und die Ratingeinstufung einer Anleihe allein keinen Beweis für die Angemessenheit der Investition (also keinen „safe harbour“) darstellt,66 wurde nämlich bald deutlich, dass sich Banken wie auch Aufsichtsbehörden mit erstaunlicher Rigidität nach den Bonitätsbeurteilungen der Rating-Agenturen richteten.67 Dies mag überraschen, weil die Vorschrift selbst nur hilfsweise auf Ratings verwies (und Banken daher damals, wie übrigens auch in ihrer letzten ratingbasierten Fassung,68 durchaus den Erwerb ungerateter Anleihen mit hinreichender Bonität erlaubte) – bereits die Aussicht, die Angemessenheit der eigenen Bonitätseinschätzung im Streitfall darlegen und beweisen zu müssen, führte jedoch offenkundig dazu, dass man sich durchgehend auf Ratings verließ69 und die Flexibilität der Regelung daher nur auf dem Papier bestand.70 Diese (unbeabsichtigt) strenge Steuerungswirkung ratingbasierter Vorschriften für das Verhalten der Regelungsadressaten lässt sich auch bei zahlreichen anderen Regelungen nachweisen und stellt daher erkennbar ein Problem dar, welches die Regulierungsfunktion des Ratings im Allgemeinen betrifft71 und vor allem die Frage der Kontrolle der Rating-Agenturen aufwirft.72 d) Beseitigung der geschriebenen Mindestratingvorgabe infolge des Dodd–Frank Acts (2013) Die im Text bereits angesprochene73 Vorgabe des 2010 erlassenen Dodd–Frank Acts, die alle U.S.-amerikanischen Bundeaufsichtsbehörden zur kritischen Überprüfung und ggfs. Beseitigung ratingbasierter Rechtsvorschriften aufforderte,74 erfasste sodann auch die beschriebene Investitionsbeschränkung für Geschäftsbanken. Mit Wirkung zum 1. Januar 2013 fasste der Comptroller of the Currency den Wortlaut der Definitionsnormen, auf welche die einschlägigen Mindestbonitätsvorgaben aufbauen, daher neu:75 Diese beschreiben „investment security“ nunmehr als „marketable debt obligation that is investment grade and not predo66 Ansprache von Comptroller of the Currency J.F.T. O’Connor am 22. Mai 1936 (zitiert nach Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 32). 67 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 72: „Both banks and examiners follow these standards with a curious rigidity.“ 68 Capatides/Chin/Palzer/Madara/Karp, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2003–2 Supplement, § 17.04[A][1]; Felsenfeld, Banking Regulation, S. 256. 69 Goodman, Fin. Analysts J. (May/June 1968), 59, 60: „Obviously bankers would prefer to avoid having to defend in detail their bank selections.“ 70 So Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 73: „The alleged flexibility of the rule exists only on paper.“ 71 Siehe dazu noch § 17. 72 In diesem Sinne bereits damals Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 93. 73 Siehe oben vor § 6. 74 § 939A Dodd–Frank Act; dazu noch näher in § 17 I 4 b). 75 Office of the Comptroller of the Currency, Treasury (OCC), „Alternatives to the Use of External Credit Ratings in the Regulations of the OCC“ (Final Rule) vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253 ff. (13. Juni 2012).
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minately speculative in nature“.76 Die sprachlich beibehaltene Schwelle des „investment grade“, die jetzt nicht mehr gleichbedeutend mit „not predominately speculative in nature“ ist, sondern als gesondertes Kriterium anscheinend neben die nicht vorrangig spekulative Natur der Schuldverschreibung tritt, ist danach erreicht, wenn „the issuer of a security has an adequate capacity to meet financial commitments under the security for the projected life of the asset or exposure. An issuer has an adequate capacity to meet financial commitments if the risk of default by the obligor is low and the full and timely repayment of principal and interest is expected.“77 Die ausdrückliche untergesetzliche Bezugnahme auf Ratings ist damit entfallen und wurde in vergleichbarer Form auch in zahlreichen anderen Vorschriften des Bundesrechts ersetzt,78 wohingegen sie in den Rechten der U.S.-Gliedstaaten überwiegend fortbesteht.79 aa) Selbstbeurteilung der Bonität durch investierende Bank statt Drittbeurteilung der Bonität durch Rating-Agenturen In der Sache lässt die neu gefasste Legaldefinition des „investment grade“-Begriffes dabei scheinbar offen, aus wessen Perspektive das Ausfallrisiko gering und die versprechensgemäße Rück- und Zinszahlung erwartbar sein muss. Aus der Regelungsbegründung ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass es insoweit auf die Einschätzung der regulierten Geschäftsbank selbst ankommen soll:80 Während bislang die Prognose anerkannter Rating-Agenturen (und damit unabhängiger Dritter) über die zulässigen Investitionsobjekte bestimmte, entscheiden nunmehr die Banken, ob ihre eigenen Investitionen in den Augen des Aufsichtsrechts hinreichend sicher sind. In dieser Änderung liegt eine erhebliche, ja dramatische Abschwächung des bislang zweistufigen Sicherungssystems, das neben der Bonitätseinschätzung der Banken selbst eine von deren Perspektive unabhängige, weil durch RatingAgenturen konkretisierte Mindestbonitätsschranke vorsah. Dass Letztere seit 2013 nicht mehr besteht, ist als schwerwiegender aufsichtsrechtlicher Fehlgriff einstufen: In seinem Bestreben, die durch Interessenskonflikte der Rating-Agen76
12 C.F.R. § 1.2(e) (in der seit dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung). 12 C.F.R. § 1.2(d) (in der seit dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung). 78 So im Bereich der Anlagevorschriften für Kreditinstitute etwa in § 28(d)(1) Federal Deposit Insurance Act (hier ersetzt durch „standards of credit-worthiness as established by the Corporation“) und in 12 C.F.R. § 704.6(d)(2) (dort ersetzt durch „a corporate credit union must conduct and document an analysis that reasonably concludes the investment has no more than a minimal amount of credit risk“). 79 So etwa in Anlagevorschriften für Kreditinstitute des New Yorker Rechts (§ 235(12–a)(a), (21–a) New York Banking Law) und des Rechts des U.S.-Staates Connecticut (§ 36a–275(b)(1), (c) Connecticut General Statutes); zudem sehr verbreitet in gliedstaatlichen Anlagevorschriften für Versicherungsunternehmen. 80 Office of the Comptroller of the Currency, Final Rule vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253, 35254: „These final rules remove references to credit ratings provided by NRSROs and instead generally require national banks and Federal savings associations to make assessments of a security’s creditworthiness …“ (meine Hervorhebung). 77
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turen81 mutmaßlich beeinträchtigte Verlässlichkeit ratingbasierter Rechtsregeln durch tauglichere Bonitätsmaßstäbe zu ersetzen, bahnt der Dodd–Frank Act unbeabsichtigt den Weg zur Verwendung „selbstgesetzter“ Standards, die von ungleich schärferen (weil direkten!) Interessenskonflikten der regulierten Marktteilnehmer selbst beeinflusst werden.82 bb) Gleichwohl fortdauernde Bedeutung des Ratings Sieht man von dieser (wesentlichen) konzeptionellen Umstellung ab, dürfte sich die Bedeutung von Ratings im diskutierten Regulierungszusammenhang im Übrigen kaum entscheidend geändert haben.83 Sowohl in der Regelungsbegründung zum neuen „investment grade“-Standard als auch in den zeitgleich veröffentlichten Leitlinien (guidance) zu dessen Anwendung durch die Banken weist der Comptroller of the Currency nämlich zu Recht darauf hin, dass Banken schon bislang – wie im Text84 bereits erörtert – zur eigenverantwortlichen Bonitätseinschätzung verpflichtet waren; die nunmehr vorzunehmende Prüfung soll denselben Grundsätzen unterliegen.85 Des Weiteren stellt die Aufsichtsbehörde ausdrücklich klar, dass die Banken sich bei ihren Bonitätsbeurteilungen auch weiterhin auf die Ratings von Rating-Agenturen stützen dürfen86 (solange sie diese nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage verwenden, was sie freilich schon bisher nicht durften), zumal der anwendbare Bonitätsstandard explizit gleichgeblieben sein soll.87
81 Vgl. nur §§ 931(4), 939C, 939D, 939H Dodd–Frank Act – sämtlich zielend auf Interessenskonflikte der Rating-Agenturen. 82 Siehe noch allgemein § 31 II 1 a) bb). 83 Dazu noch § 17 I 4 b) bb). 84 Siehe oben I 1 c) bb). 85 Office of the Comptroller of the Currency, Final Rule vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253, 35254: „These final rules remove references to credit ratings provided by NRSROs and instead generally require national banks and Federal savings associations to make assessments of a security’s creditworthiness, similar to the assessments currently required for the purchase of unrated securities“ (meine Hervorhebung); Office of the Comptroller of the Currency, Treasury (OCC), „Guidance on Due Diligence Requirements in Determining Whether Securities Are Eligible for Investment“ (Final guidance) vom 4. Juni 2012, 77 FR 35259, 36260 (13. Juni 2012). 86 Office of the Comptroller of the Currency, Final Rule vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253, 35254: „external credit ratings and assessments remain valuable sources of information and provide national banks with a standardized credit risk indicator“; dass., Guidance vom 4. Juni 2012, 77 FR 35259, 35261: „This may include consideration of […] third party research and analytics including external credit ratings“, „analytical support may be delegated to third parties“. 87 Office of the Comptroller of the Currency, Final Rule vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253, 35254: „The OCC believes that the proposed ‚investment grade‘ standard and the due diligence required to meet it are consistent with those under prior ratings-based standards and existing due diligence requirements and guidance“ und „[t]he OCC does not intend for the elimination of references to credit ratings, in accordance with the Dodd–Frank Act, to change substantively the standards national banks must follow when deciding whether a security is ‚investment grade‘ …“; ebenso dass., Guidance vom 4. Juni 2012, 77 FR 35259, 35260.
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cc) Ergebnis: Primär formelle Umgestaltung der Regelung Man wird daher im Ergebnis davon ausgehen können, dass sich die einschlägige U.S.-amerikanische Regulierung im Jahre 2013 primär in der Form, aber kaum in der Sache geändert haben dürfte, weil das „investment grade“ in der Praxis auch künftig in enger Anlehnung an die Ratingeinstufungen der Rating-Agenturen erfolgen wird.
2. Deutsches Recht: Beschränkte ratingbasierte Vorgaben für Investitionen bestimmter Spezialbanken in Fremdkapitaltitel Im Gegensatz zur Situation in den U.S.A. überlässt das deutsche Bankrecht es im Grundsatz der freien unternehmerischen Entscheidung der Kreditinstitute, welche Bankgeschäfte sie vornehmen wollen,88 und kennt daher keine flächendeckenden Anlagevorschriften. Soweit bestimmte, einer erhöhten Regulierungsintensität bedürftige Bankentypen betroffen sind, setzt allerdings auch das deutsche Recht als Teil dieser Sonderaufsicht begrenzte Investitionsvorgaben ein, und bedient sich dabei in jüngerer Zeit auch der Regulierungsfunktion des Ratings. Anders als im U.S.-amerikanischen Bankenaufsichtsrecht bezwecken die Mindestratingvorgaben hier nicht spezifisch die Verhinderung eines missbilligten Verhaltens des Kreditinstituts (der „Spekulation“), sondern allgemein die Erhaltung des zweckgebundenen Vermögens der Bank zugunsten der Gläubiger.89 a) Investitionen von Bausparkassen in Schuldverschreibungen mit „investment grade“-Rating (§ 4 Abs. 3 Nr. 5 BausparkG) Da der Geschäftsbetrieb der Bausparkassen auf das Bauspargeschäft ausgerichtet ist90 und ihr Vermögen der Zweckgemeinschaft der Bausparer dienen soll,91 wird der Betrieb sonstiger Geschäfte durch das Gesetz engen Grenzen unterworfen.92 Bei der Anlage verfügbaren Geldes werden Bausparkassen daher vorrangig auf Schuldverschreibungen katalogartig aufgezählter, „sicherer“ Emittenten (nämlich der öffentlichen Hand sowie geeigneter Kreditinstitute) verwiesen, neben denen § 4 Abs. 3 Nr. 5 BausparkG allerdings auch die Investition in „andere“, an einer Börse zugelassene Schuldverschreibungen (also namentlich Unternehmensanleihen93) gestattet. Obgleich der Gesetzeswortlaut außer der Zulassung an ei88 Brocker, in: Derleder/Knops/Bamberger, § 65 Rn. 11; Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 3 Rn. 13a: „Gewerbefreiheit“; Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 127 Rn. 12. Beschränkte Verbote statuiert § 3 KWG. 89 Vgl. Rümker/Winterfeld, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 124 Rn. 54. 90 § 1 BausparkG. 91 Rümker/Winterfeld, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 124 Rn. 58 ff.; Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 4 BSpkG Anm. 17. 92 § 4 BausparkG; vgl. Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 4 BSpkG Anm. 1. 93 Dagegen sollen Verbriefungen („Residential Mortgage und Asset Backed Securities“) und strukturierte Schuldverschreibungen mit derivativen Elementen nach Ansicht der BaFin nicht unter § 4 Abs. 3 Nr. 5 BausparkG fallen (BaFin, Schreiben vom 16.11.2005, Geschäftsz. BA 2 – 21.00 –
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nem organisierten Markt94 – die als solche heute keine Bonitätsprüfung mehr involviert95 – keine weitere Anforderungen an die Anleihe stellt, verlangt die BaFin als zuständige Aufsichtsbehörde im Wege der „konkretisierenden Auslegung“ eine „ausgeprägte persönliche und wirtschaftliche Fähigkeit des Emittenten zur Bedienung der Anleihe beziehungsweise die besondere, der Sicherheit dienende Ausgestaltung der Anleihe.“ Diese hält sie in der Regel bei einem Rating mit „investment grade“ durch eine anerkannte Rating-Agentur für substantiiert gegeben.96 Wie sich aus der beispielhaften Nennung der großen Rating-Agenturen Standard & Poor’s und Moody’s erschließt, wird dabei keine formelle behördliche Anerkennung verlangt, sondern vielmehr an die Anerkennung der Agentur am Markt angeknüpft.97
b) Deckungsstockfähigkeit ausländischer öffentlicher Schuldverschreibungen nach § 4 Abs. 1 PfandBG Auch in das deutsche Pfandbriefrecht wurden im Jahre 2009 – also unter dem unmittelbaren Eindruck der Finanzkrise98 – erstmals Ratingbezugnahmen aufgenommen. Dort schreibt § 4 Abs. 1 Satz 1 PfandBG vor, dass der Barwert der eingetragenen Deckungswerte den Barwert der umlaufenden Pfandbriefe jederzeit um 2% übersteigen muss (sog. sichernde Überdeckung). Soweit die Deckung dabei in öffentlichen Schuldverschreibungen, die nicht durch einen EWR-Staat,99 sondern durch die Schweiz, die U.S.A., Kanada oder Japan emittiert wurden, oder aber in einem Guthaben bei einem Kreditinstitut in einem der vorgenannten Staaten besteht, reicht sie für Zwecke der sichernden Überdeckung nunmehr nur noch unter der Voraussetzung aus, dass der nicht-europäische Staat bzw. das Kreditinstitut über ein Rating der Bonitätsstufe 1 nach Tabelle 1 des Art. 114 Abs. 2 EU-CRR100
Für94die Geldanlage von Bausparkassen geeignete „andere Schuldverschreibungen“ im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 5 BSpKG, Tz. 2, 3), obgleich es sich dabei rechtlich überwiegend um „Schuldverschreibungen“ handeln dürfte – angesichts der besonderen Risikostruktur komplexer Finanzinstrumente (siehe dazu noch § 10) wird man dem mit Blick auf den Schutzzweck der Norm zuzustimmen haben. 94 In Bezug genommen wird die diesbezügliche Definition des § 2 Abs. 5 WpHG. 95 Siehe dazu noch § 8 II 5. 96 BaFin, Schreiben vom 16.11.2005, Tz. 1 mit dem Hinweis „z.B. Moody’s: mindestens Baa3; S&P: mindestens BBB–“. 97 Kritisch zur fehlenden Definition der „anerkannten Rating-Agentur“ Richter, WM 2008, 960, 961. 98 Freilich stammten die Vorarbeiten zur Neufassung des PfandBG (die z.T. noch der Umsetzung der EG-Bankenrichtlinie diente) bereits aus der Zeit vor der Finanzkrise; dies mag erklären, warum der Inhalt der Neuregelung von den jüngeren Bestrebungen zur Reduktion legislativer Ratingbezugnahmen unberührt blieb. 99 Vgl. zu den zunehmenden Zweifeln, ob das bedingungslose Vertrauen in die Bonität von Forderungen gegen EWR-Staaten weiterhin gerechtfertigt ist, Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Hagen, 21. Kap. Rn. 17. 100 So die seit dem 1. Januar 2014 geltende Fassung der Vorschrift; die zuvor geltende Fassung hatte auf die EG-Bankenrichtlinie verwiesen.
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verfügt.101 Welche Ratingeinstufung damit erforderlich ist, hängt von der aufsichtsrechtlichen Zuordnung (sog. „mapping“) ab, die bislang durch die nationalen Aufsichtsbehörden vorgenommen, künftig jedoch unionsweit einheitlich durch die EU-Kommission erfolgen wird.102 In Deutschland verlangt die BaFin insoweit ein Rating von mindestens „AA–“ einer anerkannten Rating-Agentur.103 Die klassische „investment grade“-Schwelle wurde für die Zwecke der sichernden Überdeckung von Pfandbriefen, die als zentrales Sicherheitsmerkmal des Pfandbriefs angesehen wird,104 also für nicht ausreichend erachtet.
II. Die Sicherung der Liquidität von Banken und anderen Finanzinstituten Neben Kredit- und Marktrisiken, die man primär durch Eigenmittelanforderungen abzufedern versucht,105 kommt für Banken wie auch andere Finanzinstitute vor allem dem Liquiditätsrisiko zentrale Bedeutung zu,106 also der Gefahr, dass das Finanzinstitut fällige Verpflichtungen infolge mangelnder flüssiger (liquider) Mittel nicht erfüllen kann.107 Die Liquidität einer Bank darf dabei nicht mit ihrer Solvenz gleichgesetzt werden, sondern ist im Ausgangspunkt von dieser unabhängig – ein Liquiditätsengpass kann auftreten, obgleich die Kreditwürdigkeit des Instituts einwandfrei ist,108 und dadurch zu einem Vertrauensverlust unter den Gläubigern109 wie auch einer Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems insgesamt führen.110 Letzteres wurde etwa im Rahmen der globalen Fi101 § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 3 PfandBG. Zur erforderlichen Deckung Öffentlicher Pfandbriefe enthält § 20 Abs. 1 Nr. 1 lit. d, e PfandBG Regelungen, die inhaltlich § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 PfandBG entsprechen. Skeptisch zur regulatorischen Verwendung von Ratings in diesem Bereich Stürner, ZHR 173 (2009), 363, 376. 102 Die EU-Kommission wird die betreffenden „technischen Durchführungsstandards“ nach Vorarbeiten der europäischen Aufsichtsbehörden EBA, EIOPA und ESMA erlassen; vgl. dazu Art. 136 EU-CRR. 103 BaFin, Liste der für die bankaufsichtliche Risikogewichtung anerkannten Ratingagenturen samt Mapping vom 14. Aug. 2009, sub. III 1 a). 104 Vgl. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.135; Smola, PfandBG, § 4 Rn. 1; Stöcker, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 87 Rn. 16, 19; Rümker/Winterfeld, a.a.O., § 124 Rn. 54, 57. 105 Dazu bereits in § 6. 106 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Jan. 2002, § 11 KWG Rn. 24; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler/Boos, § 11 KWG Rn. 1; Schneider, WPg 2010, 269, 274. 107 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Zeranski, Vorbem. LiqV Rn. 6; Kolassa, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 137 Rn. 5. 108 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Transparenz im Bankwesen (Sept. 1998), S. 13; Fischer/Klanten/Fischer, Rn. 2.350; Schneider, WPg 2010, 269, 274: „Lehrsätze, wonach die Liquidität nur ein Spiegelbild der Bonität ist und somit immer der Bonität folgt, gelten eben doch nur unter den Bedingungen funktionierender Geld- und Kapitalmärkte“. 109 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Jan. 2002, § 11 KWG Rn. 4. 110 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Sachgerechte Methoden für die Steuerung der Liquidität in Bankinstituten (Feb. 2000), Tz. 1; Zeitler, WM 2001, 1397.
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nanzkrise 2007–09 deutlich, die nicht als Bonitäts-, sondern als Liquiditätskrise begann.111 Sind danach Liquidität und Bonität also streng zu unterscheiden, so mag überraschen, dass das geltende Recht dem Rating in seiner Regulierungsfunktion gleichwohl auch dort eine entscheidende Rolle zuweist, wo es um die rechtliche Bewältigung von Liquiditätsrisiken geht.112 Daneben blicken auch die RatingAgenturen selbst bei der Erstellung von Emittentenratings auf die Liquidität der bewerteten Unternehmen,113 die dabei jedoch lediglich als ein Faktor in die Bonitätsbeurteilung einfließt und im veröffentlichten Rating als Marktinformation daher nicht gesondert ausgewiesen wird.
1. Präventive Anforderungen an die Bankenliquidität Vor dem beschriebenen Hintergrund stellen sowohl das deutsche wie das schweizerische Recht gesetzliche Liquiditätsanforderungen an Kreditinstitute auf, die bereits präventiv dem Entstehen von Liquiditätsengpässen vorbeugen sollen.114 Auch das Bankenaufsichtsrecht Hongkongs, das sich im Allgemeinen mit einer geringen Regelungsdichte begnügt,115 unterwirft die Bankenliquidität detaillierten Anforderungen, seit in der Vergangenheit mehrere Hongkonger Kreditinstitute infolge fehlender Liquidität zusammengebrochen waren116 – es handelt sich hier also um ein weiteres Beispiel für die (weltweit anzutreffende) kriseninduzierte Gesetzgebung im Banken- und Kapitalmarktrecht,117 zu der sich schließlich auch die Liquiditätsanforderungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht118 zählen lassen, durch die im Nachgang zur globalen Finanzkrise im Zuge der „Basel III“-Reformen erstmals international koordinierte Liquiditätsvorgaben eingeführt werden sollen.
111 Vgl. Fischer/Klanten/Fischer, Rn. 2.350; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 537; Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1672; Manns/Schulte-Mattler, WM 2010, 1577, 1582. 112 Siehe dazu sogleich unter 1.–3. 113 Neuere empirische Untersuchungen weisen freilich darauf hin, dass Rating-Agenturen Liquiditätsrisiken in diesem Zusammenhang möglicherweise unterschätzen; vgl. Gopalan/Songy/ Yerramilli, Do Credit Rating Agencies Underestimate Liquidity Risk?, Working Paper vom 8. Feb. 2010. 114 Vgl. Bodmer/Kleiner/Lutz/Lutz, Stand: Nov. 1990, Art. 4 BankG Rn. 11d mit dem Hinweis, dass entsprechende Gesetzesregelungen in den 1990er Jahren im weltweiten Vergleich noch ganz ungewöhnlich waren. Zu den liquiditätsbezogenen Vorgaben der deutschen MaRisk vgl. Schneider, WPg 2010, 269, 273 ff. 115 Siehe § 1 III 1 d). 116 Vgl. Hsu, Laws of Banking, S. 209. 117 Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255; dazu zudem Fleischer, in FS Priester (2007), 75 ff. 118 Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013). Zum Basler Ausschuss bereits § 6 II 1 a).
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a) Hohe Ratingeinstufung als Indikator der kurzfristigen Liquidierbarkeit von Schuldverschreibungen Die verschiedenen Regelungen greifen in diesem Zusammenhang in unterschiedlichem Maße auf Ratings zurück: In Hongkong, wo alle zum Einlagengeschäft zugelassenen Kreditinstitute über eine durchschnittliche monatliche Liquiditätsquote von mindestens 25% verfügen müssen,119 werden bei der Berechnung dieser Quote, die sich nach dem Verhältnis kurzfristig liquidierbarer Vermögenswerte zu kurzfristigen (binnen eines Monats fälligen) Verbindlichkeiten bemisst, alle Schuldverschreibungen als „kurzfristig liquidierbar“120 angesehen, die über ein Mindestrating von „A3“ (Moody’s) oder „A–“ (Standard & Poor’s) verfügen.121 Das Schweizer Recht, das ständig liquide Aktiva der Bank im Umfang von sogar 33% der kurzfristigen Verbindlichkeiten verlangt,122 verfährt ganz ähnlich: Es lässt „Werte, welche die Nationalbank für geldpolitische Repogeschäfte zulässt“, zum Buchwert als liquide Aktiven gelten,123 worin – da die Schweizer Nationalbank ihrerseits die Repofähigkeit von Schuldverschreibungen von einem „Single-A“-Mindestrating abhängig macht124 – eine mittelbare Ratingbezugnahme liegt. Dieses Mindestrating wirkt sich bei eigenen Schuldverschreibungen der Bank, nicht börsennotierten (OTC-)Anleihen und Schuldverschreibungen der meisten ausländischen Schuldner (einschließlich strukturierter Finanzinstrumente,125 da diese typischerweise von ausländischen Zweckgesellschaften emittiert werden) auf die Liquiditätsquote der Bank aus126 und betrifft damit eine Gruppe von Anleihen, der am schweizerischen Kapitalmarkt eine erhebliche Bedeutung zukommt. Das geplante „Basel III“-Liquiditätsregime schreibt Banken schließlich einen Bestand an „High Quality Liquid Assets“ (HQLA) vor, die auch in Stressphasen an den Märkten liquide sein müssen,127 also ohne Weiteres und unverzüglich flüssig gemacht werden können, und zwar ohne oder mit nur geringer Werteinbuße.128 Bei der Einstufung von Wertpapieren als HQLA wird
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§ 102(1) Banking Ordinance (Cap. 155). Zur zentralen Bedeutung des Begriffs „liquefiable“ vgl. Tokley, Banking Law, Stand: Issue 0, Kap. II Rn. 905–950. 121 Schedule 4 zur Banking Ordinance, die zudem ein äquivalentes Rating einer sonstigen, durch die HKMA als gleichwertig anerkannten Rating-Agentur genügen lässt. Hsu/Arner/Tse/ Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 3.208 merken an, dass die einschlägigen Regeln – für Hongkong ungewöhnlich – stark durch U.S.-amerikanische Vorbilder geprägt sind. 122 Art. 4 Abs. 2 BankG i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BankV. Die „kurzfristigen Verbindlichkeiten“ werden in Art. 17 BankV näher definiert. 123 Art. 16 Abs. 1 lit. b BankV. 124 Siehe dazu noch unten II 3 a) aa). 125 Vgl. noch näher § 10. 126 Dies erschließt sich mittelbar daraus, dass verschiedene andere Schuldverschreibungen durch Art. 16 Abs. 1 lit. c, e und f BankV schon unabhängig von ihrem Rating als liquide eingeordnet werden. 127 Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013), Tz. 23 mit der zusätzlichen Maßgabe, dass solche Aktiva „im Idealfall notenbankfähig sein“ sollten. 128 So Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013), Tz. 27. 120
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sodann maßgeblich auf deren Ratings abgestellt,129 neben denen allerdings noch eine Reihe anderer Faktoren (wie namentlich der Umstand, dass sie an großen, tiefen und aktiven Repo- oder Kassamärkten mit einem geringen Konzentrationsgrad gehandelt werden130) eine Rolle spielen; es wird hier also nicht unmittelbar von einem hohen Rating auf eine hohe Liquidität geschlossen. Die Liquiditätsvorgaben des deutschen Rechts131 sind demgegenüber in der Ratingverwendung nochmals zurückhaltender, knüpfen punktuell aber ebenfalls an das Rating bestimmter Bankaktiva an.132 b) Bewertung Das Hongkonger und Schweizer Recht, die Liquiditätsanforderungen in „Basel III“ und auch das deutsche Recht verwenden das Rating nach alledem also (in freilich unterschiedlichem Umfang) als Liquiditätsindikator und unterstellen damit, dass mit einer hohen Bonität einer Anleihe auch deren kurzfristige und preisbeständige Veräußerbarkeit am Markt einhergeht. Letzterer Schluss mag u.U. auf Erfahrungen an den betroffenen Finanzmärkten gestützt werden können,133 wenngleich Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung darauf hindeuten, dass Faktoren wie das Gesamtvolumen einer Emission diesbezüglich weit aussagekräftiger sind.134 Er wird jedenfalls nicht durch das Rating selbst nahe gelegt, das zur Liquidierbarkeit eines gerateten Finanzinstruments seinerseits – wie zutreffend betont wird – keinerlei Aussage trifft.135 Deutlich wird dies etwa am Beispiel deutscher Pfandbriefe, die häufig eine hohe Bonität aufweisen, aber nicht notwendigerweise auch über einen hoch liquiden Sekundärmarkt verfügen.136 129 Vgl. Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013), Tz. 52 lit. b (Unternehmensanleihen (einschließlich Commercial Paper) und gedeckte Schuldverschreibungen), Tz. 54 lit. a (mit Wohnimmobilien unterlegte Wertpapiere (RMBS)), Tz. 54 lit. b (Unternehmensschuldtitel). 130 Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013), Tz. 52 lit. b, 54 lit. a, b. 131 § 11 Abs. 1 KWG i.V.m. der Liquiditätsverordnung (LiqV). 132 § 3 Abs. 1 Nr. 6 LiqV ordnet nämlich solche Vermögensgegenstände als täglich oder in bis zu einem Monat verfügbar (Laufzeitband 1) ein, die von der EZB als refinanzierungsfähige Sicherheiten anerkannt werden, was wiederum – noch unten II 3 a) aa) zu erörtern – von einem Mindestrating abhängt (Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber/Weber, § 3 LiqV Rn. 17). Es handelt sich also um eine dem Schweizer Recht vergleichbare, mittelbare Ratingbezugnahme, die freilich einen deutlich geringeren Anwendungsbereich besitzt. 133 In diesem Sinne zum deutschen Sekundärmarkt etwa Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 79; a.A. Schneider, WPg 2010, 269, 274. Empirische Befunde sind bestenfalls gemischt: So ermittelten Hand/Holthausen/Leftwich, 47 J. Fin. (1992), 733, 736, dass der Markt für „non-investment grade“-Anleihen deutlich liquider war als für „investment grade“-Papiere. 134 Vgl. etwa Houweling/Mentink/Vorst, 29 J. Banking & Fin. (2005), 1331 ff. 135 Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1918; Avgouleas, ECFR 2009, 440, 456; Berblinger, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 21, 51; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 402; Portes, Rating agency reform, S. 145, 146; Sy, IMF Working Paper 09/129, S. 15: „… seem to have assumed quite wrongly that a rating carried an inference for liquidity and market stability, rather than solely for credit risk“. 136 Berblinger, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 21, 51.
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Die Gefahr, die aus einem solchen Missverständnis über den Aussagegehalt eines Ratings erwachsen kann, wurde beim Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007–09 deutlich, als die Mehrzahl der Marktteilnehmer eben diesem Missverständnis unterlag: Das schnell um sich greifende Misstrauen gegenüber strukturierten Finanzprodukten hatte zur Folge, dass der Markt vollständig „austrocknete“ und selbst komplexe Finanzinstrumente mit einem hervorragenden Rating nicht mehr veräußert werden konnten.137 Da ein Rating eine Bonitätsund keine Liquiditätsbeurteilung darstellt, sollte es folglich auch in seiner Regulierungsfunktion nicht als Liquiditätsindikator eingesetzt werden138 – dass die untersuchten Rechtsordnungen es gleichwohl unabhängig voneinander in diesem Sinne verwenden, mag letztlich auf ihre Eigenschaft als verständlich codierte Informationen zurückzuführen sein, die sich dadurch unproblematisch als Tatbestandsmerkmale in Rechtsregeln aufnehmen lassen.
Im Ergebnis stellt der Einsatz von Ratingbezugnahmen zur Regulierung von Liquiditätsrisiken daher eine im Rechtsvergleich verbreitet anzutreffende regulatorische Fehlverwendung dar. Sie tritt neben die strukturell ähnliche Verwendung von Ratings zur Messung anderer, ebenfalls bonitätsfremder Risiken (wie namentlich des allgemeinen Markt- und des Volatilitätsrisikos),139 die in ihrer Gesamtheit eine der wesentlichen Schwachpunkte der Regulierungsfunktion des Ratings im geltenden Recht ausmachen.140
2. Präventive Anforderungen an die Liquidität anderer Finanzinstitute a) Die U.S.-amerikanische „net capital rule“ für broker-dealer Bis zum Jahre 2014141 fungierten Ratings auch im U.S.-amerikanischen Recht als Teil einer wichtigen Liquiditätsregelung, die jedoch keine Banken im engeren Sinne, sondern sog. broker-dealer betrifft. Dieser Begriff bezeichnet Wertpapierfirmen, die sowohl An- und Verkäufe von Wertpapieren für fremde Rechnung (d.h. als broker oder Makler) als auch für eigene Rechnung (als dealer oder Händler) tätigen.142 Sie betreiben damit Geschäfte, die funktionell denjenigen von Investmentbanken gleichen143 und fallen vor dem Hintergrund des Trennbanken137 CEBS, Second Part of CEBS’s Technical Advice to the European Commission on Liquidity Risk Management vom 18. Sept. 2008, Tz. 28. 138 IOSCO, Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets (May 2008), S. 3: „Regulators may need to revise policies that equate low default risk with low volatility and liquidity risk …“. 139 Dazu zusammenfassend § 17 III 2. 140 Siehe noch § 31 II 1 b). 141 Siehe zur Beseitigung der ausdrücklichen Ratingbezugnahmen der „net capital rule“ in Umsetzung des Dodd–Frank Acts unter cc). 142 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 101; Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 1024; Hazen, Law of Securities Regulation, § 14.4[1][A]. 143 Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: 2009 Supplement, § 1.01: „… are investment bankers with all that this designation entails“; Weiss, Registration and Regulation of Brokers and Dealers, S. 57. Die bis zur globalen Finanzkrise bestehenden großen Wall Street-Investmentbanken (Bear Stearns, Goldman Sachs, Lehman Brothers, Merrill Lynch und Morgan Stanley)
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systems der U.S.A.144 daher unter die Aufsicht der SEC, die den broker-dealern einen wesentlichen Teil ihrer Regulierungsaktivitäten widmet.145 aa) Die „net capital rule“ als ratingbasierte Liquiditätsregelung (bis 2014) Ein offensichtlicher Regulierungsbedarf ergibt sich dabei daraus, dass brokerdealer gleichzeitig auf zwei unterschiedlichen, potentiell inkompatiblen Geschäftsfeldern tätig sind: Da sie zum einen Kundengelder und -wertpapiere verwahren, zum anderen aber als Eigengeschäft (und – anders als Geschäftsbanken – zulässigerweise) spekulative Investitionen am Kapitalmarkt tätigen, besteht die immanente Gefahr, dass durch etwaige Fehlinvestitionen Kundenvermögen verloren geht.146 Das Gesetz verlangt daher zum Schutz der Kunden und der Öffentlichkeit im Allgemeinen147 eine ausreichende finanzielle Ausstattung von brokerdealern, die auf untergesetzlicher Ebene durch die sog. „net capital rule“ sichergestellt wird.148 Diese, in ihrer geltenden Form im Jahre 1975 erlassene149 und für ihre außerordentliche Komplexität berüchtigte Regelung150 schreibt dabei im Kern vor, dass die Gesamtverbindlichkeiten eines broker-dealers zu keinem Zeitpunkt das 15fache seines verfügbaren Kapitals (net capital) übersteigen dürfen151 – es handelt sich also um eine Verhältnisregel, die funktionell den Eigenmittelvorgaben zur Sicherung der Bankensolvenz ähnelt.152 Während das rechtstechnische Instrument der Eigenmittelanforderung im internationalen Vergleich aber – wie bereits gezeigt153 – ganz überwiegend zur Absicherung von Kredit- und Marktrisiken eingesetzt wird, handelt es sich bei der 144 unterfielen nur deshalb nicht der Regulierung für broker-dealer, weil die SEC sie einem gesonderten Regelungsregime (für sog. Consolidated Supervised Entities) unterstellt hatte; vgl. Hunt, 60 S. C. L. Rev. (2009), 749, 767 ff. 144 Dazu schon oben I 1 a). 145 Hazen, Law of Securities Regulation, § 14.1[3][B]. 146 Molinari/Kibler, 72 Geo. L.J. (1983), 1, 5. 147 Touche Ross & Co. v. Redington, 18.6.1979, 442 U.S. 560, 570 (1979); Blaise D’Antoni & Associates, Inc. v. SEC, 20.4.1961, 289 F.2d 276, 277 (5th Cir. 1961); Markham/Hazen, Broker-Dealer Operations, Stand: Release 3 (10/1997), § 5.01. 148 Rule 15c3–1 unter dem Securities Exchange Act of 1934 (17 C.F.R. § 240.15c3–1). Dazu Blaise D’Antoni & Associates, Inc. v. SEC, 20.4.1961, 289 F.2d 276, 277 (5th Cir. 1961): „one of the most important weapons in the Commission’s arsenal to protect investors“. 149 Erlass der einheitlich auf alle broker-dealer anwendbaren „uniform net capital rule“ durch SEC Release 34–11497 „Adoption of Amendments to Rule 15c3–1 and Adoption of an Alternative Net Capital Requirement for Certain Brokers and Dealers“ vom 26. Juni 1975, 40 FR 29795 ff. (16. Juli 1975), 7 SEC Dock. (1975), 241 ff. Vorgängerregelungen ohne Ratingbezugnahmen hatte es bereits seit 1942 gegeben; vgl. Hazen, Law of Securities Regulation, § 14.8[1]. 150 Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 1077: „extremely complicated“; ebenso Markham/Hazen, Broker-Dealer Operations, Stand: Release 3 (10/1997), § 5.01; Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: 2009 Supplement, § 12.02[A][1]: „the longest and probably the most complex rule in the entire SEC rulebook“. 151 Rule 15c3–1(a)(1)(i) (17 C.F.R. § 240.15c3–1(a)(1)(i)). 152 Markham/Hazen, Broker-Dealer Operations, Stand: Release 3 (10/1997), § 5.02; Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 513 Fn. 78. Siehe dazu bereits in § 6. 153 Siehe § 6.
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„net capital rule“ nicht um eine Solvenz-, sondern eine Liquiditätsregelung.154 Sie soll also sicherstellen, dass der broker-dealer über ausreichend liquide Vermögenswerte verfügt, um fällige Verbindlichkeiten (darunter vor allem Forderungen seiner Kunden) stets erfüllen zu können.155 Bei der hierzu notwendigen Berechnung des verfügbaren Kapitals ist ein Abschlag vom Kurswert der Wertpapiere vorgeschrieben, die sich im Portfolio des broker-dealers befinden (sog. „haircut“), der damit zu einem Sicherheitspolster gegen allfällige Kursschwankungen führt.156 Der Umfang dieses „haircuts“ wurde nun bis zum Jahr 2014 entscheidend vom Rating des betreffenden Wertpapiers abhängig gemacht, indem er deutlich geringer angesetzt wurde, wenn das Wertpapier durch mindestens zwei „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (NRSROs) als „investment grade“ geratet war.157 Das Rating wurde daher in seiner Regulierungsfunktion auch hier als Indikator von Liquidität und Kursvolatilität158 (und nicht der Bonität) eingesetzt, was den bereits im Text159 erörterten Bedenken begegnete. Da die „net capital rule“ im Ergebnis den zulässigen Geschäftsumfang (leverage) des broker-dealers bestimmt,160 schaffte die darin enthaltende ratingbasierte Privilegierung davon 154 SEC Release 34–10525 „Notice of Revision of Amendments to Rule 15c3–1 under the Securities Exchange Act of 1934“ vom 29. Nov. 1973, 3 SEC Dock. (1973), 103, 104; SEC Release 34– 11497 vom 26. Juni 1975, 7 SEC Dock. (1975), 241, 244 f.; Touche Ross & Co. v. Redington, 18.6.1979, 442 U.S. 560, 570 Fn. 10 (1979); Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 855; dies., Securities Regulation, S. 3153; Molinari/Kibler, 72 Geo. L.J. (1983), 1, 5; Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: 2009 Supplement, § 12.01; Weiss, Registration and Regulation of Brokers and Dealers, S. 58. Zurückhaltender Wolfson/Phillips/Russo, Regulation of Brokers, Dealers and Securities Markets, § 6.01 Fn. 5: Liquidität als „basic although not exclusive concept“ der Regelung. 155 SEC Release 34–64352 „Removal of Certain References to Credit Ratings Under the Securities Act of 1934“ (Proposed rule) vom 27. Apr. 2011, 76 FR 26550, 26552 (6. Mai 2011): „Consequently, if the broker-dealer experiences financial difficulty, it should be in a position to meet all obligations to customers and counterparties and generate resources to wind-down its operations in an orderly manner without the need of a formal proceeding“; Touche Ross & Co. v. Redington, 18.6.1979, 442 U.S. 560, 570 Fn. 10 (1979); Molinari/Kibler, 72 Geo. L.J. (1983), 1, 18. 156 Hazen, Law of Securities Regulation, § 14.8[1]; Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: 2009 Supplement, § 12.02[A]; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 335. 157 § 17 C.F.R. § 15c3–1(c)(2)(vi)(E) (für Commercial Paper), § 17 C.F.R. § 15c3–1(c)(2)(vi)(F) (1), (2) (für Nonconvertible Debt Securities), § 17 C.F.R. § 15c3–1(c)(2)(vi)(G) (für Debt Securities, sofern geratet), § 17 C.F.R. § 15c3–1(c)(2)(vi)(H) (für Preferred Stock) (jeweils in der bis zum 6. Juli 2014 geltenden Fassung). 158 SEC Release 34–58070 „References to Ratings of National Recognized Statistical Rating Organizations“ vom 1. Juli 2008, 73 FR 40088, 40092 (11. Juli 2008): „We apply a lower haircut to certain types of securities held by a broker-dealer that were rated investment grade by a credit rating agency of national repute since those securities typically were more liquid and less volatile in price than securities that were not so highly rated“; SEC Release 34–64352 vom 27. Apr. 2011, 76 FR 26550, 26552; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 335 (unter Hinweis auf empirische Erkenntnisse); Wolfson/Phillips/Russo, Regulation of Brokers, Dealers and Securities Markets, § 6.05[5][b][ii]. 159 Oben II 1. 160 Molinari/Kibler, 72 Geo. L.J. (1983), 1, 26.
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unabhängig jedenfalls einen erheblichen Anreiz, in Papiere mit einem ausreichend hohen Rating zu investieren. Auf diese Weise erhöhte sich mittelbar die Bedeutung der Ratingeinstufung für die Emittenten.161
bb) Auswirkungen auf die Regulierungsfunktion des Ratings im Allgemeinen Der ausdrücklich ratingbasierten „net capital rule“ kam schon aufgrund der wichtigen Rolle der broker-dealer im U.S.-amerikanischen Finanzsystem eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zu. Ihre Einführung im Jahre 1975 wird aber darüber hinaus weithin als entscheidender Entwicklungsschritt für die Regulierungsfunktion des Ratings im Allgemeinen eingeordnet;162 für Vertreter der bereits erörterten „regulatory license“-Theorie163 stellte sie denjenigen Moment dar, an dem die originäre Marktinformationsfunktion des Ratings vollständig durch dessen Regulierungsfunktion verdrängt wurde.164 (1) Schaffung der Kategorie der „Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ (NRSRO) In der Tat verdient die „net capital rule“ über den Bereich der Liquiditätsanforderungen an Finanzinstitute hinaus Beachtung, weil darin erstmals der Kreis derjenigen Rating-Agenturen benannt (und damit zugleich abgrenzt) wurde, deren Ratings für den Zweck der Regelung maßgeblich sein sollten: Während U.S.amerikanische Aufsichtsbehörden nämlich bis zu diesem Zeitpunkt lediglich ganz unbestimmte Umschreibungen für die in Bezug genommenen Bonitätsbeurteilungen verwandt hatten, prägte die „net capital rule“ den Begriff der „nationally recognized statistical rating organizations“, auf deren Ratingeinstufungen es ankommen sollte. Sie schuf damit erstmals eine begrenzte Kategorie von Rating-Agenturen, die als für Zwecke einer bestimmten regulatorischen Bezugnahme akzeptiert galten, und trat damit dem Risiko entgegen, dass die Regulierungsadressaten sich zur Erfüllung der rechtlichen Anforderungen auf irgendwelche, von ihnen selbst frei gewählte private Anbieter und deren „Ratings“ stützen könnten165 – das Auftreten als „Rating-Agentur“ war schließlich damals 161 Sack/Juris, 238 NY L.J. (5. Nov. 2007). Hingegen kann keine Rede davon sein, dass die „net capital rule“ die Emittenten zur Beauftragung einer Rating-Agentur verpflichtet hätte (so aber – unzutreffend – Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1056). 162 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 624: „the most significant development“; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 471; Millon, 60 Wash. & Lee L. Rev. (2003), 309, 313: „conferred quasi-public status upon three credit rating agencies“; Mulligan, 50 B.C. L. Rev. (2009), 1275, 1281; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 321; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 104; Sack/Juris, 238 NY L.J. (5. Nov. 2007): „cemented rating agencies’ role as arbiters of investment value“; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 49: „major change“. 163 Siehe bereits in § 5 III 1 a) bb). 164 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 690; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 74. 165 Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 102 f.; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 49.
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wie heute weder von einer staatlichen Zulassung noch sonstigen formellen Anforderungen abhängig.166 Der zu diesem Zweck benutzte Terminus der „nationally recognized statistical rating organization“ sollte dabei allerdings – und dies wird bis heute häufig verkannt – nicht etwa eine behördliche Anerkennung der betreffenden RatingAgenturen durch die SEC in einem entsprechenden formellen Verfahren aufgrund materieller Kriterien signalisieren, sondern bezog sich schlicht auf die bestehende Anerkennung bestimmter Rating-Agenturen am nationalen Markt.167 Die Regulierungsfunktion, die den Rating-Agenturen von der SEC zugewiesen wurde, knüpfe also allein daran an, ob die betreffende Agentur in ihrer Marktinformationsfunktion verbreitete Akzeptanz gefunden hatte. Es überrascht vor diesem Hintergrund nicht, dass die drei damals bestehenden, großen RatingAgenturen von vornherein als „nationally recognized“ eingeordnet wurden.168 Da die Frage, ob eine bestimmte Rating-Agentur am Markt hinreichend anerkannt ist, von dem einzelnen broker-dealer naturgemäß nicht immer sicher beurteilt werden konnte, reagierten die Sachbearbeiter der SEC auf entsprechende Anfragen ggfs. mit einem sog. „no action-letter“, in dem sie ankündigten, gegen den anfragenden broker-dealer keine Sanktionsmaßnahmen („no action“) einzuleiten, sofern dieser sich bei seiner Kapitalberechnung auf die Ratings der betreffenden Rating-Agentur stützt. Auf diese Weise war – gleichsam mittelbar, und rein deklaratorisch – festgestellt, dass die genannte Rating-Agentur am Markt „nationally recognized“ sei.169 Das beschriebene „no action-letter“-Verfahren, das zur bloßen deklaratorischen Bestätigung einer ausreichenden Marktanerkennung führte, zog berechtigte Kritik auf sich, als sich die Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen zunehmend ausweitete. Es wurde gleichwohl erst im Jahre 2006 durch den Credit Rating Agency Reform Act ersetzt, der erstmals ein originäres behördliches Anerkennungsverfahren schuf und dem – beibehaltenen – Begriff der Nationally Recognized Statistical Rating Organization (NRSRO) damit nunmehr die Bedeutung einer staatlichen Anerkennung zuwies.170
166 Innerhalb der EU hat sich dies in jüngster Zeit dadurch geändert, dass die EG-RatingVO (nach freilich umstrittener Auffassung) nunmehr jede öffentliche Ratingtätigkeit pauschal von einer staatlichen Zulassung abhängig macht; vgl. hierzu näher § 22 II 2. 167 Unzutreffend etwa Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 79, die die Anerkennung als NRSRO als zwingende behördliche Prüfung missverstehen, die nunmehr jeder Ratingtätigkeit vorgeschaltet gewesen sei. 168 Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1076; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 321 f.; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 103. 169 SEC Release 33–7085, 34–34616, IC–20508 „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (Concept Release) vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46314 ff. (7. Sept. 1994): „that the rating agency is in fact nationally recognized by the predominant users of ratings in the United States“. 170 Siehe zum Ganzen § 23 II 3.
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(2) Übernahme des „NRSRO“-Begriffs auch in andere ratingbasierte Regelungen Der mit der „net capital rule“ geschaffene Begriff der „NRSRO“ bezieht seine Bedeutung für das Ratingwesen im Allgemeinen aber vor allem daraus, dass er im Laufe der Zeit in zahlreiche andere U.S.-amerikanische Rechtsregeln übernommen wurde: „The term was not defined, but it caught on.“171 Was als lediglich momentbezogene Beschreibung einer weithin konsentierten Marktanerkennung gemeint war, wurde damit also als feststehender Rechtsbegriff verstanden und ermöglichte es in den Augen der diversen Regelsetzer damit, sich bei der Regelabfassung auf einen bereits definierten und mutmaßlich bewährten Terminus technicus stützen zu können. Dabei dürfte freilich nicht immer hinreichend beachtet worden sein, dass die Einordnung einer Rating-Agentur als „NRSRO“ eben ohne eigene inhaltliche Beurteilung durch die SEC erfolgte und der Begriff zudem nur für den spezifischen Gebrauch in der damaligen Liquiditätsregel für broker-dealer konzipiert worden war (und selbst für diesen nach hier vertretener Auffassung kaum taugte172): Es stand also weder fest, dass das Rating einer NRSRO auch in anderen Regelungszusammenhängen einen sachgerechten Bezugspunkt darstellte, noch wurde mit einer regulatorischen Indienstnahme von NRSRO-Ratings eine irgendwie geartete SEC-Zertifizierung bestimmter Rating-Agenturen als unabhängig oder zuverlässig genutzt.173 Gleichwohl fand die Bezugnahme auf „nationally recognized statistical rating organizations“ Eingang in eine Vielzahl sonstiger Rechtsregeln für die unterschiedlichsten Regelungszusammenhänge, die durch die SEC selbst174 oder andere Aufsichtsbehörden wie den Comptroller of the Currency,175 das Board of Federal Reserve,176 die Federal Deposit Insurance Corporation,177 die National Credit Union Administration,178 das Federal Housing Finance Board179 oder das Office of Postsecondary Education180 erlassen wurden. Aus rechtstheoretischer Perspektive bemerkenswert ist, dass sogar die U.S.-amerikanische Legislative in
171 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 101. 172 Dazu schon oben II 2. 173 Verkannt etwa von Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 323. 174 So etwa in Rule 2a–7 unter dem Investment Company Act of 1940 („NRSRO means any nationally recognized statistical rating organization, as that term is used in paragraphs (c)(2)(vi)(E), (F) and (H) of Rule 15c3–1 under the Exchange Act“; vgl. näher § 12 II 3 a)); Rule 3a–7 unter dem Investment Company Act (dazu § 10 II 2). 175 So in den bereits oben unter I. erörterten Anlagevorschriften für Banken in ihrer bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung (12 C.F.R. § 1.2(d)) sowie a.a.O., (h): „NRSRO means a nationally recognized statistical rating organization“. 176 12 C.F.R. § 201.3(e) (2010) – Regulation A; 12 C.F.R. § 220.2 (1987) – Regulation T. 177 12 C.F.R. § 362.10(b). 178 12 C.F.R. § 704.6(d). 179 12 C.F.R. § 910.6 (1993) und 24 C.F.R. § 266.100(a)(1). 180 34 C.F.R. § 668.15 (1994).
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parlamentsgesetzlichen Vorschriften häufig auf diesen Terminus verwies,181 der durch die Exekutive geprägt und nie näher definiert worden war.182 Er hatte sich damit ebenso wie seine Abkürzung „NRSRO“ auf dem U.S.-amerikanischen Markt der Regelsetzer als gängiger Standard etabliert, bevor er – wie bereits angedeutet – im Jahre 2006 schließlich mit einem gesetzlich geregelten Anerkennungsverfahren unterlegt wurde.183 cc) Streichung ausdrücklicher Ratingbezugnahmen aus der „net capital rule“ infolge des Dodd–Frank Acts (2014) Infolge des generellen Überprüfungs- und Abschaffungspostulats des Dodd– Frank Acts184 geriet sodann auch die „net capital rule“ auf den Prüfstand. Die SEC stellte daher im Jahre 2011 einen Vorschlag zur Abschaffung der Ratingbezugnahmen der „net capital rule“185 zur Diskussion, der in seinem Grundansatz der im Text bereits behandelten Neuregelung der Bonitätsvorgaben für Geschäftsbankeninvestitionen186 ähnelte. Dieser Neuregelungsvorschlag wurde trotz überwiegend ablehnender Stellungnahmen von Seiten der Marktteilnehmer187 mit Wirkung zum 7. Juli 2014 umgesetzt,188 sodass die „net capital rule“ für broker-dealer damit ihren Rang als einer der bekanntesten ratingbasierten Rechtsvorschriften des U.S.-amerikanischen Rechts eingebüßt hat. An die Stelle der bisherigen Bezugnahme auf „objektive“ Ratings als NRSRO anerkannter Rating-Agenturen ist in der Neufassung der „net capital rule“ im 181 So – zum Teil allerdings mittlerweile durch den Dodd–Frank Act im Normwortlaut geändert – im Secondary Mortgage Market Enhancement Act of 1984 (Einführung des § 3(a)(41) Securities Exchange Act of 1934; dazu § 10 II 3 a)), im Federal Deposit Insurance Act of 1989 (12 U.S.C. § 1831e(d)(4)(A)), im Federal Housing Enterprises Financial Safety and Soundness Act of 1992 (12 U.S.C. § 4519 (1992)), im Investment Company Act of 1940 (15 U.S.C. § 80a–6(a)(5)(A)(iv)), im Higher Education Act of 1965 (20 U.S.C. § 1087–2) und im LOCAL TV Act (47 U.S.C. § 1103(d)(2)(D)(i)). 182 SEC Release 33–7085, 34–34616, IC–20508 vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46314 ff.: „its reliance on the term used in Commission rules is significant because it reflects a congressional recognition that the ‚term has acquired currency as a term of art‘.“ 183 Siehe näher § 23 II 3 b). 184 § 939A Dodd–Frank Act; siehe noch näher § 17 I 4 b). 185 SEC Release 34–64352 „Removal of Certain References to Credit Ratings Under the Securities Act of 1934“ (Proposed rule) vom 27. Apr. 2011, 76 FR 26550 ff. (6. Mai 2011). 186 Siehe zur diesbezüglichen Neuregelung durch den Comptroller of the Currency oben I 1 d). 187 Vgl. SEC Release 34–64352 vom 27. Apr. 2011, 76 FR 26550, 26551: „the Commission received many comments that raised serious concerns about removing the references. Commenters argued that removing NRSRO references in the context of the Net Capital Rule would decrease the transparency of broker-dealers’ net capital computations and negatively affect market confidence in the financial strength of broker-dealers. In addition, commenters contended that the proposed amendments would place an undue burden on broker-dealers to justify the propriety of internal methods for determining haircuts and on Commission examiners who might be required to review those methods.“ 188 § 17 C.F.R. § 15c3–1(c)(2)(vi)(E) (für Commercial Paper), § 17 C.F.R. § 15c3– 1(c)(2)(vi)(F)(1), (2) (für Nonconvertible Debt Securities), § 17 C.F.R. § 15c3–1(c)(2)(vi)(H) (für Preferred Stock) (jeweils in der seit dem 7. Juli 2014 geltenden Fassung).
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Wesentlichen die „subjektive“ Einschätzung der Kreditrisikos als „minimal“ durch den regulierten broker-dealer selbst getreten,189 der sich als Grundlage dieser Einschätzung auch weiterhin auf NRSRO-Ratings stützen darf.190 Da der maßgebliche Risikostandard unter der neugefassten „net capital rule“ zudem erklärtermaßen der Gleiche sein soll wie unter der bisherigen ratingbasierten Normfassung,191 steht zu erwarten, dass sich an der Bedeutung von Ratings in diesem Zusammenhang letztlich nur wenig ändern wird: Broker-dealer werden sich voraussichtlich schon aufgrund ihres Interesses, die Unsicherheiten bei der Konkretisierung des neuen unbestimmten Risikomaßstabes möglichst gering zu halten, auch in Zukunft an NRSRO-Ratings orientieren, obgleich die „net capital rule“ nicht länger ausdrücklich auf diese Bezug nimmt. Dass broker-dealer dabei allerdings zur Einschätzung gelangen können, auch unterhalb des „investment grade“ gerateten Anleihen wohne gleichwohl ein lediglich minimales Kreditrisiko inne, weist auf die bekannte Gefahr hin, dass „subjektive“ Kreditrisikoeinschätzungen durch Regulierte selbst in deren Eigeninteresse tendenziell toleranter ausfallen als eine Bonitätsbeurteilung durch unabhängige Dritte.192 Die nicht explizit ratinggebundene Neufassung der „net capital rule“ dürfte daher zur Erreichung ihres originären Regelungszwecks letztlich weniger geeignet sein als die ratingbasierte Altfassung. Keine Änderung hat die neugestaltete Norm schließlich im Hinblick auf die bedenkliche Gleichsetzung von Bonitäts- und Liquiditäts- bzw. Volatilitätsrisiko gebracht, die schon der Altfassung zugrunde lag und die regulatorische Ratingverwendung aus diesem Grund als Fehlverwendung erscheinen lassen musste:193 Die Abschaffung der ausdrücklichen Ratingbezugnahme geschah ausschließlich mit dem bloßen Ziel, dem gesetzlichen Abschaffungspostulat des Dodd–Frank Acts zu genügen, und reagierte nicht auf den beschriebe189 SEC Release 34–71194 „Removal of Certain References to Credit Ratings Under the Securities Act of 1934“ (Final rule) vom 27. Dez. 2013, 79 FR 1522, 1525 (8. Jan. 2014): „Unlike the objective approach of using NRSRO credit ratings, the minimal amount of credit risk standard is a subjective approach because it allows broker-dealers in the first instance to determine through their credit assessments whether a lower haircut is applicable to a given position.“ 190 SEC Release 34–71194 vom 27. Dez. 2013, 79 FR 1522, 1526: „The Commission notes that credit ratings […] can serve as useful benchmarks for evaluating whether a broker-dealer’s policies and procedures, as applied to the minimal amount of credit risk standard, are increasing the types of commercial paper, nonconvertible debt, and preferred stock positions to which it applies the lower haircuts as compared to the eliminated NRSRO credit rating standard“; auch a.a.O., 1527. 191 SEC Release 34–71194 vom 27. Dez. 2013, 79 FR 1522, 1525 f.: „However, the Commission does not intend for the new standard to result in a more liberal requirement that broadens the scope of the rule by allowing more positions to qualify for the lower haircuts.“ 192 Dies gesteht auch die SEC ein; vgl. SEC Release 34–71194 vom 27. Dez. 2013, 79 FR 1522, 1529: „The Commission is cognizant of the potential conflict of interest inherent in a requirement that relies to some extent on the subjective judgment of the broker-dealer to determine whether a lower haircut should apply to a commercial paper, nonconvertible debt, or preferred stock position, as noted by some commenters. For example, a broker-dealer may want to hold securities with higher yields to earn more interest but at the same time apply lower haircuts to the positions to increase its net capital. This could bias the broker-dealer’s credit assessment towards finding the security has only a minimal amount of credit risk.“ 193 Oben II 2 a) aa).
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nen Mangel der bisherigen Regelung und das darin zum Ausdruck kommende regulatorische Missverständnis.194 Auch die Neufassung der „net capital rule“ setzt ein minimales Kreditrisiko daher ebenso unverändert wie unzutreffend mit einem geringen Liquiditätsund Volatilitätsrisiko gleich.
b) Liquiditätsanforderungen an Finanzintermediäre im Hongkonger Recht Ratingbasierte Liquiditätsanforderungen an Finanzinstitute, die nicht unter den Bankenbegriff fallen, kennt zudem auch das Hongkonger Recht: Während Banken, wie bereits im Text erörtert,195 auf Grundlage der Banking Ordinance durch die HKMA reguliert und beaufsichtigt werden, fallen die übrigen Finanzintermediäre in die Zuständigkeit der Securities and Futures Commission (SFC),196 die ebenfalls Liquiditätsregelungen erlassen hat.197 Die diesbezüglichen, komplizierten Anforderungen, die hier nicht im Einzelnen darzustellen sind, gelten dabei insbesondere für Wertpapierhandelsunternehmen (das funktionale Äquivalent der U.S.-amerikanischen broker-dealer), erfassen aber darüber hinaus noch eine Reihe weiterer Marktteilnehmer, wie etwa Anlageberater und Finanzterminhändler.198 In inhaltlicher Hinsicht ist von Interesse, dass auch das Hongkonger Recht in diesem Zusammenhang Ratings als Indikator der Liquidität von Wertpapieren verwendet und daher bei einem hohen Rating einen geringeren „haircut“ genügen lässt;199 Mindestvoraussetzung für eine solche (gestaffelte) Privilegierung ist – wie so häufig – ein „investment grade“-Rating.200 Es zeigt sich damit eine auffällige Parallele zur oben erörterten „net capital rule“ der SEC, aufgrund derer die dort angebrachte Kritik hier gleichermaßen gilt. Ein fast ironisch zu nennendes Anzeichen für die zunehmende Verknüpfung der „Regulierung des Ratings“ (dem Gegenstand des Dritten Teils der vorliegenden Untersuchung) mit der „Regulierung durch Ratings“ (dem Gegenstand ihres Zweiten Teils) ist, dass nach Hongkonger Aufsichtsrecht auch die Rating-Agenturen selbst den soeben beschriebenen Liquiditätsanforderungen unterliegen,201 seitdem sie 2011 der Zulassung und Überwachung durch die Securities and Futures Commission unterstellt wurden.202 Es dürfte eine unbeabsichtigte und anscheinend auch unbemerkte Folge dieser aufsichtsrechtlichen Verzahnung sein, dass durch Rating-Agenturen erstellte Ratings damit über die Liquiditätsanforderungen an Rating-Agenturen mitbestimmen.
194 Siehe zu allfälligen Missverständnissen unter Regelsetzern im Zusammenhang mit der Regulierungsfunktion von Ratings noch näher § 17 III 2. 195 Zu Anforderungen an die Bankenliquidität oben unter II 1. 196 S. näher Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 3.166 ff. 197 § 6 Securities and Futures (Financial Resources) Rules (Cap. 571N). 198 Vgl. die Aufzählung der zulassungsbedürftigen Geschäfte in der Securities and Futures Ordinance, Schedule 5; dazu Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 3.76 ff. 199 §§ 27(1)(b), 35(f)(ii) u. öfter Securities and Futures (Financial Resources) Rules i.V.m. Table 4. 200 Securities and Futures (Financial Resources) Rules, Table 4. 201 Siehe dazu noch § 25 II. 202 Siehe näher in § 22 II 5.
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3. Sicherung der Bankenliquidität durch Zentralbanken Neben die erörterten, präventiv wirkenden Anforderungen an eine ausreichende Liquiditätsquote tritt ergänzend die Sicherung der Bankenliquidität durch die Zentralbanken, der vor allem in Krisenszenarien eine entscheidende Bedeutung zukommt.203 Ratings spielen auch in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle, weil sie maßgeblich über die Tauglichkeit der erforderlichen Sicherheiten und damit den Zugang der einzelnen Bank zur Liquiditätsversorgung durch die Zentralbank (mit-)bestimmen. a) Mindestrating als Voraussetzung für die Zentralbankfähigkeit von Sicherheiten In allen hier untersuchten Rechtsordnungen ist es Aufgabe der Zentralbank (oder einer funktionell vergleichbaren Einrichtung), Kreditinstituten vorübergehend Liquidität zur Verfügung zu stellen. Innerhalb der EU wird diese Funktion durch die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken,204 in der Schweiz durch die Schweizerische Nationalbank205 und in den U.S.A. durch die Federal Reserve Bank of New York (in Vertretung der übrigen Federal ReserveBanken)206 ausgeübt, während in Hongkong – wo es, ungewöhnlich für ein hoch entwickeltes Finanzsystem, trotz Währungsautonomie traditionell keine Zentralbank gibt207 – insoweit die Hong Kong Monetary Authority zuständig ist.208 aa) Liquiditätszufuhr über geldpolitische Instrumente Eine Liquiditätszufuhr findet dabei zum einen über geldpolitische Instrumente der Zentralbanken statt, die vorrangig der Liquiditätssteuerung am Geldmarkt insgesamt,209 mittelbar aber auch der Versorgung liquiditätsbedürftiger Kreditinstitute dient.210 Sie erfolgt typischerweise durch sog. „Offenmarktgeschäfte“, in denen auf den Kapital- und Geldmärkten („offenen Märkten“) gehandelte Wertpapiere211 durch die Zentralbank vorwiegend über Pensionsgeschäfte („Repos“212) übernommen und im Gegenzug Buchgeld bereitgestellt wird. 203 Erst die Verweigerung einer Liquiditätshilfe führte im September 2008 zur Insolvenz der U.S.-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers; vgl. Rudolph, in: Grundmann/Hofmann/ Möslein, Finanzkrise, S. 55, 62. 204 Art. 18.1 der ESZB-Satzung. 205 Art. 5 Abs. 2 lit. a NBG; vgl. Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 6 Rn. 80, 82. 206 § 13(3) Federal Reserve Act; 12 U.S.C. §§ 343 ff.; vgl. Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 6/2007, § 3.03[2]. 207 Tokley, Banking Law, Stand: Issue 0, Kap. II Rn. 601: „surprisingly“. 208 Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 2.54. 209 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 2.258. 210 Papathanassiou, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 134 Rn. 67; Philipps/ Rechtschaffen, 21 Fordham Int’l L.J. (1998), 1754, 1768. 211 Vgl. Gaitanides, Recht der Europäischen Zentralbank, S. 111; Glauben, in: Derleder/ Knops/Bamberger, § 64 Rn. 24; Staudinger/Hopt/Mülbert, Vorbem. zu §§ 607 ff. Rn. 705. 212 Der Begriff des Repo-Geschäfts, der eine Rückkaufvereinbarung bezeichnet, leitet sich aus dem englischsprachigen sale and repurchase agreement ab.
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Sämtliche Zentralbanken machen eine Liquiditätsgewährung dabei streng von der Stellung ausreichender Sicherheiten durch die Bank abhängig,213 bei deren Beurteilung man sich in der EU, in der Schweiz wie auch in den U.S.A. in auffälliger internationaler Einheitlichkeit auf die Ratings der als Sicherheit in Frage kommenden Wertpapiere stützt.214 Die notwendigen Mindestratings werden allerdings nicht überall gleich angesetzt: In der Schweiz benötigen „SNB-repofähige Effekten“ ein Mindestrating von „A“ von Standard & Poor’s, Moody’s oder Fitch, wenn die Emission in Schweizer Franken denominiert ist;215 bei auf andere Währungen lautenden Effekten liegt das erforderliche Mindestrating sogar bei „AA–“.216 In den U.S.A. beeinflusst die Währung die Ratinggrenze in noch stärkerem Maße, da für Zwecke des Discount Windows der Federal Reserve grundsätzlich ein „investment grade“-Rating genügt, wohingegen bei Fremdwährungsanleihen ein „AAA“-Rating verlangt wird.217 Im Eurosystem wurde für die Anerkennung als „notenbankfähige marktfähige Sicherheit“ traditionell ein „Single A“-Rating mindestens einer Rating-Agentur verlangt, die den Anforderungen an ECAIs nach der gemeinschaftsrechtlichen „Basel II“-Umsetzung218 genügt.219 Im Verlauf der Staatschuldenkrise seit 2010 senkte die Europäische Zentralbank ihre Bonitätsanforderungen sodann allerdings ab,220 sodass heute auch ein „investment grade“-Rating ausreicht.221 Strukturierte Finanzinstrumente (vor allem Asset Backed Securities222) unterliegen in diesem Zusammenhang sowohl im Eurosystem als auch in den U.S.A. gesonderten Regeln, welche Rückschlüsse auf Aussagegehalt und Vergleichbarkeit der Ratings bei dieser Wert213 Für das Eurosystem Art. 18.1, zweiter Spiegelstrich ESZB-Satzung i.V.m. EZB, Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems, Tz. 6.3.1 ff. (sog. Eurosystem credit assessment framework (ECAF)); für die Schweiz Art. 9 Abs. 1 lit. e NBG i.V.m. den Richtlinien der Schweizerischen Nationalbank (SNB) über das geldpolitische Instrumentarium vom 25. März 2004 (Stand am 1. Jan. 2013), Tz. 3. 214 In den U.S.A. reicht die regulatorische Ratingverwendung in diesem Bereich bis ins Jahr 1937 zurück; vgl. Board of Governors of the Federal Reserve System, Discounts for and Advances to Member Banks …, Regulation A vom 1. Okt. 1937, Sec. 2, S. 6. Allein in Hongkong spielt das Rating keine Rolle, weil für das sog. Discount Window der HKMA als Sicherheit ausschließlich Hongkonger Staatsanleihen (Exchange Fund Bills and Notes) zugelassen sind; vgl. Kwok/Armour, Securities Law, Stand: Issue 9, Kap. XVIII Rn. 303 f. 215 Schweizerische Nationalbank, Merkblatt zu den SNB-repofähigen Effekten vom 5. Okt. 2009, Tz. 4, 5. Dabei müssen sowohl die Emission selbst als auch das Domizilland des Emittenten der Ratinganforderung genügen (sog. sovereign ceiling). 216 Schweizerische Nationalbank, Merkblatt, Tz. 6. 217 Federal Reserve, Collateral Guidelines (Stand: 1. Feb. 2013), S. 1 ff. 218 Siehe dazu oben § 6 III 3. 219 EZB, Leitlinie vom 31. Aug. 2000 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems (EZB/2000/7) in der Fassung vom 20. Jan. 2009, Tz. 6.3.1 f. 220 Siehe zu dieser vielfach heftig kritisierten Aufweichung der Bonitätsanforderungen im Zuge der „Griechenland-Krise“ noch näher im Text unter b). 221 EZB, Leitlinie vom 20. Sept. 2011 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems (Neufassung) (EZB/2011/14) in der Fassung vom 26. Nov. 2012, Tz. 6.3.1 f. Zum Hintergrund Siekmann/Keller, Art. 18 Satzung Rn. 253. 222 Zur Begrifflichkeit noch näher § 10 I 1 a).
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papierart erlauben: Als zentralbankfähige Sicherheiten werden strukturierte Finanzinstrumente nämlich jeweils nur angesehen, wenn sie über ein (in den U.S.A.223) oder gar zwei (im Eurosystem224) „AAA“-Ratings verfügen, woraus sich ergibt, dass ihre Bonitätsbeurteilungen – obgleich durch die Rating-Agenturen erklärtermaßen anhand derselben Ratingskala vorgenommen wie „traditionelle Anleihen“225 – nach Ansicht der Zentralbanken nicht dasselbe Maß an Ausfallsicherheit signalisieren226 und daher nicht als mit anderen Ratings vergleichbar eingeordnet werden. Das Eurosystem schließt zudem nachrangige Tranchen von ABS pauschal von der Zentralbankfähigkeit aus, selbst wenn diese über „AAA“-Ratings verfügen:227 Dies lässt darauf schließen, dass man entweder die Folgen der Nachrangigkeit für die Bonität als nicht zutreffend abgebildet sieht oder aber andersartige, aus einer Nachrangigkeit erwachsene Risiken vermeiden möchte.228 Darüber hinaus wird die Zentralbankfähigkeit von Asset Backed Securities von umfangreichen sonstigen Voraussetzungen wie namentlich zusätzlichen Transparenzanforderungen abhängig gemacht, die für nicht „strukturierte“ Wertpapiere nicht gelten.229 Der beschriebene, differenzierende Einsatz der Regulierungsfunktion des Ratings deutet damit bereits an, dass Ratings von strukturierten Finanzprodukten in den Augen fachkundiger Regelsetzer nicht durchgehend mit sonstigen Ratings vergleichbar sein mögen.
bb) Anlassbezogene Liquiditätszufuhr (lender of last resort) Zudem können Zentralbanken als Kreditgeber in letzter Instanz (lender of last resort) fungieren, indem sie Banken im Wege einer außerordentlichen Liquiditätshilfe Liquidität zur Verfügung stellen, wenn ein Institut sich nicht mehr am Markt refinanzieren kann.230 Es soll damit verhindert werden, dass ein Liquiditätsengpass in die Insolvenz der Bank mündet231 und damit die Stabilität des Finanzsystems insgesamt gefährdet.232 Das Einschreiten als lender of last resort wird in den unterschiedlichen Rechtsordnungen von weiteren, nicht einheitli223
Federal Reserve, Collateral Guidelines (Stand: 1. Feb. 2013), S. 2 f. EZB, Leitlinie EZB/2011/14, Tz. 6.3.1. 225 Siehe dazu noch § 10 I 2 b). 226 Vgl. Siekmann/Keller, Art. 18 Satzung Rn. 340. 227 EZB, Leitlinie EZB/2011/14, Tz. 6.2.1.1; Langner, in FS Schönwitz (2006), S. 493, 501. 228 Vgl. Langner, in FS Schönwitz (2006), S. 493, 502. 229 EZB, Leitlinie EZB/2011/14, Tz. 6.2.1.1 verlangt u.a., dass die Ratings in einem öffentlich zugänglichen Ratingbericht erläutert werden, der eine umfassende Analyse der strukturellen und rechtlichen Aspekte, eine genaue Beurteilung des Sicherheitenpools u.s.w. enthält; zudem müssen die Rating-Agenturen quartalsweise „Performance-Berichte“ für ABS veröffentlichen. 230 Für die EU Art. 127 Abs. 5 AEUV (Art. 105 Abs. 5 EG); vgl. dazu Höfling, Gutachten F zum 68. DJT (2010), S. F 20 ff. mit eingehender Begründung; für die Schweiz Artt. 5 Abs. 2 lit. e, 9 Abs. 1 lit. e NBG i.V.m. den Richtlinien der SNB, Tz. 6; Haltiner, ST 2007, 802, 805; Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 6 Rn. 82, 115 ff.; für die U.S.A. Macey/Miller/Carnell, Banking Law and Regulation, S. 71; für Hongkong § 3(1A) Exchange Fund Ordinance (Cap. 66) i.V.m. HKMA, Policy statement on the Role of the Hong Kong Monetary Authority as Lender of Last Resort (März 2009), Tz. 4 ff.; Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 291. 231 HKMA, Policy statement (März 2009), Tz. 15; Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 6 Rn. 118. 232 Lee, 16 Wis. Int’l L.J. (1997–98), 687, 711; Taisch, Finanzmarktrecht, Kap. 1 Rn. 95; Tokley, Banking Law, Stand: Issue 0, Kap. II Rn. 553. 224
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chen Bedingungen abhängig gemacht (wie etwa der Systemrelevanz der betreffenden Bank233), setzt aber durchgehend voraus, dass die Liquiditätshilfe durch ausreichende Sicherheiten gedeckt wird.234 Zu diesem Zweck wird in allen hier untersuchten Rechtsordnungen wiederum auf Ratings abgestellt und dieselbe Ratinghöhe gefordert wie für das geldpolitische Instrumentarium, während in Hongkong – wo für letzteren Zweck allein einheimische Staatspapiere akzeptabel sind – ein „investment grade“-Rating verlangt wird.235 b) Zweck und Folgen der regulatorischen Ratingverwendung Anders, als dies bei der Ausgestaltung präventiver Liquiditätsvorgaben der Fall ist,236 werden Ratings im Rahmen der Anforderung an zentralbankfähige Sicherheiten nicht als Beurteilung der Liquidität selbst eingesetzt: Zweck der Mindestratinganforderung ist hier die Absicherung der Zentralbank gegen Verluste, die bei einem Ausfall der liquiditätsbedürftigen Bank drohen;237 die Zentralbanken verwenden das Rating also als Bonitätsbeurteilung zur Messung des Kreditrisikos (und damit „richtig“).238 Bemerkenswert ist, dass Ratings in diesem Bereich in allen untersuchten Rechtsordnungen gleichermaßen eingesetzt werden. Obgleich sich die Ratingvorgaben dabei lediglich in internen Richtlinien der einzelnen Zentralbanken finden, beeinflussen sie mittelbar die Ausgestaltung und Marktchancen von Schuldverschreibungen entscheidend mit, weil deren Zentralbankfähigkeit für Anleiheinvestoren (und damit auch die Emittenten) eine erhebliche Bedeutung zukommt.239 Die Bonitätseinstufung durch die privaten RatingAgenturen kann aufgrund der Regulierungsfunktion, die ihr durch die Zentralbanken zugewiesen wird, eine zentrale Bedeutung für die Finanzierungsfähigkeit privater wie auch souveräner Emittenten erlangen und faktisch darüber entscheiden, ob ein Staat sich weiterhin am Kapitalmarkt refinanzieren kann. Im Rahmen der griechischen Staatsfinanzkrise ab 2010 wurde diese Folge – die als solche nicht aus einem Fehlverhalten der Rating-Agenturen resultierte, son233 So in der Schweiz gem. den Richtlinien der SNB vom 25. März 2004, Tz. 6; in Hongkong HKMA, Policy statement (März 2009), Tz. 8. 234 Für die Schweiz Richtlinien der SNB vom 25. März 2004, Tz. 6; für Hongkong HKMA, Policy statement (März 2009), Tz. 10(b). 235 HKMA, Policy statement (März 2009), Tz. 12(b) i.V.m. Annex I (wo Moody’s, Standard & Poor’s, Fitch und R&I als anerkannte Rating-Agenturen aufgeführt werden). 236 Oben II 1. 237 Für das Eurosystem Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.294; Langner, in FS Schönwitz (2006), S. 493, 497; Löber, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 5.382; Siekmann/Keller, Art. 18 Satzung Rn. 237; für die U.S.A. Small/Clouse, 5 Topics in Macroeconomics (2005), Art. 6, S. 1, 4; für Hongkong HKMA, Policy statement (March 2009), Tz. 14. 238 Das Marktrisiko, dem bei der Besicherung von Repogeschäften unter privaten Parteien eine noch größere Bedeutung zukommen dürfte (vgl. zur diesbezügl. Bedeutung von Ratingvorgaben in der Fondsregulierung § 12 II 3 a) bb) (2)), spielt hier keine vergleichbare Rolle, weil Zentralbanken eine Sicherheitenverwertung nicht ohne weiteres durch Verkauf am Markt durchführen können, da ein solcher wiederum Folgen für die Liquidität insgesamt hätte. 239 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 14; Langner, in FS Schönwitz (2006), S. 493, 495 f.; Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 76.
§ 7 Die Bedeutung von Ratings für Banken und andere Finanzinstitute
167
dern aus dem durch die EZB freiwillig vorgenommenen „hardwiring“ der Refinanzierungsfähigkeit an bestimmte Ratingstufen, verbunden mit der sich rapide verschlechternden Staatsfinanzlage der Hellenischen Republik – dadurch verhindert, dass die EZB ihre Ratinganforderungen an zentralbankfähige Sicherheiten insoweit aussetzte.240 Die der EZB unverändert rechtlich vorgegebene Voraussetzung „ausreichender Sicherheiten“241 wurde nunmehr also schlicht abweichend konkretisiert, indem an die Stelle externer, durch unabhängige Dritte erfolgter Bonitätsbeurteilungen andere Faktoren gesetzt wurden, welche die (geld-)politisch gewünschte Zentralbankfähigkeit griechischer Staatsanleihen weiterhin bestätigten. Die Folge war, dass nur die EZB und die Zentralbanken des Eurosystems entsprechende Finanztitel noch als hinreichend sicher einstuften, während diese von privaten Finanzmarktteilnehmern als höchst risikobehaftet angesehen wurden; ein erhöhtes Kreditrisiko zulasten des EZB-Haushalts war die unvermeidliche Folge.242 Eine entsprechende gezielte Freistellung von der ansonsten geltenden Ratingschwelle wurde im Folgenden auch zugunsten anderer Krisenstaaten im Euroraum vorgenommen;243 ihre rechtliche Zulässigkeit ist umstritten.244 Eindrucksvoll bestätigt wurde die zentrale Regulierungsfunktion des Ratings in diesem Bereich zudem während der globalen Finanzkrise 2007–09: Nachdem der Interbankenmarkt für Liquidität in allen hier untersuchten Staaten vorübergehend zusammengebrochen war, weil die Banken infolge des um sich greifenden Vertrauensschwunds nicht mehr bereit waren, sich untereinander Liquidität zur Verfügung zu stellen,245 legten zahlreiche Zentralbanken ad hoc zusätzliche Programme zur Liquiditätsversorgung der Banken auf.246 Bemerkenswert ist, dass auch im Rahmen dieser Liquiditätsprogramme – die zur 240 Die EZB hatte das traditionell geforderte „Single A“-Mindestrating für die oben behandelten geldpolitischen Instrumente schon ab Oktober 2008, im Zuge der globalen Finanzkrise, vorübergehend auf „BBB–“ abgesenkt; vgl. Hördahl/King, Repo-Märkte, S. 17. Während nach der ursprünglichen Planung ab Anfang 2011 wieder die „Single A“-Schwelle gelten sollte, entschied sich die EZB im Zuge der Griechenland-Krise sodann im Frühjahr 2010 zunächst für eine unbegrenzte Beibehaltung der „investment grade“-Schwelle (siehe dazu bereits oben unter a)) und verzichtete wenig später auf jede Bonitätsanforderung an griechische Staatsanleihen. 241 Art. 18.1, zweiter Spiegelstrich ESZB-Satzung. 242 Kritisch daher etwa Deipenbrock, RIW 2010, 612, 613: „EZB akzeptiert ‚Ramschanleihen‘ Griechenlands als Sicherheit“. 243 Vgl. Art. 7 Leitlinie der EZB vom 20. März 2013 über zusätzliche zeitlich befristete Maßnahmen hinsichtlich der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems und der Notenbankfähigkeit von Sicherheiten … (Neufassung) (EZB/2013/4) (Aussetzung der Mindestbonitätsanforderungen auch bzgl. Staatsanleihen Irlands und Portugals, die schon zuvor in anderen Beschlüssen verfügt worden war); Art. 1 Beschluss der EZB vom 2. Mai 2013 über temporäre Maßnahmen hinsichtlich der Notenbankfähigkeit der von der Republik Zypern begebenen oder in vollem Umfang garantierten marktfähigen Schuldtitel (EZB/2013/13). 244 Vgl. Siekmann/Keller, Art. 18 Satzung Rn. 257; Thiele, Mandat der EZB und Krise des Euro, S. 88 ff. (mit Nachw. zu den unterschiedlichen diesbezüglichen Ansichten). 245 S. Rudolph, in: Grundmann/Hofmann/Möslein, Finanzkrise, S. 55, 62. 246 Vgl. für das Eurosystem etwa EZB, Beschluss des Rates vom 7. Mai 2009 zum „Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen“; für die U.S.A. die „Asset-Backed Money Market Mutual Fund Lending Facility (AMLF)“, die „Term Asset-Backed Securities Loan Facility (TALF)“
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Zweiter Teil. Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Bewältigung einer außerordentlichen Situation dienten, deren Entstehung nach ganz überwiegender Ansicht maßgeblich auf Fehler der Rating-Agenturen zurückzuführen war! – weiterhin durchgehend auf Ratings abgestellt wurde,247 um die Tauglichkeit von Finanzinstrumenten als Sicherheiten zu messen:248 Selbst in der Stunde größter Zweifel an der Zuverlässigkeit der Rating-Agenturen sah man also offenkundig keine Alternative zur Beachtung ihrer Bonitätsbeurteilungen.
III. Weitere ratingbasierte Vorgaben Die Regulierungsfunktion des Ratings wird darüber hinaus noch in einer großen Anzahl weiterer Rechtsvorschriften eingesetzt, die Banken und andere Finanzinstitute betreffen. An dieser Stelle seien lediglich beispielhaft einige dieser Regelungen herausgegriffen, die sich funktional in zwei Gruppen unterteilen lassen:249
1. Vorgaben zur Unternehmensverfassung von Banken So spielen Ratings zum einen in Bestimmungen eine Rolle, welche die Unternehmensverfassung von Banken betreffen und daher grundsätzliche Bedeutung besitzen. Am weitesten ging hier bis 2012 das U.S.-amerikanische Recht, welches die Errichtungen von Finanztochtergesellschaften (financial subsidiaries) durch große Geschäftsbanken seit dem Gramm-Leach-Biley Act aus dem Jahre 1999 nur zuließ, sofern die betreffende Bank ein Emissionsrating von mindestens „A“ vorweisen konnte.250 Das deutsche Recht geht weniger weit, schreibt aber immerhin vor, dass jede Person, die den Erwerb einer bedeutenden Beteiligung an einem Kreditinstitut beabsichtigt, dies BaFin und Deutscher Bundesbank unverzüglich anzuzeigen251 und dabei – sofern vorhanden – seine aktuellen Ratings anund247 die „Commercial Paper Funding Facility (CPFF)“ der Federal Reserve; für Hongkong HKMA, Provision of Liquidity Assistance to Licensed Banks in Hong Kong: Five Temporary Measures, 30. Sept. 2008. 247 Hördahl/King, Repo-Märkte, S. 16 f.; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 553; Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 5/2009, § 9.05[1]. 248 Für Zwecke des U.S.-amerikanischen TALF-Programms ließ das Board of Federal Reserve zunächst allein Ratings der drei großen Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch gelten, bevor es Anfang 2010 mit einer Änderung der Regulation A auf Ratings von NRSROs umstellte; vgl. Board of Governors of the Federal Reserve System, „Extension of Credit by Federal Reserve Banks“ (Final Rule) vom 4. Dez. 2009, 74 FR 65014 ff. (9. Dez. 2009). 249 Eine weitere Gruppe bilden ratingbezogene Publizitätsvorschriften für Finanzinstitute, wie sie etwa in den U.S.A. für broker-dealer (Form 17–H unter dem Securities Exchange Act) und in Hongkong für Banken (§ 57 Banking (Disclosure) Rules) bestehen. 250 12 U.S.C. § 24A(a)(2)(E), (3), (f)(1) (in der bis zum 21. Juli 2012 geltenden Fassung) für national banks, 12 C.F.R. § 208.71(a)(3), (b) für state member banks des Federal Reserve Systems. Die Vorschriften für national banks stellten dabei nicht auf das Emittentenrating der Bank, sondern das Emissionsrating ihrer laufenden Anleihen ab, sog. „market-based rating standard“ (Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 11/2007, § 4.06[2]). Alle Anforderungen bezogen sich auf NRSRO-Ratings. 251 § 2c Abs. 1 Satz 1 KWG. Eine vergleichbare Anzeigepflicht für beabsichtigte Beteiligungen an Versicherungsunternehmen statuiert § 104 Abs. 1 Satz 1 VAG.
§ 7 Die Bedeutung von Ratings für Banken und andere Finanzinstitute
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zugeben und jeweils durch aussagekräftige Unterlagen der beurteilenden RatingAgentur zu belegen hat.252 Die Ratingvorgabe des U.S.-amerikanischen Rechts, die sich – ungewöhnlich – nur auf die 100 größten Banken des Federal Reserve Systems bezog, bezweckte dabei anscheinend nicht nur die Sicherung der Zahlungsfähigkeit der Bank, sondern auch der Zuverlässigkeit ihrer Unternehmensleitung253 – dies war möglicherweise erklärbar durch den Gedanken, dass insbesondere das mittelbare (d.h. über financial subsidiaries vorgenommene) Engagement großer Geschäftsbanken auf Gebieten, die ihnen bis zum Gramm-Leach-Biley Act durch das Trennbankensystem bewusst verschlossen waren, zum Schutz öffentlicher Interessen von einer erhöhten Zuverlässigkeit abhängig gemacht werden sollte. (Die betreffende ratingbasierte Regelung wurde durch den Dodd–Frank Act aufgehoben.254) Die Sicherstellung der Zuverlässigkeit des Erwerbers bezweckt auch die ratingbezogene, auf europäisches Gemeinschaftsrecht zurückgehende255 Anzeigepflicht des deutschen Rechts,256 wobei hier vor allem die Infiltrierung des Bankenwesens durch Personen aus der organisierten Kriminalität (Geldwäschebekämpfung) im Vordergrund steht.257 Ob ein Rating als Zuverlässigkeitsindikator geeignet ist, erscheint fraglich, bleibt hier aber wohl letztlich ohne negative Folgen, weil das Rating jeweils nur einen von mehreren Faktoren in der Zuverlässigkeitsbeurteilung darstellt.
2. Bonitätsanforderungen an Sicherungsmechanismen für Banken und andere Finanzinstitute Ratings werden zum anderen verbreitet als Maßstab verwandt, soweit es um den Zugang zu präventiven Sicherungsmechanismen geht, die in den unterschiedlichen Rechtsordnungen die Stabilität von Banken und sonstigen Finanzinstituten sowie den Schutz von deren Kunden erreichen sollen. Da es hier durchgehend um die Festlegung einer Mindestbonität geht, setzen die einschlägigen Regelungen das Rating jeweils als Bonitätsbeurteilung durch einen unabhängigen Dritten ein:
252
§ 13 Abs. 6 InhKontrollV. So wird in Federal Reserve System Release „Membership of State Banking Institutions in the Federal Reserve System: Financial Subsidiaries“ (Final Rule) vom 13. Aug. 2001, 66 FR 42929, 42930 (16. Aug. 2001) betont, dass die Bank „well managed“ sein müsse. 254 § 939(d) Dodd–Frank Act hob diese ratingbasierten Anforderungen mit Wirkung zum 21. Juli 2012 auf und übertrug dem Secretary of Treasury und dem Federal Reserve Board den Erlass einer (ratingunabhängigen) Neuregelung. Diese wurde bislang noch nicht geschaffen; vgl. Office of the Comptroller of the Currency, Final Rule vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253, 35256. 255 Nämlich u.a. Art. 19 Abs. 1 EG-Bankenrichtlinie, wo von der „Gewährleistung einer soliden und umsichtigen Führung des Kreditinstituts“ die Rede ist. 256 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, § 2c KWG Rn. 5, 9. 257 Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber/Kobabe, § 2c KWG Rn. 1; Boos/Fischer/SchulteMattler/Schäfer, § 2c KWG Rn. 2a. 253
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Zweiter Teil. Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Nach der MiFID258 wie dem umsetzenden deutschen Recht259 haben Wertpapierfirmen, die Kundengelder halten, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um die Rechte der Kunden zu schützen und zu verhindern, dass die Gelder der Kunden für eigene Rechnung verwendet werden. Man entschied sich damit für einen anderen Regelungsansatz als in den U.S.A., wo broker-dealern gerade keine getrennte Vermögensverwahrung vorgeschrieben260 und statt dessen mit der ratingbasierten „net capital rule“ gearbeitet wird.261 Nach der MiFID wird der Anlegerschutz hingegen auch dadurch verwirklicht, dass Kundengelder von vornherein außer bei Kreditinstituten nur bei sog. „qualifizierten“ Geldmarktfonds platziert werden dürfen,262 die ausschließlich in „erstklassige“ Geldmarktinstrumente investieren, also solche, die von jeder Rating-Agentur, die das Instrument bewertet hat, das höchste Rating erhalten haben.263 Ohne Rating kann ein Geldmarkinstrument dabei ausdrücklich nicht als erstklassig angesehen werden264 – das Rating einer Rating-Agentur ist hier also auch nach europäischem Recht die einzig akzeptable Bonitätsbewertung. Das Hongkonger Recht wählt wiederum einen anderen Regelungsansatz und verpflichtet zugelassene Finanzintermediäre, zum Zweck der Absicherung entgegengenommener Kundengelder gegen betrügerische Aktivitäten eine Versicherung abzuschließen, die von einem Versicherer mit mindestens einem „A“-Rating einer anerkannten RatingAgentur265 stammen muss.266 Strenge Bonitätsanforderungen gelten schließlich für Finanzinstitute, die an Abrechnungssystemen (clearing systems) teilnehmen wollen: Um die jeweilige zentrale Gegenpartei zu schützen, wird von Banken etwa im Hongkonger Abrechnungssystem für Derivatgeschäfte durchgehend ein „A“-Rating verlangt,267 258
Art. 13 Abs. 8 MiFID. § 34a Abs. 1 WpHG. 260 Als eine solche Regelung in den U.S.A. angedacht wurde, hatte dies zu „cries of alarm and concern from the industry“ geführt (Molinari/Kibler, 72 Geo. L.J. (1983), 1, 13 f.) und war daher verworfen worden. 261 Siehe dazu bereits oben II 2. 262 Art. 18 MiFID-Durchführungsrichtlinie 2006/73, § 34a Abs. 1 Satz 1, 3 WpHG. 263 Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 MiFID-Durchführungsrichtlinie 2006/73, § 14a Abs. 11 Nr. 2 lit. c WpDVerOV. Gemeint sind Rating-Agenturen (in der MiFID als „kompetente“ Rating-Agenturen bezeichnet), die für die Zwecke von „Basel II“ staatlich anerkannt sind; vgl. dazu § 6 III 3. 264 So explizit Art. 18 Abs. Unterabs. 2 Satz 2 MiFID-Durchführungsrichtlinie 2006/73, ebenso § 14a Abs. 11 Nr. 2 lit. c WpDVerOV. 265 Schedule 3 zu den Securities and Futures (Insurance) Rules verlangt hierzu ein entsprechendes „Financial Strength“-Rating durch Moody’s, Standard & Poor’s oder Fitch. 266 § 4(1)(b)(ii), 5(3) Securities and Futures (Insurance) Rules (Cap. 571AI). 267 Rule 303 General Rules of the Central Clearing and Settlement System (CCASS): Mindestrating von „A3“ (Moody’s) bzw. gleichwertiges Rating einer anderen durch die Hong Kong Securities Clearing Company Limited anerkannten Rating-Agentur. Siehe auf Gesetzesebene auch § 3(d) Securities and Futures (Recognized Counterparty) Rules (Cap. 571B): Gesellschaften mit „A“-Rating sind taugliche Gegenparteien für Termingeschäfte. Dass entsprechende Bonitätsanforderungen zuvor fehlten, war ein wesentlicher Grund für den Kollaps des Hongkonger Finanzterminmarktes im Oktober 1987 gewesen; vgl. Gunningham, 15 Law & Soc. Inquiry (1990), 1, 18. 259
§ 7 Die Bedeutung von Ratings für Banken und andere Finanzinstitute
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und in europäischen Abrechnungssystemen hängt die erforderliche Sicherheitengestellung (sog. margin) vom Rating des Teilnehmers ab.268 In den U.S.A. führten demgegenüber keine rechtlichen Vorgaben, sondern die Marktnachfrage nach hoch gerateten Gegenparteien für Derivatgeschäfte dazu, dass Banken spezielle Tochtergesellschaften (Derivative Product Companies) gründeten, die ein „AAA“-Rating erzielen und deshalb als Counterparties genutzt werden konnten.269 Strukturell vergleichbare Mindestratingvorgaben werden auch vom deutschen Bankenmarkt berichtet.270 Den Rating-Agenturen wächst damit eine durchgehende Überwachungsaufgabe zu, die durchaus Ähnlichkeiten zu derjenigen einer Aufsichtsbehörde aufweist.271 Schließlich beeinflusst das Rating einer Bank in entscheidender Weise ihre Absicherung durch Sicherungseinrichtungen für Banken: So führt ein schlechteres Rating zum einen zu einer höheren Leistungspflicht gegenüber der Sicherungseinrichtung, da dieses als verlässliches Signal einer erhöhten Ausfallwahrscheinlichkeit gesehen wird.272 Zum anderen soll ab einem Rating unterhalb der Ratingkategorie „A“ sogar ein Eingreifen der BaFin drohen, sodass Sparkassen zur zwangsweisen Einzahlung in einen Reservefonds zur Rettung einer von ihnen getragenen Landesbank (hier: der WestLB) verpflichtet werden können.273
IV. Zusammenfassende Würdigung Die Regulierungsfunktion des Ratings hat im Bereich der Bankenregulierung im Rechtsvergleich eine beträchtliche Bedeutung entwickelt, die sich über die Eigenmittelanforderungen nach Muster von „Basel II“ hinaus auch auf zahlreiche weitere Fragenkreise erstreckt. Die im vorliegenden Kapitel aufgezeigte regulatorische Ratingverwendung im U.S.-amerikanischen Recht hat dabei historisch zwei der gängigsten Fachbegriffe des Ratingwesens hervorgebracht, nämlich das „investment grade“ (in Anlagevorschriften auf Grundlage des Glass–Steagall Acts274) und die „Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ (NRSRO) (in Liquiditätsregelungen für broker-dealer275). Von diesen beiden Regelungen dürfte bis in jüngere Zeit auch der größte Einfluss auf die Verwendung von Ratings am Anleihemarkt ausgegangen sein, weil sie ein „investment grade“-Mindestrating zur Voraussetzung des Zugangs zu einem entscheidenden Investorenkreis oder zumindest zu einem wirtschaftlichen Vorteil für den Investor erhoben. 268
Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1337. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 668 f. mit dem Hinweis, dass der Markt von Gegenparteien mindestens ein „AA“-Rating verlange. 270 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 4 f. 271 Vgl. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 670. 272 Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 390; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 189. 273 OVG Münster, 22.6.2009, WM 2009, 2080, 2083 („Reservefonds WestLB“). 274 Oben I 1 a) bb). 275 Dazu unter II 2 a) bb) (1). 269
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Zweiter Teil. Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
In den Jahren 2013/14 wurden ihre ausdrücklichen Ratingbezugnahmen jedoch gestrichen und durch eine Kreditrisikobewertung der Bank bzw. des broker-dealers selbst ersetzt,276 sodass Ratings in diesem Zusammenhang künftig eine geringere Rolle spielen.277
Den funktional vergleichbaren Anlagevorschriften für deutsche Spezialbanken278 und Liquiditätsregelungen für Hongkonger Finanzintermediäre279 kommt demgegenüber zwar keine vergleichbare Marktbedeutung zu, jedoch beeinflussen Ratings auch über sie weiterhin das Investitionsverhalten wichtiger institutioneller Investoren in den betreffenden Rechtsordnungen. In jüngster Zeit sind zudem Ratinganforderungen in Liquiditätsregelungen für Banken in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt, die bis vor kurzem kaum wissenschaftliche Beachtung gefunden hatten. Im Zuge der globalen Finanzkrise 2007–09 sowie der nachfolgenden Griechenland-Krise hat sich dies geändert. Die Regulierungsfunktion des Ratings in diesem Bereich besticht durch die weitgehende Einheitlichkeit, mit der sie im internationalen Rechtsvergleich eingesetzt wird. In inhaltlicher Hinsicht muss die Bewertung freilich kritisch ausfallen: Soweit präventive Liquiditätsanforderungen an Banken nämlich von der dem Rating ihres Anleihenportfolios abhängig gemacht werden,280 liegt ein regulatorischer Fehleinsatz der Ratingbezugnahmen vor, weil die Bonitätsbeurteilung einer Schuldverschreibung nichts über ihre kurzfristige Liquidierbarkeit aussagt. Die durchgehende Statuierung eines (international freilich uneinheitlichen) Mindestratings als Voraussetzung für die Zentralbankfähigkeit von Sicherheiten281 ist in dieser Hinsicht dagegen unbedenklich, macht Ratings aber zu einer überaus bedeutsamen Stellschraube für die Bankenliquidität – es erscheint aus diesem Grund rechtspolitisch erwägenswert, die Beurteilung der Bonität in diesem Zusammenhang allein den Zentralbanken zu überlassen, wodurch freilich der Einfluss einer Risikoeinschätzung durch politisch unabhängige Dritte282 auf Vorgänge mit hoher Relevanz für den Staatshaushalt entfiele.
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Dazu oben unter I 1 d) und § 7 II 2 a) cc). Zur voraussichtlich gleichwohl fortbestehenden regulatorischen Bedeutung der Ratings noch § 17 I 4 b) bb). 278 Oben I 2. 279 Oben II 2 b). 280 Oben II 1 a). 281 Oben II 3 a). 282 Die Freiheit aller Ratings „von jeglicher politischer Einflussnahme oder Restriktion“ ist rechtlich vorgegeben (so etwa in Anh. I Abschn. A Abs. 1 lit. a EG-RatingVO; ebenso Basel IIAkkord, Tz. 91: „Eine Ratingagentur sollte unabhängig sein und keinerlei politischem oder wirtschaftlichem Druck unterliegen, der das Ratingurteil beeinflussen könnte“), wird aber in der Praxis nicht selten bezweifelt; siehe noch näher § 25 I 1. 277
Zweiter Abschnitt: Regulierung von Markteintritt und -teilnahme an den Finanzmärkten
§ 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen In der verbreiteten Bezeichnung der Rating-Agenturen als „gatekeeper“ der Finanzmärkte1 kommt plastisch zum Ausdruck, dass das Rating für Emittenten und ihre Finanzinstrumente eine Marktzugangsvoraussetzung darstellen kann. Diese Funktion kann auf unterschiedlichen Grundlagen beruhen: Zum einen kann das Rating in seiner Regulierungsfunktion zur rechtlichen Voraussetzung für den Marktzugang erhoben werden, indem eine Rechtsordnung entweder ein allgemeines Ratingobligatorium aufstellt2 oder ein Rating zumindest im Rahmen der Emissionszulassung zu organisierten Märkten berücksichtigt,3 während es zum anderen in seiner Marktinformationsfunktion eine faktische Marktzugangsvoraussetzung darstellen kann.4 Die folgenden Ausführungen erörtern die diesbezügliche Situation bei Emission und Platzierung „traditioneller“ Schuldverschreibungen5 (also vor allem Bank- und Unternehmensanleihen, in der Branchendiktion bezeichnet als plain-vanilla debt), während die Behandlung „komplexer“ Finanzinstrumente (wie Asset-Backed Securities und anderer Verbriefungsformen) ihrer zahlreichen Besonderheiten wegen einem separaten Kapitel vorbehalten bleibt.6
I. Ein allgemeines Ratingobligatorium? Die strikteste Form einer ratingbasierten Regulierung des Markzugangs ist das allgemeine Ratingobligatorium: Es erhebt das Rating in den Rang einer rechtlichen Markteintrittsvoraussetzung, ohne die der Emittent im Allgemeinen (sofern ein Emittentenrating verlangt wird) oder bezüglich einer konkreten Emission (sofern ein Emissionsrating vorgeschrieben ist)7 nicht mit Markt und Investoren in Kontakt zu treten vermag. Ein Ratingobligatorium macht damit die rechtliche
1
Vgl. schon § 4 II 2. Dazu sogleich unter I. 3 Unter II. 4 Unter III. 5 Damit wird der Sprachgebrauch der EG-RatingVO aufgenommen, die strukturierte Finanzinstrumente in Erwägungsgrund 40 von „traditionellen Unternehmensschuldtiteln“ unterscheidet. 6 Siehe § 10. 7 Vgl. zur Unterscheidung zwischen subjektbezogenen und objektbezogenen Markteintrittsvoraussetzungen Merkt, Unternehmenspublizität, S. 369 f. 2
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Kapitalmarktfähigkeit eines Unternehmens von seinem Rating abhängig.8 Wie die Anforderungen des Ratingobligatoriums in Tatbestand und Rechtsfolge ausgestaltet sind, ob also lediglich irgendein Rating oder ein bestimmtes Mindestrating verlangt und dessen Vorhandensein nur für das öffentliche Angebot von Anleihen,9 auch für deren private Platzierung10 oder gar für jede Kapitalaufnahme (also auch mittels Darlehen) erforderlich ist, obliegt dabei der Entscheidung des jeweiligen Gesetzgebers. Voraussetzung jedes Ratingobligatoriums ist jedoch, dass überhaupt eine staatliche Kontrolle des Zugangs zum Anleihenmarkt stattfindet – schon hieran fehlt es auf entwickelten Finanzmärkten vielfach, weil der Markteintritt heute überwiegend ohne materielle Ge- und Verbote mittels Publizitätspflichten reguliert wird. Ein generelles staatliches Genehmigungserfordernis für Unternehmensanleihen galt allerdings noch bis zum Jahre 1990 im deutschen Recht: §§ 795, 808a BGB a.F. schrieben nämlich vor, dass im Inland ausgestellte Inhaber- und Orderschuldverschreibungen nur mit staatlicher Genehmigung in den Verkehr gebracht11 werden durften. Auf diese Weise sollten einerseits die Anleger vor unsoliden Schuldnern12 und andererseits die Funktionsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts13 geschützt werden – Letztere freilich vor allem, um die Möglichkeit der Mittelaufnahme durch die öffentliche Hand zu sichern, indem man die Anzahl konkurrierender privater Kapitalnachfrager mittels des Genehmigungserfordernisses kontrollieren und ggfs. steuern konnte.14 Im Rahmen des behördlichen Genehmigungsverfahrens wurde dabei eine Bonitätskontrolle durchgeführt, die allerdings nicht als eingehende Bonitätsbeurteilung konzipiert war15 und sich in der Praxis auf die Prüfung der Eigenkapitalausstattung sowie bestimmter Bilanzkennzahlen und -rela8
Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 117. Soweit sich ein Ratingerfordernis nicht auf jede öffentliche Platzierung, sondern nur die Zulassung zu organisierten Märkten bezieht, handelt es sich nach dem hiesigen Sprachgebrauch nicht um ein Ratingobligatorium. Siehe hierzu noch unter II. 10 Vgl. Europ. Kommission, Mitteilung über Rating-Agenturen v. 23.12.2005, S. 4: „Zum anderen dürfen bestimmte Arten von Investmentprodukten in einigen Ländern inzwischen nur noch verkauft werden, wenn sie einen gewissen Grad an Kreditwürdigkeit aufweisen, der durch das Rating einer anerkannten Rating-Agentur zu belegen ist.“ 11 Die Schwelle des „Inverkehrbringens“ war niedrig, da man sowohl die Übernahme der Schuldverschreibungen durch ein Bankenkonsortium als auch die direkte Ansprache von Anlegern ausreichen ließ (Ungnade, Zulässigkeit der staatlichen Einflussnahme, S. 77 f.), und zwar auch bei Begebung nur einzelner Stücke (RGRK/Steffen, 12. Aufl., § 795 Rn. 5 f.; Staudinger/Marburger, 12. Aufl., § 795 Rn. 3) – das Genehmigungserfordernis galt damit im Ergebnis für jede Anleihe, die nicht lediglich im direkten Bekanntenkreis des Emittenten platziert werden sollte. 12 Canaris, in: Großkomm-HGB, 3. Aufl., Stand: 1.5.1981, Bd. III/3 (2. Bearb.), Rn. 2251; Hüffer, in MünchKomm-BGB, 2. Aufl., § 795 Rn. 4; RGRK/Steffen, § 795 Rn. 1; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, S. 244; Staudinger/Marburger, 12. Aufl., § 795 Rn. 1; Ungnade, Zulässigkeit der staatlichen Einflussnahme, S. 92, 133 ff. 13 Hüffer, in MünchKomm-BGB, 2. Aufl., § 795 Rn. 3; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, S. 244; Staudinger/Marburger, 12. Aufl., § 795 Rn. 1. 14 RGRK/Steffen, § 795 Rn. 1: „um dem Staat Vorrang bei der Kreditbeschaffung durch Ausgabe von Inhaberschuldverschreibungen einzuräumen.“ Das Genehmigungserfordernis wurde daher von manchen für verfassungswidrig gehalten; vgl. in diesem Sinne Bettermann, BB 1969, 699 ff.; Ungnade, Zulässigkeit der staatlichen Einflussnahme, S. 77 ff. 15 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1. 9
§ 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen
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tionen beschränkte.16 Emittenten- oder Emissionsratings spielten in diesem Zusammenhang keine Rolle. Das Genehmigungserfordernis der §§ 795, 808a BGB a.F. bewirkte im Ergebnis, dass erst nach seiner Abschaffung im Jahre 1990 in nennenswertem Umfang Anleihen privater Emittenten auf den deutschen Markt gelangten.17 Die bisherige paternalistische Kontrolle durch eine staatliche Behörde wurde nun durch gesetzliche Vorgaben zur Markteintrittspublizität ersetzt.18 Bei dieser Gelegenheit geriet erstmals auch die Bonitätsbeurteilung durch private Rating-Agenturen in das Blickfeld der deutschen Diskussion, sodass die Abschaffung der §§ 795, 808a BGB a.F. zugleich als Ausgangspunkt für die zunehmende Bedeutung von Ratings in Deutschland gelten kann.19 Vorgeschlagen wurde dabei unter anderem, das weggefallene Genehmigungserfordernis durch einen gesetzlichen Zwang zum Rating zu kompensieren, also ein Ratingobligatorium einzuführen.20
1. Status quo: Kein Ratingobligatorium in den untersuchten Rechtsordnungen Das geltende deutsche Recht verpflichtet Unternehmen allerdings nicht, sich als Emittent einem Rating zu unterziehen,21 und auch die EG-RatingVO hat keinen dahingehenden Zwang eingeführt.22 Darüber hinaus ist ein Ratingobligatorium auch dem Schweizer Recht,23 dem Hongkonger Recht und – entgegen anders lautender Angaben im Schrifttum24 – dem U.S.-amerikanischen Recht25 unbekannt. Im internationalen Vergleich spiegelt diese einheitliche Haltung allerdings durchaus nicht den Regelfall wieder, finden sich doch zahlreiche Jurisdiktionen mit Ratingobligatorien, bei denen es sich freilich überwiegend um nicht entwickelte Fi-
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Littmann, Wirtschaftswoche vom 25.8.1989, S. 78. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.143; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 429. Vgl. die Zahlen bei Ekkenga, Anlegerschutz, S. 20: von den 6.236 im Jahre 1988 an der Frankfurter Wertpapierbörse notierten Anleihen lauteten gerade acht auf nichtstaatliche Emittenten. 18 Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 112 Rn. 26. Vgl. dazu noch unten II 6 sowie § 9. 19 Breuer, WM 1991, 1109; ders., Bedeutung des Rating (1992), S. 75; Ebenroth/Daum, WMSonderbeil. 5/1992, S. 2 f.; Everling, Die Bank 1991, 308, 309; Serfling/Pries, Die Bank 1990, 381, 384; van Aubel, Anleiherating und Bonitätsrisiko, S. 82. 20 Vgl. Littmann, Wirtschaftswoche vom 25.8.1989, S. 78 zu diesbezüglichen Vorschlägen aus der Praxis. 21 Deipenbrock, WM 2005, 261; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 5; Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423, 448; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 200. Allerdings kann die Sorgfaltspflicht des Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) im Einzelfall die Beauftragung einer Rating-Agentur erfordern; vgl. dazu noch § 13 II 3. 22 So ausdrücklich Erwägungsgrund 3 zur EG-RatingVO. 23 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 112; Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 24; Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. XXIV Rn. 73; Zobl/Arpagaus, SZW 1995, 244, 252; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1129. 24 So bei Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 80; Müller, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 327, 331. 25 Zutreffend Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1083. 17
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
nanzmärkte handelt: So ist ein Rating sowohl in der Volksrepublik China26 als auch in Malaysia,27 Taiwan,28 Thailand,29 Chile30 und diversen anderen Staaten in Asien und Lateinamerika31 die rechtliche Voraussetzung dafür, Anleihen öffentlich anbieten zu dürfen. Selbst in Japan galt bis 1996 ein aufsichtsbehördliches Ratingobligatorium, aufgrund dessen Anleihen ohne „investment grade“-Rating nicht begeben werden durften.32 Und in Frankreich und Griechenland bestehen Ratingobligatorien bis heute, freilich beschränkt auf bestimmte Arten von Finanztiteln.33
2. Ratingobligatorien als Mittel der Marktregulierung Der rechtsvergleichende Befund wirft die Frage auf, aus welchen Gründen Ratingobligatorien zum Zwecke der Marktregulierung eingesetzt werden und welche Erwägungen gegen eine solche zwingende Ratingvorgabe sprechen. Eine diesbezügliche Klärung erscheint auch deshalb lohnend, weil in der Vergangenheit sowohl in der schweizerischen34 als auch der deutschen35 Literatur verschiedentlich gefordert wurde, die Einholung eines Ratings zur gesetzlichen Voraussetzung jeder Emission36 bzw. jedes Auftretens eines Unternehmens am Kapitalmarkt37 zu machen. In Reaktion auf die globale Finanzkrise 2007–09 ist diese Forderung in jüngerer Zeit im deutschen38 und im U.S.-amerikanischen Schrifttum39 wieder aufgegriffen worden.
26 People’s Bank of China, Measures Governing the Issuance of Financial Bonds on the National Inter-bank Bond Market vom 27. April 2005 (in Kraft seit dem 1. Juni 2005); vgl. dazu Huang/ Zhu, in: Barth/Tatom/Yago, China’s Emerging Financial Markets, S. 523, 539. 27 World Bank, Asian Bond Market, S. 26; Lejot/Arner/Qiao, HKIMR Working Paper Nr. 13/ 2004 (July 2004), S. 43. 28 Lejot/Arner/Qiao, HKIMR Working Paper Nr. 13/2004 (July 2004), S. 46. 29 World Bank, Asian Bond Market, S. 26; Lejot/Arner/Qiao, HKIMR Working Paper Nr. 13/ 2004 (July 2004), S. 47 (seit 2000). 30 Art. 76 Abs. 2 Satz 1 Ley de Mercado de Valores; vgl. Peters, Haftung und Regulierung, S. 147. 31 Vgl. Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 200: „Most regulators in emerging markets in Asia and Latin America currently impose a rating requirement on issues of both nongovernmental bonds and commercial paper“; Byrne, in: BIS, Asian bond markets, S. 222. Bis zum Jahr 1996. 32 Packer, in: Aoki/Saxonhouse, Finance, Governance and Competitiveness in Japan, S. 118, 123 f. 33 Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 490. 34 Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 170 ff.; diskutiert auch bei Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 194, 209 ff. 35 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 23; Littmann, Wirtschaftswoche vom 25.8.1989, S. 78; im österreichischem Schrifttum ebenso Grünbichler, ÖBA 1999, 692, 695. 36 So Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 23. 37 So Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 170: Ratingobligatorium für „Unternehmen, die an den Kapitalmarkt gelangen wollen“. 38 Schäfer, DIW-Wochenbericht 38/2009, S. 654. 39 Diomande/Heintz/Pollin, The Economists’ Voice 6 (June 2009), Art. 6, 1, 3.
§ 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen
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a) Verfolgte Regelungszwecke In Staaten mit sich noch entwickelnden Finanzmärkten (emerging markets), in denen Ratingobligatorien am häufigsten vorkommen, steht vor allem die Beschränkung der Marktteilnahme auf bonitätsstarke Unternehmen im Vordergrund, die typischerweise durch die gleichzeitige Statuierung eines Mindestratings (regelmäßig „investment grade“) erreicht wird;40 es geht also um eine aktive staatliche Marktsteuerung.41 Häufig versucht man mittelbar zugleich die Entwicklung einer lokalen Ratingindustrie zu fördern, der durch das gesetzliche Ratingerfordernis eine automatische Nachfrage gesichert wird.42 Soweit hingegen die Einführung eines Ratingobligatoriums auf entwickelten Kapitalmärkten in Rede steht, wird sein Zweck einerseits in der Förderung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes (nämlich durch die Erhöhung seiner Transparenz43) und andererseits im Anlegerschutz gesehen, weil Ratings dem „Normalanleger“ die Einschätzung erleichtern, ob die Verzinsung einer Anleihe deren Ausfallrisiko korrekt widerspiegelt.44 Da es hier also allein um eine Verbesserung der Informationsbasis am Markt bzw. der Marktteilnehmer geht,45 wird auch kein bestimmtes Mindestrating verlangt, sondern schlicht irgendein Rating.46 b) Bewertung Vor dem Hintergrund der beschriebenen Zweckbestimmungen stellen Ratingobligatorien jedenfalls auf entwickelten Finanzmärkten keine empfehlenswerte Marktzugangsregelung dar. Vorschläge zu ihrer Einführung sind daher zu Recht überwiegend auf Ablehnung gestoßen.47 Ein gesetzlicher Zwang zur Einschaltung privater Informationsintermediäre wäre allenfalls dann zu rechtfertigen, wenn der Markt selbst nicht in der Lage wäre, das Vorhandensein ausreichender 40 Vgl. zum öffentlichen Angebot in Shanghai Nottle, in: Securities Regulation in Hong Kong, S. 99, 106: mindestens „A“-Rating erforderlich. 41 Im Nachgang zur globalen Finanzkrise wird ein solcher Regelungsansatz zunehmend auch in Staaten mit entwickelten Finanzmärkten vorgeschlagen, vor allem in Gestalt der Gründung staatlicher Rating-Agenturen; vgl. hierzu noch § 20 I. 42 Vgl. World Bank, Asian Bond Market, S. 25. 43 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 23. 44 Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 170; Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 211. 45 Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 170 f.; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 23. 46 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 117; Diomande/Heintz/Pollin, The Economists’ Voice 6 (June 2009), Art. 6, 1, 3; Schäfer, DIW-Wochenbericht 38/2009, S. 654. 47 Im deutschen Schrifttum Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 138 f.; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 200; zum Rating von Hedge Fonds ebenso Lehmann, ZIP 2007, 1889, 1898; im schweizerischen Schrifttum Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 117; Camenzind, Prospektzwang, S. 144; Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. XXIV Rn. 73; Rohr, Emissionsrecht, S. 236; letztlich auch Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 213; im französischen Schrifttum Le Portz, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 312.
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Informationen über Emittenten- oder Emissionsbonität sicherzustellen – für ein Marktversagen dieser Art ist aber auf entwickelten Primärmärkten für Anleihen nichts ersichtlich, weil die Kapitalanbieter dort effizient zu signalisieren vermögen, welche Informationen sie für ihre Investitionsentscheidungen benötigen.48 Der Markt vermag daher am besten zu bestimmen, in welchen Situationen ein Rating als Marktinformation vonnöten ist, und in welchen nicht.49 Ein Ratingobligatorium differenziert dagegen insoweit nicht und droht daher, gleichzeitig zu überflüssiger Publizität und überflüssiger Regulierung zu führen.50 Den hier befürworteten Ansatz verfolgt etwa das österreichische Recht, welches den Bundesminister für Finanzen (nur) dann ermächtigt, vor dem erstmaligen öffentlichen Angebot von Schuldverschreibungen „eine nach international anerkannten Kriterien vorgenommene Risikobeurteilung über den Emittenten und die Emission“ (also ein Rating51) vorzuschreiben, wenn dies zur Abwehr schwerer Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes erforderlich ist.52
II. Rating und die Zulassung von Anleihen zu organisierten Märkten Eine weniger weit gehende Marktzutrittsvoraussetzung stellen rechtliche Regeln dar, die ein Rating zur Voraussetzung für die Zulassung von Anleihen zu organisierten Märkten53 (vor allem Börsen) machen.54 Gemeint sind Zulassungsbestimmungen, nach denen das Fehlen eines (ausreichenden) Ratings den Zugang zum Markt ausschließt, während die bloße Pflicht zur Angabe bestehender Ratings im Rahmen einer Markteintrittspublizität im nächsten Kapitel55 zu thematisieren sein wird.
48 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 117; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 200. Siehe noch unter III. 49 Le Portz, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 312. 50 Vgl. Rohr, Emissionsrecht, S. 236. 51 Siebel, BKR 2002, 795, 799 Fn. 61; Weber, Kapitalmarktrecht, S. 325. 52 § 9 Abs. 1 Nr. 2 KMG. Ein entsprechendes Ratingobligatorium darf nur nach Anhörung der Österreichischen Nationalbank und höchstens für die Dauer von sechs Monaten angeordnet werden. 53 Der hier verwandte Begriff des „organisierten Marktes“ ist nicht derjenige des § 2 Abs. 5 WpHG, sondern stellt auf die Unterscheidung vom „Over the counter“-Handel (OTC) in Anleihen (vgl. Schwark/Zimmer/Schwark, § 48 BörsG Rn. 10) ab, der außerhalb eines organisierten Systems erfolgt. Die im Folgenden zu behandelnden Märkte sind tatsächlich durchgehend keine organisierten Märkte i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG, weil sie teilweise lediglich dem Freiverkehr zuzuordnen sind (siehe dazu unter 4.) und im Übrigen außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches der Vorschrift liegen (nämlich in der Schweiz, den U.S.A. bzw. Hongkong). 54 Rechtlich handelt es sich bei einem Erfordernis der Börsenzulassung um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt; vgl. Gebhardt, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 1/2006, Vor § 30 BörsG Rn. 1. 55 Siehe § 9.
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1. „Investment grade“-Rating als Voraussetzung der Börsenzulassung in der Schweiz (1985–1990) Ein vergleichsweise frühes Ratingerfordernis bestand von 1985 bis 1990 in der Schweiz: Ausländische (d.h. nicht-Schweizer) Unternehmen benötigten damals ein Emittentenrating im „investment grade“-Bereich, um ihre Anleihen an den schweizerischen Börsen zulassen zu können. Dass damit in der Schweiz schon zu einem Zeitpunkt auf Ratings abgestellt wurde, zu dem diese im Nachbarland Deutschland noch fast keine Rolle spielten,56 ist vor allem durch die vergleichsweise größere internationale Rolle der dortigen Börsen zu erklären: In den späten 1980er Jahren war die Schweiz der drittgrößte Börsenplatz der Welt, nach New York und Tokio, aber noch vor London. Hinzu kam, dass hier damals der Handel in ausländischen Titeln klar im Vordergrund stand; in Zürich wurden mehr U.S.-Wertpapiere gehandelt als irgendwo sonst außerhalb Nordamerikas, und eine große Anzahl ausländischer Emittenten finanzierten sich zudem über Schweizerfranken-Anleihen am schweizerischen Markt.57 Im Zuge dieser frühen Internationalisierung ihrer Börsen erlangten dabei auch Ratings in der Schweiz schon früh Bedeutung, und zwar nicht nur in ihrer Marktinformations-, sondern auch in ihrer Regulierungsfunktion. a) Ratingerfordernis für Anleihen ausländischer Emittenten in den Richtlinien der Schweizerischen Zulassungsstelle Die Kriterien, die für Zulassungsentscheidungen und -versagungen an den schweizerischen Börsen maßgeblich waren, wurden durch die „Richtlinien für die Entscheidungen der Zulassungsstelle“ vom 18. Dezember 198558 bestimmt.59 Der Überprüfung der Emittentenbonität maß man in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu.60 Zum Kriterium „Beurteilung des Emittenten“ führten die Richtlinien insoweit aus: „Die Qualitätsnormen der international anerkannten ‚Rating Agencies‘ sind dabei wegleitend. So spricht grundsätzlich bei normalen Anleihen ‚straight‘ ein Standard von mindestens ‚BBB‘ oder eine vergleichbare Qualifizierung für eine Kotierung. Falls dieser Standard nicht erreicht wird,
56
Oben I. Vgl. Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 11. 58 Abgedruckt in ihrer Fassung vom 19. Oktober 1988 bei Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 235. 59 Die im Jahre 1938 geschaffene „Schweizerische Zulassungsstelle“ entschied zentral über die Zulassung ausländischer Effekten an den damals sieben Schweizer Börsen (Basel, Genf und Zürich sowie – jeweils deutlich kleiner – Bern, Lausanne, Neuenburg und St. Gallen); siehe zum Ganzen Sigrist, Kotierungsbestimmungen, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 299, 301. Eine einheitliche Schweizer Börse wurde erst 1996 unter dem Namen „SWX – Swiss Exchange“ gegründet; sie firmiert heute als „SIX Swiss Exchange“. 60 Daeniker, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S. 40; Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 131. 57
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
müssen andere Gründe vorliegen, welche trotzdem für eine Kotierung sprechen (z.B. Obligationen mit Wandelrechten).“61 Die Schweizerische Zulassungsstelle machte die Kotierung von Anleihen ausländischer Emittenten damit also von einer Mindestbonität in Höhe des „investment grade“ abhängig.62 Dieses Mindestrating stellte ein striktes Marktzugangserfordernis dar; Anleihen mit einem niedrigeren Rating wurden in der Praxis nur in seltenen Ausnahmefällen zugelassen.63 Daneben verlangte die Zulassungsstelle auch für die Kotierung ausländischer Bankaktien ein Rating, wobei die Mindestanforderungen hier sogar mit „AA“ oder gar „AAA“ angesetzt wurden.64 Dass die schweizerische Börsenselbstregulierung mit der Ratingeinstufung durch ausländische Rating-Agenturen an eine Bonitätsinformation anknüpfte, die für Schweizer Emittenten zu diesem Zeitpunkt (Mitte der 1980er Jahre) noch kaum eine Rolle spielte, ist bemerkenswert; man erklärt dies mit dem Bestreben, an ein international bereits etabliertes und vor allem leicht feststellbares Merkmal anzuknüpfen.65 Die Inspiration durch ausländische (wohl vor allem U.S.-amerikanische) Marktstandards dürfte zugleich begründen, warum als Mindestrating die in den U.S.A. schon damals gängige „investment grade“-Schwelle66 gewählt wurde. Der Zweck des Ratingerfordernisses und der Bonitätsanforderungen im Rahmen der Börsenzulassung war dabei ungeklärt und im schweizerischen Schrifttum umstritten. Wohl vorrangig wurde das Mindestrating bei Markteintritt als Mittel gesehen, „den Standard der Börse hochzuhalten“67 und durch eine vorbeugende Qualitätskontrolle den Ruf der Schweizer Börsen als Institution in den Augen der Anlegerschaft zu sichern68 – ein rechtspolitisches Ziel, das in jüngerer Zeit etwa auch in Hongkong nachzuweisen ist, wo im Wege der steuerlichen Privilegierung von „investment grade“-Anleihen versucht wird, den Rang der Hongkonger Börse als Markt für bonitätsstarke Titel zu fördern.69 Daneben wurde in der schweizerischen Diskussion der (Klein-)Anlegerschutz als weiterer, allerdings eher mittelbar verfolgter Zweck des Ratingerfordernisses genannt.70 61
„Richtlinien für die Entscheidungen der Zulassungsstelle“ vom 19. Oktober 1988, Tz. 1 b). Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 116; Daeniker, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S. 40; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 384; Rohr, Emissionsrecht, S. 515; Sigrist, Kotierungsbestimmungen, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 299, 308. 63 Rohr, Emissionsrecht, S. 515 f. mit Nachweisen zur damaligen Zulassungspraxis. 64 Vgl. Bulletin Zulassungsstelle 2/1986, S. 2; Rohr, Emissionsrecht, S. 516. 65 Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 96 f.; Sigrist, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/ Hirsch, Colloque, S. 319 mit der Bemerkung, die Zulassungsstelle habe beschlossen, „das Rad nicht neu zu erfinden“. 66 Siehe noch § 17 IV. 67 So Sigrist, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 309, 310. 68 Forcart, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 315; Keller, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 317; Sigrist, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 309, 310; Widmer, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 313 f. 69 Siehe dazu näher unter 5. 70 Forcart, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 315; Widmer, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 313 f. 62
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Vereinzelt wurde insoweit spezifisch angeführt, dass Zulassungsprospekte als Informationsmedium jedenfalls für Kleinanleger aufgrund ihres komplexen Inhalts ungeeignet seien; aufgrund seiner leichten Verständlichkeit sei das Rating daher für den Kleinanleger wie auch für ausländische Investoren hilfreich.71 Interessant ist, dass das Schweizer Recht dadurch, dass es ein Bonitätserfordernis nur für ausländische Emittenten aufstellte, genau entgegengesetzt zum deutschen Recht verfuhr, wo die staatliche Bonitätsprüfung im Rahmen der damaligen §§ 795, 808a BGB a.F. nur für inländische (und gerade nicht ausländische) Emittenten72 galt. In der Praxis führte das Mindestratingerfordernis der Schweizer Zulassungsrichtlinien jedenfalls dazu, dass einer ganzen Reihe von Anleihen ausländischer Emittenten die Zulassung zu den schweizerischen Börsen verweigert wurde,73 darunter mit Anleihen der australischen Bond Corporation Holdings Ltd. und der U.S.-amerikanischen Pan American Corp. auch solche im „non investment“-Bereich geratete Papiere, die später ausfielen und in Deutschland bzw. den U.S.A., wo sie zum Börsenhandel zugelassen worden waren, zu umfangreichen ratingbezogenen Rechtsstreitigkeiten führten.74 Im Rückblick lässt sich daher sagen, dass das schweizerische Mindestratingserfordernis jedenfalls im praktischen Ergebnis eine Erhöhung des Anlegerschutzes bewirkte.
b) Kritik und Abschaffung des Ratingerfordernisses In der Schweizer Wissenschaft erfuhr das Ratingerfordernis für Auslandsanleihen allerdings vielfach Kritik; es wurde sogar als der „umstrittenste Punkt“ der damaligen Börsenzulassungspraxis bezeichnet.75 In der Sache wurde einerseits bemängelt, dass die ratingbasierte Bonitätsprüfung erst bei Einführung der Anleihe in den Sekundärmarkt und damit zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurde, zu dem die Investition häufig bereits getätigt war;76 weil nur einmalig aus Anlass der Zulassung erfolgend, schütze sie zudem nicht vor nachträglichen Bonitätsverschlechterungen77 (wenn das Rating bereits einen Tag nach erfolgter Zulassung in den „junk bond“-Bereich abrutschte, zeitigte dies keinerlei rechtliche Folgen). In der Tat wurde eine einmal erteilte Zulassung in der schweizerischen Börsenpraxis bei eingetretener Bonitätsverschlechterung nicht wieder entzogen, zumal den Interessen der investierten Anleger mit einem solchen Schritt nicht ge71
Le Portz, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 319. Kritisch Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, S. 364 f. (der daher für eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches der §§ 795, 808a BGB a.F. auf Auslandsanleihen eintrat); Ungnade, Zulässigkeit der staatlichen Einflussnahme, S. 108. 73 Vgl. zur Zürcher Börse die Nachweise bei Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 387 Fn. 94. 74 Vgl. BGH, 6.7.1993, BGHZ 123, 126 ff. („Bond-DM-Anleihe“) sowie zahlreiche weitere Rechtsprechungsnachw. in § 15; In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577 ff. (S.D.N.Y. 1993). 75 So Widmer, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 313. 76 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 116; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 387: „in der Praxis ein stumpfes Schwert“. 77 Daeniker, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S. 40 f.; Keller, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 317; dagegen Sigrist, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 309. 72
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dient gewesen wäre.78 Neben diesen Kritikpunkten, welche die grundsätzliche Eignung eines Ratingerfordernisses als Teil der Börsenzulassung betrafen, sowie Monita bezüglich einzelner Organisationsfragen79 stieß vor allem die Ungleichbehandlung in- und ausländischer Emittenten auf Widerspruch in der Literatur, die sich allerdings eher im Sinne einer Ratingnotwendigkeit auch für schweizerische (und nicht lediglich ausländische) Emittenten äußerte.80 Die Reaktion auf Seiten der Börsen ging sodann jedoch in die entgegengesetzte Richtung: Vor dem Hintergrund der beschriebenen Kritik wurde im Dezember 1990 beschlossen, künftig im Rahmen der Börsenzulassung gänzlich auf das Kriterium der Bonität zu verzichten.81 Ein Rating ist daher heute auch in der Schweiz keine Kotierungsvoraussetzung mehr;82 an die Stelle einer strikten Mindestratinganforderung sind vielmehr – in Übereinstimmung mit internationalen Entwicklungstendenzen83 – allgemeine Publizitätsvorgaben getreten.84
2. „B“-Mindestrating als Voraussetzung für die Börsenzulassung am New York Stock Exchange In den U.S.A. sehen die Börsenbedingungen der New Yorker Börse (NYSE) dagegen bis heute eine Ratinganforderung als Voraussetzung der Zulassung von Anleihen vor.85 Das verlangte Mindestrating – ein „B“-Rating einer NRSRO – ist im mittleren „non-investment grade“-Bereich allerdings vergleichsweise niedrig angesetzt und stellt sich zudem nicht als einzige Möglichkeit eines Bonitätsnachweises dar, weil alternativ auch die Notierung von Aktien des Anleiheemittenten an der NYSE genügt.86 In ihrer Wirkung als Markteintrittsschranke bleibt die 78 Sigrist, Diskussionsbeiträge, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 309 f., 316; Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 133. 79 So zur fehlenden gesetzlichen Grundlage des Bonitätserfordernisses (Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 116) sowie namentlich zur Zusammensetzung der Zulassungsstelle, die zu 2/3 aus Bankenvertretern bestand und daher über deren eigene Emissionen entschied (so Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 101 f.; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 389). 80 Daeniker, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S. 40; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 388 f.; Keller, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 323 f.; Jetzer, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 321; Widmer, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 325. 81 Entscheid der Zulassungsstelle vom 20. Dezember 1990, Bulletin SZS Nr. 1/1991, S. 1; Daeniker, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S. 41; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 389 f. (näher zu den Hintergründen). 82 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 112; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1129. 83 Siehe dazu unter 6. 84 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 116; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 390 f. 85 § 102.03(D) New York Stock Exchange Listed Company Manual (Stand: 11. Jan. 2013) (für Anleihen U.S.-amerikanischer Emittenten); ebenso § 103.05 des Manual (für Anleihen nicht-U.S.amerikanischer Emittenten). 86 § 102.03(A)–(C) New York Stock Exchange Listed Company Manual.
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geltende New Yorker Regelung folglich hinter der früheren schweizerischen Zulassungsregelung zurück.
3. Rating als Voraussetzung für die Zulassung zu „Mittelstandssegmenten“ deutscher Börsen (seit 2010) Erheblich jüngeren Datums sind die Ratinganforderungen, die sich in den Zulassungsvoraussetzungen der Marktsegmente deutscher Börsen für mittelständische Unternehmensanleihen finden. Entsprechende „Mittelstandssegmente“ wurden seit 2010 zunächst an der Börse Stuttgart („Bondm“) und sodann an den Börsen Frankfurt („Entry Standard“), München („m:access“), Düsseldorf („Der Mittelstandsmarkt“) sowie Hamburg und Hannover („Mittelstandsbörse Deutschland“) eingeführt. Es handelt sich bei diesen Segmenten nicht um organisierte Märkte i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG, sondern um Handelssegmente innerhalb des Freiverkehrs.87 Ihre Voraussetzungen für die Einbeziehung von Anleihen zum Handel werden folglich in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen88 aufgestellt;89 es handelt sich dogmatisch also um eine Spielart der privaten Regelsetzung.90 a) Ausgestaltung der Ratingerfordernisse Die Einbeziehungsvoraussetzungen der Mittelstandssegmente (mit Ausnahme derjenigen in Hamburg/Hannover91) schreiben dabei durchweg ein Emissionsoder Emittentenrating vor.92 Seit August 2013 stimmen die Geschäftsbedingungen des jeweiligen Freiverkehrs in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, München und Stuttgart auch darin überein, dass keinerlei Mindestrating vorgegeben wird; emittierendes Unternehmen oder Anleihe müssen also lediglich über irgendein Rating beliebiger Höhe verfügen. Bemerkenswert ist, dass dies anfänglich noch anders und die Ratinganforderungen sehr unterschiedlich ausgestaltet gewesen waren:93 Zu87
§ 48 BörsG; vgl. Schlitt/Kasten, CFL 2011, 97, 98; Schmitt, BB 2012, 1079. § 305 BGB. 89 Groß, Kapitalmarktrecht, § 48 BörsG Rn. 3; Schwark/Zimmer/Schwark, § 48 BörsG Rn. 3, 6; Seiffert, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.75. 90 Vgl. Bachmann, Private Ordnung, S. 29 f. Vgl. zu Ratingbezugnahmen in privaten Regelwerken noch § 16. 91 Die Börse Hamburg/Hannover behält sich immerhin vor, bei weniger bekannten Emittenten im Rahmen des individuellen Einbeziehungsprozesses nachdrücklich ein Rating zu empfehlen (Schlitt/Kasten, CFL 2011, 97, 99). 92 § 8 Abs. 5 Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr an der Börse Berlin (Stand: 1. Nov. 2012); § 21 Nr. 1 Geschäftsbedingungen der Börse Düsseldorf AG für den Freiverkehr an der Börse Düsseldorf (Stand: 20. Aug. 2013); § 18 Abs. 2 lit. b Allgemeine Geschäftsbedingungen der Deutsche Börse AG für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse (Stand: 26. Juli 2013); § 7 Abs. 1 lit. b Regelwerk für das Marktsegment m:access an der Börse München (Stand: 10. Juni 2013); § 36 Abs. 3 Nr. 3 Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr an der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse (Stuttgart) (Stand: 31. Okt. 2012). 93 Felz, in: Bösl/Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 95, 107; Schmitt, BB 2012, 1079, 1980 f. 88
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
nächst war am Düsseldorfer „Mittelstandsmarkt“ nämlich ein Mindestrating von „BB“94 und am Münchner Marktsegment „m:access“ sogar eine Bonitätseinstufung von mindestens „BB+“95 verlangt worden. Diese Mindestratinganforderungen wurden im Jahre 2013 jedoch zunächst in München und sodann auch in Düsseldorf aufgegeben und durch ein bloßes unterschiedsloses Ratingerfordernis ersetzt, wobei man zur Begründung auf die angebliche „zunehmende Professionalisierung des Marktes für Mittelstandsanleihen“ verwies, infolge derer die Ratingeinstufung für Investitionsentscheidungen „wenig relevant“ sei.96 In Frankfurt und Stuttgart sind zudem seit jeher großzügige Ausnahmen vom Ratingerfordernis vorgesehen,97 etwa wenn Aktien des betreffenden Emittenten zum Handel in einem EU-regulierten Markt zugelassen sind,98 sein Jahresumsatz in den vorangegangenen drei Geschäftsjahren jeweils mindestens 300 Mio. € betrug99 oder Aktien des Emittenten in den Freiverkehr an einer deutschen Börse einbezogen sind, der Emittent aber gleichwohl seit mindestens zwölf Monaten die Regel- und Ad hoc-Publizitätsanforderungen erfüllt hat, die nach Gesetz nur für Emittenten an organisierten Märkten i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG verbindlich sind.100 Erfüllt werden können die Ratinganforderungen durch ein Rating jeder Rating-Agentur, die nach der EG-RatingVO zugelassen ist101 oder nach den früheren §§ 52 f. SolV anerkannt102 wurde; insoweit ist die Regelung bei allen Mittelstandssegmenten gleich.103 Auf diese Weise wird den mittelständischen Emittenten als Alternative zur Beauftragung großer, am internationalen Finanzmarkt anerkannter Rating-Agenturen auch die Nutzung kleinerer deutscher RatingAgenturen ermöglicht, denen eine solche Marktposition fehlt.104 Die Geschäftsbedingungen aller Mittelstandssegmente sehen zudem ratingbezogene Folgepflichten vor, denen der Emittent nach Einbeziehung seiner Anleihe in den Freiverkehr zu genügen hat und die i.d.R. die jährliche Aktualisierung des Ratings (genauer: die Mitteilung des aktualisierten Ratings an die Börse105 oder dessen Veröffentlichung auf der Homepage des Emittenten106) verlangen. 94
§ 21 Nr. 1 Geschäftsbedingungen Düsseldorf (Stand: 14. Jan. 2013). § 7 Abs. 1 lit. b Regelwerk m:access (Stand: 1. Nov. 2012). 96 Börse Düsseldorf, Aktualisierung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr – Pressemitteilung vom 5. Aug. 2013. 97 Kritisch Kuthe/Zipperle, Bond Magazine (Febr./März 2011), 10. 98 Vgl. § 18 Abs. 2 lit. b Geschäftsbedingungen Frankfurt; § 36 Abs. 3 Nr. 3 Satz 4 lit. b Geschäftsbedingungen Stuttgart. 99 § 18 Abs. 2 lit. b Geschäftsbedingungen Frankfurt. 100 Vgl. § 36 Abs. 3 Nr. 3 Satz 4 lit. b Geschäftsbedingungen Stuttgart. 101 Siehe dazu noch § 22 II 2. 102 Siehe § 6 III 5 a) sowie § 23 II 2 a). 103 Allein das Regelwerk für das Marktsegment m:access an der Börse München benennt keine Anforderungen an die Rating-Agentur, lässt Ratings staatlich zugelassener Agenturen in der Praxis aber genügen. 104 Dazu noch unter c) bb). 105 § 13 Abs. 7 Geschäftsbedingungen Berlin; § 23 Abs. 1 Nr. 5 Geschäftsbedingungen Düsseldorf. Ebenso, aber ohne Fristvorgabe § 19 Abs. 2 lit. b Geschäftsbedingungen Frankfurt. 106 § 6a Abs. 2 lit. a Regelwerk m:access; § 38 Abs. 1 Nr. 4, 8 Geschäftsbedingungen Stuttgart. 95
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b) Zweck der Ratingerfordernisse Hinsichtlich des Zwecks, der mit den Ratingvorgaben anscheinend verfolgt wird, ist zu differenzieren: Die heute allein noch bestehende Pflicht zur Ausweisung eines Emittentenratings beliebiger Höhe dürfte auf Anlegerschutz durch Information („Transparenz“) zielen,107 indem die im Übrigen dürftig ausgestalteten Publizitätspflichten der Emittenten108 um die Bonitätseinschätzung eines sachkundigen Dritten ergänzt werden. Mittelbar soll hierdurch zugleich die Attraktivität der Marktsegmente für die Investoren gesteigert werden.109 Durch die bis 2013 teilweise bestehenden Mindestratingvorgaben („BB“ bzw. „BB+“) wurde hingegen angestrebt, Emittenten mit schlechterer Bonität auszusortieren und damit eine höhere „Qualität“ des Marktsegments gegenüber dem sonstigen Freiverkehr zu sichern.110 Dieses mittlerweile aufgegebene Ziel wurde angesichts der hohen Ausfallquoten an den Mittelstandssegmenten in den Jahren 2010–13111 ersichtlich nicht erreicht und war mit dem gewählten Mittel wohl auch nicht erreichbar, bewegte sich das verlangte Mindestrating doch unterhalb der gängigen „investment grade“-Schwelle. Selbst wenn die angelegten Bonitätsmaßstäbe denjenigen der großen internationalen Rating-Agenturen entsprochen hätten (was sie – wie sogleich112 noch anzusprechen – nicht taten), wäre so nicht sichergestellt worden, dass an den Mittelstandssegmenten Düsseldorfs und Münchens notierte Anleihen nach der segmentübergreifenden Marktanschauung eine hohe Qualität besessen hätten. c) Bewertung: Missverständnisse hervorrufendes Ratingerfordernis auf einem Marktsegment für Privatanleger Die Bewertung der beschriebenen regulatorischen Ratingverwendung fällt vor diesem Hintergrund kritisch aus. Dabei ist entscheidend, dass sich „Mittelstandssegmente“, deren Bezeichnung auf die angesprochenen Emittentenkreise zurückgeht, auf Investorenseite gezielt an Privatanleger richten,113 wie namentlich an der für „Mittelstands“-anleihen vorgeschriebenen Höchststückelung von 1000 €114 107
Schlitt/Kasten, CFL 2011, 97, 98. Vgl. nur Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 7: die Informationspflichten an den Mittelstandssegmenten seien aus Emittentensicht „mehr als komfortabel“. 109 Schlitt/Kasten, CFL 2011, 97, 98. Vgl. auch Kaulamo, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17 Rn. 25. 110 So Felz, in: Bösl/Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 95, 107; Kuthe/Zipperle, Bond Magazine (Feb./März 2011), 10, 11. 111 Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 21: nahezu 10% der Emittenten an den Mittelstandssegmenten fielen bis Mai 2013 teilweise oder ganz aus. 112 Unter c) bb). 113 Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 5 f.; Kuthe/Zipperle, Bond Magazine (Feb./ März 2011), 10; Schlitt/Kasten, CFL 2011, 97, 98; Schmitt, BB 2012, 1079, 1080 ff. 114 § 10 Abs. 3 Geschäftsbedingungen Börse Berlin; § 21 Nr. 2 Geschäftsbedingungen Düsseldorf; § 18 Abs. 1 lit. b Geschäftsbedingungen Frankfurt; § 6a Abs. 1 Satz 2 Regelwerk m:access; § 36 Abs. 3 Nr. 5 Geschäftsbedingungen Stuttgart. Im Allgemeinen werden Anleihen dagegen in 108
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abzulesen ist.115 Legt man daher den Adressatenhorizont eines typischen Privatanlegers zugrunde, verdienen die Ratingerfordernisse der Mittelstandssegmente in mehrerer Hinsicht Kritik: aa) Erfordernis lediglich eines Emittentenratings als Problem So schreiben die Geschäftsbedingungen durchweg lediglich ein Emittentenrating vor,116 das sich damit auf die Bonität der emittierenden Gesellschaft bezieht, die über der Ausfallwahrscheinlichkeit namentlich nachrangig ausgestalteter Anleihen des Emittenten liegen kann.117 Die meisten Mittelstandssegmente lassen aber auch rechtlich118 oder strukturell119 nachrangige Anleihen zu,120 ohne zumindest in diesem Fall die Angabe eines Emissionsratings zu verlangen,121 das allein etwas über die konkret interessierende Bonität aussagt122 – ein Umstand, der Privatanlegern nicht selten unbekannt sein wird, die daher durch das auf ein anderes Ratingobjekt bezogene Emittentenrating in die Irre geführt zu werden drohen.123 Als zumindest intransparent, bei kundenfeindlichster Auslegung124 jedoch sogar fehlleitend sind die Ratingvorgaben der Berliner und Stuttgarter Geschäftsbedingungen einzustufen, soweit sie bei konzernangehörigen Emittenten anstelle eines Unternehmensratings des Emittenten alternativ auch dasjenige einer anderen Konzerngesellschaft ausreichen
115 deutlich größerer Stückelung emittiert; vgl. Kaulamo, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17 Rn. 25; Ziriakus, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 90. 115 Felz, in: Bösl/Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 95, 96; Kuthe/Zipperle, Bond Magazine (Feb./ März 2011), 10: „Kleinanlegerfreundlichkeit“; Schmitt, BB 2012, 1079, 1080; Wilhelm, in: Bösl/ Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 265, 272. 116 Oben a). Ein Emissionsrating zählt dagegen in keinem der Segmente zu den Einbeziehungsvorausetzungen (Felz, in: Bösl/Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 95, 96). 117 Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 12. Siehe zum Unterschied zwischen Emittenten- und Emissionsratings bereits § 2 III 2 a). 118 Vgl. zu entsprechenden Klauseln in Anleihebedingungen näher Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.120. 119 Dazu etwa Kaulamo, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17 Rn. 57; Ziriakus, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 84. 120 Die Einbeziehung von Nachranganleihen wird ausdrücklich gestattet in Vor § 17 Geschäftsbedingungen Düsseldorf und § 36 Abs. 3 Nr. 6 Geschäftsbedingungen Stuttgart (siehe dazu aber im Text); stillschweigend in den Geschäftsbedingungen Hamburg/Hannover und München. Dagegen schließen § 10 Abs. 1 Geschäftsbedingungen Börse Berlin und § 18 Abs. 1 lit. c Geschäftsbedingungen Frankfurt die Einbeziehung von Anleihen aus, wenn diese nachrangige Verbindlichkeiten des Emittenten darstellen. 121 Anders allein § 36 Abs. 3 Nr. 6 Geschäftsbedingungen Stuttgart. 122 Schlitt/Kasten, CFL 2011, 97, 99. 123 Wie hier kritisch Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 12; Kuthe/Zipperle, Bond Magazine (Feb./März 2011), 10. 124 Siehe zur kundenfeindlichsten Auslegung nach deutschem AGB-Recht nur Palandt/Grüneberg, § 305c Rn. 18; zur Einordnung der Geschäftsbedingungen im Freiverkehr deutscher Börsen als Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 BGB Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 3.214.
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lassen, sofern diese „das eigentliche wirtschaftliche Risiko der Anleihe“ trägt125: Das eigentliche wirtschaftliche Risiko einer Anleihe trägt ab deren Erwerb der Investor, und die Bonität einer mit deren Emittent konzernverbundenen Gesellschaft ist für ihn nur dann von Interesse, wenn diese rechtlich für die Bedienung der Anleihe einsteht. Da die Bedingungen der Mittelstandssegmente Berlins und Stuttgarts dies jedoch – anders als ihr Frankfurter Äquivalent126 – nicht voraussetzen, vertraut der (Privat-)Anleger auf eine Bonitätsaussage über eine Gesellschaft, die mit der erworbenen Anleihe im Rechtssinne gar nichts zu tun hat.
bb) Dominanz zwar behördlich, aber nicht am Markt anerkannter Rating-Agenturen als Problem Indem die Mittelstandssegmente ein Rating einer nach der EG-RatingVO registrierten Rating-Agentur verlangen,127 schaffen sie zudem ein weiteres Problemfeld, das auf den ersten Blick nicht offensichtlich sein mag. Da die ESMA mittlerweile über dreißig Rating-Agenturen nach Maßgabe der EG-RatingVO registriert hat128 und die Geschäftsbedingungen ein Rating genügen lassen, wird Emittenten von Mittelstandsanleihen damit die Wahl unter den behördlich anerkannten Agenturen eröffnet, die – und dies ist entscheidend – nicht durch das zusätzliche Erfordernis der Marktanerkennung der beauftragten Rating-Agentur gesteuert wird: Während institutionelle Investoren am allgemeinen Anleihemarkt nämlich die Beurteilung angebotener Anleihen durch mehrere am Markt anerkannte und als vertrauenswürdig erachtete129 Agenturen (praktisch also Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch) verlangen,130 fehlt eine solche marktinduzierte Vorgabe am Markt für Mittelstandsanleihen, weil hier vor allem Privatanleger auftreten. Die damit allein erforderliche behördliche Anerkennung erlaubt mittelständischen Emittenten folglich ein „rating shopping“ zur Auswahl derjenigen Rating-Agentur, deren Bonitätsbeurteilung ihrem Eigeninteresse am besten entspricht, weil sie im Vergleich am höchsten ausfällt – ein Vorgang, dem am sonstigen Anleihemarkt hingegen Marktzwänge entgegenstünden. In der Praxis hat dies zur Folge gehabt, dass die Ratings an den Mittelstandssegmenten fast durchgehend von kleinen deutschen Rating-Agenturen stammen (namentlich Creditreform Rating AG oder Euler Hermes Rating Deutsch-
125
§ 8 Abs. 5 Geschäftsbedingungen Börse Berlin; § 35 Abs. 3 Geschäftsbedingungen Stuttgart (beide mit dem Zusatz, in diesem Fall sei „ein deutlicher Hinweis über diesen Sachverhalt in das Unternehmensrating aufzunehmen“). 126 Vgl. § 18 Abs. 5, 6 lit. g Geschäftsbedingungen Frankfurt, die das Unternehmensrating einer anderen Konzerngesellschaft nur genügen lassen, wenn der antragstellende Emittent Begünstigter einer von dieser Gesellschaft abgegebenen unbedingten und unwiderruflichen Garantie ist. 127 Siehe oben unter a). 128 Europ. Kommission, List of registered and certified credit rating agencies (Stand: 1. Juli 2013), ABl. EU vom 13.7.2013, Nr. C 201, S. 11 f. weist 35 registrierte Rating-Agenturen aus. 129 Siehe zur Reputation der Rating-Agenturen als Grundlage der Marktakzeptanz ihrer privaten Marktinformationen schon § 4 II 1. 130 Siehe zur „Zwei-plus-Ratings“-Usance noch § 20 II 2 b) bb) (2).
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land),131 die zwar von der ESMA zugelassen, am allgemeinen Finanzmarkt aber nahezu unbekannt sind und einen kaum messbaren Anteil am sonstigen Ratingmarkt einnehmen.132 Die drei großen internationalen Rating-Agenturen, die am europäischen Ratingmarkt gemeinsam einen Anteil von mindestens 87% besitzen,133 kommen demgegenüber an den deutschen Mittelstandssegmenten lediglich auf einen Marktanteil von 3,2%.134 Jüngste Erkenntnisse der ökonomischen Kapitalmarktforschung belegen zudem, dass die bestehenden Ratingeinstufungen deutscher Mittelstandsemittenten im Durchschnitt beträchtlich höher liegen sind als Ratings durch marktanerkannte U.S.-amerikanische (und deshalb angeblich mit den „Besonderheiten des deutschen Mittelstandes nicht vertrauter“135) Rating-Agenturen lägen.136 Es überrascht daher kaum, dass auch die Ausfallquoten an den deutschen Mittelstandssegmenten während der ersten drei Jahre beträchtlich waren137 – eine Folge (auch) der unglücklichen Ausgestaltung der ratingbasierten Zugangsvoraussetzungen, denen jedenfalls auf einem dezidierten Marktsegment für Privatanleger Irreführungspotential zukommt und die folglich angepasst werden sollten.138
4. „Investment grade“-Rating als Grund für verfahrensmäßige Privilegierung bei der Börsenzulassung in Hongkong In Hongkong stellt ein Rating dagegen zwar keine Voraussetzung für die Zulassung zu einem organisierten Finanzmarkt dar, kann sich aber immerhin positiv auf die Ausgestaltung des zu durchlaufenden Börsenzulassungsverfahrens aus131
Schmitt, BB 2012, 1079, 1081. ESMA, CRAs’ Market share calculation according to Article 8d of the CRA Regulation (16 Dec. 2013) beziffert den Marktanteil der Creditreform Rating im Kalenderjahr 2012 auf 0,49% und denjenigen von Euler Hermes Rating auf 0,20%. 133 So ESMA, CRAs’ Market share calculation … (16 Dec. 2013) für das Kalenderjahr 2012 (erfasst ist nur der Umsatz aus Rating- und ratingnahen Dienstleistungen der in der EU registrierten Tochtergesellschaften der U.S.-amerikanischen Konzernmütter von Fitch, Moody’s und Standard & Poor’s, nicht auch der Umsatz der Konzernmütter selbst – andernfalls läge der kumulative Marktanteil noch merklich höher). 134 Von den 64 Emittenten, die zwischen 2010 und Mai 2013 an deutschen Mittelstandssegmenten Anleihen begaben, ließen sich lediglich zwei von einer der drei großen internationalen RatingAgenturen bewerten (jeweils mit einem sehr schwachen Ergebnis); vgl. Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 11. 135 Vgl. in diesem Sinne etwa (aus Sicht der deutschen Rating-Agentur Creditreform Rating) Munsch, in: Bösl/Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 67, 68: „Denn entscheidend ist, dass das Rating sich auf die spezifische Situation des Unternehmens in seinem Markt fokussiert. Die Bildung ungünstiger Vergleichsgruppen oder die Anwendung konzernadäquater Risikoparameter kann sich unverhältnismäßig negativ auf das Bonitätsurteil der Ratingagentur auswirken und so die Finanzierung unnötig erschweren. So mögen amerikanische Agenturen beispielsweise höhere Insolvenzen in Mitteleuropa erwarten als europäische, und insbesondere auf mittelständische Unternehmen spezialisierte Agenturen.“ 136 Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 11 ff.; vgl. auch Meeh-Bunse/Sattler, DB 2012, 1449, 1450. 137 Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 21. 138 Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 31. 132
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wirken: Während die Zulassungsentscheidung nach den Listing Rules der Hongkonger Börse (Listing Rules SEHK) nämlich grundsätzlich bei dem Listing Committee (also einem auf Grundlage einer gesetzlich vorgesehenen Selbstregulierung139 tätigen Börsenorgan) liegt,140 hat das Listing Committee diese Zuständigkeit für einige wenige Emittenten – neben Staaten, Staatsgesellschaften, supranationalen Organisationen und bereits an der Börse mit einer Mindestmarktkapitalisierung von 5 Milliarden HKD notierten Emittenten eben auch für Banken und Unternehmen mit einem „investment grade“-Rating – auf den Executive Director – Listing übertragen.141 Da dieser in der Praxis regelmäßig wesentlich zügiger entscheiden kann als das Listing Committee, das sich aus mindestens 28 Mitgliedern zusammensetzt142 und bei seiner Entscheidungsfindung zahlreichen verfahrensmäßigen Vorgaben unterliegt,143 führt ein „investment grade“-Rating damit bereits hinsichtlich des Zulassungsverfahrens zu einer Privilegierung.
5. „Investment grade“-Rating als Grund für steuerliche Privilegierung in Hongkong Darüber hinaus knüpft das Hongkonger Recht an ein „investment grade“-Rating noch eine weitere Rechtsfolge, der wirtschaftlich eine noch weit größere Bedeutung zukommen dürfte: Zinsen und Veräußerungsgewinne aus Schuldverschreibungen, die in Hongkong öffentlich angeboten144 und am Central Moneymarkets Unit der HKMA (einem organisierten Markt für Hongkonger Fremdkapitaltitel)145 notiert und abgerechnet werden,146 unterliegen nämlich aufgrund des sog. profits tax concession scheme lediglich einer hälftigen Besteuerung147 oder werden sogar völlig steuerfrei gestellt,148 sofern die Schuldverschrei-
139 § 3(a) Securities and Futures (Stock Market Listing) Rules (Cap. 571V) überträgt die Regelung der Börsenzulassungsvoraussetzungen den zugelassenen Börsen; die genannte Ermächtigungsnorm beruht wiederum auf § 36(1) Securities and Futures Ordinance (Cap. 571). Siehe hierzu näher Donald, Hong Kong Stock and Futures Exchanges, Rn. 2.023 f. 140 Rule 2A.05 der Listing Rules SEHK. Vorschläge, die sich für eine Rückübertragung der Zulassungszuständigkeit auf die staatliche Securities and Futures Commission (vgl. Loh, Financial Intermediaries Guide, § A1.04700 Fn. 1) bzw. die Regelung der Zulassungsvoraussetzungen in den Securities and Futures (Stock Market Listing) Rules (vgl. Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 6.39) ausgesprochen hatten, sind bislang nicht umgesetzt worden. 141 Rule 2A.05A der Listing Rules SEHK. 142 Rule 2A.17 der Listing Rules SEHK. 143 Vgl. Rule 2A.28 der Listing Rules SEHK. 144 Siehe § 14A(4) Stichwort „debt instrument“ (e) Hong Kong Inland Revenue Ordinance. 145 Vgl. zum Central Moneymarkets Unit und seinen Funktionen World Bank, Asian Bond Market, S. 21. 146 § 14A(4) Stichwort „debt instrument“ (a) Hong Kong Inland Revenue Ordinance. 147 § 14A(1) Hong Kong Inland Revenue Ordinance. 148 § 26A(1)(h), (2) Stichwort „long debt instrument“ Hong Kong Inland Revenue Ordinance für Schuldverschreibungen mit langer Laufzeit.
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bung durchgehend über ein „investment grade“-Rating einer anerkannten Rating-Agentur149 verfügt. Hinter dieser auf den ersten Blick ungewöhnlichen Regelung – der steuerlichen Privilegierung bonitätsstarker Anleihen – steckt das Bemühen der Hongkonger Regierung, die Liquidität des lokalen Anleihenmarkts150 und die Attraktivität des Hongkonger Finanzmarkts insgesamt zu fördern, indem die Anleihenemission durch lokale und ausländische Emittenten in Hongkong angeregt wird.151 Es handelt sich also letztlich um eine wirtschaftspolitische Zielsetzung, bei deren Umsetzung das „investment grade“-Rating als Schlüssel für qualitativ hochwertige (und daher erwünschte) Finanzinstrumente stehen dürfte. Dass man sich hierbei als Mittel der Steuererleichterung bedient, entspricht einer Hongkonger Tradition – der low tax policy wird in der Sonderverwaltungsregion sogar explizit Verfassungsrang eingeräumt.152 Sowohl aus Sicht der Investoren als auch der Emittenten dürfte sich der ratingbasierte Steuervorteil im Ergebnis als wirtschaftlich entscheidender darstellen153 als die gute Bonität, die durch das „investment grade“-Rating ausgedrückt und bei der Bestimmung der notwendigen Anleiheverzinsung ebenfalls berücksichtigt wird154 – für Anleihen im „non-investment grade“-Bereich dürfte die Nachfrage am Hongkonger Finanzmarkt im Gegenzug merklich gesunken sein.
6. Tendenz: Markteintrittspublizität statt regulatorische Bonitätsanforderungen Im Übrigen entspricht es jedoch den Entwicklungstendenzen der modernen Finanzmarktregulierung, im öffentlichen Interesse abzusichernde Mindestanforderungen an gehandelte Finanzinstrumente nicht im Wege materieller Vorgaben, sondern durch Schaffung einer ausreichenden Publizität durchzusetzen.155 Seit im Jahre 1990 das Erfordernis der staatlichen Anleihegenehmigung im deutschen Recht abgeschafft wurde, gilt das angesprochene Informationsmodell in allen hier untersuchten Rechtsordnungen auch für die Bonität von Anleihen zum Zeitpunkt des Eintritts in einen organisierten Markt, die heute vorrangig im Wege der Markteintrittspublizität (vor allem der Prospektpublizität) geregelt
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Zur Anerkennung der Rating-Agenturen und Bestimmung des einschlägigen Mindestratings durch die HKMA siehe noch § 23 II 5 a). 150 Choong, 7 Int. Tax Rev. (Sep. 1996), 52, 53. 151 Willoughby/Halkyard, Hong Kong Taxation, Stand: Issue 11 (Okt. 2004), Anm. II 6888.4. 152 Art. 108 Basic Law schreibt der Hongkonger Regierung ausdrücklich vor, dass sie sich bei der Ausgestaltung des Steuersystems durch die „low tax policy previously pursued in Hong Kong“ leiten zu lassen hat. 153 Ergebnisse der neueren empirischen Kapitalmarktforschung bestätigen, dass die steuerliche Behandlung von Neuemissionen das diesbezügliche Investoreninteresse wesentlich beeinflusst; vgl. Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 60. 154 Siehe § 15 II 1. 155 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 370 ff.
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wird.156 Die vielgestaltige Rolle, die Ratings in ihrer Marktinformations- wie auch Regulierungsfunktion in diesem Zusammenhang spielen, wird im folgenden Kapitel noch gesondert untersucht.157 Eine eigenständige Bonitätsprüfung durch die für die Börsenzulassung zuständige Stelle erfolgt daneben nicht mehr,158 weshalb die (ratinggestützte) gesetzliche Markteintrittspublizität als einziger Schutzmechanismus für Investoren verbleibt – ein Umstand, durch den sich mittelbar wiederum die Bedeutung des Ratings erhöht.
III. Faktischer Zwang zum Rating: Das Rating als Markteintrittsvoraussetzung bei „traditionellen“ Anleihen Soweit Anleihen nach dem vorstehend Gesagten nicht schon aus rechtlichen Gründen über Ratings verfügen müssen, um öffentlich angeboten werden zu dürfen, heißt dies allerdings nur, dass es an objektbezogenen rechtlichen Markteintrittsvoraussetzungen für Anleihen fehlt, die auf ein Rating abstellen. Wenn ein Rating aber gleichwohl allgemein als Marktzugangsvoraussetzung für Anleihen gilt, liegt dies daran, dass sich für eine ungeratete Anleihenemission heutzutage nur schwerlich oder gar keine Käufer finden lassen: Das Rating wird also von Seiten der Investoren vorausgesetzt und zwingt Emittenten aus diesem Grund, ihre Anleihen vor der Platzierung raten zu lassen; es handelt sich also um eine mittelbar-faktische Markteintrittsvoraussetzung. Die zentrale Bedeutung des Ratings für den Marktzugang hat in den U.S.A.159 schon eine lange Tradition, wird heute aber auch am deutschen,160 am schweizerischen161 und am Hongkon156 Für Deutschland Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 9 Rn. 60; Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 112 Rn. 26; Schwark/Zimmer/Heidelbach, § 32 BörsG Rn. 1; für die Schweiz Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 390; Huber/ Hodel/Staub Gierow, Art. 8 KR Rn. 8; Ruffner, Gesteuerte Selbstregulierung, S. 7, 40. 157 Siehe § 9. 158 Für Deutschland BGH, 6.7.1993, BGHZ 123, 126, 130 („Bond-DM-Anleihe“); Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 110; Heinsius, ZBB 1994, 47, 54; Köndgen, WuB I G 4. – 4.93, 477, 478; a.A. Schwark, WuB I G 4. – 9.93, 1042, 1043 f., der in dem Zulassungsverfahren „ein Stück Bonitätsprüfung des Emittenten“ erkennt. Für die Schweiz Ruffner, Gesteuerte Selbstregulierung, S. 7, 40. 159 In diesem Sinne schon früh Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 3; Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 550; aus jüngerer Zeit Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 14; Gruson, WM 1995, 89, 92; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 47; Hurst, 30 Company L. (2009), 61; Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 140; Nöth, KuK 1995, 535. 160 Breuer, WM 1991, 1109; ders., Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 78 f.; Däubler, BB 2003, 429; Deipenbrock, WM 2005, 261; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 5; Gerke/Mager, BFuP 2005, 203; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 6; Hoffmann/Baron, ZBB 2005, 317, 318; Krämer, StB 2004, 14, 18; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 121: Bedingung des Vertriebs von Anleihen; Lerch, BKR 2010, 402, 405; Niedostadek, Rating, Rn. 209; Rudolf, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 1 Rn. 77: „ebenso schwieriges wie seltenes Unterfangen, nicht geratete Tranchen einer Anleihe zu platzieren“; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 83 f.; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 27; Vetter, WM 2004, 1701; von Randow, ZBB 1995, 140, 141; Witte/Bultmann, in: Achleitner/
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
ger Finanzmarkt162 ganz einheitlich konstatiert. Sie lässt sich im Einzelnen wiederum auf die Marktinformations-163 sowie (mittelbar) auch die Regulierungsfunktion164 des Ratings zurückführen und besteht sowohl bei der öffentlichen wie der privaten Platzierung von Anleihen.165
1. Rating als standardisierte und international verständliche Marktinformation Dass das Rating am Primärmarkt eine solche Bedeutung besitzt, dass es – anders als andere Marktinformationen – von Seiten der Investoren als zwingende Voraussetzung für eine Investition angesehen wird, liegt vor allem an seiner Eigenschaft als standardisierte und damit unschwer vergleichbare Marktinformation: Erst die verständlich und anhand stets derselben Ratingskala codierte Bonitätsbeurteilung gestattet es Investoren, die Kreditwürdigkeit der Vielzahl angebotener Anleihen untereinander schnell zu vergleichen und so zu ermitteln, welches der Papiere die risikoangemessenste und damit wirtschaftlich attraktivste Verzinsung bietet.166 Die Ermittlung der Emissionsbonität auf anderem Wege – d.h. durch Heranziehung anderer Informationen mittels eigener Recherche – erweist sich hingegen als übermäßig aufwendig, sofern die Marktverhältnisse unübersichtlich sind, und unterbleibt daher vielfach: Wenn eine Anleihe über kein Rating verfügt,167 wird sie als Investitionsmöglichkeit regelmäßig gar nicht in Betracht gezogen. Entscheidender Auslöser für die Erhebung des Anleiheratings zur faktischen Markteintrittsvoraussetzung ist danach also die Unübersichtlichkeit des Marktes für die Investoren168 – eine These, die mit überkommenem ökonomischen Ratio-
161 Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 94; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347; Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 4; Ziriakus, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 80. 161 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 94; Meier, ST 2009, 945: „Jeder Schuldner, der sich Zugang zum Kapitalmarkt verschaffen möchte, bedarf eines Ratings“; Weber/ Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 6. 162 Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 488; ders., ZGR 2007, 603, 609 (zu den asiatischen Finanzmärkten). 163 Sogleich unter 1. 164 Dazu unter 2. 165 Unter 3. 166 Vgl. Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 550: „the rating assigned to a security of this kind appears to be of pre-eminent importance to its initial yield and hence its acceptance by the market place“; Gruson, WM 1995, 89, 92; Meier, ST 2009, 945; Vetter, WM 2004, 1701; Ziriakus, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 79 f. Aus der empirischen Kapitalmarktforschung Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 72: Ratings seien heute der wichtigste Faktor für die Emissionskursbestimmung am Anleiheprimärmarkt. 167 In der Praxis verlangen Investoren dabei im Regelfall sogar eine Bonitätsbeurteilung durch mehr als eine Rating-Agentur, sodass von einer „Zwei-plus-Ratings“-Usance gesprochen werden kann; siehe zu diesem Phänomen noch § 20 II 2 b) bb) (2). 168 Insoweit zutreffend Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 27.
§ 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen
193
nalmodell und Efficient Market Hypothesis169 nicht ohne weiteres vereinbar ist, aber mit der hier bevorzugten Annahme eines „realen“ Investorenbildes mit begrenzter Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität170 im Einklang steht. Am U.S.-amerikanischen Anleihemarkt bestand bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine solche Unübersichtlichkeit, die zur Entstehung von Ratings führte,171 als die zunehmende Anzahl neuer kapitalnachfragender Eisenbahngesellschaften den Investoren keine eigenständige Einschätzung der Emittentenbonitäten mehr erlaubte.172 Die Größe des Finanzmarkts in den U.S.A. hatte zur Folge, dass (ausreichend gute) Anleiheratings aus Sicht der Investoren unverzichtbar wurden und blieben,173 sodass das Finanzmagazin Fortune im Jahre 1975 feststellte, dass „the rating agencies were in effect deciding which companies could raise money and which couldn’t“.174 Heute verfügen nahezu 100% der am U.S.-Primärmarkt öffentlich angebotenen Anleihen über ein oder mehrere Ratings.175 Auf den europäischen Finanzmärkten konnten lokal bekannte Unternehmen hingegen noch länger auf ihren „guten Namen“ bauen, um ihre Anleihen abzusetzen;176 hier wurde das Rating erst mit der zunehmenden Internationalisierung der Finanzmärkte zur Platzierungsvoraussetzung, weil in deren Zuge verstärkt ausländische (und daher nicht per se bekannte) Emittenten auf den Schweizer und den deutschen Kapitalmarkt drängten und einheimische Emittenten andererseits auch internationale Investoren ansprechen wollten, die ihrerseits auf für sie verständliche Bonitätsbeurteilungen bestanden.177 Erst diese Internationalisierung brachte auch in Europa eine ähnliche Marktunübersichtlichkeit wie in den U.S.A. mit sich, die nunmehr eine international verständliche Marktinformation 169
Siehe dazu § 5 III 1. Siehe § 5 IV. 171 Zur Geschichte des Ratings bereits § 3 I. 172 Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 3: „Bond ratings constitute the most important single phase of bonds selection to most of their innumerable followers.“ 173 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 582: 79% der U.S.-amerikanischen Investoren benennen Ratings als den wichtigsten Faktor im Rahmen ihrer Investitionsentscheidungen; Gabbi/ Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 72. Zum Commercial Paper-Markt Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 140: „no investor will purchase unrated commercial paper“. 174 Fortune, April 1976, S. 231 (zitiert nach Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 552). 1975 wurde keine einzige Industrieanleihe mit einem Rating unter „A“ am U.S.-amerikanischen Kapitalmarkt platziert. 175 Zur Empirie Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1083; Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879; von Randow, ZBB 1995, 140, 141. 176 Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 9; Scholz, BFuP 2005, 265, 266. Auf den Mittelstandssegmenten deutscher Börsen spielen Unternehmensund Markennamen insoweit auch heute unverändert eine Rolle, weil auf diesen Märkten vorwiegend deutsche Privatanleger investieren; vgl. dazu kritisch Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 6 ff.; Schmitt, BB 2012, 1079, 1082; Wilhelm, in: Bösl/Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 265, 269. 177 Vgl. Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1074; Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783; Franken/Heinsius, in FS Budde (1995), S. 213, 221; Langohr/Langohr, Rating Agencies, S. 382 ff. 170
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
unverzichtbar machte;178 Breuer sprach daher mit Blick auf Deutschland schon Anfang der 1990er Jahre von einem „Nichtmarkt“ für ungeratete Emissionen.179 Das Rating war damit auch hier zu einer zentralen Voraussetzung für den Markteintritt geworden,180 wenngleich am deutschen wie auch am schweizerischen Primärmarkt weiterhin ungeratete Anleiheemissionen vorkommen. Die Bedeutung des Ratings nimmt jedoch auch für europäische Investoren nachweisbar ständig zu.181
2. Ratingbasierte Anlagebeschränkungen für institutionelle Investoren Daneben führt das Rating auch in seiner Regulierungsfunktion mittelbar zu einer Markteintrittshürde für Anleiheemittenten, weil zahlreiche institutionelle Investoren ratingbasierten Anlagebeschränkungen unterliegen und eine Anleihe daher überhaupt nur erwerben dürfen, sofern sie über ein Rating (häufig in bestimmter Höhe, typischerweise „investment grade“) verfügt.182 Entsprechende Anlagevorschriften für U.S.-amerikanische Geschäftsbanken wurden bereits im Text erörtert;183 vergleichbare Regelungen bestehen in sämtlichen hier untersuchten Rechtsordnungen aber auch für Investmentfonds, Pensionsfonds, Versicherungsunternehmen und andere regulierte Investorentypen.184 Ihre kumulative Wirkung wird am Markt für Anleihen noch dadurch verstärkt, dass gerade Wertpapiere dieser Art zum ganz überwiegenden Teil durch institutionelle Investoren erworben werden. Infolge der zunehmenden Internationalisierung der Finanzmärkte wirken Anlagevorschriften zudem „extraterritorial“, weil sie üblicherweise auch bei Investitionen in Anleihen ausländischer Emittenten beachtet werden müssen und diese Emittenten daher zur Einholung eines ausreichenden Ratings zwingen, sofern sie sich nicht von vornherein von den betreffenden ausländischen Investorenkreisen abschneiden wollen.
178 Meixner, Aktienmärkte und Rolle der Rating-Agenturen, S. 277; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 543. 179 Breuer, WM 1991, 1109; ders., Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 78 f. 180 Blaurock, ZGR 2007, 603, 609; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 5; Haiss/ Marin, ÖBA 2000, 775, 784; Krämer, StB 2004, 60; Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 3. Erkenntnissen der empirischen Forschung zufolge handelt es sich mittlerweile sogar um die wichtigste Markteintrittsvoraussetzung; vgl. Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 72. 181 So Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 69 zum Zeitraum 1991–2001. 182 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 4; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 206; Justensen, 35 J. Corp. L. (2009), 193, 196. 183 Siehe § 7 I. 184 Siehe dazu noch § 12 III. Vgl. auch Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 17.8.2012, 888 F.Supp.2d 431, 466 (S.D.N.Y. 2012) zu den internen Anlagerichtlinien der Deutsche Postbank AG.
§ 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen
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3. Rating als Voraussetzung für öffentliche wie private Anleiheplatzierungen Die beschriebene Notwendigkeit von Ratings beschränkt sich schließlich nicht nur auf das öffentliche Angebot von Anleihen (an organisierten Märkten oder außerhalb), sondern besteht im Grundsatz auch bei deren privater Platzierung bei ausgewählten Investoren. Sie wird bei Privatplatzierungen von Investorenseite allerdings nicht ausnahmslos gefordert, sodass Emittenten privat anzubietende Anleihen zwar häufig,185 aber nicht stets raten lassen: In den U.S.A. wiesen im Jahre 1997 77% der Anleihen, die durch ausländische (d.h. nicht-amerikanische) Emittenten nach Rule 144A privat platziert wurden,186 ein Rating auf, während öffentlich angebotene Anleihen – wie bereits erwähnt – fast ausnahmslos geratet waren.187 Angesichts des Umstands, dass nicht-öffentliche Anleihenangebote sich typischerweise an institutionelle Investoren richten, die aufgrund eigener Expertise in geringerem Maße auf Informationen der Rating-Agenturen angewiesen sein sollten als die allgemeine Kapitalmarktöffentlichkeit,188 mag der Einsatz von Ratings in diesem Bereich überraschen. Er lässt sich damit erklären, dass privat platzierte Anleihen typischerweise von der gesetzlichen Markteintrittspublizität ausgenommen sind189 und ausländische Emittenten zudem regelmäßig nur in ihrem Heimatland laufenden Publizitätsvorgaben unterliegen, sodass es bei grenzüberschreitenden Privatplatzierungen auch institutionellen Investoren an hinreichenden Informationsquellen über das Investitionsobjekt fehlt: Die Emittenten entscheiden sich bei Privatplatzierungen also dafür, die geforderten Informationen durch private Ratings und nicht mittels öffentlicher Publizität zur Verfügung zu stellen;190 das Rating fungiert hier also als Substitut für die gesetzliche Markteintrittspublizität.191 Dass Ratings bei privaten Platzierungen nicht gleichermaßen flächendeckend eingesetzt werden wie bei öffentlichen Anleiheangeboten, dürfte sich hingegen mit dem engeren und persönlich bekannten Adressatenkreis von Privatangeboten erklären lassen: Dieser erlaubt es dem Emittenten etwa, gezielt nur solche Investoren anzusprechen, die keinen ratingbasierten Anlagevorschriften unterliegen, und so die Notwendigkeit eines (kostenträchtigen) Ratingauftrags zu umgehen. 185
Darbellay, Regulating Ratings, S. 22; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 47. Rule 144A unter dem Securities Act of 1933 gestattet den Verkauf von Wertpapieren an sog. qualified institutional buyers (wobei es sich im Wesentlichen um große institutionelle Investoren mit einem Anlagevolumen von über USD 100 Mio. handelt), ohne dass die Wertpapiere bei der SEC registriert sein und damit den einschlägigen umfangreichen Publizitätsvorschriften (siehe zu diesen § 9 II 3) genügen müssen. 187 Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1086. 188 In diesem Sinne aus dem ökonomischen Schrifttum nachdrücklich Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 414. 189 Vgl. noch § 10 III 3. 190 Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1075 f. 191 Vgl. aus informationsökonomischer Perspektive Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1086: „Arguably, bond ratings and public disclosure are alternative means to inform investors about the quality of debt.“ 186
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
IV. Zusammenfassung Als rechtliche Marktzugangsvoraussetzung spielt das Rating im Rechtsvergleich eine nur begrenzte Rolle:192 So ist ein generelles Ratingobligatorium, welches die Bonitätsbeurteilung durch eine Rating-Agentur zur Bedingung jeglichen öffentlichen Angebots von Anleihen erklärt, zwar auf diversen nicht entwickelten Kapitalmärkten gebräuchlich, nicht jedoch in Deutschland, der Schweiz, den U.S.A. oder Hongkong.193 Eingesetzt wird ein Ratingerfordernis hier jedoch in beschränktem Umfang als Zugangsvoraussetzung zu organisierten Märkten (vor allem Börsen), so im geltenden Recht an der New Yorker Börse (mit einem freilich niedrigen Mindestrating von „B“)194 und der Hongkonger Börse (wo „investment grade“-Anleihen immerhin gewisse verfahrensmäßige und vor allem steuerliche Privilegien genießen)195 sowie seit 2010 an den „Mittelstandssegmenten“ diverser deutscher Börsen, die freilich jegliches Emittentenrating durch einen weiten Kreis von Rating-Agenturen genügen lassen.196 Die Börsen benutzen rechtliche Ratinganforderungen dabei – insoweit international einheitlich – im Sinne eines allgemeinen Qualitätsmerkmals der zugelassenen Anleihen und damit auch der Börse selbst, was im beschränkten Aussagegehalt eines Ratings als bloße Bonitätsbeurteilung197 allerdings keine Grundlage findet198 und daher die Gefahr von Missverständnissen auf Seiten der Investoren birgt.199 Beim Ratingeinsatz in den Anleihebedingungen deutscher Mittelstandssegmente tritt diese Gefahr besonders hervor.200 Die entscheidende Bedeutung des Ratings resultiert im Bereich des Marktzugangs demgegenüber aus seiner Marktinformationsfunktion, weil die Investorenöffentlichkeit auf vielen nationalen Finanzmärkten nicht bereit ist, ungeratete Anleihen abzunehmen.201 Dieses gleichsam marktgetriebene Ratingobligatorium lässt sich außer auf die Verständlichkeit von Ratings als Marktinformationen202 192 Seine diesbezügliche Bedeutung ist am Markt für komplexe Finanzinstrumente hingegen weit größer; siehe dazu noch § 10 II. 193 Oben I 1. 194 Oben II 2. 195 Oben II 4, 5. 196 Oben II 3 a). 197 Siehe schon § 2 I 1. 198 Die regulatorische Ratingverwendung zu diesem Zweck krankt zudem an der Schwierigkeit, den durch Ratings angeblich signalisierten Qualitätsstandard der Börse auch fortlaufend zu gewährleisten, weil sämtliche bestehenden Regelungen (mit Ausnahme des Hongkonger Steuerrechts (oben II 5), das dieses Regelungsziel allerdings nur mittelbar verfolgt) allein ein bestimmtes Rating zum Zulassungszeitpunkt verlangen – wird ein Rating nach erfolgter Zulassung der Anleihe herabgestuft, so wird hierauf nicht zur Qualitätssicherung reagiert und kann auch wohl nicht reagiert werden, weil den Investoreninteressen durch ein zwangsweises Delisting der Anleihe kaum gedient wäre; vgl. zur diesbezüglichen Diskussion unter dem früheren ratingbasierten Börsenzulassungsregime der Schweiz oben unter II 1 b). 199 Dazu noch § 17 III 1. 200 Oben II 3 c). 201 Oben III. 202 Dazu oben III 1.
§ 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen
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auch maßgeblich auf das Eigeninteresse der Entscheidungsträger institutioneller Investoren zurückführen, durch die ausschließliche Investition in hinreichend hoch (üblicherweise als „investment grade“) geratete Anleihen einen etwaig drohenden Vorwurf mangelnder Sorgfalt abzuwenden – ein Faktor, der auch durch jüngere aufsichtsrechtliche Verbote des ausschließlichen und übermäßigen Abstellens auf Ratings203 kaum an Bedeutung eingebüßt hat. Daneben sind Mindestratings nicht selten in Anlagerichtlinien institutioneller Investoren festgeschrieben,204 welche der Marktinformation so im Wege der privaten Regelsetzung zusätzlich eine Regulierungsfunktion zuweisen.
203 Siehe zu diesen noch § 12 IV (zur europäischen und deutschen Investmentfondsregulierung) sowie allgemein § 31 II 3. 204 Oben III 2.
§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität I. Einleitung Wie im letzten Kapitel festgestellt, wird der Schutz der Investoren vor dem Bonitätsrisiko neu am Markt platzierter Anleihen heute nicht mehr durch eine gesetzlich vorgeschriebene Mindestbonität, sondern durch die Schaffung einer hinreichenden Markteintrittspublizität gesichert.1 Da die Beurteilung durch eine Rating-Agentur zugleich eine faktische Markteintrittsvoraussetzung für Anleihen darstellt, weil Anleihen ohne Rating am Markt aus verschiedenen Gründen keine (oder nur zu unattraktiven Konditionen) Abnehmer finden,2 tritt das Rating als Form der privaten Marktpublizität damit neben die gesetzliche Markteintrittspublizität. Beide Publizitätsarten weisen nicht nur in formeller Hinsicht, sondern auch in Anwendungsbereich und Zielsetzung Unterschiede auf: Während Ratings lediglich eine Information über das Kreditrisiko bezwecken,3 will die gesetzliche Markteintrittspublizität den Anleger über alle Umstände unterrichten, die für seine Investitionsentscheidung von wesentlicher Bedeutung sein können;4 sie ist sachlich also deutlich umfassender konzipiert. In zeitlicher Hinsicht bleibt die Prospektpublizität dagegen hinter dem Rating als Marktinformation zurück, weil sie lediglich für den Zeitpunkt des Markteintritts und eine begrenzte Zusatzfrist als Informationsquelle Verlässlichkeit beansprucht,5 während Rating-Agenturen die Bonität einer Anleihe typischerweise auch nach deren Platzierung am Primärmarkt weiterhin beobachten.6 Das Zusammenspiel von gesetzlicher und privater Markteintrittspublizität wirft in rechtlicher Hinsicht vor allem zwei Fragen auf: Zum einen bedarf der Klärung, inwiefern die einzelnen Rechtsordnungen Ratings als Gegenstand der 1
Siehe § 8 II 6. Siehe § 8 III. 3 Siehe § 2 I 1 a), b). 4 So zum deutschen Prospektrecht BGH, 19.7.2004, BGHZ 160, 134, 138 („Infomatec“); ganz ähnlich zum U.S.-amerikanischen Markteintrittspublizitätsrecht Pinter v. Dahl, 15.6.1988, 486 U.S. 622, 638, 108 S.Ct. 2063 (1988): „The primary purpose of the Securities Act is to protect investors by requiring publication of material information thought necessary to allow them to make informed investment decisions concerning public offerings of securities in interstate commerce“. 5 Vgl. zum für die Beurteilung der Richtigkeit des Prospektinhalts relevanten Zeitpunkt im deutschen Recht Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 11.474. §§ 21 Abs. 1 Satz 1, 22 Nr. 1 WpPG (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG a.F.) beschränken die Haftung für einen unrichtigen Wertpapierprospekt zudem auf Wertpapierkäufe, die binnen sechs Monaten nach erstmaliger Einführung bzw. öffentlichem Angebot der Wertpapiere und Veröffentlichung des Prospekts abgeschlossen wurden. 6 Vgl. § 4 II 2. 2
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gesetzlichen Prospektpublizität einordnen,7 und zum anderen sind Publizitätsregelungen zu untersuchen, welche gesetzliche Offenlegungspflichten bei Vorliegen eines Ratings zurücknehmen und das Rating damit als Substitut der Prospektpublizität einordnen.8
II. Pflicht zur Angabe von Ratings in Wertpapierprospekten Das Bestehen einer Pflicht zur Angabe von Ratings in Wertpapierprospekten ist in den meisten hier untersuchten Rechtsordnungen Gegenstand kontroverser Diskussionen, deren Ergebnis im Rechtsvergleich uneinheitlich ist. Ihre praktische Bedeutung bezieht die Fragestellung dabei aus dem Umstand, dass die gesetzlichen Publizitätsregelungen durchgehend durch eine privatrechtliche Prospekthaftung9 sowie strafrechtliche Verbotstatbestände10 sanktioniert werden, die bei ihrer Anwendbarkeit auch die private Ratingpublizität mit einer zwangsweisen Durchsetzbarkeit versehen.
1. Deutsches und europäisches Prospektrecht In Deutschland verteilt sich die Prospektpublizität für Schuldverschreibungen auf zwei Ebenen: Während der Inhalt der Prospektpflicht weitgehend unionsrechtlich geregelt ist,11 ist die Prospekthaftung weiterhin Gegenstand des autonomen deutschen Rechts. Die Voraussetzungen der Prospekthaftung bestimmen dabei zwar im Ausgangspunkt nur über das Eingreifen repressiver Haftungsansprüche, definieren damit aber mittelbar auch Anforderungen an den Prospektinhalt, denen Prospektverantwortliche zum Zweck der Haftungsvermeidung zu genügen haben. Da die Pflicht zur Ratingangabe bislang vorrangig in letzterem Zusammenhang erörtert wurde, ist er im Folgenden vorab zu behandeln. a) Richtigkeit und Vollständigkeit des Wertpapierprospekts nach §§ 21 f. WpPG (§ 44 BörsG a.F.) Die Frage, ob Ratings als solche im Prospekt wiedergegeben werden müssen, fand in Deutschland erstmals im Zusammenhang mit den Rechtsstreitigkeiten um die sog. „Bond-DM-Anleihen“ Beachtung.12 Diese brachten in den 1990er 7
Siehe unter II. Unter III. 9 In Deutschland gemäß §§ 21 ff. WpPG (§§ 44, 45 BörsG a.F.); in der Schweiz gemäß Artt. 752, 1156 Abs. 3 OR; in den U.S.A. gemäß §§ 11 f. Securities Act of 1933; in Hongkong gemäß § 40 Companies Ordinance (Cap. 32). Siehe im Einzelnen § 30 I. 10 In Deutschland gemäß § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug); in der Schweiz gemäß Art. 251 Nr. 1 StGB (Falschbeurkundung; s. BGer, 20.5.1994, BGE 120 IV 122, 126 ff.) sowie weiteren Straftatbeständen (vgl. zu diesen Watter, in Basler Komm., Art. 752 OR Rn. 40); in den U.S.A. gemäß § 24 Securities Act of 1933; in Hongkong gemäß § 40A Companies Ordinance. 11 Siehe dazu noch unter b). 12 Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 165. 8
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Jahren einen umfangreichen Rechtsprechungskorpus hervor, der primär für das Recht der Anlageberatung Bedeutung erlangte.13 Daneben hat die „Bond“Rechtsprechung allerdings auch zur ersten (und, soweit ersichtlich, bislang einzigen) gerichtlichen Erörterung von Ratings im Bereich der kapitalmarktrechtlichen Prospektpflicht nach deutschem Recht geführt:14 aa) Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M. zur Prospekthaftung bei der Bond-DM-Anleihe Das Landgericht Frankfurt a.M. hatte darüber im Zusammenhang mit einer Anlegerklage gegen die deutsche Emissionsbank einer DM-Anleihe zu befinden, welche im Jahre 1988 durch die Bond Finance, Ltd. mit Sitz in Canberra (Australien) begeben worden und zwischenzeitlich ausgefallen war. Zu entscheiden war, ob der Umstand, dass die australische Rating-Agentur Australian Rating das Rating der Konzernmutter – welche die von ihrer Finanztochter emittierten DMAnleihen garantierte – von „BB–“ auf „B“ herabgestuft hatte, im Prospekt hätte erwähnt werden müssen. Das Gericht bejahte dies, weil es sich bei dem Downgrade um einen für Anlageentscheidungen wesentlichen Faktor gehandelt habe, ohne dessen Angabe der Prospekt i.S. des damaligen § 45 Abs. 1 Satz 2 BörsG15 unvollständig gewesen sei.16 Die Emissionsbank habe das „Down-Rating“ in den Prospekt aufnehmen müssen, weil ihm die Qualität eines gewichtigen Gefahrmoments für den Konzern zukomme und interessierte Anleger aus dem Prospekt andernfalls nicht ersehen konnten, dass Bond-Papiere „für eine Daueranlage ungeeignet waren“.17 Die Entscheidung wurde in der Berufungsinstanz durch das OLG Frankfurt a.M. bestätigt, welches seinerseits allerdings die fehlende Erwähnung anderer Informationen über die Emittentin im Prospekt in den Vordergrund stellte und das Downgrade nur am Rand erwähnte.18 Ein Teil des Schrifttums hat sich der Auffassung des LG Frankfurt angeschlossen.19 13
Siehe zur Rolle von Ratings in diesem Zusammenhang noch näher § 15. Das im Folgenden erörterte „Bond“-Verfahren war seit der Entscheidung RGZ 80, 196 aus dem Jahre 1912 überhaupt erst der zweite Prospekthaftungsfall, der auf Grundlage der §§ 45 ff. BörsG a.F. gerichtlich entschieden wurde; vgl. näher Kunz, BB 1994, 738 ff. Das Verfahren erregte – einschließlich seiner Aussagen zum Rating – auch über die Grenzen Deutschlands hinaus Aufsehen; vgl. zur Aufnahme in der Schweiz unten II 2 a) bb). 15 Heute: §§ 21 f. WpPG, die seit dem 1. Juni 2012 – inhaltsgleich (Leuering, NJW 2012, 1905, 1906) – den zwischenzeitlich geltenden § 44 Abs. 1 BörsG a.F. ersetzen. 16 LG Frankfurt a.M., 6.10.1992, NJW-RR 1993, 502, 503 f. („Bond-DM-Anleihe“). 17 LG Frankfurt a.M., 6.10.1992, NJW-RR 1993, 502, 504 („Bond-DM-Anleihe“). 18 OLG Frankfurt a.M., 1.2.1994, NJW-RR 1994, 946, 948 („Bond-DM-Anleihe“), das auf die erfolgte Ratingherabstufung nur im Rahmen der Verschuldensprüfung einging und dabei feststellte, dass die beklagte Bank durch das Down-Rating der Agentur Australian Ratings auf die seit dem Bilanzstichtag gestiegenen Risiken der Emittentin „geradezu gestoßen wurde“. 19 So Ebenroth/Koos, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 483, 506; Glöckle, Zukunftsbezogene Publizität, S. 160; Köndgen, WuB I G 9. – 1.93, 25, 28; Krämer, zitiert bei Balzer, ZBB 2004, 329, 330; Peters, Haftung und Regulierung, S. 47; van Look, in: Büschgen/Everling, 14
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bb) Die herrschende Gegenansicht im Schrifttum Die ganz herrschende Ansicht im Schrifttum lehnt eine Pflicht zur Wiedergabe von Ratings im Prospekt dagegen generell ab;20 ihr Fehlen soll folglich keine Prospekthaftung begründen.21 Zur Begründung wird angeführt, dass das Rating kein für die Wertpapiere wertbildender Faktor sei22 oder wegen des ihm innewohnenden subjektiven Elements nicht in den Prospekt aufgenommen werden müsse.23 Im Prospekt anzugeben seien vielmehr die Umstände, aufgrund derer sich die Rating-Agentur ihr negatives Bonitätsurteil gebildet hat24 bzw. auf welche sie hinweist,25 um dem Prospektadressaten damit ein eigenes Urteil zu ermöglichen.26 cc) Stellungnahme Nach vorzugswürdiger Ansicht müssen bestehende Ratings in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung im „Bond“-Verfahren im Prospekt angegeben werden, weil dieser andernfalls i.S. der §§ 21 f. WpPG (§ 44 Abs. 1 BörsG a.F.) unvollständig ist.
20 Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 530; wohl auch Graf von Westphalen, BB 1994, 85, 87; zurückhaltender Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 104: Ratingangabe kann sinnvoll erscheinen. 20 Altmeppen, DB 1993, 84 f.; Assmann, in FS Kübler (1997), S. 317, 351; ders., ZIP 2002, 637, 649; ders., in: Assmann/Schütze, § 6 Rn. 97: „darf zwischenzeitlich als geklärt gelten“; U. Ehricke, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 187, 218; Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S. 36; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 50 f.; Förster, Prospekthaftung, S. 58; Groß, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 51; Hauptmann, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 3 Rn. 75; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 111; Mülbert/Steup, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl., § 33 Rn. 39; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 310; Schwark/Zimmer/ Schwark, § 45 BörsG Rn. 36; ders., EWiR 1993, 143, 144; Siebel/Gebauer, WM 2001, 173, 185 (zumindest nicht bei unbeauftragten Ratings); Stemper, Rahmenbedingungen, S. 197; vorsichtiger Baumbach/Hopt/Hopt, § 44 BörsG Rn. 7: „jedenfalls nicht generell“. 21 Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 51; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 112; Schwark/Zimmer/Schwark, § 45 BörsG Rn. 36. 22 Förster, Prospekthaftung, S. 58; Groß, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 51; a.A. Assmann, in FS Kübler (1997), S. 317, 350 f.; Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S. 36. 23 Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S. 36. 24 Altmeppen, DB 1993, 84, 85; Assmann, in FS Kübler (1997), S. 317, 351; ders., ZIP 2002, 637, 649; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 50; Hauptmann, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 3 Rn. 75. 25 Schwark/Zimmer/Schwark, § 45 BörsG Rn. 36. 26 Altmeppen, DB 1993, 84; Assmann, in FS Kübler (1997), S. 317, 351; ders., in: Assmann/ Schütze, § 6 Rn. 97; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 50; Hauptmann, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 3 Rn. 75; Mülbert/Steup, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl., § 33 Rn. 39; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 310; Schwark/Zimmer/Schwark, § 45 BörsG Rn. 36; Siebel/Gebauer, WM 2001, 173, 185; mit Differenzierungen ebenfalls U. Ehricke, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 187, 218.
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(1) Ziel der Prospektpublizität als entscheidender Ansatzpunkt Die Prospektpflichtigkeit von Ratings erschließt sich dabei aus dem Ziel der Prospektpublizität des deutschen Rechts, welches vom BGH in st. Rspr. dahingehend umschrieben wird, dass der Prospekt den Anleger über alle Umstände, die für seine Investitionsentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten hat.27 Entscheidend ist danach, dass alle potentiell entscheidungswesentlichen Umstände anzugeben und im Prospekt als umfassendem Informationsmedium zu konzentrieren sind; der Prospekt ist mit anderen Worten als „das Publikum des Sekundärmarktes umfassend informierende Beschreibung“ zu gestalten.28 Dass existente Bonitätsbeurteilungen durch Rating-Agenturen in einem so verstandenen Prospekt enthalten sein müssen, ergibt sich aus zwei Gründen: Zum einen spricht der Informationszweck der Prospektpflicht dafür, ihre Anforderungen in einer Weise zu konkretisieren, welche die Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität der Informationsadressaten in Rechnung stellt und dabei die einschlägigen Erkenntnisse berücksichtigt, die durch die moderne informationsökonomische Forschung erzielt wurden. In die obige Formel der Rechtsprechung übersetzt bedeutet dies, dass der Prospekt den typischen Anleger tatsächlich „informieren“, sein Inhalt für diesen also rezipierbar gestaltet und codiert sein muss. Wie empirische Befunde zum Informationswert von Ratings beweisen,29 sind diese aber aufgrund ihrer Codierung für „reale“ Marktteilnehmer besser aufnehmbar als die meisten anderen Informationen. Zum anderen stellen Ratings (auch dann, wenn man der hier vertretenen Präferenz für die Berücksichtigung der tatsächlichen Informationsaufnahme- und -verarbeitung nicht folgt) aus Anlegerperspektive „wesentliche“ Informationen dar,30 weil die Mehrheit der Marktteilnehmer diese nachweisbar bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigen31 und ihre Kenntnis daher auch dann für Investitionsentscheidungen bedeutsam ist, wenn Ratings nach dem maßgeblichen Anlegerhorizont keine entscheidende Drittbeurteilung darstellen sollten. Ratings sind also als soziale Fakten des Mark27 BGH, 24.4.1978, BGHZ 71, 284, 290 f. (zum Werbeprospekt für einen geschlossenen Gastronomiefonds); BGH, 6.10.1980, BGHZ 79, 337, 344 (zum Emissionsprospekt für einen geschlossenen Immobilienfonds); BGH, 5.7.1993, BGHZ 123, 106, 109 f. (zum Emissionsprospekt für nicht börsengehandelte Aktien); BGH, 10.10.1994, NJW 1995, 130 f. (zum Emissionsprospekt für einen geschlossenen Immobilienfonds); BGH, 29.5.2000, NJW 2000, 3346 (zum Emissionsprospekt für einen Medienfonds); BGH, 19.7.2004, BGHZ 160, 134, 138 („Infomatec“); BGH, 14.6.2007, NZG 2007, 663 (Prospekt eines Filmfonds); aus der Literatur ebenso Assmann, in: Assmann/Schütze, § 6 Rn. 87. 28 So die Kurzformel in BGH, 19.7.2004, BGHZ 160, 134, 138 („Infomatec“). 29 Siehe bereits oben § 5 II, IV. 30 So (jeweils zur Rolle von Ratings in der Anlageberatung) OLG Nürnberg, 19.12.2001, ZIP 2002, 611, 613 („Daewoo-DM-Anleihe“); OLG Schleswig, 20.9.2007, OLGR Schleswig 2008, 783 Rn. 69 („Argentinien-Anleihen“); Roth, in: Assmann/Schütze, § 11 Rn. 71; van Look, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 529. A.A. Groß, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 51. 31 Zu den diesbezüglichen empirischen Nachweise wiederum § 5 II.
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tes32 schlichtweg deshalb entscheidungserheblich, weil sie (anders als viele sonstige Werturteile) aufgrund ihrer Beachtung durch andere Marktteilnehmer sowie ihrer Relevanz für kursbeeinflussende regulatorische Vorgaben (vor allem Anlagevorschriften33) die Preisbildung des Wertpapiers wesentlich mitbestimmen. Damit steht zugleich fest, dass die Angabe der Umstände, aufgrund derer sich die Rating-Agentur ihr Bonitätsurteil gebildet hat, die Ratingangabe im Prospekt – entgegen der h.M. im Schrifttum34 – nicht ersetzen kann: Dies gilt zunächst deshalb, weil eine Ratingeinstufung regelmäßig auf einer Vielzahl von Faktoren beruht, deren Relevanz für die Bonität eines Wertpapiers oder eines Emittenten durch einen durchschnittlichen Anleger typischerweise nicht eingeschätzt werden kann, während ihm die Aufnahme und Verarbeitung des Ratings einer Rating-Agentur unschwer möglich ist – der Prospektadressat würde also nicht gleichermaßen informiert. Der Ansatz der h.M. erscheint aber ebenso zweifelhaft, soweit es um die Bedeutung des Ratings für die Preisbildung geht: Die Mehrheit der Marktteilnehmer wie auch ratingbasierte rechtliche Regelungen stellen eben nicht auf die Gesamtheit emittentenbezogener Umstände ab, sondern auf deren Bewertung gerade durch die Rating-Agenturen.35 Schließlich spricht gegen die Prospektpflichtigkeit von der Rating-Agentur zugrunde gelegter Emittenteninformationen, dass damit ein wichtiger Aspekt der Informationsintermediärsrolle der Rating-Agenturen am Kapitalmarkt ausgehebelt würde: Den Emittenten erlaubt die vertrauliche Kommunikation mit den Rating-Agenturen, die Märkte mittels der resultierenden Ratingeinstufung über kursrelevante Entwicklungen aus der Unternehmenssphäre zu informieren, die selbst nicht offen gelegt werden sollen.36 Eine solche vertrauliche Intermediärsfunktion der Rating-Agenturen, die aus ökonomischer Perspektive als sinnvoll gilt37 und die das Recht durch bestimmte Privilegien absichert und sogar fördert,38 würde unmöglich, wenn der Emittent seinerseits aus Gründen der Prospektpublizität zur Offenlegung jener Umstände verpflichtet wäre.
(2) Inhalt und Grenzen der ratingbezogenen Prospektpublizität Mit der Annahme einer Publizitätspflicht ist noch nicht geklärt, wie der Kreis der im Prospekt wiederzugebenden Ratings abzugrenzen ist.39 Entscheidend muss 32 So aus sozialwissenschaftlicher Sicht Sinclair, The New Masters of Capital, S. 178: „The rules of thumb the rating agencies provide become social facts of the market that even the most highly skilled must take into account.“ 33 Vgl. dazu § 7 I (Banken), § 12 II (Fonds) und zusammenfassend § 17 I 3 a) aa). 34 Siehe oben II 1 a) bb). 35 Das U.S.-amerikanische Prospektrecht erkennt diesen Umstand bei bonitätsstarken Wertpapieren ausdrücklich an und nahm daher (bis zu seiner Neugestaltung im Jahre 2011) die Prospektpflicht zurück, sofern ein „investment grade“-Rating vorlag; vgl. dazu noch unten III 2 a) cc) zu Form S–3 zum Securities Act of 1933. 36 Siehe oben § 5 III 1 a) cc) (1). 37 Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2002; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 419. 38 Siehe § 11 III. 39 Hopt/Voigt, in: dies., Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 9, 41: „problematisch“.
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auch hier die Einordnung als aus Anlegerperspektive „wesentliche“ Information sein: Dies heißt zum einen, dass die Prospektpflichtigkeit nicht von der Ratinghöhe abhängen kann und daher nicht etwa nur (wie auch immer definierte) „negative“ Ratings in den Prospekt aufzunehmen sind,40 weil die Ratingeinstufung nach heutiger Marktüblichkeit durchgehend zu Beurteilung der Angemessenheit der Anleihenverzinsung und -bepreisung verwandt wird – die Bedeutung eines Ratings entsteht also nicht erst dann, wenn es potentielle Investoren von einer Anlage abzuhalten geeignet ist, zumal diese Einschätzung von der individuellen Risikopräferenz des jeweiligen Investors abhängt. Es ist folglich jedes vorhandene, durch Rating-Agenturen (zu deren Abgrenzung sogleich) erstellte Rating der zu begebenden Emission, des Emittenten und des etwaigen Garanten41 im Prospekt zu nennen, weil andernfalls ein prospektbezogenes „rating shopping“ ermöglicht würde42 und der Prospekt bei lediglich selektiver Ratingnennung unvollständig und unrichtig wäre.43 Auch unbeauftragte Ratings sind daher anzugeben.44 Für die Abgrenzung der Rating-Agenturen, deren Ratings in den Prospekt aufzunehmen sind, ist wiederum deren Bedeutung aus der Perspektive des typisierten Anlegers maßgeblich. Dieser Frage scheint in Anbetracht des bestehenden Oligopols auf dem globalen Ratingmarkt45 auf den ersten Blick kaum Streitpotential innezuwohnen; sie hat in Deutschland jedoch deshalb Aufmerksamkeit erfahren, weil es im „Bond“-Verfahren um ein Rating einer damals am deutschen Kapitalmarkt kaum bekannten Rating-Agentur (nämlich der australischen Agentur Australian Ratings) ging.
Aufgrund ihrer empirisch nachweisbaren Beachtung durch die Investoren am deutschen Kapitalmarkt46 sind jedenfalls die Ratings der drei großen internationalen Rating-Agenturen (Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch) i.S. der §§ 21 f.
40
A.A. Glöckle, Zukunftsbezogene Publizität, S. 162: Pflicht zur Aufnahme eines „positiven“ Ratings freiwillig – eine Verpflichtung zur Aufnahme in den Prospekt bestehe nur, sofern andernfalls ein unzutreffender Gesamteindruck entstehe. 41 So in LG Frankfurt a.M., 6.10.1992, NJW-RR 1993, 502 ff. und OLG Frankfurt a.M., 1.2.1994, NJW-RR 1994, 946 ff. („Bond-DM-Anleihe“). 42 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 128. 43 Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S. 36 f.; Groß, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 51 Fn. 189; Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 166; Just/Voß/Ritz/Zeising/Pankoke, §§ 44 BörsG, 13 VerkProspG Rn. 50; Mülbert/Steup, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl., § 33 Rn. 39. 44 Angesichts der Bedeutung des Ratings für den Kapitalmarktzugang (s. § 8) liegt die Annahme nahe, dass Emittenten den Markt auf unbeauftragte Ratings hin im Blick behalten. Eine empirische Erhebung unter U.S.-amerikanischen Emittenten ergab, dass nicht weniger als 76% der befragten Unternehmen dies auch tatsächlich tun; vgl. Baker/Mansi, 29 J. Bus. Fin. & Acct. (2002), 1367, 1382. 45 Siehe § 20 II, III. 46 Siehe § 5 I.
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WpPG (§ 44 BörsG a.F.) prospektpflichtig,47 daneben aber auch Ratings sonstiger ausländischer Rating-Agenturen, sofern deren Einschätzung als mit den örtlichen Verhältnissen des ebenfalls ausländischen Emittenten oder Garanten vertrauter „Agentur vor Ort“ aus Sicht des Anlegers Bedeutung zukommt.48 Die Ratings dieser Rating-Agenturen müssen die Prospektverantwortlichen kennen und ggfs. ermitteln; im Schrifttum angeführte Kostengesichtspunkte49 spielen vor diesem Hintergrund ebenso wenig eine Rolle wie sonstiger Aufwand bei der Beschaffung dieser Informationen, weil beides in den Emissionskurs eingepreist werden kann.50 Die Prospektpflicht bezieht sich allerdings nur auf vorliegende Ratings und verpflichtet daher Emittent und Prospektverantwortliche nicht, (weitere) Ratings in Auftrag zu geben;51 auch muss auf das etwaige Fehlen von Ratings im Prospekt wohl nicht gesondert hingewiesen werden.52 Schwierigkeiten wirft schließlich die Frage auf, ob der Grundsatz der Prospektvollständigkeit auch eine Erläuterung der Ratingeinstufungen im Prospekt erfordert. In der Rechtsprechung ist dies ohne nähere Begründung angenommen worden.53 Richtigerweise wird man auf den Anlegerhorizont abzustellen haben, an den sich die Prospektpublizität nach Maßgabe der §§ 21 f. WpPG richtet: Geht man mit der bekannten Formel des Bundesgerichtshofes in der „Betonund Monierbau“-Entscheidung54 insoweit aus von einem „durchschnittlichen Anleger, der zwar eine Bilanz zu lesen versteht“,55 aber „nicht unbedingt mit der in eingeweihten Kreisen gebräuchlichen Schlüsselsprache vertraut zu sein braucht“, so sollte eine Erläuterung der Ratingskalen der drei großen RatingAgenturen im Prospekt nicht erforderlich sein, weil diese heute als am Kapitalmarkt allgemein bekannt oder zumindest leicht zugänglich gelten können.56 Geht es hingegen um Ratingeinstufungen durch weniger bekannte Rating-Agenturen, so kann deren Erläuterung notwendig sein. 47 Ähnlich Glöckle, Zukunftsbezogene Publizität, S. 162 für „seriöse und marktführende“ Rating-Agenturen, der hierzu im Jahre 1996 (ohne nähere Begründung) zwar Standard & Poor’s, Moody’s und die – damals noch bestehende, aber mittlerweile mit Fitch fusionierte – IBCA zählte, nicht aber Fitch. 48 LG Frankfurt a.M., 6.10.1992, NJW-RR 1993, 502, 504 („Bond-DM-Anleihe“); Graf von Westphalen, BB 1994, 85, 87; a.A. Schwark, EWiR 1993, 143, 144. 49 So Hartung, EWiR 1991, 1059, 1060. 50 LG Frankfurt a.M., 6.10.1992, NJW-RR 1993, 502, 504 („Bond-DM-Anleihe“); Arendts, WM 1993, 229, 233; ders., in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 294; Graf von Westphalen, BB 1994, 85, 87. 51 LG Itzehoe, 26.2.1992, WM 1993, 205, 207 („Bond-DM-Anleihe“); Eyles, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 2 Rn. 49 Fn. 119. 52 Demgegenüber wird im deutschen Recht der Anlageberatung eine Pflicht des Anlageberaters zum Hinweis auf das Fehlen eines Ratings überwiegend bejaht; siehe dazu noch § 15 III 2. 53 LG Frankfurt a.M., 6.10.1992, NJW-RR 1993, 502, 504 („Bond-DM-Anleihe“) für das Fehlen einer „verständlichen Erläuterung der Klassifizierungsschlüssel“. 54 BGH, 12.7.1982, NJW 1982, 2823, 2824 („Beton- und Monierbau AG“). 55 Zur berechtigten Kritik an dem Merkmal der Bilanzfestigkeit siehe noch § 18. 56 Bei der Anlageberatung, die an den Verständnishorizont des konkreten Kunden angepasst sein muss, wird dagegen im Rechtsvergleich einheitlich eine Pflicht zur Erläuterung der Ratingskalen für möglich gehalten; vgl. dazu noch § 15 III 1 c).
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b) Ratingspezifische Anforderungen nach der EG-ProspektVO Seit dem Inkrafttreten der EG-Prospektrichtlinie am 1. Juli 2005 werden die nationalen Prospektrechte der EU-Staaten allerdings teilweise durch deren Vorgaben zum Prospektinhalt sowie die dazugehörigen Durchführungsbestimmungen der EG-ProspektVO überlagert. Letztere gehen – wie § 7 WpPG deklaratorisch57 bestätigt – nationalen Rechtsvorschriften wie auch Richterrecht vor, soweit es sich um Prospekte für Wertpapiere handelt, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen.58 Die EG-ProspektVO enthält dabei eigene Bestimmungen zu Ratingangaben im Prospekt. aa) Verhältnis von EG-ProspektVO und deutschem Prospekthaftungsrecht (§§ 21 ff. WpPG) Wie sich aus Art. 7 EG-Prospektrichtlinie ergibt, statuiert das Unionsrecht jedoch nur Mindestvorgaben an den Prospektinhalt.59 Ausweislich § 5 WpPG können daher auch weiterhin strengere Anforderungen des nationalen Rechts zur Anwendung gelangen, sofern erst diese „dem Publikum“ ein zutreffendes Urteil über das Wertpapier und den Emittenten ermöglichen,60 während weniger strenge Inhaltsregelungen durch das gemeinschaftsrechtliche Prospektregime verdrängt werden dürften.61 Ein weiteres Einfalltor für nationale Anforderungen an den Prospektinhalt bietet das Prospekthaftungsrecht, dessen Voraussetzungen das EU-Recht bislang der Regelung durch die Mitgliedstaaten überlässt;62 diese können daher im Einzelfall weitergehende Angaben als die EG-ProspektVO verlangen, damit der Prospekt auch im haftungsrechtlichen Sinne als vollständig angesehen wird.63 Die oben beschriebenen Vorgaben der §§ 21 f. WpPG64 behalten nach alledem weiterhin Relevanz,65 sofern das Recht der EU in concreto nicht über diese hinausgeht.
57
Groß, Kapitalmarktrecht, § 7 WpPG Rn. 1; Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2008, § 7 WpPG Rn. 1; Holzborn/Holzborn, § 7 WpPG Rn. 1. 58 Nur solche werden durch EU-Prospektrecht und WpPG erfasst; vgl. Art. 1 Abs. 1 EGProspektrichtlinie und § 1 Abs. 1 WpPG. 59 Groß, Kapitalmarktrecht, § 7 WpPG Rn. 2. 60 Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2008, § 7 WpPG Rn. 5; Holzborn/Holzborn, § 5 WpPG Rn. 8. Art. 3 Unterabs. 3 EG-ProspektVO gestattet das Verlangen zusätzlicher Informationen dabei allerdings nur „im Einzelfall“. 61 A.A. Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 14 Rn. 39; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.202. 62 Art. 6 EG-Prospektrichtlinie. 63 Berrar u.a./Meyer, § 5 WpPG Rn. 11; Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rn. 19; Holzborn/Holzborn, § 7 WpPG Rn. 4; Langenbucher, Aktienund Kapitalmarktrecht, § 14 Rn. 39. 64 Oben a). 65 Für Identität der Anforderung des § 44 BörsG a.F. einerseits und des WpPG andererseits Berrar u.a./Meyer, § 5 WpPG Rn. 5.
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bb) Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten nach der EG-ProspektVO Die EG-ProspektVO schreibt allerdings gleich in mehrerer Hinsicht die Wiedergabe von Ratings im Prospekt vor: Zum einen verlangt sie in Wertpapierbeschreibungen für Schuldtitel66 mit einer Mindeststückelung von 100 000 € (sog. Wholesale-Prospekten67) die „Angabe der Kreditratings, die einem Emittenten oder seinen Schuldtiteln auf Anfrage des Emittenten oder in Zusammenarbeit mit dem Emittenten beim Ratingverfahren zugewiesen wurden.“68 Eine Angabe des Ratings wird sodann wortgleich auch für Schuldtitel mit einer Stückelung von weniger als 100 000 € (d.h. in sog. Retail-Prospekten) verlangt,69 wobei in diesem Fall zusätzlich eine „[k]urze Erläuterung der Bedeutung der Ratings, wenn sie erst unlängst von der Ratingagentur erstellt wurden“ vorgeschrieben ist. Die damit nur in Retail-Prospekten verlangte Ratingerläuterung spiegelt die allgemeine Tendenz der EG-ProspektVO wieder, Schuldtitel mit einer Stückelung von weniger als 100 000 € strengeren Publizitätsanforderungen zu unterwerfen, weil diese häufig von nicht qualifizierten und daher schutzwürdigeren Anlegern erworben werden70 – nicht recht einleuchten will freilich, warum nur „unlängst erstellte“ Ratings erläutert werden müssen, dürfte das Verständnis der Ratingbedeutung doch kaum durch schlichten Zeitablauf zunehmen. Angabepflichtig sind nach europäischem Recht – anders als nach §§ 21 f. WpPG71 – jedenfalls allein beauftragte Ratings, weil der Emittent nicht gezwungen sein soll, den Markt ständig mit Blick auf unbeauftragte Ratingeinstufungen im Blick zu behalten.72
Im Rahmen der emittentenbezogenen Markteintrittspublizität, welche die EGProspektVO durch sog. „Registrierungsformulare“ zu erreichen sucht, die neben die emissionsbezogenen „Wertpapierbeschreibungen“ treten, schreibt die EGProspektVO eine Ratingangabe dagegen nicht ausdrücklich vor, lässt diese aber (nach freilich umstrittener Ansicht) zur Offenlegung des Kreditrisikos genügen: So unterliegen etwa Banken zwar geringeren Anforderungen an den Inhalt des Registrierungsformulars,73 weil sie bereits einer staatlichen Solvenzaufsicht sowie 66 Gemeint sind damit im Wesentlichen „traditionelle“ Anleihen (vgl. Just/Voß/Ritz/Zeising/ Zeising, Anh. V EU-ProspektVO Rn. 1: nach deutschem Recht Inhaberschuldverschreibungen i.S.d. §§ 793 ff. BGB), während „strukturierte“ Finanzinstrumente zum Teil unter einen anderen Anhang zur EG-ProspektVO fallen; vgl. dazu näher § 10 III 1 d). 67 Müller/Oulds, WM 2007, 573, 574. Bis zur Änderung der EG-Prospektrichtlinie im Jahre 2010 lag die Schwelle bei 50 000 €. 68 Art. 16 Abs. 1 EG-ProspektVO i.V.m. Anhang XIII, Tz. 7.5. Da bei einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren mit einer Mindeststücklung von € 100 000 gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 WpPG gar keine Prospektpflicht besteht, müssen Wholesale-Prospekte nur für die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt erstellt werden; Just/Voß/Ritz/Zeising/Zeising, Anh. V EU-ProspektVO Rn. 3. 69 Art. 8 Abs. 1 EG-ProspektVO i.V.m. Anhang V, Tz. 7.5. 70 Holzborn/Glismann, Anh. V EU-ProspV Rn. 1. 71 Siehe oben II 1 a) cc). 72 Holzborn/Glismann, Anh. V EU-ProspV Rn. 33. 73 Vgl. Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Anhang XI EG-ProspektVO.
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Anforderungen an ihre Eigenkapitalausstattung unterliegen74 (die seit „Basel II“ ihrerseits ratingbezogen ausgestaltet sind75). Vorgeschrieben ist ihnen jedoch allgemein die „vorrangige Offenlegung von Risikofaktoren, die die Fähigkeiten des Emittenten beeinträchtigen, seinen Verpflichtungen im Rahmen der Wertpapiere gegenüber den Anlegern nachzukommen“,76 die, soweit es um die Beschreibung des Solvenzrisikos geht, nach einer Ansicht auch durch Nennung des Emittentenratings der Bank soll erfolgen können,77 während die Gegenansicht dabei eine Relativierung der Risikodarstellung befürchtet.78 Letztere Ansicht verkennt, dass erst die verständliche Codierung der Bonitätsrisikoinformation, die ein Rating bietet, eine tatsächliche Aufnahme dieser Risikoangabe durch Prospektadressaten ermöglichen dürfte79 – freilich mit der Gefahr, dass das Rating als umfassende Risikobewertung missverstanden wird.80 Einigkeit besteht im Schrifttum darüber, dass bei einer Ratingnennung darauf hingewiesen werden muss, dass Ratings selbst keine Empfehlungen darstellen und die Rating-Agenturen das jeweilige Rating ändern können, was oft wiederum Auswirkungen auf den Marktpreis der Wertpapiere hat81 – eine Erläuterung, die ganz ähnlich auch im U.S.-amerikanischen Prospektrecht empfohlen wird.82 Schließlich verlangt das europäische Prospektrecht auch bei der Darstellung von Risikofaktoren, die bei Emissionen der öffentlichen Hand erfolgen,83 nicht ausdrücklich die Angabe des Sovereign Ratings, jedoch wird dieses in der Praxis üblicherweise in den Prospekt aufgenommen.84 Enthält ein Prospekt einen Verweis auf ein Rating, so muss er nach einer systematisch unglücklich in der EG-RatingVO platzierten Vorgabe zudem klare und unmissverständliche Informationen darüber enthalten, ob dieses Rating von einer in der EU ansässigen und nach der EG-RatingVO registrierten Rating-Agentur stammt85 (oder – wie im praktischen Regelfall – von einer der großen U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen86). 74 Holzborn/Wagner, Art. 14 EU-ProspV Rn. 2; Just/Voß/Ritz/Zeising/Fingerhut/Voß, Anh. XI EU-ProspektVO Rn. 7. 75 Siehe dazu schon § 6 III. 76 Anhang XI EG-ProspektVO, Tz. 3. 77 Holzborn/Wagner, Anh. XI EU-ProspV Rn. 3. 78 „Sehr kritisch“ daher Just/Voß/Ritz/Zeising/Fingerhut/Voß, Anh. XI EU-ProspektVO Rn. 15. 79 Siehe oben § 5 IV. 80 Siehe hierzu unten § 17 III 1. 81 Holzborn/Wagner, Anh. XI EU-ProspV Rn. 3; Just/Voß/Ritz/Zeising/Fingerhut/Voß, Anh. XI EU-ProspektVO Rn. 15. 82 Siehe unten II 3 c) aa). 83 Art. 19 Abs. 1 i.V.m. Anhang XVI, Tz. 2 EG-ProspektVO zum Registrierungsformular für „Wertpapiere, die von Mitgliedstaaten, Drittstaaten und ihren regionalen und lokalen Gebietskörperschaften ausgegeben werden“. 84 Holzborn/Schmitz, Anh. XVI EU-ProspV Rn. 13: „damit der Anleger einen Messwert der Ausfallwahrscheinlichkeit erhält“. 85 Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 EG-RatingVO, zuletzt geändert durch ÄnderungsVO Nr. 462/ 2013 zur EG-RatingVO. 86 Dass die Aufnahme solcher Ratings in Prospekte nach EU-Prospektrecht zulässig bleibt, stellt Erwägungsgrund 5 zur EG-RatingVO klar.
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c) Zwischenergebnis: Ratings und Prospektpflicht im unionsrechtlich harmonisierten deutschen Recht Im Ergebnis schreibt die EG-ProspektVO mithin weitgehende Ratingangaben im Prospekt vor und nimmt damit eine Position ein, die entscheidend von der bislang herrschenden Auffassung zum autonomen deutschen Prospektrecht87 abweicht, während sie gegenüber der hier vertretenen Auslegung des Vollständigkeitserfordernisses der §§ 21 f. WpPG (§ 44 BörsG a.F.)88 keine Verschärfung bedeutet. Das europäisch harmonisierte Prospektrecht verankert Ratings somit als zentralen Bestandteil der gesetzlich sanktionierten Markteintrittspublizität und betont auf diese Weise zugleich den Anspruch, den Prospekt als zentrale Informationsquelle des Primärmarktes zu erhalten.
2. Schweizerisches Prospektrecht Im Gegensatz zur EU kennt die Schweiz bis heute kein einheitliches Prospektrecht, sondern unterscheidet zwischen Emissionsprospekten, die für das öffentliche Angebot von Anleihen vorgeschrieben sind, und Kotierungsprospekten zum Zweck der Börsenzulassung (in schweizerischer Diktion bezeichnet als „Kotierung“).89 Beide Prospekttypen unterliegen dabei unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen. Zusätzlich kompliziert wird das System des schweizerischen Prospektrechts dadurch, dass neben dem (Bundes-)Gesetzgeber in Gestalt der Schweizerischen Bankiervereinigung und der Schweizer Börse (SIX Swiss Exchange) noch zwei private Regelsetzer im Wege der Selbstregulierung, die in der Schweiz traditionell eine große Rolle spielt,90 einschlägige Vorgaben geschaffen haben. a) Pflicht zur Angabe von Ratings in Emissionsprospekten aa) Selbstregulierung durch die Schweizerische Bankiervereinigung Die historisch älteste und lange Zeit einzige ratingspezifische Prospektregelung in der Schweiz91 wurde durch die Konvention XIX der Schweizerischen Bankier-
87 Siehe zum Meinungsstand zu §§ 21 f. WpPG (§ 44 BörsG a.F.) bereits oben I 1 a) bb). Nur vereinzelt war Entsprechendes im Schrifttum bereits zu §§ 13, 29 BörsZulV a.F. vertreten worden; so durch Gebhardt, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 1/2006, § 13 a.F. BörszulV Rn. 5; vorsichtig auch Arendts, WM 1993, 229, 237. 88 Siehe unter I 1 a) cc). 89 Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 2. 90 Vgl. zum Prinzip der Selbstregulierung in der Schweiz Rimle, Recht d. schw. Finanzmarktes, 6. Kap. Rn. 29; Ruffner, Gesteuerte Selbstregulierung, S. 7, 10 f.; zu den Vorteilen Keist/Morard/ Maurhofer, ST 2006, 39. 91 Seit 2007 besteht allerdings eine weitere ratingspezifische Prospektpflicht für strukturierte Finanzprodukte; vgl. dazu § 10 III 1 a).
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
vereinigung über Notes ausländischer Schuldner vom 1. Mai 198792 eingeführt. Dieses Regelwerk schuf Informationspflichten bei sog. Notes-Finanzierungen, d.h. Emissionen, welche durch die Syndikatsbanken bei ihrer Anlagekundschaft direkt platziert wurden, nicht zur Kotierung vorgesehen waren und in Stückelungen von 50 000 CHF und mehr ausgegeben wurden.93 Mit Notes ausländischer Emittenten betraf es einen Wertpapiertyp, dem am schweizerischen Kapitalmarkt eine überragende Bedeutung zukam,94 während etwa Notes inländischer Schuldner von vergleichsweise geringer Relevanz waren.95 (Diese Situation hat sich bis heute im Übrigen kaum geändert.96) Gleichzeitig war die gesetzliche Publizität im Bereich der Notes-Emissionen nur ganz unzureichend entwickelt, weil diese üblicherweise bei institutionellen Investoren privat platziert wurden und daher ohne Prospekt begeben werden konnten;97 sie unterfielen zudem keiner Börsenpublizität, da sie nach ihrer Markteinführung nur außerbörslich gehandelt wurden.98 Nachdem Notes immer ausgedehnteren Anlegerkreisen angeboten wurden und dadurch in die Nähe „öffentlich angebotener“ Wertpapiere gerieten,99 stellte die Eidgenössische Bankenkommission (als Vorgängerin der heutigen FINMA) schließlich eine Regulierung von Notes-Emissionen in Aussicht; die Selbstregulierung durch die Schweizerische Bankiervereinigung erfolgte daher nicht zuletzt mit dem Ziel, eine aufsichtsbehördliche Regulierung zu vermeiden.100 Die vor diesem Hintergrund erlassene Konvention XIX schrieb sodann auch bei Privatplatzierung von Notes ausländischer Schuldner die Erstellung eines Emissionsprospekts vor101 und machte Vorgaben zu dessen Inhalt, die ausdrücklich über die nach gesetzlichem Prospektrecht vorgeschriebenen Angaben102 hinausgingen.103 Art. 3 Abs. 2 lit. e Konvention XIX forderte dabei den „Hinweis auf allenfalls bestehende Qualitätszeichen (= Ratings) international anerkannter 92 Der Text der Konvention XIX ist abgedruckt bei Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 229 ff. und bei Taisch, Privatplacierungen (im Anhang). Er wurde am 31. Januar 1996 in bestimmten Punkten geändert, ohne dass die hier interessierenden Bestimmungen davon betroffen waren. 93 So die Definition in Art. 1 Abs. 1 Konvention XIX. 94 Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 113 spricht von einer „gewaltigen Bedeutung“. 95 Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 116: Notes ausländischer Schuldner kam 1987 ein Anteil von 38,5% am Gesamtemissionsvolumen des Marktes in Schweizerfrankenanleihen zu; Taisch, Privatplacierungen, S. 47. 96 Vgl. Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1006 Fn. 33. 97 Merz, SAG 59 (1987), 137, 139; Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 114. 98 Merz, SAG 59 (1987), 137, 139. 99 Erb, Prospekt, S. 26 f.; Merz/de Beer, SAG 59 (1987), 137. 100 Camenzind, Prospektzwang, S. 73; zu den vorangegangenen Bemühungen um einen effektiveren Anlegerschutz bei Notes-Emissionen vgl. Erb, Prospekt, S. 26 ff. 101 Art. 2 Konvention XIX. Vgl. Camenzind, Prospektzwang, S. 76 f. 102 Siehe zu diesen noch unter bb). 103 de Beer, SAG 59 (1987), 143, 144. Die Anforderungen des Art. 1156 OR stellen unstr. nur einen Mindeststandard dar; Ziegler, in Berner Komm., Art. 1156 OR Rn. 5.
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Ratinginstitute von Mittelaufnahmen (Eigen- und Fremdmittel) von Schuldner und Bürgen oder Garanten“. Die Bestimmung zeigte damit in Anbetracht des Inkrafttretens des Regelwerks im Jahre 1987 einen bemerkenswert modernen Regelungsansatz und griff in Gestalt von Ratings auf Kapitalmarktinformationen zurück, die in den Heimatstaaten mancher ausländischer Emittenten – vor allem solcher aus den U.S.A. – zu diesem Zeitpunkt bereits zum Standard gehörten, während sie in der Schweiz selbst noch unüblich waren. Die Konvention XIX verlangte dabei lediglich die Offenlegung solcher Bonitätseinstufungen, die ohnehin vorhanden waren,104 ohne selbst zur Beauftragung von Rating-Agenturen zu zwingen. Nicht sogleich deutlich ist, was die Regelung mit dem Rating von „Eigenmitteln“ genau in den Blick nehmen wollte, weil Eigenkapitaltitel (vor allem Aktien) eben typischerweise nicht geratet werden105 – sofern man unterstellt, dass es sich nicht um ein Missverständnis der Regelverfasser handelte, könnte allenfalls ein Rating von Vorzugsaktien (preferred stocks) gemeint gewesen sein, das auf dem U.S.-amerikanischen Kapitalmarkt vorkommt106 und schon damals vorkam. Die so geschaffene ratingspezifische Prospektpflicht wurzelte nicht in einem staatlichen Gesetz, sondern in einem Regelwerk der Schweizerischen Bankiervereinigung und damit einem Akt privater Regelsetzung. Die Konvention XIX war eine schlichte privatrechtliche Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Bankiersvereinbarung und den einzelnen Emissionsinstituten,107 die daher nur die der Bankiersvereinigung angehörenden Banken und Finanzhäuser band, aber keine direkte Außenwirkung besaß.108 Obgleich ihre Befolgung damit auf freiwilliger Selbstbindung beruhte109 und nicht durch direkte staatliche Sanktionen erzwungen werden konnte,110 dürften ein „gewisser Verbandszwang“111 verbunden mit dem Bestreben der Banken, eine drohende behördliche Regulierung zu vermeiden,112 ihre Einhaltung im Ergebnis ebenso effektiv sichergestellt haben wie staatlicher Zwang.113 Die Konvention XIX wurde zum 1. September 2001 sodann durch die Richtlinie der Schweizerischen Bankiervereinigung zu Notes ausländischer Schuldner 104
Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1017. Siehe dazu bereits oben § 2 III 2 c). 106 Siehe näher § 2 III 2 c). 107 Camenzind, Prospektzwang, S. 73. 108 Rohr, Emissionsrecht, S. 201; Watter, AJP 1992, 48, 52; ebenso zur Nachfolgeregelung (dazu sogleich im Text) Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1006. 109 Hopt/Voigt, in: dies., Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 9, 41; Kowalewski, in: Hopt/Voigt, a.a.O., S. 999, 1006. 110 Kritisch Rohr, Emissionsrecht, S. 233. 111 So Merz, SAG 59 (1987), 137, 142. 112 Camenzind, Prospektzwang, S. 74. 113 de Beer, SAG 59 (1987), 143, 144 sah sogar eine Prospekthaftung nach Art. 1156 Abs. 3 OR eröffnet – dies erscheint zweifelhaft, weil eine solche Haftung einen Verstoß gegen „gesetzliche“ Erfordernisse voraussetzt, die durch einen Akt der Selbstregulierung eben nicht begründet werden. 105
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ersetzt.114 Diese Richtlinie regelt ebenfalls Notes-Finanzierungen, definiert diesen Begriff nunmehr aber etwas anders, indem sie nur nach schweizerischem Recht begebene Emissionen, diese aber bereits ab einer Mindeststückelung von CHF 10 000 erfasst (und auf das Merkmal der nicht geplanten Kotierung ebenfalls verzichtet).115 Die ratingspezifische Prospektpflicht wurde in Art. 3 Abs. 2 lit. e der Richtlinie wortgleich aus der Vorgängernorm übernommen und gilt damit unverändert im Rang einer Selbstregulierung fort. bb) Gesetzliche Prospektpflicht (Art. 1156 i.V.m. Art. 652a OR) Die gesetzliche Prospektpflicht für Anleihensobligationen, die öffentlich zur Zeichnung aufgelegt oder an der Börse eingeführt werden, sind in Art. 1156 i.V.m. Art. 652a OR geregelt; daneben tritt die Regelung der Prospekthaftung in Art. 752 OR.116 Diese Bestimmungen beziehen sich nur auf öffentliche Emissionen,117 sind in ihrem Anwendungsbereich im Übrigen aber weiter gefasst als die soeben beschriebene Richtlinie der Bankiervereinigung, weil sie neben Notes auch andere Arten von Anleihensobligationen118 und vor allem nicht nur Finanztitel ausländischer, sondern auch Schweizer Emittenten erfassen.119 In inhaltlicher Hinsicht normiert Art. 1156 Abs. 2 i.V.m. Art. 652a OR allerdings nur geringe Mindestanforderungen an den Prospektinhalt,120 die einem modernen Verständnis von Publizität und Anlegerschutz kaum gerecht werden121 und nach Urteil eines Schweizer Autors im internationalen Vergleich „höchstens Heiterkeit auslösen“.122 Eine Ratingwiedergabe wird nach dem Wortlaut der Vorschriften jedenfalls nicht gefordert.123 Ob den Bestimmungen des OR gleichwohl implizit eine gesetzliche Pflicht zur Angabe von Ratings in Emissionsprospekten entnommen werden kann, ist im schweizerischen Schrifttum höchst umstritten. Die betreffende Diskussion setzt vor allem bei Art. 752 OR an, der (nicht unähnlich § 21 Abs. 1 WpPG in 114
Art. 7 Richtlinie. Art. 1 Abs. 1 Richtlinie. 116 Zum Verhältnis des Art. 752 OR zum ebenfalls die Prospekthaftung ansprechenden Art. 1156 Abs. 3 OR vgl. § 30 II 2. 117 Zur Abgrenzung vgl. Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 8; Zindel/Isler, in Basler Komm., Art. 652a OR Rn. 2 ff. 118 Vgl. Rimle, Recht d. schw. Finanzmarktes, 8. Kap. Rn. 25; Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 2 ff. 119 Merz, SAG 59 (1987), 137, 140; Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 15; Ziegler, in Berner Komm., Art. 1156 OR Rn. 11, 30; Zobl/Arpagaus, SZW/RSDA 1995, 244, 253. 120 Bösch, in: Baums/Cahn, Schuldverschreibungsrecht, S. 189, 196: „sehr bescheiden“: Huber/ Hodel/Staub Gierow, Art. 32 KR Rn. 5; Rayroux/Aeschimann, SWZ/RSDA 1993, 222, 224; Weber/Kronauer/Huber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 44 Rn. 86. 121 Daeniker/Waller, Informationspflichten, S. 55, 59; Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 19. Vgl. schon in den 1950er Jahren Ziegler, in Berner Komm., Art. 1156 OR Rn. 8: „Es springt in die Augen, dass diese Ordnung unzulänglich ist …“. 122 Watter, AJP 1997, 269, 280. 123 Kritisch deshalb Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 20. 115
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Deutschland) die allgemeinen Maßstäbe der Prospektrichtigkeit und -vollständigkeit normiert; sie wurde u.a. vom „Bond“-Urteil des LG Frankfurt a.M. beeinflusst, das auch in der Schweiz Aufmerksamkeit fand.124 Eine starke Meinungsgruppe verneint eine Pflicht zur Ratingangabe,125 wobei wohl vor allem eine Rolle spielt, dass der Gesetzeswortlaut Ratings nicht als Pflichtinhalt nennt. Daneben wird eine Angabe von Ratings im Prospekt für überflüssig gehalten, weil die Rating-Agenturen ihre Bewertungen ohnehin für jedermann zugänglich publizieren; zudem meint man, dass vor einer entsprechenden Publizitätspflicht die Qualität der Rating-Agenturen sichergestellt werden müsse.126 Viele Anhänger dieser Meinung sprechen sich allerdings de lege ferenda für die Einführung einer Publizitätspflicht für Ratings aus.127 Die zahlenmäßig geringfügig stärkere Gegenansicht geht demgegenüber bereits heute von einer Pflicht zur Angabe vorhandener Ratings aus, weil der Prospekt andernfalls i.S. des Art. 752 OR unvollständig sei.128 Zur Begründung verweist man auf den Umstand, dass Ratings eine wichtige Grundlage für die Anlageentscheidung der Investoren darstellen,129 und argumentiert, der Stellenwert eines Ratings solle der Einschätzung durch die Marktteilnehmer überlassen werden130 (Letzteres trifft in der Sache zwar zu, erklärt aber kaum, warum eine gesetzliche Pflicht zur Ratingpublikation bestehen soll). Richtigerweise ergibt sich die Pflicht zur Nennung von Ratings im Emissionsprospekt aus dem Telos der Prospektpublizität, der auch im schweizerischen Recht darin gesehen wird, alle für eine fundierte Investitionsentscheidung notwendigen Angaben in einem Dokument zu versammeln:131 Da ein Rating zweifelsohne eine Information ist, welche durch andere (vor allem institutionelle) Marktteilnehmer typischerweise beachtet wird und schon deshalb für die Beurteilung der marktgerechten Verzinsung von Anleihen nötig ist,132 kann ein Pros124 Vgl. Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 404; Rayroux/Aeschimann, SWZ/RSDA 1993, 222 ff.; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55 ff. 125 CR CO II/Zufferey, Art. 1156 OR Rn. 52; Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 20; Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1017; Rayroux/Aeschimann, SWZ/RSDA 1993, 222, 225; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55, 57; Zobl/ Arpagaus, SZW/RSDA 1995, 244, 252. 126 Zobl/Arpagaus, SZW/RSDA 1995, 244, 252. 127 Camenzind, Prospektzwang, S. 136; Rayroux/Aeschimann, SWZ/RSDA 1993, 222, 225; Watter, AJP 1992, 48, 54; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55, 57. Zurückhaltender Zobl/Arpagaus, SZW/ RSDA 1995, 244, 252; gänzlich a.A. Rohr, Emissionsrecht, S. 237. 128 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 112; Handkomm-OR/Bertschinger, Art. 752 Anm. 31; Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. XXIV Rn. 73; Noth/Grob, AJP 2002, 1435, 1452; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 151; Watter, in Basler Komm., Art. 752 OR Rn. 17; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1129. Unentschieden Roberto/Wegmann, SZW/RSDA 2001, 161, 167: „unklar“; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 142 f., 918. 129 Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1129. 130 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 113. 131 BGer, 20.5.1994, BGE 120 IV 122, 128; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 403; Watter, AJP 1992, 48 f.; ders., in Basler Komm., Art. 752 OR Rn. 17. 132 Vgl. zur Bedeutung der Ratingeinstufung für die Zinshöhe von Anleihen näher § 15 II 1.
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pekt bei fehlender Angabe bestehender Ratings nicht als vollständig angesehen werden. Eine unverhältnismäßige Belastung etwa kleiner Emittenten, die ihre Anleihen ohne Ratings vertreiben wollen, droht durch eine solche Publizitätspflicht nicht, da diese den Emittenten lediglich zur Nennung ohnehin bereits vorhandener Ratings verpflichtet.133 Der Zweck der ratingbezogenen Prospektpublizität bestimmt zugleich ihre Ausgestaltung im Einzelnen: Danach muss der Prospekt – ebenso wie im deutschen Recht – nicht nur Ratings international anerkannter, sondern auch lokal ausgerichteter Rating-Agenturen nennen, weil letztere mit den relevanten Umständen des Emittenten ebenso gut oder besser vertraut sein können als die großen Agenturen134 und von den Prospektverantwortlichen verlangt werden kann, dass sie von den Ratings von Emission und Emittenten umfassende Kenntnis besitzen.135 Ob der Prospekt zudem Erläuterungen zu den Klassifizierungssystemen der Rating-Agenturen enthalten muss,136 hängt demgegenüber von dem typisierten Informationsadressaten ab, an den sich Emissionsprospekte nach Schweizer Recht richten:137 Sofern man insoweit vom Adressatentypus des durchschnittlichen verständigen Anlegers ausgeht,138 dürften die Ratingskalen der drei großen internationalen Rating-Agenturen als bekannt und nicht erläuterungsbedürftig anzusehen sein, während die Dinge im Falle kleinerer Rating-Agenturen anders liegen werden. b) Pflicht zur Angabe von Ratings in Kotierungsprospekten Daneben besteht eine gesonderte Prospektpublizität aus Anlass der Börsenzulassung von Anleihen, die in der Schweiz als „Kotierung“ bezeichnet wird. Diese Publizitätspflicht hat keine formell-gesetzliche Regelung erfahren, sondern ist im Kotierungsreglement (KR) der Schweizer Börse (SIX Swiss Exchange)139 verankert, mit dem sich die Börse auf Grundlage von Art. 8 BEHG im Wege der Selbstregulierung140 Vorgaben bezüglich der Zulassung von Effekten zum Handel gegeben hat.141 Art. 27 KR verlangt die Veröffentlichung eines Kotierungs133 Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. XXIV Rn. 73; Hopt/Voigt, in: dies., Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 9, 41. Sofern das Rating bei Prospekterstellung noch nicht vorliegt, sondern erst später erstellt wird, greift die bis zum Ende der Zeichnungsfrist bestehende Aktualisierungspflicht ein; vgl. Watter, in Basler Komm., Art. 752 OR Rn. 20; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55, 57. 134 Handkomm-OR/Bertschinger, Art. 752 Anm. 31. 135 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 113. 136 So Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 113. 137 Siehe zu den Adressatenmodellen des Schweizer Publizitätsrechts noch § 18 I 1 b). 138 Vgl. in diesem Sinne Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1020; Roberto/Wegmann, SZW/RSDA 2001, 161, 169; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55, 57. 139 Kotierungsreglement der SIX Swiss Exchange in der Fassung vom 21. Apr. 2010, in Kraft seit dem 1. Mai 2010. 140 Vgl. Rimle, Recht d. schw. Finanzmarktes, 6. Kap. Rn. 29. 141 Die Rechtsnatur des KR ist im schweizerischen Schrifttum umstritten; die Rechtsprechung (vgl. BGer, 1.12.2010, BGE 137 III 37, 40 f. mit zahlr. Nachw.) hat die Einordnung bislang offen gelassen.
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prospekts, welcher die Angaben enthält, die nötig sind, um dem „sachkundigen“ Anleger ein begründetes Urteil über den Emittenten und die Effekten zu gestatten,142 und der zudem auf besondere Risiken ausdrücklich hinweist; nähere Details werden in diversen Schemata spezifiziert. Da eine Börsenzulassung in der Praxis nie ohne vorheriges öffentliches Angebot vorkommt, müssten Emittenten eigentlich stets einen Emissionsprospekt nach Art. 1156 OR und einen separaten Kotierungsprospekt nach Artt. 27 ff. KR erstellen. Um dies zu vermeiden, wird der obligationenrechtliche Emissionsprospekt für genügend erachtet, sofern dieser den inhaltlichen Anforderungen des KR entspricht;143 in der Praxis wird aus Kostengründen folglich regelmäßig ein einheitliches Dokument erstellt.144 Die im Vergleich deutlich strengeren Vorgaben des Kotierungsreglements145 geben in diesem Fall faktisch auch die Minimalanforderungen an den Emissionsprospekt vor.146 Die Haltung des Kotierungsreglements zur Ratingangabe ist im Laufe der Zeit wechselhaft gewesen: Während das Reglement zunächst keine diesbezügliche Pflicht vorsah,147 verlangte es ab 1996 ausdrücklich die Angabe aller ausgeführten (also nicht nur „anerkannter“) Ratings einschließlich der Namen der RatingAgenturen.148 Durch eine weitere Änderung im Jahre 2004 wurden diese Vorgabe sodann allerdings wieder beseitigt.149 In der Literatur wird dieser überraschende Schritt150 vereinzelt damit erklärt, dass Emittenten ohnehin freiwillig auf vorhandene Ratings hinweisen,151 während andere Stimmen trotz der erfolgten Wortlautänderung von einer Fortgeltung der Ratingangabepflicht ausgehen.152 Die aktuelle Fassung des Kotierungsreglements, seiner Zusatzreglements und Prospektschemata sieht jedenfalls keine explizite Pflicht zur Ratingangabe mehr vor.153
142 Vgl. dazu näher Huber/Hodel/Staub Gierow, Art. 32 KR Rn. 2 (zur Vorgängerbestimmung in Art. 32 a.F.). 143 Art. 33 Abs. 1 KR. 144 CR CO II/Zufferey, Art. 1156 OR Rn. 60; Daeniker/Waller, Informationspflichten, S. 55, 60; Druey, Gesellschafts- und HandelsR, § 16 Rn. 22; Huber/Hodel/Staub Gierow, Art. 32 KR Rn. 16; Noth/Grob, AJP 2002, 1435, 1440; Roberto/Wegmann, SZW 2001, 161, 174; Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 13. 145 CHK/Kuhn, Art. 1156 OR Anm. 6; Noth/Grob, AJP 2002, 1435, 1441; Rimle, Recht d. schw. Finanzmarktes, 8. Kap. Rn. 18; Roberto/Wegmann, SZW/RSDA 2001, 161, 163; Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 13. 146 Noth/Grob, AJP 2002, 1435, 1441. 147 Zobl/Arpagaus, SZW/RSDA 1995, 244, 252. 148 Anhang I des Kotierungsreglements in der Fassung vom 24. Januar 1996, Tz. 1.1.7 und 2.11.4. 149 Änderung des Kotierungsreglements vom 30. September 2004. 150 Vgl. Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1017: „erstaunlich“. 151 So Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 20. 152 So Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 151. 153 Vgl. auch Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 94: „Eine Ratingverpflichtung besteht nach Schweizer Recht nicht“; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1129.
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Im Rahmen der Neufassung des Kotierungsreglements in den Jahren 2008/09 war allerdings geplant gewesen, wieder eine solche Pflicht einzuführen: Der diesbezügliche Regelungsentwurf wollte in Kotierungsprospekten für Anleihen wie auch Derivate eine klare Offenlegung der Risikofaktoren vorschreiben, welche die Fähigkeit des Emittenten beeinträchtigen können, seinen Verpflichtungen gegenüber den Anlegern nachzukommen, und sah zudem vor: „Soweit ein Rating des Emittenten oder des Sicherheitsgebers vorhanden ist, ist dieses aufzuführen; falls kein Rating vorhanden ist, ist darauf besonders hinzuweisen.“ Dieser Reformvorschlag rief in der durchgeführten Vernehmlassung, an der sich in concreto ausschließlich Emittenten und Emissionsbanken beteiligten, überwiegend skeptische Stellungnahmen hervor. Vor dem Hintergrund dieser Kommentare „und im Sinne eines Kompromisses“ entschied sich das Regulatory Board daher, im Zuge der Neufassung auf die vorgeschlagene Darstellung der Risikofaktoren (und damit auch des Ratings) zu verzichten.154
c) Zwischenergebnis: Ratings und Prospektpflicht in der Schweiz An der schweizerischen Haltung zur Prospektpflichtigkeit von Ratings fällt zunächst auf, dass eine Pflicht zur Ratingangabe in der Schweiz schon 1987 erstmals eingeführt wurde, als Ratings in Kontinentaleuropa noch vergleichsweise wenig verbreitet waren. Die betreffende Regelung wurde im Wege der Selbstregulierung durch die Schweizerische Bankiervereinigung geschaffen und übernahm in der Sache ausländische Marktstandards; sie besteht bis heute. Die ebenfalls selbstregulierend, nämlich durch die Schweizer Börse bestimmten Anforderungen an Kotierungsprospekte verzichten dagegen mittlerweile auf eine Ratingnennung. Ob das veraltete gesetzliche Prospektrecht die Angabe von Ratings in Emissionsprospekten verlangt, ist schließlich umstritten, aber nach zutreffender Ansicht zu bejahen.
3. U.S.-amerikanisches Prospektrecht Im U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrecht ist die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts nicht – wie im deutschen, europäischen und schweizerischen Recht – als separate Emittentenpflicht konzipiert, sondern stellt sich als Teil einer umfassenderen Registrierungspflicht dar, welche die gesetzliche Markteintrittspublizität sichert. Soll in den USA ein öffentliches Angebot oder ein Verkauf von Wertpapieren stattfinden, so ist nach § 5 Securities Act of 1933 zwingend eine Registrierung dieser Wertpapiere bei der SEC erforderlich,155 und zwar unabhängig davon, ob die betreffenden Wertpapiere später an einem regulierten Markt notiert werden sollen156 oder – wie im Regelfall bei Schuldverschreibungen U.S.154 Vgl. Schweizer Börse (SIX Swiss Exchange), Vernehmlassungsbericht: Revision Kotierungsregularien vom 31. März 2009, Tz. 11A. 155 Vom Anwendungsbereich des Securities Act of 1933 (und damit auch der Registrierungspflicht) bestehen allerdings einzelne Ausnahmen, die ihr Eingreifen ihrerseits teilweise von einem Rating des Wertpapiers abhängig machen; siehe dazu näher unten III. 156 Vgl. Gruson, WM 1995, 89.
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amerikanischer Emittenten157 – nicht. Die Registrierung erfolgt dabei mittels einer sog. Registrierungserklärung (registration statement), deren Inhalt auch in den (für jeden Vertrieb gegenüber Anlegern vorgeschriebenen) Prospekt aufgenommen158 und die von der SEC nach formeller Prüfung für wirksam erklärt werden muss.159 a) Keine Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten aa) Freiwilligkeit von Ratingangaben im Prospekt Die Angaben, die Registrierungserklärung und Prospekt im Einzelnen enthalten müssen, werden dabei durch den Securities Act of 1933 nicht nur generalklauselartig umschrieben, sondern im Gesetz sowie den dazugehörigen Ausführungsbestimmungen detailliert aufgelistet.160 Die Offenlegung von Ratings wird darin nirgends verlangt.161 Auch die allgemeine Haftungsnorm des § 11 Securities Act sanktioniert außer unrichtigen Angaben nur das Fehlen ausdrücklich publizitätspflichtiger Angaben im Prospekt,162 ohne pauschal sämtliche aus Investorensicht erhebliche Angaben zu verlangen,163 und zwingt daher – anders als ihr funktionales Äquivalent in § 21 Abs. 1 WpPG (§ 44 Abs. 1 BörsG a.F.)164 – nicht mittelbar doch zu einer Ratingnennung. Diese Haltung des U.S.-amerikanischen Prospektrechts wird durch die Regulation S–K bestätigt, die allgemeine Grundsätze zur Publizitätspflicht niederlegt165 und darunter auch die „Commission policy on security ratings“ spezifiziert:166 Danach wird es den Emittenten angesichts der Bedeutung von Ratings für Investoren und den Kapitalmarkt zwar gestattet, Ratings in Registrierungserklärungen und periodic reports offen zu legen, zugleich aber klargestellt, dass sol-
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So Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 425. §§ 5(b), 10 Securities Act of 1933. Vgl. Hazen, Treatise, § 3.3; Bosch, ZHR 163 (1999), 274, 279; A. Meyer, WM 2003, 1301, 1308. 159 Die Registrierungserklärung wird gemäß § 8(a) Securities Act of 1933 zwanzig Tage nach der Einreichung automatisch wirksam, sofern die SEC keinen Ablehnungsbescheid erlassen hat. 160 § 10(c) i.V.m. Schedule A und B zum Securities Act of 1933. Vgl. Kulms, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 1101, 1117. 161 Eine solche Pflicht wird auch nicht aus der „kleinen Generalklausel“ der Rule 408 abgeleitet, die dann eine ergänzende Angabe erheblicher Umstände verlangt, wenn der Inhalt der Registrierungserklärung andernfalls irreführend wäre; vgl. hierzu unten II 3 c) bb) a.E. 162 § 11 Securities Act of 1933 spricht vom Fehlen eines „material fact required to be stated therein or necessary to make the statements therein not misleading“; zur „misleading“-Alternative siehe sogleich die in der nächsten Fn. zitierte Rechtsprechung. 163 St. Rspr.; vgl. Basic, Inc. v. Levinson, 7.3.1988, 485 U.S. 224, 239 Fn. 17, 108 S.Ct. 978, 987 Fn. 17 (1988): „Silence, absent a duty to disclose, is not misleading“; In re Worlds of Wonder Securities Litigation, 20.1.1993, 814 F.Supp. 850, 859 (N.D.Cal. 1993). 164 Siehe dazu bereits II 1 a). 165 Der vollständige Titel der Regulation S-K lautet „Standard Instructions for Filing Form under Securities Act of 1933, Securities Exchange Act of 1934 and Energy Policy and Conservation Act of 1975“. 166 Item 10(c) der Regulation S-K, 17 C.F.R. § 229.10. 158
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che Ratingangaben freiwillig erfolgen (on a voluntary basis).167 Begründet wird diese zurückhaltende Position, die angesichts der starken Betonung von Transparenz im U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrecht (der viel beschriebenen „disclosure philosophy“) überraschen mag, mit der ohnehin bestehenden allgemeinen Zugänglichkeit der Ratings, die ein Bedürfnis für eine Publizitätspflicht nicht erkennen lasse.168 Eine zwingende Prospektpublizität von Ratings ist dem geltenden U.S.-amerikanischen Recht nach alledem also fremd.169 bb) Historische Versuche der SEC zur Einführung einer Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten Die Haltung der SEC zur Prospektpflichtigkeit bestehender Ratings ist im Laufe der Zeit durchaus wechselhaft gewesen, zeigt aber deutliche Sympathien für eine solche Rechtspflicht. An den diesbezüglichen Vorstößen der Regulierungsbehörde und den daraus resultierenden Diskussionen lassen sich plastisch die Vorund Nachteile einer ratingbezogenen Prospektpflicht ablesen: Bis Ende der 1970er Jahre entsprach es gefestigter policy der SEC, die Nennung von Ratings in aufsichtsrechtlich erforderlichen Prospekten und Berichten nicht zuzulassen.170 Im Jahre 1977 stellte die SEC sodann erstmals einen neuen Regelungsansatz zur Diskussion, der die generelle Zulässigkeit von Ratingangaben sowie alternativ sogar eine Pflicht zur Ratingpublizität in Prospekten vorsah, und begründete dies mit dem zunehmenden öffentlichen Interesse an Ratings sowie deren unverkennbar großen Bedeutung für Investoren.171 Der Vorschlag stieß unter den konsultierten Marktteilnehmern zu diesem Zeitpunkt ganz überwiegend auf Ablehnung.172 167 Item 10(c) Regulation S-K, 17 C.F.R. § 229.10(c); Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 124: „The Commission ,permits‘ (but neither encourages nor discourages) the disclosure on a voluntary basis of securities ratings.“ 168 So SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 „Disclosure of Security Ratings in Registration Statements“ (Proposed rulemaking) vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 412; zustimmend Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 124: eine Prospektpflichtigkeit wäre im Grunde redundant; kritisch hingegen Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 557. 169 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 „Adoption of Integrated Disclosure System“ (Final rules) vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1282: „disclosure of security ratings remains entirely voluntary“; SEC Release 33–6336, 34–18012, IC– 11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 412. Unzutreffend daher Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1014; Watter, AJP 1992, 48, 54 mit Fn. 81. 170 SEC Release 33–5882, 34–14132 „Disclosure of Security Ratings“ (Advance notice of proposed rulemaking) vom 3. Nov. 1977, 43 FR 58414 ff., 13 SEC Dock. (1977), 532, 533; SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 „Disclosure of Security Ratings in Registration Statements“ (Proposed rulemaking) vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 411; Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545; vgl. auch Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 120. 171 SEC Release 33–5882, 34–14132 „Disclosure of Security Ratings“ (Advance notice of proposed rulemaking) vom 3. Nov. 1977, 43 FR 58414 ff., 13 SEC Dock. (1977), 532, 533. 172 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 „Disclosure of Security Ratings in Registration Statements“ (Proposed rulemaking) vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 411; vgl. auch Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 121; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996),
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Gegen eine Prospektpublizität von Ratings wurde zum einen eingewandt, dass es sich bei Ratings um die subjektive Meinung der Rating-Agentur handele, die der Emittent – im Unterschied zu Tatsachen – weder überprüfen noch erklären könne.173 Dieses Argument, das in ganz ähnlicher Form auch in der deutschen Diskussion über die Reichweite der Prospektpflicht anzutreffen ist,174 wurde im U.S.-amerikanischen Schrifttum mit dem zutreffenden Hinweis zurückgewiesen, dass es sich bei der Veröffentlichung eines Ratings und dessen Verwendung durch die Marktteilnehmer sehr wohl um eine Tatsache handelt, deren Kenntnis für die Investitionsentscheidung des durchschnittlichen Anlegers bedeutsam ist.175 Daneben machten Kritiker einer ratingbezogenen Prospektpublizität geltend, dass Ratings bereits ausreichend zugänglich seien und eine staatlich angeordnete Prospektpflicht den Einfluss der Rating-Agenturen noch weiter erhöhen würde.176 Während letzterer Einwand zweifelsohne zutraf, überzeugte der Hinweis auf die – heute sicher bestehende – allgemeine öffentliche Zugänglichkeit von Ratings zum damaligen Zeitpunkt nur bedingt, weil in den 1970er Jahren noch kein Internet existierte und Ratings neuer Emissionen in vielen Fällen lediglich über die Publikationen der Rating-Agenturen zugänglich waren, die Nichtabonnementen (also alle typischen Privatanleger) nur in öffentlichen Bibliotheken einsehen konnten. Entscheidend war aber vor allem der Gegeneinwand, dass ein Prospekt anerkanntermaßen alle Informationen enthalten soll, die für eine Anlageentscheidung erheblich (material) sind – da das Rating einer Emission aber eben hochgradig erheblich für Anlageentscheidungen ist,177 lässt sich seine anderweitige Zugänglichkeit letztlich nicht überzeugend gegen eine Offenlegung im Prospekt anführen.178
Vor dem Hintergrund dieser Diskussion beschloss die SEC 1982, durch eine Neufassung der Regulation S–K zunächst zumindest die freiwillige Nennung von Ratings in Prospekten zu gestatten,179 und verwies hierzu auf die allgemeine, 173 293, 351 Fn. 333: „… was received with hostility“. Positivere Einschätzung hingegen bei Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 546 ff.: „Because of the critical role played by the ratings in the investment process, their disclosure in SEC filings is an idea whose time has come.“ 173 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 411: „… the fact that a rating represents the subjective opinion of the rating organization that cannot be verified or even explained by the issuer of the security in question …“. 174 Siehe bereits oben II 1 a) bb). 175 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 554: „a highly material fact“; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 120. 176 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 411. 177 Auch im U.S.-amerikanischen Recht wird das Eintreten von Kursbewegungen (s. dazu § 5 II) überwiegend – wenn auch nicht völlig einheitlich – als Anzeichen für die Erheblichkeit einer Information gesehen, wobei man allerdings auf Grundlage der Efficient Market Hypothesis argumentiert; vgl. In re Burlington Coat Factory Securities Lit., 10.6.1997, 114 F.3d 1410, 1425 (3rd Cir. 1997): „In the context of an ‚efficient‘ market, the concept of materiality translates into information that alters the price of the firm’s stock“; No. 84 Employer-Teamster Joint Council Pension Trust Fund v. America West Holding, 13.2.2003, 320 F.3d 920, 949 (9th Cir. 2003): „the fact that a firm’s stock price does significantly change is strong evidence of materiality“; Brown, Regulation of Corporate Disclosure, Stand: 2009–1 Supplement, § 5.03. 178 So Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 554, 557. 179 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 „Adoption of Integrated Disclosure System“ (Final rules) vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1282 nach
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auch in den kritischen Stellungnahmen anerkannte Nützlichkeit der Ratings für den Kapitalmarkt im Allgemeinen und die Investoren im Besonderen.180 Tragend war dabei das Ziel, durch Nutzung des Prospekts eine effektivere Zugänglichmachung von Ratings zu erlauben, nämlich „… to ensure that information that currently is relied on extensively by many members of the investing public and by securities professionals be permitted, if the issuer so chooses, to reach investors directly through the prospectus, not indirectly through newspapers or by word of mouth.“181 Im Vordergrund stand also eine Unterstützung der Marktinformationsfunktion des Ratings, wie sich zum einen daran ablesen lässt, dass sich die Gestattung nicht nur auf Ratings staatlich anerkannter Rating-Agenturen (NRSROs), sondern jegliche Ratings bezieht; zum anderen wurden in der Regulation S–K ergänzende Empfehlungen zur Darstellung von Ratings im Prospekt niedergelegt, die deren Verständnis durch die Marktteilnehmer verbessern sollen.182 Lediglich ergänzend verwies man auch auf die vordringende Regulierungsfunktion des Ratings, namentlich die zeitgleich eingeführte Verwendung von Ratings in Form S–3183 (auf die im Folgenden noch näher einzugehen sein wird184). Der so geschaffene Rechtszustand gilt bis heute. Im Jahre 1994185 und schließlich im Jahre 2009186 veröffentlichte die SEC sodann erneut Entwürfe für eine Neufassung der Regulation S–K, die wiederum eine Pflicht zur Nennung von Ratings im Prospekt vorsahen. Auch diese Vorschläge konnte sich allerdings nicht durchsetzen187 und wurden nach ihrer öffentlichen Diskussion nicht weiterverfolgt. b) Förderung der freiwilligen Ratingangabe durch regulatorische Privilegien Die beschriebene aufsichtsrechtliche Zulässigkeit von Ratingangaben im Prospekt erwies sich allein jedoch als unzureichend, um die angestrebte Publizität tatsächlich in nennenswertem Umfang herbeizuführen. Der Grund hierfür liegt in einer Besonderheit des U.S.-amerikanischen Prospektrechts, das die Aufnahme von Angaben dritter „Experten“ in den Prospekt – das Gesetz nennt insoweit 180 Vorbereitung durch SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 412. Dazu Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1078: „shift in policy“. 180 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 412. 181 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 413 f. 182 Siehe zu diesen im Einzelnen noch unten II 3 c). 183 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1282. 184 Siehe unten III 2 a). 185 SEC Release 33–7086, 34–34617, IC–20509 „Disclosure of Security Ratings“ (Proposed rules) vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46304 ff. (7. Sept. 1994). 186 SEC Release 33–9070, 34–60797, IC–28942 „Credit Ratings Disclosure“ (Proposed rule) vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53086 ff. (15. Okt. 2009). 187 Vgl. zum Vorschlag aus dem Jahr 1994 Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 124.
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Wirtschaftsprüfer, Ingenieure und Gutachter sowie „Personen, deren Beruf den von ihnen gemachten Angaben Autorität verleiht“ – von dem schriftlichen Einverständnis des Experten abhängig macht.188 Fehlt ein solches Einverständnis, so weist die SEC den Registrierungsantrag zurück. Hat der Experte sein schriftliches Einverständnis hingegen erteilt, unterwirft § 11(a)(4) Securities Act of 1933 ihn den strengen Regeln der (verschuldensunabhängigen) Prospekthaftung des U.S.-amerikanischen Rechts.189 Da es sich bei den Rating-Agenturen um „Experten“ im Sinne des Gesetzes handeln dürfte190 – die sprachliche Bezugnahme auf von Berufs wegen über Autorität verfügende Personen, die an die Figur der Berufshaftung aus dem deutschen Schrifttum191 erinnert, lässt eine solche Einordnung fast zwingend erscheinen192 – hing jede Ratingangabe im Prospekt von der Bereitschaft der RatingAgentur ab, ihr diesbezügliches Einverständnis zu erteilen. Schon die in Gestalt einer möglichen Prospekthaftung193 drohenden Folgen eines solches Schrittes führten aber dazu, dass eine Einverständniserteilung nicht im wohlverstandenen Interesse der Rating-Agenturen liegen konnte; zudem wurde eine Beeinträchtigung ihrer Unabhängigkeit vom Emittenten befürchtet, sobald die Rating-Agenturen in irgendeiner Form (und sei es nur zur inhaltlichen Überprüfung der Ratingangabe) bei der Prospekterstellung mitwirken.194 Die führenden U.S.-amerikanischen Agenturen ließen daher keinen Zweifel daran, dass sie unter keinen Umständen ihr Einverständnis zur Nennung ihrer Ratings in Registrierungserklärungen erteilen würden.195 188 § 7(a) Sätze 2 und 3 Securities Act of 1933 mit Bezugnahme auf „any accountant, engineer, or appraiser, or any person whose profession gives authority to a statement made by him“. Eine fast wortgleiche Bestimmung findet sich im Übrigen auch im Hongkonger Prospektrecht (§ 38C(3) Companies Ordinance). 189 Siehe dazu noch § 30 II 3. 190 Vgl. In re Lehman Brothers Mortgage-Backed Securities Litigation, 11.5.2011, 650 F.3d 167, 183 Fn. 11 (2nd Cir. 2011): „the issuance of a credit rating ostensibly falls within the ,expert‘ category of potential liability under § 11“; SEC Release 33–9071, 34–60798 „Concept Release on Possible Rescission of Rule 436(g) Under the Securities Act of 1933“ (Concept release) vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53114, 53117 (15. Okt. 2009): „It appears to us that NRSROs and other credit rating agencies are experts similar to other parties subject to liability under Section 11“; SEC Release 33– 5882, 34–14132 „Disclosure of Security Ratings“ (Advance notice of proposed rulemaking) vom 3. Nov. 1977, 43 FR 58414 ff., 13 SEC Dock. (1977), 532, wo zugleich Stellungnahmen der Marktteilnehmer zu dieser Frage erbeten wurden. 191 Hopt, in FS Robert Fischer (1979), S. 237 ff. 192 Die Einordnung von Rating-Agenturen als Experten i.S.d. §§ 7, 11 Securities Act of 1933 bejahend auch U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 105 Fn. 390; Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1116; Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 264: „clearly“; Loss/Seligman/ Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 124; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1036; skeptischer Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 41 f. 193 Schwierig zu beurteilen wäre, für welche Angaben im Prospekt die Rating-Agenturen ggfs. haften würden; vgl. hierzu instruktiv Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 41 f. 194 Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 353. 195 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 413 Fn. 27; Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 563 mit Nachweisen.
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aa) Rule 436(g) zum Securities Act of 1933 (1982–2010) Um dieses zentrale Hindernis zu beseitigen196 und damit die gewünschte freiwillige Ratingpublizität in Prospekten zu fördern,197 erließ die SEC im Jahre 1982 in Anknüpfung an entsprechende Vorschläge im U.S.-amerikanischen Schrifttum198 die Rule 436(g).199 Diese schuf ein spezifisches Haftungsprivileg zugunsten der Rating-Agenturen, mittels dessen die Aufnahme von Ratings in Registrierungserklärungen gefördert wurde. Rule 436(g) galt bis 2010, als der Kongress sie im Dodd–Frank Act gesetzlich aufhob.200 (1) Die Entbehrlichkeit des Einverständnisses von NRSROs zur Ratingangabe im Prospekt Rule 436(g) nahm zum einen Ratings, die durch staatlich anerkannte RatingAgenturen (NRSRO) erstellt worden waren, vom Anwendungsbereich der §§ 7, 11 Securities Act of 1933 aus. Emittenten waren daher nicht mehr auf das Einverständnis anerkannter Rating-Agenturen angewiesen, wenn sie deren Ratings in ihren Prospekt aufnehmen wollten201 – eine regulatorisch Vorzugsbehandlung dieser Agenturen, die sich grundsätzlich von der Indienstnahme sonstiger „Experten“ – darunter in Gestalt von Wirtschaftsprüfern und Gutachtern auch andere Informationsintermediäre – für Publizitätszwecke unterschied. In der Praxis hatte dies bald zur Folge, dass Ratings von NRSROs freiwillig in Prospekten genannt wurden.202 (2) Die Freistellung der NRSRO von der Prospekthaftung als Ausgleich Rule 436(g) ordnete aber gleichzeitig an, dass NRSROs von jeder Prospekthaftung nach § 11 Securities Act of 1933 freigestellt waren, die sich andernfalls aus der Nennung ihrer Ratings im Prospekt hätte ergeben können. Eine solche Haftungsfreistellung, die ersichtlich im Sinne einer regulatorischen Kompensation für das ausnahmsweise entbehrliche Experteneinverständnis gedacht war, war schon bei Planung der Rule 436(g) höchst umstritten gewesen.203 In ihrer in Kraft 196 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1283 verweist auf „the possible difficulty of obtaining rating organization consents“; SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 413 f.: „major barrier to the disclosure of security ratings“. 197 Langevoort, 98 Harv. L. Rev. (1985), 747, 776. 198 So durch Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 565 ff. 199 Rule 436(g) zum Securities Act of 1933 (17 C.F.R. § 230.436(g)). 200 Siehe dazu unten (3). 201 Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 123; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 691 Fn. 346; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 351. 202 Vgl. etwa In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litigation, 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 817 Fn. 77 (S.D.Tex. 2005): „The NRSRO’s credit ratings are most likely to be used in a registration statement.“ 203 Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 123 Fn. 129: „There was considerable opposition to the proposal …“.
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gesetzten Fassung war sie in sachlicher Hinsicht freilich eng beschränkt, weil sie sich allein auf die Haftung nach § 11 Securities Act of 1933 bezog und namentlich eine Haftung der Rating-Agenturen nach den anti-fraud-Bestimmungen des U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrechts204 unberührt ließ.205 Ob die geschaffene Haftungsfreistellung überhaupt erforderlich war, lässt sich sogar mit guten Gründen bezweifeln, weil die Voraussetzungen des § 11 Securities Act – „an untrue statement of a material fact“ – im Falle von Ratings ohnehin kaum je erfüllt sein werden;206 die getroffene Regelung schaffte insoweit jedenfalls die rechtspolitisch gewünschte Klarheit. Vor diesem Hintergrund musste es überraschen, dass Rule 436(g) nicht selten als Indikator einer generellen Haftungsfreiheit der Rating-Agenturen missverstanden wurde,207 weil weder Wortlaut noch Zweck oder Entstehungsgeschichte dieser Regelung einen solchen allgemeinen Aussagegehalt stützten. Durchaus fragwürdig erschien dagegen, dass Rule 436(g) in persönlicher Hinsicht ausschließlich als NRSRO anerkannte Rating-Agenturen privilegierte und die Ratings aller sonstigen Agenturen weiterhin nur mit deren Zustimmung verwandt werden durften208 (den diese nur um den Preis der damit verbundenen Haftungsgefahr erteilen konnten):209 Da die freiwillige Angabe von Ratings deshalb gefördert werden sollte, weil diese als Marktinformation wesentliche Bedeutung für den durchschnittlichen Investor besitzen,210 passte das Erfordernis der staatlichen Anerkennung, die nur für Zwecke der regulatorischen Indienstnahme konzipiert ist, hier nicht. Vor dem Hintergrund des bestehenden strengen Prospekthaftungsregimes des U.S.-amerikanischen Rechts dürfte Rule 436(g) daher
204 Nämlich nach § 17(b) Securities Act of 1933, § 10(b) Securities Exchange Act of 1934 (nebst zugehöriger Rule 10b–5) sowie ggfs. § 206 Investment Advisers Act of 1940, sofern die RatingAgentur sich als Investment Adviser hat registrieren lassen (was gängiger Praxis entspricht; vgl. noch unten § 24 III 2). Siehe allgemein zur Haftung der Rating-Agenturen §§ 26 ff. 205 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 411 Fn. 1; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 123; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 352. 206 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 568. 207 Vgl. In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litigation, 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 816 f. (S.D.Tex. 2005) in einem Fall, der eine Haftung für negligent misrepresentation betraf; in diesem Sinne auch U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 105: „This means that NRSROs are not held even to a negligence standard of care for their work“; Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 401: „This exception has no rationale“; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 352. 208 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1284; SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 414; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 124. 209 Ebenfalls kritisch Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 354 ff.; vgl. auch U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 105 Fn. 390: „Interestingly, …“. 210 Siehe hierzu oben I.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
als ungerechtfertigte Markteintrittsschranke zu Lasten noch nicht behördlich anerkannter Rating-Agenturen gewirkt haben.211 (3) Die Aufhebung der Rule 436(g) durch den Dodd–Frank Act (2010) Im Jahre 2010 hob der Kongress die untergesetzliche Rule 436(g) sodann durch eine Gesetzesbestimmung des Dodd–Frank Act ausdrücklich auf,212 ohne freilich die vorhersehbaren Folgen dieses Schrittes mitbedacht zu haben: Die RatingAgenturen weigerten sich sogleich und einheitlich, weiterhin die Zustimmung zur Nennung ihrer Ratings in Registrierungserklärungen und Prospekten zu erteilen,213 und verhinderten damit die fortdauernde Integration ihrer privaten Marktinformationen in die gesetzliche Markteintrittspublizität. Mit dem gesetzgeberischen Schritt wurde folglich der Prospektinhalt eingeschränkt, ohne dadurch eine investorenschützende Ausweitung der Haftung der Rating-Agenturen – die anscheinend beabsichtigt war214 – zu erreichen,215 weil seit 2010 nunmehr schlicht keinerlei potentiell haftungsbegründende Ratingangaben in Registrierungserklärungen und Prospekten mehr vorkommen.216 Es bleibt abzuwarten, wie der U.S.-amerikanische Gesetzgeber und die Aufsichtsbehörden mittelfristig auf dieses Dilemma reagieren werden – im Recht der strukturierten Finanzinstrumente, in dem die Ratingnennung (anders als im Publizitätsrecht für klassische Schuldverschreibungen) eine rechtliche Marktzugangsvoraussetzung darstellt, musste die SEC bereits korrigierend eingreifen und insoweit auf die Durchsetzung der Publizitätsvorgaben verzichten,217 und im Schrifttum wird bereits die Wiedereinführung einer allgemeinen Haftungsfreistellung zugunsten von Rating-Agenturen prognostiziert.218 Bemerkenswert ist, dass der U.S.-amerikanische Gesetzgeber die Folgen einer Aufhebung von Rule 436(g) nicht vorhergesehen hat, war die Reaktion der Rating-Agenturen doch lediglich die konsequente Fortsetzung ihrer überkommenen Haltung in dieser Frage, die 211 Wie hier Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1037. Mehrfache Ansätze der SEC, den personellen Anwendungsbereich der Rule 436(g) auch auf nicht als NRSRO anerkannte RatingAgenturen auszudehnen, scheiterten jedoch; vgl. dazu SEC Release 33–9071, 34–60798 vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53114 ff. 212 § 939G Dodd–Frank Act: „Rule 436(g) … shall have no force or effect.“ 213 Diese Zustimmung ist auch weiterhin erforderlich, weil § 7(a) Sätze 2 und 3 Securities Act of 1933 nicht geändert wurden; In re Lehman Brothers Mortgage-Backed Securities Litigation, 11.5.2011, 650 F.3d 167, 175 ff. (2nd Cir. 2011) In re Lehman Brothers Mortgage-Backed Securities Litigation, 11.5.2011, 650 F.3d 167, 183 mit Fn. 11 (2nd Cir. 2011). 214 SEC Release 33–9071, 34–60798 vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53114, 53118: „… could significantly improve investor protection“; vgl. Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 41; Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1087. 215 Im Schrifttum wird die zentrale Bedeutung der Zustimmung der Rating-Agenturen, bei deren Fehlen von einer „Dritthaftung“ keine Rede sein kann, nicht selten übersehen (so etwa von Heppe/Tielmann, WM 2011, 1883, 1892). 216 Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1052. 217 Vgl. dazu § 10 III 1 b). 218 Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 265.
§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität
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einst überhaupt der Grund für die Einführung der Haftungsfreistellung gewesen war. Allerdings hatte auch die SEC diese Auswirkungen zunächst verkannt und in einer öffentlichen Konsultation im Jahre 2009 vorrangig prognostiziert, die NRSRO würden bei Streichung der Rule 436(g) möglicherweise das Rating öffentlich angebotener Anleihen einstellen219 oder gar die Ratingtätigkeit insgesamt aufgeben;220 die erheblich näher liegende Verweigerung der Zustimmung zur Nennung ihrer Ratings in Registrierungserklärungen wurde nur ganz am Rande erwähnt.221 An der Konsultation teilnehmende Marktakteure hatten allerdings deutlich vor einem drohenden Zusammenbruches des Marktes für SECregistrierte Anleihen gewarnt,222 sodass die Auswirkungen des gewählten Vorgehens für Kongress und SEC nicht überraschend gewesen sein sollten. Die gleichwohl im Gesetzeswege erfolgte Aufhebung der Rule 436(g) demonstriert daher vor allem, dass der Unterschied zwischen Marktinformations- und Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen in diesem Zusammenhang nicht ausreichend klar erkannt wurde: Indem der Securities Act das schriftliche Einverständnis der Rating-Agentur mit der Ratingnennung in Registrierungserklärungen voraussetzt,223 ermöglicht er der Rating-Agentur, ihre diesbezügliche Regulierungsfunktion abzulehnen, ohne dadurch jedoch ihre Marktinformationsfunktion einzuschränken. Die erhoffte Kombination von Ratingangaben im Prospekt und kapitalmarktrechtlicher Expertenhaftung wäre folglich allenfalls dadurch zu bewirken, dass man das Einverständniserfordernis aus dem Securities Act streicht oder jedenfalls für RatingAgenturen aufhebt – hierin läge freilich eine tiefgreifende Abweichung von Prinzipien des U.S.-amerikanischen Finanzmarktrechts, die zuvor sehr sorgsam zu erwägen wäre und im Ergebnis zur Folge haben könnte, dass Rating-Agenturen die Veröffentlichung von Ratings im Anwendungsbereich des Securities Act einstellen und dadurch sowohl ihre Regulierungs- als auch Marktinformationsfunktion einschränken.
bb) Ratings in „tombstone advertisements“ Den Emittenten war allerdings zunächst weiterhin die Veröffentlichung bestimmter Ratings in sog. tombstone advertisements gestattet, also Mitteilungen, die nach erfolgter Registrierung der Emission zu Werbezwecken veröffentlicht oder versandt werden. Die freiwillige Angabe von Ratings in tombstone advertisements wurde nämlich noch bis 2011 ebenfalls durch ein regulatorisches Privileg gefördert,224 welches allerdings nicht ratingspezifisch ausgestaltet war: Werbemitteilungen dieser Art werden nämlich im Securities Act of 1933225 und der dazugehörigen Rule 134 insgesamt einem besonderen Publizitätsregime unterworfen, welches den Zweck verfolgt, ein Aufmerksammachen potentieller Interessenten auf die Emission zu ermöglichen, ohne dass hierfür bereits ein ausführ219 Vgl. SEC Release 33–9071, 34–60798 vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53114, 53118: „whether they would, in fact, stop issuing ratings permanently.“ 220 SEC Release 33–9071, 34–60798 vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53114, 53118: „may undermine competition if credit rating agencies decide that they are unable to bear the risk of liability and thus exit the ratings business.“ 221 SEC Release 33–9071, 34–60798 vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53114, 53120 f. 222 Siehe nur die Nachweise bei Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1043. 223 § 7(a) Satz 2, 3, § 11(a)(4) Securities Act of 1933. 224 Vgl. Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 352. 225 § 2(a)(10)(b) Securities Act of 1933.
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licher Prospekt verwendet werden muss.226 Aus diesem Grund legen die Bestimmungen fest, dass die (strengen) Anforderungen an einen Prospekt sowie die daran anknüpfenden Prospekthaftungsregeln auf tombstone advertisements von vornherein nicht anwendbar sind, sehen aber gleichzeitig detaillierte Regelungen zu den Angaben vor, die in einer entsprechenden Anzeige enthalten sein dürfen. Letztere sollen dem potentiellen Investor dabei nicht schon erschöpfende Informationen über die Emission bieten – diese Aufgabe bleibt vielmehr dem Prospekt vorbehalten, den der interessierte Anleger ggfs. anfordern mag.227 Ihre gängige Bezeichnung als „Grabsteinwerbeanzeigen“ verdanken die tombstone advertisements den sehr strengen Beschränkungen bezüglich des Inhalts solcher Mitteilungen, die § 2(a)(10)(b) Securities Act of 1933 bis zu seiner Neufassung im Jahre 1954 aufstellte und die dazu führten, dass Anzeigen dieser Art fast völlig einheitlich gestaltet waren und dabei – vor allem wegen des typischerweise verwandten schwarzen Randes – eine nicht geringe Ähnlichkeit mit Todesanzeigen aufwiesen. Dieses Format ist in der heutigen Praxis überwiegend beibehalten worden, obgleich die einschlägigen Gesetzesvorgaben seitdem gelockert wurden.228
Rule 134229 erlaubte in tombstone advertisements traditionell die freiwillige Angabe solcher Ratings, die durch staatlich anerkannte Rating-Agenturen (NRSRO) erstellt wurden oder deren Erstellung bevorstand.230 Die Nennung sonstiger Ratings war dagegen nicht zulässig, und zwar auch dann nicht, wenn die RatingAgentur dieser Ratingverwendung zugestimmt hatte: Die entsprechenden Regelungen des Securities Act of 1933, die oben im Text behandelt wurden,231 sind hier von vornherein nicht einschlägig, weil es sich bei einem tombstone advertisement rechtlich gerade nicht um einen „Prospekt“ handelt.232 Im Jahre 2011 strich die SEC sodann den „safe harbor“ für Ratingangaben aus der Rule 134, um dadurch dem generellen Beseitigungsgebot des Dodd–Frank Acts233 nachzukommen.234 Dieser Schritt, der von Seiten der Marktteilnehmer praktisch einheitlich kritisiert wurde,235 leuchtet in der Tat nicht ein, verbannt er doch mit Ratings eine aus Investorensicht hoch relevante Marktinformation aus 226
Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 1, S. 703 ff. Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 111. 228 Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 111. 229 Rule 134(a)(17)(i), (ii) zum Securities Act of 1933 in der Fassung der SEC Release 33–8501 (XV), 69 FR 67391 (17. Nov. 2004). Dies entsprach schon lange vor Schaffung dieser ausdrücklichen Regelung der aufsichtsbehördlichen Praxis der SEC; vgl. zu den 1970er Jahren SEC Release 33–5882, 34–14132 vom 3. Nov. 1977, 43 FR 58414 ff., 13 SEC Dock. (1977), 532, 533. 230 Eine inhaltsgleiche Regelung enthält Item 10(c) Regulation S-K, 17 C.F.R. § 229.10(c). 231 Siehe zu §§ 7, 11 Securities Act of 1933 sowie der (mittlerweile aufgehobenen) Rule 436(g) oben II 3 b). 232 § 2(a)(10)(b) Securities Act of 1933 legt fest, dass eine solche Mitteilung „shall not be deemed a prospectus“. 233 § 939A Dodd–Frank Act; siehe dazu noch § 17 I 4 b). 234 SEC Release 33–9245, 34–64975 „Security Ratings“ (Final rule) vom 27. Juli 2011, 76 FR 46603, 46612 (3. Aug. 2011). 235 Vgl. SEC Release 33–9245, 34–64975 vom 27. Juli 2011, 76 FR 46603, 46612. 227
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tombstone advertisements, ohne dadurch ein definiertes Regelungsziel zu verwirklichen. Es handelt sich damit um ein Beispiel für ein überschießendes Zurückdrängen von Ratingbezugnahmen, durch das die Informationsversorgung des Finanzmarktes letztlich geschwächt wurde. c) Empfehlungen zu Inhalt und Form von Ratingangaben Die Regulation S–K enthält darüber hinaus eine ganze Reihe von Regelungen, die – für den Fall, dass der Emittent sich aus freien Stücken zur Nennung von Ratings im Prospekt entschließt – Einzelheiten zum Inhalt und zur Form diesbezüglicher Ratingangaben enthalten.236 Es handelt sich hierbei durchgehend um bloße Empfehlungen der SEC („the registrant … should consider including“ bzw. „disclosing“), deren Befolgung dem Emittenten freisteht. In der Sache legen diese etwa die Nennung der Ratings anderer NRSROs nahe, sofern diese von dem im Prospekt genannten Rating erheblich abweichen,237 und regen zusätzlich die Angabe zahlreicher ergänzender und erläuternder Informationen im Prospekt an,238 die ersichtlich dazu beitragen sollen, die Gefahr von Missverständnissen über den Aussagegehalt eines Ratings zu reduzieren.239 Schließlich wird der Nachtrag von Ratingänderungen und neuen Ratings empfohlen, die erst nach Einreichung der Registrierungserklärung zugänglich werden.240
4. Hongkonger Prospektrecht In Hongkong werden – vergleichbar mit der Schweiz241 – Emissions- und Börsenzulassungsprospekte unterschieden und beide Prospekttypen unterschiedlichen Regelungsregimen unterworfen; Pläne zur Schaffung eines einheitlichen Prospektregimes werden zwar diskutiert, sind aber bislang nicht umgesetzt worden.242 In der Praxis ist die Verwendung eines einheitlichen Prospektdokuments allerdings auch in Hongkong bereits heute üblich und zulässig, sofern dieses beiden Anforderungsprofilen gerecht wird.243 Die Prospektpflichtigkeit von Wert236 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1283: „in order to provide additional guidance and certainty“. Item 10(e)(1) Regulation S-B enthält parallele Bestimmungen für kleine Emittenten. 237 Item 10(c)(1)(i)(A) Regulation S-K. 238 Item 10(c)(1)(i)(B) Regulation S-K. Empfohlen wird u.a. die Beschreibung der Ratingkategorie, in welche das betroffene Wertpapier eingestuft wurde und ein Hinweises darauf, dass ein Rating keine Empfehlung zum Kauf, Verkauf oder Halten eines Wertpapiers darstellt. 239 So gefordert von Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 558, der dabei den „unsophisticated investor“ im Blick hatte. 240 Item 10(c)(1) Regulation S-K. 241 Siehe oben II 2. 242 Vgl. zu entsprechenden Konsultationen Mazzochi/Flinn/Siu, HK Lawyer (Nov. 2005), 31 ff. 243 Rule 25.01 der Listing Rules SEHK; Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 4.96 f.
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papieremissionen ergibt sich aus § 38(3) der Companies Ordinance244 und betrifft nur Emittenten, die in Hongkong inkorporiert sind,245 während der Börsenzulassungsprospekt (in Form eines „Listing Documents“) durch die Listing Rules der Hongkonger Börse (SEHK) verlangt wird.246 Die Listing Rules finden dabei auch auf Emissionen ausländischer Emittenten Anwendung, denen am Hongkonger Kapitalmarkt eine große Bedeutung zukommt,247 und werden nicht zuletzt deshalb als praktisch wichtigstes Regelwerk für in Hongkong vertriebene Anleihen eingestuft.248 Das Ziel der Prospektpublizität wird dabei übereinstimmend darin gesehen, potentiellen Investoren alle notwendigen Informationen zu verschaffen, um eine informierte Anlageentscheidung treffen zu können;249 die Rechtslage in Hongkong stimmt insoweit mit dem Standard in den anderen hier untersuchten Rechtsordnungen überein. Der verlangte Prospektinhalt wird sodann unter beiden Regelungsregimen nicht lediglich generalklauselartig umschrieben, sondern durch eine Liste mit einer Vielzahl unterschiedlicher Pflichtgegenstände spezifiziert.250 Die Angabe von Ratings wird dabei nirgends ausdrücklich verlangt; Ratings sind im Übrigen bislang auch nicht als Information genannt worden, die nach den ebenfalls vorhandenen Generalklauseln, welche die Angabe aller bewertungserheblichen Informationen verlangen,251 in Hongkonger Prospekten enthalten sein müssen. Eine ratingbezogene Prospektpublizität besteht nach alledem in Hongkong bislang nicht.
5. Zusammenfassung Mit Blick auf die Rechtspflicht zur Nennung von Ratings in Wertpapierprospekten zerfallen die hier untersuchten Rechtsordnungen in drei Gruppen: Während das deutsche, mittlerweile durch Vorgaben der EU geprägte Recht und das schweizerische Recht in unterschiedlicher Ausgestaltung eine Ratingangabe im Prospekt vorschreiben, ist eine solche Pflicht im Hongkonger Recht unbekannt. Eine mittlere Position nimmt das U.S.-amerikanische Recht ein, das zwar von der 244
Companies Ordinance vom 1. Juli 1933 mit nachfolgenden Änderungen (Cap. 32). Eastwell, Law Lectures for Practitioners (1987), S. 1, 9; Mazzochi/Flinn/Siu, HK Lawyer (Nov. 2005), 31, 36. 246 Die Listing Rules SEHK wurden aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 3(a) Securities and Futures (Stock Market Listing) Rules (Cap. 571V) erlassen, die ihrerseits auf § 26(1) Securities and Futures Ordinance (Cap. 571) beruht; vgl. Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 6.38 f. 247 Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 6.41. 248 Kwan/Chiu/Shen, Stand: Release 0 (June 2007), Rn. 10.018. 249 Zu § 2 Companies Ordinance Kwan/Chiu/Shen, Stand: Release 0 (June 2007), Rn. 10.018; zu den Listing Rules ebenso § 3(c) Securities and Futures (Stock Market Listing) Rules. 250 § 38(1) Companies Ordinance i.V.m. Third Schedule; Rule 25.06 der Listing Rules SEHK i.V.m. Teil C des Anhangs 1. 251 Companies Ordinance, Third Schedule Nr. 3; Rule 25.07 der Listing Rules SEHK. Zur geplanten Verankerung eines einheitlichen „overall disclosure standards“ in der Securities and Futures Ordinance vgl. Mazzochi/Flinn/Siu, HK Lawyer (Nov. 2005), 31, 33. 245
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Freiwilligkeit einer Ratingnennung ausgeht, diese bislang aber dadurch zu fördern versuchte, dass Rating-Agenturen für den Fall der Nennung ihrer Ratings im Prospekt von einer möglichen Prospekthaftung freigestellt wurden. Da letztere Regelung im Zuge der Finanzmarktreformen im Nachgang zur globalen Finanzkrise 2007–09 aufgehoben wurde, ist die Haltung der gesetzlichen Markteintrittspublizität gegenüber privaten Ratings in den U.S.A. augenblicklich unsicher. Sollte die aktuelle Rechtslage Bestand haben, dürften künftig keine Ratingangaben in U.S.-amerikanischen Prospekten mehr zu erwarten sein – die Entwicklung verliefe in diesem Fall gegensätzlich zur Tendenz der europäischen Rechte, in denen Pflichten zur Ratingnennung allgemein an Bedeutung zunehmen.
III. Reduktion gesetzlicher Publizitätsvorgaben bei Emissionen mit bestimmtem Mindestrating: Das Rating als Prospektsubstitut Eine gleichsam gegenläufige Stoßrichtung verfolgen solche Prospektregeln, welche die gesetzlich vorgeschriebene Markteintrittspublizität einschränken, sofern ein Rating vorliegt: Bestimmungen dieser Art lassen private Marktinformationen über die Bonität der Anleihe anstelle der inhaltlich weit umfassenderen252 Prospektpublizität genügen und ordnen Ratings damit als Prospektsubstitut ein. Entsprechende Publizitätsregelungen finden sich vor allem in den U.S.A.253 sowie mit einem engen Anwendungsbereich auch in der Schweiz,254 während sie für die übrigen Prospektrechte nur vereinzelt diskutiert werden.255
1. U.S.-amerikanisches Recht: Ausnahme kurzfristiger Schuldverschreibungen mit hohem Rating von der Registrierungsund Prospektpflicht (§ 3(a)(3) Securities Act of 1933) Im U.S.-amerikanischen Recht nimmt § 3(a)(3) Securities Act of 1933 insoweit „any note, draft, bill of exchange, or banker’s acceptance which arises out of a current transaction or the proceeds of which have been or are to be used for current transactions, and which has a maturity at the time of issuance of not exceeding nine months, exclusive of days of grace, or any renewal thereof the maturity of which is likewise limited“ vollständig von der grundsätzlichen Registrierungsund Prospektpflicht für Wertpapiere256 aus. Die in ihrem Wortlaut seit 1933 unveränderte Vorschrift hat heute vor allem für kurzfristige Schuldverschreibungen 252
Zu diesem Unterschied bereits einleitend unter I. Siehe unter 1., 2. 254 Unter 3. 255 So für das Prospektrecht der EU Wiegel, Prospektrichtlinie, S. 73 ff., der ein externes Rating unter Gesichtspunkten der Allokationseffizienz als bei der Emission von Schuldtiteln ausreichende Publizität eingestuft. 256 Dazu bereits oben II 3. 253
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
mit einer Laufzeit von weniger als neun Monaten (Commercial Papers)257 Bedeutung, die in den U.S.A. ein wichtiges Instrument der Unternehmensfinanzierung darstellen und in der Praxis fast ausnahmslos unter diese Ausnahmebestimmung fallen.258 Obgleich die Norm ihrem Wortlaut nach jedes Papier der dort genannten Art mit einer Laufzeit von weniger als neun Monaten zu erfassen scheint, hat die SEC seit jeher unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte der Ausnahmevorschrift eine deutlich engere Auslegung vertreten und nur „prime quality commercial paper“259 von der Registrierungspflicht ausgenommen gesehen.260 Rechtsprechung261 und Schrifttum262 sind dem gefolgt. Commercial Paper ist dabei nach feststehender aufsichtsbehördlicher Praxis dann von „prime quality“, wenn es durch eine am Markt anerkannte Rating-Agentur263 in eine der beiden höchsten Ratingkategorien264 eingestuft wurde.265 Die Bonitätsbeurteilung durch eine Rating-Agentur wird im Rahmen des § 3(a)(3) Securities Act of 1933 also als notwendige, aber 257
Zu Begrifflichkeit und Abgrenzungsfragen Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 129. Stigum/Crescenzi, Stigum’s Money Market, S. 985. 259 SEC Release 33–4412 „Registration Exemption of Short-Term Paper“ vom 20. Sep. 1961, 26 FR 9158, 9159 (29. Sept. 1961). 260 Vgl. näher Raymond, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 11.01[B][1][c], auch zu weiteren Einschränkungen. 261 Baurer v. Planning Group, Inc., 4.12.1981, 669 F.2d 770, 775 ff. (D.C. Cir. 1981); Franklin Sav. Bank in City of New York v. Levy, 24.12.1975, 406 F.Supp. 40, 42 ff. (S.D.N.Y. 1975); In re NBW Commercial Paper Litigation, 11.12.1992, 813 F.Supp. 7, 17 f. (D.D.C. 1992); Mallinckrodt Chemical Works v. Goldman, Sachs & Co., 13.9.1976, 420 F.Supp. 231, 240 (D.C.N.Y. 1976); Sanders v. John Nuveen & Co., Inc., 9.6.1972, 463 F.2d 1075, 1079 (7th Cir. 1972); SEC v. Am. Bd. of Trade, Inc., 26.12.1984, 751 F.2d 529, 538 f. (2d Cir. 1984); United States v. Rachal, 8.2.1973, 473 F.2d 1338, 1343 (5th Cir. 1973); United States v. Roylance, 2.8.1982, 690 F.2d 164, 168 f. (10th Cir. 1982); Zeller v. Bogue Electric Mfg. Corp., 22.3.1973, 476 F.2d 795, 799 f. (2nd Cir. 1973), cert. denied 414 U.S. 908. 262 Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 460: „an important interpretative gloss …“; Hazen, Treatise, § 4.4; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 3, S. 89; Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 140 ff.; Shipe/Freeman, 15 Inv. Lawyer (Oct. 2008), 13, 14. 263 Abgestellt wird in diesem Zusammenhang nicht auf die staatlich Anerkennung (etwa als NRSRO), sondern die Marktakzeptanz; vgl. etwa Montcalm County v. McDonald & Co. Securities, 12.7.1993, 833 F.Supp. 1225, 1227, 1235 (W.D. Mich. 1993): „two standard rating services widely recognized by the industry“. 264 Nach den Ratingskalen für kurzfristige Verbindlichkeiten also etwa als A-1 oder A-2 (Standard & Poor’s), P-1 oder P-2 (Moody’s) bzw. F1 oder F2 (Fitch). 265 Franklin Sav. Bank in City of New York v. Levy, 24.12.1975, 406 F.Supp. 40, 44 (S.D.N.Y. 1975); In re NBW Commercial Paper Litigation, 11.12.1992, 813 F.Supp. 7, 18 (D.D.C. 1992): „… the WBC commercial paper is hardly of prime quality. As of May 4, 1990, the WBC commercial paper’s rating was very poor or nonexistent“; Montcalm County v. McDonald & Co. Securities, 12.7.1993, 833 F.Supp. 1225, 1227, 1235 (W.D. Mich. 1993): „… prime quality commercial paper, rated A-2 by Standard & Poor’s and F-2 by Fitch, two standard rating services widely recognized by the industry“; Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 460; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 3, S. 91: Rating als „convenient measure of prime quality“; Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 140 f.; Raymond, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 11.01[B][1][c]; Shipe/Freeman, 15 Inv. Lawyer (Oct. 2008), 13, 14 (die aber auf die „investment grade“-Schwelle abstellen). 258
§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität
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auch hinreichende Voraussetzung dafür angesehen, die gesetzliche Markteintrittspublizität vollständig entfallen zu lassen.266 Eine rechtsvergleichende Umschau zeigt, dass die Freistellung kurzfristiger Schuldverschreibungen von der gesetzlichen Markteintrittspublizität dort, wo sie – wie im EURecht267 und im deutschen Recht268 – ebenfalls anzutreffen ist, nicht von einer Mindestbonität der privilegierten Wertpapiere abhängig gemacht wird. Das Schweizer269 wie auch das Hongkonger Recht270 unterwerfen Commercial Papers ohnehin der allgemeinen Prospektpflicht, sodass es auch in diesen Rechtsordnungen nicht auf das Rating ankommt. In seiner Marktinformationsfunktion ist das Rating freilich auch für diese Finanzmärkte von erheblicher Bedeutung,271 was sich etwa darin äußert, dass die geringe Ratingdichte am Hongkonger Markt für Commercial Paper als zentraler Grund für dessen geringe Entwicklung genannt wird.272
Dass ein gutes Rating im U.S.-amerikanischen Recht als ausreichender Ersatz für die gesetzliche Prospektpublizität akzeptiert wird, dürfte die überragende Bedeutung seiner Marktinformationsfunktion widerspiegeln: Erwerber U.S.-amerikanischer Commercial Papers verlassen sich ohnehin auf den Namen des Emittenten und das Rating,273 bei dessen Fehlen nahezu kein Investor kurzfristige Schuldverschreibungen kaufen würde.274 Heute sind daher fast 100% der Commercial Papers in den U.S.A. durch die drei großen NRSROs geratet.275 § 3(a)(3) Securities Act vollzieht damit rechtlich nur nach, dass Ratings die einzigen Risikoinformationen sind, die durch die Marktteilnehmer tatsächlich beachtet werden.
266 Sofern die konkrete Emission über kein Rating verfügt, kann die SEC die notwendige „prime quality“ theoretisch auch auf Grundlage einer umfangreichen Einzelfallprüfung bejahen – in der Praxis hat dies keinerlei Bedeutung erlangt (Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 460; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 3, S. 91 f.). 267 Art. 2 Abs. 1 lit. a EG-Prospektrichtlinie (für Geldmarktinstrumente mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten). 268 § 2 Abs. 1 WpPG (dto.). 269 Art. 1156 OR differenziert nicht nach der Laufzeit der begebenen Anleihensobligationen; vgl. Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 13; Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 2 ff. 270 Eastwell, Law Lectures for Practitioners (1987), S. 1, 7. 271 So zum deutschen Markt Just/Voß/Ritz/Zeising/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rn. 69 (die anmerken, dass hier typischerweise nur Emittenten höchster Bonität akzeptiert werden); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 14.32. 272 Lejot/Arner/Qiao, Asia’s Bond Market, S. 22. 273 Gruson, WM 1995, 89, 98; Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 153; Slovin/Sushka/ Hudson, 7 J. Int’l Money & Fin. (1988), 289, 298; Stigum/Crescenzi, Stigum’s Money Market, S. 981. 274 Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 140: „as a practical matter“. 275 Stigum/Crescenzi, Stigum’s Money Market, S. 980. In den 1980er Jahren (d.h. vor dem Anwachsen des Marktes für komplexe Finanzinstrumente; vgl. zu diesem noch § 10) besagten Schätzungen, dass die Rating-Agenturen zwischen einem Drittel und der Hälfte ihrer Ratingaufträge infolge dieser Regulierungsfunktion ihrer Ratings erhielten (so Littmann, Wirtschaftswoche vom 25.8.1989, S. 78).
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
2. U.S.-amerikanisches Recht: Einschränkung der Registrierungsund Prospektpflicht für Fremdkapitaltitel mit „investment grade“-Rating (bis 2011) Darüber hinaus sah das U.S.-amerikanische Markteintrittsrecht lange Zeit mehrere Privilegien für als „investment grade“ eingestufte Finanzinstrumente vor, indem es die gesetzlich vorgeschriebenen Publizitätspflichten für Finanztitel dieser Art – unabhängig von deren Laufzeit, also auch langfristige Anleihen erfassend – nicht völlig entfallen ließ, aber doch spürbar senkte: Ein „investment grade“-Rating wurde damit als teilweises Prospektsubstitut eingestuft. Diese regulatorische Privilegierung wurde jedoch im Jahre 2011 in Umsetzung des Dodd–Frank Acts abgeschafft.276 a) Stark reduzierter Prospektinhalt bei Anleihen und preferred stock mit „investment grade“-Rating (Form S–3 zum Securities Act of 1933) (bis 2011) Das Rating einer Anleihe zeitigte zunächst insoweit Auswirkungen, als es um den gesetzlich geforderten Prospektinhalt ging. aa) Abgestufte gesetzliche Markteintrittspublizität unter Zugrundelegung der Efficient Market Hypothesis Das U.S.-amerikanische Kapitalmarktrecht sieht für den Markteintritt von Wertpapieren traditionell ein abgestuftes Publizitätssystem vor und unterscheidet zu diesem Zweck zwischen drei Registrierungsformularen (Form S–1, Form S–2 und Form S–3), die für unterschiedliche Kategorien von Wertpapieren einen jeweils unterschiedlich umfangreichen Prospektinhalt fordern. Form S–3,277 welches den geringsten Prospektinhalt verlangt und der Investorenöffentlichkeit gegenüber damit auch das geringste Maß an Markteintrittspublizität bietet278 (was für den Emittenten gleichzeitig die geringstmöglichen Emissionskosten bedeutet279), ist dabei für solche Emittenten gedacht, die infolge ihrer bestehenden Marktpräsenz ohnehin von professionellen Analysten und Investoren beobachtet („widely followed“) werden280 und bezüglich derer der Markt daher bereits ausreichend informiert ist.281 Die gesetzliche Markteintrittspublizität ist also als 276
Siehe dazu noch unter a) dd) und bb). 17 C.F.R. § 239.13. 278 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1267; Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 604 Fn. 159; Hazen, Treatise, § 3.4[4][C]; kritisch Rishi, 46 Ohio St. L.J. (1985), 223, 237: deutlich geringerer Informationsgehalt als nach Form S–1 oder S–2. 279 Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 461; Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 155; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 339 f. 280 SEC Release 33–6331, 34–18007, IC–11888 vom 6. Aug. 1981, 46 FR 41902 ff.: „… because such companies are widely followed by professional analysts and investors in the market place“. 281 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 604 Fn. 161; Hazen, Law of Securities Regulation, § 3.4[4][C]. 277
§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität
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abgestufte Ergänzung zum bereits existierenden Informationsstand am Markt konzipiert.282 Das beschriebene Regelungskonzept basiert auf der Hypothese effizienter Märkte (Efficient Market Hypothesis),283 wie die SEC sowohl in den Entwurfsmaterialien284 als auch in der amtlichen Regelungsbegründung zu Form S–3285 ausdrücklich klarstellte. Es handelt sich damit um einen der seltenen Fälle, in denen ein Recht setzendes Organ explizit zur informationstheoretischen Grundlage einer gesetzlichen Publizitätsvorschrift Stellung genommen hat,286 wobei den diesbezüglichen Ausführungen der SEC deshalb besondere Bedeutung zukommt, weil sie aus Anlass einer grundsätzlichen Neuausrichtung des U.S.amerikanischen Publizitätssystems – nämlich der Einführung des sog. Integrated Disclosure Systems im Jahre 1982 – erfolgten. Die SEC betrachtet die Efficient Market Hypothesis dabei nicht lediglich als Hypothese, als die sie ursprünglich formuliert wurde, sondern geht von ihrer tatsächlichen Geltung auf den betroffenen Märkten aus, wie sich aus der Betonung des „Commission’s belief that the market operates efficiently for these companies“287 ablesen lässt. Einen effizienten Markt sieht man dabei in denjenigen Fällen gegeben, in denen Aktien des Emittenten mit einem Markwert von mindestens USD 150 Mio. am Markt gehalten werden (sog. „float“)288 – dies wurde folglich als Voraussetzung für die Verwendung des Form S–3 normiert. bb) Das „investment grade“-Rating als Beweis der effektiven Emittentenüberwachung durch die Rating-Agenturen sowie als Investoreninformation Soweit die Emission von Anleihen (non-convertible securities) betroffen ist, ermöglichte Form S–3 in seiner bis 2011 geltenden Fassung einen Markteintritt mit 282 SEC Release 33–6331, 34–18007, IC–11888 vom 6. Aug. 1981, 46 FR 41902 ff. spricht von einer Regelung „that is simple and rational and is consistent with its intention to classify registrants on the basis of the degree of information disseminated and analyzed in the marketplace“. 283 Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 150. 284 SEC Release 33–6331, 34–18007, IC–11888 vom 6. Aug. 1981, 46 FR 41902 ff.: „Proposed Form S–3 recognizes the applicability of the efficient market theory to the registration statement framework with respect to those registrants which usually provide high quality corporate reports, including Exchange Act reports, and whose corporate information is broadly disseminated, because such companies are widely followed by professional analysts and investors in the market place.“ 285 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262 ff.: „Form S–3, in reliance on the efficient market theory, …“. 286 Vgl. dazu schon § 5 III 1 b). 287 SEC Release 33–6331, 34–18007, IC–11888 vom 6. Aug. 1981, 46 FR 41902 ff. 288 Form S–3(b)(1) (1982) (17 C.F.R. § 239.13(b)(1) (1982)) – dieser Grenzwert wurde gewählt, weil Umfragen unter professionellen Marktteilnehmern ergeben hatten, dass Analysten üblicherweise Unternehmen ab diesem Marktwert einer dauerhaften Beobachtung unterwarfen; vgl. SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262 ff.: „an appropriate measure of marketplace following“. Durch eine Regeländerung im Jahre 1992 wurde der verlangte Marktwert später auf USD 75 Mio. gesenkt.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
reduzierter Prospektpublizität hingegen auch ohne Erreichen des beschriebenen floats, sofern die Anleihen durch mindestens eine NRSRO als „investment grade“ geratet waren.289 Von der Einschränkung des vorgeschriebenen Prospektinhalts profitierten auf diese Weise auch Emittenten, die nur über eine geringere Marktkapitalisierung, aber eine gute Bonität verfügten. Das in Form S–3 vorgeschriebene Mindestrating sollte dabei zwei unterschiedlichen (und wohl nicht immer kompatiblen) Zwecken dienen: Zum einen ersetzte es den ansonsten erforderlichen float, der wiederum als Indikator für eine effiziente Überwachung des Emittenten durch Finanzanalysten und Investorenöffentlichkeit fungierte.290 Das Rating wurde also als (codierte) Zusammenfassung der am Markt verfügbaren Informationen über Emittent und Emission eingesetzt, die durch anerkannte Rating-Agenturen erstellt wurde.291 Letztere wurden somit gleichzeitig als Ersatz für andere Informationsintermediäre und die allgemeine Investorengesamtheit angesehen, an deren Stelle sie den Emittenten überwachen.292 Zum anderen wurde das Abstellen auf ein „investment grade“-Rating damit begründet, dass Investitionsentscheidungen bei bonitätsstarken Anleihen üblicherweise allein auf Grundlage von Zinssatz und Rating gefällt werden und ein ausführlicher Prospekt aus diesem Grund überflüssig sei.293 In dieser Aussage liegt nichts anderes als eine Anerkennung der hier vertretenen Auffassung,294 der zufolge das Rating infolge seiner „Codierung“ die aus Investorensicht entscheidende Marktinformation darstellt.295 Sie ist allerdings kaum mit der gleichzeitigen Zugrundelegung der Efficient Market Hypothesis vereinbar, nach der die am Markt agierenden Investoren in ihrer Gesamtheit gerade alle verfügbaren Informationen über den Emittenten und die Emission (und eben nicht nur das Rating) aufnehmen und verarbeiten, bevor sie eine Investitionsentscheidung treffen.296
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Form S–3(b)(2) in der bis zum 1. September 2011 geltenden Fassung. Zutreffend Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 339. 291 SEC Release 33–6331, 34–18007, IC–11888 vom 6. Aug. 1981, 46 FR 41902 ff.: „security ratings are also based on marketplace information about the registrant which is analogous to the efficient market for widely followed equity securities.“ 292 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 604. Diesem Grundgedanken zustimmend Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 340. 293 SEC Release 33–6331, 34–18007, IC–11888 vom 6. Aug. 1981, 46 FR 41902 ff.; SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1270: „with respect to offerings of high quality debt a detailed prospectus is unnecessary since such securities are generally purchased on the basis of interest rates and security ratings“. 294 Siehe dazu bereits näher in § 5 IV. 295 Vgl. SEC Release 33–6331, 34–18007, IC–11888 vom 6. Aug. 1981, 46 FR 41902 ff.: „Moreover, security ratings issued by nationally recognized statistical rating organizations are widely used and relied upon by the marketplace.“ 296 Siehe zu den informationstheoretischen Modellannahmen der Efficient Capital Market Hypothesis § 5 III 1. 290
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cc) Kritik an der Regulierungsfunktion des Ratings in Form S–3 Obwohl die Verwendung von Ratings bei Schaffung des Form S–3 überwältigende Zustimmung erfuhr,297 wurde sie in der U.S.-amerikanischen Literatur kritisiert. So wurde zum einen vorgebracht, ein „investment grade“-Rating könne eine umfassende Prospektpublizität nicht ersetzen, weil die Information des Marktes durch einen umfangreicheren Prospektinhalt zugleich die Wahrscheinlichkeit erhöhe, dass Ratings zutreffend erstellt werden298 – ein Argument, welches schon deshalb nicht überzeugt, weil die Rating-Agenturen im Regelfall der beauftragten Ratingerstellung ihre Informationen überwiegend direkt vom Emittenten erhalten und daher gar nicht auf dessen Prospektveröffentlichungen angewiesen sind. Ihnen werden auf diesem Wege nicht selten sogar emittentenbezogene Informationen vertraulicher Natur zugänglich gemacht, die im Prospekt nicht angegeben würden, weshalb die Rating-Agentur dem Markt durch ihre Ratings einen Informationsgehalt vermitteln, der über den durch die gesetzlichen Publizitätsbestimmungen erzeugten Informationsstand hinausgeht.299 Einer Information der Rating-Agenturen durch den Prospekt bedarf es daher nur, soweit es um unbeauftragte (und daher allein auf Grundlage öffentlich zugänglicher Quellen erstellte) Ratings300 geht, die jedoch lediglich eine kleine Minderheit der erstellten Ratings darstellen. Zum anderen wurde bemängelt, dass Form S–3 mit seiner Ratingverwendung implizit von der Richtigkeit und Verlässlichkeit der Ratings ausging und den Investoren daher signifikante Risiken drohten, sofern sich ein Rating als unzutreffend herausstellte.301 Gegen diese Kritik lässt sich auf Grundlage der Efficient Market Hypothesis – auf der das U.S.-amerikanische Prospektpublizitätssystem bekanntlich beruht – einwenden, dass die Investorenöffentlichkeit ja ihrerseits die am Markt verfügbaren Informationen auswertet und durch deren Fehlbewertung auf Seite einer Rating-Agentur nicht entscheidend beeinflusst werden dürfte. Folgt man hingegen dem hier vertretenen Erklärungsansatz, der Ratings aufgrund ihrer Codierung als Information ansieht, deren Grundlagen die Investorenöffentlichkeit auf anderem Wege faktisch gar nicht erreichen,302 so kommt diesem Kritikpunkt in der Tat Gewicht zu: Aufgrund der Regulierungsfunktion des Ratings, die zu deren Marktinformationsfunktion hinzutritt, erhöhen sich notwendigerweise auch die Auswirkungen unzutreffender Bonitätsbeurteilungen. Deutlich schwerer dürfte allerdings die Erkenntnis wiegen, dass Rating-Agenturen im Rahmen ihrer Tätigkeit eben keine umfassende Risikobewertung von 297
SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1269 f. 298 Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 26 Fn. 43. 299 Siehe dazu bereits im Einzelnen die Ausführungen in § 5 III 1 a) cc) (1). 300 Zu diesem Ratingtyp § 2 IV 3 b) bb). 301 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 605. 302 Siehe § 5 IV.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Anleihen bzw. preferred stock und daher auch keine umfassende Überwachung des jeweiligen Emittenten leisten, sondern ausschließlich die Bonität des betreffenden Fremdkapitaltitels beurteilen.303 Da die Prospektpublizität, die nach dem alten Form S–3 durch das Rating teilweise ersetzt werden konnte, jedoch sachlich erheblich weiter zielt und auf eine umfassende Information der Anleger über alle investitionsrelevanten Risiken (und nicht allein das Bonitätsrisiko) gerichtet ist,304 vermag auch ein „investment grade“-Rating die Investorenöffentlichkeit nur punktueller zu informieren, als der Publizitätszweck dies verlangt.305 Wenn das Rating daher im Rahmen des früheren Form S–3 im Sinne eines allgemeinen Gütesiegels verwandt wurde, ließ sich dies nur auf ein Missverständnis der U.S.amerikanischen Aufsichtsbehörde SEC zurückführen.306 dd) Aufhebung der Ratingbezugnahme in Form S–3 in Umsetzung des Dodd–Frank Acts (2011) In dem allgemeinen Bestreben, den verbreiteten Einsatz regulatorischer Ratingbezugnahmen einzuschränken, um dadurch dem befürchteten Eindruck eines „offiziellen Gütesiegels“ zugunsten von Ratings entgegenzuwirken, schlug die SEC im Jahre 2008 erstmals die Abschaffung der Ratingschwelle in Form S–3 vor.307 Sie stellte denselben Regelungsvorschlag 2009 sodann noch ein weiteres Mal zur Diskussion,308 ohne ihn jedoch umzusetzen. Eine entsprechende Änderung erfolgte erst im dritten Anlauf, nämlich 2011 in Umsetzung des Dodd– Frank Acts.309 Die verabschiedete Neufassung des Form S–3310 setzt anstelle des vormalig verlangten „investment grade“-Ratings nunmehr voraus, dass der Emittent von Anleihen (non-convertible securities) bei deren Registrierung entweder noch registrierte Anleihen im Marktwert von USD 750 Mio. ausstehen oder während der zurückliegenden drei Jahre registrierte Anleihen im Marktwert von USD 1 Mrd. emittiert hat.311 Mit diesen Anforderungen wird somit auch für non-convertible securities zur Grundregel des Form S–3 zurückgekehrt, nämlich dem Abstellen 303
Siehe bereits § I 1 a)–c). Dazu schon oben unter I. 305 Vgl. Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 605; Gordon/Kornhauser, 60 N.Y.U. L. Rev. (1985), S. 761, 817. 306 Siehe zu diesem Phänomen noch näher in § 17 III 2. 307 SEC Release 33–8940, 34–58071 „Security Ratings“ (Proposed rule) vom 1. Juli 2008, 73 FR 40106 ff. (11. Juli 2008). 308 SEC Release 33–9069, 34–60790, IA–2932, IC–28940 „References to Ratings of Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (Proposed rule; re-opening of comment period; request for additional comments) vom 5. Okt. 2009, 74 FR 52374 ff. (9. Okt. 2009). 309 Durch SEC Release 33–9245, 34–64975 „Security Ratings“ (Final rule) vom 27. Juli 2011, 76 FR 46603 ff. (3. Aug. 2011). Vorausgegangen war SEC Release 33–9186, 34–63874 „Security Ratings“ (Proposed rule) vom 9. Feb. 2011, 76 FR 8946 ff. (16. Feb. 2011). 310 Die Änderungen traten zum 2. September 2011 in Kraft. 311 Form S–3(b)(2)(i), (ii) in der seit dem 2. September 2011 geltenden Fassung (17 C.F.R. § 239.13(b)(2)(i), (ii)). 304
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auf eine bestimmte Marktpräsenz (indiziert durch den float312), bei deren Bestehen von einer hinreichenden Beobachtung des Emittenten durch die professionelle Investorenöffentlichkeit („widely followed“) ausgegangen wird.313 Dieses Kriterium stellt jedenfalls dann, wenn man den informationsökonomischen Annahmen der SEC folgt, einen treffenderen Regelungsparameter dar als die zuvor verwandte Ratingbezugnahme, die eine Bonitätseinschätzung als Ersatz einer umfassenden Prospektpublizität verwandte. Die ratingunabhängige Neufassung des Form S–3 beseitigte folglich eine Fehlverwendung der Regulierungsfunktion des Ratings und ist daher zu begrüßen. b) „Shelf registration“ bei Anleihen und preferred stock mit „investment grade“-Rating (Rule 415 zum Securities Act of 1933) (bis 2011) Das Vorliegen eines „investment grade“-Ratings erlaubte es dem Emittenten nach U.S.-amerikanischem Prospektrecht bis 2011 zudem, die gerateten Anleihen oder Vorzugsakten bereits „auf Vorrat“ zu registrieren (sog. „shelf registration“) und sodann erst später am Markt zu platzieren, ohne dass die Registrierungsunterlagen einschließlich des Prospekts erneut eingereicht werden mussten (Rule 415 zum Securities Act of 1933314). Da bei der späteren Emission in diesem Fall weitgehend auf die bereits zuvor veröffentlichten Unterlagen verwiesen werden darf (incorporation by reference), führt eine solche „shelf registration“ zu einem deutlich geringeren, weil weniger leicht zugänglichen Publizitätsbestand315 und birgt für den Investor zudem das Risiko, dass er die angebotenen Wertpapiere auf Grundlage veralteter und überholter Informationen erwirbt.316 Für den Emittenten ist sie hingegen mit erheblichen wirtschaftlichen Vorteilen verbunden, weil sie den Registrierungsprozess zum Zeitpunkt der Emission deutlich verkürzt317 und es ihm daher ermöglicht, kurzfristige günstige Marktlagen auszunutzen.318 In der U.S.-amerikanischen Praxis war und ist sie aus diesem Grund überaus bedeutsam.319 312
Siehe dazu schon oben aa). SEC Release 33–9245, 34–64975 vom 27. Juli 2011, 76 FR 46603, 46606. 314 Rule 415 (17 C.F.R. § 230.415), deren vollständiger Titel „Delayed or Continuous Offering and Sale of Securities“ lautet. 315 Deshalb kritisch Rishi, 46 Ohio St. L.J. (1985), 223, 229 f. Wie beträchtlich der informationelle Unterschied aus Sicht des Investors sein kann, wird vielleicht anhand des Umstands deutlich, dass dem Investor bei Erwerb einer solchen Anleihe nur ein Kurzprospekt zugeht, während die durch Verweis einbezogenen, älteren Registrierungsunterlagen bei Erlass der Rule 415 im Jahre 1983 noch nicht einfach über das Internet eingesehen werden konnten, sondern aufgrund des damaligen Standes der technischen Entwicklung nur in Papierform bei der SEC und manchen professionellen Informationsintermediären vorhanden waren. 316 Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 1, S. 539. 317 Vgl. aus den 1980er Jahren Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 533: Verkürzung von einem Monat auf wenige Tage; aus jüngerer Zeit Oakes/MacNeil, 4 CMLJ (2009), 155, 158 f.: u.U. sogar in wenigen Stunden. Hinzu kommen geringere Emissionskosten; vgl. Rishi, 46 Ohio St. L.J. (1985), 223, 227. 318 Oakes/MacNeil, 4 CMLJ (2009), 155, 158 ff.; Rishi, 46 Ohio St. L.J. (1985), 223, 228. 319 Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 89. 313
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Die Ratinganforderung in Rule 415 ergab sich dabei bis 2011 schlicht daraus, dass die Möglichkeit der „shelf registration“ nach dem Wortlaut dieser Rule bezüglich solcher Wertpapiere eröffnet ist, die nach Form S–3 registriert wurden oder registriert werden könnten.320 Soweit Anleihen und preferred stock betroffen sind, wurde damit folglich auch auf das in Form S–3 bis zu seiner Neufassung vorausgesetzte Mindestrating Bezug genommen. Die Bedenken gegen das teilweise Ersetzen der Prospektpublizität durch das „investment grade“-Rating, die im Text bereits dargestellt wurden, griffen daher auch für Rule 415. Hinzu trat hier die Gefahr, dass ein Emittent nach dieser Regelung neue Wertpapiere emittiert, obgleich das zugrunde liegende Rating mittlerweile veraltet ist und zwischenzeitliche Entwicklungen und Risiken daher nicht widerspiegelt321 – freilich ergab sich diese Gefahr weniger aus der Regulierungsfunktion des Ratings als aus dem Wesen der „shelf registration“, ist sie doch jeder (auch ratingunabhängiger) Vorratsregistrierung immanent.322 Aus diesem Grund wird eine shelf registration nicht in jeder Rechtsordnung zugelassen: Dem Hongkonger Recht ist sie etwa gänzlich unbekannt,323 und im deutschen wie auch EU-Prospektrecht324 ist sie deutlich zurückhaltender ausgestaltet und legt dem Emittenten (ratingunabhängig) erheblich umfangreichere Pflichten zur aktuellen Publizität auf, als dies das U.S.-amerikanische Recht in seiner Rule 415 tut.325
Seit 2011 spielt das Rating freilich auch im Rahmen der Rule 415 keine Rolle mehr, weil der darin in Bezug genommene Form S–3 geändert wurde und seitdem auf andere Kriterien abstellt. Die im U.S.-amerikanischen Finanzmarktrecht lange Jahre geltende Einschränkung der Registrierungs- und Prospektpflicht für Fremdkapitaltitel mit „investment grade“- Rating besteht daher heute nicht mehr.
3. Schweizer Prospektrecht: Emissionsrating als Substitut für Angaben zur Emittentenfinanzlage bei Anleihen deutscher Bundesländer Die Regularien der Schweizer Börse326 sehen schließlich vor, dass bei Anleihen ausländischer Gebietskörperschaften die generell erforderlichen Angaben über den Emittenten327 im Kotierungsprospekt gekürzt werden können. Nach feststehender Zulassungspraxis328 profitieren von dieser Privilegierung allerdings nur 320
Rule 415(a)(1)(x) (17 C.F.R. § 230.415(a)(1)(x)). Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 607: „a real risk“. 322 Vgl. Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 1, S. 539. 323 Mazzochi/Flinn/Siu, HK Lawyer (Nov. 2005), 31, 39. 324 § 12 Abs. 2–4 WpPG und Art. 12 EG-Prospektrichtlinie. 325 Oakes/MacNeil, 4 CMLJ (2009), 155, 168 sprechen daher von einer „limited form of shelf registration“ (zur EG-Prospektrichtlinie). 326 Art. 19 Abs. 2 Zusatzreglement für die Kotierung von Anleihen der SIX Swiss Exchange, in Kraft seit dem 1.7.2009. 327 Art. 13 Abs. 1 Zusatzreglement für die Kotierung von Anleihen i.V.m. Schema E Tz. 1–1.5.5. 328 Mitteilung des Regulatory Board Nr. 2/2009 vom 17.4.2009 („Praxisänderung für öffentlich-rechtliche Emittenten bzw. Garanten bezüglich Prospektinhalt bei Anleihen“), sub. II C. 321
§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität
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ausländische öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften auf der „Stufe Staat“, d.h. nicht auch Länder/Kantone, Gemeinden oder öffentlich-rechtliche Anstalten, die weiterhin sämtliche Transparenzerfordernisse erfüllen müssen. Für deutsche Bundesländer gilt insoweit jedoch eine Sonderregelung, die eine Ratingangabe als punktuelles Prospektsubstitut akzeptiert: „Unter der Bedingung, dass im Prospekt Angaben zum Rating der Anleihe enthalten sind“, dürfen danach auch (insoweit als unterstaatlich eingeordnete) deutsche Bundesländer auf Angaben zu ihrer Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie laufende (und potentiell bonitätsrelevante) Gerichts-, Schieds- und Administrativverfahren verzichten329 – einer Erleichterung, die den Aufwand der Prospekterstellung wie auch die damit verbundenen Kosten maßgeblich reduziert. Es wird zu diesem Zweck zwar kein bestimmtes Mindestrating verlangt, wohl aber irgendein Emissionsrating vorausgesetzt, weil andernfalls keine Angaben zum Rating der Anleihe gemacht werden könnten.330
IV. Zusammenfassende Würdigung 1. Rechtsvergleichender Befund Die rechtsvergleichende Untersuchung hat gezeigt, dass private Ratings sich in rechtlicher Hinsicht verschiedentlich auf die gesetzlich geregelte Markteintrittspublizität auswirken. a) Regelungsphilosophien der Prospektrechte Die grundsätzlichen Positionen, welche die einzelnen Rechtsordnungen insofern einnehmen, sind zunächst vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen (und gelegentlich selbst innerhalb ein und derselben Rechtsordnung divergierenden) Regelungsphilosophien bei Ausgestaltung der Prospektpublizität zu sehen: Während alle vier untersuchten Rechte in bemerkenswerter Übereinstimmung die umfassende Information der Investoren über die entscheidungserheblichen Merkmale der angebotenen Anleihe einschließlich deren Risiken als Ziel der Prospektpublizität benennen, wird zur Erreichung dieses Ziels nämlich teilweise auf generalklauselartige Umschreibungen des erforderlichen Prospektinhalts (so im deutschen Prospekthaftungsrecht331 und im gesetzlichen Emissionsprospektrecht der Schweiz332), teilweise dagegen auf enumerative Auflistungen der nötigen Prospektangaben (so die EG-ProspektVO,333 in der Schweiz die dortigen 329
Mitteilung des Regulatory Board Nr. 2/2009, a.a.O., sub. II D. Man könnte nun freilich argumentieren, dass der Prospekt auch dann Angaben zum Rating der Anleihe enthält, wenn er eben über das Fehlen eines Ratings informiert – Sinn und Zweck der Prospektanforderungen lassen es jedoch zweifelhaft erscheinen, ob dies ausreichen kann. 331 Oben II 1 a). 332 Oben II 2 a) bb). 333 Oben II 1 b) bb). 330
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Emissionsprospektvorgaben für ausländische Notes334 und die Kotierungsprospektanforderungen der Börse,335 sowie das U.S.-amerikanische Prospektrecht336) und schließlich auf eine Kombination beider Regelungsansätze (so in Hongkong sowohl das gesetzliche Emissionsprospektrecht als auch das Zulassungsprospektrecht der dortigen Börse337) gesetzt. b) Prospektpflichtigkeit von Ratings Innerhalb der in ihren Regelungsansätzen also ganz unterschiedlich verfassten Prospektrechte divergiert sodann auch die Haltung zur Prospektpflichtigkeit von Ratings, ohne dass beide Gesichtspunkte in einheitlicher Weise zusammenspielen. So werden Ratings im europäischen Prospektrecht ausdrücklich,338 im deutschen Prospekthaftungsrecht zumindest nach vorzugswürdiger Ansicht339 und der Schweiz teils explizit,340 teils implizit341 als im Grundsatz als prospektpflichtige Informationen eingeordnet und damit mittelbar mit prospekthaftungsrechtlichen sowie strafrechtlichen Sanktionen ausgestattet, sofern ihre Nennung im Prospekt unterlassen wird. So ausgestaltete Prospektrechte erkennt die Bedeutung von Ratings als Marktinformationen also nicht nur an,342 sondern integrieren sie in die gesetzliche Prospektpublizität. In den U.S.A. und Hongkong wird demgegenüber deutlicher zwischen privater und gesetzlicher Markteintrittspublizität getrennt, indem entweder gar keine Prospektpublizität von Ratings vorgesehen ist (so in Hongkong343) oder lediglich freiwillige Ratingangaben gestattet werden (in den U.S.A.344), die man bis vor kurzem durch haftungsrechtliche Anreize zu fördern versuchte.345
334
Oben II 2 a) aa). Oben II 2 b). 336 Oben II 3 a) aa). 337 Oben II 4. 338 Oben II 1 b) bb). 339 Oben II 1 a). 340 So in den selbstregulierenden Vorgaben zu Emissionsprospekten bei Notes ausländischer Schuldner; siehe zu diesen II 2 a) aa). 341 So nach überwiegender, aber umstrittener Auffassung durch die gesetzlichen Anforderungen an Emissionsprospekte bei Anleihensobligationen; siehe dazu II 2 a) bb). Demgegenüber verlangen die geltenden Kotierungsprospektregelungen der schweizerischen Börse hingegen keine Ratingnennung; vgl. dazu II 2 b). 342 Vgl. insoweit aus der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung (das keine Pflicht zur Ratingangabe kennt) J & R Marketing, SEP v. General Motors Corp., 5.3.2008, 519 F.3d 552, 560 (6th Cir. 2008): „Credit ratings are unique. Investors consider credit rating agencies’ opinions important, and investors want to know those opinions, regardless of whether the company agrees or disagrees with the agencies’ opinions.“ 343 Siehe oben II 4. 344 Siehe oben II 3 a) aa). 345 Zur im Jahre 2010 gestrichenen Rule 436(g) unter dem Securities Act of 1933 oben II 3 b) aa). 335
§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität
241
c) Rating als Prospektsubstitut Eine im Ergebnis noch bedeutsamere Rolle weist das Recht dem Rating dort zu, wo es die gesetzliche Prospektpublizität bei Vorliegen eines Ratings ganz entfallen lässt oder erheblich einschränkt, weil das private Rating in diesem Fall als (teilweises) Prospektsubstitut fungiert. Entsprechende Regelungen mit jeweils begrenztem Anwendungsbereich finden sich heute noch in den U.S.A. (für Commercial Paper), obgleich das Ratingerfordernis hier durch aufsichtsbehördliche Praxis und Rechtsprechung begründet wurde, also nicht als geschriebenes Recht besteht,346 und in der Schweiz (für Anleihen deutscher Bundesländer).347 Ihr bislang wichtigstes Beispiel – Form S–3, der bei Anleihen mit „investment grade“Rating einen stark reduzierten Prospektinhalt genügen ließ348 – wurde hingegen im Jahre 2011 neugefasst und ratingunabhängig ausgestaltet.349
2. Bewertung Eine Bewertung der beschriebenen Verschränkungen von gesetzlicher Markteintrittspublizität und privater Marktpublizität hängt von den informationstheoretischen Grundlagen und dem Adressatenmodell ab, die man dabei zugrunde legt. Geht man davon aus, dass die Regelungen zur gesetzlichen Markteintrittspublizität auf der Efficient Market Hypothesis sowie dem Rationalmodell der neoklassischen ökonomischen Theorie350 beruhen, wie dies die U.S.-amerikanische SEC ausdrücklich klargestellt hat,351 es aber auch bezüglich der Publizitätsregelungen des deutschen, schweizerischen und Hongkonger Rechts angenommen wird,352 so ist eine Angabe von Ratings im Prospekt überflüssig, weil die Kenntnis bereits veröffentlichter Ratingeinstufungen für den einzelnen Investor infolge der Informationseffizienz des Kapitalmarktes entbehrlich ist.353 Die Verwendung von Ratings als Prospektersatz muss auf dieser Grundlage hingegen als problematisch erscheinen, weil all diejenigen Informationen, die durch den ganz oder teilweise entbehrlichen Prospekt an den Markt gelangt wären, der Marktöffentlichkeit nunmehr vorenthalten und auch durch das publizierte Rating allein nicht kompensiert werden, weil dieses allein die Bonität des Prospektgegenstandes betrifft.354 Der Einsatz von Ratings als Prospektsubstitut begegnet ganz ähnlichen Bedenken, sofern man – wie etwa der BGH seiner Rechtsprechung zum Prospekt-
346 347 348 349 350 351 352 353 354
Siehe oben III 1. Siehe oben III 3. Siehe oben III 2 a). Siehe § 9 III 2 a) dd). Siehe § 5 III 1 b). Oben III 2 a) aa) sowie bereits § 5 III 1 b) aa). Siehe § 5 III 1 b) bb). Vgl. insoweit schon § 5 III 1 a) aa). Siehe § 2 I 1 a), b).
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
recht355 – die theoretische Annahme zugrunde legt, der Prospekt werde von dem einzelnen Investor tatsächlich genutzt, um sich über das betreffende Wertpapier zu informieren.356 Da Ratings ausschließlich eine Einschätzung des Kreditrisikos kommunizieren,357 können sie die zahlreichen sonstigen Risikofaktoren, über die ein Prospekt nach der so verstandenen Zielvorstellung der Markteintrittspublizität ebenfalls informieren soll, schon aus diesem Grund gar nicht ersetzen. Die Einstufung eines Ratings als ausreichendes Prospektsubstitut spricht danach für ein Missverständnis über den Informationsgehalt von Ratings, die anscheinend als umfassende Risikoeinschätzung („allgemeines Gütesiegel“) angesehen werden.358 Bedenklich ist dies, weil damit der dem Investor zur Verfügung stehende Informationsbestand verknappt wird, ohne dass dies durch die Eröffnung anderer Informationsquellen über bonitätsfremde Risiken ausgeglichen würde. Es zeigt sich darin eine überschießende Zurücknahme der gesetzlichen Publizität, für die die Informationstätigkeit der Rating-Agenturen keinen Ausgleich bietet. Demgegenüber ist die Verwendung von Ratings als Bestandteil der gesetzlichen Prospektpublizität positiver zu bewerten, sofern man das Bild eines „realen“ Investors am Primärmarkt mit begrenzter Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität359 zugrundelegt. Aus dieser Perspektive trägt sie nämlich dem Umstand Rechnung, dass das Rating zumindest auf bestimmten Märkten faktisch derjenige (alleinige) Risikoindikator ist, der durch die Investoren bei ihrer Anlageentscheidung beachtet wird,360 während gesetzlich vorgeschriebene Prospekte kaum als Informationsquelle dienen.361 Die Nennung von Ratings im Prospekt erscheint danach als überflüssig, weil sie den Investor bereits infolge ihrer Eigenschaft als verständliche Marktinformation erreichen, wohingegen die Substituierung von Prospektinhalten durch ein Rating deshalb nicht als schädlich einzustufen ist, weil diese von einem „realen“ Investor ohnehin nicht aufgenom-
355 So unterstellt der BGH in ständiger Rechtsprechung, dass der Emissionsprospekt in der Regel die einzige Informationsquelle für den Anlageinteressenten darstellt; vgl. in diesem Sinne BGH, 31.5.1990, BGHZ 111, 314, 317; BGH, 8.6.2004, NJW 2004, 3420, 3421. 356 So geht etwa der BGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Emissionsprospekt in der Regel die einzige Informationsquelle für den Anlageinteressenten darstellt; vgl. in diesem Sinne BGH, 31.5.1990, BGHZ 111, 314, 317; BGH, 8.6.2004, NJW 2004, 3420, 3421; BGH, 31.5.2011, NJW 2011, 2719, 2720 („Dritter Börsengang Deutsche Telekom“): „Der Prospekt stellt in der Regel für den Anlageinteressenten die wichtigste und häufigste Informationsquelle dar und bildet die Grundlage für seine Anlageentscheidung“. 357 Siehe § 2 I 1 a), b). 358 Siehe noch § 17 III 2. 359 Dazu § 5 IV. 360 Treffend insbesondere die Materialien zum U.S.-amerikanischen integrated disclosure system und dessen Form S–3 (oben III 2 a) bbb)): „with respect to offerings of high quality debt a detailed prospectus is unnecessary since such securities are generally purchased on the basis of interest rates and security ratings“ (SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1270). 361 Koch, BKR 2012, 485, 486; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 11.48.
§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität
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men werden.362 Die diesbezüglichen Regelungen des U.S.-amerikanischen Rechts363 sind danach als begrüßenswerte Beispiele für eine adressatengerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen364 zu sehen.
362 Freilich darf nicht übersehen werden, dass den gesetzlichen Vorgaben zur Prospektpublizität neben der Information der Prospektadressaten noch eine zweite Aufgabe zukommt, weil sie darüber hinaus als Grundlage des prospekthaftungsrechtlichen Schutzes der Investoren fungieren (siehe zu dieser Doppelfunktion und den daraus erwachsenden Schwierigkeiten noch § 18 II 1 b)): Eine Verknappung des vorgeschriebenen Prospektinhalts reduziert daher zugleich die Bezugspunkte für eine haftungsrechtliche Verantwortung des Emittenten. 363 Oben III 1, 2. 364 Siehe zu diesem allgemeinen Ziel noch näher in § 18.
§ 10 Ratings am Markt für komplexe Finanzinstrumente I. Einleitung Der Markt für „traditionelle“ Anleihen – also von Banken, Industrieunternehmen und Staaten begebene festverzinsliche Schuldverschreibungen, deren Rückzahlung vor allem von der Bonität des Emittenten abhängt – war der ursprüngliche und lange Zeit auch einzige Markt, auf dem Rating-Agenturen als Informationsintermediäre auftraten. Ab den 1990er Jahren kam es sodann, ausgehend von den U.S.A., zu einer stetig zunehmenden Emission sog. „strukturierter“, auf einer Verbriefung von Forderungen beruhender Finanzinstrumente, die sich bald zu einem gesonderten Segment der Finanzmärkte entwickelten. Ratings spielten auf diesem Markt sowohl in ihrer Marktinformations- als auch ihrer Regulierungsfunktion eine zentrale Rolle,1 die in ihrer Bedeutung alsbald noch über diejenige am Markt für „traditionelle“ Anleihen hinausreichte2 und sich zugleich in mancherlei Hinsicht von dieser unterschied. In Anbetracht dieser Besonderheiten ist die Rolle von Ratings am Markt für komplexe Finanzinstrumente hier gesondert zu untersuchen.
1. „Komplexe“ Finanzinstrumente als faktisches und rechtliches Phänomen Der Begriff des „komplexen Finanzinstruments“3 wird dabei als Oberbegriff für Finanzinstrumente verwandt, die sich durch ihre komplexe Struktur von „traditionellen“ Anleihen unterscheiden. Ihre Erscheinungsformen sind im Einzelnen ebenso unterschiedlich wie ihre Bezeichnungen uneinheitlich, zumal die Strukturen ständig weiterentwickelt (und dabei vielfach umbenannt) werden.4 Es muss daher an dieser Stelle genügen, eine Reihe typischer Beispiele zu nennen:5 1 SEC Release IC–19105 „Exclusion from the Definition of Investment Company for Structured Financings“ (Final Rule) vom 19. Nov. 1992, 57 FR 56248 ff. (27. Nov. 1992): „The involvement of rating agencies represents one of the most significant attributes of the structured finance market.“ 2 Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1093; Fender/Mitchell, Fin. Stab. Rev. 2005, 127, 130 Fn. 5; Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675, 678; Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 17. 3 Ähnlich im U.S.-amerikanischen Schrifttum Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1084 f.: „complex debt“; im Hongkonger Schrifttum Lejot, 38 HKLJ (2008), 585: „complex financial instruments“. 4 Eggen, SZW/RSDA 2008, 380, 381. 5 Der Schweizer Gesetzgeber hat aus eben diesem Grund von einer Legaldefinition des „strukturierten Produkts“ (Art. 5 KAG) abgesehen; vgl. Eggen, Der vereinfachte Prospekt, S. 103; dies., SZW/RSDA 2008, 380, 381.
§ 10 Ratings am Markt für komplexe Finanzinstrumente
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a) Spielarten komplexer Finanzinstrumente Die größte Bedeutung kommt insgesamt wohl der Verbriefung von Forderungen zu, die zu diesem Zweck auf eine Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle) übertragen werden, die ihrerseits festverzinsliche Finanzinstrumente begibt, deren Zins- und schließlich Rückzahlung sodann durch die verbrieften Forderungen finanziert werden. Verbriefungen werden vielfach synonym als „strukturierte Finanzinstrumente“ bezeichnet6 – ein gängiger, aber nur begrenzt aussagekräftiger Begriff, da schließlich jedes Finanzinstrument eine Struktur aufweist (nur eben nicht notwendigerweise eine hoch komplexe). Präziser ist demgegenüber die Bezeichnung als Asset-Backed Security (ABS) für mit Forderungen „unterlegte“ Wertpapiere, die insoweit eine strukturelle Ähnlichkeit mit Pfandbriefen aufweisen.7 Im Gegensatz zu Pfandbriefen auf Grundlage des deutschen PfandBG8 können Asset-Backed Securities allerdings mit unterschiedlichsten Forderungen (wie etwa aus Leasing-, aus Kreditkartengeschäften9 oder – in den U.S.A. verbreitet – aus Arzt- und Krankenhausbehandlungen) unterlegt sein, da theoretisch jede Zahlungsforderung verbrieft werden kann.10 In der Praxis finden sich als Unterformen Mortgage-Backed Securities, die durch Grundpfandrechte unterlegt sind,11 und die sich weiter in Commercial Mortage-Backed Securities und Residential Mortgage-Backed Securities12 unterteilen lassen. (Die letztgenannte Unterform umfasst auch subprime mortgages, deren Verbriefung letztlich Auslöser der globalen Finanzkrise 2007–09 war.13) Zu den komplexen Finanzinstrumenten zählen des Weiteren Collateral Debt Obligations (CDOs), die als Oberbegriff wiederum Collateral Loan Obligations (Verbriefungen von Darlehensforderungen)14 und Collateral Bond Obligations (Verbriefungen von Forderungen aus Anleihen)15 umfassen. Forderungen aus CDOs können zudem ihrerseits wieder verbrieft werden; man spricht dann von „CDO2“ (CDO Squared). Während bei den bislang genannten Spielarten die zu verbriefenden Forderungen an die emittierende Zweckgesellschaft übertragen wer6
In diesem Sinne etwa Art. 3 Abs. 1 lit. l EG-RatingVO; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 117; Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675 Fn. 1; Rosenblum, Investment Company Determination, S. 695. 7 Reuter, WM 2009, 2057, 2062. 8 § 1 Abs. 1 PfandBG beschränkt das Pfandbriefgeschäft auf die Ausgabe gedeckter Schuldverschreibungen auf Grund von Hypotheken, Forderungen gegen staatliche Stellen, Schiffshypotheken oder Registerpfandrechten an Luftfahrzeugen. 9 Kamlah, WM 1998, 1429, 1432. 10 Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675, 676; Shenker/ Colletta, 69 Tex. L. Rev. (1991), 1369, 1383. 11 Litten/Cristea, WM 2003, 213 f.; Lutter, ZIP 2009, 197. 12 Vgl. dazu (zum deutschen Recht) näher Langenbucher/Bliesener/Spindler/Geiger, 20. Kap. Rn. 35 ff. 13 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 119. 14 Auerbach/Roth, WM 2003, 230 Fn. 2; Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHdb., § 114a Rn. 11. 15 Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 114a Rn. 11.
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den, lässt sich dasselbe wirtschaftliche Ergebnis auch dadurch erreichen, dass lediglich die Kreditrisiken durch den Einsatz von Derivaten übertragen werden; man spricht dann von „synthetischen“ Verbriefungen oder Credit-Linked Notes.16 Zu nennen sind schließlich noch Zertifikate, die zwar nicht immer als strukturierte Finanzinstrumente bezeichnet werden,17 sich aber ohne weiteres unter den Oberbegriff des komplexen Finanzinstruments fassen lassen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die vom Emittenten geschuldete Rückzahlung von der Entwicklung eines sog. Basiswertes (etwa eines Börsenindizes, eines anderen Wertpapiers, eines Rohstoffes o.ä.) abhängt. Die genannten Spielarten komplexer Finanzinstrumente sind im Laufe der Zeit entwickelt worden und haben graduell auch über die U.S.A. hinaus Verbreitung gefunden. Relevanz erlangten dort in den 1980er Jahren zunächst Residential Mortgage-Backed Securities,18 bevor auch andere Forderungsarten verbrieft wurden; schon 1991 machten strukturierte Finanzinstrumente in den U.S.A. dann etwa die Hälfte aller öffentlich angebotenen Neuemissionen aus.19 In der Schweiz fand die erste Verbriefungstransaktion 1993/94 statt,20 während sich in Deutschland erst ab 1996 ein größerer Markt für strukturierte Finanzinstrumente herauszubilden begann.21 Insgesamt verzeichnete der globale Markt für komplexe Finanzinstrumente ein rasantes Wachstum,22 sodass er zu Beginn des Jahres 2008 zum größten Segment des Weltfinanzmarktes geworden war,23 größer als der Markt für „traditionelle“ Anleihen einschließlich des (ebenfalls stetig wachsenden) Marktes für Staatsanleihen. Erst die zu diesem Zeitpunkt bereits eingetretene globale Finanzkrise beendete diese Entwicklung einstweilen.
b) Komplexe Finanzinstrumente als Schuldverschreibungen besonderer Art In rechtlicher Hinsicht sind die diversen Typen komplexer Finanzinstrumente sowohl nach deutschem24 und schweizerischem25 als auch nach U.S.-amerikani16 Auerbach/Roth, WM 2003, 230; Kamlah, WM 1998, 1429, 1431; Perraudin, in: de Servigny/ Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675, 676. 17 So aber bei BGH, 27.9.2011, BGHZ 191, 119 Tz. 26 („Lehman Brothers-Indexzertifikate“); Witte/Mehrbrey, ZIP 2009, 744, 745. 18 Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675. 19 SEC Release IC–18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff. 20 Kroll, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 173. 21 Kamlah, WM 1998, 1429, 1430. Im Jahre 2008 war der Markt für Verbriefungen in Deutschland auf etwa 300 Mrd. Euro angewachsen (Knops, BB 2008, 2535). 22 So stieg das Volumen der emittierten CDOs binnen zwei Jahren von 157 Mrd. USD (2004) auf 552 Mrd. USD (2006) an; vgl. Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 638; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 172. 23 Benmelech/Dlugosz, NBER Macro Annual 2009, 161, 166. 24 BGH, 27.9.2011, BGHZ 191, 119 Tz. 24 („Lehman Brothers-Indexzertifikate“); BGH, 27.9.2011, WM 2011, 2261 Tz. 27 („Lehman Brothers-Basketzertifikate“); Kamlah, WM 1998, 1429, 1430 (für Asset-Backed Securities); Knops, BB 2008, 2535, 2536; Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 113 Rn. 56 (für Zertifikate); Reuter, WM 2009, 2057, 2061 (für Projekt“anleihen“); Veil, WM 2009, 1585 (für Zertifikate); Witte/Mehrbrey, ZIP 2009, 744, 745 (für Zertifikate). 25 Dörig, RIW 2007, 169, 174; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1210 (für CDOs); ausführlich Eggen, SZW/RSDA 2008, 380, 383.
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schem26 und Hongkonger27 Recht als Schuldverschreibungen einzuordnen. Die besondere Komplexität ihrer Ausgestaltung, die erheblich von der Struktur überkommener Anleihen abweicht,28 macht es aber erforderlich, sie gesonderten Regeln zu unterstellen,29 weshalb alle hier untersuchten Rechtsordnungen ein spezielles Aufsichtsrechtsregime für komplexe Finanzinstrumente vorsehen.30 Eine Übereinstimmung mit „traditionellen“ Anleihen besteht insoweit, als auch komplexen Finanzinstrumenten ein Kreditrisiko innewohnt,31 das der Investor folglich beurteilen muss – eine Gemeinsamkeit, die auch hier zum Rückgriff auf Ratings führt. c) Dominanz institutioneller Investoren Eine weitere Besonderheit gegenüber dem Markt für „traditionelle“ Anleihen liegt schließlich darin, dass komplexe Finanzinstrumente fast ausschließlich durch institutionelle und sonstige professionelle Investoren erworben werden:32 Die Dominanz dieser Investorenkreise ist hier noch ungleich ausgeprägter als am Anleihemarkt, und private Erwerber kommen nur in seltenen Ausnahmefällen vor. Relevanz besitzt dieser Befund nicht zuletzt deshalb, weil damit am Markt für Verbriefungen ein Investorentyp agiert, der der Modellvorstellung der neoklassischen Ökonomie33 besonders nahe kommt und es daher ermöglicht, die auf dieser theoretischen Basis ausgestalteten gesetzlichen Publizitätsregeln34 auf ihre Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Bei Zertifikaten, die hier ebenfalls unter den Oberbegriff der „komplexen“ Finanzinstrumente gefasst werden, gilt die Dominanz professioneller Anleger nicht in demselben 26
Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 49. Lejot, 38 HKLJ (2008), 585, 586: i.d.R. debentures nach § 2 Companies Ordinance (Cap. 32). 28 Claussen, DB 2009, 999, 1002: „freie Rechtsschöpfung“. 29 SEC Release 33–7086, 34–34617, IC–20509 vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46304 ff.: „the rights and obligations evidenced by mortgage and asset backed securities and other highly structured or derivative financial instruments typically differ significantly from the traditional fixed obligations“; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 49; Raymond, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 11.01[A][1]. 30 So definierte der deutsche Gesetzgeber „strukturierte Finanzierungen, einschließlich Verbriefungstranchen …“ für Zwecke der staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen bis Ende 2013 als gesondertes „Marktsegment“ (mit der daraus folgenden Notwendigkeit einer gesonderten Anerkennung); § 52 Abs. 2 Satz 6 Nr. 2 SolvV a.F. 31 Dies aus deutscher Sicht betonend BGH, 27.9.2011, BGHZ 191, 119 Tz. 24 („Lehman Brothers-Indexzertifikate“); BGH, 27.9.2011, WM 2011, 2261 Tz. 27 („Lehman Brothers-Basketzertifikate“); ebenso aus schweizerischer Sicht BGer, 3.2.2012, 4A_525/2011, E. 5.2 („Lehman CPU Plus“). 32 So aus deutscher Sicht Kübler, in FS Schwark (2009), S. 499; Möschel, ZRP 2009, 129, 130; Rinze/Klüwer, BB 1998, 1697, 1699; aus U.S.-amerikanischer Sicht Covington/Hutchinson, Metr. Corp. C. (March 2008), 17; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 656; Frankel, Securitization, § 2.10; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 541; Philipps/Rechtschaffen, 21 Fordham Int’l L.J. (1998), 1754, 1766. 33 Zu dieser schon § 5 III 1. 34 Siehe § 5 III 1 b). 27
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Maße, denn Zertifikate werden nicht selten gezielt an Privatanleger veräußert.35 Dies führte im Nachgang zum Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers zu zahlreichen Schadensersatzklagen deutscher Privatanleger gegen anlageberatende Banken,36 zeitigte seine größten Auswirkungen jedoch in Hongkong: Hier hatten nicht weniger als 33 000 Privatanleger Zertifikate erworben, die unter der Bezeichnung „Lehman Minibonds“ vertrieben wurden und bei Insolvenz der Emittentin ein ausstehendes Volumen von 1,6 Mrd. USD aufwiesen.37
2. Ratingabhängigkeit des Marktes für komplexe Finanzinstrumente Für eine Untersuchung des Ratings ist der Markt für komplexe Finanzinstrumente deshalb von besonderem Interesse, weil er sich durch eine noch größere Ratingabhängigkeit auszeichnet als der Markt für traditionelle Anleihen:38 Das Rating einer Rating-Agentur wird allgemein als unverzichtbare Bedingung für die Marktfähigkeit komplexer Finanzinstrumente angesehen.39 Tatsächlich ist die Erlangung eines besseren Ratings aus Sicht des Emittenten nicht selten sogar der wesentliche Grund für die Begebung strukturierter Finanzinstrumente, weil eine separate Verbriefung von Forderungen es einem Unternehmen ermöglicht, für die so entstandene Emission ein Emissionsrating zu erzielen, das über dem Emittentenrating des Unternehmens liegt40 – die erreichte Entkoppelung von Emittenten- und Emissionsrating, 35 Für die deutsche Praxis Knops, BB 2008, 2535; für die Hongkonger Praxis Lejot, 38 HKLJ (2008), 585. 36 Vgl. hierzu die Rechtsprechungsnachweise in § 15 III 1 a) aa). 37 Vgl. Securities and Futures Commission, Issues raised by the Lehmans Minibonds crisis: Report to the Financial Secretary (Dec. 2008), Tz. 1.2 ff.; Lejot, 38 HKLJ (2008), 585, 587. 38 Frankel, Securitization, § 9.15; Richards, 16 Real Est. L.J. (1987), 99, 113; Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 780. 39 Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 164 (S.D.N.Y. 2009): „ratings from rating agencies as a condition precedent to purchase“; Commercial Financial Services v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 108 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004); Avgouleas, ECFR 2009, 440, 455; Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 95; Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1093; Claussen, in FS Hopt (2010), S. 1695, 1708; Darbellay, Regulating Ratings, S. 117; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 641; Darrow/Hitselberger/Cummings, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2002– 2 Supplement, § 7.01[A]: „essential“; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 66; Göres, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, 1. Aufl., § 25 Rn. 40: „unerlässlich“; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 268; Hartwig-Jacob, Internationale Anleiheemissionen, S. 445; Hatchett, 63 Ala. L. Rev. (2012), 407, 411; Heinsius, ZBB 1994, 47, 55; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 49; Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 114a Rn. 48; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 121; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101; Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 9; Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 12; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 306; ders., U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 19; Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779 f.; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 8; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1173. 40 Aus dem deutschen Schrifttum Brocker, BKR 2007, 60, 61; Geiger, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 16 Rn. 9; aus dem Schweizer Schrifttum Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1193; aus dem U.S.-amerikanischen Schrifttum SEC, Protecting Investors – Report (May 1992), S. 17; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 50; dies., 71 U. Pitt.
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die bei traditionellen Anleihen typischerweise eng zusammen liegen,41 führt damit zu einer Senkung der Kapitalkosten.
a) Bedeutung des Marktes aus Sicht der Rating-Agenturen Die Vergabe von Ratings für komplexe Finanzinstrumente entwickelte sich folglich schon bald zu einem wichtigen Betätigungsfeld der Rating-Agenturen.42 Als das Volumen dieses ratingabhängigen Marktes in den 2000er Jahren schnell anstieg, nahm auch dessen wirtschaftliche Bedeutung für die Rating-Agenturen zu, sodass sich das Einkommen von Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch aus dem Rating strukturierter Finanzinstrumente in den Jahren 2002–2007 von 3 Mrd. USD auf 6 Mrd. USD verdoppelte.43 Moody’s Einkünfte aus diesem Geschäftsfeld wuchsen 2003–2006 um 87% und machten 2006 mehr als die Hälfte der Gesamteinkünfte der Agentur aus;44 komplexe Finanzinstrumente waren damit zu ihrem wichtigsten Tätigkeitsbereich geworden. b) Mangel an aufnehm- und verarbeitbaren Informationen über komplexe Finanzinstrumente als Grund der Ratingbedeutung aus Sicht der Investoren Während es am Markt für traditionelle Anleihen vor allem die große Anzahl der gehandelten Titel ist, aus der die Unübersichtlichkeit für Investoren resultiert, tritt bei komplexen Finanzinstrumenten die Unübersichtlichkeit des einzelnen Instruments hinzu, die zu Recht als der entscheidende Grund für die Bedeutung von Ratings als Marktinformation eingestuft wird.45 Die Komplexität strukturierter Finanzinstrumente, deren Dokumentation nicht selten 400 und mehr Seiten englischsprachigen Textes umfasst,46 ist geradezu sprichwörtlich47 und hatte zur Folge, dass Investoren die Funktionsweise solcher Instrumente schlicht nicht mehr verstanden;48 es fehlte mit anderen Worten an aufnehm- und verarbeitbaren 41 L. Rev. (2010), 585, 588; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 665; Shenker/Colletta, 69 Tex. L. Rev. (1991), 1369, 1401; aus dem Hongkonger Schrifttum Lejot/Arner/Qiao, Asia’s Bond Market, S. 77; dies., 12 Asia Pac. Bus. Rev. (2006), 309, 327. 41 Siehe § 2 III 2 a). 42 Gannon, 30 Rev. Banking & Fin. L. (2010–11), 82, 84; Kübler, in FS Schwark (2009), S. 499, 500. 43 Ellsworth/Porapaiboon, 18 Bus. L. Today (March/April 2009), 35; Möllers, JZ 2009, 861, 862. 44 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 638. 45 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 879; Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 83; Caliari, 19 Transnat’l L. & Contemp. Probs. (2010), 145, 187; Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1096; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 66; Gudzowski, Colum. Bus. L. Rev. 2010, 245, 261; Hatchett, 63 Ala. L. Rev. (2012), 407, 410; Koch, BKR 2012, 485, 486; Kravitt/Seifman, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 1996, § 3.07; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 641; Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 17; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 536. 46 Kamlah, WM 1998, 1429, 1432; Lutter, ZIP 2009, 197, 198; Möschel, ZRP 2009, 129, 130. 47 Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 65; Heinsius, ZBB 1994, 47, 56; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 655; Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 5 (11/2008), § 13:2.3. 48 Auf die „übermäßige Komplexität und Intransparenz des Verbriefungssegments“ verweisend OLG Düsseldorf, 9.12.2009, ZIP 2010, 28, 31 („IKB“); Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsun-
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Informationen über diese Finanzinstrumente. Bemerkenswert ist, dass diese Verständnisschwierigkeiten auch bei institutionellen Investoren auftraten,49 die über eigene Fachkenntnis sowie einschlägig geschultes Personal verfügten und daher nach den Modellannahmen der neoklassischen wie neoinstitutionalistischen ökonomischen Theorien50 hätten in der Lage sein müssen, eigene Risikoanalysen durchzuführen:51 Auch institutionelle Investoren verließen sich allem Anschein nach jedoch durchgehend auf die Rating-Agenturen und verzichteten auf eigenständige Bonitätsprüfungen.52 Nach der plastischen Feststellung eines englischen Autors ersetzten sie die eigene Risikobewertung schlicht durch das Abonnement einer Ratingpublikation.53 Zurückführen lassen dürfte sich dies wiederum auf die aufnehm- und verarbeitbare Codierung der Ratingkürzel: Diese Risikoinformation bot eine leicht aufzunehmende Angabe über das Kreditrisiko, die standardisiert anhand der aus dem Anleihegeschäft bereits bekannten Ratingskalen erfolgte54 und damit – anders als die Strukturen der diversen Finanzinstrumente, die ihrerseits kaum standardisiert waren, sondern vielmehr in einem ständigen Innovationsprozess wechselnd gestaltet wurden55 – auch für die Investoren verarbeitbar war. Hinzu kam, dass Ratings für ausländische Investoren ebenso verständlich waren und damit auch international die Informationsasymmetrie überwinden konnten.56 Im Ergebnis erwiesen sich Ratings damit als eine der wenigen, wenn nicht gar die einzige Marktinformation über komplexe Finanzinstrumente, welche die Investoren tatsächlich erreichte,57 wodurch alsbald das Problem des „blinden Vertrauens“ in Ratings entstand.58 49 ternehmen, S. 268; Kamlah, WM 1998, 1429, 1436; Koch, BKR 2012, 485, 488; Lejot, 38 HKLJ (2008), 585, 586; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 649; Möllers, JZ 2009, 861, 862; Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 5 (11/2008), § 13:2.3. 49 Kravitt/Seifman, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 1996, § 3.07; Lejot, 38 HKLJ (2008), 585, 586; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 11.48; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 281; Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 5 (11/2008), § 13:2.3; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 536; Stürner, in FS Canaris I (2007), S. 1489, 1494. Schon früh mit entsprechenden empirischen Erkenntnissen Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 544 f. 50 Siehe § 5 III 1, 2. 51 Vgl. dazu BT-Drs. 16/12814, S. 26: „Die Finanzmarktkrise hat gezeigt, dass eine solche eindeutige Bestimmung [des Leistungsversprechens des Emittenten] bei manchen Schuldverschreibungen wie etwa den sogenannten Ketten-Verbriefungen oder einigen Basket-Zertifikaten selbst für professionelle Anleger schwierig ist.“ 52 ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 9: „The holders of the securities were a wide range of global institutional investors (including SIVs and hedge funds), many of whom just ,bought the rating‘“; Avgouleas, ECFR 2009, 440, 444; Claussen, in FS Hopt (2010), S. 1695, 1708; Möllers, JZ 2009, 861, 862. 53 So Avgouleas, ECFR 2009, 440, 456. 54 Richards, 16 Real Est. L.J. (1987), 99, 114; Shenker/Colletta, 69 Tex. L. Rev. (1991), 1369, 1401. 55 Avgouleas, ECFR 2009, 440, 449; Reuter, WM 2009, 2057, 2063. 56 Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 1 (2004), § 8:9. 57 Vgl. Kübler, in FS Schwark (2009), S. 499. 58 Siehe dazu noch unter IV 2 a) cc).
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c) Bedeutung der Regulierungsfunktion des Ratings Neben der Marktinformationsfunktion des Ratings trägt jedoch auch seine Regulierungsfunktion zur starken Ratingabhängigkeit des Marktes für komplexe Finanzinstrumente bei.59 Diese ist im Folgenden näher zu untersuchen, wobei zunächst die Rolle von Ratings bei der Regulierung des Marktzugangs60 und sodann sein Zusammenspiel mit den Regeln der gesetzlichen Markteintrittspublizität61 zu thematisieren sind.
II. Ratings und Regulierung des Marktzugangs für komplexe Finanzinstrumente In seiner Regulierungsfunktion erfährt das Rating im Bereich der Marktzugangsregelung für komplexe Finanzinstrumente eine intensive Verwendung, denn es wird hier durch staatliche wie private Regelsetzer ungleich häufiger eingesetzt, als dies in Regelungen zu „traditionellen“ Anleihen62 der Fall ist. Ratings finden sich in den unterschiedlichen Rechtsordnungen sowohl als Voraussetzung für den Marktzugang entsprechender Finanzinstrumente (also die Anbieterseite dieses Marktsegments)63 als auch für deren Erwerb durch regulierte Investoren (die Nachfragerseite).64 An die Nachfragerseite gerichtete Ratingvorgaben können dabei der besonderen Marktstruktur wegen zugleich Marktzugangsvoraussetzungen für Emittenten bedeuten, weil komplexe Finanzinstrumente fast ausschließlich durch institutionelle Investoren nachgefragt werden65 und von diesen zu beachtende Ratinganforderungen daher mittelbar auch die Anbieterseite betreffen.
1. Rating als rechtliche Voraussetzung für die Zulassung komplexer Finanzinstrumente zu organisierten Märkten a) Hongkonger Recht: „A“-Rating als Voraussetzung für die Börsenzulassung bestimmter strukturierter Finanzinstrumente So verlangen die Bedingungen der Hongkonger Börse von den Emittenten bestimmter komplexer Finanzinstrumente – nämlich sog. non-collaterised structured products – ein Mindestrating im Bereich der drei höchsten „investment grade“-Ratingstufen (also zumindest „A“), das von einer durch die Börse aner59 In diesem Sinne In re Fitch, 21.5.2003, 330 F.3d 104, 106 (2nd Cir. 2003); aus dem Schrifttum Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779 f. 60 Sogleich unter II. 61 Unter III. 62 Zu diesen § 8. 63 Unter 1. und 2. 64 Unter 3. 65 Siehe bereits oben unter I 1 c).
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kannten Rating-Agentur stammen muss und sich zudem auf keiner Watchlist mit Blick auf eine drohende Herabstufung befinden darf.66 Die Bedeutung dieser Voraussetzung ist deshalb beträchtlich, weil non-collaterised structured products, bei denen es sich um „synthetische“ Verbriefungen handelt, in der Hongkonger Praxis die große Mehrheit der Emissionen in diesem Bereich bilden;67 hierzu zählt mit den sog. CPIs (Capital Protected Instruments) auch eine Finanzinnovation, die sich unter lokalen Emittenten wie Investoren großer Beliebtheit erfreut. Das Rating bestimmt in Hongkong damit weitgehend über den Marktzugang. Voraussetzungen und Verfahren für die Anerkennung derjenigen Rating-Agenturen, deren Regulierungsfunktion hierfür maßgeblich sein soll, sind dabei völlig ungeregelt geblieben; anerkannt sind bislang allein Standard & Poor’s und Moody’s.68 b) Schweizer Recht: Rating als Voraussetzung für die Börsenzulassung von Asset-Backed Securities In der Schweiz warf die Börsenzulassung von Asset-Backed Securities – in schweizerischer Diktion als „Kotierung“ bezeichnet – zunächst deshalb generelle Schwierigkeiten auf, weil komplexe Finanzinstrumente dieser Art verschiedene der auf traditionelle Anleihen zugeschnittenen Kotierungsvoraussetzungen nicht erfüllen:69 So können die Zweckgesellschaften, die typischerweise als Emittenten von Asset-Backed Securities auftreten, regelmäßig nicht auf die geforderte dreijährige Geschichte70 zurückblicken (ein Problem, das sich in ganz ähnlicher Weise im U.S.-amerikanischen Recht stellt71) und verfügen zudem häufig nicht über das vorgeschriebene Eigenkapital,72 weil ihre Bonität stattdessen durch Beibringung sonstiger Sicherheiten (sog. „credit enhancements“) sichergestellt wird.73 Die Schweizer Börse passte ihre Börsenzulassungsvoraussetzungen daher in einem Grundsatzentscheid74 an die Besonderheiten strukturierter Finanzinstrumente an, stellte darin allerdings gleichzeitig zusätzliche Publizitätsanforderungen auf, um auf diese Weise die Transparenz der komplexen Strukturen dieser Anleiheform sicherzustellen.75 Das Schweizer Recht schreibt seitdem für strukturierte Finanzinstrumente nicht nur einen Börsenprospektinhalt vor, der weit
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§ 15A.13(1) Hong Kong Listing Rules. Husted, Warrants, S. 223, 243. 68 Siehe § 23 II 5 g). 69 Kroll, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 173, 176. 70 So die „3-Jahres-Regel“ des Art. 11 Abs. 1 KR, auch bezeichnet als „Track Record-Erfordernis“; vgl. dazu auch Art. 3 Nr. 2 Richtlinie betr. Ausnahmen zur Dauer des Bestehens der Emittenten (Track Record) vom 29. Oktober 2008. 71 Siehe dazu II 2. 72 Art. 15 Abs. 1 KR verlangt ein ausgewiesenes Eigenkapital von mindestens CHF 25 Mio. 73 Siehe dazu noch näher unter IV 2 a) aa). 74 Grundsatzentscheid der Zulassungsstelle für die Kotierung von Asset-Backed Securities, Mitteilung Nr. 1/98 der Zulassungsstelle vom 30. Jan. 1998, Referenz: K-KSK-MIT-0198/D. 75 Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1018; Kroll, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 173, 176. 67
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über die bei traditionellen Anleihen erforderlichen Angaben hinausgeht,76 sondern erhebt daneben auch das Vorliegen eines Ratings zur Voraussetzung für den Börsenhandel von Asset-Backed Securities. Der einschlägige Grundsatzentscheid der Zulassungsstelle schreibt insoweit vor: „Die Emission oder das entsprechende Emissionsprogramm muss ein Rating von mindestens einer anerkannten Ratingagentur haben; an die Qualität des Ratings werden keine materiellen Anforderungen gestellt.“77 Die Einführung dieses Ratingobligatoriums überrascht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ein Ratingerfordernis als Börsenzulassungsvoraussetzung in der Schweiz erst wenige Jahre zuvor abgeschafft und durch eine reine Markteintrittspublizitätslösung ersetzt worden war;78 man mag daher in der Tat von einer Wiedereinführung der Ratingpflicht sprechen.79 Grundsätzliche Zweifel an der Tauglichkeit der Prospektpublizität kommen darin allerdings wohl nicht zum Ausdruck, wie schon die parallele Ausweitung des vorgeschriebenen Prospektinhalts und die unveränderte Beibehaltung der Prospektpflicht bei traditionellen Anleihen und Eigenkapitaltiteln beweist; eher dürfte der Grund in der besonderen Komplexität von Asset-Backed Securities zu suchen sein, die nach Auffassung der Börsenzulassungsstelle einer Kontrolle durch die unabhängigen und fachkundigen Rating-Agenturen bedarf. Die inhaltliche Ausgestaltung des Ratingerfordernisses erscheint zu diesem Zweck allerdings wenig geeignet, da die Regelung zum einen die Anforderungen an die „Anerkennung“ der RatingAgentur ungeklärt und zudem – anders als das Hongkonger Recht80 – eine Bonitätsbeurteilung jedweder Höhe (also etwa auch ein Rating im „non investment“grade) genügen lässt. Im Ergebnis wird lediglich erreicht, dass sämtliche an der Schweizer Börse kotierte Asset-Backed Securities über ein Rating verfügen – da ein Rating aber aufgrund entsprechender Investorenwünsche auch in der Schweiz ohnehin eine faktische Marktzugangsvoraussetzung für komplexe Finanzinstrumente darstellt,81 ist damit letztlich wenig gewonnen.
2. U.S.-amerikanisches Recht: „Investment grade“-Rating als Substitut für aufsichtsrechtlichen Anlegerschutz bei strukturierten Finanzinstrumenten (Rule 3a–7 zum Investment Company Act of 1940) Unter den zahlreichen Rechtsvorschriften zu komplexen Finanzinstrumenten, die im U.S.-amerikanischen Recht die Regulierungsfunktion des Ratings nutzen, besitzt die aufgrund des Investment Company Acts erlassene Rule 3a–7 die
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Kroll, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 173, 177: „wohl zu recht“; vgl. allgemein Eggen, SZW/RSDA 2008, 380, 386 f. 77 Grundsatzentscheid der Zulassungsstelle, a.a.O., Tz. II Nr. 6. 78 Dazu bereits in § 8 II 1. 79 So Kroll, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 173, 178 („bemerkenswert“). 80 Soeben a). 81 Dazu schon oben I 2.
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vielleicht größte praktische Bedeutung,82 weil sie strukturierte Finanzinstrumente von umfangreichen aufsichtsrechtlichen Anlegerschutzregelungen freistellt und ein Mindestrating durch eine Rating-Agentur an deren Stelle setzt.83 Hintergrund ist der Umstand, dass Zweckgesellschaften, die als Emittenten strukturierter Finanzinstrumente auftreten, typischerweise die Merkmale einer Kapitalanlagegesellschaft (investment company) im Sinne des Investment Company Acts of 194084 erfüllen85 und daher grundsätzlich den Regelungen dieses Gesetzes unterliegen würden. Diese sollen einen effektiven Anlegerschutz sichern und beschränken sich zu diesem Zweck – anders als der Securities Act of 1933 und der Securities Exchange Act of 1934 – nicht im Wesentlichen auf Publizitätspflichten (disclosure), sondern statuieren ein umfassendes materielles Regulierungssystem mit lediglich begleitenden Transparenzpflichten.86 Der Investment Company Act ist daher von einem U.S.-amerikanischen Autor plastisch als „the most intrusive financial legislation known to man or beast“ beschrieben worden.87 Schon bald nach Entstehen des Marktes für komplexe Finanzinstrumente in den 1980er Jahren wurde allerdings erkannt, dass die Regelungen des Investment Company Acts, die auf traditionelle Kapitalanlagegesellschaften (d.h. Fonds) zugeschnitten sind, auf Emittenten strukturierter Finanzinstrumente nur schlecht passen; das nach dem Gesetzeswortlaut bestehende Registrierungserfordernis wurde daher als zentrales Hindernis für die Emission von Verbriefungen identifiziert.88 Auch von aufsichtsbehördlicher Seite wurde konstatiert, dass Verbriefungszweckgesellschaften den Vorgaben des Acts nicht gerecht werden können.89 Seine unveränderte Anwendung hätte daher bedeutet, dass strukturierte Finanzinstrumente nur hätten privat platziert90 oder außerhalb der USA
82 Hugi/Keck/Niehoff, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2007 Supplement, § 12.01: Rule 3a–7 als „the most significant exemption from the standpoint of securitization“; Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 3 (3/2006), § 6:1.1. 83 Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 313: „In this context, an adequate credit rating has become the path to exemption from supervision.“ 84 § 3(a) Investment Company Act of 1940. 85 SEC, Protecting Investors – Report (May 1992), S. 66 f.; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 144 Fn. 113. 86 Hugi/Keck/Niehoff, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2007 Supplement, § 12.01; Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 3 (3/2006), § 6:1.1. 87 So Kirsch, Financial Services Revolution, S. 382. 88 Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 313; Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 548; Richards, 16 Real Est. L.J. (1987), 99, 134. 89 SEC Release IC–18736 „Exclusion from the Definition of Investment Company for Certain Structured Financings“ (Proposed Rule) vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff. (5. Juni 1992): „are unable to operate under the Acts requirements“; ebenso SEC, Protecting Investors – Report (May 1992), S. 67; SEC Release IC–29779 „Treatment of Asset-Backed Issuers under the Investment Company Act Rules“ (Advance notice of proposed rulemaking; withdrawal) vom 31. Aug. 2011, 76 FR 55308, 55310 (7. Sept. 2011): „as a practical matter, they cannot operate under certain of the Investment Company Act’s requirements and restrictions“. 90 Ausnahme nach § 3(c)(1) Investment Company Act of 1940; siehe noch unter III 3 b).
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angeboten werden können,91 was als rechtspolitisch nicht wünschenswert angesehen wurde.92 a) Rule 3a–7 als ratingabhängige Freistellung von dem umfassenden Anlegerschutzregime des Investment Company Act of 1940 Die im Jahre 1992 erlassene Rule 3a–7 unter dem Investment Company Act93 nimmt Emittenten von Asset-Backed Securities94 daher unter der Voraussetzung von den Anforderungen des Investment Company Act aus, dass diese nur solche festverzinsliche Asset-Backed Securities emittieren, die zum Zeitpunkt ihrer Platzierung durch mindestens eine NRSRO als „investment grade“ geratet sind. Eine ausreichende Bonitätsbeurteilung durch eine anerkannte Rating-Agentur eröffnet damit die Freistellung von einem Regelungsregime, das Anleger umfassend vor Anlagebetrug schützen soll.95 Die erfassten Emittenten müssen sich nicht als Kapitalanlagegesellschaft registrieren lassen, brauchen die anlegerschützenden Vorgaben des Gesetzes nicht zu beachten und unterliegen keiner Aufsicht. Vor Erlass der Rule 3a–7 waren Emittenten von Asset-Backed Securities dagegen auf individuelle Ausnahmegenehmigungen angewiesen gewesen,96 welche die SEC in großem Umfang erteilte.97 Auch diese Ausnahmegenehmigungen hatten bereits ein Rating (damals noch: in einer der beiden höchsten Ratingklassen) verlangt und sich auch in ihren sonstigen Konditionen ausdrücklich an den durch die Rating-Agenturen formulierten Bedingungen für ein hohes Rating orientiert;98 die aufsichtsrechtliche Privilegierung von Emittenten strukturierter Finanzinstrumente ist in den U.S.A. also schon traditionell mit deren Rating verknüpft gewesen.
b) Rating durch Rating-Agenturen als Ersatz für die aufsichtsbehördliche Überwachung der Corporate Governance des Emittenten Die Freistellung strukturierter Finanzinstrumente von den Anforderungen des Investment Company Acts wird in Rule 3a–7 von einer ganzen Reihe von Voraussetzungen abhängig gemacht,99 die allerdings bewusst so gestaltet wurden, 91
SEC Release IC–18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff. SEC, Protecting Investors – Report (May 1992), S. 76. 93 17 C.F.R. § 270.3a–7(a)(2). 94 Der sachliche Anwendungsbereich der Rule 3a–7 ist bewusst sehr weit gefasst, sodass die Verbriefung praktisch jedes denkbaren Forderungstyps oder Vermögensgegenstandes unter die Regelung fällt; vgl. SEC Release IC–19105 vom 19. Nov. 1992, 57 FR 56248 ff. 95 Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 313. 96 Der generalklauselartig formulierte § 6(c) Investment Company Acts of 1940 erlaubt deren Erteilung. 97 Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 548 f. berichtet von mehr als 100 Ausnahmegenehmigungen für Emittenten von private mortgage securities, die zwischen 1983 und 1989 erteilt wurden. 98 SEC Release IC–18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff.; SEC, Protecting Investors – Report (May 1992), S. 74. 99 Frankel, Securitization, § 11.31 bewertet die Tatbestandsvoraussetzungen als „detailed and complex“. 92
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dass sie ohnehin bestehende Marktpraktiken abbilden.100 Unter ihnen nimmt das geforderte Mindestrating eine zentrale Position ein. aa) Zweck des „investment grade“-Mindestratings Warum Rule 3a–7 nur solche Emittenten vom Anwendungsbereich des Investment Company Acts ausnimmt, deren begebene Asset-Backed Securitities ein Rating im „investment grade“-Bereich erhalten haben,101 ist allerdings nicht sogleich offensichtlich: Auch bei strukturierten Finanzinstrumenten ist das Rating schließlich eine reine Bonitätsbeurteilung, also eine Einschätzung des Kreditrisikos,102 wohingegen ein Rating zu andersartigen Risiken (wie etwa dem aus einer Änderung des allgemeinen Zinsniveaus resultierenden Marktrisiko oder dem Risiko einer vorzeitigen Ablösung verbriefter Forderungen) nichts aussagt.103 Nichts anderes gilt selbstverständlich, wenn dem Rating eine Regulierungsfunktion zugewiesen wird, wie die SEC bei Erlass der Rule 3a–7 ausdrücklich betonte.104 Vor den allein beurteilten Kreditrisiken einer Investition will der Investment Company Act die Anleger erklärtermaßen aber gar nicht schützen,105 bezweckt er doch vielmehr deren Schutz vor betrügerischem Fehlverhalten der Investment Manager, also die Sicherung der Corporate Governance der geregelten Kapitalanlagevehikel.106 Im Rahmen der Rule 3a–7 soll das verlangte Rating, wie sich aus der offiziellen Begründung der Regelung ergibt, daher auch gar nicht als Bonitätsbeurteilung
100 SEC Release IC–18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff.: „… to address investor protection concerns by codifying requirements currently imposed by the market itself“; Hugi/Keck/Niehoff, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2007 Supplement, § 12.01; Kravitt/Seifman, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 1996, § 3.08. 101 Eine Ausnahme macht Rule 3a–7(a)(2)(i), (ii) allerdings für den Vertrieb von Asset-Backed Securirities an accredited investors i.S. von Rule 501(a) und qualified institutional buyers i.S. von Rule 144A unter dem Securities Act von 1933, also solche (vor allem institutionelle) Investoren, die als nicht schutz- und informationsbedürftig angesehen werden: An diese Investoren dürfen daher auch ungeratete Wertpapiere veräußert werden (Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 3 (3/ 2006), § 6:1.3). 102 Siehe schon § 2 I 1 a). 103 Dazu schon § 2 I 1 b) sowie noch § 17 III 2. 104 SEC Release IC–18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff. mit Fn. 28: „As with a traditional corporate bond, a rating of a structured financing assesses credit risk (i.e., the likelihood that the investor will receive full and timely payments)“ […] „A rating does not address market risks to investors that may result from changes in interest rate levels or from prepayments on the assets in the underlying pool“; SEC, Protecting Investors – Report (May 1992), S. 49 f. 105 SEC Release IC–18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff.: „Of course, the Act generally is not intended to protect investors against credit risk.“ 106 Hazen, Law of Securities Regulation, § 20.1; Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 313; Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 49 ff.; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 346. Vgl. aus jüngerer Zeit etwa die Einschätzung in Jones v. Harris Associates L.P., 8.8.2008, 537 F.3d 728, 730 (7th Cir. 2008): „Mutual funds are a component of the financial services industry where abuses have been rampant …“.
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eingesetzt werden,107 sondern vielmehr als Bewertung der „strukturellen Integrität“ von Verbriefungen108 bzw. deren Emittenten.109 Obwohl Rating-Agenturen auch die Beurteilung der Struktur komplexer Finanzinstrumente allein mit Blick auf deren Folgen für die Zahlungsfähigkeit durchführen, war die SEC der Ansicht, dass die Agenturen diese dabei – gleichsam indirekt – auch auf alle diejenigen betrügerischen Verhaltensweisen hin untersuchen würden, die der Investment Company Act zu verhindern sucht, wie namentlich die Vornahme von Insichgeschäften und sonstige Übervorteilungen durch Insider, die Fehlbewertung von Vermögensgegenständen sowie die Vorhaltung eines unzureichenden Vermögensbestandes.110 Man stellte damit den Bonitätsbeurteilungsvorgang in der Sache mit einer umfassenden Corporate Governance-Kontrolle gleich und erwartete, dass Investoren auf diese Weise effektiv vor den beschriebenen Pflichtverstößen der Emittentenseite geschützt würden111 – eine Grundannahme, die aus heutiger Sicht nicht weniger als kühn erscheinen muss112 und wohl nur dadurch erklärbar ist, dass es im Jahre 1992 auf dem Markt für strukturierte Finanzinstrumente noch nicht zu spürbaren Fehlentwicklungen gekommen war.113 Tatsächlich stellt die regulatorische Verwendung der Mindestratingvorgabe in Rule 3a–7 damit einen Fehlgriff der U.S.-amerikanischen Aufsichtsbehörden dar, die den begrenzten Aussagegehalt von Ratings möglicherweise zunächst verkannten114 und später deshalb an der Ratingverwendung festhielten, weil kein tauglicher Ersatz hierfür gefunden werden konnte.115
107 SEC Release IC–19105 vom 19. Nov. 1992, 57 FR 56248 ff.: „The Commission wishes to emphasize that, although ratings generally reflect evaluations of credit risk, the rating requirement is not intended to address investment risks associated with the credit quality of a financing.“ 108 SEC Release IC–19105 vom 19. Nov. 1992, 57 FR 56248 ff. mit Bezugnahme auf „analyzing the structural integrity of financings“; SEC Release IC–18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff. 109 In diesem Sinne aus jüngerer Zeit SEC Release IC–29779 vom 31. Aug. 2011, 76 FR 55308 f.: „These conditions were included in Rule 3a–7 not principally as standards of credit-worthiness, but, because we believed that rating agencies, when providing a rating assessing the credit risk of an asset-backed issuer, evaluated whether the issuer was structured in a manner that also addressed investor protection under the Investment Company Act“ (meine Hervorhebung). 110 SEC Release IC–19105 vom 19. Nov. 1992, 57 FR 56248 ff.; SEC Release IC–18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff.; SEC Release IC–29779 vom 31. Aug. 2011, 76 FR 55308, 55311. 111 SEC, Protecting Investors – Report (May 1992), S. 81: „Although the rating agencies’ requirements are intended to reduce the credit risk of a structured financing, many of them have the added effect of protecting investors from the types of abuses discussed above“; SEC Release IC– 29779 vom 31. Aug. 2011, 76 FR 55308, 55312: „In each case, the reference to ratings was intended to be a type of proxy for the relevant investor protections afforded by the Investment Company Act.“ 112 Vgl. zutreffend etwa Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 299; ders., Structured Finance, Stand: Release 1 (2004), § 8:9 Fn. 85: „Ratings thus do not cover the risk of fraud.“ 113 SEC Release IC–19105 vom 19. Nov. 1992, 57 FR 56248 ff. Fn. 10: „Notwithstanding its size and rapid growth, the structured finance market has been virtually free of abuse. Requiring regulation based on theoretical concerns would only disrupt an increasingly important form of finance.“ 114 Siehe zu diesem Phänomen noch § 17 III 2. 115 Siehe dazu noch unter c) sowie allgemein § 31 II 1 a) bb).
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bb) Die Mindestratingvorgabe der Rule 3a–7 im Einzelnen (1) „Investment grade“-Schwelle auch bei strukturierten Finanzprodukten Die Ausgestaltung der Mindestratingvorgabe fällt zunächst deshalb auf, weil sie lediglich ein „investment grade“-Rating verlangt: Während diese Ratingschwelle bei der Regulierung traditioneller, d.h. nicht „strukturierter“ Schuldverschreibungen den allgemeinen Standard darstellt,116 wird im Bereich komplexer Finanzinstrumente typischerweise eine höhere Ratingschwelle angesetzt, wie etwa die regulatorische Ratingverwendung im U.S.-amerikanischen Recht in Rule 2a–7 (Rating in einer der beiden höchsten Ratingklassen117) sowie in diversen Investitionsvorgaben für institutionelle Investoren (überwiegend ebenso, obwohl hier gelegentlich sogar ein „AAA“-Rating verlangt wird118) zeigt.119 Letzteres erklärt sich vor allem dadurch, dass am U.S.-amerikanischen Markt jedenfalls der 1990er Jahre fast ausschließlich strukturierte Finanzinstrumente begeben wurden, die in einer der beiden höchsten Ratingklassen geratet waren.120 Der ursprüngliche Regelungsvorschlag zur Rule 3a–7 hatte daher auch noch ein Mindestrating in einer der beiden höchsten Ratingklassen vorgesehen121 und stand damit im Einklang mit dem generell postulierten Regelungsziel, die ohnehin bestehenden Marktpraktiken abzubilden.122 Diese Ratingschwelle zog allerdings den Vorwurf auf sich, den Rating-Agenturen einen zu großen Einfluss auf den Marktzugang strukturierter Finanzinstrumente zu verschaffen.123 Die schließlich erlassene Rule 3a–7 ließ daraufhin ein „investment grade“-Rating genügen, wofür anscheinend der Gedanke entscheidend war, dass es nach dem Regelungszweck allein auf die Überprüfung der Struktur der Finanzinstrumente und nicht auf deren Bonität ankommen sollte.124 Vor dem Hintergrund dieses – als solcher zweifelhaften – Regelungsansatzes war es zumindest konsequent, der verlangten Ratinghöhe keine entscheidende Bedeutung zuzumessen; freilich mag Rule 3a–7 damit an den Markt das (missverständliche) Signal ausgesandt haben,
116 Siehe dazu noch § 17 IV 2, 3, dort auch zu den Gefahren der einheitlichen Verwendung dieser Ratinggrenze und dem daraus resultierenden „Synchronisierungseffekt“ des Rechts. 117 Siehe dazu noch § 12 II 3 a). 118 Partnoy/Skeel, 75 U. Cin. L. Rev. (2007), 1019, 1028. 119 Diese Abweichung der Rule 3a–7 vom aufgezeigten Regelungsstandard kritisiert Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 346. 120 SEC, Protecting Investors – Report (May 1992), S. 1; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 19. 121 SEC Release IC–18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff.: „Since most structured financings publicly offer only securities that are rated in one of these categories, …“; ebenso die zugrunde liegende Empfehlung in SEC, Protecting Investors – Report (May 1992), S. 77. 122 Vgl. hierzu SEC Release IC–18736 vom 29 Mai 1992, 57 FR 23980 ff.; Hugi/Keck/Niehoff, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2007 Supplement, § 12.01; Kravitt/Seifman, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 1996, § 3.08. 123 Vgl. Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 603 f. 124 SEC Release IC–19105 vom 19. Nov. 1992, 57 FR 56248 ff.
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dass auch komplexe Finanzinstrumente im „investment grade“-Bereich von offizieller Seite als ausreichend sicher bestätigt wurden.125 (2) Regulatorische Ermöglichung eines Ein-Rating-Standards am Markt für strukturierte Finanzprodukte Im Einklang mit dem beschriebenen Grundansatz, das Rating nur zur Beurteilung der Struktur des Finanzinstruments einzusetzen, lässt Rule 3a–7 zudem ein Rating (lediglich) einer Rating-Agentur genügen, weil verschiedene Agenturen hinsichtlich der Bewertung der Instrumentenstruktur – anders als bei der Einschätzung der dadurch beeinflussten Bonität – angeblich ohnehin selten divergieren.126 Schon diese Annahme entsprach nicht der Praxis der Rating-Agenturen, die tatsächlich nicht selten unterschiedlicher Auffassung gerade über die strukturelle Integrität komplexer Finanzinstrumente sind.127 Vor allem besteht aber Grund zu der Annahme, dass die Beschränkung der Rule 3a–7 auf lediglich ein Rating auch Auswirkungen auf die Marktpraxis hatte, nach der es bis zum Erlass der Regelung noch üblich gewesen war, Ratings von mindestens zwei RatingAgenturen einzuholen:128 Die beschriebene Ausgestaltung der regulatorischen Marktzugangsvoraussetzung dürfte dazu beigetragen haben, dass sich in der Folgezeit bei komplexen Finanzinstrumenten in Abweichung von der gängigen Praxis bei Anleihen (der „Zwei-plus-Ratings“-Usance129) die Bewertung durch lediglich eine Rating-Agentur als U.S.-amerikanischer Marktstandard130 etablierte. Diese zwar unbeabsichtigte, aber zu keinem Zeitpunkt korrigierte Folgewirkung des Ratingeinsatzes in Rule 3a–7 hatte durchgreifende Auswirkungen auf den Ratingmarkt in diesem Bereich, der bald einen deutlich intensiver geführten Wettbewerb unter den Rating-Agenturen aufwies131 und damit bislang unbekannte Gefahren für die Unabhängigkeit der Ratingerstellung schuf.132 (3) Anerkennung und Unabhängigkeit der Rating-Agentur Das Rating muss nach Rule 3a–7 von einer als NRSRO133 anerkannten RatingAgentur stammen, die zudem keine affiliated person134 des Emittenten oder mit 125
Siehe zu einer solchen Signalwirkung regulatorischer Ratingbezugnahmen noch § 17 II 2. So SEC Release IC–19105 vom 19. Nov. 1992, 57 FR 56248 ff.: „Unlike evaluations of credit quality, rating agencies are highly unlikely to disagree as to the fundamental structural and operational integrity of a financing.“ 127 Siehe dazu noch näher IV 3 a). 128 SEC Release IC–18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff.: „Although today most financings are rated by two or more rating agencies …“; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 348. 129 Siehe dazu noch § 20 II 2 b) bb) (2). 130 So (für mortgage backed securities) Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 785. 131 So auch die Einschätzung bei Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 19; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 349. 132 Siehe dazu im Einzelnen unten IV 3, § 20 II 2 b) bb) (2) (b) sowie § 25 I 2 b) cc) (1). 133 Zur Entstehung dieser Kategorie siehe § 7 II a) bb) (1), zu Anerkennungsvoraussetzungen und -verfahren § 23 II 3 a). 134 Der Begriff der affiliated person wird in § 2(a)(3) Investment Company Act of 1940 legal definiert. 126
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diesem verbundener Personen (Originator, Servicer, Trustee, Investmentbank) sein darf135 – eine zusätzliche Vorgabe zur Sicherung der Unabhängigkeit, die durch die ältere Regelung in Rule 2a–7136 inspiriert gewesen sein dürfte. Rule 3a– 7 thematisiert damit in Gestalt der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen eine zentrale Problematik, die in jüngerer Zeit allgemein verstärkt diskutiert wird,137 aber bei komplexen Finanzinstrumenten eine besondere Bedeutung besitzt. Da das hierzu verwandte Abgrenzungsmerkmal der affiliated person jedoch allein auf gesellschaftsrechtliche Verflechtungen und Einflussmöglichkeiten abstellt, erfasst die Unabhängigkeitsvorgabe nur einen Teilbereich der Gefährdungslage, dem bei dem Rating strukturierter Finanzinstrumente eine deutlich geringere Relevanz zukommen dürfte als etwa der sonstigen wirtschaftlichen Abhängigkeit der Rating-Agenturen von einzelnen Auftraggebern.138 (4) Fortlaufende Überwachung der Finanzproduktstrukturen als Aufgabe der Rating-Agenturen Das Mindestrating muss nach Rule 3a–7 zudem nur bei dem Erstverkauf des strukturierten Finanzprodukts (initial sale) vorliegen;139 eine spätere Herabstufung beeinträchtigt daher nicht das Recht des Emittenten, sich auf Rule 3a–7 zu berufen.140 Diese Konzentrierung auf den Zeitpunkt des Markteintritts steht in auffälligem Spannungsverhältnis zu den zahlreichen Überwachungsaufgaben, die Rule 3a–7 der Rating-Agentur für die gesamte Laufzeit des strukturierten Finanzinstruments zuweist: So untersagt Rule 3a–7 dem Emittent einen Kauf oder Verkauf von Forderungen und Vermögensgegenständen, sofern dieser Schritt zu einer Herabstufung des Ratings der Asset-Backed Securities führen würde,141 und setzt damit implizit eine vorherige Abstimmung entsprechender Vorgänge mit der Rating-Agentur voraus. Zudem muss der Emittent sicherstellen, dass eingehende Zahlungen auf ein gesondertes, durch den trustee kontrolliertes Konto fließen, sofern die Vorgaben der Rating-Agentur dies verlangen142 –Anforderungen, welche die private Rating-Agentur mit Blick auf eine Sicherung der Bonität entwickelt hat, werden also durch Rule 3a–7 für die gesamte Laufzeit des strukturierten Finanzinstruments zu einem Bestandteil zwingender regulatorischer Vorgaben erhoben. Vor diesem Hintergrund erscheint es systemfremd, dass eine etwaige Ratingherabstufung nach Rule 3a–7 ohne jede Rechtsfolge bleibt, weil 135
Rule 3a–7(a)(2). Siehe zu Rule 2a–7 unter dem Investment Company Act noch näher § 12 II 3 a). 137 Vgl. dazu noch § 25 I. 138 Siehe dazu noch § 25 I 2 b) cc) (1) (b) und (3). 139 Vgl. SEC Release IC–19105 vom 19. Nov. 1992, 57 FR 56248 ff.; Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 3 (3/2006), § 6:1.3. 140 Rosenblum, Investment Company Determination, S. 701. 141 Rule 3a–7(a)(3)(ii). 142 Rule 3a–7(a)(4)(iii): „consistent with the rating of the outstanding fixed-income securities“; SEC Release IC–19105 vom 19. Nov. 1992, 57 FR 56248 ff.: „consistent with rating agency requirements“. 136
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die Überwachungstätigkeit der Rating-Agenturen eben auch dann, wenn sie zu rechtlichen Zwecken in Dienst genommen wird, als Sanktion nur in eine Änderung der Ratingeinstufung münden kann und ansonsten folgenlos bleibt. c) Fortbestand der Ratingbezugnahmen in Rule 3a–7 trotz des Dodd–Frank Acts Nachdem während der globalen Finanzkrise 2007–09 gerade auf dem U.S.amerikanischen Markt für strukturierte Finanzinstrumente Fehlentwicklungen offenkundig geworden waren, schlug die SEC im Jahre 2008 erstmals eine Neufassung der Rule 3a–7 vor.143 Die darin vorgesehene Ersetzung der Ratingbezugnahmen durch ein generelles Verbot des ABS-Vertriebs an nicht-institutionelle Investoren (sog. „retail sales prohibition“) stieß in der Branchenöffentlichkeit allerdings durchgehend auf Ablehnung144 und wurde daher nicht weiter verfolgt.145 Die im Dodd–Frank Act vorgeschriebene Neugestaltung aller ratingbasierten Aufsichtsrechtsnormen146 zwang die SEC sodann ab 2010 erneut zur Sondierung etwaiger Regelungsalternativen zu Rule 3a–7. Dies geschah in Gestalt (lediglich) einer vorbereitenden Concept Release,147 die in wenig konkreter Form mögliche Ansätze zur Diskussion stellte, mittels derer die gewünschte Corporate Governance-Überwachung von Verbriefungszweckgesellschaften verwirklicht könnte, und im Übrigen um Regelungsvorschläge aus Kreisen der Fachöffentlichkeit nachsuchte. Es wird daran deutlich, dass ein tauglicher Ersatz für die (eigentlich ja Fehl-)Verwendung des Ratings zu diesem Zweck148 bislang nicht recht ersichtlich ist. Ob es künftig zur Reduktion oder gar Abschaffung der Ratingbezugnahme in Rule 3a–7 kommen wird, ist daher unabsehbar.
3. Mindestrating als rechtliche Voraussetzung für den Erwerb komplexer Finanzinstrumente durch regulierte institutionelle Investoren Eine Reihe weiterer ratingbasierter Rechtsregelungen setzen nicht an der Emittenten-, sondern an der Investorenseite des Marktes für komplexe Finanzinstrumente an und bewirken im Ergebnis, dass entsprechende Instrumente aus recht143 SEC Release IC–28327 „References to Ratings of Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (Proposed rule) vom 1. Juli 2008, 73 FR 40124 ff. (11. Juli 2008). 144 So SEC Release IC–29779 vom 31. Aug. 2011, 76 FR 55308, 55309 Fn. 8. 145 Durch SEC Release IC–28940 „References to Ratings of Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (Proposed rule) vom 5. Okt. 2009, 74 FR 52374 ff. (9. Okt. 2009) wurde die Behandlung der Vorschläge einstweilen zurückgestellt, bevor SEC Release IC–29779 vom 31. Aug. 2011, a.a.O., 55309 den Regelungsvorschlag formell zurücknahm. 146 § 939A Dodd–Frank Act; siehe noch allgemein unten § 17 I 4 b). Es lässt sich allerdings argumentieren, dass die Vorgabe des Dodd–Frank Acts sich deshalb gar nicht auf Rule 3a–7 bezieht, weil sie nur aufsichtsrechtliche Normen „that requir[e] the use of an assessment of the credit-worthiness of a security or money market instrument“ erfasst – um die Kreditwürdigkeit geht es in Rule 3a–7 nach dem Gesagten aber gar nicht. 147 SEC Release IC–29779 vom 31. Aug. 2011, 76 FR 55308, 55313 ff. 148 Siehe noch § 17 III 2.
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lichen Gründen zwingend über ein Rating verfügen müssen,149 und zwar unabhängig von der Art ihres Vertriebs (durch öffentliches Angebot oder Privatplatzierung): Zahlreiche institutionelle Investoren unterliegen nämlich Anlagebestimmungen, die ihnen den Erwerb strukturierter Finanzinstrumente nur bei einem bestimmten Mindestrating gestatten.150 Entsprechende Vorgaben bestehen verbreitet in Form interner Anlagerichtlinien, nach denen die Investition in Verbriefungen nicht selten nur bei einem „AA“ oder gar „AAA“-Rating zulässig ist,151 finden sich darüber hinaus aber auch in staatlichen Rechtsvorschriften. a) U.S.-amerikanisches Recht: Einheitliches Mindestrating für Investitionen in „mortgage related securities“ (Secondary Mortgage Market Enhancement Act of 1984) Die insoweit folgenreichsten ratingbasierten Investitionsvorschriften wurden in den U.S.A. durch den Secondary Mortgage Market Enhancement Act of 1984 (SMMEA) eingeführt. Dieses Reformgesetz152 bezog sich mit Verbriefungen von Hypothekenkrediten (mortgages) auf denjenigen Typ strukturierter Finanzinstrumente, dem bis heute am U.S.-amerikanischen Markt die größte Bedeutung zukommt,153 und wurde zu einem Zeitpunkt erlassen, zu dem sich dieser Teilmarkt noch in einem vergleichsweise frühen Entwicklungsstadium befand. aa) Förderung privater Hypothekenkreditverbriefungen als Regelungsziel Ziel des SMMEA war es, die Verbriefung von Hypothekenkrediten durch private Emittenten zu fördern, um der U.S.-amerikanischen Bevölkerung dadurch mittelbar den Eigenheimerwerb zu erleichtern.154 Hintergrund dieser Reformbemühung war der Umstand, dass der U.S.-amerikanische Markt für mortgage-backed securities zu dieser Zeit fast vollständig durch die staatliche Government National Mortgage Association („Ginnie Mae“) sowie zwei quasi-staatliche Gesellschaften, nämlich die Federal National Mortgage Association („Fannie Mae“) und die Federal Home Loan Mortgage Corporation („Freddie Mac“), dominiert wurde.155 Die überragende Bedeutung dieser drei Emittenten beruhte zum einen darauf, dass ihre Bonität am Markt als einwandfrei eingeschätzt wurde – obgleich „Fannie Mae“ und „Freddie 149 In re Fitch, 21.5.2003, 330 F.3d 104, 106 (2nd Cir. 2003); Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 618; Rinze/Klüwer, BB 1998, 1697, 1699. 150 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 22; Adelson, Rating Shopping, S. 2 f.; Covington/ Hutchinson, Metr. Corp. C. (March 2008), 17; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 541; Richards, 16 Real Est. L.J. (1987), 99, 113; Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 782. 151 Partnoy/Skeel, 75 U. Cin. L. Rev. (2007), 1019, 1028. 152 Inhaltsüberblick bei Bleckner, 13 Fordham Urb. L.J. (1985), 681, 690 f. 153 Rudolph, in: Grundmann/Hofmann/Möslein, Finanzkrise, S. 55, 56. 154 Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 512; vgl. auch Rudolph, in: Grundmann/Hofmann/Möslein, Finanzkrise, S. 55, 56: „bemerkenswerte Neuerung“. 155 Bleckner, 13 Fordham Urb. L.J. (1985), 681, 686 f.; Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779. Vgl. zu Einzelheiten Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 512: vor Erlass des SMMEA deckten die genannten „Agencies“ nicht weniger als 97% des Marktes ab; Shenker/Colletta, 69 Tex. L. Rev. (1991), 1369, 1383 ff.
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Mac“ rechtlich als private Gesellschaften verfasst waren, profitierten sie in den Augen der Investorenöffentlichkeit von ihrer historischen Nähe zur öffentlichen Hand156 – und zudem auch in rechtlicher Hinsicht privilegiert wurden, da ihre staatlichen bzw. quasi-staatlichen Verbriefungsemissionen von verschiedenen Markteintritts- und Publizitätsvorgaben ausgenommen waren.
bb) Einführung eines einheitlichen „AA“-Mindestratings für Investitionen durch institutionelle Investoren als Mittel Den Markt für durch private Gesellschaften emittierte Hypothekenverbriefungen versuchte der SMMEA vor allem durch die Beseitigung rechtlicher Hürden zu fördern.157 Im Vordergrund stand das Bestreben, die bis dahin bestehenden strengen Investitionsvorgaben für regulierte institutionelle Investoren so zu ändern, dass diese private Verbriefungen erwerben dürfen.158 Der SMMEA fügte zu diesem Zweck in § 3(a)(41) Securities Exchange Act of 1934 den Rechtsbegriff der „mortgage related securities“ ein und definierte diese als Wertpapiere, die hypothekarisch besicherte Hausbaudarlehen verbriefen und durch mindestens eine NRSRO in einer beiden höchsten Ratingkategorien (also „AA“/„AAA“ oder vergleichbar) geratet sind. Gleichzeitig bestimmte der SMMEA, dass institutionellen Investoren von nun an der Erwerb von „mortgage related securities“ gestattet war und änderte bzw. verdrängte damit die vielfach strikteren, vor allem auf einzelstaatlicher Ebene bestehenden Anlagevorschriften für regulierte Investoren.159 Seitdem ist einzelstaatlich regulierten Pensionsfonds,160 Banken und Versicherungsunternehmen161 wie auch bundesrechtlich regulierten Banken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen162 die Investition in private Hypothekenverbriefungen möglich, sofern diese über ein Rating von „AA“ oder „AAA“ verfügen. Ein ausreichendes Rating stellt damit den Schlüssel dafür dar, dass „mortgage related securities“ durch institutionelle Investoren in praktisch unbegrenztem Umfang erworben werden dürfen.163 156 Bleckner, 13 Fordham Urb. L.J. (1985), 681, 689; Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 500. 157 Bleckner, 13 Fordham Urb. L.J. (1985), 681, 691; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 349; Rosenblum, Investment Company Determination, S. 426 ff.; Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 784. 158 Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 518. 159 Der SMMEA verdrängte die einzelstaatlichen Anlagevorschriften grundsätzlich (Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 519), gestattete aber unter begrenzten Voraussetzungen Ausnahmen von diesem derogatorischen Effekt; vlg. näher Bleckner, 13 Fordham Urb. L.J. (1985), 681, 693 ff.; Maher/Klyman, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2002–2 Supplement, § 17.03[B]. 160 Shenker/Colletta, 69 Tex. L. Rev. (1991), 1369, 1386; Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 784. 161 Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 530; Shenker/Colletta, 69 Tex. L. Rev. (1991), 1369, 1386. 162 Bleckner, 13 Fordham Urb. L.J. (1985), 681, 692; Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 784. 163 Maher/Klyman, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2002–2 Supplement, § 17.03[B].
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Das vorgeschriebene Mindestrating soll erklärtermaßen dem Anlegerschutz dienen, indem es nur strukturierte Finanzinstrumente mit höchster Bonität zum Erwerb freigibt164 – das Rating wird also in seiner Regulierungsfunktion sachgerecht als Bonitätsbeurteilung eingesetzt, was im U.S.-amerikanischen Recht nicht immer der Fall ist.165 Der ursprüngliche Entwurf des SMMEA hatte übrigens noch ein „investment grade“-Rating genügen lassen,166 das jedoch durch eine schärfere Bonitätsgrenze ersetzt wurde, weil öffentlich garantierte Hypothekenverbriefungen167 (als relevanter Vergleichsmaßstab) zu diesem Zeitpunkt fast durchgehend als „AA“ oder „AAA“ geratet waren168 – das Rating als Marktinformation beeinflusste insoweit also seinen Einsatz zu Regulierungszwecken. Ein strukturiertes Finanzinstrument muss das Mindestrating dabei grundsätzlich durchgehend besitzen, um als „mortgage related security“ eingestuft zu bleiben.169 cc) Auswirkungen des einheitlichen Mindestratings und Kritik an der regulatorischen Ratingverwendung Die Regelungen des SMMEA zeitigten durchgreifende Auswirkungen auf den U.S.-amerikanischen Markt für komplexe Finanzinstrumente: Emissionen von „private label mortgage-backed securities“ nahmen in der Folgezeit dramatisch zu,170 und schon 1987 war der Markt für mortgage securities so gewachsen, dass er in seinem Umfang die deutlich älteren Märkte für öffentliche Anleihen (municipal bonds) und für Unternehmensanleihen übertraf.171 Der SMMEA wird daher im Schrifttum als wichtigste ratingbasierte Regelung für strukturierte Finanzprodukte eingestuft.172 Er stellte zudem deshalb eine entscheidende Bestätigung der Regulierungsfunktion des Ratings dar, weil hier erstmals der U.S.-amerikanische Kongress selbst – und nicht, wie bisher, die jeweiligen Aufsichtsbehörden – in einem Parlamentsgesetz unmittelbar auf Ratings Bezug nahm.173 Ein hohes NRSRO-Rating wurde damit zu einer entscheidenden Voraussetzung für den
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Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 516. Als Gegenbeispiel vgl. den regulatorischen Ratingeinsatz in Rule 3a–7; siehe dazu oben II 2 b). 166 Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 517. 167 Dazu bereits soeben II 3 a) aa). 168 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 7. 169 Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 517. 170 Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779. 171 Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497. 172 Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 784. 173 Dies verstanden die Aufsichtsbehörden durchaus als Bestätigung ihres ratingbasierten Regulierungsansatzes; vgl. etwa SEC Release IC–18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 Fn. 69: „In adopting SMMEA, Congress expressly recognized the role of rating agencies in the structured finance market …“. Der Kongress hat diese gesetzliche Ratingbezugnahme allerdings mittlerweile durch den Dodd–Frank Act wieder gestrichen; siehe dazu noch unter dd). 165
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Markteintritt privater Hypothekenverbriefungen174 und die Rating-Agenturen zu unverzichtbaren Marktteilnehmern.175 Die regulatorische Ratingverwendung im SMMEA blieb in der Literatur nicht ohne Widerspruch, sondern wurde schon bald nach Erlass des Gesetzes scharf kritisiert.176 Man sah einen hinreichenden Investorenschutz dabei vor allem deshalb nicht gewährleistet, weil Rating-Agenturen lediglich die Information der Investoren (und nicht ihren Schutz) bezwecken, ohne die Akkuratesse ihrer Ratings zu garantieren, und zudem durch den Emittenten bezahlt werden.177 Von anderen Stimmen wurde zu Recht angemahnt, dass ein Rating allein keine umfassende Beurteilung aller mit komplexen Finanzinstrumenten verbundenen Risiken darstellt und dies bei deren Regulierung künftig berücksichtigt werden müsse: „It can no longer be assumed that a AAA rating is the hallmark of conservative investment.“178 dd) (Einstweilen schwebende) Beseitigung des Mindestratings infolge des Dodd–Frank Acts Der Dodd–Frank Act erstreckte sein Bestreben zur flächendeckenden Beseitigung gesetzlicher Ratingbezugnahmen179 sodann auch auf das Mindestrating des SMMEA, indem er den bisherigen Verweis auf ein Rating einer NRSRO180 strich und durch die Worte „meets standards of credit-worthiness as established by the Commission“ ersetzte.181 Die schwierige Aufgabe, einen tauglichen regulatorischen Ersatz für das Mindestrating zu finden,182 war damit der Exekutive übertragen, die dabei jedoch auf Probleme stieß: Alternative, von unabhängigen Dritten erstellte Messgrößen für das Kreditrisiko sind nämlich kaum ersichtlich,183 und die Übertragung der Bonitätsbeurteilungsaufgabe auf Emittenten oder regulierte Investoren würfe offensichtliche Interessenskonflikte auf.184 Die SEC sah 174
Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 322: „crucial threshold determination“. Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 784. 176 So namentlich durch Bleckner, 13 Fordham Urb. L.J. (1985), 681, 704: „Perhaps the most troubling aspect […] is its reliance on the rating agencies as substitutes for the regulatory constraints provided by investment statutes.“ 177 Bleckner, 13 Fordham Urb. L.J. (1985), 681, 705. 178 Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 550. 179 Siehe dazu schon § 6 vor I sowie unten § 17 I 4 b). 180 Enthalten in der Legaldefinition von „mortgage related security“ in § 3(a)(41) Securities Exchange Act of 1934. 181 § 939(e) Dodd–Frank Act. Eine entsprechende Wortlautänderung wurde auch an der Legaldefinition von „small business related security“ in § 3(a)(53)(A) Securities Exchange Act of 1934 vorgenommen. 182 Siehe dazu allgemein noch § 31 II 1 a) bb). 183 Dazu § 31 II 1 a) bb) (3). 184 Vgl. nur SEC Release 34–67448 „Commission Guidance Regarding Definitions of Mortgage Related Security and Small Business Related Security“ (Interpretation; solicitation of comment) vom 17. Juli 2012, 77 FR 42980, 42987 (23. Juli 2012): „Issuers, underwriters, and investors may have incentives to determine that a security meets the definitional standard in order to get favorable treatment under statutes and regulations using the terms ‚mortgage related security‘ or 175
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
sich vor diesem Hintergrund nicht in der Lage, binnen zwei Jahren nach Erlass des Dodd–Frank Act den geforderten eigenen Kreditwürdigkeitsmaßstab zu entwickeln, und erließ daher ab Juli 2012185 eine Übergangsregelung, derzufolge die nötige Kreditwürdigkeit einer „mortgage related security“ bis auf weiteres – kaum überraschend – ab einem „AA“-Rating mindestens einer NRSRO als vorhanden gilt.186 Indem auf diese Weise die bisherige gesetzliche Mindestratingschwelle im Wege einer Auslegungsrichtlinie durch die SEC wieder eingeführt wurde, ist in der Sache also alles beim Alten geblieben. Ob der ersichtlich nicht vollständig durchdachte Wunsch des Gesetzgebers nach Ersetzung des gesetzlichen Mindestratings künftig umgesetzt werden wird, ist einstweilen nicht abschätzbar. b) Ratingabhängige Eigenmittelanforderungen beim Erwerb strukturierter Finanzinstrumente durch Banken („Basel II“) In denjenigen Staaten, in denen der Basel II-Akkord detailgetreu umgesetzt wurde – aus dem Kreis der hier behandelten Staaten also in Deutschland, der Schweiz und Hongkong – wirkt sich aus, dass dessen Vorgaben für die Eigenmittelunterlegung von Bankeninvestitionen bei Verbriefungen besonders ratingabhängig ausgestaltet sind:187 So ist Banken der Erwerb ungerateter oder niedrig gerateter Verbriefungen zwar nicht verboten, aber das Rating wirkt sich ganz entscheidend auf die gesetzlichen Eigenmittelanforderungen und damit die Rendite der Investition für die Bank aus. Im „non-investment grade“-Bereich geratete Verbriefungspositionen im Portfolio der Originatoren (d.h. der Banken, die die verbrieften Forderungen ursprünglich als Darlehen ausgereicht hatten) müssen etwa vollständig vom Kapital abgezogen werden,188 was einem Bonitätsgewichtungsfaktor von 1.250% entspricht189 – diese Anforderung wirkt damit wirtschaftlich wie ein Mindestrating. Und auch bei anderen Banken bewirkt jedes geringfügig verbesserte Rating nach den Basel II-Regeln ein geradezu exponentielles190 Absinken von Eigenmittelquote und -kosten, indem beispielsweise ein Ratingunterschied von zwei notches noch innerhalb derselben Ratingkategorie das gesetzlich vorgeschriebene Risikogewicht von 650% auf 250% reduzieren kann.191 Im Ergebnis hat der Basel II-Akkord daher zur Folge, dass der Erwerb 185 ‚small business related security.‘ Given this potential conflict, could a third-party be required to verify that the security meets the definitional standard? If so, what type of entity could perform the verification and who would be responsible for compensating the third-party for this work?“. 185 Die im Text beschriebenen Gesetzesänderungen traten gemäß § 939(g) Dodd–Frank Act zum 20. Juli 2012 in Kraft. 186 SEC Release 34–67448 vom 17. Juli 2012, 77 FR 42980, 42981. 187 Dazu schon § 6 III 2 c). Die betreffenden Regelungen wurden auch durch „Basel III“ einstweilen nicht geändert. 188 Basel II-Akkord, Tz. 569 f. 189 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schulte-Mattler, 2. Aufl., Basel II Rn. 24. 190 Litten/Cristea, WM 2003, 213, 220. 191 So der Unterschied zwischen einem „BB–“- und einem „BB+“-Rating nach dem IRB-Ansatz; Basel II-Akkord, Tz. 615.
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von komplexen Finanzinstrumenten durch deutsche, schweizerische und Hongkonger Banken faktisch stark von deren Rating abhängt.192 c) U.S.-amerikanisches Recht: Ausnahmslose Ratingvorgabe für den Erwerb von Asset-Backed Securities durch Geldmarktfonds Daneben ist auch U.S.-amerikanischen Geldmarktfonds eine Investition in Asset-Backed Securities nach Rule 2a–7 nur dann erlaubt, wenn diese über ein NRSRO-Rating in einer der beiden höchsten Ratingklassen verfügen.193 Sofern die Bonität der betroffenen Verbriefung durch eine Garantie erhöht werden soll, müssen zudem auch die Garantie oder der Garant über ein entsprechendes Rating verfügen. Durch die Anordnung dieses Ratingerfordernisses im Jahre 1996 wollte die SEC die rechtliche, strukturelle und bonitätsbezogene Analyse von Asset-Backed Securities durch die Rating-Agenturen regulatorisch nutzbar machen;194 zudem verwies sie zur Rechtfertigung darauf, dass entsprechende komplexe Finanzinstrumente am Markt ohnehin geratet würden.195 Soweit Investitionen durch Geldmarktfonds betroffen sind, müssen Asset-Backed Securities damit denselben Mindestratingvorgaben genügen wie traditionelle Commercial Papers,196 allerdings mit einer wichtigen Verschärfung: Die nach Rule 2a–7 grundsätzlich bestehende Möglichkeit der Fondsleitung, Papiere bei Fehlen eines NRSRO-Ratings eigenständig als „gleichwertig“ einzuordnen, besteht bei Asset-Backed Securities nicht.197 Die damit also ausnahmslose Ratinganforderung bei Verbriefungen beruht auf der Annahme, dass die Bonitätsbeurteilung eines Pools von Forderungen eine Analyse erfordert, zu der Fondsmanager typischerweise nicht in der Lage sind198 – eine Begründung, welche das generell zu beobachtende, große Vertrauen in die Regulierungsfunktion des Ratings gerade im Bereich der komplexen Finanzinstrumente widerspiegelt.
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Vgl. Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675, 694. Rule 2a–7(a)(10)(ii)(B) unter dem Investment Company Act of 1940 (17 C.F.R. 270.2a– 7(a)(10)(ii)(B)). 194 SEC Release IC–21837 „Revisions to Rules Regulating Money Market Funds“ (Final Rule) vom 21. März 1996, 61 FR 13955, 13970 (28. März 1996). 195 A.a.O., S. 13970: „in view of the role NRSROs have played in the development of the structured finance markets, a rating requirement should not be burdensome“; vgl. auch Investment Company Institute, Report of the Money Market Working Group (2009), S. 162. 196 Siehe dazu noch § 12 II 3 a). 197 Rule 2a–7(a)(10)(ii)(B). Vgl. Swirsky, Guide to Rule 2a–7, S. 33 f. (dort auch zu einer eng begrenzten Ausnahme). 198 SEC Release IC–22921 „Technical Revisions to the Rules and Forms Regulating Money Market Funds“ (Final Rule) vom 2. Dez. 1997, 62 FR 64968, 64972 Fn. 51 (9. Dez. 1997); Swirsky, Guide to Rule 2a–7, S. 34. 193
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III. Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität bei komplexen Finanzinstrumenten Die zentrale Rolle der Rating-Agenturen als komplexitätsreduzierende Informationsintermediäre199 wirft zudem die Frage nach ihrem Verhältnis zur gesetzlichen Markteintrittspublizität auf, die ihrerseits eine umfassende Information über die Risiken komplexer Finanzinstrumente bezweckt200 und daher den informationellen Hintergrund für privat erstellte Marktinformationen bildet. Ähnlich der Markteintrittspublizität bei traditionellen Anleihen201 wirken Ratings dabei in zweierlei Hinsicht mit gesetzlichen Publizitätsvorgaben zusammen: So werden sie einerseits verbreitet zum Bestandteil des vorgeschriebenen Prospektinhalts erhoben202 und treten andererseits funktional an die Stelle des Prospekts, sofern das Prospektrecht ein Rating als (teilweises) Prospektsubstitut akzeptiert oder ein komplexes Finanzinstrument außerhalb der gesetzlichen Markteintrittspublizität vertrieben wird.203
1. Pflicht zur Angabe bestehender Ratings in Prospekten und funktionsäquivalenten Dokumenten Die rechtsvergleichende Umschau zeigt dabei, dass Ratings dann, wenn komplexe Finanzinstrumente öffentlich angeboten werden sollen, in den meisten hier untersuchten Rechtsordnungen in Prospekten oder funktionsäquivalenten Dokumenten genannt werden müssen. Die Inkorporierung der Bonitätsbeurteilungen privater Informationsintermediäre ist dabei verbreiteter und zugleich inhaltlich weniger umstritten als bei der Prospektpublizität traditioneller Anleihen. Dass komplexe Finanzinstrumente aber durchweg als eigener Typ von Schuldverschreibungen angesehen werden, wird daran deutlich, dass keine logische Konsistenz in der Haltung der verschiedenen Rechtsordnungen zu verzeichnen ist: Wo die Prospektpflicht von Anleiheratings bejaht wird, wird die Pflicht zur Angabe von Verbriefungsratings nicht selten abgelehnt (und umgekehrt). a) Selbstregulierung in der Schweiz: Pflicht zur Ratingangabe im vereinfachten Prospekt für strukturierte Produkte Strukturierte Produkte wie etwa kapitalgeschützte Produkte, Produkte mit Maximalrendite und Zertifikate dürfen in der Schweiz oder von der Schweiz aus nur 199
Dazu schon oben unter I 2 b). Zum Hongkonger Recht Lejot, 38 HKLJ (2008), 585, 586: „Such complex instruments must either carry warnings that make clear their speculative nature, or be supported by information sufficiently complete and well-presented to allow the decision of a reasonable buyer to be fairly informed“. 201 Siehe § 9 II, III. 202 Sogleich unter 1. 203 Unter 2, 3. 200
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öffentlich angeboten werden, wenn für sie ein vereinfachter Prospekt vorliegt.204 Das allgemeine Emissionsprospekterfordernis des Art. 1156 OR – in dessen Geltungsbereich das Bestehen einer Ratingangabepflicht umstritten ist205 – gilt für strukturierte Produkte hingegen vor vornherein nicht.206 Der vereinfachte Prospekt muss seinerseits gemäß einem sog. „genormten Schema“ die wesentlichen Merkmale des strukturierten Produkts (Eckdaten), dessen Gewinn- und Verlustaussichten sowie die bedeutenden Risiken für die Anlegerinnen und Anleger beschreiben und dabei für die Durchschnittsanlegerin und den Durchschnittsanleger leicht verständlich sein.207 Die Anforderungen an den „vereinfachten Prospekt“ bzw. das „genormte Schema“ werden durch im Wege der Selbstregulierung erlassene Richtlinien der Schweizerischen Bankiervereinigung über die Information der Anlegerinnen und Anleger zu strukturierten Produkten näher konkretisiert.208 Diese Richtlinien verlangen einen kurzen Hinweis auf die wesentlichen Risiken für die Anleger und führen bezüglich des Emittentenrisikos aus: „Soweit ein Rating des Emittenten oder indirekt des Sicherheitsgebers vorhanden ist (Garantie, Keep Well-Agreement usw.), ist dieses aufzuführen; wenn kein Rating vorhanden ist, ist darauf besonders hinzuweisen.“209 Die so geschaffene Pflicht zur Ratingangabe bei strukturierten Finanzprodukten ergänzt damit die ältere ratingspezifische Prospektpflicht bei Notes ausländischer Schuldner,210 die ebenfalls im Wege der Selbstregulierung eingeführt wurde. Der Sinn der Ratingnennung wird wiederum vor allem in der verständlichen Codierung dieser Marktinformation zu sehen sein: Auch im schweizerischen Schrifttum wird nämlich nicht zu Unrecht bezweifelt, ob der in Art. 5 Abs. 2 KAG in den Blick genommene Durchschnittsanleger den vereinfachten Prospekt überhaupt zur Kenntnis nimmt und, sollte er dies tun, die darin aufgeführten Risiken komplexer Finanzinstrumente tatsächlich einzuschätzen vermag.211 In letzterer Hinsicht kann das Rating eine aufnehmbare Information über das Kreditrisiko der Anlage vermitteln, wenngleich damit die Gefahr einhergeht, dass das Rating als umfassende Beurteilung sämtlicher Risiken des strukturierten Finanzprodukts missverstanden wird – ein Risiko, dem das schweizerische Prospektrecht, das keine Pflicht zur Erläuterung des genannten Ratings212 kennt, nicht begegnet. 204 Art. 5 Abs. 1 lit. b KAG. Der vereinfachte Prospekt für strukturierte Produkte hat mit dem vereinfachten Prospekt für Fonds gemäß Art. 76 KAG nichts zu tun; vgl. Eggen, Der vereinfachte Prospekt, S. 103, 104. 205 Vgl. dazu bereits § 9 II 2 a) bb). 206 Art. 5 Abs. 4 KAG. 207 Art. 5 Abs. 2 lit. a, b KAG. 208 Eggen, Der vereinfachte Prospekt, S. 103, 105; dies., SZW/RSDA 2008, 380, 386; Holzborn/ Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 16. 209 Schweizerische Bankiervereinigung, Richtlinien über die Information der Anlegerinnen und Anleger zu strukturierten Produkten, in Kraft getreten zum 1. Juli 2007, Tz. 5(d). 210 Siehe § 9 II 2 a) aa). 211 Insofern skeptisch Eggen, Der vereinfachte Prospekt, S. 103, 107. 212 Zu diesbezüglichen Vorgaben des deutschen, U.S.-amerikanischen und auch Schweizer Rechts im Bereich der Anlageberatung noch § 15 III 1 c).
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b) U.S.-amerikanisches Recht: Pflicht zur Ratingangabe in Registrierungserklärungen für Asset-Backed Securities (Regulation AB) Das U.S.-amerikanische Prospektrecht verzichtet bei „traditionellen“ Anleihenemissionen, wie schon an anderer Stelle erläutert,213 auf jegliche Pflicht zur Ratingangabe und setzt stattdessen auf eine freiwillige Ratingnennung in Prospekten und Registrierungserklärungen, die es durch Haftungsprivilegien und Formatempfehlungen zu erleichtern und konditionieren versucht. Soweit die Markteintrittspublizität von Asset-Backed Securities betroffen ist, nimmt es demgegenüber eine deutlich striktere Haltung ein, indem es in der seit 2006 geltenden Regulation AB214 die Angabe von Ratings in Registrierungserklärungen zwingend vorschreibt. Die SEC hatte schon in den frühen 1990er Jahren die besonderen Risiken erkannt, die der schnell wachsende Markt für komplexe Finanzinstrumente für die Investoren mit sich brachte, wie namentlich die zunehmende Unverständlichkeit der verfügbaren Informationen über diese Instrumente, das daraus resultierende Verwirrungspotential215 und die damit wachsende Bedeutung von Ratings als Investoreninformation. Sie reagierte darauf im Jahre 1994 mit einem Regelungsvorschlag, der Emittenten zur Nennung von Ratings in Prospekten sowie zur näheren Erläuterung ihres Aussagegehalts verpflichtet hätte; zudem war die Einführung einer anlassbezogenen Publizitätspflicht bei Ratingänderungen vorgesehen.216 Der Vorschlag wurde in der Folgezeit jedoch nicht umgesetzt und erst Ende 2004 durch Erlass der Regulation AB in der Sache wieder aufgegriffen.
Die Regulation AB verlangt die Angabe des Namens der Rating-Agentur und etwaiger Mindestratings217 sowie bestehender Arrangements zur laufenden Ratingüberwachung218 ihrem Wortlaut nach nicht ausnahmslos, sondern nur unter der Voraussetzung, dass die Emission der registrierten Asset-Backed Securities bzw. einzelner Tranchen davon abhängt (is conditioned on). Die ratingbasierte Ausgestaltung anderer Regelungen des U.S.-amerikanischen Rechts219 hat jedoch zur 213
Siehe § 9 II 3. Regulation AB unter dem Securities Act of 1933. Die Vorgaben der Regulation AB gelten für alle Asset-Backed Securities, die öffentlich begeben werden; auf Privatplatzierungen finden sie hingegen keine Anwendung (Kübler, in FS Schwark (2009), S. 499, 504). 215 Vgl. zum Rating strukturierter Finanzinstrumente SEC Release 33–7086, 34–34617, IC– 20509 „Disclosure of Security Ratings“ (Proposed Rules) vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46304 ff. (7. Sept. 1994): „Current rating designations and the variation in meaning and scope of the ratings represented, together with the widely disparate payment obligations of the securities rated, have a substantial potential to confuse, and in some cases mislead, investors.“ 216 SEC Release 33–7086, 34–34617, IC–20509 vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46304 ff. 217 Item 1103(a)(9) und (nahezu wortlautidentisch) Item 1120 Regulation AB: „Disclose whether the issuance or sale of any class of offered securities is conditioned on the assignment of a rating by one or more rating agencies [, whether or not NRSROs]. If so, identify each rating agency and the minimum rating that must be assigned.“ 218 Item 1120 Regulation AB: „… Describe any arrangements to have such rating monitored while the asset-backed securities are outstanding.“ 219 Vgl. namentlich zur Rule 3a–7 unter dem Investment Company Act oben II 2 und zum Form S–3 unten III 2. 214
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Folge, dass Asset-Backed Security-Emissionen fast ausnahmslos von einem Rating abhängig gemacht werden,220 und bewirken im Zusammenspiel mit der Regulation AB eine im Ergebnis flächendeckende Pflicht zur Ratingangabe im Prospekt, sofern Asset-Backed Securities nicht lediglich privat platziert werden sollen. Da komplexe Finanzinstrumente somit nur bei Ratingnennung öffentlich angeboten werden können, die Nennung von Ratings in Registrierungserklärungen aber nur mit schriftlichem Einverständnis der Rating-Agenturen zulässig ist,221 die in diesem Bereich somit als „Gatekeeper“ im engeren Sinne agieren, kam es nach Erlass des Dodd–Frank Acts im Juli 2010 nahezu zum Zusammenbruch des U.S.-amerikanischen Primärmarktes für strukturierte Finanzinstrumente: Nachdem dieses Gesetz die bisherige Rule 436(g)222 außer Kraft gesetzt223 und damit bewirkt hatte, dass Rating-Agenturen nicht länger ausdrücklich von der Expertenhaftung nach dem Securities Act of 1933 ausgenommen waren, weigerten sich sämtliche Agenturen einvernehmlich (und kaum überraschend), ihr nunmehr wieder erforderliches Einverständnis zur Ratingnennung in Registrierungserklärungen – die hier, anders als bei der Emission traditioneller Anleihen, ja vorgeschrieben ist – zu erteilen.224 Die SEC vermochte nur durch Erteilung eines noaction letters, der die Pflicht zur Ratingnennung nach der Regulation AB einstweilen dispensierte,225 zu verhindern, dass die Emission öffentlich angebotener226 Asset-Backed Securities völlig zum Erliegen kam. Der so zunächst vorübergehend erteilte Publizitätsdispens wurde später auf unbestimmte Zeit ausgedehnt,227 sodass die gut gemeinten, aber eben nicht gut gemachten gesetzgeberi220 SEC Release 33–8518, 34–5095 „Asset-Backed Securities“ (Final Rule) vom 22. Dez. 2004, 70 FR 1506, 1551 (7. Jan. 2005) bezeichnet die Bezugnahme der Regulation AB auf die Ratingabhängigkeit als Kodifizierung der geltenden Praxis. 221 Gemäß § 7(a) Sätze 2 und 3 Securities Act of 1933; siehe dazu schon § 9 II 3 b). 222 Rule 436(g) unter dem Securities Act of 1933; dazu schon § 9 II 3 b) aa). 223 § 939H Dodd–Frank Act: „Rule 436(g) … shall have no force or effect.“ 224 Kritisch dazu Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1067: „the NRSROs played hardball“; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1020: „troubling“. 225 Vgl. Katherine Hsu (Senior Special Counsel der SEC), SEC No-Action Letter vom 22. Juli 2010 in Antwort auf eine Anfrage der Ford Motor Credit Company LLC vom selben Datum. 226 Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 44 geben zudem zu Bedenken, dass die bewirkte Verschärfung der Haftungsgefahr für Rating-Agenturen im Ergebnis auch zu einer zunehmenden Privatplatzierung gerateter Finanzinstrumente mag. 227 Katherine Hsu (Senior Special Counsel der SEC), SEC No-Action Letter vom 23. Nov. 2010 in Antwort auf die Anfrage der Ford Motor Credit Company LLC vom 22. Juli 2010: „The Dodd– Frank Act mandates a number of significant changes to the regulatory regime for both credit rating agencies and asset-backed securities. The Division has determined to extend the no-action position to allow adequate time to complete the regulatory actions required by the Dodd–Frank Act. […] We understand that the rating agencies continue to indicate that that they are not willing to provide their consent at this time, and that without an extension of our no-action position, offerings of asset-backed securities would not be able to be conducted on a registered basis. Given the current state of uncertainty in the asset-backed securities market and the benefits to investor protection resulting from Securities Act registration, the Division is extending the relief issued to you by letter dated July 22, 2010. Pending further notice, the Division will not recommend enforcement action
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schen Vorgaben des Dodd–Frank Acts im Ergebnis zu einer unbeabsichtigten Reduktion der gesetzlichen Markteintrittspublizität für Asset-Backed Securities führten. Es zeigte sich daran plastisch, dass die (ungefragte) Indienstnahme der Rating-Agenturen in ihrer Regulierungsfunktion nicht ohne weiteres mit einer Verschärfung des Haftungsrechts kombiniert werden kann,228 weil sich die Agenturen in diesem Fall schlicht weigern können, ihre Ratings zu Regulierungszwecken zur Verfügung zu stellen.229 c) Hongkonger Recht: Pflicht zur Ratingangabe in der „formellen Bekanntgabe“ der Börsenzulassung strukturierter Produkte Werden strukturierte Produkte in Hongkong zum Börsenhandel zugelassen, so verlangt die Stock Exchange of Hong Kong Limited, der die Regulierung der Börsenzulassung von Seiten der Aufsichtsbehörde übertragen wurde,230 die Veröffentlichung einer „formellen Bekanntgabe“ der Börsenzulassung (formal announcement).231 Die Vorgaben zum Inhalt dieser Veröffentlichung aus Anlass des Markteintritts schreiben dabei auch die Angabe des Ratings des Emittenten und/ oder des Garanten des strukturierten Produkts vor.232 Soweit sog. non-collaterised structured products betroffen sind,233 erhebt das Hongkonger Recht das Vorliegen eines Mindestratings allerdings sogar in den Rang einer zwingenden Börsenzulassungsvoraussetzung;234 die ratingbezogene Markteintrittspublizität flankiert diese daher lediglich und spielt damit eine ähnliche Rolle wie im Schweizer Recht.235 Bei sonstigen strukturierten Produkten fungiert die Pflicht zur Ratingnennung im Bekanntgabedokument dagegen – insofern dem U.S.-amerikanischen Recht236 vergleichbar – als mildere Alternative zu einer Ratingpflicht. d) Deutsches und europäisches Recht: Keine ausnahmslose Pflicht zur Ratingangabe in Prospekten für komplexe Finanzinstrumente Im Gegensatz zu den anderen hier untersuchten Rechtsordnungen ist eine umfassende Pflicht zur Ratingangabe im deutschen und europäischen Prospektrecht 228 to the Commission if an asset-backed issuer as defined in Item 1101 of Regulation AB omits the ratings disclosure required by Item 1103(a)(9) and 1120 of Regulation AB from a prospectus that is part of a registration statement relating to an offering of asset-backed securities.“ 228 Siehe dazu bereits § 9 II 3 b) aa) (3). 229 Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 774 („The SEC blinked first“); Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14, 19; die SEC scharf kritisierend Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1067 ff. Siehe dazu auch schon § 9 II 3 b) aa) (3). 230 Kwan/Chiu/Shen, Stand: Release 0 (June 2007), Rn. 10.010. Das Gesetz (d.h. die Securities and Futures Ordinance, Cap. 571) weist die originäre Regelungszuständigkeit in diesem Bereich der Securities and Futures Commission zu. 231 § 15A.58 Listing Rules SEHK. 232 § 15A.59(15) Listing Rules SEHK: „the credit rating of the issuer and/or the guarantor“. 233 Zur Begriffsdefinition und -abgrenzung siehe § 15A.05 Listing Rules SEHK. 234 Siehe bereits oben II 1 a). 235 Zur Pflicht zur Ratingangabe im Kotierungsprospekt siehe oben unter a). 236 Oben b).
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für komplexe Finanzinstrumente nicht vorgesehen. So schreibt die EG-ProspektVO zwar bei Emission traditioneller Schuldverschreibungen explizit eine Ratingnennung im Prospekt vor,237 verlangt entsprechendes aber weder in den einschlägigen Schemata für die Wertpapierbeschreibung für derivative Wertpapiere238 (also Zertifikate, Optionsscheine oder Credit Linked Notes239) noch für die Wertpapierbeschreibung für durch Forderungen unterlegte Wertpapiere („Asset backed securities“).240 Der Emittent kann zur Ratingnennung daher nur in Fällen verpflichtet sein, in denen infolge der komplizierten Kombinationslösung des EU-Prospektsrechts241 zusätzlich zu den Spezialvorgaben für Derivate und Asset Backed Securities eines der Schemata für (allgemeine) Schuldtitel eingreift, die eine solche Pflicht vorsehen und daher als strengere Regelung vorgehen. Im Ergebnis erweist sich die europäische Markteintrittspublizität damit im hier interessierenden Bereich als am wenigsten ratingaffin.
2. Reduktion gesetzlicher Publizitätsvorgaben bei komplexen Finanzinstrumenten mit „investment grade“-Rating: Das Rating als Prospektsubstitut Das U.S.-amerikanische Recht akzeptiert das Rating bei der öffentlichen Emission komplexer Finanzinstrumente schließlich als teilweises Prospektsubstitut,242 indem es bei Asset-Backed Securities mit „investment grade“-Rating sowohl einen stark reduzierten Prospektinhalt genügen lässt (Form S–3 zum Securities Act of 1933)243 als auch eine „shelf registration“ ermöglicht (Rule 415 zum Securities Act of 1933).244 Die damit verbundene Reduktion der gesetzlichen Prospektpublizität, die bei traditionellen Anleihen und Vorzugsaktien mit „investment grade“-Rating schon seit 1982 zugelassen war,245 wurde zehn Jahre später auch auf Verbriefungen ausgedehnt.246 Sie erreichte dort alsbald eine ungleich größere Bedeutung, die sich etwa darin zeigt, dass in den Jahren 2006 und 2007 lediglich drei Verbriefungsemittenten der den gesetzlichen Regelfall darstellenden ausführlichen Prospektpublizität (Form S–1) genügten, während alle
237
Siehe § 9 II 1 b). So zu Art. 15 i.V.m. Anhang XII zur EG-ProspektVO Just/Voß/Ritz/Zeising/Zeising, Anh. V EU-ProspektVO Rn. 42. 239 Just/Voß/Ritz/Zeising/Zeising, Anh. XII EU-ProspektVO Rn. 2. 240 Art. 10 i.V.m. Anhang VII zur EG-ProspektVO. 241 Vgl. Art. 21 i.V.m. Anhang XVIII zur EG-RatingVO. 242 Vgl. Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 5. 243 17 C.F.R. § 239.13. 244 Rule 415(a)(1)(x) (17 C.F.R. § 230.415(a)(1)(x)). 245 Siehe oben § 9 III 2. 246 Vgl. SEC Release 33–6943, 34–30930 „Form S–3 Availability“ (Notice of Proposed Rulemaking) vom 16. Juli 1992, 57 FR 32461 ff. (22. Juli 1992) und SEC Release 33–6943, 34–30930 „Simplification of Registration Procedures for Primary Securities Offerings“ (Final Rule) vom 22. Okt. 1992, 57 FR 48970 ff. (29. Okt. 1992): „… received enthusiastic support from commenters“. 238
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anderen ABS-Emittenten sich der ratingabhängigen Kurzvariante des Form S–3 bedienten.247 Im Unterschied zur Rechtslage bei klassischen Zinstiteln, wo die Ratingbezugnahmen in diesem Bereich im Jahre 2011 gestrichen und durch andersartige Kriterien ersetzt wurden,248 besteht die Privilegierungswirkung eines „investment grade“-Ratings im Publizitätsrecht für Asset-Backed Securities bis heute unverändert fort.249 a) Anlegerschutz durch Markteintrittspublizität vs. flexible Emissionsdurchführung bei Asset-Backed Securities Die SEC hatte mit der Einführung des ratingabhängigen Publizitätsprivilegs ursprünglich auf Kritik an den detaillierten und zeitaufwendigen Publizitätsvorgaben des Securities Act of 1933 reagiert, die man schon in den 1980er Jahren als wesentlichen Grund dafür anführte, dass strukturierte Finanzinstrumente entweder privat oder aber außerhalb der USA am europäischen Markt platziert wurden250 – in den Gesetzesentwürfen zum Secondary Mortgage Market Enhancement Act251 war daher sogar noch vorgesehen gewesen, private mortgage securities gänzlich von den Registrierungserfordernissen des U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrechts freizustellen252 und die gesetzliche Prospektpublizität damit gerade bei komplexen Finanzprodukten „auf Null“ zu reduzieren, was jedoch aus Gründen des Anlegerschutzes wieder fallen gelassen wurde.253 Man hatte bei mortgage related securities, die mit mindestens „AA“ geratet sein müssen, aber immerhin bereits ab 1984 eine „shelf registration“ zugelassen.254 Durch die weitere Lockerung der Rule 415 im Jahre 1992 wurde diese Option auf alle Verbriefungsarten ausgedehnt und damit sachlich ganz erheblich ausgeweitet,255 während man nunmehr zugleich ein „investment grade“-Rating genügen ließ.
Durch die erleichterte Registrierung nach Form S–3 und die Möglichkeiten einer „shelf registration“ werden Compliance-Aufwand und Emissionskosten von
247 So SEC Release 33–9117 „Asset-Backed Securities“ (Proposed rule) vom 7. Apr. 2010, 75 FR 23328, 23334 (3. Mai 2010). 248 Siehe § 9 III 2 a) dd) (zur Neufassung des Form S–3) und § 9 III 2 b) (zur Neufassung der Rule 415). 249 Zu Reformvorschlägen, die bislang allerdings nicht umgesetzt wurden, siehe noch unter b). 250 Richards, 16 Real Est. L.J. (1987), 99, 134. 251 Dazu bereits oben II 3 a). 252 Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 513; Shenker/Colletta, 69 Tex. L. Rev. (1991), 1369, 1386 Fn. 75. 253 Vgl. Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 532. 254 Rule 415(a)(1)(vii) (17 C.F.R. § 230.415(a)(1)(vii)). Zum Begriff der mortgage related securities siehe bereits oben II 3 a) bb). 255 SEC Release 33–6943, 34–30930 vom 22. Okt. 1992, 57 FR 48970 ff. mit dem Hinweis, die bisherige Privilegierung von Hypothekenverbriefungen stelle eine „Anomalie“ dar; Kravitt/Seifman, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 1996, § 3.08; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 349.
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Verbriefungen erheblich reduziert.256 Da ein „investment grade“-Rating bei diesen Finanzinstrumenten die einzige Voraussetzung für die Nutzung der genannten Regelungen ist, bestimmen NRSROs faktisch die Vermarktungschancen von Asset-Backed Securities in den U.S.A.:257 Ein ausreichendes Rating stellt aus wirtschaftlicher Perspektive eine Marktzugangsvoraussetzung dar. Die dadurch eröffneten regulatorischen Vorteile des Emittenten258 haben freilich für Investoren zur Folge, dass ihnen gerade bei komplexen Finanzinstrumenten – deren schwer verständliche Struktur ein besonders großes Informationsbedürfnis nahe legt – besonders wenig gesetzlich vorgeschriebene Angaben zur Verfügung stehen, die eine Einschätzung der Risiken erlauben würden, unter denen das Rating bekanntlich allein das Kreditrisiko abbildet.259 Ein bloßer Hinweis auf den begrenzten Aussagegehalt von Ratings im Prospekt, wie ihn die SEC verlangt,260 dürfte diese Lage kaum wesentlich verbessert haben. b) Vorschläge zur ratingunabhängigen Neuregelung von „shelf registrations“ und Kritik Aufgrund der Erfahrungen der globalen Finanzkrise schlug die SEC im Jahre 2010 erstmals vor, die regulatorische Bedeutung des „investment grade“-Ratings im bestehenden Publizitätsregime abzuschaffen und durch alternative Kriterien zu ersetzen. Der vorgelegte Regelungsentwurf261 gelangte allerdings nicht über das Diskussionsstadium hinaus, bevor der Dodd–Frank Act seinerseits Vorgaben zur Neuregelung auch dieses Bereiches aufstellte.262 Im Lichte dieser Lage veröffentlichte die SEC daher 2011 einen neuen Regelungsvorschlag, der zahlreiche kritische Stellungnahmen von Finanzmarktteilnehmern – die freilich vor allem aus dem Kreis der ABS-Emittenten und kaum von Seiten der Investoren oder der unabhängigen Wissenschaft erfolgten – berücksichtigt und erneut die Streichung der bestehenden Ratingbezugnahmen vorsieht.263
256 Frankel, Securitization, § 11.31; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 542; Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 783. 257 Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 350. 258 Vgl. Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 19. 259 Dies betonte in jüngerer Zeit etwa SEC Release 33–8518, 34–5095 vom 22. Dez. 2004, 70 FR 1506, 1511: „As with a traditional corporate debt security, a rating on an asset-backed security is designed only to reflect credit risk. The rating generally does not address other market risks that may result from changes in interest rates or from prepayments on the underlying asset pool.“ 260 SEC Release 33–6943, 34–30930 vom 22. Okt. 1992, 57 FR 48970 ff. verlangt insoweit „an explanation of what an NRSRO rating addresses and the characteristics the rating does not address“. 261 SEC Release 33–9117 „Asset-Backed Securities“ (Proposed rule) vom 7. Apr. 2010, 75 FR 23328 ff. (3. Mai 2010). 262 § 939A Dodd–Frank Act. 263 SEC Release 33–9244 „Re-proposal of Shelf Eligibility Conditions for Asset-Backed Securities“ (Re-proposed rule) vom 26. Juli 2011, 76 FR 47948 ff. (5. Aug. 2011).
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aa) Neugefasster Regelungsvorschlag der SEC (2011) Als funktioneller Ersatz für ein „investment grade“-Rating einer NRSRO wird darin zum einen eine Bestätigung des zuständigen Leitungsorganmitglieds des Emittenten264 vorgeschlagen, derzufolge die verbrieften Vermögenswerte nach dem Inhalt des Prospekts und der Struktur der Verbriefung seines Wissens nach den nötigen cash flow generieren werden, um die zur Bedienung der Asset-Backed Security erforderlichen Zahlungen zu leisten.265 Hinzu soll als weiterer, separater Ersatz für ein „investment grade“-Rating die Bestellung eines unabhängigen credit risk managers treten, der die verbrieften Vermögenswerte bei Eintritt bestimmter Gefährdungskonstellationen im Interesse der Investoren zu überwachen hat.266 Diese kumulativen Erfordernisse hält die SEC ausweislich des Regelungsvorschlages für geeignet, die „gehobene Qualität“ (higher quality) von Verbriefungen sicherzustellen, die bisher durch ein „investment grade“-Rating ausgewiesen wurden.267 Bei ihrem Vorliegen soll der Verbriefungsemittent daher als tauglich erscheinen, auch unter reduzierten Publizitätsvorgaben Asset-Backed Securities zu emittieren, ohne dass dadurch Belange des Anlegerschutzes beeinträchtigt zu werden drohen. bb) Bewertung Nach hier vertretener Ansicht sind die vorgeschlagenen Ersatzkriterien kaum geeignet, den verfolgten Regelungszweck zu erfüllen, ziehen sie doch die falschen Schlüsse aus den in der Tat bestehenden Schwächen des (noch) geltenden Regelungsregimes. Dessen zentrales Manko liegt nämlich in der mangelnden gesetzlichen Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen von dem beauftragenden und zahlenden Emittenten, die infolge der Besonderheiten der dortigen Marktstruktur gerade am Markt für strukturierte Finanzinstrumente – nicht aber am Markt für traditionelle Schuldverschreibungen268 – bestand und weiterhin besteht. Diese Schwäche, die an anderer Stelle269 noch in größerer Tiefe zu behandeln sein wird, sollte sinnvollerweise durch regulatorische Vorgaben beseitigt werden, die die nötige Unabhängigkeit der Rating-Agenturen effektiv sichern. Als Beispiel ist ein Zwang zum „doppelten Rating“ strukturierter Finanzinstrumente (d.h. der Beauftragung von mindestens zwei Rating-Agenturen mit der 264
Der Regelungsvorschlag nennt „the chief executive officer of the depositor or executive officer in charge of securitization of the depositor“. 265 SEC Release 33–9244 vom 26. Juli 2011, 76 FR 47948, 47951 ff. Dieses Kriterium gleicht einer Vorgabe des EU-Prospektrechts (Art. 11 EG-ProspektVO i.V.m. Anhang VIII, Tz. 2.1), obgleich dessen Angabe im Prospekt dort neben zahlreichen weiteren Angaben verlangt wird, während der Regelungsvorschlag der SEC es als Substitut für eine uneingeschränkte Prospektpflicht verwendet. 266 SEC Release 33–9244 vom 26. Juli 2011, 76 FR 47948, 47955 ff. 267 SEC Release 33–9244 vom 26. Juli 2011, 76 FR 47948, 47951; ähnlich a.a.O., 47950: „a certain quality and character for [eligible] asset-backed securities“. 268 Dazu § 25 I 2 b) cc) (1) (a). 269 Siehe § 25 I 2 b) cc) (1) (b), (3).
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Ratingerstellung) zu nennen, der im Jahre 2013 in die EG-RatingVO aufgenommen wurde,270 weil durch diese Vorgabe die Möglichkeit einer Abwanderung unzufriedener ABS-Emittenten und damit der ökonomische Anreiz der RatingAgenturen zur Rücksichtnahme reduziert wird.271 Der Regelungsvorschlag der SEC weist demgegenüber in die genau entgegengesetzte Richtung: Anstatt die Unabhängigkeit des beurteilenden Dritten zu stärken, wird dessen Einbeziehung komplett abgeschafft und in der Sache durch eine Einschätzung vor allem des Verbriefungsemittenten selbst ersetzt. Wenn der Chief Executive Officer bzw. der Executive Officer in charge of Securitization des Emittenten formell bestätigt, dass mit der Verbriefung nach seiner persönlicher Kenntnis alles in Ordnung ist, so liegt darin i.d.R. nicht mehr als eine Wiederholung von Erklärungen, die die betreffende Person bereits bei Registrierung des strukturierten Finanzinstruments abgegeben hat. Die im Vorschlag der SEC geäußerte Hoffnung, das Leitungsorganmitglied des Emittenten möge durch das zusätzliche Bestätigungserfordernis zu einer sorgfältigeren Überwachung von Verbriefungsvorgängen motiviert272 oder gar zu einer Analyse der Verbriefungsstruktur angeregt273 werden, dürfte daher nicht mehr als eine fromme Hoffnung sein. Der im Gegensatz zu den vorgenannten Personen vom Emittenten unabhängige credit risk manager soll demgegenüber überhaupt erst dann eingreifen können, wenn es bei der Bedienung einer Asset-Backed Security zu Fehlentwicklungen gekommen ist, und stellt deshalb ebenfalls kein Äquivalent zu einer unabhängigen Präventivkontrolle eines komplexen Finanzinstruments dar. Beide als Ersatz für das „investment grade“-Rating vorgeschlagenen Erfordernisse dürften es daher kaum rechtfertigen, die (wenngleich wohl nur theoretisch bestehende) Möglichkeit der Investoren zur eigenständigen Überprüfung des Risikogehalts der Verbriefungen dadurch einzuschränken, dass der gesetzlich vorgeschriebene Publizitätsumfang reduziert wird. Dass der SEC die strukturelle Ungeeignetheit des vorgeschlagenen Regelungsmodells möglicherweise bewusst war, kommt darin zum Ausdruck, dass sie als denkbare Alternative selbst die Bestätigung durch einen „independent evaluator“ zur Diskussion stellte.274 270 Art. 8c EG-RatingVO in der seit dem 20. Juni 2013 geltenden Fassung (eingefügt durch Art. 1 Nr. 11 ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO). Diese Regelung begrüßend Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, 108 f. 271 Dies war freilich nicht der Regelungszweck, der dem Unionsgesetzgeber bei Schaffung des Art. 8c EG-RatingVO vor Augen stand; vgl. dazu noch näher § 25 I 2 b) cc) (1) (b). 272 SEC Release 33–9244 vom 26. Juli 2011, 76 FR 47948, 47951: „We believe […] that a certification may cause these officials to review more carefully the disclosure, and in this case, the transaction, and to participate more extensively in the oversight of the transaction, which is intended to result in shelf eligible ABS being of a higher quality than ABS structured without such oversight“, „encouraging more careful issuer review of securitizations.“ 273 SEC Release 33–9244 vom 26. Juli 2011, 76 FR 47948, 47951 Fn. 35: „a depositor’s chief executive officer may conclude that in order to provide the certification, he or she must analyze a structural review of the securitization. Rating agencies also typically conduct a structural review of the securitization when issuing a rating on the securities.“ 274 SEC Release 33–9244 vom 26. Juli 2011, 76 FR 47948, 47954 f.
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Als in Frage kommende „unabhängige Beurteiler“ schwebten ihr dabei – kaum überraschend – u.a. wiederum die Rating-Agenturen vor.275 Im Ergebnis scheint also auch die SEC davon auszugehen, dass das bestehende ratingbasierte Regelungsregime jedenfalls insofern als erhaltenswert einzustufen ist, als es die Beteilung eines unabhängigen Dritten zur Voraussetzung einer Reduktion der gesetzlichen Markteintrittspublizität erhebt.
3. Platzierung komplexer Finanzinstrumente jenseits der gesetzlichen Markteintrittspublizität Daneben eröffnen alle hier untersuchten Rechtsordnungen Möglichkeiten, komplexe Finanzinstrumente vollständig ohne Beachtung der gesetzlichen Markteintrittspublizität zu platzieren, und damit auch die Pflichten zur Ratingangabe zu vermeiden. a) Ausnahmen von der gesetzlichen Markteintrittspublizität Dies ist zum einen dadurch möglich, dass das Finanzinstrument nicht an der Börse zugelassen und auch nicht in anderer Weise „öffentlich“276 begeben wird, weil Publizitätspflichten typischerweise an diese Merkmale anknüpfen.277 Es liegt dann eine „Privatplatzierung“ im ursprünglichen Sinne vor,278 bei der es sich um eine seit jeher praktizierte Form der Fremdkapitalaufnahme handelt. Zum anderen sehen moderne Regelungen zur Markteintrittspublizität vielfach Ausnahmen von der Publizitätspflicht vor, die an Eigenschaften der angesprochenen Investoren (wie in Gestalt des „qualifizierten Anlegers“ des europäischen und deutschen279 sowie des „qualified institutional buyer“ (QIB) des U.S.-amerikanischen Prospektrechts280) oder der begebenen Wertpapiere (wie im EU-Prospektrecht 275 Vgl. SEC Release 33–9244 vom 26. Juli 2011, 76 FR 47948, 47955: „What types of entities are likely to serve as independent evaluators? Wer anticipate that firms, such as […] rating agencies could serve as independent evaluators. […] If so, should a rating agency hired to issue a credit rating on an ABS also be able to serve as an independent evaluator on the same transaction?“. 276 § 2 Nr. 4 WpPG; Art. 1156 Abs. 1 OR. 277 Zum deutschen Recht Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2008, § 2 WpPG Rn. 21; ausf. Schnorbus, AG 2008, 389, 391 ff.; zum schweizerischen Recht Bösch, in: Baums/Cahn, Schuldverschreibungsrecht, S. 189, 195 f.; Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 8. Das U.S.amerikanische Recht stellt die Publizitätsfreiheit von Privatplatzierungen in § 4(2) Securities Act of 1933 ausdrücklich klar. 278 Der Sprachgebrauch ist allerdings ganz uneinheitlich, sodass auch Platzierungen nach den sogleich zu behandelnden, speziell geregelten Ausnahmetatbeständen vielfach als „Privatplatzierungen“ bezeichnet werden (so etwa Heidel/Grosjean, § 1 WpPG Rn. 4; Kunold/Schlitt, BB 2004, 501, 504), obgleich dies allenfalls für Fälle des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpPG (öffentliche Angebote an weniger als 150 Anleger) passt; vgl. in diesem Sinne auch Schnorbus, AG 2008, 389, 404: in Nähe einer Privatplatzierung. 279 Art. 3 Abs. 2 Satz 1 lit. a EG-Prospektrichtlinie; § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Nr. 6 WpPG. 280 Rule 144A zum Securities Act of 1933 (zur Weiterveräußerung privat platzierter Titel), die hauptsächlich auf ein Mindestportfoliovolumen von 100 Mio. USD abstellt und damit strengere Anforderungen stellt als das europäische Recht (Heidel/Grosjean, § 1 WpPG Rn. 4 Fn. 27; Schlitt/ Schäfer, AG 2005, 498, 500).
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die Mindeststückelung von 100 000 €281) anknüpfen. Hinter Vorschriften dieser Art steht einheitlich der Gedanke, dass die damit erfassten Anleger über ausreichend anderweitige Informationsquellen verfügen, um sich die für den Erwerb von Wertpapieren nötige Erkenntnisgrundlage zu verschaffen,282 und einer gesetzlich vorgeschriebenen („paternalistischen“) Publizität daher nicht bedürfen.283 Die nach diesen Regelungen zulässige Wertpapierplatzierung jenseits der gesetzlichen Markteintrittspublizität wird gerade bei komplexen Finanzinstrumenten sehr häufig genutzt, weil diese fast ausschließlich von institutionellen Anlegern übernommen werden.284 In Deutschland285 und der Schweiz286 werden entsprechende Finanztitel daher in der Regel privat platziert, wohingegen in Hongkong ein öffentliches Angebot und sogar eine Börsennotierung häufiger vorkommen.287 In der U.S.-amerikanischen Praxis differenziert man nach der Art der Verbriefung: Während Collateral Debt Obligations und verschiedene andere Verbriefungstypen auch in den U.S.A. typischerweise bei institutionellen Investoren privat platziert werden,288 registriert man Residential Mortgage-Backed Securities nicht selten bei der SEC,289 um über ein öffentliches Angebot einen größeren Abnehmerkreis zu erreichen.290 b) Die Erstellung „privater“ Ratings als Folge Wird ein komplexes Finanzinstrument außerhalb der Vorgaben der gesetzlichen Markteintrittspublizität platziert, bedeutet dies freilich nicht, dass es ohne Rating begeben werden kann: Dieses ist vielmehr auch bei Privatplatzierungen erforderlich, weil die Investoren es auch und gerade in diesem Fall verlangen – die schwierige Verständlichkeit des Finanzinstruments und seiner Risiken ist ja unabhängig von der Art seines Vertriebs, und durch das Fehlen eines Prospektes wird die vorhandene Informationsgrundlage sogar noch weiter verknappt. Darüber hinaus unterliegen nicht wenige institutionelle Investoren ratingbasierten Anlagevor281
Art. 3 Abs. 2 Satz 1 lit. d EG-Prospektrichtlinie; ebenso § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WpPG. Zum EU-Recht Just/Voß/Ritz/Zeising/Zeising, Anh. XII EU-ProspektVO Rn. 42; zum deutschen Recht BT-Drs. 15/4999, S. 29; Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rn. 6; Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2008, § 3 WpPG Rn. 16; Heidel/Grosjean, § 3 WpPG Rn. 7; Heidelbach/Preuße, BKR 2006, 316, 319; Schnorbus, AG 2008, 389, 403; Waldeck/Süßmann, WM 1993, 361, 364; zum U.S.-amerikanischen Recht Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1078. 283 Zur informationsökonomischen Beurteilung Grundmann, Europ. Gesellschaftsrecht, Rn. 653. 284 Siehe bereits oben I 1 c). 285 Reuter, WM 2009, 2057, 2062. 286 Kroll, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 173, 178. 287 Vgl. Lejot, 38 HKLJ (2008), 585, 586. 288 Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 23; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 119; Nayar/Rozeff, 49 J. Fin. (1994), 1431, 1432 f.; Richards, 16 Real Est. L.J. (1987), 99, 133. 289 Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 23; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 119; Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 532. 290 Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 3 (3/2006), § 6:2.1. 282
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schriften,291 die das Vorliegen eines Ratings rechtlich notwendig machen. Das Rating findet in diesem Fall typischerweise in ein Vertriebsdokument Eingang, das zur Information angesprochener institutioneller Investoren erstellt wird292 und sich in seinem Inhalt vielfach kaum von gesetzlich vorgeschriebenen Prospekten unterscheidet.293 Die Erstellung eines Ratings zur Begleitung einer Privatplatzierung bleibt im Übrigen nicht ohne Folgen für seine Funktion, weil es in diesem Fall nicht der Information der Marktöffentlichkeit, sondern lediglich eines abgegrenzten Kreises von Investoren dient; man spricht daher auch von einem „privaten“ Rating.294 Von einer „Marktinformationsfunktion“295 eines solchen „privaten“ Ratings wird man vor diesem Hintergrund nur dann sprechen können, wenn man die herausgehobene wirtschaftliche Bedeutung der institutioneller Investoren am Markt genügen lässt, hingegen nicht, wenn auf die unbestimmte Anzahl der Informationsadressaten am Markt abgestellt wird. In rechtlicher Hinsicht besitzt diese Unterscheidung deshalb Bedeutung, weil zahlreiche der noch zu behandelnden Kommunikationsgrundrechte in den hier untersuchten Rechtsordnungen, denen eine institutionsschützende Wirkung zugunsten der Rating-Agenturen zukommt,296 diese Schutzwirkung davon abhängig machen, dass eine Information der Öffentlichkeit angestrebt wird:297 Dient ein Rating daher nur der Unterrichtung eines von vornherein begrenzten Investorenkreises, wird die letztgenannte Voraussetzung regelmäßig nicht erfüllt sein,298 sodass als Folge sowohl eine strengere staatliche Regulierung zulässig als auch (namentlich nach U.S.-amerikanischem Recht) eine schärfere zivilrechtliche Haftung der RatingAgenturen eröffnet ist.
IV. Zusammenfassende Würdigung Die Funktion, die dem Rating am Markt für komplexe Finanzinstrumente zukommt, weicht nach alledem in mancherlei Hinsicht von seiner Rolle am traditionellen Anleihemarkt299 ab. Ihre Würdigung macht es erforderlich, neben der vielgestaltigen Regulierungsfunktion von Ratings in diesem Bereich300 auch Be291
Siehe dazu bereits oben unter II 3. Vgl. Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 165 f. (S.D.N.Y. 2009). 293 Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 548. 294 Vgl. die Begriffsdefinition des „privaten Ratings“ in Art. 2 Abs. 2 lit. a EG-RatingVO. 295 Siehe § 4. 296 Siehe dazu noch § 21. 297 Siehe zur EU-Grundrechte-Charta und zur EMRK § 21 III 1; zum deutschen Verfassungsrecht § 21 IV 1; zum schweizerischen Verfassungsrecht § 21 V 1; zum U.S.-amerikanischen Verfassungsrecht § 21 II 1 a) und zum Hongkonger Verfassungsrecht § 21 VI 1. 298 Siehe namentlich zum U.S.-amerikanischen First Amendment § 21 II 1 b) bb). 299 Zu dieser bereits in §§ 8, 9. 300 Sogleich unter 1. 292
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sonderheiten in der Ratingerstellung301 und der Marktstruktur302 einzubeziehen, die bislang noch nicht zur Sprache gekommen sind und es erst in ihrem Zusammenwirken erlauben, die Bedeutung der Rating-Agenturen als „gatekeeper“ am Markt für komplexe Finanzinstrumente303 sowie die daraus erwachsenden Risiken zu erfassen.
1. Rechtsvergleichender Befund Ratings spielen in der Regulierung strukturierter Finanzinstrumente eine insgesamt wesentlich größere Rolle, als dies im Rechtsvergleich bei der Regelung des traditionellen Anleihegeschäfts304 nachweisbar ist. a) Ratings als gesetzliche Marktzugangsvoraussetzung So untersteht in den hier untersuchten Rechtsordnungen zwar auch die Emission komplexer Finanzinstrumente keinem allgemeinen Ratingobligatorium,305 aber sowohl die Hongkonger306 als auch die Schweizer307 Börse verlangen ein Rating als zwingende Voraussetzung für die Zulassung von Asset-Backed Securities, wobei in Hongkong sogar ein „A“-Rating erforderlich ist.308 Eine wirtschaftlich einflussreiche, aber in ihrer Ratingverwendung nur bedingt geglückte309 Regelung ist sodann Rule 3a–7 zum U.S.-amerikanischen Investment Company Act,310 die den marktüblich als Emittenten strukturierter Finanzinstrumente auftretenden Zweckgesellschaften überhaupt nur bei Vorliegen eines „investment grade“-Ratings einen rechtskonformen Marktzugang ermöglicht311 und dadurch bewirkt hat, dass ein Rating auf diesem Marktsegment unverzichtbar ist. Stark ratingbasiert gestaltete Vorschriften betreffen schließlich auch die Investorenseite des Marktes, indem institutionellen Investoren der Erwerb von mortgage related securities (so durch eine querschnittsartig konzipierte U.S.-amerikanische Gesetzesregel312), Asset-Backed Securities und sonstigen strukturierten Finanzinstrumenten erst ab einer bestimmten Ratingschwelle gesetzlich er-
301
Unter 2. Unter 3. 303 Hatchett, 63 Ala. L. Rev. (2012), 407, 412; Kravitt/Seifman, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 1996, § 3.07; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 342; Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 1 (2004), § 8:9. 304 Dazu §§ 8, 9. 305 Zu Ratingobligatorien am Anleihemarkt § 8 I. 306 Oben II 1 a). 307 Oben II 1 b). 308 Dies weicht von den Regelungen des Hongkonger Rechts zum Börsenzugang von Anleihen ab, die ihrerseits lediglich ein „investment grade“-Rating verlangen; siehe dazu bereits § 8 II 4, 5. 309 Dazu noch sogleich im Text. 310 Oben II 2. 311 Oben II 2 vor a). 312 Zum Secondary Mortgage Market Enhancement Act of 1984 oben II 3 a). 302
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
laubt313 oder wirtschaftlich ermöglicht314 wird. Ratings werden zu diesem Regulierungszweck in allen hier untersuchten Rechtsordnungen eingesetzt, wenngleich sie in den U.S.A. im Vergleich am umfänglichsten Verwendung finden. b) Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität Mit Blick auf die gesetzliche Markteintrittspublizität315 zeigt sich, dass Ratings dann, wenn komplexe Finanzinstrumente öffentlich angeboten werden sollen, in den meisten hier untersuchten Rechtsordnungen in Prospekten oder funktionsäquivalenten Dokumenten genannt werden müssen;316 eine Ausnahme machen allein das EU- sowie das deutsche Recht.317 Die Inkorporierung der Bonitätsbeurteilungen privater Informationsintermediäre ist damit insgesamt jedoch verbreiteter und zugleich inhaltlich weniger umstritten als bei der Prospektpublizität traditioneller Anleihen. Dass komplexe Finanzinstrumente dabei aber durchweg als eigenständiger Schuldverschreibungstyp angesehen werden, wird daran deutlich, dass keine logische Konsistenz in der Haltung der verschiedenen Rechtsordnungen zu verzeichnen ist: In denen Rechtsordnungen, in denen die Prospektpflicht von Anleiheratings bejaht wird, wird eine Pflicht zur Angabe von Verbriefungsratings nicht selten abgelehnt (und umgekehrt).
Von beträchtlicher Bedeutung sind Ratings in den U.S.A. zudem in ihrer Funktion als teilweises Prospektsubstitut,318 weil ein „investment grade“-Rating den Emittenten von Asset-Backed Securities weiterhin die Verwendung des (kostengünstigen) Form S–3 unter dem Securities Act eröffnet, obgleich diese Möglichkeit im Bereich traditioneller Anleihen seit 2011 entfallen ist.319 Schließlich werden komplexe Finanzinstrumente in der Praxis häufig außerhalb der gesetzlichen Publizitätsregeln im Wege der Privatplatzierung320 abgesetzt, was die faktische Rolle von Ratings als Bestandteil privater offering memoranda zwar unberührt lässt, aber infolge der hier lediglich beschränkten Adressatenkreises der Ratinginformation den verfassungsrechtlichen Institutionsschutz zugunsten der Rating-Agenturen entfallen lassen kann. c) Inhaltliche Besonderheiten der regulatorischen Ratingverwendung In seiner inhaltlichen Ausgestaltung zeichnet sich das vergleichsweise dichte Netz ratingbasierter Regelungen in diesem Bereich dadurch aus, dass fast durch313
Zum U.S.-amerikanischen Aufsichtsrecht für Geldmarktfonds oben II 3 c). So namentlich durch die ratingbasierten Vorschriften, die in Umsetzung des Verbriefungsregimes des Basel II-Akkords (siehe zu diesem § 6 III 2 c)) in Deutschland, der Schweiz und Hongkong geschaffen wurden; siehe dazu oben II 3 b). 315 Oben III. 316 Oben III 1. 317 Oben III 1 d). 318 Oben III 2. 319 Siehe zur dortigen Streichung der bisherigen Ratingbezugnahmen § 9 III 2 a) dd). 320 Oben III 3. 314
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gehend hohe Mindestratings vorgeschrieben werden: Während bei Anleihen üblicherweise ein „investment grade“-Rating als Indiz eines akzeptablen Kreditrisikos angesehen wird,321 verlangt man bei komplexen Finanzinstrumenten eine noch höhere Ratingeinstufung.322 Auffällig ist zudem die ratingbasierte Rule 3a– 7 des U.S.-amerikanischen Rechts, weil sie ein Rating zum einen als Indikator einer guten Corporate Governance des Emittenten einsetzt323 und damit in ungewöhnlich weitgehender Weise fehlverwendet,324 die Überwachung der Finanzproduktstruktur durch die Rating-Agentur zum anderen jedoch sogar als fortlaufende Anforderung konzipiert325 und den Fehleinsatz des Ratings damit perpetuiert. Die Bonitätsbeurteilungstätigkeit der Rating-Agenturen wird auf diese Weise nicht nur zur Regelung des Marktzugangs für komplexe Finanzinstrumente, sondern der laufenden Marktteilnahme von deren Emittenten zweckentfremdet.
2. Marktgetriebene Besonderheiten der „Gatekeeper“-Rolle der Rating-Agenturen Unabhängig von ihrer Regulierungsfunktion ist die Tätigkeit der Rating-Agenturen bei der Bewertung komplexer Finanzinstrumente durch weitere Besonderheiten gekennzeichnet, die bei der Bonitätsbeurteilung sonstiger Fremdkapitaltitel so nicht vorkommen und im Folgenden ergänzend zu analysieren sind. Sie dürften zugleich der Grund für verschiedene Fehlentwicklungen sein, die zum viel kritisierten „Versagen“ der Rating-Agenturen bei der Bewertung verbriefter U.S.-amerikanischer subprime mortgages und mittelbar zum Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007–09 beigetrugen. Ihren Grund finden sie zum Teil in sachlichen Besonderheiten strukturierter Finanzinstrumente als Ratinggegenstand, die sich auf das Verfahren der Ratingerstellung auswirken, zum Teil hingegen schlicht in Marktgepflogenheiten, die von den Usancen am sonstigen Fremdkapital- und Ratingmarkt abweichen. a) Das Rating als Beurteilung der Bonität komplexer Finanzinstrumente Ausgangspunkt muss die Feststellung sein, dass der Bereich der komplexen Finanzinstrumente vergleichsweise jung ist und Rating-Agenturen deshalb nicht auf dieselbe Erfahrung zurückgreifen können, die sie seit etwa einem Jahrhundert 321
Siehe noch unter § 17 IV 2. So in den zahlreichen auf dem SMMEA beruhenden Anlagevorschriften ein „AA“-Rating (oben II 3 a) bb)); im Hongkonger Börsenzulassungsrecht ein „A“-Rating (oben II 1 a)); im U.S.amerikanischen Geldmarktfondsaufsichtsrecht ein „A-2“-Kurzfristrating (oben II 3 c)). Die auf „Basel II“ basierenden Eigenmittelanforderungen verwenden dagegen gar keine Mindestratingschwelle, sondern eine Ratingmatrix. 323 Oben II 2 b) aa). 324 Siehe zu regulatorischen Fehlverwendungen von Ratingbezugnahmen noch § 17 III 2. 325 Oben II 2 b) (4). 322
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zur Bonitätsbeurteilung von Anleihen gesammelt haben.326 Als sie das Rating der einleitend327 beschriebenen, neuartigen Finanzinstrumente übernahmen, mussten sie ihre Meinungen zu deren Kreditrisiko folglich ohne nennenswerte historische Datengrundlage, also auf Basis theoretischer Annahmen bilden.328 Rating-Agenturen wurde dabei lange Zeit vorgeworfen, übermäßig konservative Annahmen zugrunde zu legen und damit der Marktfähigkeit finanzieller Innovationen im Wege zu stehen329 – eine Haltung, die mit zunehmendem Wachstum dieses Marktsegments später gelockert wurde. aa) Modellbasierte Beurteilung Das Verfahren, das Rating-Agenturen bei der Beurteilung strukturierter Finanzinstrumente anwenden, ist kompliziert und hier nicht im Einzelnen darzustellen.330 Es genügt, die wesentlichen Unterschiede zur Bonitätsbeurteilung von Anleihen aufzuzeigen, deren wichtigste darin liegen dürfte, dass die Bonität eines strukturierten Finanzinstruments nicht von der Bonität des Emittenten abhängt: Da als Emittent üblicherweise eine Zweckgesellschaft fungiert, die über kein relevantes Vermögen verfügt und auch vom ursprünglichen Inhaber der verbrieften Forderungen (dem „Originator“) rechtlich gerade völlig unabhängig („insolvenzfern“) ist,331 wird die Wahrscheinlichkeit der versprechensgemäßen Zahlung an die Investoren vor allem durch die Qualität der verbrieften Forderungen und den zu erwartenden Cash Flow bestimmt.332 Zusätzlich spielen noch eine Reihe weiterer Faktoren eine Rolle, welche die Rating-Agenturen zu berücksichtigen haben, wie namentlich die rechtliche Struktur des jeweiligen Instruments (die namentlich für die Sicherstellung der Insolvenzferne vom Originator maßgeblich ist),333 das Vorhandensein zusätzlicher Sicherungen der Zahlungsfähigkeit in Gestalt sog. credit enhancements (wie etwa Übersicherungen, Kaufpreisabschläge, Subordination, Ausfallgarantien, Patronatserklärungen oder Credit Default
326
Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008),
S. 33. 327
Siehe oben I 1. Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 8: „learning-by-doing approach“. 329 Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 348; Schwarcz, 8 Duke J. Comp. & Int’l L. (1998), 235, 253 f.; ders., Structured Finance, Stand: Release 1 (2004), § 8:9; ders., U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 18. Kritisch zu dieser Einschätzung Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1687. 330 Vgl. SEC Release IC-18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff. 331 Hitselberger/Lynch, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2009 Supplement, § 7.03[C]. 332 Hartwig-Jacob, Internationale Anleiheemissionen, S. 441; Hitselberger/Lynch, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2009 Supplement, § 7.03[C]; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 120; ders., in FS Schwark (2009), S. 499, 506; Schwarcz, 8 Duke J. Comp. & Int’l L. (1998), 235, 236. 333 LaSalle National Bank v. Duff & Phelps Credit Rating Co., 26.11.1996, 951 F.Supp. 1071, 1076 (S.D.N.Y. 1996); Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1687; Morkötter/Westerfeld, ZKredW 2008, 393; Schwarcz, 8 Duke J. Comp. & Int’l L. (1998), 235, 236. 328
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Swaps)334 oder Liquiditätsfazilitäten und schließlich der Qualität des sog. Servicers,335 der die Verwaltung, das Inkasso und die Durchsetzung der angekauften Forderungen sowie deren Ersetzung durch neue Forderungen übernimmt336 und damit Bonität und Rating des Finanzinstruments entscheidend beeinflussen kann.337 Anders, als dies beim Rating von Anleihen der Fall ist, erfolgt die Bewertung der beschriebenen Faktoren nicht vorrangig durch eine erfahrungsbasierte Einschätzung von Ratinganalysten, sondern mittels mathematischer Modelle, welche die Auswirkungen der Änderung etwa der verwandten Überdeckungsquote auf die Zahlungswahrscheinlichkeit abzubilden versuchen.338 Dem in entscheidenden Teilen automatisierten Beurteilungsvorgang wohnte deshalb ein Modellrisiko inne,339 welches so beim Anleiherating nicht existiert und dazu führen kann, dass ein Modellfehler sich gleichzeitig auf eine große Anzahl erteilter Ratings auswirkt340 – es handelt sich also um ein systemisches Risiko. Insgesamt ist unverkennbar, dass das Rating strukturierter Finanzinstrumente schon aufgrund der Fülle der zu berücksichtigenden Variablen erheblich komplizierter sein kann als die Beurteilung der Kreditwürdigkeit eines Emittenten, der eine Industrieanleihe begeben hat.341 Auch die Beurteilung einzelner verbriefter Forderungen beruht dabei auf Modellannahmen, die sich insbesondere bei Verbriefungen U.S.-amerikanischer subprime mortgages im Nachhinein als unzutreffend herausstellten:342 Die Rating-Agenturen hatten sich in diesem 334 Siehe zur deutschen Verbriefungspraxis näher Rinze/Klüwer, BB 1998, 1697, 1699; zur schweizerischen Verbriefungspraxis Kroll, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 173, 176; zur U.S.-amerikanischen Verbriefungspraxis Darrow/Hitselberger/Cummings, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2005–1 Supplement, § 7.02[F]; Murphy, 62 Okla. L. Rev. (2010), 735, 742 ff.; Richards, 16 Real Est. L.J. (1987), 99, 105 f.; zur Hongkonger Verbriefungspraxis Lejot/Arner/Qiao, 12 Asia Pac. Bus. Rev. (2006), 309, 326. 335 SEC Release IC-18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff. 336 SEC Release IC-18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff.; Jahn, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 114a Rn. 4; Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 502. 337 Kravitt/Maher/Klyman, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 1998–2 Supplement, § 8.08. 338 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 34; ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 5; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 225; Kübler, in FS Schwark (2009), S. 499, 506; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 660; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1045; ders., 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 756; Partnoy/Skeel, 75 U. Cin. L. Rev. (2007), 1019, 1029. 339 Darbellay, Regulating Ratings, S. 130 ff.; Fender/Mitchell, Fin. Stab. Rev. 2005, 127, 131 f.; Murphy, 62 Okla. L. Rev. (2010), 735, 747 f.; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 106: „model misspecification is arguably at least as important as actual realizations of defaults“. 340 Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 16. 341 Bluhm/Overbeck, Risikoanalyse strukturierter Kreditprodukte, S. 119, 121; Fender/Mitchell, Fin. Stab. Rev. 2005, 127, 130; Hill, 71 U. Pitt. L. Rev. (2010), 585, 589; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 347. Kritisiert wird, dass dieser Unterschied in den Ratingkürzeln nicht zum Ausdruck kommt; so Fender/Mitchell, Fin. Stab. Rev. 2005, 127, 133. 342 Hatchett, 63 Ala. L. Rev. (2012), 407, 412 ff.
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Bereich (erklärtermaßen343) auf die Angaben der Originatoren über die Kreditwürdigkeit der jeweiligen Darlehensnehmer verlassen344 und zudem unterstellt, dass es zu keinem nationenweiten Verfall der Immobilienpreise kommen könne, weil ein solcher Verfall seit den 1930er Jahren niemals eingetreten war.345 Nachdem beides durch die Krise auf dem Häusermarkt der U.S.A. falsifiziert worden war, mussten eine Fülle auf dieser Modellbasis erstellter Ratings zeitgleich abgesenkt werden, wodurch schließlich die globale Finanzkrise 2007–09 ausgelöst wurde.
bb) Beurteilung nach Tranchen Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass strukturierte Finanzinstrumente nicht mit einem einheitlichen Rating versehen, sondern in einem weiteren Strukturierungsschritt in sog. „Tranchen“ unterteilt werden, die jeweils separate Ratings erhalten.346 Nur weil die Bedingung der Finanzinstrumente im Sinne einer Rangfolge vorsehen, dass auf verbriefte Forderungen geleistete Zahlungen zunächst an die Investoren der obersten Tranche fließen und erst nach deren vollständiger Befriedigung an die nachfolgenden Tranchen (sog. „Wasserfallprinzip“), war es möglich, dass die oberen Tranchen häufig das Höchstrating „AAA“ erhielten, das bei Industrieanleihen außerordentlich selten ist.347 Der Ratingvorgang wird durch die Aufteilung in Tranchen gleichzeitig komplizierter und damit auch fehleranfälliger, weil nunmehr eine noch präzisere Prognose des zu erwartenden Cash Flows erforderlich ist.348 cc) Keinerlei Aussagegehalt des Ratings zu sonstigen Risiken Übereinstimmung besteht zwischen dem Rating komplexer und traditioneller Finanztitel insoweit, als ein Rating auch bei komplexen Ratinggegenständen ausschließlich eine Beurteilung der Bonität ist und über andere Risiken weder direkt noch mittelbar etwas aussagt.349 Auch das „AAA“-Rating eines strukturierten Finanzinstruments kommuniziert daher keinerlei Einschätzung des Liquiditäts-,350
343 Es muss in diesem Zusammenhang festgehalten werden, dass die Rating-Agenturen stets ausdrücklich offen gelegt haben, dass sie keine eigene Bonitätsüberprüfung der verbrieften Forderungen vornehmen. 344 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 617; Kübler, in FS Schwark (2009), S. 499, 506. 345 Hurst, 30 Company L. (2009), 61, 62. 346 Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 5 (11/2008), § 13:1.2. 347 Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 15. Kritisch Claussen, in FS Hopt (2010), S. 1695, 1709: „Nur 1% der Unternehmensanleihen wurden mit AAA bewertet, was den Schluss zulässt, dass die Rating-Agenturen die von ihnen bewerteten [strukturierten] Produkte nicht gekannt und nicht verstanden haben. Anders ist diese unterschiedliche Bewertungspraxis nicht erklärbar.“ 348 Fender/Mitchell, Fin. Stab. Rev. 2005, 127; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 106; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 548 f. 349 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 617; Hitselberger/Lynch, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2009 Supplement, § 7.01. 350 Avgouleas, ECFR 2009, 440, 456; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 11; unzutreffend Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1, 3.
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Markt-351 oder Volatilitätsrisikos, noch äußert sich die Rating-Agentur darin zu Risiken, die aus der vorzeitigen Erfüllung verbriefter Forderungen erwachsen können.352 Wie die Rating-Agenturen in ihren Ratingveröffentlichungen stets erschöpfend klarstellen und auch den staatlichen Aufsichtsbehörden bekannt war,353 handelt es sich bei einem Rating auch hier um eine reine Bonitätsbeurteilung, die den Investoren eine anderweitige Orientierung über sonstige Risikoquellen nicht abnimmt und nicht abnehmen kann. Empirische Erkenntnisse legen allerdings nahe, dass ein nicht unbedeutender Anteil auch der professionellen Marktteilnehmer Ratings als „allgemeines Gütesiegel“ missverstehen und sich daher blind darauf verlassen, ohne irgendeine eigene Risikobewertung (auch nicht hinsichtlich anderer Risiken) vorzunehmen.354 Im internationalen Schrifttum spricht man insoweit von einer over-reliance der Investoren,355 d.h. einer ausschließlichen Orientierung an dem Rating komplexer Finanzinstrumente. Legt man den hier entwickelten informationstheoretischen Erklärungsansatz zugrunde, dem zufolge der Informationswert von Ratings durch ihre aufnehm- und verarbeitbare Codierung begründet wird,356 so steht zu vermuten, dass der Mangel an gleichermaßen verständlichen Informationen über andere Risikoarten dazu geführt hat, dass Investoren sich übermäßig auf Ratings verlassen.357 Durch eine strengere Regulierung der Rating-Agenturen wird man dem Phänomen einer over-reliance folglich kaum begegnen können;358 es bedarf vielmehr der Versorgung des Marktes mit weiteren adressatengerecht codierten Informationen, die durch eine diesbezügliche Ausgestaltung der gesetzlichen Publizitätspflichten359 erreicht (oder zumindest gefördert) werden könnte.
351
Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 787. Unzutreffend Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531,
532. 352 Hitselberger/Lynch, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2009 Supplement, § 7.01; Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 787; von Randow, ZBB 1995, 140, 145. 353 SEC Release IC-18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff.: „As with a traditional corporate bond, a rating of a structured financing assesses credit risk […] A rating does not address market risks to investors that may result from changes in interest rate levels or from prepayments on the assets in the underlying pool“; SEC, Protecting Investors – Report (May 1992), S. 49 f. 354 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 56; Avgouleas, ECFR 2009, 440, 456; Claussen, in FS Hopt (2010), S. 1695, 1708; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 532; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 641; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 281; Sanio, ZKredW 2008, 16, 18; St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399, 443; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 8; Wittig, in: Bankrechtstag 2009, S. 129, 133. 355 Statt vieler Avgouleas, ECFR 2009, 440, 453; Caliari, 19 Transnat’l L. & Contemp. Probs. (2010), 145, 187. 356 Siehe § 5 IV. 357 Ähnlich, weil auf Erkenntnisse der Verhaltensökonomik verweisend Avgouleas, ECFR 2009, 440, 456; Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 5 (11/2008), § 13:2.2[C]. 358 Siehe zum Versuch der Bewältigung des over-reliance-Problems mittels rechtlicher Vorgaben für regulierte Marktteilnehmer noch § 31 II 3. 359 Dazu noch § 18.
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b) Rating-Agenturen als „Berater“ bei der Emission komplexer Finanzinstrumente mit maßgeschneiderter Bonität Die Unverzichtbarkeit eines Ratings für die Platzierung strukturierter Finanzinstrumente sowie der Umstand, dass Instrumente dieses Typs durch Anpassung ihrer Anleihebedingungen, ihres Forderungsbestandes sowie der credit enhancements „passgenau“ strukturiert werden können, hatten zudem zur Folge, dass sich das Ratingverfahren und der Kommunikationsprozess zwischen Emittent und Rating-Agentur grundlegend veränderte: Bei komplexen Finanzinstrumenten wird das Rating typischerweise in einem quasi „umgekehrten“ Ratingverfahren erstellt,360 bei dem die Rating-Agenturen bereits zu Beginn der Strukturierung des Finanzinstruments danach befragt werden, über welche Merkmale das Instrument nach den Ratingmodellen der betreffenden Agentur361 verfügen muss, um das angestrebte Rating zu erhalten. Das Finanzinstrument wird sodann anhand dieser Auskünfte strukturiert, wobei es regelmäßig zu Rückfragen bei den Analysten der Agentur und somit zu einer Zusammenarbeit von Emittent und Rating-Agentur kommt,362 bevor die Rating-Agentur schließlich ein Rating vergibt. Die Emission eines strukturierten Finanzinstruments stellt sich folglich als ratinggetriebene Transaktion dar,363 die der Rating-Agentur einen aktiven Einfluss auf die Ausgestaltung des späteren Ratinggegenstandes verschafft,364 der so bei dem Rating „traditioneller“ Anleihen nie bestand:365 Anleiheratings hängen maßgeblich von der Bonität des Emittenten ab, die bei werbenden Unternehmen nur bedingt beeinflusst werden kann, und sind im Übrigen nur durch einzelne Faktoren wie die Besicherung der Anleihe zu steuern. Das Ratingverfahren findet dort daher erst nach erfolgter Planung des Emissionsprozesses statt und bildet den letzten Schritt, bevor die Anleihe den Investoren angeboten wird. Das Strukturierungs- und Ratingverfahren bei komplexen Finanzinstrumenten läuft demgegenüber auf die Erstellung einer gleichsam „maßgeschneiderten“ Bonität hinaus, während derer der Emittent (bzw. die beratende Investmentbank) als
360 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 34; Fender/Mitchell, Fin. Stab. Rev. 2005, 127, 130. 361 Da die Ratingmodelle üblicherweise öffentlich zugänglich gemacht wurden, richteten sich die Investmentbanken, die Strukturierungen im wesentlichen vornahmen, vielfach von vornherein nach diesen Modellen und mussten nur bei Unklarheiten die Rating-Agentur konsultieren; vgl. Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 757. 362 Covington/Hutchinson, Metr. Corp. C. (March 2008), 17; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 66; Hatchett, 63 Ala. L. Rev. (2012), 407, 415; Kübler, in FS Schwark (2009), S. 499, 506; Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675, 678. 363 Darbellay, Regulating Ratings, S. 119; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 641. 364 In re Fitch, 21.5.2003, 330 F.3d 104, 110 f. (2nd Cir. 2003); In re National Century Financial Enterprises, Inc., Investment Litig., 22.7.2008, 580 F.Supp.2d 630, 644 (S.D.Ohio 2008); Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1092. 365 Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 9.
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Maßschneider agiert, der jedoch den von der Rating-Agentur vorgegebenen Maßen folgt.366 Die bei komplexen Finanzinstrumenten übliche Einbeziehung der RatingAgentur schon während des Strukturierungsprozesses war den Aufsichtsbehörden der meisten Staaten schon früh bekannt,367 ohne dass diesbezüglich Bedenken geäußert worden wären. Im Schrifttum wurde dagegen zunehmend konstatiert, die Rating-Agenturen seien als „Berater“ der Emittenten bzw. der emissionsbegleitenden Investmentbanken tätig,368 weshalb sie einem Interessenskonflikt unterlägen. Andere Stimmen in der Literatur und die Rating-Agenturen selbst betonen dagegen den Unterschied zwischen einer Beratung und einer klarstellenden Auskunft über die Maßstäbe, die bei der Bonitätsbeurteilung angelegt werden.369 Seit kurzem ist die damit aufgeworfene Frage nach den Grenzen der zulässigen Abstimmung zwischen Emittent und Rating-Agentur Gegenstand aufsichtsrechtlicher Vorgaben, auf die an anderer Stelle370 noch näher einzugehen sein wird.
3. Erhöhte Wettbewerbsintensität unter den Rating-Agenturen und „rating shopping“ Als letzte Besonderheit der Ratingtätigkeit am Markt für komplexe Finanzinstrumente ist schließlich die Wettbewerbsintensität unter den Rating-Agenturen zu nennen, die diejenige am allgemeinen Anleihemarkt zeitweise deutlich übertraf.371 Im Gegensatz zur verbreiteten und an anderer Stelle372 noch im Einzelnen zu erörtenden Einschätzung, derzufolge ein stärkerer Wettbewerb unter den Ratinganbietern zu „qualitativ hochwertigeren“, weil präziseren Bonitätsbeurteilungen führt, hatte der Wettbewerb am Markt für komplexe Finanzinstrumente 366 Ein ähnliches Bild verwendet In re Lehman Brothers Sec. & ERISA Litig., 1.2.2010, 681 F.Supp.2d 495, 500 (S.D.N.Y. 2010): „Their role in this respect was no different than those of an architect or a builder in designing and constructing a house for an owner who later resells the house through the sole efforts of a real estate broker. While it doubtless is true that the architect or builder had a lot to do with the characteristics of the house – no doubt characteristics that made it an attractive and salable product – they cannot properly be said to have participated in any legally relevant sense in its resale down the line.“ 367 So in den U.S.A. SEC Release IC-18736 vom 29. Mai 1992, 57 FR 23980 ff.; in der Schweiz EBK, Erläuterungen zum Rundschr. Ratingagenturen (Juli 2006), S. 10. 368 Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1092; Meier, ST 2009, 945; Ziegler, zitiert nach Pixley, Emotions in Finance, S. 151. 369 Hitselberger/Lynch, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2009 Supplement, § 7.02[B]: „… rating agencies do not advise issuers about what they should or should not do to achieve a specific rating. When rating a securitization transaction, a rating agency does not give advice on devising or structuring the transaction. Although a variety of potential structures could merit a particular rating, the rating agency’s role is only to come to a view based upon the structures presented and not to choose among them“; Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 9. 370 Dazu § 25 I 4. 371 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 19; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 349; von Randow, ZBB 1995, 140, 146. 372 Siehe noch § 20 I 2.
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im Vorfeld der globalen Finanzkrise 2007–09 hingegen eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen und ein viel beklagtes „rating shopping“ auf Seiten der Emittenten zur Folge. a) Modelldivergenzen als ratinganbietergetriebene Voraussetzung Das Entstehen dieser besonderen Wettbewerbssituation hatte ihren Ausgangspunkt in dem Umstand, dass die Ratingmodelle der einzelnen Rating-Agenturen unterschiedliche Anforderungen an die bonitätsrelevanten Merkmale strukturierter Finanzinstrumente stellen und folglich bei identischen Strukturen zu unterschiedlichen Ratingeinstufungen gelangen können. Divergenzen bestehen insoweit vor allem bei den geforderten credit enhancements,373 die aus Emittentenperspektive einen bedeutenden Kostenfaktor darstellen. Da die Emittenten aufgrund von veröffentlichten Ratingmodellen374 sowie ggfs. Nachfragen bei den Rating-Agenturen im Vorfeld feststellen konnten, wessen Anforderungen das kostengünstigste Erreichen des gewünschten Ratings erlaubte, kam es bald zu einem „rating shopping“ der Emittenten, die ihre Ratingaufträge nur an diejenige Rating-Agentur mit dem für sie vorteilhaftesten (die geringsten Anforderungen aufstellenden) Ratingmodell erteilten.375 Dies hatte wiederum eine erhöhte Wettbewerbsintensität unter den Rating-Agenturen zur Folge, deren Ratingmethoden nunmehr zu einem Wettbewerbsfaktor geworden waren: Als Moody’s etwa eine Änderung seiner Ratingmethode vornahm und erhöhte Anforderungen an die Besicherung von Verbriefungen einführte, sank der Marktanteil der RatingAgentur sogleich dramatisch.376 Damit war ein Wettbewerb unter den RatingAgenturen entstanden, der in dieser Form am Markt für traditionelle Anleihen nie bestanden hatte und eine erhebliche Gefahr für die Unabhängigkeit und Qualität ihrer Bonitätsbeurteilungen schuf.377 b) „Ein-plus-Rating(s)“-Standard als weitere (ratingnachfragergetriebene) Voraussetzung Ermöglicht wurde dieses „rating shopping“ allerdings nur durch eine weitere Entwicklung, die ebenfalls auf den Markt für strukturierte Finanzinstrumente beschränkt war: Während Investoren bei traditionellen Anleihen üblicherweise Bonitätsbeurteilungen von zwei oder gar drei der großen Rating-Agenturen verlangen (sog. „Zwei-plus-Ratings“-Standard378), ließ man bei strukturierten Finanzinstrumenten zunehmend das Rating nur einer oder höchstens zweier Ra373
Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 20. Zur aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Modelltransparenz und der damit verbundenen Gefahren noch § 25 III 1 b). 375 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 21. 376 IOSCO, Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets (May 2008), S. 14. 377 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 19; Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 238; von Randow, ZBB 1995, 140, 146. Siehe dazu noch § 25 I. 378 Vgl. zu dieser Marktusance noch § 20 II 2 b) bb) (2). 374
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ting-Agenturen genügen.379 Dieses kontraintuitive Investorenverhalten – bei besonders komplexen Investitionsobjekten sollte zu vermuten sein, dass eher eine größere Zahl von Bonitätseinschätzungen verlangt wird als eine geringere – dürfte mehrere Gründe gehabt haben: Zum einen begnügte sich auch die in den U.S.A. wichtige regulatorische Ratingvorgabe in Rule 3a–7380 mit lediglich einem Rating,381 und zum anderen hatte das niedrige Zinsniveau im Vorfeld der globalen Finanzkrise 2007–09 einen „Hunger“ institutioneller Investoren nach renditestarken Investitionsobjekten erzeugt.382 Diese Entwicklung kumulierte schließlich in der Entstehung des sog. „Provisionsmodells“ (commission model), nach welchem die Emittenten strukturierter Finanzinstrumente zunächst mehrere Rating-Agenturen um die Erstellung „vorläufiger“ Ratingeinstufungen baten, um sodann lediglich eine der Agenturen zu beauftragen und zu bezahlen:383 Auf diese Weise hatte ein unmittelbarer finanzieller Anreiz zur Erstellung „emittentenfreundlicher“ Ratings am Markt Einzug gehalten, der einen wesentlichen Anteil an der Verursachung der globalen Finanz- und Ratingkrise der Jahre 2007–09 gehabt haben dürfte und die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen am Markt für komplexe Finanzinstrumente als besonders regelungsbedürftig erscheinen lässt. Einen wichtigen Schritt in dieser Hinsicht tat im Jahre 2013 der Unionsgesetzgeber, als er im (oben bereits angesprochenen384) Art. 8c Abs. 1 EG-RatingVO vorschrieb, dass Emittenten strukturierter Finanzinstrumente künftig stets mindestens zwei Rating-Agenturen damit beauftragen müssen, unabhängig voneinander ein Rating abzugeben (sog. „doppeltes Rating“ strukturierter Finanzinstrumente). Da diese Vorgabe die Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agentur gerade an einem wettbewerbsintensiven Ratingmarkt (und nicht die Wiederherstellung des Marktvertrauens in Ratings für strukturierte Finanzinstrumente385) betrifft, wird sie in entsprechendem Zusammenhang noch zu behandeln sein.386
379 ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 3; Adelson, Rating Shopping, S. 4 (für CDOs); Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 18. Siehe noch § 20 II 2 b) bb) (2) (b). 380 Dazu bereits oben II 2. 381 Zur ermöglichenden Wirkung dieser regulatorischen Vorgabe schon oben unter II 2 b) bb) (2). 382 Kwan/Chiu/Shen, Stand: Release 0 (June 2007), Rn. 10.003; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 641; Murphy, 62 Okla. L. Rev. (2010), 735, 738 ff. 383 Siehe zum „Provisionsmodell“ noch näher § 25 I 2 cc) (3). 384 Oben III 2 b) bb). 385 So aber Erwägungsgrund 28 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 386 Siehe zur Sicherung der Unabhängkeit von Rating-Agenturen § 25 I, zur Relevanz der Marktstruktur in diesem Zusammenhang § 25 I 2 b) cc) (1) und zu Art. 8c EG-RatingVO a.a.O. unter (b).
§ 11 Ratings und gesetzliche Marktteilnahmepublizität I. Einleitung Die Bonitätsbeurteilung von Anleihen, komplexen Finanzinstrumenten oder Unternehmen durch Rating-Agenturen zeichnet sich dadurch aus, dass sie im Regelfall1 als eine kontinuierliche Beurteilung ausgestaltet ist. Ein Rating wird also typischerweise nicht nur zum Zeitpunkt der Fremdkapitalaufnahme am Finanzmarkt publiziert und sodann außer Acht gelassen, sondern auf Grundlage einer dauerhaften Überwachung laufend etwaigen Bonitätsveränderungen (durch Upgrades oder Downgrades) angepasst. Dieser dynamische Informationswert2 von Ratings ist eine Besonderheit dieses Marktinformationstyps, die sowohl zu deren Nutzen für Investoren3 als auch zur Herstellung der Finanzmarkteffizienz beiträgt. Das Rating tritt damit neben Regelungen zur gesetzlichen Marktteilnahmepublizität,4 die – vor allem durch das Instrument der Ad hoc-Publizität – ihrerseits den Schutz vorhandener und potentieller Anleger sowie der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts bezwecken, namentlich durch die Sicherung der Bildung angemessener Marktpreise.5 Die Parallelität von privater und gesetzlicher Marktpublizität, die bereits für den Primärmarkt konstatiert werden konnte,6 setzt sich also am Sekundärmarkt fort. Dieses Zusammenspiel wirft eine Reihe von Rechtsfragen auf, die innerhalb der verschiedenen Rechtsordnungen für Diskussionen gesorgt haben. Sie betreffen zum einen die Information des Marktes über (bevorstehende) Ratingänderungen im Wege einer Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten7 oder der Rating-Agenturen,8 zum anderen die Informationsweitergabe an Rating-Agenturen 1 Sog. point in time-Ratings, die nach ihrer Erstellung nicht fortlaufend aktualisiert werden, kommen zwar ebenfalls vor, betreffen aber fast ausschließlich nicht öffentlich angebotene Finanzinstrumente. 2 So Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 133; zustimmend Stemper, Rahmenbedingungen, S. 87. 3 Vgl. Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 81: „Diese permanente Kreditwürdigkeitsprüfung ist ein wesentlicher Vorteil für den Anleger.“ 4 Zum Begriff vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 372. 5 Diese Dualität des Regelungszwecks wird in allen hier untersuchten Rechtsordnungen übereinstimmend so gesehen; für Deutschland: Merkt, Unternehmenspublizität, S. 171; für die Schweiz: Huber/Hodel/Staub Gierow, Art. 72 KR Rn. 4; Weber, Börsenrecht, Art. 8 Rn. 19; für die USA: Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 174; für Hongkong: Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 6.188 f. 6 Siehe § 9 I. 7 Unter II 1. 8 Unter II 2.
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und die informationelle Gleichbehandlung der Marktteilnehmer9 und schließlich Fragen der organisatorischen Absicherung der gesetzlichen Marktteilnahmepublizität.10
II. Information des Marktes über Bonitätsurteile: Die Publizitätspflichtigkeit von Ratings und Ratingänderungen Die international am intensivsten diskutierte Frage betrifft dabei die gesetzliche Pflicht des Emittenten, den Markt über Änderungen ihn betreffender Emittenten- oder Emissionsratings in Kenntnis zu setzen. Die Diskussion findet ihren Ausgangspunkt im Zweck der gesetzlichen Marktteilnahmepublizität, der – bei allen Unterschieden im Detail – im Wesentlichen darin gesehen wird, die Marktöffentlichkeit zeitnah über Umstände zu informieren, die aus Investorensicht für die Beurteilung von Investitionen erheblich sind.11 Da Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung belegen, dass Ratingänderungen (namentlich Herabstufungen) beträchtliche Auswirkungen auf den Kurs von Anleihen und Aktien zeitigen,12 scheint eine solche Informationspflicht im Grundsatz nahe zu liegen. Dagegen spricht allerdings, dass Ratings ab ihrer Veröffentlichung ohnehin der Investorenöffentlichkeit zugänglich sind und eine Offenlegung durch den Emittenten folglich überflüssig wäre. In der Tat besteht ein Informationsbedarf des Marktes überhaupt nur bis zur Publikation des Ratings durch die RatingAgenturen;13 er bezieht sich daher nur auf bevorstehende Ratingveröffentlichungen und wird häufig nur während eines vergleichsweise kurzen Zeitraums vorliegen. Gerade dieser Zeitraum vor einer sich andeutenden Ratingänderung ist nun aber derjenige, während dessen die Kenntnis von dem Ratingvorgang für Marktteilnehmer von besonders großem Wert wäre, weil sie es ermöglichen würde, ggfs. vor anderen Marktteilnehmern auf die Bonitätsveränderung zu reagieren: Die Veräußerung betroffener Anleihen unmittelbar vor statt unmittelbar nach der Bekanntgabe eines Downgrades kann für den Investor einen wirtschaftlich bedeutenden Unterschied ausmachen.14 9
Unter III. Unter IV. 11 Das U.S.-amerikanische Recht geht allerdings von einer Publizitätspflicht aus, die sich nur auf bestimmte, abschließend geregelte Umstände erstreckt; vgl. noch unten II 1 c) sowie zur parallelen Frage im Rahmen der Markteintrittspublizität bereits § 9 IV 1 a). 12 Siehe § 5 II 1. 13 Damit ist nicht notwendigerweise gesagt, dass die Rechtspflicht zur Ad hoc-Publizität sich ebenfalls nur auf nicht öffentlich bekannte Umstände beschränken muss – im Schweizer Recht ist dies vielmehr unklar (vgl. noch unter II 1 b) bb)). 14 Sofern man von einer informationellen Effizienz des Anleihenmarktes nach dem Bild der ökonomischen Efficient Capital Market Hypothesis (dazu schon § 5 III 1) ausgeht, scheidet ein wirtschaftlicher Vorteil aufgrund einer Bekanntgabe des Ratingvorganges durch den Emittenten hingegen aus, weil diese Information – sofern öffentlich zugänglich – sogleich in den Marktpreis einflösse und daher die Kurseffekte der späteren Ratingbekanntgabe schlicht zeitlich vorwegnähme. 10
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Daneben kann dem Eingreifen einer gesetzlichen Publizitätspflicht des Emittenten15 auch haftungsrechtliche Bedeutung zukommen, weil das Unterlassen der Bekanntgabe einer bevorstehenden Ratingänderung in diesem Fall spezialgesetzliche Haftungsfolgen auslösen kann.16 Entsprechende Folgen sind mit der gesetzlichen Publizitätspflicht der Rating-Agenturen, die – auf den ersten Blick überraschend – nach deutschem und europäischem Recht ebenfalls in Frage kommt,17 dagegen von vornherein nicht verbunden.18
1. Publizitätspflicht des Emittenten Publizitätspflichten von Emittenten gerateter Anleihen sind vor allem aufsichtsrechtlicher Natur, insbesondere in Gestalt der gesetzlichen Pflicht zur Marktinformation mittels Ad hoc-Mitteilungen. Der Marktteilnahmepublizität ist daneben auch die Emittentenpflicht zur Veröffentlichung geänderter Ratings zuzurechnen, die aus Regelwerken von Börsen und anderen organisierten Finanzmärkten folgt; auf sie wurde bereits im Zusammenhang mit der Ratingpublizität der „Mittelstandssegmente“ an deutschen Börsenplätzen eingegangen,19 während sie im Übrigen im Text noch anzusprechen sind.20 a) Deutsches Recht: Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 WpHG Nach deutschem Recht bezieht sich die Ad hoc-Publizitätspflicht von Inlandsemittenten21 auf Insiderinformationen i.S. des § 13 WpHG, die diesen „unmittelbar betreffen“ müssen.22 Eine bestehende Publizitätspflicht kann allerdings suspendiert sein, solange der Emittent die Vertraulichkeit der betreffenden Information gewährleisten kann.23
15 Erachtet man es demgegenüber (wie hier) für möglich, dass die genannte Hypothese die Informationseffizienz an realen Märkten nicht akkurat widerspiegelt, so erscheint denkbar, dass eine Ad hoc-Meldung des Emittenten eine weniger ausgeprägte Kursreaktion auslöst als die Ratingpublikation durch die Rating-Agentur, weil erstere Information durch „reale“ Marktteilnehmer nicht ebenso verbreitet aufgenommen und verarbeitet werden dürfte wie die Anpassung eines Ratingkürzels. 15 Sogleich unter 1. 16 Vgl. im deutschen Recht §§ 37b, 37c WpHG. 17 Dazu unter 2. 18 §§ 37b, 37c WpHG gelten tatbestandlich nicht für Personen, die i.S. des im Text noch zu erörternden § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG im Auftrag des Emittenten handeln; vgl. etwa Schwark/Zimmer/Zimmer/Grotheer, § 37c WpHG Rn. 19. 19 Siehe oben § 8 II 3. 20 Siehe zu U.S.-amerikanischen Börsenrichtlinien unter II 1 c) cc). 21 § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG. 22 Unter II 1 a) cc) (1). 23 Unter II 1 a) cc) (2).
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aa) Ratings und der Begriff der „Insiderinformation“ i.S. des § 13 Abs. 1 WpHG Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist eine Insiderinformation eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsenoder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Im Ausgangspunkt ist zunächst festzuhalten, dass ein Rating durch eine externe Rating-Agentur nach dem Sprachgebrauch der Norm nicht etwa selbst als Insiderinformation in Frage kommt24 – eine Insiderinformation kann vielmehr allenfalls die Information des Emittenten über ein Rating (bzw. seine Änderung) sein, soweit und solange dieses noch einen „nicht öffentlich bekannten Umstand“ darstellt. Der in § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG verwandte Begriff der Insiderinformation meint also genau genommen das Informiertsein des Insiders. (1) Das Rating als nicht öffentlich bekannter Umstand Ein Rating – in diesem Zusammenhang verstanden als Beurteilungsvorgang25 – kann in unterschiedlichen Konstellationen einen tatbestandsmäßigen „Umstand“ i.S. des § 13 Abs. 1 WpHG darstellen.26 Dies gilt zum einen für ein laufendes Ratingverfahren, das der Erstellung eines Erstratings dient – zu diesem Zeitpunkt wird das zu bewertende Finanzinstrument allerdings regelmäßig noch kein Insiderpapier27 sein, weil Rating-Agenturen typischerweise bereits vor der Emission mit der Erstellung eines Emissionsratings beauftragt werden,28 sodass hier vor allem an Emittentenerstratings zu denken ist. Ist das Ratingverfahren hingegen zur Überprüfung einer bestehenden Ratingeinstufung eingeleitet worden, so führt die Kenntnis des Emittenten von dem noch andauernden Verfahren – die üblicherweise aus einer Kontaktaufnahme durch Analysten der Rating-Agentur resultieren wird – bereits zu einer Insiderinformation, weil das Ratingverfahren trotz seines einstweilen noch offenen Ergebnisses einen aktuellen Umstand darstellt, dem aus Sicht eines verständigen Anlegers Kursrelevanz zukommt. Ein aktueller Umstand liegt zudem vor, wenn die Rating-Agentur im Zuge des Ratingverfahrens zu einer veränderten Bewertung der Bonität des Emittenten bzw. der
24 So formulieren aber viele; s. etwa Europ. Kommission, Mitteilung über Rating-Agenturen v. 23.12.2005, S. 6; Stemper, WM 2011, 1740, 1742. 25 Zur Mehrdeutigkeit des Begriffes „Rating“ bereits einleitend in § 1 I. 26 Für eine pauschale Einordnung externer Ratings als potentiellen Gegenstand von Insiderinformationen hingegen Pawlik, in KK-WpHG, § 13 Rn. 24; Sethe, in: Assmann/Schütze, § 12 Rn. 42; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 469. 27 Gemäß § 12 WpHG ist ein Finanzinstrument erst ab dem Zeitpunkt ein Insiderpapier, ab dem es an einer Börse oder einem sonstigen organisierten Markt zum Handel zugelassen bzw. ein dahingehender Antrag gestellt wurde. 28 Hoffmann/Baron, ZBB 2005, 317, 318 (zu High-Yield-Anleihen); ebenso (zur U.S.-amerikanischen Marktpraxis) Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 548 Fn. 10.
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Emission gelangt ist29 und den Emittenten unmittelbar vor der Veröffentlichung des Ratings kontaktiert, um ihm Gelegenheit zur Korrektur tatsächlicher Darstellungen in der beabsichtigten Ratingmeldung und ggfs. weiteren Klarstellungen zu geben.30 Schließlich lässt sich eine anstehende Ratingveröffentlichung als künftigen Umstand (§ 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG) qualifizieren. In zeitlicher Hinsicht verliert eine entsprechende Kenntnis des Emittenten ihre Eigenschaft als Insiderinformation spätestens mit der Veröffentlichung des Ratings durch die Rating-Agentur, weil diese das Rating zu einem öffentlich bekannten Umstand macht31 (und somit zur Folge hat, dass nunmehr alle Kapitalmarktteilnehmer von diesem Kenntnis haben). Der zeitliche Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG beschränkt sich im ratingbezogenen Zusammenhang damit auf den Zeitraum zwischen Kenntniserlangung des Emittenten von einer (anstehenden) Ratingänderung – also regelmäßig der Mitteilung durch die Rating-Agentur, dass eine Änderung des Ratings beabsichtigt ist – und dessen allgemein zugänglicher Publikation am Kapitalmarkt, wie sie durch Rating-Agenturen mit „issuer pays“-Geschäftsmodell32 nach Abschluss der Ratingerstellung durch die Veröffentlichung im Internet vorgenommen wird.33 Nicht eindeutig ist hingegen, wann die Eigenschaft als Insiderinformation bei Ratings solcher Rating-Agenturen entfällt, die ihre Ratings ausschließlich zahlenden Investoren zugänglich machen:34 Da § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG eine hinreichende „Bereichsöffentlichkeit“ aber schon bei Verbreitung einer Information über allgemein zugängliche Informationssysteme annimmt, die bevorzugt von professionellen Wertpapierhändlern und institutionellen Anlegern genutzt werden,35 dürfte der Abdruck von Ratings in abonnierbaren Ratingpublikationen ausreichen.36 29 So wohl auch Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 196: „Rating-Ergebnis“ sei publizitätspflichtig; Knops, BB 2008, 2535, 2538 für Änderung der „Ratingklasse“; Siebel, BKR 2002, 795, 799 für „Rating-Änderung“; Simon, Konzern 2005, 13, 16; Weber, NZG 2000, 113, 124 für „Stellung und Änderung eines Ratings“. 30 Siehe zu dieser Vorgehensweise noch § 25 VI 1. Eine Insiderinformation erwächst hieraus auf Seiten des Emittenten in dem Moment, in dem dieser von der Ratingeinschätzung der RatingAgentur erfährt; Simon, Konzern 2005, 13, 16. 31 Bürgers, BKR 2004, 424, 426 Fn. 35; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/ 2007, § 15 WpHG Rn. 104; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 310; Stemper, WM 2011, 1740, 1741; Weber, NZG 2000, 113, 124; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 99. 32 Siehe dazu § 2 IV 3 a). 33 Dagegen hat die typischerweise vorgenommene Veröffentlichung von Ratings nicht zur Folge, dass ein Rating nie Gegenstand einer Insiderinformation sein kann; so (zu Unrecht) aber Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1952. 34 Zum „investor pays“-Geschäftsmodell § 2 IV 3 a). 35 BT-Drucks. 12/6679, S. 46; Fuchs/Mennicke/Jakovou, § 13 Rn. 81; Pawlik, in KK-WpHG, § 13 Rn. 28; Schwark/Zimmer/Schwark/Kruse, § 13 Rn. 30 f. (jeweils mit Angaben zur vereinzelten Gegenansicht). 36 Hierfür spricht die Vergleichbarkeit mit elektronischen Nachrichtensystemen wie Reuters, VVD und Bloomberg, die ebenfalls nur Abonnenten zugänglich sind und als zur Herstellung der Bereichsöffentlichkeit ausreichend eingestuft werden (Fuchs/Mennicke/Jakovou, § 13 Rn. 85; Pawlik, in KK-WpHG, § 13 Rn. 32).
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(2) Eignung der Information zur Kursbeeinflussung Die betreffende Information muss darüber hinaus geeignet sein, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis des Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen, was nach dem Gesetz dann der Fall ist, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung beeinflussen würde.37 Da § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG auf die „Eignung“ abstellt, ist grundsätzlich nicht erforderlich, dass bei Veröffentlichung der Insiderinformation tatsächlich eine erhebliche Veränderung des Börsen- oder Marktpreises eingetreten ist; es reicht vielmehr aus, dass der Information nach der Lebenserfahrung ein erhebliches Kursbeeinflussungspotential innewohnt.38 Der Änderung von Ratings durch Rating-Agenturen wird im Schrifttum insoweit pauschal eine erhebliche Kursrelevanz zuerkannt,39 und zwar sowohl Herab-40 wie Heraufstufungen.41 Zur Unterstützung dieser Einschätzung kann auf empirische Untersuchungen verwiesen werden, die im Rahmen des § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG zunehmend als methodisches Mittel zur Kursrelevanzermittlung anerkannt sind42 und die bei Ratingänderungen durchgehend Marktreaktionen nachgewiesen haben,43 die typischerweise die (inhaltlich bislang nicht zweifelsfrei definierte) Schwelle der „Erheblichkeit“ erreichen.44 bb) Ausschließlich aufgrund öffentlich bekannter Umstände erstellte Bewertungen (§ 13 Abs. 2 WpHG) – unsolicited ratings Gemäß § 13 Abs. 2 WpHG sind allerdings Bewertungen, die ausschließlich auf Grund öffentlich bekannter Umstände erstellt werden, keine Insiderinformationen, selbst wenn sie den Kurs von Insiderpapieren erheblich beeinflussen können. Diese Ausnahmevorschrift, die auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
37 § 13 Abs. 1 Satz 1, 2 WpHG. Dagegen hatte § 15 Abs. 1 Satz 1 WpGH a.F. noch eine (nicht abschließende) Alternativbestimmung zu festverzinslichen Wertpapieren („oder im Fall zugelassener Schuldverschreibungen die Fähigkeit des Emittenten, seinen Verpflichtungen nachzukommen, beeinträchtigen kann“) vorgesehen; vgl. Kümpel/Assmann, in: Assmann/Schneider, 3. Aufl., § 15 Rn. 39 ff. 38 EuGH, 23.12.2009, Rs. C-45/08 – Spector Photo Group, ZIP 2010, 78 Tz. 69; Hopt, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 107 Rn. 27: maßgeblich sei eine „objektive nachträgliche Prognose, also ex ante, nicht ex post“; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/ 2007, § 13 WpHG Rn. 48 m.w. Nachw. 39 Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad-hoc-Publizität, S. 168; Leuering, Praxisprobleme der Ad-hoc-Mitteilungspflicht, S. 171, 187; Siebel, BKR 2002, 795, 799; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 124; dies., WM 2011, 1740, 1743. 40 Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449, 456; Irmen in BuB (Stand: 5/1998), Rn. 7/796. 41 Kümpel, AG 1997, 66, 67. 42 BGH, 27.1.2010, NJW 2010, 882 Tz. 16 („freenet“); Fleischer/Schmolke, AG 2007, 841, 843 f. und 847; Fuchs/Mennicke/Jakovou, § 13 Rn. 148; Leis/Nowak, Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG, S. 183 f. 43 Siehe § 5 II. 44 Vgl. mit erschöpfenden Nachw. zum Streitstand Fuchs/Mennicke/Jakovou, § 13 Rn. 151 ff.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
zurückgeht,45 soll vor allem verhindern, dass durch das Verbot von Insidergeschäften (§ 14 WpHG) die Analyse von Wertpapieren und sonstigen Finanzinstrumenten beeinträchtigt wird, der am Kapitalmarkt eine wichtige Funktion zukommt.46 Bei Schaffung des § 13 Abs. 2 WpHG stand insoweit primär die Tätigkeit von Finanzanalysten und Wirtschaftsjournalisten vor Augen.47 Der Wortlaut der Vorschrift passt aber auch auf die unbeauftragte und daher ohne Zugang zu vertraulichen Emittenteninformationen erfolgte Erstellung von Bonitätsbeurteilungen durch Rating-Agenturen (unsolicited ratings),48 die von der h.M. daher ebenfalls unter diese Vorschrift gefasst und folglich nicht als Insiderinformation angesehen werden.49 Da sich die Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG begrifflich nur auf Insiderinformationen bezieht, dürfte diese damit gleichermaßen nicht eingreifen, wenn der Emittent von einem (noch nicht veröffentlichten) unsolicited rating Kenntnis erlangt, etwa weil die Rating-Agentur ihn vorab über dessen Erstellung informiert.50 Eine solche Ungleichbehandlung von beauftragten und unbeauftragten Ratings erschiene vor dem Hintergrund des Zwecks der Ad hoc-Publizität allerdings bedenklich, weil beiden Arten von Ratings nach den vorliegenden empirischen Erkenntnissen51 dasselbe Kursbeeinflussungspotential zukommt und daher auch das Informationsbedürfnis der Marktteilnehmer identisch ist. Im Ergebnis ändert § 13 Abs. 2 WpHG in der Tat nichts daran, dass die Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten auch bei unsolicited ratings eingreift: Dies folgt daraus, dass der Ausnahmetatbestand des § 13 Abs. 2 WpHG ersichtlich ganz vom Verbot der Insidergeschäfte gemäß § 14 WpHG her gedacht ist und seine Auswirkungen auf die Ad hoc-Publizitätspflicht des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG demgegenüber kaum berücksichtigt wurden. Der Wortlaut der einschlägigen Erwägungsgründe der EG-Insider- und EG-Marktmissbrauchsrichtlinien, der in diesem Zusammenhang jeweils nur auf Insidergeschäfte Bezug nimmt,52 macht dies ebenso deutlich wie der Umstand, 45 Nämlich ursprünglich Erwägungsgrund 13 der mittlerweile aufgehobenen EG-Insiderrichtlinie und heute Erwägungsgrund 31 der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie (RegE AnSVG, BT-Drs. 15/3174, S. 34). 46 Vgl. Fuchs/Mennicke/Jakovou, § 13 Rn. 173; Hopt, ZGR 1991, 17, 33 f. 47 RegE Zweites FinanzmarktförderungsG, BT-Drs. 12/6679, S. 47; Eichele, WM 1997, 501, 504; Fuchs/Mennicke/Jakovou, § 13 Rn. 172; Hopt, ZGR 1991, 17, 34. 48 Siehe zu unbeauftragten Ratings bereits § 2 IV 3 b) bb). 49 Ebenroth/Koos, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 483, 494; Fuchs/Mennicke/Jakovou, § 13 Rn. 175; Hammen in BuB (Stand: 11/2008), Rn. 7/711; Koch, DB 2005, 267, 272; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 13.122; Pawlik, in KK-WpHG, § 13 Rn. 109; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 311; wohl auch Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 Rn. 75 (für „Rankingunternehmen“); Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 3.512. 50 Dazu noch § 25 VI 1 (dort auch zur Frage, ob und auf welcher Grundlage eine Pflicht der Rating-Agentur zur Vorabinformation bei unbeauftragten Ratings besteht). 51 Siehe § 5 II 2 d). 52 Erwägungsgrund 13 EG-Insiderrichtlinie, Erwägungsgrund 31 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie.
§ 11 Ratings und gesetzliche Marktteilnahmepublizität
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dass die Ad hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 WpHG begrifflich erst seit einer Wortlautänderung im Jahre 200453 an den Begriff der Insiderinformation anknüpft, ohne dass § 13 Abs. 2 WpHG aus diesem Anlass überdacht worden wäre. (Überzeugender wäre es gewesen, den darin normierten Ausnahmetatbestand als gesonderten Absatz in § 14 WpHG zu verorten.) Dass § 13 Abs. 2 WpHG daher einer einschränkenden Auslegung bedarf, ist im Schrifttum bereits weitgehend anerkannt, obgleich diese Frage bislang nicht im Zusammenhang mit der Ad hocPublizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG erörtert wurde: Man stimmt aber darin überein, dass § 13 Abs. 2 WpHG diejenigen Informationsintermediäre und sonstigen Marktteilnehmer schützen soll, die selbst aufgrund öffentlich bekannter Umstände Bewertungen erstellt haben und diese für sich einsetzen,54 ohne damit jedoch zu verhindern, dass die geplante Veröffentlichung (oder sonstige Verwendung) einer solchen Bewertung für Dritte sehr wohl eine Insiderinformation sein kann.55 Dies muss auch im Rahmen der Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG gelten, der in diesem Zusammenhang ein im vorgenannten Sinne „Dritter“ ist und daher auch die anstehende Publikation solcher Ratingeinstufungen zu veröffentlichen hat, die ohne seinen Auftrag (unsolicited) allein aufgrund öffentlicher Informationen vorgenommen wurden. cc) Weitere Voraussetzungen einer Emittentenpflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (1) Ratings als Insiderinformationen, die den Emittenten „unmittelbar“ betreffen, § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG? Eine Pflicht zur Sicherung der Ad hoc-Publizität trifft den Emittenten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nur hinsichtlich solcher Insiderinformationen, die ihn „unmittelbar betreffen“. Diese Voraussetzung ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG insbesondere (aber eben nicht ausschließlich) dann erfüllt, wenn die Insiderinformation sich auf Umstände bezieht, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind. Das Tatbestandsmerkmal des „unmittelbaren Betreffens“, das auf Art. 6 Abs. 1 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie zurückgeht,56 dient damit der Begrenzung der Publizitäts- und Marktinformationszuständigkeit des Emittenten: Dieser soll für Informationen, die lediglich allgemeiner Natur sind (etwa allgemeine Marktdaten), nicht publizitätspflichtig sein.57 Die Verwendung verschiedener un53
Diese erfolgte zum 30.10.2004 im Zuge der Umsetzung der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie. Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 Rn. 75; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 122. 55 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 13 Rn. 76; Fuchs/Mennicke/Jakovou, § 13 Rn. 179; Hopt, ZGR 1991, 17, 34 f.; Koch, DB 2005, 267, 272; Pawlik, in KK-WpHG, § 13 Rn. 112; a.A. Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 13 WpHG Rn. 61 unter Verweis auf Erwägungsgrund 31 der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie und § 34b WpHG. 56 Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 80. 57 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 Rn. 64; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 79; Sethe, in: Assmann/Schütze, § 12 Rn. 30. 54
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
bestimmter Rechtsbegriffe in § 15 Abs. 1 Sätze 1, 3 WpHG hat allerdings zur Folge, dass die Anwendung der Regelung auf Ratings mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist.58 Der bis zum Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes geltende § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. war demgegenüber noch enger gefasst gewesen, indem er nur die Veröffentlichung im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretener Insidertatsachen forderte. Vor diesem Hintergrund waren Ratingänderungen weit überwiegend als nicht publizitätspflichtige Ereignisse eingestuft worden, weil diese nicht ausschließlich im Tätigkeitsbereich des Emittenten eintreten.59
Durch die Neufassung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist der gegenständliche Anwendungsbereich der Ad hoc-Publizitätspflicht allerdings unstreitig ausgeweitet worden;60 er umfasst nunmehr auch gewisse unternehmensexterne Umstände.61 In der Regierungsbegründung wird insoweit ausdrücklich festgestellt, dass auch Informationen außerhalb seines Tätigkeitsbereichs den Emittenten unmittelbar betreffen können, wobei als Beispiel für „von außen“ kommende, den Emittenten jedoch dennoch unmittelbar betreffende Umstände etwa an die Herabstufung durch eine externe Rating-Agentur zu denken sei.62 Im Schrifttum wird eine Ratingänderung dementsprechend nunmehr weit überwiegend als Insiderinformation angesehen, die den Emittenten i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG „unmittelbar“ betrifft63 und daher publizitätspflichtig ist. In Österreich wird zu der dor-
58 Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 126, der zugleich die wesentliche Bedeutung des Unmittelbarkeitskriteriums in der Praxis hervorhebt. 59 So zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 102; Dreyling/Schäfer, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, Rn. 430; Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449, 456; Irmen in BuB (Stand: 5/1998), Rn. 7/796; Kümpel/Assmann, in: Assmann/Schneider, 3. Aufl., § 15 Rn. 49; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 14 Rn. 30; Schwark/Zimmer/Zimmer/Kruse, § 15 WpHG Rn. 38; Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 295; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 98; a.A. Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad-hoc-Publizität, S. 168 f.; Kümpel, AG 1997, 66, 67; Siebel, BKR 2002, 795, 799. 60 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 Rn. 52; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 80; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 14 Rn. 37. 61 Simon, Konzern 2005, 13, 16; Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2032. 62 RegE AnSVG, BT-Drs. 15/3174, S. 35. 63 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 WpHG Rn. 68: „ganz sicher“; Blaurock, ZGR 2007, 603, 625; Bürgers, BKR 2004, 424, 426; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 10 Rn. 30; Glaser, Verbesserungsoptionen, S. 36; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 196; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rn. 27; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 14.243; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 311; Sethe, in: Assmann/Schütze, § 12 Rn. 146; Simon, Konzern 2005, 13, 16; Spindler, NJW 2004, 3449, 3451; Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2032; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 190 f. (für die Änderung von Emittentenratings, nicht hingegen von Emissionsratings); Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 291; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2216; Veil/Koch, § 15 Rn. 42; Veith, NZG 2005, 254, 255; Versteegen, in KK-WpHG, § 15 Rn. 94; Weber, NJW 2004, 3674, 3676 f.; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 99. Ebenso, aber zurückhaltender Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 7: „nunmehr zumindest fraglich“; Rögner, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 151, 153: „nahe liegend“.
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tigen Umsetzungsregelung zu Art. 6 Abs. 1 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie ebenso entschieden.64 Demgegenüber gehen die im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens ergangenen Empfehlungen des Komitees der europäischen Aufsichtsbehörden (CESR) davon aus, dass es sich bei „zukünftig zu veröffentlichenden Ratingergebnissen“ – und nur solche qualifizieren sich überhaupt als Insiderinformationen i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG, weil es bereits publizierten Ratings ja an der fehlenden öffentlichen Bekanntheit mangelt – um den Emittenten lediglich mittelbar betreffende Informationen handelt.65 Die BaFin hat sich dieser Auffassung in ihrem Emittentenleitfaden ebenso angeschlossen66 wie ein Teil des Schrifttums.67 Zustimmung verdient die erstgenannte, im aktuellen Schrifttum herrschende Ansicht, der zufolge ein laufendes Ratingverfahren ebenso wie eine anstehende Ratingänderung zu den Umständen zählen, welche den Emittenten unmittelbar betreffen. Dies ergibt sich daraus, dass Bonitätsbeurteilungen durch RatingAgenturen sich spezifisch auf Kreditwürdigkeit eines bestimmten Emittenten mit Blick auf dessen Verbindlichkeiten aus einzelnen Anleihen (im Falle eines Emissionsratings) bzw. dessen sonstige ungesicherte Verbindlichkeiten (im Falle eines Emittentenratings) beziehen und sich damit klar von allgemeinen unternehmensübergreifenden Entwicklungen unterscheiden, die von der Publizitätspflicht ausgenommen werden sollen.68 Als Beispiel für einen ratingbezogenen Vorgang, der den Emittenten nur mittelbar betrifft, mag dagegen die Änderung ihrer generellen Ratingmethode durch eine Rating-Agentur dienen, wie sie im bereits erwähnten ThyssenKrupp-Fall im Jahr 200369 vorkam – obwohl auch diese entscheidende Folgen für die Ratingeinstufung des einzelnen Emittenten haben mag, dürfte es hier an der Unmittelbarkeit fehlen, welche eine Publizitätspflicht auslösen würde. Eine vereinzelt vertretene Ansicht, die eine unmittelbare Betroffenheit des Emittenten nur dann annehmen will, wenn die Veränderung des Ratings über Rating Trigger direkt dessen Finanzierungskonditionen beeinflusst,70 ist hingegen mit den gesetzlichen Anforderungen der §§ 13, 15 WpHG an die Ad hoc-Publizität unvereinbar und daher abzulehnen: Aus § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG ergibt sich, dass das Gesetz insoweit auf die Eignung der Rating64
Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, § 14 Rn. 6 (zu § 48d österr. BörsG). CESR, Market Abuse Directive: Level 3 – second set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive to the market (July 2007), Tz. 1.16 bzgl. „[t]he coming publication of rating agencies’ reports“. 66 BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 14.5.2009), Tz. IV.2.2.2 (S. 54). 67 Bressler in BuB (Stand: 11/2008), Rn. 7/779l; Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 285; Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 121; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 104; Heidel/Fischer zu Cramburg/Royé, § 15 WpHG Rn. 4. 68 Die rechtliche Unverbindlichkeit von Empfehlungen und Richtlinien des CESR auf der 3. Stufe des Lamfalussy-Verfahrens betont im Übrigen Ellenberger, in FS Nobbe (2009), 523, 536 Fn. 42. 69 Siehe zu diesem § 5 III 2 b) bb). 70 Koch, DB 2005, 267, 272; in diese Richtung auch Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 104. 65
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änderung zur erheblichen Kursbeeinflussung und damit die Perspektive eines verständigen Investors abstellt; ob die Herab- oder Heraufstufung daneben auch im Verhältnis zu anderen Kapitalgebern des Emittenten zu vertraglichen Anpassungen führt, ist für die Zwecke der Ad hoc-Publizitätspflicht irrelevant.
Fraglich ist schließlich, ob die Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG sich allein auf Emittentenratings oder aber auch auf Emissionsratings erstreckt. Ansatzpunkt ist die umstrittene Frage, ob das Erfordernis des unmittelbaren Betroffenseins sich auf den Emittenten (als Unternehmen) selbst beziehen muss71 oder es ebenso ausreicht, wenn die in Rede stehende Insiderinformation sich unmittelbar auf eines oder mehrere von ihm emittierte Finanzinstrumente bezieht.72 Wenngleich der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nur von einem Emittentenbezug spricht, macht doch der systematische Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG – welcher als Insiderinformationen ausdrücklich auch solche Informationen erfasst, die sich nicht auf das emittierende Unternehmen selbst, sondern ein Insiderpapier beziehen – deutlich, dass letztere Auffassung Zustimmung verdient. Auch die Änderung eines Emissionsratings ist daher grundsätzlich nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ad hoc publizitätspflichtig. (2) Vertraulichkeitsausnahme, § 15 Abs. 3 WpHG Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG ist der Emittent jedoch so lange von der Pflicht zur öffentlichen Mitteilung eines laufenden Ratingverfahrens oder einer anstehenden Ratingpublikation befreit, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit dieser Insiderinformation gewährleisten kann. Ein berechtigtes Interesse des Emittenten daran, die anstehende Ratingerteilung so lange nicht bekannt werden zu lassen, bis die Rating-Agentur sich ein endgültiges Urteil über die konkrete Bonitätseinstufung gebildet hat, wird man ebenso annehmen dürfen73 wie die fehlende Irreführungsgefahr,74 zumal es sich regelmäßig nur um einen kurzen Zeitraum handeln wird. Problematischer erscheint das Erfordernis der andauernden Vertraulichkeit der Insiderinformation, die laut § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG von Emittentenseite 71 So BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 14.5.2009), Tz. IV.2.2.2 (S. 53): „Die Information muss außerdem den Emittenten selbst und nicht nur die von ihm emittierten Finanzinstrumente betreffen“; Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 125; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 88; Zimmer, in FS Schwark (2009), S. 669. 72 So Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 Rn. 56; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 10 Rn. 25 Fn. 72; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 3.496; Simon, Konzern 2005, 13, 16; Ziemons, NZG 2004, 537, 541 (mit Verweis auf die Vorgaben der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie). 73 Ähnlich Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 134 (zum Aufschieben der Ad hoc-Mitteilung aufgrund noch laufender Finanzanalyseverfahren). 74 Dies gilt natürlich erst recht, wenn man diesem Tatbestandsmerkmal mit einer Ansicht im Schrifttum (Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 135; Zimmer, in FS Schwark (2009), S. 669, 677) ohnehin keine eigenständige Bedeutung zumisst.
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sicher zu stellen ist: Da in diesem Fall der aktuelle Beurteilungsvorgang durch einen externen Dritten (die Rating-Agentur) die Insiderinformation darstellt, muss zu der unternehmensinternen Sicherung der Vertraulichkeit75 noch die Gewährleistung kommen, dass auch von Seiten der Rating-Agentur die Vertraulichkeit bis zur Publikation des Ratings gewahrt bleibt. Die letztgenannte Voraussetzung wird man jedenfalls dann als erfüllt ansehen können, wenn eine rechtliche Pflicht zur Vertraulichkeit besteht,76 die für Rating-Agenturen regelmäßig in einer ausdrücklichen Vertraulichkeitsvereinbarung (Confidentiality Agreement) mit dem Emittenten festgeschrieben wird77 und andernfalls als konkludente Nebenpflicht aus dem Ratingvertrag folgt.78 Für diejenigen Rating-Agenturen, die in der EU oder Hongkong staatlich zugelassen79 oder den U.S.A. für Zwecke der regulatorischen Verwendung ihrer Ratings als NRSRO anerkannt sind,80 besteht sie zudem als aufsichtsrechtliche Zulassungs- bzw. Anerkennungsfolgepflicht81 und greift daher auch dann ein, wenn das konkrete Rating unbeauftragt und damit ohne vertragliches Pflichtenband zwischen Rating-Agentur und Emittent erfolgt. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG sind in Fällen der ratingbezogenen Ad hoc-Publizität damit erfüllt.82 Die Vertraulichkeitsausnahme des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG lässt die Offenlegungspflicht des Emittenten allerdings nicht entfallen, sondern schiebt diese lediglich auf, solange die Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen; die Mitteilung ist danach unverzüglich nachzuholen.83 Eine Nachholung der Veröffentlichung durch den Emittenten ist jedoch nach h.M.84 nicht erforderlich, sofern der Gegenstand der Insiderinformation bereits öffentlich bekannt geworden ist und daher keine „Insiderinformation“ i.S. des § 13 Abs. 1 WpHG mehr vorliegt – mit 75 Nur dieser Aspekt wird in § 7 WpAIV geregelt. Häufig verpflichtet sich der Emittent auch der Rating-Agentur gegenüber, ein ihm vorab mitgeteiltes Rating bis zu dessen Veröffentlichung durch die Rating-Agentur vertraulich zu halten; s. Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 314. 76 Versteegen, in KK-WpHG, § 15 Rn. 163. 77 Vgl. das Confidentiality Undertaking im Ratingvertragsmuster der Rating-Agentur Fitch bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 190 f. 78 Siehe dazu noch § 25 IV mit Nachweisen. Strenger (nämlich ausnahmslos den Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung fordernd) Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 198. 79 Siehe dazu noch § 22 II 2 a) (zur Zulassung nach der EG-RatingVO) und § 22 II 5 a) (zur Zulassung nach der Hongkonger Securities and Futures Ordinance). 80 Siehe dazu § 23 II 3 a). 81 Vgl. zum EU-Recht Anh. I Abschn. C Abs. 3 lit. d Unterabs. 2 EG-RatingVO; zum Hongkonger Recht CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 60 ff. und zum U.S.-amerikanischen Recht § 15E(g) Securities Exchange Act of 1934 i.V.m. Rule 17g–4(a)(3), wo „[t]he inappropriate dissemination within and outside the nationally recognized statistical rating organization of a pending credit rating action before issuing the credit rating on the Internet or through another readily accessible means“ für unzulässig erklärt wird. 82 Wie hier Stemper, Rahmenbedingungen, S. 191. 83 § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG. 84 BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 14.5.2009), Tz. IV.3 (S. 65); Assmann, in: Assmann/ Schneider, § 15 Rn. 173; Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 400; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 139; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 14.257; Versteegen, in KK-WpHG, § 15 Rn. 187; Zimmer, in FS Schwark (2009), S. 669, 680.
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der Publikation des (geänderten) Ratings durch die Rating-Agentur entfällt die zunächst lediglich suspendierte Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten folglich dauerhaft, wodurch laufende Ratingverfahren im Ergebnis also vollständig publizitätsfrei gestellt werden.85 b) Schweizerisches Recht: Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten gemäß Art. 53 KR In der Schweiz beschränkt sich das Aktienrecht auf die Statuierung einer Pflicht zur Offenlegung von Jahres- und Konzernrechnung (Art. 697h OR), kennt aber darüber hinaus keine Pflicht zur Offenlegung wesentlicher Ereignisse, die im Unternehmen eintreten.86 Die Schaffung einer Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten blieb daher der Selbstregulierung der Schweizer Börse überlassen, die eine solche in Art. 53 Kotierungsreglement (KR)87 vorsieht. Ihr Zweck ist im KR nicht konkret bestimmt worden, wird im Schrifttum aber allgemein – insoweit dem Rechtszustand in den EU-Staaten vergleichbar – in der Verbesserung der Transparenz und Markteffizienz (also dem Funktionsschutz), daneben auch in der Prävention von Insiderdelikten gesehen.88 Sie gilt als die wichtigste ständige börsenrechtliche Pflicht des Emittenten.89 aa) Rating als kursrelevante Tatsache, Art. 53 Abs. 1 Satz 1, 2 KR Nach Art. 53 Abs. 1 Satz 1 KR informiert der Emittent den Markt über kursrelevante Tatsachen, welche in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind.90 Während die zwischen 1996 und 2009 geltende Vorgängerbestimmung noch erkennbar durch die bei ihrem Erlass bestehenden Vorschriften der EG-Börsenzulassungs- und -Insiderrichtlinien geprägt war,91 hat die aktuelle Fassung der schweizerischen Ad hoc-Publizitätspflicht die zwischenzeitlichen Änderungen auf EU-Ebene nicht nachvollzogen und die ehemalige Parallelität daher spürbar gelockert. Art. 53 Abs. 1 Satz 1 KR behält insbesondere den engen Begriff der „Tatsachen“ bei und erfasst daher auch weiterhin nur Ereignisse oder Zustände der Gegenwart oder Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind,92 85
Ebenso Stemper, Rahmenbedingungen, S. 192. Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 7 Rn. 86; Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 109. 87 Kotierungsreglement der SIX Swiss Exchange in der Fassung vom 21. Apr. 2010, in Kraft seit dem 1. Mai 2010; siehe allgemein zum Kotierungsreglement bereits oben § 9 II 2 b). 88 SWX, Kommentar zur RLAhP, Einl. Rn. 1; Huber/Hodel/Staub Gierow, Art. 72 KR Rn. 2; Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 122; Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, 2. Aufl. (2004), § 10 Rn. 362; Rimle, Recht d. schw. Finanzmarktes, 9. Kap. Rn. 69. 89 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 7 Rn. 86; Druey, Gesellschafts- und HandelsR, § 16 Rn. 29. 90 Die Ad hoc-Publizitätspflicht der Vorgängerbestimmung in Art. 72 Abs. 1 KR a.F. war am 1. Oktober 1996 in Kraft getreten und hatte damit erstmals eine ausdrückliche Regelung der Ad hocPublizität in der Schweiz geschaffen, die bis zum 30. Juni 2009 galt; vgl. Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 113. 91 Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 115. 92 Huber/Hodel/Staub Gierow, Art. 72 KR Rn. 18 (zu Art. 72 KR a.F.); Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 132 f. m. Nachw. aus dem Schrifttum (zu Art. 72 KR a.F.). 86
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nicht hingegen bloße Gerüchte, Werturteile, Ideen, Erwartungen, Planungen oder Prognosen.93 Ob Ratings aus diesem Grund von der Ad hoc-Publizitätspflicht ausgeschlossen sind, ist im schweizerischen Schrifttum umstritten:94 Während dies teilweise verneint wird, weil Ratings eben bloße Meinungen darstellen,95 sieht die Gegenansicht Ratings von der Publizitätspflicht umfasst, weil die Einstufung durch eine Rating-Agentur eine Tatsache sei96 oder man schlicht das erhebliche Kursbeeinflussungspotential von Ratings ausreichen lassen will, obgleich es sich im Rechtssinne nicht um „Tatsachen“ handelt.97 Die zutreffende Antwort erschließt sich nach hier vertretener Ansicht dann, wenn man den sachlichen Bezugspunkt der Publizitätspflicht nach Art. 53 Abs. 1 Satz 1 KR zutreffend bestimmt: Es geht um die Frage, ob der Emittent bekannt zu geben hat, dass eine Rating-Agentur augenblicklich eine Überprüfung seines Ratings vornimmt, eine vorläufige Entscheidung zur Publikation eines bestimmten (ggfs. geänderten) Ratings getroffen oder das Rating veröffentlicht hat, und nicht darum, ob er die reduzierte Wahrscheinlichkeit der voraussichtlichen Erfüllung seiner Rückzahlungsverpflichtung (also den in der Tat prognostischen Aussagegehalt des Ratings) publizieren muss. Ersteres – nämlich die Tätigkeit der Rating-Agentur bezüglich der Ratingeinstufung – ist aber zweifelsohne eine „Tatsache“ und damit publizitätspflichtig, und sie ist auch derjenige Umstand, der Kurse zu beeinflussen vermag: Die Marktteilnehmer reagieren gerade darauf, dass die Rating-Agenturen zu einer bestimmten Bonitätsbeurteilung gelangt sind, und nicht primär auf die Eigenschaft des Beurteilungsinhalts als Meinung oder Tatsache. Es kommt also in den Augen der Marktöffentlichkeit nicht vorrangig darauf an, was prognostiziert wurde, sondern vor allem auf den Umstand, dass Rating-Agenturen diese Prognose abgegeben haben. Die damit also vorliegende Tatsache98 muss schließlich gemäß Art. 53 Abs. 1 Satz 2 KR kursrelevant, also geeignet sein, zu einer erheblichen Änderung der Kurse zu führen. Da das vorausgesetzte Kursbeeinflussungspotential auch hier – insoweit dem deutschen Recht99 vergleichbar – anhand von wirtschaftswissenschaftlichen Ereignisstudien zu ermitteln sein soll,100 kann in Anbetracht der be-
93 Dietzi/Latour, Schweizerisches Börsenrecht, S. 122; von Fischer, Ad hoc-Publizität nach Art. 72 KR, S. 80 (beide zu Art. 72 KR a.F.). 94 Die „Richtlinie betr. Ad hoc-Publizität“ der Schweizer Börse vom 29. Okt. 2008 (RLAhP) und der dazugehörige, noch zu Art. 72 KR a.F. publizierte amtliche Kommentar (SWX, Kommentar zur RLAhP) sprechen die Einordnung von Ratings nicht an. 95 So Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 118 (zu Art. 72 KR a.F.). 96 So Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 169 (zu Art. 72 KR a.F.). 97 So Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 151 (zu Art. 72 KR a.F.). 98 Im Ergebnis, wenn auch nicht in der Begründung wie hier Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 169; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 151; vgl. auch Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 415. 99 Oben II 1. 100 Huber/Hodel/Staub Gierow, Art. 72 KR Rn. 17 (zu Art. 72 KR a.F.).
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stehenden empirischen Befunde ohne weiteres von einer Kursrelevanz von Ratingerteilungen und -änderungen ausgegangen werden.101 bb) Irrelevanz eines öffentlichen Bekanntseins des Ratings? Überraschen muss, dass Art. 53 KR die Emittentenpflicht zur Bekanntgabe kursrelevanter Tatsachen nicht auf solche Tatsachen beschränkt, die noch „nicht öffentlich bekannt“ sind, wie dies §§ 13, 15 WpHG und die zugrunde liegenden EG-Richtlinien tun, die ursprünglich auch der schweizerischen Regelung zum Vorbild dienten. Der bis 2009 geltende Art. 72 KR a.F. hatte eine solche Einschränkung noch ausdrücklich vorgesehen und war im schweizerischen Schrifttum allgemein dahin verstanden worden, dass (erst) die Publikation eines Ratings durch die Rating-Agentur dieses öffentlich bekannt macht102 und damit eine allfällige Ad hoc-Publizitätspflicht entfallen lässt. Obgleich die beschriebene Wortlautänderung103 vor diesem Hintergrund ungewöhnlich erscheint und, soweit ersichtlich, von Seiten der Schweizer Börse nicht begründet wurde, wird man doch davon ausgehen können, dass damit keine Publizitätspflicht des Emittenten auch für öffentlich bereits bekannte Tatsachen begründet werden soll: Die nochmalige Bekanntgabe solcher Tatsachen kann weder Markteffizienz noch Transparenz erhöhen104 und wäre daher mit Blick auf den Telos des Art. 53 KR sinnlos; sie wird daher kaum beabsichtigt sein.105 Mit der Publikation eines Ratings durch die Rating-Agentur entfällt die Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten daher auch weiterhin. cc) Eintritt externer Ratings „im Tätigkeitsbereich“ des Emittenten, Art. 53 Abs. 1 Satz 1 KR? Der Emittent hat des Weiteren nur solche Tatsachen bekannt zu geben, die „in seinem Tätigkeitsbereich“ eingetreten sind. Das deutsche Recht enthielt früher dieselbe Einschränkung und wurde überwiegend dahin verstanden, dass nur ausschließlich im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretene Tatsachen gemeint und Ratings folglich nicht erfasst seien.106 Die offizielle Auslegung des Art. 53 Abs. 1 Satz 1 KR durch die Schweizer Börse hat demgegenüber von Anfang an 101
Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 118; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 151 (beide zu Art. 72 KR a.F.). 102 Dietzi/Latour, Schweizerisches Börsenrecht, S. 124; Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 164; Huber/ Hodel/Staub Gierow, Art. 72 KR Rn. 28; Küng/Huber/Kuster, Art. 8 Rn. 55n; Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 10 Rn. 148; Weber, Börsenrecht, Art. 8 BEHG Rn. 22. 103 Art. 72 Abs. 1 Satz 2 KR a.F. hatte zudem nur „neuen“ Tatsachen potentielle Kursrelevanz zugesprochen und damit ein weiteres Erfordernis aufgestellt, das im Schrifttum als mit dem Kriterium „nicht öffentlich bekannt“ gleichbedeutend eingestuft worden war (so Weber, Börsenrecht, Art. 8 BEHG Rn. 22) – auch dieses fehlt in Art. 53 Abs. 1 Satz 2 KR nunmehr. 104 Vgl. Ruffner, Gesteuerte Selbstregulierung, S. 7, 49. 105 Siehe aber noch näher unter IV 1. 106 Siehe oben II 1 a) cc) (1) mit zahlr. Nachw. aus dem damaligen deutschen Schrifttum.
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ein deutlich weiteres Begriffsverständnis bevorzugt107 und auch solche Ereignisse als „im Tätigkeitsbereich“ des Emittenten eintretend eingeordnet, die ihren Ursprung zwar außerhalb des Unternehmens haben, aber zum Eintritt einer potenziell kursrelevanten Tatsache innerhalb des Tätigkeitsbereichs des Emittenten führen, wie etwa der Entscheid einer Wettbewerbs- oder Aufsichtsbehörde, der Konkurs eines besonders wichtigen Vertragspartners oder Gerichtsfälle von erheblicher Tragweite, nicht aber Kauf- oder Verkaufsempfehlungen durch Analysten.108 Die Einstufung durch eine Rating-Agentur soll den einzelnen Emittenten dabei nach überwiegender Ansicht so besonders und konkret betreffen, dass sie seinem Tätigkeitsbereich zuzurechnen ist.109 dd) Suspendierung der Ad hoc-Publizitätspflicht bei Vertraulichkeit, Art. 54 KR Schließlich suspendiert auch das schweizerische Kotierungsreglement die Ad hoc-Publizitätspflicht, solange der Emittent die Vertraulichkeit der kursrelevanten Tatsache faktisch gewährleisten kann.110 Gemäß Art. 54 Abs. 1 Satz 2 lit. a KR gilt dies allerdings nur, sofern die betreffende Tatsache auf einem Plan oder Entschluss des Emittenten beruht – eine Besonderheit des schweizerischen Rechts,111 die den anderen hier untersuchten Rechtsordnungen fremd ist. Sie dürfte dazu führen, dass der Emittent die Bekanntgabe anstehender Ratingveröffentlichungen dann bis zu deren Vornahme durch die Rating-Agentur112 aufschieben darf, wenn es sich um ein beauftragtes Rating handelt,113 zumal in diesem Fall auch die Vertraulichkeit gesichert ist.114 Dies wird auch für spätere Änderungen eines beauftragten Ratings gelten müssen, weil diese – obgleich selbst nicht durch den Emittenten initiiert – auf seinem Entschluss (nämlich der Beauftragung) beruhen, solange er den Ratingvertrag nicht kündigt. Dagegen scheidet ein Bekanntgabeaufschub bei unbeauftragten Ratings aus, weil hier kein kausaler Emittentenentschluss vorliegt; freilich wird der Emittent hier auch nicht immer vor Veröffentlichung des Ratings von diesem Kenntnis erlangen.115 107
Feller, AJP 2008, 1095, 1100. SWX, Kommentar zur RLAhP, Rn. 3 N. 9 f.; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 415. 109 So (jeweils zu Art. 72 KR a.F.) die offiziellen Erläuterungen zur Bekanntgabepflicht bei kursrelevanten Tatsachen gemäß Art. 72 des revidierten Kotierungsreglements vom Nov. 1996, S. 7; Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 169; Küng/Huber/Kuster, Art. 8 Rn. 55q. 110 Art. 54 Abs. 1 KR setzt hierfür nicht zwingend eine rechtliche Vertraulichkeitspflicht voraus; vgl. Feller, AJP 2008, 1095, 1103. 111 Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 214 (zu Art. 72 Abs. 2 Satz 2 lit. a KR a.F.). 112 Faktisch also dauerhaft, weil sie mit Veröffentlichung durch die Rating-Agentur öffentlich bekannt ist und die Publizitätspflicht folglich aus diesem Grund nicht (mehr) eingreift. 113 Dies gilt mit Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 118 (zu Art. 72 KR a.F.) auch dann, wenn er der Rating-Agentur die Publikation des Erstratings verweigert. 114 Siehe dazu schon oben zum deutschen Recht II 1 a) cc) (2). 115 Kritisch hierzu Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347: „es kann also durchaus vorkommen, dass ein geratetes Unternehmen erst aus der Presse erfährt, Objekt eines Ratings gewesen 108
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ee) Ergebnis Im Ergebnis sind noch nicht öffentlich bekannte Ratingveränderungen daher durch den Emittenten auch in der Schweiz gemäß Art. 53 Abs. 1 KR zu publizieren, sofern seine Ad hoc-Publizitätspflicht nicht nach Art. 54 KR (also namentlich aufgrund eines bestehenden Ratingvertrages mit der Rating-Agentur) suspendiert ist. c) Marktteilnahmepublizitätspflicht des Emittenten nach U.S.-amerikanischem Recht Im U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrecht, das der Regulierung durch Publizitätspflichten (disclosure) traditionell eine hervorgehobene Bedeutung zumisst, mag man aus diesem Grund auch eine besonders ausgeprägte Emittentenpflicht zur laufenden Information über Ratingentwicklungen erwarten. Es wird daher zu Recht als überraschend eingestuft,116 dass der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung – anders als dem deutschen und schweizerischen Recht – eine allgemeine Pflicht zur Ad hoc-Publizität in dem Sinne, dass der Emittent grundsätzlich jede für Investorenentscheidungen potentiell relevante Tatsache gegenüber dem Kapitalmarkt unverzüglich offenzulegen hat, unbekannt ist.117 Man räumt stattdessen den Interessen der Unternehmen an der Geheimhaltung interner Informationen Vorrang vor den Interessen von Markt und Anlegern an deren sofortiger Veröffentlichung ein118 und beschränkt sich auf einzelne, tatbestandlich begrenzte Publizitätspflichten,119 die zur Offenlegung von Ratings eine uneinheitliche Haltung einnehmen. aa) Form 8–K Eine gesetzliche Marktteilnahmepublizitätspflicht wird in den U.S.A. durch § 13(a)(1), (l) Securities Exchange Act und Rule 13a–11 geschaffen, die den Emitzu 116 sein“. Zur Frage einer rechtlichen Pflicht der Rating-Agentur, den Emittenten auch vor Veröffentlichung eines unbeauftragten Ratings eine Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen, siehe noch § 25 VI 1. 116 So ausführlich Brown, Regulation of Corporate Disclosure, Stand: 2009–2 Supplement, § 3.01, der eine mangelnde Vereinbarkeit mit der grundsätzlichen disclosure philosophy konstatiert und kritisiert. 117 Brown, Regulation of Corporate Disclosure, Stand: 2009–2 Supplement, § 3.01; Drygala, WM 2001, 1282, 1286; Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 174; Hazen, Law of Securities Regulation, § 12.19[1]; Krause, ZGR 2002, 799, 834. 118 Glaser, Verbesserungsoptionen, S. 74; Hausmaninger, Insider Trading, S. 244 f.; Krause, ZGR 2002, 799, 834. 119 Eine allgemeine Offenlegungspflicht folgt auch nicht aus Rule 10b–5 unter dem Securities Exchange Act of 1934, wie die Rechtsprechung häufig entschieden hat; vgl. In re Time Warner Inc. Securities Litigation, 30.11.1993, 9 F.3d. 259, 267 (2nd Cir. 1993): „a corporation is not required to disclose a fact merely because a reasonable investor would very much like to know that fact“; Polak v. Continental Hosts, Ltd., 28.6.1985, 613 F.Supp. 153, 156 (S.D.N.Y. 1985): „Absent a specific duty to disclose, even the most material information imaginable may be withheld from the public.“
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tenten unter bestimmten Voraussetzungen zur Einreichung eines Form 8–K (sog. current report) bei der SEC verpflichten. Es handelt sich um eine laufende Publizitätspflicht über bestimmte kurserhebliche Umstände, die sich in ihrer Ausgestaltung – wie bereits angedeutet – in verschiedener Hinsicht von der Ad hoc-Publizität des europäischen Rechts unterscheidet: Form 8–K bezweckt keine umfassende und sofortige Information der Investorenöffentlichkeit über jegliche Entwicklungen in der Emittentensphäre, die für Investitions- und Deinvestitionsentscheidungen bedeutsam sein können, sondern ist lediglich als punktuelle Ergänzung der periodischen Regelpublizität gedacht, die mittels der Quartals- und Jahresberichte (Forms 10–Q und 10–K) erreicht wird.120 Diese Konzeption schlägt sich zum einen in den großzügigeren zeitlichen Vorgaben nieder, denen Veröffentlichungen nach Form 8–K unterliegen – der Emittent hat dieses Formblatt nämlich nicht etwa „unverzüglich“ nach Eintritt eines publizitätspflichtigen Ereignisses einzureichen (wie dies § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG und wohl auch Art. 53 Abs. 2 KR121 verlangen), sondern hat hierzu vier Werktage Zeit.122 Zudem unterscheidet sich die U.S.-amerikanische Marktteilnahmepublizität auch in sachlicher Hinsicht, indem sie, ihrem Ansatz nach konsequent, nicht auf (noch) nicht öffentlich bekannte Umstände beschränkt ist.123 Sie ist insoweit gleichwohl deutlich enger gefasst als ihre Gegenstücke im deutschen und schweizerischen Recht, weil sie nicht mit einer generalklauselartigen Umschreibung der zu veröffentlichenden Umstände arbeitet, sondern diese in Form 8–K abschließend auflistet. Fällt ein Ereignis nicht unter eines der dort aufgeführten „Items“, so muss es daher nicht bekannt gemacht werden.124 Die durch Form 8–K vorgegebene Liste publizitätspflichtiger Ereignisse wurde zwar im Laufe der Geschichte dieser Regelung (sie wurde bereits 1936 eingeführt) mehrfach geändert und ausgeweitet,125 enthält aber bis heute kein Item, welches sich auf Ratings bezieht. Ratingerteilungen oder -änderungen müssen daher nicht nach Form 8–K veröffentlicht werden.126 Freilich hat es in der Vergangenheit nicht an Versuchen der SEC gefehlt, die Publizitätspflichten entsprechend auszuweiten: 120
Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 177. Vgl. zum dortigen Begriff des „sobald“ Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 228 mit der Bemerkung, der Unterschied zu „unverzüglich“ erscheine „minim“ (noch zu Art. 72 Abs. 1 KR a.F.). 122 Die Bezeichnung als „real-time disclosure“ (so § 13(l) Securities Exchange Act) erscheint daher im internationalen Vergleich als übertrieben. 123 Versteegen, in KK-WpHG, § 15 Rn. 43. 124 Drygala, WM 2001, 1282, 1286; Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 177; Hazen, Law of Securities Regulation, § 12.19[1]; Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 88; Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, S. 34 f. Unklar Kulms, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 1101, 1134 f. 125 Namentlich auf Grundlage von § 13(l) Securities Exchange Act, der durch den Sarbanes Oxley Act von 2002 aufgenommen wurde und die SEC zur Einführung zusätzlicher „Real Time Issuer Disclosures“ ermächtigte. 126 A.A. (ohne Begründung) Palmiter, Securities Regulation, § 8.3.2 für „changes in debt rating“. 121
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So schlug die SEC erstmals im Jahre 1994 vor, im Wege einer Neufassung des Form 8–K eine Emittentenpflicht zur Veröffentlichung erheblicher Ratingänderungen (material change in a security rating) einzuführen.127 Der damalige Regelungsentwurf wollte diese Publizitätspflicht auf jedes Rating einer NRSRO sowie darüber hinaus Ratings sonstiger Rating-Agenturen erstrecken, sofern diese zuvor freiwillig im Prospekt des betreffenden Papiers genannt worden waren; daneben sollten ergänzende Erläuterungen zum Rating veröffentlicht werden, um dessen Verständlichkeit für die Investoren zu sichern.128 Die Schwelle der „Erheblichkeit“ einer Ratingänderung, die heute noch im Rahmen der U.S.amerikanischen Prospektpublizität Verwendung findet,129 sah man damals nur bei bestimmten Heraufstufungen, aber bei jeder Herabstufung eines Ratings erreicht.130 Der Entwurf wurde in der Folgezeit allerdings nicht umgesetzt, nachdem der verfolgte Ansatz von Emittentenseite erhebliche Kritik erfahren hatte.131
Ein weiterer Anlauf folgte im Jahre 2002, als im Zuge der umfangreichen Reformbestrebungen im Nachgang des Enron-Zusammenbruchs erneut eine Pflicht zur Anzeige anstehender Ratingänderungen vorgeschlagen wurde. Diese sollte wiederum durch Ergänzung des Form 8–K erfolgen, nämlich durch ein neues Item namens „Rating Agency Decisions“.132 Der SEC war dabei augenscheinlich bewusst, dass angesichts des zwischenzeitlich erfolgten technischen Fortschritts, aufgrund dessen vorgenommene Ratingänderungen mittlerweile über die Internet-Websites der Rating-Agenturen sogleich der allgemeinen Marktöffentlichkeit zugänglich sind, der Sinn einer parallelen Publizitätspflicht zweifelhaft erscheinen mochte. Man hielt sie jedoch deshalb auch weiterhin für nützlich, weil nicht jeder Investor ständig die Mitteilungen aller Rating-Agenturen beobachte.133 Nichtsdestotrotz konnte sich auch dieser Regelungsvorschlag in den Beratungen nicht durchsetzen.134 Einen letzten Versuch unternahm die SEC 2009 im Nachgang zur globalen Finanzkrise, als sie wiederum eine Änderung des Form 8–K vorschlug, der Emittenten zur Mitteilung der Änderung bzw. Einstellung (nur) solcher Ratings verpflichtet hätte, die sie zuvor im Prospekt genannt hatten.135 Auch dieser Regelungsvorschlag gelangte nicht zur Umsetzung. 127 SEC Release 33–7086, 34–34617, IC–20509 „Disclosure of Security Ratings“ (Proposed Rules) vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46304 ff. (7. Sept. 1994). 128 Die Erläuterungen, die der Entwurf vorsah, entsprachen dabei im Wesentlichen denjenigen Angaben, die heute durch Regulation S–K für die Prospektpublizität empfohlen werden; vgl. dazu bereits in § 9 II 3 c). 129 Siehe § 9 II 3 a) aa). 130 Dieses Verständnis erschloss sich freilich nicht aus dem Entwurfstext selbst, sondern lediglich aus dessen Begründung; vgl. SEC Release 33–7086, 34–34617, IC–20509 vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46304 ff. 131 Frankel, Securitization, § 9.16 berichtet von „strong opposition of the issuers“. 132 SEC Release 33–8106, 34–46084 „Additional Form 8–K Disclosure Requirements and Acceleration of Filing Date“ (Proposed Rule) vom 17. Juni 2002, 67 FR 42914 ff. (25. Juni 2002). 133 SEC Release 33–8106, 34–46084 vom 17. Juni 2002, 67 FR 42914, 42922. 134 Vgl. SEC Release 33–8400, 34–49424 „Additional Form 8–K Disclosure Requirements and Acceleration of Filing Date“ (Final Rule) vom 16. März 2004, 69 FR 15594, 15606 (25. März 2004); Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 124 Fn. 132. 135 SEC Release 33–9070, 34–60797, IC–28942 „Credit Ratings Disclosure“ (Proposed rule) vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53086, 53099 ff. (15. Okt. 2009).
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Form 8–K gestattet dem Emittenten allerdings die Offenlegung von Ratings im Rahmen seines Item 8.01 („Other events“), welches auf freiwilliger Basis136 die Mitteilung sonstiger Informationen erlaubt, die nach Ansicht des Emittenten für Investoren von Bedeutung sein könnten. Regulation S–K und Regulation S–B empfehlen eine solche freiwillige Ratingpublizität ausdrücklich,137 und in der Praxis kommt diese nicht selten vor.138 Sofern der Emittent sich hiernach entscheidet, ein Rating freiwillig offenzulegen, muss die Offenlegung allerdings vollständig, richtig und – insbesondere für ergänzende Erläuterungen einer Ratingeinstufung relevant – nicht irreführend sein.139 bb) Rule 15c2–12: Continuing Disclosure Agreements bei öffentlichen Anleihen Das U.S.-amerikanische Kapitalmarktrecht sieht jedoch an anderer Stelle eine anlassbezogene Marktteilnahmepublizität vor, die sich inhaltlich auch auf Ratings bezieht und jedenfalls im praktischen Ergebnis der Ad hoc-Publizität des Emittenten nach deutschem Recht140 ähnelt. Die angesprochene Rule 15c2–12141 ist bereits älter als Regulation FD142 und Form 8–K, weist aber einen engeren Anwendungsbereich auf, weil sie nur öffentliche Anleihen (municipal securities) betrifft. Sie regelt damit jedoch einen Marktsektor von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, standen Ende 2007 in den USA doch Anleihen öffentlicher Emittenten von nicht weniger als 2,6 Billionen USD aus.143 Der Securities Act wie auch der Securities Exchange Act stellen öffentliche Anleihen allerdings von den dort vorgesehenen Publizitätsanforderungen traditionell ausdrücklich frei144 und beschränken damit im Grundsatz zugleich die diesbezügliche Gestaltungsfreiheit der SEC. Nachdem der Markt für municipal securities seit den 1990er Jahren immer unübersichtlicher geworden war – es traten über 50 000 staatliche Einheiten wie Kommunen, Städte, Bezirke, Schuldistrikte und kommunale Behörden als Emittenten in Erscheinung145 – und zudem ein zu136
Leis/Nowak, Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG, S. 61: Charakter einer Handlungsempfehlung. 137 Item 10(c)(2)(ii) Regulation S–K; Item 10(e)(1)(iii) Regulation S–B. 138 Vgl. schon in den 1980er Jahren SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 „Disclosure of Security Ratings in Registration Statements“ (Proposed rulemaking) vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 411 Fn. 12: „such disclosure has occurred …“. 139 Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 177. 140 Zu dieser oben unter II 1 a). 141 Rule 15c2–12 unter dem Securities Exchange Act of 1934. 142 Dazu noch unter III 3. 143 SEC Release 34–58225 vom 30. Juli 2008, 73 FR 46138, 46139. 144 § 3(a)(2) Securities Act, § 3(a)(12)(A)(ii), (29) Securities Exchange Act. Zum Hintergrund siehe Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 348 ff. 145 Vgl. schon in den 1930er Jahren zur Unübersichtlichkeit des Marktes und dem daraus resultierenden Bedürfnis für Ratings Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 98: „There are some 175,000 municipalities and similar political subdivisions in the United States, a great many of which have obligations outstanding; but Moody’s […] rates only 4,816 issues“.
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nehmender Anteil dieser Anleihen von Privatanlegern gehalten wurde,146 entschloss sich die SEC im Jahre 1994 gleichwohl zur Einführung einer anlassbezogenen Marktteilnahmepublizität. Man wählte zu diesem Zweck allerdings einen ungewöhnlichen, indirekten Regelungsansatz und verortete die neue Transparenzregelung in Rule 15c2–12 unter dem Securities Exchange Act,147 welche sich nicht an staatliche Emittenten richtet, sondern vielmehr die Pflichten der underwriter (d.h. vor allem Emissionsbanken und Wertpapierhäuser, welche neu emittierte Wertpapiere übernehmen) bei der Emission öffentlicher Anleihen regelt: Ihnen ist die Übernahme von municipal securities nur erlaubt, sofern sie sichergestellt haben, dass der Emittent sich gegenüber den Anleiheinhabern durch eine schriftliche vertragliche Abrede (sog. continuing disclosure agreement) verpflichtet hat, bestimmte künftige Vorgänge mit Bezug zu den emittierten Anleihen zeitnah offenzulegen (material event notices).148 Zu den enumerativ aufgelisteten Vorgängen zählen auch Ratingänderungen (rating changes),149 da diese den Marktpreis der Anleihen beeinflussen können und aktuellen wie künftigen Investoren daher zugänglich gemacht werden sollen.150 Im Nachgang zur globalen Finanzkrise 2007–09 wurde diese Publizitätspflicht sogar noch dadurch verschärft, dass nunmehr jede Ratingänderung offengelegt werden muss, während dies zuvor nur für im konkreten Fall erhebliche (material) Änderungen galt.151 Letztere Einschränkung hatte damit die im U.S.-amerikanischen Publizitätsrecht generell verwandte, auf die Erheblichkeit für eine Investitionsentscheidung abstellende Schwelle der materiality aufgenommen – ihr Wegfall signalisiert also, dass nach Ansicht der SEC mittlerweile ausnahmslos jede Ratingbewegung für die Investorenöffentlichkeit bedeutsam ist. Dass der Emittent rechtlich zu deren Offenlegung verpflichtet wird, obgleich Ratingänderungen regelmäßig ohnehin 146 SEC Release 34–58225 vom 30. Juli 2008, 73 FR 46138, 46139 nennt eine Quote von 35% direkt durch private Investoren gehaltene Titel. Soweit a.a.O. zudem 36% mittelbar über Fonds gehaltene öffentliche Anleihen aufgeführt werden (ähnlich schon SEC Release 33–7049, 34–33741 (9. März 1994)), überzeugt dies nicht, denn insoweit werden die Investitions- und Deinvestitionsentscheidungen durch professionelle Fondsmanager getroffen, deren Informationsbedarf mit demjenigen von Privatanlegern nicht ohne weiteres vergleichbar ist. 147 Nämlich durch SEC Release 34–33742 vom 4. März 1994, durch welche die bereits seit 1989 bestehende Rule 15c2–12 insoweit ergänzt wurde. 148 Die zeitnah („in a timely manner“) geforderte Offenlegung erfolgt dabei – anders als etwa bei § 15 WpHG – nicht unmittelbar gegenüber der Kapitalmarktöffentlichkeit, sondern gegenüber dem Municipal Securities Rulemaking Board, einer zentralen Informationssammelstelle, welche die Informationen ihrerseits kostenfrei an die Öffentlichkeit weitergibt. Die Regelung greift in ihrer bestehenden Form erst seit dem 1. Juli 2009 (eingeführt durch SEC Release 34–59062 „Amendment to Municipal Securities Disclosure“ (Final Rule) vom 5. Dez. 2008, 73 FR 76104 ff. (15. Dez. 2008)) – zuvor waren mehrere Informationsadressaten zugelassen, welche die Weiterleitung von material event notices zudem von einer Gebühr abhängig machen konnten (und dies auch taten). 149 Rule 15c2–12(b)(5)(i)(C)(11). 150 So die Begründung in SEC Release 34–60332 „Proposed Amendment to Municipal Securities Disclosure“ (Proposed Rule) vom 17. Juli 2009, 74 FR 36831, 36840 (24. Juli 2009). 151 Regeländerung durch SEC Release 34–62184 „Amendment to Municipal Securities Disclosure“ (Final Rule) vom 26. Mai 2010, 75 FR 33100 ff. (10. Juni 2010). Die neue Fassung der Rule 15c2–12(b)(5)(i)(C)(11) findet seit dem 1. Dezember 2010 Anwendung.
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öffentlich zugänglich sind (namentlich über die Internet-Websites der RatingAgenturen), begründet die SEC mit dem Ziel, den Investoren alle relevanten Informationen an einer Stelle anzubieten.152 Eine vergleichbare Pflicht trifft auch Wertpapierhändler, die öffentliche Anleihen gegenüber Investoren empfehlen wollen.153 Im Ergebnis führt Rule 15c2–12 damit ein funktionales Äquivalent zu einer ratingbezogenen Ad hoc-Publizitätspflicht öffentlicher Emittenten ein. Sie schafft allerdings selbst keinerlei Rechtspflichten für Emittenten, sondern erreicht ihr Ziel mittelbar dadurch, dass der Emittent zur freiwilligen Übernahme einer vertraglichen Publizitätspflicht gezwungen ist, sofern er nicht auf die Unterstützung durch Emissionsbanken und Wertpapierhändler verzichten will, auf die er regelmäßig angewiesen ist.154 Etwaige Ratingänderungen muss er nach dem insoweit regulatorisch vorgegebenen Vertragsinhalt übrigens unabhängig davon offenlegen, ob es sich um das Rating einer NRSRO oder einer sonstigen Rating-Agentur handelt – Rule 15c2–12 differenziert insoweit nicht. Schließlich zeitigt die – ungewöhnliche – Konstruktion einer vertraglich übernommenen Ratingpublizität auch Folgen für ihre Durchsetzung im Wege der zivilrechtlichen Haftung, die in den USA traditionell eine große Rolle spielt:155 Neben einer Schadensersatzhaftung des Emittenten nach Rule 10b–5 (securities fraud) kommt in diesem Fall auch eine vertragliche Haftung in Frage, weil der Emittent eine ihn gegenüber jedem Anleiheinhaber treffende Vertragspflicht verletzt hat. cc) Marktteilnahmepublizität aufgrund von Börsenrichtlinien Schließlich finden sich in den Richtlinien verschiedener U.S.-amerikanischer Börsen generalklauselartig formulierte Publizitätspflichten, die notierte Emittenten üblicherweise zur Veröffentlichung „wesentlicher“ (material) Informationen auffordern156 und damit in ihrem inhaltlichen Ansatz dem deutschen § 15 WpHG ähneln. In ihrer praktischen Wirkung bleibt diese Form der Markteintrittspublizität jedoch wesentlich dahinter zurück, weil es sich um Vorgaben handelt, die als bloße Appelle und damit nachgiebig ausgestaltet sind („is expected to“) und – vor 152 SEC Release 34–62184 vom 26. Mai 2010, 75 FR 33100, 33115: „In the Commission’s view, investors would benefit from being able to access a central source to determine whether there has been a rating change with respect to a particular municipal security, rather than relying on the media or accessing each rating organization’s Internet Web site.“ 153 Diese müssen gemäß Rule 15c2–12(c) vor einer solchen Empfehlung sicherstellen, dass sie von Ratingänderungen prompt Kenntnis erhalten. 154 Vgl. Hazen, Law of Securities Regulation, § 2.1[1]: Platzierungen ohne underwriter seien „relatively rare“, weil den Emittenten typischerweise die hierzu notwendige Expertise fehlt. 155 Siehe noch § 26 I 2. 156 So namentlich § 202.05 New York Stock Exchange Listed Company Manual: „A listed company is expected to release quickly to the public any news or information which might reasonably be expected to materially affect the market for its securities.“ Der verwandte Maßstab dürfte dabei mit dem materiality-Standard der Rechtsprechung zu Rule 10b–5 unter dem Securities Exchange Act of 1934 übereinstimmen; so Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 103.
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allem – von den Börsen kaum durchgesetzt werden.157 Da Ratingänderungen, soweit ersichtlich, zumindest nicht als wesentlicher Anwendungsfall der beschriebenen Börsenrichtlinienbestimmungen eingestuft werden, dürften diese nicht entscheidend zur ratingbezogenen Marktteilnahmepublizität in den U.S.A. beitragen. d) Hongkonger Recht In Hongkong findet die Pflicht des Emittenten zur Marktteilnahmepublizität ihre Grundlage in den Listing Rules der Hongkonger Börse (SEHK),158 die auf gesetzlicher Grundlage159 im Wege der Selbstregulierung160 erlassen wurden; die Situation entspricht insoweit also der Lage in der Schweiz.161 Die Listing Rules verpflichten jeden Emittenten bei Börsenzulassung zum Abschluss eines Listing Agreements und geben dessen Inhalt detailliert vor.162 Der Emittent hat danach als Teil seiner continuing obligations die Hongkonger Börse und die Inhaber seiner Schuldverschreibungen u.a. so bald wie vernünftigerweise praktikabel von allen Informationen in Kenntnis zu setzen, die notwendig sind, (a) um ihnen und der Allgemeinheit eine Beurteilung der Lage des Emittenten zu erlauben, (b) um das Entstehen eines falschen Marktpreises (false market) seiner Emissionen zu verhindern oder (c) die voraussichtlich einen erheblichen Einfluss auf seine Fähigkeiten zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten haben.163 Die damit begründete Pflicht des Emittenten zur Ad hoc-Publizität164 entspricht im Ausgangspunkt den internationalen Standards entwickelter Kapitalmärkte,165 lässt die Behandlung von Ratings allerdings offen. Die erläuternden Leitlinien, welche die Hongkonger Börse zum Umgang mit kursrelevanten Informationen erlassen hat, benennen Ratings oder Ratingänderungen jedenfalls nicht als publizitätspflichtigen Umstand166 (und stimmen damit im Ergebnis mit den CESR-Empfehlungen und dem BaFin-Emittentenleitfaden167 überein), stellen aber auch ausdrücklich nur eine beispielhafte (und nicht abschließende) Auflistung kursrelevanter Informa157
Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 176. Kwan/Chiu/Shen, Stand: Release 0 (June 2007), Rn. 10.053. 159 § 3(a) Securities and Futures (Stock Market Listing) Rules (Cap. 571V) i.V.m. § 26(1) Securities and Futures Ordinance (Cap. 571). 160 Donald, Hong Kong Stock and Futures Exchanges, Rn. 2.023: „… places the SEHK at the heart of the Hong Kong securities market not only as a trading venue, but as a regulator“; Loh, Financial Intermediaries Guide, § A1.04100. 161 Zu dieser oben unter II 1 b). 162 Rule 13.02 der Listing Rules SEHK mit Verweis auf die Listing Agreements, die in den Teilen C, D und E des Anhangs 7 zu den Listing Rules enthalten sind. 163 Tz. 2(1) des Listing Agreements. 164 So ausdrücklich The Stock Exchange of Hong Kong Ltd. v. New World Development Co. Ltd. and Others, 6.4.2006, [2006] HKCFA 44, Tz. 15. 165 So Kwan/Chiu/Shen, Stand: Release 0 (June 2007), Rn. 10.197. 166 Hong Kong Exchanges and Clearing Limited, Guide on disclosure of price-sensitive information (Jan. 2002), Tz. 6. 167 Siehe dazu oben I 1 a) cc) (1). 158
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tionen bereit.168 Eine diesbezügliche Emittentenpflicht muss daher einstweilen als zumindest unsicher erscheinen, wenngleich anstehende Ratingänderungen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Offenlegungspflicht durchaus erfüllen dürften.
2. Eigene Ad hoc-Publizitätspflicht der Rating-Agentur a) Deutsches und europäisches Recht: Publizitätspflicht der Rating-Agentur Im deutschen Recht eröffnet § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG sodann zusätzlich Raum für eine eigene Ad hoc-Publizitätspflicht169 der Rating-Agentur, weil und soweit diese im Auftrag oder auf Rechnung des Emittenten handelt.170 Insoweit ist zu Recht anerkannt, dass als „Auftrag“ im Sinne der Norm nicht lediglich ein Auftrag i.S. des § 662 BGB in Frage kommt,171 weil § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG Vorgaben der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie umsetzt172 und daher gemeinschaftsrechtsautonom zu interpretieren ist. Da keine Anzeichen dafür bestehen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber bei Formulierung der Richtlinie von der Begrifflichkeit des deutschen Schuldrechts ausgegangen ist, kommt (unabhängig von dessen Einordnung in die Vertragstypologie des BGB173) auch der Ratingvertrag zwischen Emittent und Rating-Agentur als Auslöser einer Publizitätspflicht in Frage, der der Emittentensphäre zuzurechnende Dritte durch § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG unterworfen werden.174 Der praktische Anwendungsbereich dieser Ad hoc-Publizitätspflicht ist im Ratingzusammenhang allerdings begrenzt, weil sie nur eingreift, sofern die Rating-Agentur Insiderinformationen im Rahmen ihrer Befugnis einem anderen mitteilt oder zugänglich macht, der seinerseits rechtlich nicht zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG reicht insofern weiter als die allgemeine Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG, weil sie auch solche Insiderinformationen erfasst, die den Emittenten nur „mit168
So auch der Hinweis der zuständigen Aufsichtsbehörde in Securities and Futures Commission, Circular to analysts on handling non-public price sensitive information (März 2004), Tz. 3.4. 169 Nach Simon, Konzern 2005, 13, 14 schafft § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG eine „besondere Adhoc-Publizität“; ähnlich Versteegen, in KK-WpHG, § 15 Rn. 214: „spezielle Ad-hoc-Publizität“. 170 Kritisch zu dieser Publizitätspflicht für beauftragte Dritte Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 279: „systemwidrig“. 171 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 Rn. 112; Bressler in BuB (Stand: 11/2008), Rn. 7/ 786c; Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 282; Versteegen, in KK-WpHG, § 15 Rn. 220; s. aber Leuering, NZG 2005, 12, 13: die vertragliche Beziehung zum Geschäftsherrn müsse zumindest „einige auftragstypische Elemente“ aufweisen. 172 Nämlich Art. 6 Abs. 3 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie; vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 Rn. 110. 173 Siehe dazu noch § 27 I 1. 174 Eine Publizitätspflicht der Rating-Agentur nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG und Art. 6 Abs. 3 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie scheidet von vornherein aus, wenn das betreffende Rating unbeauftragt erstellt wurde, und zwar unabhängig von der Regelungswirkung des § 13 Abs. 2 WpHG (siehe zu letzterer oben II 1 a) bb)).
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telbar“ betreffen175 – die diesbezüglich umstrittene Behandlung von Ratings176 wirkt sich also hier nicht aus. Als gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG publizitätspflichtige Information kommt danach das Rating selbst in Betracht, welches mit seiner Publikation allerdings zugleich den Charakter als nicht öffentlich bekannter Umstand verloren hat und aus diesem Grund keine Publizitätspflicht auslöst. Daneben ist zu erwägen, ob auch die Mitteilung vertraulicher Emittenteninformationen eine Publizitätspflicht der Rating-Agentur nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG auslösen kann – dies ist jedoch zu verneinen, weil in der Veröffentlichung eines Ratings, welches lediglich auf solchen Insiderinformationen beruht, kein „Zugänglichmachen“ dieser Informationen selbst liegt,177 und eine andersartige Weitergabe vertraulicher Emittenteninformationen an Dritte nicht im Rahmen der „Befugnis“ der Rating-Agentur erfolgen (sondern vielmehr einen Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG darstellen) würde.178 § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG bewirkt im Ergebnis aber immerhin, dass RatingAgenturen die Ratings, die sie ihren Abonnenten zugänglich machen,179 zeitgleich gegenüber der allgemeinen Marktöffentlichkeit zu publizieren haben.180 Auf diese Weise verwirklicht die Vorschrift ihren Regelungszweck, nämlich die Herstellung der informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer.181 § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG nimmt den Rating-Agenturen damit zugleich die Möglichkeit, ihre zahlenden Abonnementen gegenüber der gratis von den Bonitätsbeurteilungen profitierenden Öffentlichkeit nicht nur hinsichtlich des Umfangs der zur Verfügung gestellten Informationen,182 sondern auch in Gestalt eines zeitlichen Vorsprungs zu bevorzugen – eine marktrechtliche Einschränkung der Privatautonomie, durch welche der besonderen Rolle dieser Informationsintermediäre am Finanzmarkt Rechnung getragen wird. Keine Ad hoc-Publizitätspflicht der Rating-Agentur wird durch Kontaktaufnahmen mit dem Emittenten während des Ratingverfahrens oder die Übermittlung eines Ratings unmittelbar vor dessen Veröffentlichung ausgelöst, um von dem Emittenten die Richtigkeit der zugrunde liegenden Angaben überprüfen zu lassen:183 Hier ist § 15 Abs. 1 Satz 4 175 Bressler in BuB (Stand: 11/2008), Rn. 7/786c; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 239; Leuering, NZG 2005, 12, 14. 176 Oben II 1 a) cc) (1). 177 In diesem Sinne (zum U.S.-amerikanischen Insiderrecht) auch Drygala, WM 2001, 1282, 1292 Fn. 115. 178 § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG einerseits und § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG andererseits stehen mit ihrem jeweiligen Anwendungsbereich also überschneidungsfrei nebeneinander; vgl. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 240. 179 Durch diesen Schritt werden die Informationen noch nicht „öffentlich bekannt“ (und daher ihrer Eigenschaft als Insiderinformationen entkleidet); vgl. zu den Anforderungen an die Öffentlichkeit näher Pawlik, in KK-WpHG, § 13 Rn. 26 ff. 180 Stemper, Rahmenbedingungen, S. 126. 181 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 Rn. 110. 182 Siehe zu den nur Abonnenten zugänglichen Ratingberichten schon § 2 IV 3 a). 183 Europ. Kommission, Mitteilung über Rating-Agenturen v. 23.12.2005, S. 6; Moloney, EC Securities Regulation, S. 714; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 126.
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WpHG schon deshalb nicht betroffen, weil es sich bei dem Emittenten tatbestandlich nicht um einen „anderen“ handelt.184
b) Schweizer, U.S.-amerikanisches und Hongkonger Recht: Keine Ad hoc-Publizitätspflicht von Rating-Agenturen Eine eigene Ad hoc-Publizitätspflicht von Rating-Agenturen existiert – schon aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe in Art. 6 Abs. 3 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie, auf die § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG zurückgeht – in vergleichbarer Form auch in den übrigen Mitgliedstaaten der EU, findet sich aber im Übrigen weder im Schweizer185 noch im U.S.-amerikanischen oder Hongkonger Recht.
III. Rating-Agenturen als privilegierte Informationsempfänger: Ad hoc-Publizität und informationelle Gleichbehandlung Ein weiteres Spannungsfeld, welches das Zusammenspiel zwischen privater Ratingpublizität und gesetzlicher Marktteilnahmepublizität aufgewirft, betrifft das Verhältnis der vertraulichen Kommunikationsbeziehung von Emittent und Rating-Agentur im Rahmen ihrer (regelmäßig dauerhaften) Zusammenarbeit zu dem kapitalmarktrechtlichen Grundsatz der informationellen Gleichbehandlung,186 der in unterschiedlicher Ausgestaltung in allen hier untersuchten Rechtsordnungen verankert ist.187 In Frage steht dabei vor allem, ob die Übermittlung öffentlich nicht bekannter Emittenteninformationen an die Rating-Agentur, die aus informationsökonomischer Sicht als wichtiger Grund für den Informationswert von Ratings am Finanzmarkt identifiziert werden konnte,188 rechtlich zulässig ist, obgleich der Rating-Agentur damit ein Informationsvorsprung vor institutionellen und privaten Anlegern wie auch sonstigen Informationsintermediären eingeräumt wird.
1. Die informationelle Privilegierung der Rating-Agenturen im deutschen und europäischen Recht a) Die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Informationsadressaten im Rahmen der Ad hoc-Publizität Der Grundsatz der informationellen Gleichbehandlung gilt dabei auch im deutschen Recht der Ad hoc-Publizität. Anders als im schweizerischen, U.S.-ameri184
Vgl. Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 286. Hsu, Ad hoc-Publizität, S. 164. 186 Vgl. zu diesem aus Sicht des deutschen Rechts Bachmann, ZHR 170 (2006), 144, 172 ff. 187 Vgl. jüngst Klöhn, WM 2010, 1869: „Fundamentalprinzip des europäischen und deutschen Insiderrechts“. 188 Siehe § 5 III 1 a) cc) (1). 185
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kanischen und Hongkonger Recht ist dieser hier freilich nicht gesondert normiert, sondern der Induktion aus einzelnen gesetzlichen Bestimmungen überlassen geblieben: aa) Insiderrechtliches Weitergabeverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) Die h.M. im deutschen Schrifttum sieht die informationelle Gleichbehandlung im Rahmen der Ad hoc-Publizität vor allem durch das insiderrechtliche Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verwirklicht, welches es dem Emittenten untersagt, einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen:189 Da die Informationen, die Emittenten den RatingAgenturen bei Besprechungen zwischen Ratinganalysten und Unternehmensleitung zugänglich machen, vielfach Insiderinformationen190 darstellen191 (namentlich eine hinreichende Kursrelevanz besitzen), würde die Gleichbehandlung von Rating-Agenturen mit sonstigen Marktteilnehmern danach darin bestehen, dass alle gleichermaßen von vertraulichen Emittenteninformationen abgeschnitten blieben. Nun gilt das Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG aber nicht umfassend, sondern nur für „unbefugte“ Informationsweitergaben, während die übrige – „befugte“ – Emittenteninformation nicht untersagt und damit im Ergebnis privilegiert wird. Wann Informationsweitergaben durch einen Emittenten befugt erfolgen, ist im Einzelnen schwierig zu bestimmen und erfordert eine Abwägung zwischen den Zielen des Insiderrechts (namentlich dem Grundsatz der informationellen Gleichbehandlung) und den Funktionserfordernissen rechtlicher und wirtschaftlicher Institutionen.192 Danach soll in den Fällen, in denen die Heranziehung externer Berater (wie etwa Anwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater oder Kreditinstitute) durch den Emittenten sachangemessen und verhältnismäßig ist, auch die Mitteilung von Insiderinformationen als unerlässlich (und damit „befugt“)193 zu betrachten sein, wenn der Informationsempfänger die betreffende Information zur Erfül-
189 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 14 Rn. 10; Bachmann, ZHR 170 (2006), 144, 149: „vor allem“; ders., in FS Schwark (2009), S. 331, 336 f.; Fleischer, ZGR 2009, 505, 511 f.; Klöhn, WM 2010, 1869, 1873; Pawlik, in KK-WpHG, § 14 Rn. 3; Sethe, in: Assmann/Schütze, § 12 Rn. 90. 190 § 13 Abs. 1 WpHG. 191 Däubler, BB 2003, 429, 431; Ebenroth/Koos, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 483, 494; Hennrichs, ZGR 2006, 563, 573; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 17; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 199; Weber, NZG 2000, 113, 124; vgl. auch Franken/Heinsius, in FS Budde (1995), 213, 221. Aus Sicht der ökonomischen Forschung ebenso Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 104; Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879. Zurückhaltender Stemper, WM 2011, 1740, 1741: nur selten. 192 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 14 Rn. 73; Pawlik, in KK-WpHG, § 14 Rn. 46; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 14 WpHG Rn. 27; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 527. 193 EuGH, 22.11.2005, Rs. C-384/02 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 134, 136.
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lung seiner Aufgaben benötigt.194 Nach diesen Grundsätzen erfolgt die Weitergabe von Insiderinformationen an Rating-Agenturen grundsätzlich befugt,195 weil ein angemessenes Rating im Interesse des Emittenten liegt196 und dessen sachgerechte Erstellung regelmäßig die Kenntnis auch nicht öffentlich zugänglicher Unternehmensinformationen erfordert.197 Dies muss sowohl für die beauftragte wie die unbeauftragte Ratingerstellung gelten,198 weil nicht erkennbar ist, warum sich die Möglichkeit (nicht: Pflicht) zu einer Kooperation mit einer auf eigene Initiative tätig werdenden Rating-Agentur nicht im normalen Rahmen der Unternehmenstätigkeit eines Emittenten199 bewegen soll. Das insiderrechtliche Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG steht einer privilegierten Emittentenkommunikation mit Rating-Agenturen nach alledem also nicht entgegen – da die ganz h.M. eine selektive Informationsweitergabe an Journalisten und Finanzanalysten hingegen für in aller Regel unzulässig hält,200 liegt darin zugleich eine Privilegierung der Rating-Agenturen gegenüber anderen Informationsintermediären, die sich auch in anderen Rechtsordnungen nachweisen lässt.201 bb) Ad hoc-Publizitätspflicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG) Daneben wird der Grundsatz der informationellen Gleichbehandlung im deutschen Recht allerdings noch durch eine weitere Bestimmung gesichert, die im vorliegenden Zusammenhang nicht selten übersehen wird, nämlich die Grund-
194 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 14 Rn. 97; Hammen in BuB (Stand: 11/2008), Rn. 7/ 735; Pawlik, in KK-WpHG, § 14 Rn. 56; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 14 WpHG Rn. 30; Schwark/Zimmer/Schwark/Kruse, § 14 WpHG Rn. 63; Seibt, ZIP 2013, 1597, 1603; Sethe, in: Assmann/Schütze, § 12 Rn. 108. 195 BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 14.5.2009), Tz. III.2.2.2.1 (S. 41); Dreyling/Schäfer, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, Rn. 131; Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 301; Hopt, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 107 Rn. 60; Klöhn, WM 2010, 1869, 1876; Pawlik, in KKWpHG, § 14 Rn. 54; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 121; dies., WM 2011, 1740, 1741; vorsichtig auch S.H. Schneider, NZG 2005, 702, 706: kann u.U. befugt sein; a.A. Fuchs/Mennicke, § 14 Rn. 265. 196 Pawlik, in KK-WpHG, § 14 Rn. 54. 197 Insoweit zustimmend Fuchs/Mennicke, § 14 Rn. 265. 198 Wie hier Hopt, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 107 Rn. 60; Stemper, WM 2011, 1740, 1741 f.; anders aber Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 301; Pawlik, in KK-WpHG, § 14 Rn. 54; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 121. 199 So die Formel in BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 14.5.2009), Tz. III.2.2.2.1 (S. 41); ebenso Assmann, in: Assmann/Schneider, § 14 Rn. 73; Schwark/Zimmer/Schwark/Kruse, § 14 WpHG Rn. 46. 200 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 14 Rn. 101, 104; Bachmann, in FS Schwark (2009), S. 331, 337; Hammen in BuB (Stand: 11/2008), Rn. 7/735, 7/742 ff.; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 14 WpHG Rn. 42; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 533 f.; teilweise anders – nämlich für eine Zulässigkeit der Informationsweitergabe an im Auftrag der Gesellschaft tätige (Sell-Side-)Analysten – Fleischer, ZGR 2009, 505, 512; Pawlik, in KK-WpHG, § 14 Rn. 54; Schwark/Zimmer/Schwark/Kruse, § 14 WpHG Rn. 62. 201 Siehe zum U.S.-amerikanischen Recht sogleich unter III 3.
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norm der Ad hoc-Publizität in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG:202 Weil danach alle den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen unverzüglich der Öffentlichkeit (und damit, wie die mittlerweile vorgeschriebene Veröffentlichung im global zugänglichen Internet203 sowie „Medien, die die Information so rasch und so zeitgleich wie möglich […] aktiv verbreiten können“204 beweist, sowohl professionellen Marktteilnehmern und Informationsintermediären wie auch Privatanlegern205) zugänglich gemacht werden müssen, wird durch § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG eine Gleichbehandlung aller Adressaten der Ad hoc-Publizität angestrebt.206 Diese Vorschrift würde damit – ungeachtet der festgestellten Vereinbarkeit mit dem insiderrechtlichen Weitergabeverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) – auch eine informationelle Privilegierung der Rating-Agenturen ausschließen, wenn nicht in Gestalt des § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG eine vorrangige Sonderregelung eingriffe. b) Die begrenzte Privilegierung zur Vertraulichkeit verpflichteter Informationsadressaten durch § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG, die im Text bereits als Grundlage einer Ad hoc-Publizitätspflicht der Rating-Agenturen behandelt wurde,207 sieht nämlich zugleich eine speziell ausgestaltete Ad hoc-Publizitätspflicht208 des Emittenten vor: Teilt dieser einem anderen Insiderinformationen mit oder macht ihm solche zugänglich, verpflichtet § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG ihn, die Insiderinformationen zeitgleich zu veröffentlichen, und dient damit erkennbar der informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer.209 Warum es dieser speziellen Ad hoc-Publizitätspflicht neben der allgemeinen Pflicht des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG, die zu demselben Ergebnis führen würde, überhaupt bedarf, er202 Assmann, in: Assmann/Schneider, Vor § 12 Rn. 39, § 15 Rn. 2; Bachmann, ZHR 170 (2006), 144, 149; ders., in FS Schwark (2009), S. 331, 334 ff.; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 5; Möllers, AcP 208 (2008), 1, 7; Sethe, in: Assmann/Schütze, § 12 Rn. 91; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 525. 203 § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpAIV, zurückgehend auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie. 204 § 3a Abs. 2 Nr. 1 WpAIV, zurückgehend auf Art. 12 Abs. 2 EG-Durchführungsrichtlinie 2007/14/EG. 205 Bachmann, in FS Schwark (2009), S. 331, 335; vgl. auch Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 183. Zur abweichenden Rechtslage vor dem AnSVG kritisch Möllers, ZGR 1997, 334, 349; D. Schneider, DB 1993, 1429, 1430. 206 Bachmann, in FS Schwark (2009), S. 331, 335 f.; Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 35: „erhöhte Markttransparenz durch informationelle Chancengleichheit“; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 5: „Chancengleichheit im Sinne eines allgemein höheren Informationsstandes“; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 147. 207 Oben II 2 a). 208 So die herrschende systematische Einordnung im Schrifttum; vgl. in diesem Sinne Simon, Konzern 2005, 13, 17; Versteegen, in KK-WpHG, § 15 Rn. 214. 209 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 14 Rn. 110; Bachmann, in FS Schwark (2009), S. 331, 339: auf den ersten Blick geradezu das Paradebeispiel informationeller Gleichbehandlung; Koch, DB 2005, 267, 272; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 530.
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schließt sich dabei nicht sogleich. Vieles spricht dafür, dass es sich um eine wenig überlegte Anlehnung des europäischen Gesetzgebers an die (im Folgenden noch zu behandelnde) Regulation FD des U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrechts210 handelt,211 das seinerseits – wie bereits gezeigt212 – keine generelle Ad hoc-Publizitätspflicht kennt; es liegt daher ein Fall missglückter Rechtsimplantation vor.213 Seine praktische Bedeutung im hier erörterten Zusammenhang bezieht § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG sodann auch nicht aus der beschriebenen Pflichtenanordnung, sondern der davon vorgesehenen Ausnahme, welche die Emittentenkommunikation mit Rating-Agenturen in einer Entwurfsfassung noch ausdrücklich privilegiert hatte,214 während sie heute zumindest mit erfasst wird.215 aa) Die (gestrichene) ratingspezifische Ausnahme von der Publizitätspflicht im Kommissionsvorschlag zur EG-Marktmissbrauchsrichtlinie Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie, deren Umsetzung § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG dient, hatte nämlich noch in der Fassung des Kommissionsvorschlages eine Ausnahme von der Publizitätspflicht vorgesehen, „wenn die Geschäftstätigkeit der die Information erhaltenden Organisation hauptsächlich in der Abgabe von Bonitätseinstufungen besteht, sofern die Information lediglich der gesetzlichen Bonitätseinstufung dient und diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.“216 Damit sollte die Informationsweitergabe an Rating-Agenturen erfasst werden.217 Wie anhand des Wortlauts der englischen Sprachfassung des Kommissionsvorschlages218 deutlich wird, war die Bestimmung ganz offensichtlich der damaligen Rule 100(b)(2)(iii) der Regulation FD des U.S.-amerikanischen Rechts219 nachgebildet worden, freilich mit der kryptischen (und im amerikanischen Vorbild nicht enthaltenen) Beschränkung auf Rating-Agenturen, die sich mit der Erstellung von „mandatory“ credit ratings befassen. Diese besondere, ratingspezifische Regelung wurde in der Stellungnahme des Europäischen Parlaments jedoch gestrichen. Diese Änderung begründete man wie folgt: „Der Streichung des besonderen Hinweises auf Rating-Agenturen liegt 210
Siehe dazu noch unten III 3 a). Feldhaus, Kursbeeinflussung, S. 101. 212 Oben II 1 c). 213 Bachmann, in FS Schwark (2009), S. 331, 343. 214 Dazu sogleich unter aa). 215 Unter bb). 216 Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 2 lit. b des Vorschlages für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) KOM(2001) 281 endg. – 2001/0118(COD), von der Kommission vorgelegt am 1. Juni 2001, ABl. EG vom 28.8.2001, Nr. C 240 E, S. 265, 268. 217 Feldhaus, Kursbeeinflussung, S. 101. 218 „The provisions of the first sub-paragraph shall not apply: […] if the primary business of the entity receiving the information is the issuance of mandatory credit ratings, provided the information is solely for the purpose of developing a credit rating which will be publicly available.“ 219 Zu dieser noch unter III 3 b). 211
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folgende Absicht zugrunde: Das Ziel einer Richtlinie sollte darin bestehen, eine bestimmte Frage oder Tätigkeit zu regeln und so wenig Ausnahmen wie möglich von der allgemeinen Regelung vorzusehen. Die entsprechende Neuformulierung dient der Verallgemeinerung eines speziellen Falles ohne unnötige Unterscheidungen (‚Personen, die zur Vertraulichkeit verpflichtet sind, unabhängig davon, ob diese Verpflichtung in Rechtsvorschriften, Satzungsbestimmungen … gründet‘).“220 Man hatte eine spezifische informationelle Privilegierung (nur) der Rating-Agenturen damit im europäischen Recht zwar abgelehnt, wollte eine Weitergabe vertraulicher Emittenteninformationen an Rating-Agenturen jedoch erkennbar nicht ausschließen.221 Maßgeblich sollten ausweislich der Entstehungsmaterialien zur EG-Marktmissbrauchsrichtlinie aber die allgemeiner formulierten Voraussetzungen sein, die im deutschen Recht in § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG niedergelegt wurden. bb) Die eingeschränkte Ad hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG und die Emittentenkommunikation mit Rating-Agenturen Der geltende § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG lässt die Pflicht des Emittenten zur allgemeinen Bekanntgabe derjenigen Insiderinformationen, die der Rating-Agentur mitgeteilt wurden, unter der Voraussetzung entfallen, dass die Rating-Agentur „rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet ist“. Die genauen Anforderungen an diese Vertraulichkeitsverpflichtung sind im Einzelnen wenig geklärt; während zum Teil zwingend eine ausdrückliche vertragliche Vertraulichkeitsvereinbarung mit dem Emittenten verlangt wird,222 lassen andere in Übereinstimmung mit dem gemeinschaftsrechtlichen Hintergrund223 auch gesetzliche Vertraulichkeitspflichten224 oder entsprechende vertragliche Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB)225 genügen. Im Falle der Rating-Agenturen werden diese Voraussetzungen bei der Erstellung beauftragter Ratings – und nur bei dieser wird es zu einer Mitteilung vertraulicher Informationen kommen – jedenfalls erfüllt sein, weil die gängigen Ratingverträge der großen Rating-Agenturen ausdrückliche Vertraulichkeitsver220 Europäisches Parlament, Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (KOM(2001) 281. C5–0262/2001. 2001/0118(COD)) vom 27. Feb. 2002 (Berichterstatter: Robert Goebbels), A5–0069/2002 endg., Begründung zu Änderungsantrag 37. 221 Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 301. 222 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 198; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 19. 223 Vgl. Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 2 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie: „… unabhängig davon, ob sich diese Verpflichtung [zur Vertraulichkeit] aus Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, einer Satzung oder einem Vertrag ergibt“. 224 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 Rn. 117; Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 308; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 115; Koch, DB 2005, 267, 272; Versteegen, in KK-WpHG, § 15 Rn. 226. 225 Bressler in BuB (Stand: 11/2008), Rn. 7/786a; Leuering, NZG 2005, 12, 16; Simon, Konzern 2005, 13, 19; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 531; Versteegen, in KK-WpHG, § 15 Rn. 227; a.A. Bachmann, in FS Schwark (2009), S. 331, 342; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 115.
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einbarungen enthalten und zudem aufsichtsrechtliche Pflichten dieses Inhalts bestehen.226 Im Ergebnis ist die Mitteilung von Insiderinformationen an Rating-Agenturen mithin im deutschen Recht mit der gesetzlichen Emittentenpflicht zur informationellen Gleichbehandlung der Marktteilnehmer vereinbar, sofern die RatingAgentur zur Vertraulichkeit verpflichtet ist.227
2. Schweizerisches Recht: Strikte informationelle Gleichbehandlung ohne Privilegien zugunsten der Rating-Agenturen In der Schweiz bestimmt Art. 53 Abs. 3 KR ausdrücklich, dass die Bekanntmachung kursrelevanter Tatsachen so vorzunehmen ist, dass die Gleichbehandlung der Marktteilnehmer gewährleistet ist. Eine selektive Information von Marktteilnehmern verstößt gegen dieses Gleichbehandlungsgebot,228 das keine Ausnahmen zugunsten von Rating-Agenturen oder anderen Informationsintermediären kennt.229 Die Weitergabe vertraulicher Informationen durch den Emittenten ist jedoch zulässig, wenn die Vertraulichkeitsausnahme des Art. 54 KR eingreift, was bei Informationsübermittlungen im Rahmen eines Ratingprozesses im Regelfall anzunehmen ist.230
3. U.S.-amerikanisches Recht: Informationelle Privilegierung der Rating-Agenturen durch die Regulation FD Die Gegenposition zum schweizerischen Recht nahm bis vor kurzem das U.S.amerikanische Recht ein, das die informationelle Gleichbehandlung in Gestalt der bereits erwähnten Regulation FD durch ein Regelwerk sichert, das in den ersten zehn Jahren seiner Geltung eine spezifische, ausdrückliche Privilegierung von Rating-Agenturen sowohl gegenüber der Marktöffentlichkeit als auch anderen Informationsintermediären vorsah.
226
Siehe zu diesen bereits oben im Text unter II 1 a) cc) (2) (zu § 15 Abs. 3 WpHG) sowie allgemein § 25 IV. 227 Europ. Kommission, Mitteilung über Rating-Agenturen v. 23.12.2005, S. 6; Blaurock, ZGR 2007, 603, 625; Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 205; Fleischer, ZGR 2009, 505, 516 Fn. 68; Fuchs/Pfüller, § 15 Rn. 301. 228 SWX, Kommentar zur RLAhP, Einl. Rn. 6; Dédeyan, in FS von der Crone (2007), S. 3, 19; Feller, AJP 2008, 1095, 1104; Huber/Hodel/Staub Gierow, Art. 72 KR Rn. 27; Weber/Kronauer/ Huber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 44 Rn. 176. 229 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 7 Rn. 98; Klöhn, WM 2010, 1869, 1872; Ruffner, Gesteuerte Selbstregulierung, S. 7, 52 (zu Finanzanalysten). 230 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 118.
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a) Kommunikation mit Informationsintermediären als Regelungsgegenstand der Regulation FD Die Regulation FD (für „Fair Disclosure“) wurde im Jahre 2000 angenommen,231 um dadurch allgemein eine Ausweitung des Informationsbestands zu bewirken, der der Investorenöffentlichkeit zur Verfügung steht, sowie – und dies stand im Vordergrund – vor allem ein „level playing field“ bezüglich solcher unternehmensbezogener Informationen herzustellen, die durch das Unternehmen selbst an Dritte weitergegeben werden.232 Der Anlass für die Schaffung der Regelung hatte unmittelbar mit Informationsintermediären am Kapitalmarkt zu tun, wenngleich nicht mit Rating-Agenturen: Hintergrund der Regulation FD war nämlich vor allem das Bemühen der SEC, der selektiven Informationsweitergabe (selective disclosure) durch Emittenten an Finanzanalysten entgegenzuwirken.233 Sie schuf aus diesem Grund in Gestalt der Rule 100234 eine Pflicht des Emittenten zur Ad hoc-Publizität für Situationen, in denen dieser nichtöffentliche Informationen an bestimmte Marktteilnehmer oder potentielle Investoren weitergegeben hat. Die Regulation FD weist damit eine auffällige Ähnlichkeit zu § 15 Abs. 1 Sätze 4 und 5 WpHG auf. Diese ist keineswegs zufällig: Regulation FD diente als Vorbild für Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 und 2 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie, die im deutschen Recht durch § 15 Abs. 1 Sätze 4 und 5 WpHG umgesetzt wurde.235 Im Detail sind jedoch einige Unterschiede zwischen der U.S.-amerikanischen Regelung und ihren europäischen Gegenstücken zu verzeichnen, darunter vor allem der deutlich enger gefasste Anwendungsbereich der Ad hoc-Publizitätspflicht nach der Regulation FD:236 Diese erstreckt sich nämlich nur auf die Weitergabe von Informationen237 durch den Emittenten an einen bestimmten, in der 231
Sie trat am 23. Oktober 2000 in Kraft. Craft, 14 DePaul Bus. L.J. (2001), 119; Hazen, Law of Securities Regulation, § 12.19[4]. 233 Brown, Regulation of Corporate Disclosure, Stand: 2007–1 Supplement, § 8.02[6][a]; Craft, 14 DePaul Bus. L.J. (2001), 119, 121; Jorion/Liu/Shi, 76 J. Fin. Econ. (2005), 309, 310; Zhang, 25 QLR (2007), 573, 588. 234 17 C.F.R. § 243.100. 235 Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 108; Leppert/ Stürwald, ZBB 2002, 90, 93 Fn. 25; Leuering, NZG 2005, 12; Simon, Konzern 2005, 13, 17; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 530. 236 Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 06/2007, § 15 WpHG Rn. 108; Leuering, NZG 2005, 12. 237 Dagegen stellt die sachliche Beschränkung der Regulation FD auf die Weitergabe erheblicher (material) nicht-öffentlicher Informationen – entgegen Leuering, NZG 2005, 12 – letztlich keinen Unterschied zu § 15 Abs. 1 Sätze 4 und 5 WpHG dar: Die deutsche Regelung enthält dieselbe Beschränkung nämlich als Bestandteil der Legaldefinition der „Insiderinformation“ in § 13 Abs. 1 WpHG. Indem § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG die hierzu erforderliche Eignung zur Kursbeeinflussung davon abhängig macht, dass ein verständiger Anleger die betreffende Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde, verwendet die Vorschrift dasselbe Merkmal, welches durch die U.S.-amerikanische Rechtsprechung zur Ermittlung eines material Umstandes entwickelt wurde (vgl. TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 14.6.1976, 426 U.S. 438, 449 (1976): ein Umstand sei material, sofern „there is a substantial likelihood that a reasonable shareholder would 232
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Regulation definierten Personenkreis,238 der insbesondere professionelle Marktteilnehmer (nämlich brokers or dealers, investment advisers, institutional investment managers sowie investment companies) sowie darüber hinaus Inhaber der fraglichen Wertpapiere erfasst, sofern auf Grund der Sachlage vernünftigerweise vorhergesehen werden muss, dass sie auf der Grundlage der Information das Papier kaufen oder verkaufen werden. § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG lässt dagegen die Informationsweitergabe an jeden „anderen“ genügen. Vor dem Hintergrund der enumerativen Aufzählung von Informationsempfängern im Tatbestand der Regulation FD wird in der Literatur nicht zu Unrecht angemerkt, dass die Kommunikation mit Rating-Agenturen nach dieser Regelung im Grunde gar keine Ad hoc-Publizitätspflicht auslösen kann239 (sieht man einmal von dem theoretischen Fall ab, dass die Rating-Agentur oder ihr Ratinganalyst diejenigen Wertpapiere hält, die den Ratinggegenstand bilden, und die nicht-öffentlichen Informationen zudem voraussichtlich für ihre Investmententscheidungen nutzen würde). Diese Einschätzung scheint von der SEC letztlich nicht geteilt worden zu sein, ordnete sie doch die Nichtanwendbarkeit der Ad hoc-Publizitätspflicht auf die Kommunikation mit Rating-Agenturen in einer gesonderten Vorschrift explizit an, die andernfalls überflüssig gewesen wäre. b) Spezifische Nichtanwendbarkeit auf Rating-Agenturen (2000–2010) Rule 100(b)(2)(iii) enthielt nämlich bis zu ihrer Streichung im Jahre 2010 eine spezifisch auf Rating-Agenturen zugeschnittene Ausnahmeregelung, der zufolge die Ad hoc-Publizitätspflicht der Regulation FD auf die Informationsweitergabe an Rating-Agenturen („… a disclosure made […] solely for the purpose of determining or monitoring a credit rating“) von vornherein weithin keine Anwendung fand. Diese Ausnahmeregelung, deren Inhalt – wie oben gesehen240 – in das europäische Recht letztlich nicht übernommen wurde, war im ersten Entwurf der Regulation FD241 noch nicht vorgesehen gewesen und von der SEC erst als Reaktion auf zahlreiche Stellungnahmen aufgenommen worden,242 die sich für eine Son238 consider it important in deciding how to vote“; für Übereinstimmung des deutschen und amerikanischen Rechts insoweit Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 180). Diese Rechtsprechungsdefinition soll nach SEC Release 33–7881 vom 15. Aug. 2000, 65 FR 51716, 51721 ausdrücklich auch für Zwecke der Regulation FD gelten. 238 Vgl. hierzu Choi, 1 Berkeley Bus. L. J. (2004), 45, 57 f.; Langevoort, 97 Nw. U. L. Rev. (2002), 135, 164. 239 Eckstein, 69 U. Cin. L. Rev. (2001), 1289, 1295: „by implication“; Hazen, Law of Securities Regulation, § 12.9[7][D], § 12.19[4]. 240 Siehe oben III 1. 241 SEC Release 34–42259 „Proposed Rule: Selective Disclosure and Insider Trading“ vom 20. Dez. 1999 sah lediglich die (allgemeiner gehaltenen) Ausnahmeregelungen vor, die sich heute in Rule 100(b)(2)(i) und (ii) befinden; siehe zu diesen noch im Text unter d). 242 Die vor Erlass der Regulation abgehaltene öffentliche Konsultation fand in den interessierten Kreisen größte Aufmerksamkeit und führte dazu, dass nicht weniger als 6000 Stellungnahmen bei der SEC eingingen (Drygala, WM 2001, 1282, 1283).
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derbehandlung der Kommunikation mit Rating-Agenturen ausgesprochen hatten. Zur Begründung führte die SEC zum einen aus, es seien – anders als bei anderen Informationsintermediären – in der Vergangenheit keine Fälle der selektiven Weitergabe von emittentenbezogenen Informationen durch Rating-Agenturen bekannt geworden, und betonte zum anderen die „mission of public disclosure“ der Rating-Agenturen, die insoweit derjenigen der Medien vergleichbar seien.243 Der damit umrissene Zweck der ratingspezifischen Ausnahmeregelung spiegelte sich auch in den Grenzen der Norm wieder, durch die nämlich keineswegs jede Informationsweitergabe an Rating-Agenturen privilegiert wurde:244 Die Information musste ausschließlich zum Zweck der Ratingerstellung übermittelt worden sein (und durfte daher keinem anderen Geschäftsfeld der Rating-Agenturen dienen, wie etwa dem Rating Advisory), und die Ratings der betreffenden Agentur mussten öffentlich zugänglich sein.245 Bei der Formulierung der letztgenannten Anforderungen mag auch das Bemühen eine Rolle gespielt haben, dem aus der U.S.-amerikanischen Verfassung abgeleiteten Institutionsschutz der Rating-Agenturen Rechnung zu tragen, der nach einer gängigen Rechtsprechungsformel dann eingreift, wenn die Ratings zum Zweck der allgemeinen Veröffentlichung (publication to the general public) erstellt werden.246 Da der Wortlaut der Rule 100(b)(2)(iii)(B) insoweit auf die Ratings der Agentur im Allgemeinen und nicht auf das konkrete Rating abstellte,247 deckte die Privilegierung – sachgerecht – auch Erstratings ab, bei denen noch nicht feststehen muss, ob sie letztlich publiziert und damit der allgemeinen Kapitalmarktöffentlichkeit zugänglich sein werden. Bemerkenswert erscheint, dass keine weiteren (organisatorischen) Anforderungen an die Rating-Agentur gestellt wurden, um die Erreichung der informationellen Chancengleichheit durch die Regulation FD abzusichern; RatingAgenturen mussten daher insbesondere nicht als NRSRO anerkannt sein,248 um von einem privilegierten Informationszugang zu profitieren. c) Streichung der spezifischen Privilegierung von Rating-Agenturen in Umsetzung des Dodd–Frank Acts (2010) Der im Jahre 2010 in Kraft getretene Dodd–Frank Act249 verpflichtete die SEC sodann jedoch in einer ausdrücklichen Gesetzesvorschrift, die beschriebene Aus243
SEC Release 33–7881, 65 FR 51716, 51720 vom 24. Aug. 2000. So aber anscheinend Richards, 70 Miss. L.J. (2000), 417, 432. 245 Dagegen wird nach dem Regelungswortlaut des Unterabsatzes (B) nicht vorausgesetzt, dass die Ratings kostenfrei publiziert werden (a.A. möglicherweise Dombalagian, 55 Buff. L. Rev. (2007), 1, 9). Nach dem zum 1. Februar 2010 neu eingefügten Unterabsatz (A) ist eine selektive Offenlegung zudem zur Ermöglichung der Erstellung unbeauftragter Ratings für strukturierte Finanzinstrumente zulässig; vgl. zu dieser Regelung näher § 25 III 3. 246 Siehe dazu noch § 21 II 1 a). 247 A.A. wohl Blaurock, ZGR 2007, 603, 625. 248 Allein Unterabsatz (A) der Ausnahmevorschrift gilt nur für NRSROs; wie hier auch Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1688. Zur Anerkennung als NRSRO siehe § 23 II 3 a). 249 Zu diesem schon vor § 6. 244
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nahme zugunsten von Rating-Agenturen aus der Regulation FD zu streichen.250 Dieser gesetzgeberischen Weisung kam die Aufsichtsbehörde mit Wirkung zum 4. Oktober 2010 wohl oder übel nach,251 sodass seit diesem Datum keine ausdrückliche Sonderregelung zu Informationsweitergaben an Rating-Agenturen mehr besteht. Der Beobachter mag dabei zweifeln, ob den Verfassern des Dodd–Frank Acts Sinn und Zweck der gestrichenen Vorschrift hinreichend klar war: Es drängt sich die Vermutung auf, der Kongress habe ein gesetzliches Privileg zugunsten der Rating-Agenturen beseitigen wollen (wohl, um damit deren als schädlich identifizierten übermäßigen Einfluss zu reduzieren), obgleich es sich bei der aufgehobenen Vorschrift um eine Privilegierung der Emittentenkommunikation mit Rating-Agenturen in ihrer Marktinformationsfunktion handelte. Von der Streichung betroffen sind daher weniger die Rating-Agenturen selbst als die Informationsversorgung des Finanzmarktes, weil die Agenturen ihre öffentlich zugänglichen Ratings nunmehr möglicherweise252 unter verminderter Kenntnis vertraulicher Emittenteninformationen erstellen müssen.253 Diese Auswirkung steht in einem auffälligen Spannungsverhältnis zur sonstigen Tendenz der U.S.-amerikanischen Ratingregulierung,254 die sich gerade um eine verbesserte und ausgeweitete Verarbeitung von Emittenteninformationen bemüht.255 d) Gleichwohl fortgeltende informationelle Privilegierung von Rating-Agenturen Im Ergebnis dürfte die Streichung des missverstandenen „Ratingprivilegs“ allerdings aus mehreren Gründen ohne praktische Folgen sein. Dies gilt zunächst, wenn man (wie oben im Text256 argumentiert) davon ausgeht, dass Rating-Agenturen in der Regel schon gar nicht vom persönlichen Geltungsbereich der Regulation FD erfasst werden. Aber selbst dann, wenn man das grundsätzliche Verbot der selective disclosure grundsätzlich auch auf Rating-Agenturen bezieht, werden diese durch zwei allgemeiner gefasste Ausnahmetatbestände sogleich wieder von dessen Anwendungsbereich ausgenommen: So gestattet Rule 100 seit jeher zum einen die Weitergabe vertraulicher Emittenteninformationen an solche Dritten, die mit dem Emittenten in einem Vertrauensverhältnis stehen (wie etwa Rechts250
§ 939B Dodd–Frank Act: „Not later than 90 days after the date of enactment of this subtitle, the Securities Exchange Commission shall revise Regulation FD (17 C.F.R. 243.100) to remove from such regulation the exemption for entities whose primary business is the issuance of credit ratings (17 C.F.R. 243.100(b)(2)(iii)).“ 251 SEC Release 33–9146, 34–63003 „Removal From Regulation FD of the Exemption for Credit Rating Agencies“ (Final rule) vom 29. Sept. 2010, 75 FR 61050 f. (8. Okt. 2010). 252 Siehe jedoch zur richtigerweise fortgeltenden Privilegierung von Rating-Agenturen unter d). 253 Zur Bedeutung nicht öffentlich zugänglicher Emittenteninformationen für den Informationswert von Ratings siehe bereits § 5 III 1 a) cc). 254 Dazu zu Recht kritisch Gannon, 30 Rev. Banking & Fin. L. (2010–11), 82, 87. 255 Siehe noch § 25 V 2 a) bb). 256 Unter a).
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
anwälte, Investmentbanken oder Buchprüfer)257 – dazu wird man unproblematisch auch beauftragte Rating-Agenturen zählen können,258 zumal jedenfalls diejenigen Agenturen, die staatlich als NRSRO anerkannt sind,259 sogar einer expliziten aufsichtsrechtlichen Vertraulichkeitspflicht260 unterliegen. Zum anderen wird auch die Kommunikation mit solchen Personen vom Gebot der informationellen Gleichbehandlung der Regulation FD freigestellt, die ausdrücklich die Vertraulichkeit der empfangenen Informationen zugesichert haben261 (eine Bestimmung, die dem bereits angesprochenen262 § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG des deutschen Rechts ähnelt). Auch diese Voraussetzung erfüllen Rating-Agenturen aber regelmäßig,263 weil Ratingverträge mit Emittenten typischerweise ausdrückliche Vertraulichkeitsklauseln enthalten.264 Die Emittentenkommunikation mit Rating-Agenturen bleibt daher trotz der beschriebenen Normanpassung infolge des Dodd–Frank Acts auch weiterhin privilegiert,265 obgleich dies nicht länger durch eine spezialgesetzliche Bestimmung geschieht; die Rechtslage ähnelt daher derjenigen nach Schweizer Recht. Die rechtliche Umgestaltung durch den Dodd–Frank Act erstreckte sich also lediglich auf die Form, ohne in der Sache irgendetwas zu ändern.
4. Hongkonger Recht: Strikte informationelle Gleichbehandlung ohne Privilegien zugunsten der Rating-Agenturen Das Ziel der informationellen Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer ist in den Listing Rules der Hongkonger Börse ausdrücklich niedergelegt.266 Ebenso wie in den anderen untersuchten Rechtsordnungen findet sich auch in Hongkong eine Ausnahmeregelung, die in eng begrenzten Situationen eine Vorabweitergabe von Insiderinformationen an bestimmte Adressaten gestattet. Die offiziellen Erläuterungen zum Listing Agreement, die Inhalt und Grenzen der Emittentenpflicht 257 Rule 100(b)(2)(i): „Paragraph (a) of this section shall not apply to a disclosure made: […] To a person who owes a duty of trust or confidence to the issuer (such as an attorney, investment banker, or accountant); […].“ 258 Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1128. 259 Siehe dazu im Einzelnen noch § 23 II 3 a). 260 § 15E(g) Securities Exchange Act of 1934 i.V.m. Rule 17g–4(a). Vergleichbare aufsichtsrechtliche Pflichten enthalten auch die EG-RatingVO und das Hongkonger Recht; siehe dazu noch § 25 IV. 261 Rule 100(b)(2)(ii): To a person who expressly agrees to maintain the disclosed information in confidence; […].“ 262 Siehe oben III 1 b) bb). 263 Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 771. 264 Siehe im Einzelnen noch § 25 IV; vgl. auch das Confidentiality Undertaking im Ratingvertragsmuster der Rating-Agentur Fitch bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 190 f. 265 Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 771; dies kritisierend Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1128. Übersehen von Darbellay, Regulating Ratings, S. 71. 266 Rule 26.05 der Listing Rules SEHK: „… to ensure that all users of the market have simultaneous access to the same information“; Tz. 2(1) des Listing Agreements; charakterisiert als „guiding principle“ in Hong Kong Exchanges and Clearing Limited, Guide on disclosure of price-sensitive information (Jan. 2002), Tz. 4(e).
§ 11 Ratings und gesetzliche Marktteilnahmepublizität
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zur Geheimhaltung kursrelevanter Informationen definieren, beschränken diese Privilegierung freilich auf Personen, mit denen der Emittent zum Zweck des Abschlusses eines Vertrages oder der Sicherstellung einer Finanzierung verhandelt,267 und erfassen Rating-Agenturen damit nicht. Stellt man hingegen auf Sinn und Zweck der Ausnahme ab – nämlich die Sicherung der Möglichkeiten des Emittenten zur Einwerbung von Fremdkapital – so mag zwar manches dafür sprechen, jedenfalls eine Informationsweitergabe an solche Rating-Agenturen für zulässig zu halten, die mit der Bewertung der konkret betroffenen Finanzierung befasst sind. Die spezifischen Leitlinien der Hongkonger Börse zu den Listing Rules folgen diesem Ansatz allerdings nicht und behandeln alle Analysten wie auch Journalisten ausdrücklich gleich.268 Das Hongkonger Recht kennt damit im Ergebnis keine Privilegierung von Rating-Agenturen gegenüber anderen Informationsempfängern; die Börsenregeln verpflichten den Emittenten vielmehr zur prompten Offenlegung kursrelevanter Informationen gegenüber der allgemeinen Marktöffentlichkeit, sofern dem Analysten einer Rating-Agentur – regelwidrig – doch einmal vertrauliche Emittenteninformationen zugänglich gemacht worden sein sollten.269
IV. Organisatorische Absicherung der informationellen Gleichbehandlung: Die Pflicht der Rating-Agenturen zur Führung von Insiderverzeichnissen Schließlich finden sich in einzelnen der hier untersuchten Rechtsordnungen gesetzliche Bestimmungen, welche die informationelle Gleichbehandlung der Marktteilnehmer, die durch die soeben behandelten Informationsprivilegien zugunsten der Rating-Agenturen eingeschränkt wird, durch organisatorische Regelungen abzusichern versuchen.
1. Deutsches Recht: Pflicht der Rating-Agentur zur Führung eines Insiderverzeichnisses gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG So verpflichtet § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG den Emittenten und die bereits erwähnten, in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnden Personen270 zur 267
Note 2.1 zu Tz. 2(1) des Listing Agreements: „persons with whom negotiations are taking place with a view to the making of a contract or the raising of finance, e.g. to prospective underwriters of an issue of debt securities or providers of funds on loan“. 268 Hong Kong Exchanges and Clearing Limited, Guide on disclosure of price-sensitive information (Jan. 2002), Tz. 24 ff.; Securities and Futures Commission, Circular to analysts on handling non-public price sensitive information (März 2004), Tz. 4.2. 269 Securities and Futures Commission, Circular to analysts on handling non-public price sensitive information (März 2004), Tz. 3.7, 4.3; Hong Kong Exchanges and Clearing Limited, Guide on disclosure of price-sensitive information (Jan. 2002), Tz. 10. 270 § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG und § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG sind aufgrund ihres systematischen Zusammenhangs übereinstimmend auszulegen; so zu Recht Versteegen, in KK-WpHG, § 15 Rn. 219.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Führung von Verzeichnissen über solche Personen, die für sie tätig sind und bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben (sog. Insiderverzeichnisse).271 Rating-Agenturen werden, soweit sie beauftragte Ratings erstellen, nach h.M. als im Auftrag eines Emittenten handelnde Personen vom Anwendungsbereich des § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG erfasst272 und sind daher zur Führung eines Insiderverzeichnisses verpflichtet. Dieses haben sie auf Verlangen der BaFin zu übermitteln.273 Es handelt sich dabei um eigenständige Pflichten der RatingAgentur, für deren Erfüllung diese selbst Sorge zu tragen hat; sie wird also nicht etwa dem Emittenten zugerechnet.274 Erstellt eine Rating-Agentur ein unsolicited rating, so wird sie hingegen tatbestandlich nicht von § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG erfasst.275 Die darin statuierte Organisationspflicht ist nach Sinn und Zweck auch nicht einschlägig, weil die Rating-Agentur in diesem Fall typischerweise keine Kenntnis von emittentenbezogenen Insiderinformationen erlangt – sie arbeitet gerade allein auf Grundlage öffentlicher und agenturinterner Informationen. Relevant wird dieser Umstand freilich nur für diejenigen Rating-Agenturen, die ausschließlich unbeauftragte Ratings anbieten – nach den Vorgaben des § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG genügt es bereits, dass die Agentur einmal im Auftrag eines Emittenten tätig wird, um die darin normierten Organisationspflichten im Hinblick auf die Compliance mit insiderrechtlichen Vorschriften auszulösen. Die Vorschrift schafft damit faktisch Organisationsanforderungen, welche die Mehrheit der am deutschen Kapitalmarkt tätigen Rating-Agenturen erfassen.
2. Keine Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen in der Schweiz Demgegenüber kennen weder das Schweizer Gesetzesrecht noch die Kotierungsregeln der Schweizer Börse bislang eine Pflicht zum Erstellen und Führen von Insiderverzeichnissen.276 Die Einführung einer solchen Pflicht analog der Regelung in der EU war allerdings im Vorfeld der Neufassung des Kotierungsreglements (KR) vorgeschlagen worden, die im Jahre 2008 stattfand. Der Vorschlag stieß jedoch im Rahmen der durchgeführten Konsultation (sog. Vernehmlassung) 271 Die Vorschrift dient der Umsetzung des Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie. 272 BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 14.5.2009), Tz. VII.2.3.1 (S. 117); Eckhold, in: Schäfer/ Hamann, KMG, Stand: 01/2006, § 15b WpHG Rn. 19; Heidel/Fischer zu Cramburg/Royé, § 15b WpHG Rn. 3; Heinrich, in KK-WpHG, § 15b Rn. 25; Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621, 1624; Sethe, in: Assmann/Schneider, § 15b Rn. 21; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 128. Ebenso – zu Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie – Europ. Kommission, Mitteilung über Rating-Agenturen v. 23.12.2005, S. 6; Moloney, EC Securities Regulation, S. 714. 273 § 15b Abs. 1 Satz 2 WpHG. 274 Heinrich, in KK-WpHG, § 15b Rn. 21; Sethe, in: Assmann/Schneider, § 15b Rn. 12. 275 BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 14.5.2009), Tz. VII.2.3.1 (S. 117); Eckhold, in: Schäfer/ Hamann, KMG, Stand: 01/2006, § 15b WpHG Rn. 19; Heinrich, in KK-WpHG, § 15b Rn. 25; Sethe, in: Assmann/Schneider, § 15b Rn. 21. 276 Sulzer, Insiderverzeichnisse, S. 153, 168.
§ 11 Ratings und gesetzliche Marktteilnahmepublizität
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auf „vehemente“ Ablehnung, weil entsprechende Insiderlisten Kosten und administrativen Aufwand nach Ansicht der Vernehmlassungsteilnehmer im Vergleich zum tatsächlichen Nutzen unverhältnismäßig erhöht hätten.277 Die Schweizer Börse hat aus diesem Grund auf die Einführung dieser Pflicht verzichtet.
V. Zusammenfassende Würdigung Das Zusammenspiel des Ratings in seiner Marktinformationsfunktion mit den Regelungen der gesetzlichen Marktteilnahmepublizität wirft verschiedene Fragen auf, aus deren Beantwortung sich im Rechtsvergleich Rückschlüsse auf die Rolle ziehen lassen, die den Rating-Agenturen als Informationsintermediäre innerhalb der gesetzlichen Publizitätsordnungen zugewiesen wird.
1. Publizitätspflicht des Emittenten bezüglich Ratingänderungen So gibt das Bestehen einer Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten bezüglich laufender Ratingverfahren278 einerseits Auskunft darüber, ob die schwebende Überprüfung eines Ratings durch die Rating-Agentur als so wesentliche Information gewertet wird, dass der Emittent die Marktöffentlichkeit unverzüglich darüber in Kenntnis setzen muss; andererseits signalisiert die Behandlung dieser Frage den Spielraum, den das Publizitätsrecht privaten Informationsintermediären bei ihrer laufenden Ratingüberwachung belässt. Die Haltung der verschiedenen Rechtsordnungen zu dieser Frage unterscheidet sich zwar im rechtlichen Ansatz, aber kaum im Ergebnis: So gehen das deutsche279 und das Schweizer Recht280 von einer Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten bezüglich anstehender Ratingänderungen aus, die sie jedoch bei einer bestehenden Vertraulichkeitspflicht der Rating-Agentur sodann (in freilich unterschiedlichem Umfang) wieder entfallen lassen. Beide Rechte akzeptieren damit die Beurteilung gehandelter Wertpapiere durch private RatingAgenturen als aus Investorensicht kursrelevant und legen dem Emittenten grundsätzlich eine diesbezügliche Informationspflicht auf, obgleich er den Ratingvorgang selbst nicht beeinflussen kann; sie lassen jedoch gleichzeitig eine bestehende Rechtspflicht der Rating-Agenturen zur Wahrung der Vertraulichkeit genügen, um die Publizitätspflicht des Emittenten wieder zurückzunehmen. Demgegenüber kennt das U.S.-amerikanische Recht eine solche Emittentenpflicht überhaupt nur bei municipal securities,281 lehnt sie im Übrigen282 aber – 277
Schweizer Börse (SIX Swiss Exchange), Vernehmlassungsbericht: Revision Kotierungsregularien vom 31. März 2009, Tz. 9; Sulzer, Insiderverzeichnisse, S. 153, 169. 278 Oben II. 279 Dazu unter II 1 a). 280 Dazu unter II 1 b). 281 Dazu unter II 1 c) bb). 282 Dazu unter II 1 c) aa).
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
trotz zahlreicher Versuche der SEC zu ihrer Einführung – ebenso wie das Hongkonger Recht283 ab. In dieser Haltung manifestiert sich weniger ein Zweifel an der Relevanz von Ratings aus Investorensicht (diese wird auch in den U.S.A. und Hongkong nicht bestritten), als vielmehr die Überzeugung, dass die Kenntnis über Ratingänderungen als Marktinformationen auch über die Informationsmechanismen des Marktes erfolgen und nicht durch eine Publizitätspflicht des Emittenten bewirkt werden sollte. In ihren Lösungen drücken die untersuchten Rechte unterschiedliche Sichtweisen zur Rolle aus, welche die Marktinformationsfunktion des Ratings im System der Marktteilnahmepublizität einnimmt. Indem das Unions- wie das deutsche Publizitätsrecht die Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten auf Informationen beschränken, die (noch) nicht öffentlich bekannt sind,284 lassen sie ab der Veröffentlichung des Ratings durch die Rating-Agentur die private Marktpublizität genügen und ergänzen diese allenfalls dort durch eine gesetzliche Publizitätspflicht, wo der Markt so noch nicht informiert wurde (also bezüglich noch laufender Ratingverfahren).285 In der Schweiz ist ein solcher Respekt gegenüber privater Marktpublizität dagegen nicht ausdrücklich verankert, sodass dort möglicherweise eine parallele gesetzliche Ad hoc-Publizität durch den Emittenten bezweckt wird.286 Zur Rechtfertigung einer solchen Duplizität von privater Ratingund gesetzlicher Ad hoc-Publizität ließe sich anführen, dass eine Überwachung nur der Marktteilnahmepublizität des einzelnen Emittenten für Investoren einfacher sein mag als die Beobachtung der Marktpublizität diverser Rating-Agenturen287 – eine Begründung, die auf Grundlage des Modells eines informationseffizienten Marktes288 freilich nicht trüge, mit dem Bild eines „realen“ Investors mit begrenzter Informationsaufnahmekapazität289 jedoch durchaus vereinbar wäre. Zudem mag eine gesetzliche Publizitätspflicht des Emittenten die Investoren im Wege einer daran anschließenden Informationshaftung schützen, deren Bestand und Ausgestaltung im Rechtsvergleich freilich erheblich divergiert. 283
Dazu unter II 1 d). So durch die Legaldefinition der „Insiderinformation“ in Art. 1 Nr. 1 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie; § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG. 285 Oben II 1 a) aa) (1). 286 Vgl. dazu oben II 1 b) bb), dort auch zur hier vertretenen Ablehnung einer solchen Auslegung des Art. 53 KR. 287 Vgl. in diesem Sinne SEC Release 33–9070, 34–60797, IC–28942 vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53086, 53100 (zur Begründung ihres Vorschlags zur Einführung einer laufenden ratingbezogenen Publizitätspflicht des Emittenten, die jedoch nicht Gesetz wurde): „Credit rating agencies typically disclose rating changes publicly via press release at the same time or shortly after they notify affected companies of the changes. Therefore, investors already can obtain access to information about rating changes if they know where to find the press releases and are willing to routinely monitor these releases to find information about particular companies and securities. However, we believe some investors may not routinely monitor all press releases issued by credit rating agencies and therefore likely would benefit from disclosure about ratings changes filed by companies on Form 8–K“ (meine Hervorhebung). 288 Dazu schon § 5 III 1 b). 289 Dazu § 5 IV. 284
§ 11 Ratings und gesetzliche Marktteilnahmepublizität
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2. Publizitätsrechtliche Privilegierung der Rating-Agenturen als Informationsempfänger Die Position der verschiedenen Rechte mit Blick auf die Mitteilung vertraulicher Emittenteninformationen an Rating-Agenturen, die während laufender Ratingverfahren üblicherweise geschieht und nach gängiger Auffassung einen wichtigen Grund für den Informationswert von Ratings am Markt darstellt,290 besitzt noch grundsätzlichere Aussagekraft, lässt sich ein solcher Vorgang doch als Beeinträchtigung der informationellen Gleichbehandlung der Marktteilnehmer einordnen. In der Sache geht es also um die Zulässigkeit der bevorzugten Behandlung des Ratings als besondere Form der privaten Marktpublizität im Rahmen der gesetzlichen Marktpublizität. Im Rechtsvergleich ist insofern kaum Einheitlichkeit festzustellen: Allein das Hongkonger Recht291 geht von einer strikten, d.h. ausnahmslosen informationellen Gleichbehandlung der Rating-Agenturen mit der allgemeinen Marktöffentlichkeit aus und verbietet damit eine gängige und in der Ökonomie als sinnvoll eingestufte Kommunikationsform, wohingegen die übrigen drei nationalen Rechte (sowie das EU-Recht) eine Mitteilung nicht öffentlich bekannter Emittenteninformationen gegenüber der Rating-Agentur letztlich zulassen. Erhebliche Unterschiede zeigen sich dabei jedoch in der rechtstechnischen Ausgestaltung, in der sich auch rechtspolitische Wertentscheidungen widerspiegeln: So privilegiert das Schweizer Recht die Kommunikation mit Rating-Agenturen als Informationsempfänger durch eine allgemein gefasste Ausnahmevorschrift,292 welche die informationelle Gleichbehandlung in Fällen durch den Emittenten initiierter Kommunikation generell einschränkt, sofern ein Informationempfänger zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. Dieser Regelungsansatz stuft die Zugänglichmachung von Emittenteninformationen also als hinnehmbar ein, solange der resultierende Informationsvorsprung auf einzelne Empfänger beschränkt bleibt und keine weiteren Marktakteure erreicht, ohne hierzu spezifisch an die Rolle gerade der Rating-Agenturen als Informationsintermediäre anzuknüpfen. Ihm folgen auch das EU-Recht und das umsetzende deutsche Recht,293 bei deren Schaffung eine spezifische Privilegierung der Kommunikation mit Rating-Agenturen jedoch immerhin erwogen worden war.294 Ein entsprechendes ausdrückliches Informationsprivileg enthielt ab 2000 das U.S.-amerikanische Recht in seiner Regulation FD,295 bevor dieses 2010 infolge des Dodd–Frank Acts gestrichen wurde;296 die Rating-Agenturen fallen seitdem allerdings unter die allgemein gefasste Ver-
290 291 292 293 294 295 296
Siehe § 5 III 1 a) cc) (1). Dazu unter III 4. Dazu unter III 2. Dazu unter III 1. So im Entwurfsstadium der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie; dazu oben III 1 b) aa). Dazu unter III 3 b). Oben III 3 c).
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
traulichkeitsausnahme,297 die hier (dem Schweizer und dem unionsrechtlich harmonisierten deutschen Recht ähnlich) gleichermaßen vorgesehen ist. Aus Sicht des Publizitätssystems der Finanzmärkte ist die Zulässigkeit einer vertraulichen Offenlegung nicht öffentlicher Informationen durch Emittenten gegenüber Rating-Agenturen sinnvoll, weil sie die Informationsversorgung der Marktöffentlichkeit letztlich verbessert. Dies gilt zum einen, wenn man die begrenzte Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität „realer“ Investoren in Rechnung stellt, weil diese die betreffende emittentenbezogene Information so in verständlich codierter Form, nämlich nach deren Eingang in eine (ggfs. angepasste) Ratingeinstufung erhalten. Aber auch auf einem informationseffizienten Markt profitiert die Investorenöffentlichkeit in informationeller Hinsicht, weil der Emittent die nicht öffentliche Information andernfalls gar nicht offenlegen würde. Der insoweit letztlich übereinstimmende Regelungsansatz des deutschen, Schweizer und U.S.-amerikanischen Rechts verdient daher den Vorzug vor der gegenteiligen Haltung des Hongkonger Rechts, weil er in der Sache vor allem eine Privilegierung der vertraulichen Emittentenkommunikation mit Informationsintermediären (und weniger, wie in der rechtspolitischen Diskussion namentlich um die Regulation FD nicht selten anklingend,298 ein Privileg zugunsten der Rating-Agenturen) schafft.
3. Publizitätsrechtliche Pflichten der Rating-Agenturen Im Rechtsvergleich als exotisch anzusehen sind schließlich die begrenzte Ad hocPublizitätspflicht für Rating-Agenturen299 und deren organisatorische Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen,300 die sich (zurückgehend auf unionsrechtliche Vorgaben) nur in den EU-Staaten finden und in anderen Rechtsordnungen unbekannt sind.
297
Oben III 3 d). Vgl. etwa Darbellay, Regulating Ratings, S. 71: „there is no reason to privilege CRAs as far as access to financial information is concerned. […] CRAs have lost a privilege that they enjoyed for a decade.“ 299 Dazu unter II 2 a). 300 Dazu unter IV. 298
Dritter Abschnitt: Regulierung von Marktteilnehmern
§ 12 Die ratingbasierte Regulierung institutioneller Investoren am Beispiel von Fonds I. Einleitung Das Rating wird in seiner Regulierungsfunktion vielfach in Rechtsregeln eingesetzt, die – wie in den letzten Kapiteln behandelt1 – Vorgaben für das Verhalten von Emittenten, also die Nachfragerseite des Kapitalmarktes aufstellen. Eine vergleichbare Bedeutung besitzen Ratings jedoch auch für die Regulierung institutioneller Investoren wie Banken, Versicherungsgesellschaften, Investmentfonds, Pensionsfonds und Einrichtungen der Altersversorgung, also die Anbieterseite des Kapitalmarktes. Institutionelle Investoren spielen an den heutigen internationalen Märkten für Fremdkapitaltitel dabei fast durchweg eine weit größere Rolle als Privatanleger,2 während das Verhältnis zwischen beiden Investorengruppen an den Aktienmärkten deutlich ausgeglichener ist. Als Grund gilt eine generelle Tendenz unter privaten Anlegern, Investitionen in Anleihen nicht direkt, sondern durch institutionelle Anleger zu tätigen.3 Auf dem U.S.-amerikanischen Finanzmarkt werden heute daher nicht weniger als 95% aller Industrieanleihen von institutionellen Investoren gehalten,4 und auch an den meisten anderen entwickelten Märkten besteht eine ähnliche Investorenstruktur.5 (Eine Ausnahme bildet der Hongkonger Kapitalmarkt, an dem der Anteil nicht-institutioneller Investoren (retail investors) mit ca. 35% deutlich höher liegt.6) Die Untersuchung der ratingbasierten Regulierung institutioneller Anleger, die im Text anhand der Bankenregulierung bereits begonnen wurde,7 soll im Folgenden am Beispiel der Regulierung von Fonds ergänzt werden. Der Hintergrund des regulatorischen Einsatzes von Ratings ist in beiden Konstellationen 1
Siehe §§ 8–11. Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157; Hartwig-Jacob, Internationale Anleiheemissionen, S. 351; Langohr/Langohr, Rating Agencies, S. 379 f; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 645. 3 Zu dieser historischen Entwicklung aus deutscher Sicht Hartwig-Jacob, Internationale Anleiheemissionen, S. 351; aus U.S.-amerikanischer Sicht Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: 2009 Supplement, § 1.03; aus Hongkonger Sicht Kwan/Chiu/Shen, Stand: Release 0 (June 2007), Rn. 10.003. 4 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 100. 5 Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 645. 6 Kwan/Chiu/Shen, Stand: Release 0 (June 2007), Rn. 10.005. Zudem ist unter den institutionellen Anlegern in Hongkong die Bedeutung ausländischer Investoren mit 33% des Marktwerts der getätigten Investitionen ungewöhnlich hoch. 7 Dazu § 6, § 7. 2
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
ähnlich, aber nicht identisch: Während die bonitätsbezogene Regulierung von Banken vorrangig mit Blick auf deren systemische Bedeutung innerhalb der Finanzsysteme erfolgt,8 steht bei der Fondsregulierung der Schutz der Interessen der Fondsanleger im Vordergrund, die sich in ihrem Verhältnis zur Fondsleitung einem klassischen principal-agent-Problem gegenüber sehen.9 Private Investoren unterliegen demgegenüber nur selten ratingbasierten Rechtsregeln, was sich vor allem dadurch erklärt, dass sie bei der Investition eigener Mittel in der Regel weder regelungsbedürftigen Interessenkonflikten unterliegen noch systemrelevante Bedeutung erlangen. Wo dies anders liegt – etwa bei Anlageentscheidungen von Vormündern oder Nachlassverwaltern – finden sich in Deutschland und der Schweiz bislang keine gesetzlichen Ratingbezugnahmen, wenngleich Ratings in der neueren deutschen Literatur immerhin als Hilfsmittel bei vormundschaftsgerichtlichen Entscheidungen nach § 1811 BGB vorgeschlagen werden.10 In den U.S.A. und Hongkong kann dagegen das TrustRecht auch auf Investitionen durch nicht-professionelle trustees zur Anwendung gelangen und damit zu einer mittelbaren Ratingrelevanz führen, die unten im Text11 noch mit Blick auf Fondsinvestitionen erörtert werden wird. Die Rechte verschiedener U.S.-amerikanischer Gliedstaaten kennen zudem ratingbasierte Anlagevorschriften (sog. legal lists) für personal representatives, guardians und conservators.12 Schließlich spielen Ratings für Privatanleger im Rahmen der Anlageberatung eine entscheidende Rolle, auf die an anderer Stelle noch näher einzugehen sein wird.13
II. Gesetzliche Vorgaben für Investitionen durch Fonds Die in ihrer Zahl bedeutsamste Gruppe ratingbasierter Gesetzesregelungen macht die Zulässigkeit von Fondsinvestitionen von einem bestimmten Mindestrating abhängig und verwendet Ratings damit als Auslöser eines unmittelbaren Investitionsverbots. Sie finden sich mit unterschiedlichen Anwendungsbereichen und Ausgestaltungen in allen hier untersuchten Rechtsordnungen; im internationalen Schrifttum spricht man plastisch von einem hardwiring.14 Indem gesetzliche Anlagevorschriften dieser Art den Zugang der Emittenten zu einer wirtschaftlich wichtigen Investorengruppe rechtlich von einem bestimmten Rating abhängig machen, schafft die Regulierungsfunktion des Ratings mittelbar zu8
Vgl. schon § 6 I. Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 14; García Alcubilla/Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 6; Robertson, Fund Governance, Stand: Release 2 (2003), § 2.01; speziell zu Hedgefonds Casper, in: Leible/Lehmann, Hedgefonds und Private Equity, S. 161, 163 f. 10 NK-BGB/Fritsche, § 1811 Rn. 3; von Randow, ZBB 1995, 140, 152 Fn. 113; de lege ferenda (nach Einführung eines „Ratingwesengesetzes“) ebenso Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/ 1992, S. 1, 23. Ebenso zum Schweizer Recht Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 152 f. 11 Zum Hongkonger (gesetzlich geregelten) Trust-Recht unter II 2 a); zum allgemeinen prudent investor standard des U.S.-amerikanischen Rechts V. 12 Bogert/Hess, Trusts and Trustees, § 612, S. 64. 13 Siehe § 15. 14 Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 14. 9
§ 12 Die ratingbasierte Regulierung institutioneller Investoren am Beispiel von Fonds
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gleich einen entsprechenden Marktstandard: Emissionen ohne Rating oder mit einem nicht ausreichenden Rating werden vielfach gar nicht erst begeben.15 Ratingbasierte Anlagevorschriften bestehen verbreitet auch für sonstige institutionelle Investoren. So werden Versicherungsunternehmen im deutschen,16 schweizerischen17 und U.S.-amerikanischen Recht18 bei der Anlage ihres gebundenen Vermögens Mindestratingvorgaben unterworfen, und selbiges gilt auch für Träger der Altersversorgung: In Deutschland haben etwa als Körperschaften öffentlichen Rechts verfasste19 Sozialversicherungsträger ihre Mittel gemäß § 80 Abs. 1 SGB IV so anzulegen und zu verwalten, „dass ein Verlust ausgeschlossen erscheint, ein angemessener Ertrag erzielt wird und eine ausreichende Liquidität gewährleistet ist.“20 Beim Erwerb von Schuldverschreibungen21 müssen dabei zumindest die Ratings von zwei Agenturen berücksichtigt werden, die sich in der höchsten Bewertungskategorie22 bewegen sollten.23 Das Hongkonger Recht verpflichtet seinerseits seit dem Jahr 2000 alle Arbeitnehmer, zum Zweck der Altersvorsorge einem sog. Mandatory Provident Fund Scheme beizutreten und Beiträge an einen der zugelassenen, privatwirtschaftlich organisierten Fonds zu leisten,24 die strengen gesetzlichen Regelungen unterliegen. Letztere machen namentlich die Investition in Schuld- und Wandelschuldver15
Vgl. dazu bereits § 8 III 2. BaFin, Rundschreiben 15/2005 (VA) (Anlage des gebundenen Vermögens; Anlagemanagement und interne Kontrollverfahren) vom 20. Aug. 2005, sub. A II 1 c), d): Anlage grds. nur in festverzinslichen Anlagen mit „investment grade“-Rating; BaFin, Hinweise zum Rundschreiben 4/ 2011 (VA) Abschnitt B.4.3 Buchstabe d zur Anlage in Unternehmensdarlehen vom 10. Juni 2013, Geschäftsz. VA 54-I 3201–2013/0002, Tz. 2: Definition „erster Adressen“ u.a. durch Langfristrating von mindestens z.B. A– (Fitch, Standard & Poor’s) oder A3 (Moody’s); a.a.O., Tz. 3: Beimischung sonstiger Anlagen nur bei mindestens „investment grade“-Rating; BaFin, Hinweise zum Rundschreiben 4/2011(VA) zu Anlagen im High Yield Bereich vom 24. Juni 2013: Anlage in High Yield-Anleihen im Rahmen der Öffnungsklausel nur, sofern die Anlage zumindest ein „speculative grade“-Rating von B– (Standard & Poor’s, Fitch) oder B3 (Moody’s) aufweist. 17 FINMA, Rundschreiben 2008/18 Anlagerichtlinien Versicherer vom 20. Nov. 2008 (Anlagen im gebundenen Vermögen sowie Einsatz von derivativen Finanzprodukten bei Versicherern), Rn. 209: Anlage in Schuldverschreibungen erst ab „A“-Rating (zudem zahlreiche weitere Ratingvorgaben für Investitionen in komplexe Finanzinstrumente). 18 In den U.S.A. fällt die Regulierung des Versicherungswesens in die Zuständigkeit der Einzelstaaten und ist daher uneinheitlich ausgestaltet, weist aber verbreitet Ratingbezugnahmen auf (Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 700); vgl. etwa für das Recht des Staates Massachusetts Mass. Gen. Laws Ann. Ch. 175, § 63(16)(2): Investitionen in Commercial Paper nur bei Emittentenrating von mindestens A–1 (Standard & Poor’s), P–1 (Moody’s) oder F–1 (Fitch). Aus dem Schrifttum Hill, 35 Conn. L. Rev. (2003), 1145, 1146 f.; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 102; umfassend mit ausführl. Nachw. Hunt, 17 Conn. Ins. L.J. (2010), 101, 110 ff. 19 § 29 Abs. 1 SGB IV. 20 Zwischen diesen drei Postulaten des § 80 Abs. 1 SGB IV besteht anerkanntermaßen ein Zielkonflikt; Hauck/Noftz/Borrmann, Stand: 48. Lfg. (11/2007), K § 80 SGB IV Rn. 1; Wannagat/ Hassenkamp, Stand: 55. Lfg. (2/2000), § 80 SGB IV Rn. 1, 6. 21 Zulässiger Investitionsgegenstand nach § 83 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. 22 Von Aaa bis Aa3 bei Moody’s und von AAA bis AA– bei Standard & Poor’s. 23 BVA, Rundschreiben vom 1.12.2000 zur Anlage der Rücklage der Sozialversicherungsträger nach § 83 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV – Schuldverschreibungen, S. 4 (das Rundschreiben enthält noch zahlreiche weitere Ratingbezugnahmen). 24 Dixon, Shifting Responsibility, S. 12, 17; Ngan/Cheung, Mandatory Provident Funds Scheme, S. 244. 16
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
schreibungen von einer Fülle gestaffelter Ratinganforderungen abhängig,25 die generell ein „investment grade“ verlangen,26 bei besonders strikt regulierten capital preservation funds27 aber sogar ein Mindestrating von „A“/„A2“ vorschreiben.28
1. Deutsches und Schweizer Recht: Keine allgemeinen Ratingvorgaben für Investitionen durch Fonds Für Investitionen durch Fonds stellen das deutsche und das Schweizer Recht – die präziser von „Investmentvermögen“ als Organismus für gemeinsame Anlagen, der von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren29 bzw. „Kollektiven Kapitalanlagen“ als Vermögen sprechen, die von Anlegern zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage aufgebracht und für deren Rechung verwaltet werden30 – hingegen keine allgemeinen Bonitätsvorgaben auf. Sie beschränken sich stattdessen auf eine Auflistung zulässiger Investitionsgegenstände, ohne nach deren Kreditwürdigkeit zu differenzieren,31 und ergänzen diese (neben Vorgaben zur Risikostreuung) lediglich durch eine generalklauselartige Verhaltensregel für die Fondsleitung, die ihrer Tätigkeit ehrlich, mit der gebotenen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit und redlich nachzugehen32 oder das Investmentvermögen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu verwalten33 hat. Mindestratings sind daher im Allgemeinen nicht zu beachten,34 sondern werden nur
25 § 7(2)(c), § 9(1)(b), § 11(1A) und § 15(2A) Schedule 1 zur Mandatory Provident Fund Schemes (General) Regulation. 26 Mandatory Provident Fund Schemes Authority (MPFA), Guidelines on Debt Securities, Version 8 (Jan. 2008), Tz. 10. Für kurzfristige Verbindlichkeiten werden zudem andere Mindestratings vorgegeben. 27 Vgl. Abate, Mandatory Provident Fund, S. 18, der die Vorgaben für capital preservation funds als „very conservative“ bezeichnet; siehe auch Ngan/Cheung, Mandatory Provident Funds Scheme, S. 247. 28 MPFA, Guidelines on Debt Securities, Version 8 (January 2008), Tz. 12. 29 So im deutschen Recht § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB. 30 So im Schweizer Recht § 7 Abs. 1 KAG. 31 Vgl. im deutschen Recht für Investmentvermögen gemäß der OGAW-Richtlinie §§ 192 ff. KAGB, für gemischte Investmentvermögen § 218 f. KAGB, für sonstige Investmentvermögen § 220 ff. KAGB; im schweizerischen Recht für Effektenfonds Art. 54 KAG sowie für übrige Fonds für traditionelle und alternative Anlagen Art. 69 KAG. Als charakteristisches Merkmal „traditioneller Anlagen“ für Fonds (Art. 70 KAG) wird dabei im Schrifttum allerdings die „investment grade“-Bonität des Emittenten genannt; vgl. De Zordi/Haeberli, in Basler Komm., Art. 70 KAG, Rn. 9; Art. 71 KAG Rn. 12. 32 So § 26 Abs. 2 Nr. 1 KAGB. 33 So bis zum 21. Juli 2013 § 9 Abs. 1 InvG; vgl. dazu Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 12.144. Das schweizerische Recht verpflichtet die Fondsleitung in § 21 Abs. 1 KAG lediglich auf eine Anlagepolitik, die dauernd mit dem vertraglich festgelegten Anlagecharakter des Fonds übereinstimmt. 34 Zum deutschen Recht Siebel, BFuP 2005, 260 f. Auch die EG-RatingVO verzichtet ausweislich ihres Erwägungsgrundes 3 bewusst auf die Einführung einer Verpflichtung für gemeinschaftsrechtlich regulierte Fonds, nur in geratete Finanzinstrumente zu investieren.
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für spezifische, im Text noch im Einzelnen zu behandelnde Anlagetechniken35 vorgeschrieben.
2. U.S.-amerikanisches und Hongkonger Recht: Strikte Mindestratings für Investitionen durch trust funds Im U.S.-amerikanischen wie im Hongkonger Recht finden sich hingegen Anlagevorschriften, die Investitionen bestimmter Fonds generell einer Mindestratingvorgabe unterwerfen. a) U.S.-amerikanisches Recht: „legal investment lists“ Entsprechende Ratingvorgaben verbreiteten sich in den U.S.A. vor allem durch Gesetze der einzelnen U.S.-Gliedstaaten, die ab den 1930er Jahren begannen, bestimmte Wertpapiere abschließend als zulässige Investitionsgegenstände für trust funds zu definieren. Trust funds wurden und werden dabei zu ganz unterschiedlichen Zwecken eingesetzt, von denen namentlich die Einrichtung von common trust funds, mittels derer Banken treuhänderisch Kundengelder poolen, verwalten und investieren konnten, eine erhebliche Bedeutung besaß.36 Die gesetzlichen Anlagevorschriften beschränkten deren Investitionsmöglichkeiten auf Anlagen, die in der jeweiligen „legal investment list“ aufgeführt waren, und bezogen sich zu diesem Zweck verbreitet auf Ratingeinstufungen.37 Damit eröffnete erst die hinreichende Bonitätsbeurteilung durch eine oder mehrere Rating-Agenturen Anleiheemittenten den Zugang zu diesem wichtigen Investorenkreis.38 Entsprechende ratingbasierte legal investment lists waren in den U.S.A. bis in die 1970er Jahre sehr verbreitet; sie fanden sich etwa in den trust-Gesetzen der U.S.-Staaten Indiana (bis 1963),39 Nebraska (1947–65)40 und New Jersey (bis 1975).41 In der 35
Dazu unter II 4. Bogert/Hess, Trusts and Trustees, § 677, S. 64; Rosenblum, Investment Company Determination, S. 353. 37 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 147; Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 70; ders., 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 687. 38 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 102. 39 § 31–501(b), (d) Indiana Code erlaubte die Investition in „Bonds, notes and certificates, rated in one [1] of the first three [3] classifications established by one [1] or more standard services to be specified by the department of financial institutions“ und schrieb in (f) – überraschend – auch für Aktien (common stock) ein Mindestrating vor, das allerdings deutlich niedriger angesetzt war („… rated in one [1] of the first six [6] classifications established for common stocks“). Vollständiger Textabdruck bei Bogert/Hess, Trusts and Trustees, § 630 Fn. 13. 40 § 24–601(6) Nebraska Revised Statutes: „Bonds or other interest-bearing obligations of any corporation […]; Provided that, at the time the purchase is made, they are given, by at least two statistical organization whose publications are in general use, one of the highest ratings given by such organization“. Vollständiger Textabdruck bei Bogert/Hess, Trusts and Trustees, § 643 Fn. 9. 41 § 3A:15–2(a) New Jersey Statutes Annotated: „A fiduciary, in determining whether any bond, debenture, stock or other security or investment meets the requirements of section 3A:15–1 of this title or of a deed of trust, will on order of court having jurisdiction, governing the making 36
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Folgezeit gingen die Gesetzgeber jedoch zunehmend zu einer bloßen Festlegung eines allgemeinen Verhaltensstandards (wie namentlich der prudent investor rule) über,42 so dass Mindestratingvorgaben in Form von legal investment lists mittlerweile ganz erheblich an Bedeutung verloren haben. Sie kommen freilich auch heute noch vor und sind etwa in den U.S.-Staaten Ohio43 und Wisconsin44 weiterhin geltendes Recht. b) Hongkonger Recht: „A“-Mindestrating Der Bereich des asset managements für in- wie ausländische Kunden, dem in Hongkong eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt, wird hier in rechtlicher Hinsicht bis heute durch das überkommene trust law bestimmt, das im Wesentlichen auf englische Vorbilder aus den 1930er Jahren zurückgeht.45 Die gesetzliche Regelung im Hongkonger Trustee Act enthält konservative Vorgaben für die zulässigen Anlageentscheidungen von trustees, die eingreifen, soweit die Trustbedingungen nichts anderes vorsehen. Sie machen eine Investition der Gelder des Trusts in Schuldverschreibungen (debentures) davon abhängig, dass diese über ein Mindestrating von Moody’s (A3 bzw. Prime-1), Standard & Poor’s (A– bzw. A-1) oder einer sonstigen, durch den Secretary for Financial Services and the Treasury anerkannten Rating-Agentur46 verfügen;47 irgendwelche sonstigen Anforderungen sind nicht vorgesehen. Obwohl das trust law zahlreicher anderer Jurisdiktionen in den letzten Jahrzehnten grundlegend reformiert und in seinen Anlagevorgaben flexibler gestaltet wurde, wird diese konservative Ratinganforderung des Hongkonger Rechts (die freilich nur als Auffangregelung fungiert) auch künftig beibehalten werden, nachdem eine entsprechende Konsultation im Jahre 2009 dies nahelegte.48 42 of investment, may rely and be fully protected in relying upon […] ratings or other opinion as to the financial or other status thereof, contained in or offered by any […] rating […] published for the use of and accepted as reliable by investors“. Vollständiger Textabdruck bei Bogert/Hess, Trusts and Trustees, § 646 Fn. 22. 42 Scott and Ascher on Trusts, § 19.1.2. Siehe zu dieser im Zusammenhang mit Ratings noch unter V. 43 § 2103.37(A)(15) Ohio Revised Code Annotated: „Obligations […] rated at the time of purchase in the highest or next highest classification established by at least two standard rating services selected from a list of standard rating services which shall be prescribed by the superintendent of financial institutions“; ganz ähnlich auch (16) (für Anleihen internationaler Entwicklungsbanken). Vollständiger Textabdruck bei Bogert/Hess, Trusts and Trustees, § 651, S. 551 f. 44 Vgl. Bogert/Hess, Trusts and Trustees, § 665 Fn. 23. 45 Financial Services and the Treasury Bureau, Review of the Trustee Ordinance and Related Matters: Consultation Paper (June 2009), Tz. 1.9. 46 Zur Anerkennung von Rating-Agenturen in diesem Zusammenhang siehe noch unten § 23 II 5 e). 47 § 4(1)(a) Trustee Ordinance (Cap. 29) i.V.m. Schedule 2. 48 Financial Services and the Treasury Bureau, Review of the Trustee Ordinance (June 2009), Tz. 2.18: „objective, conservative standard“, Tz. 2.24: „The Government is of the view that the range of permissible investments such as now found in Schedule 2 represent a prudent approach to investment“.
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3. Indirekt wirkende Mindestratings für Investitionen durch Geldmarktfonds Weitere Beispiele für die Regulierungsfunktion von Ratings finden sich im Aufsichtsrecht für Geldmarktfonds (money market funds). Die in diesem Bereich anzutreffenden Mindestratings beziehen sich allerdings nicht unmittelbar auf die zulässigen Investitionen dieses Fondstyps, sondern sind als Voraussetzung dafür ausgestaltet, dass in kurzfristige Anlagen investierende Fonds am Markt als „Geldmarktfonds“ auftreten dürfen.49 Obgleich Ratinganforderungen dieses Typs damit nur indirekt auf die Investitionstätigkeit von Geldmarktfonds einwirken, tragen sie im Ergebnis nicht weniger zum Einfluss der Rating-Agenturen bei als unmittelbar wirkende Anlagevorschriften.50 Ratingvorgaben dieser Art finden sich bereits seit Längerem in Rule 2a–7 des U.S.-amerikanischen Fondsrechts,51 haben in jüngerer Zeit aber auch in das europäische Aufsichtsrecht für Geldmarktfonds52 Eingang gefunden. a) U.S.-amerikanisches Recht: Rule 2a–7 zum Investment Company Act Eine außerordentlich einflussreiche ratingbasierte Regelung stellt insoweit die Rule 2a–7 dar, die von der SEC auf Grundlage des Investment Company Act of 1940 erlassen wurde.53 Ihre wirtschaftliche Bedeutung resultiert daraus, dass sie in Gestalt der Geldmarktfonds (money market funds)54 einen Fondstyp betrifft, der in den U.S.A. ein Vermögen von nicht weniger als 3.92 Billionen USD (USD 3 920 000 000 000) verwaltet und in kurzfristige Vermögensanlagen investiert;55 Geldmarktfonds bilden damit am Markt für kurzfristige Schuldverschreibungen (Commercial Paper) die wichtigste Investorengruppe.56 aa) Rule 2a–7 zwischen ratingbasierter Bewertungsregelung und Marktzugangsstandard Rule 2a–7 schreibt im Kern vor, dass Geldmarktfonds nur in Wertpapiere investieren dürfen, die als „Eligible Securities“ anerkannt sind, und macht diese Einordnung von einem NRSRO-Rating in einer der beiden höchsten Ratingklassen für kurzfristige Verbindlichkeiten abhängig.57 Rule 2a–7 ist allerdings keine An49 Siehe zu diesem Regelungsgehalt der einschlägigen Aufsichtsrechtsnormen noch unter a) aa) sowie unter b) aa). 50 Zu diesen bereits oben unter II. 51 Dazu im Folgenden unter a). 52 Unter b). 53 Rule 2a–7 zum Investment Company Act of 1940 (17 C.F.R. § 270.2a–7). 54 Der erste money market fund wurde im Jahre 1971 aufgelegt; vgl. hierzu und zur weiteren historischen Entwicklung von Geldmarktfonds in den U.S.A. die umfassenden Angaben in Investment Company Institute, Report of the Money Market Working Group (2009), S. 141 ff. 55 So zum Stichtag 14. Januar 2009 Investment Company Institute, Report of the Money Market Working Group (2009), S. 180. 56 Stigum/Crescenzi, Stigum’s Money Market, S. 986. 57 Rule 2a–7(a)(10)(i), (c)(3)(i) zum Investment Company Act of 1940.
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lagevorschrift, welche – wie dies etwa im U.S.-amerikanischen Bankenaufsichtsrecht üblich ist58 – zulässige Investitionsgegenstände definiert, sondern war bei ihrem Erlass im Jahre 1983 als bloße Bewertungsregelung konzipiert, welche eine alternative Methode zur Bewertung des Fondsvermögens eröffnete.59 Während der Investment Company Act of 1940 nämlich grundsätzlich vorschreibt, dass jeder Investmentfonds sein Portfolio täglich zu aktuellen Marktpreisen zu bewerten („mark-to-market“) und daraus den Kurs der von den Anlegern gehaltenen Fondsanteile zu berechnen hat,60 erlaubt Rule 2a–7 es Geldmarktfonds unter bestimmten Voraussetzungen, bei der Portfoliobewertung anstelle des fluktuierenden aktuellen Marktpreises den amortisierten Anschaffungspreis der Wertpapiere zugrunde zu legen61 und den so berechneten Anteilspreis zudem aufzurunden.62 Diese erleichterte Bewertungsmethode ist kostengünstiger und weniger aufwendig als die tägliche Bewertung des Fondsportfolios nach aktuellen Marktpreisen,63 ermöglicht es den Geldmarktfonds aber vor allem – und dies ist das Hauptziel der Rule 2a–7 – für ihre Fondsanteile stets einen stabilen Kurs von USD 1,00 pro Anteil auszuweisen.64 Dieses Regelungsziel ist nur vor dem Hintergrund eines besonderen faktischen Marktstandards erklärbar, der sich am U.S.-amerikanischen Markt für money market funds etabliert hat und etwa am deutschen Finanzmarkt kein Äquivalent besitzt:65 In den U.S.A. agierende Geldmarkfonds versuchen nämlich traditionell, ihren Anteilspreis stabil bei USD 1,00 pro Fondsanteil zu halten,66 damit Anleger ihren investierten Betrag stets „at par“ zurückerhalten können.67 Wertzuwächse im Fondsvermögen werden dabei in Form zusätzlicher Anteile an die Anteilsinhaber ausgeschüttet.68 Diese Art der Preisermittlung, die zwar nicht rechtlich vorgeschrieben ist, sich aber rein tatsächlich am Markt durchgesetzt hat, hat dazu geführt, dass Geldmarktfondsanteile durch U.S.-amerikanische Investoren weitgehend mit täglich fälligen Bankguthaben gleichgestellt werden,69 obgleich mo58
Siehe dazu bereits oben § 7 I 1. SEC Release IC–13380 „Valuation of Debt Instruments and Computation of Current Price Per Share by Certain Open-End Investment Companies (Money Market Funds)“ (Final Rule) vom 11. Juli 1983, 48 FR 32555, 32556 (18. Juli 1983). 60 Sog. Berechnung des „current net asset value“ nach Maßgabe der Rule 2a–4 zum Investment Company Act of 1940 (17 C.F.R. § 270.2a–4); vgl. Robertson, Fund Governance, Stand: Release 2 (2003), § 11.01. 61 Sog. Amortized Cost Method. 62 Sog. Penny-Rounding Method. 63 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 607; Richter, Verwendung von Ratings, S. 149. 64 Riegel/Litwin, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2004–2 Supplement, § 17.06[A]. 65 Investment Company Institute, Report of the Money Market Working Group (2009), S. 181 spricht von einem „special feature of the U.S. system“. 66 Richter, Verwendung von Ratings, S. 148; Robertson, Fund Governance, Stand: Release 2 (2003), § 11.01; Swirsky, Guide to Rule 2a–7, S. 2. 67 Hurst, 30 Company L. (2009), 61, 64 Fn. 2. 68 Richter, Verwendung von Ratings, S. 148; Robertson, Fund Governance, Stand: Release 2 (2003), § 11.01. 69 Ausführlich hierzu Investment Company Institute, Report of the Money Market Working Group (2009), S. 141 ff. 59
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ney market funds (anders als die meisten Banken) keiner staatlichen Einlagensicherung unterliegen.70 Ist ein Geldmarktfonds aufgrund des Wertverlustes seines Portfolios gezwungen, einen Anteilspreis von weniger als USD 1,00 auszuweisen – umgangssprachlich spricht man von „breaking the buck“ – so steht damit nicht nur das Vertrauen der Investorenöffentlichkeit in den betroffenen Fonds, sondern in money market funds insgesamt auf dem Spiel.71 Ein solches Vorkommnis konnte lange Zeit fast durchgehend vermieden werden, bis es im Zuge der globalen Finanzkrise im Jahre 2008 schließlich branchenweit zu einem starken Wertverfall und bei einem Geldmarktfonds auch zur Unterschreitung der USD 1,00-Marke kam.72
Schon der beschriebene faktische Marktstandard hat dazu geführt, dass die in ihrem Ausgangspunkt lediglich fakultative Bewertungsmethode73 der Rule 2a–7 heute durch den ganz überwiegenden Teil der U.S.-amerikanischen Geldmarktfonds angewandt wird.74 Zum rechtlichen Marktstandard wurde die ratingbasierte Rule 2a–7 schließlich durch eine Ergänzung ihres Anwendungsbereiches, welche die SEC im Jahre 1991 vornahm: Sie stellte fest, dass Investoren Geldmarktfondsanteile weitgehend mit (keinem Kreditrisiko unterliegenden) Bargeld gleichsetzen, weshalb alle Geldmarktfonds aus Gründen des Anlegerschutzes auf Investitionen in bonitätsstarke Wertpapiere beschränkt sein müssten,75 und konstatierte die Gefahr der Irreführung, sofern einzelne Geldmarktfonds den Anlagevorschriften der Rule 2a–7 – die ja nur dann eingreifen, wenn ein Fonds freiwillig die dort zur Wahl gestellten Bewertungsmethoden nutzen will – nicht folgen.76 Aus Investorenperspektive investierten Geldmarktfonds danach per se nur in Wertpapiere mit einem hohen Rating – das Rating wurde bei Fonds dieses Typs also als unverzichtbarer Anlagemaßstab gesehen. (Diesem Befund der SEC liegt erkennbar, aber unausgesprochen das Bild eines „realen“ Anlegers mit beschränkter Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität77 zugrunde, der allein vom Begriff des money market fund auf die zulässigen Anlagen schließt – ein Anleger im Sinne des klassischen Rationalmodells78 würde hingegen die Informationen über verwandte Bewertungsmethoden und Anlagegrenzen jedes einzelnen Fonds berücksichtigen, die ihm infolge der gesetzlichen Publizitäts70 SEC Release 33–6882, IC–18805 „Revision to Rules Regulating Money Market Funds“ (Final Rule) vom 20. Feb. 1991, 56 FR 8113, 8114 Fn. 3 (27. Feb. 1991). 71 Plaze, Diskussionsbeitrag, in: Developments in the Mutual Fund Industry, S. 6 f. 72 Vgl. im Einzelnen zu den Entwicklungen um den Reserve Primary Fund, der stark in durch Lehman Brothers emittierte Commercial Paper engagiert war und am 16. September 2008 „broke the buck“ SEC Release IC–28807 „Money Market Fund Reform“ (Proposed Rule) vom 30. Juni 2009, 74 FR 32688, 32691 ff. (8. Juli 2009). 73 Investment Company Institute, Report of the Money Market Working Group (2009), S. 153: „permissive nature“. 74 SEC Release 33–6882, IC–18805 vom 20. Feb. 1991, 56 FR 8113; Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 607; Richter, Verwendung von Ratings, S. 147; Swirsky, Guide to Rule 2a–7, S. 3. 75 SEC Release 33–6882, IC–18805 vom 20. Feb. 1991, 56 FR 8113, 8118. 76 A.a.O., S. 8123; Plaze, Diskussionsbeitrag, in: Developments in the Mutual Fund Industry, S. 8. 77 Siehe dazu schon oben in § 5 IV. 78 Dazu oben in § 5 III 1 a).
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pflicht des Fonds zugänglich sind, und könnte daher auch keinem Irrtum über die jeweils einschlägigen Bonitätsmaßstäbe unterliegen.) Als Reaktion auf die genannte Irreführungsgefahr wurde nunmehr generell jeder Fonds zur Beachtung der Anlagevorschriften der Rule 2a–7 verpflichtet, der den Begriff „money market“ oder vergleichbare Termini im Namen führt,79 selbst wenn er die Bewertungsmethoden der Rule 2a–7 gar nicht verwendet;80 die Anlagevorschriften der Rule 2a–7 hatten sich damit zu einem rechtlichen Marktzugangsstandard gewandelt.81 U.S.-amerikanischen money market funds ist heute daher ausschließlich die Investition in solche Commercial Papers gestattet, welche über das in Rule 2a–7 vorgeschriebene Mindestrating verfügen.82 bb) Inhalt, Zweck und Wirkungen der Ratingvorgabe in Rule 2a–7 Da die durch Rule 2a–7 ermöglichte Portfoliobewertung zum amortisierten Anschaffungspreis Fluktuationen in den täglichen Marktpreisen ausblendet und eine stetige Wertentwicklung bis zur Fälligkeit unterstellt,83 birgt sie die Gefahr, dass der Geldmarktfonds bei einer Veräußerung der gehaltenen Wertpapiere tatsächlich nur einen geringeren Preis erzielen kann und die Anteilseigner daher Verluste hinnehmen müssen. Dem versucht die Regelung unter anderem dadurch entgegenzuwirken, dass sie Vorgaben über die notwendige Qualität der Geldmarktfondsportfolien statuiert, die maßgeblich auf Ratings basieren: (1) Die Sicherung der Portfolioqualität durch Mindestratingvorgabe Rule 2a–7 beschränkt Geldmarktfonds nämlich strikt auf den Erwerb solcher Wertpapiere, die zum Erwerbszeitpunkt durch zwei staatlich anerkannte RatingAgenturen (NRSRO)84 ein Rating innerhalb der beiden höchsten Ratingklassen für kurzfristige Verbindlichkeiten85 erhalten haben (sog. Eligible Securities).86 Sofern das entsprechende Wertpapier nur durch eine NRSRO geratet worden ist, 79
So seit 1991 Rule 2a–7(b)(1), (2) und (3). Plaze, Diskussionsbeitrag, in: Developments in the Mutual Fund Industry, S. 8: „a significant change“; Swirsky, Guide to Rule 2a–7, S. 4. 81 Ohne Beachtung der Rule 2a–7 können theoretisch solche Geldmarktfonds operieren, die weder die darin zugelassenen Bewertungsmethoden anwenden, noch als money market fund o.ä. firmieren (dies wird ausdrücklich betont in SEC Release 33–6882, IC–18805 vom 20. Feb. 1991, 56 FR 8113, 8116 u. 8122) – hierbei dürfte es sich allerdings um eine in der Praxis nicht vorkommende Konstellation handeln. 82 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 582; Hurst, 30 Company L. (2009), 61; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 699 Fn. 348 u. 355; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 347 Fn. 37; von Randow, ZBB 1995, 140, 152. 83 Richter, Verwendung von Ratings, S. 149. 84 Zur historischen Entstehung der Kategorie der „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (NRSRO) siehe § 7 II 2 a) bb) (1); zur heutigen Rolle § 23 II 3 a). 85 Also P-1 oder P-2 (Moody’s), A-1 oder A-2 (Standard & Poor’s), F1 oder F2 (Fitch) bzw. vergleichbare Einstufungen anderer NRSROs. 86 Rule 2a–7(a)(10)(i), (c)(3)(i). 80
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reicht dieses eine Rating (sofern von hinreichender Höhe) allerdings aus;87 Rule 2a–7 zwingt also nicht zur Einholung von mindestens zwei NRSRO-Ratings. Bei ungerateten Wertpapieren – und nur bei diesen, nicht also bei Titeln, die kein ausreichendes Rating erlangt haben, deren Ratingeinstufung der Geldmarktfonds aber für unzutreffend oder überholt hält88 – ist ein Erwerb zulässig, wenn diese nach Ansicht des Fondsvorstands (board of directors) eine mit dem Mindestrating vergleichbare Bonität besitzen.89 Die Mindestratingvorgabe, die bereits seit Erlass der Rule 2a–7 im Jahre 1983 besteht, ist im Laufe der Zeit mehrfach verschärft und in ihrer Bedeutung ausgeweitet worden: So hatte die Ursprungsfassung der Rule 2a–7 noch Ratings durch „any major rating service“ genügen lassen90 und die notwendige Ratinghöhe nur beiläufig in einer Fußnote der Regelungsbegründung genannt;91 bei späteren Änderungen der Rule 2a–7 wurde dann die staatliche Anerkennung der RatingAgenturen als NRSRO vorausgesetzt und zudem ausdrücklich gefordert, dass die NRSRO mit dem Emittenten und Garanten des Wertpapiers nicht finanziell oder personell verbunden sein darf92 – eine klarstellende Bestimmung zur Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agentur,93 die in anderen regulatorischen Ratingbezugnahmen nur vereinzelt vorkommt,94 damit aber schon früh eine Thematik ansprach, die in jüngerer Zeit verstärkt im Zusammenhang mit der staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen erörtert wird.95 Daneben wurde nunmehr auch das geforderte Mindestrating ausdrücklich festgelegt, bei welchem es sich seitdem – angesichts der Beschränkung von Geldmarktfonds auf kurzfristige Investitionen überzeugend – zwingend um ein kurzfristiges Rating handeln muss.96 87
Vgl. die Legaldefinition der Requisite NRSROs in Rule 2a–7(a)(21). SEC Release IC–13380 vom 11. Juli 1983, 48 FR 32555, 32561. 89 Rule 2a–7(a)(10)(ii). 90 Vgl. Rule 2a–7(a)(2)(iv) in der Fassung von 1983: „… and which are of ‚high quality‘ as determined by any major rating service, …“. In der Sache hatte die SEC allerdings ersichtlich die üblichen Rating-Agenturen im Blick; in einer Fußnote zu SEC Release IC–13380 vom 11. Juli 1983, 48 FR 32555, 32566 werden nämlich als (ausdrücklich nicht enumerativ zu verstehende) Beispiele Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch genannt. 91 SEC Release IC–13380 vom 11. Juli 1983, 48 FR 32555, 32561 Fn. 34; vgl. dazu Plaze, Diskussionsbeitrag, in: Developments in the Mutual Fund Industry, S. 6: „I’m not sure the authors of that footnote fully appreciated the weight that that footnote would bear on holding the dollar share value for a $450 billion industry …“. 92 Rule 2a–7(a)(17): die NRSRO darf im Verhältnis zu Emittent und Garant keine affiliated person i.S. des § 2(a)(3)(C) Investment Company Act of 1940 sein. 93 SEC Release IC–14607 „Acquisition and Valuation of Certain Portfolio Instruments by Registered Investment Companies“ (Proposed Rule) vom 1. Juli 1985, 50 FR 27982, 27987 (9. Juli 1985) machte deutlich, dass diese Anforderung lediglich als Klarstellung gedacht war: „Although the concept of independence is implicit in the term NRSRO, …“. 94 Nämlich in Rule 5b–3(c)(5), die allerdings historisch aus Rule 2a–7 hervorging (siehe dazu noch unten II 4 c) bb) (1)), sowie in Rule 3a–7 (dazu schon oben § 10 II 2). 95 Vgl. dazu noch § 25 I. 96 SEC Release IC–13380 vom 11. Juli 1983, 48 FR 32555, 32561 Fn. 34 hatte noch ausdrücklich kurzfristige oder langfristige Ratings („AAA“, „AA“ etc.) ausreichen lassen. 88
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In den Jahren 1989/90 kam es sodann zu Ausfällen zweier Commercial Paper-Emittenten, deren Emissionen bei Erwerb durch einige Geldmarktfonds durchgehend in der zweithöchsten Ratingklasse rangiert hatten (und damit noch i.S. der Rule 2a–7 Eligible Securities gewesen waren).97 Nachdem deren Ratings in der Folgezeit durch mehrere RatingAgenturen unter die Ratingschwelle herabgestuft, durch eine weitere Agentur aber beibehalten worden waren, war der Emittent sogleich ausgefallen – auf aufsichtsbehördlicher Seite sprach man von einem „the last rating agency asleep at the switch problem“.98
In Reaktion hierauf führte die SEC 1991 innerhalb der Papiere mit ausreichendem Mindestrating eine Differenzierung zwischen „first tier“-Titeln (mit einem Rating der höchsten Ratingklasse, also A-1 etc.) und „second tier“-Titeln (mit einem Rating der zweithöchsten Ratingklasse, wie A-2 etc.) ein und verschärfte die Rule 2a–7 dahingehend, dass Geldmarktfonds nur noch 5% ihres Vermögens in „second tier“-Commercial Papers und nicht mehr als 1% in die „second tier“Papiere ein und desselben Emittenten investieren dürfen.99 Diese Vorgaben wurden 2010 in Reaktion auf die globale Finanzkrise sodann nochmals strikter ausgestaltet, indem die zulässigen Prozentgrenzen auf 3% bzw. 0,5% gesenkt wurden. In der Sache war die Ratingschwelle damit zweimal indirekt angehoben worden, so dass heute 97% der Geldmarktfondsportfolien aus höchstgerateten Wertpapieren bestehen müssen. Eine weitere Verstärkung der Ratingvorgabe erfolgte im Jahre 1997, als auch Asset-Backed Securities als für U.S.-amerikanische Geldmarktfonds zulässige Investitionen anerkannt wurden. Wie bereits an anderer Stelle erörtert,100 müssen komplexe Finanzinstrumente dieser Art dabei ausnahmslos über ein Rating verfügen, das also – anders als bei traditionellen Commercial Papers – nicht dadurch ersetzt werden kann, dass die Fondsleitung die ungeratete Verbriefung als einer ausreichenden Ratingeinstufung „gleichwertig“ einordnet.101 (2) Ratingvorgabe als Begrenzung von Kredit- und allgemeinem Marktrisiko Die beschriebenen Ratinganforderungen sollen nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Rule 2a–7 die „Qualität“ der Geldmarktfondsportfolios bewirken und dabei erklärtermaßen vor allem sicherstellen, dass ein unabhängiger Dritter – die Rating-Agentur – das Fondsportfolio beurteilt.102 Untersucht man allerdings, was mit der „Qualität“ der erworbenen Wertpapiere konkret gemeint ist, welche Risiken durch die Mindestratinganforderungen also begrenzt werden sollen, so stößt man auf einen überraschenden Befund: Vor dem Hintergrund des 97 Vgl. SEC Release 33–6882, IC–18805 vom 20. Feb. 1991, 56 FR 8113, 8115; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 699. 98 Plaze, Diskussionsbeitrag, in: Developments in the Mutual Fund Industry, S. 7. 99 Rule 2a–7(c)(3)(ii), (4)(i)(C). 100 Siehe ausführlich § 10 II 3 c). 101 Rule 2a–7(a)(10)(ii)(B). Vgl. Swirsky, Guide to Rule 2a–7, S. 33 f. (dort auch zu einer eng begrenzten Ausnahme). 102 SEC Release IC–13380 vom 11. Juli 1983, 48 FR 32555, 32560; Robertson, Fund Governance, Stand: Release 2 (2003), § 11.03[2][b][i].
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Regelungsgehalts der Rule 2a–7, die Geldmarktfonds vor allem von der Pflicht zur taggenauen Berücksichtigung der aktuellen (und potentiell fluktuierenden) Marktpreise im Rahmen der Portfoliobewertung freistellt, besteht weitgehend Einigkeit, dass die darin statuierten Qualitätsanforderungen vor allem die Begrenzung der Volatilität der Papiere im Geldmarktportfolio bezwecken und die Fonds auf Investitionen mit voraussichtlich geringer Volatilität beschränken sollen.103 Da die Volatilität von Wertpapieren (also ihre Neigung zu Kursschwankungen), zu der ein Rating der hier verwandten Art keine unmittelbare Aussage trifft,104 wiederum unter anderem durch das Kreditrisiko des Papiers beeinflusst wird, sieht man den Zweck der Ratinganforderungen zum einen – insoweit mit Recht – in der Begrenzung des Kreditrisikos.105 Daneben spielt aber vor allem das Marktrisiko für die Volatilität eine Rolle,106 dem bei Wertpapieren mit kurzer Laufzeit sogar die vorrangige Bedeutung zukommen dürfte. Dieses lässt sich analytisch wiederum unterteilen in das spezifische Marktrisiko (also die Gefahr der Marktpreisänderung aufgrund von Umständen, die spezifisch mit dem betreffenden Emittenten oder der betreffenden Emission zusammenhängen), das eng mit dem Kreditrisiko verwandt ist, und das allgemeine Marktrisiko, also die Gefahr von Kursverlusten aufgrund von Veränderungen der marktweiten Umstände.107 Während das Rating aufgrund der Nähe des spezifischen Marktrisikos zum Kreditrisiko insoweit als Indikator angesehen werden mag,108 sagt ein kurzfristiges Rating – als Bonitätsbeurteilung einer bestimmten Emission – über das allgemeine Marktrisiko schlechthin nichts aus.109 Es ist daher ebenso überraschend wie bedenklich, dass man im Rahmen der Rule 2a–7 erklärtermaßen gerade das allgemeine Marktrisiko – umschrieben als „the market risk, which primarily results from fluctuations in the prevailing interest rate“ – durch das vorgeschriebene Mindestrating zu begrenzen versucht:110 Es handelt sich mithin um ein weiteres Beispiel für eine regulatorische Verwendung von Ratings, die er103 SEC Release IC–13380 vom 11. Juli 1983, 48 FR 32555, 32558; SEC Release IC–14607 vom 1. Juli 1985, 50 FR 27982, 27985 Fn. 25; Swirsky, Guide to Rule 2a–7, S. 3. 104 Vgl. statt vieler Fitch Ratings, Definitions of Ratings and Other Forms of Opinion (Januar 2010), S. 4. 105 SEC Release IC–13380 vom 11. Juli 1983, 48 FR 32555, 32558; Riegel/Litwin, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2004–2 Supplement, § 17.06[A]; Robertson, Fund Governance, Stand: Release 2 (2003), § 11.01; Swirsky, Guide to Rule 2a–7, S. 3 f. 106 SEC Release IC–13380 vom 11. Juli 1983, 48 FR 32555, 32558. 107 Vgl. schon früh Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 104: „price fluctuations need have nothing to do with the quality of the paper but may be a consequence of changing interest rates“. 108 Siehe dazu bereits in § 6 II 1 b) bb). 109 Darrow/Hitselberger/Cummings, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2002–2 Supplement, § 7.01[A]; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 158; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 402; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 357; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 4. 110 SEC Release IC–13380 vom 11. Juli 1983, 48 FR 32555, 32558 Fn. 7; ebenso Robertson, Fund Governance, Stand: Release 2 (2003), § 11.03; Swirsky, Guide to Rule 2a–7, S. 3 f.; a.A. (ohne Begründung) Shipe/Freeman, 15 Inv. Lawyer (Oct. 2008), 13, 16: „portfolio liquidity requirement by reference to a rating“.
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sichtlich auf einem Missverständnis des Regelsetzers beruht111 und daher reformiert werden sollte.112 (3) Auswirkungen der Ratingvorgabe (a) Auswirkungen auf den Markt für Commercial Paper Die beschriebene Ratingvorgabe der Rule 2a–7, nach welcher mindestens 95% der durch Geldmarktfonds erworbenen Wertpapiere ein Rating der höchsten Ratingklasse besitzen müssen, hatte tief greifende Folgen für den U.S.-amerikanischen Commercial Paper-Markt: Der Anteil niedrig gerateter Anleihen im Portfolio von Geldmarktfonds fiel auf null, und auch das Gesamtvolumen von Commercial Paper unterhalb der regulatorischen Ratingschwelle ging dramatisch zurück.113 Empirische Studien haben insoweit nachgewiesen, dass andere Investoren den regulatorisch erzwungenen Rückzug der Geldmarktfonds vom Markt für niedrig geratetes Commercial Paper nicht ausgleichen konnten und die ratingabhängige Renditedifferenz durch die Änderung der Rule 2a–7 stark zunahm.114 Bezogen auf die einzelne Commercial Paper-Emission hat Rule 2a–7 somit zur Folge, dass die Beurteilung durch die Rating-Agenturen über Erfolg oder Misserfolg der Emission entscheidet.115 (b) Auswirkungen auf die Pflicht der Fondsleitung zur eigenständigen Bonitätsprüfung Die Einführung der Mindestratinganforderung hatte zudem erkennbar faktische Auswirkungen auf die Risikoprüfung durch die Fondsleitung und ließ damit einen unbeabsichtigten Nebeneffekt offenkundig werden, der im Zuge der globalen Finanzkrise 2007–09 unter dem Schlagwort der over-reliance durch Investoren wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt ist:116 Die Rule 2a–7 verließ sich nämlich bei der Sicherung der Portfolioqualität von Anfang an nicht ausschließlich auf Ratings, sondern verpflichtete davon unabhängig die Fondsleitung selbst zur Feststellung, dass den zu erwerbenden Wertpapieren ein lediglich „minimales Kreditrisiko“ innewohnt117 – die Regelung kombiniert damit eine 111
Vgl. noch § 17 III 2 a) sowie § 31 II 1 b). Siehe zur geplanten Neufassung der Rule 2a–7, die allerdings auf anderen Beweggründen basiert, noch unter cc). 113 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 7; von Randow, ZBB 1995, 140, 155. Lybecker, Diskussionsbeitrag, in: Developments in the Mutual Fund Industry, S. 8 weist darauf hin, dass viele Emissionen spezifisch auf die Anforderungen der Rule 2a–7 zugeschnitten werden, um Geldmarktfonds als Investoren zu erschließen. 114 Vgl. Crabbe/Post, Effect of SEC Amendments to Rule 2a–7 on the Commercial Paper Market (May 1992). 115 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 700: „it could make or break an issue.“ 116 Vgl. nur de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 56; Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 37 f.; sowie allgemein § 17 III 1. 117 Rule 2a–7(c)(3)(i): „that the fund’s board of directors determines present minimal credit risks …“. 112
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Beurteilung durch die Fondsleitung selbst (die sich interessanterweise nur auf das Kreditrisiko beziehen muss) mit einer Beurteilung durch unabhängige Dritte, die Rating-Agenturen. Allerdings wurde bald deutlich, dass sich die Geldmarktfonds im Rahmen ihrer eigenen Bonitätsanalyse weitgehend auf die vorliegenden Ratingeinstufungen verließen,118 obgleich sie nach dem Zweck der Regelung gerade eine eigenständige Abwägung vornehmen119 und dabei auch solche Aspekte einbeziehen sollten, die durch die Rating-Agenturen nicht berücksichtigt werden.120 Da die angestrebte kritische Hinterfragung der Ratings von Investorenseite121 offenkundig nicht stattfand – ein Befund, den man mit der verständlichen Codierung der Ratings und deren daraus resultierender Verarbeitbarkeit durch die Fondsleitung122 begründen kann – schrieb die SEC 1991 in einem ungewöhnlichen Schritt im Wortlaut der Rule 2a–7 fest, dass die Feststellung des minimalen Kreditrisikos sich nicht allein auf die Ratings der NRSROs stützen darf („which determination must be based on factors pertaining to credit quality in addition to any rating assigned to such securities by an NRSRO“).123 Damit wurde zugleich bestätigt, dass die Beachtung von Ratings bei Investitionsentscheidungen keinen haftungsrechtlichen „safe harbor“ für Fondsleitung und -management darstellt.124 Obgleich innerhalb der Fondsbranche seitdem umfangreiche best practices für die Bonitätsanalyse durch Geldmarktfonds erarbeitet wurden,125 entspricht es auf Fondsseite bis heute weiterhin gängiger Praxis, bei der eigenen Bonitätsbeurteilung das Rating als Ausgangspunkt zu verwenden.126 (c) (Bloße) Prüfungspflicht des Fonds bei Ratingherabstufungen Rule 2a–7 hat schließlich zudem bewirkt, dass das Rating von Wertpapieren deren Behandlung durch Geldmarktfonds während ihrer gesamten Laufzeit bestimmt: Obgleich sich die Mindestratingvorgabe nämlich ausdrücklich nur auf den Zeitpunkt des Erwerbs durch den Fonds bezieht, ordnet die Regelung des 118 Plaze, Diskussionsbeitrag, in: Developments in the Mutual Fund Industry, S. 6: „It was strictly relying on the rating …“. 119 Macey/Miller/Carnell, Banking Law and Regulation, S. 617; Robertson, Fund Governance, Stand: Release 2 (2003), § 11.03[2][a]; Swirsky, Guide to Rule 2a–7, S. 18. 120 So SEC Release IC–13380 vom 11. Juli 1983, 48 FR 32555, 32560; Macey/Miller/Carnell, Banking Law and Regulation, S. 617. 121 SEC Release 33–6882, IC–18805 vom 20. Feb. 1991, 56 FR 8113, 8116; Robertson, Fund Governance, Stand: Release 2 (2003), § 11.03[2][a]; Swirsky, Guide to Rule 2a–7, S. 18. 122 Siehe § 5 IV. 123 Klammerzusatz in Rule 2a–7(c)(3)(i), eingefügt durch SEC Release 33–6882, IC–18805 vom 20. Feb. 1991, 56 FR 8113, 8116. 124 SEC Release 33–6882, IC–18805 vom 20. Feb. 1991, 56 FR 8113, 8116; zustimmend Macey/ Miller/Carnell, Banking Law and Regulation, S. 617. 125 Siehe die ausführliche Zusammenstellung in Investment Company Institute, Report of the Money Market Working Group (2009), S. 193 ff. 126 Investment Company Institute, Report of the Money Market Working Group (2009), S. 81.
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Weiteren an, dass die Fondsleitung bei Herabstufung des Ratings unter die Mindestratingschwelle sogleich zu prüfen hat, ob das betreffende Wertpapier weiterhin ein nur minimales Kreditrisiko darstellt, und sodann diejenigen Schritte vorzunehmen hat, die im besten Interesse des Fonds und seiner Anteilsinhaber liegen.127 Rule 2a–7 schreibt also für den Fall eines downgrades nicht zwingend einen sofortigen Verkauf des Wertpapiers vor128 und weicht damit von funktionsäquivalenten Bestimmungen ab, die im U.S.-amerikanischen Recht etwa für Kreditgenossenschaften (credit unions) gelten129 – ein „weiche“ Vorgabe, die verhindern soll, dass Geldmarktfonds trotz sehr ungünstiger Marktlage einen „fire sale“ durchführen müssen.130 Aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive mag die Regelung dabei als nicht unproblematisch erscheinen131 (zumal ein Verkauf bei fallenden Marktpreisen für andere Finanzinstitute gleichermaßen riskant ist); sie ist aufgrund der kurzen Laufzeiten von Geldmarktinvestitionen aber letztlich wohl gerechtfertigt.132 cc) (Bislang) Fortbestand der Ratingbezugnahmen in Rule 2a–7 trotz des Dodd–Frank Acts Obwohl das generelle Überprüfungs- und Abschaffungspostulat des Dodd– Frank Acts133 sich sachlich auch auf Ratingbezugnahmen in Rules zum Investment Company Act bezieht und damit einen Anlass bot, die hier kritisierte Fehlverwendung von Ratings zur Messung des allgemeinen Marktrisikos134 zu beseitigen, besteht Rule 2a–7 bislang unverändert fort. Ein Vorschlag der SEC zur Neufassung der Regelung im Jahre 2011 hatte allerdings vorgesehen, die Ratingschwellen durch eine nicht strikt ratinggebundene („subjektive“) Bonitätseinschätzung der Fondsleitung selbst zu ersetzen,135 als deren Grundlage (unter sonstigen Faktoren) auch weiterhin auf NRSRO-Ratings hätte zurückgegriffen werden dürfen;136 auch im Ergebnis sollte das zulässige Risikoniveau dabei erklärtermaßen dasselbe bleiben wie nach den bestehen127 Rule 2a–7(c)(6)(i)(A). Sofern das herabgestufte Papier binnen fünf Werktagen nach dem downgrade abgestoßen oder fällig wird, braucht die Fondsleitung gemäß Rule 2a–7(c)(6)(i)(B) keine Überprüfung vorzunehmen. 128 Dies verkennt Bonewitz, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 391, 424. 129 Siehe oben § 7 I 1 b). 130 SEC Release 33–6882, IC–18805 „Revision to Rules Regulating Money Market Funds“ (Final Rule) vom 20. Feb. 1991, 56 FR 8113, 8121 f. (27. Feb. 1991). 131 Siehe zum ausgeprägten overconfidence-Phänomen unter professionellen Fondsmanagern die eindrucksvollen Untersuchungsergebnisse von Montier, Behaving Badly, Working Paper (2. Feb. 2006). 132 Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 339. 133 § 939A Dodd–Frank Act. 134 Dazu oben II 3 a) bb) (2). 135 SEC Release 33–9193, IC–29592 „References to Credit Ratings in Certain Investment Company Act Rules and Forms“ (Proposed rule) vom 3. März 2011, 76 FR 12896, 12898 (9. März 2011). 136 SEC Release 33–9193, IC–29592 (Proposed rule) vom 3. März 2011, 76 FR 12896, 12898: „Fund boards of directors (which typically rely on the fund’s adviser) would still be able to consider quality determinations prepared by outside sources, including NRSRO ratings …“.
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den Mindestratings.137 Der Vorschlag ähnelte damit der im Text bereits erörterten Neugestaltung der Bonitätsvorgaben für U.S.-amerikanische Geschäftsbanken138 und musste daher denselben Bedenken begegnen, die dort dem Abstellen auf die subjektive Risikoeinschätzung regulierter Marktteilnehmer gegenüber geäußert wurden;139 an der kritikwürdigen Verwechslung von Bonitäts- und allgemeinem Marktrisiko hätte er im Übrigen nichts geändert. Da der Regelungsentwurf auch unter Marktteilnehmern auf heftige Kritik stieß,140 wurde er nicht umgesetzt.141 Jedenfalls einstweilen bleibt es folglich bei den indirekten Ratingvorgaben des U.S.-amerikanischen Rechts für Geldmarktfondsinvestitionen. b) Europäisches und deutsches Recht Der U.S.-amerikanischen Rule 2a–7 auffallend ähnelnde Ratingvorgaben enthält seit 2011 auch das europäische Aufsichtsrecht für Geldmarktfonds,142 wenngleich die insoweit augenblicklich geltenden Ratingbezugnahmen möglicherweise bereits ihrer Abschaffung entgegensehen.143 aa) OGAW-Richtlinie, CESR-Leitlinien und Fondskategorien-Richtlinie der BaFin Innerhalb der EU ist das Recht für Investmentfonds und -gesellschaften, die in Brüsseler Diktion als „Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW)“ bezeichnet werden,144 auf unionsrechtlicher Ebene weitgehend harmonisiert. Für Zwecke der einschlägigen EG-OGAW-Richtlinie erließ das CESR 137 SEC Release 33–9193, IC–29592 (Proposed rule) vom 3. März 2011, 76 FR 12896, 12898: „… would have to satisfy a standard similar to the credit quality standards that have been articulated by the credit ratings agencies …“. 138 Siehe zur neu gefassten „junk bond prohibition“ des Comptroller of the Currency bereits § 7 I 1 d). 139 Vgl. etwa GAO, Report 10–782 (Sept. 2010), S. 47: „OCIE examiners expressed concerns that the proposed rule might allow money market funds to invest in riskier securities than the current rule allows.“ 140 Vgl. SEC Release 33–9506, IC–30847 „Removal of Certain References to Credit Ratings Under the Investment Company Act“ (Final rule) vom 27. Dez. 2013, 79 FR 1316, 1317 Fn. 11 (8. Jan. 2014); „Most of these commenters criticized removing credit ratings from rule 2a–7“; siehe auch Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 265: „the board of such [money market] funds have already fiercely resisted any deregulation that would deny them the ability to rely on investment grade ratings, and politically they are a potent force.“ 141 Durch SEC Release IC–30268 „Purchase of Certain Debt Securities by Business and Industrial Development Companies Relying on an Investment Company Act Exemption“ (Final rule) vom 19. Nov. 2012, 77 FR 70117 ff. (23. Nov. 2012) wurden lediglich andere vorgeschlagene Reformen umgesetzt; vgl. a.a.O., Fn. 4: „We intend to address the proposed amendments to rule 2a–7 […] separately.“ 142 Sogleich unter aa). 143 Siehe zum geplanten Erlass einer EU-GeldmarktfondsVO unter bb). 144 Zu diesem Terminus auch Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHdb., § 113 Rn. 29: „umständlich“. In der Praxis herrscht die aus der englischsprachigen Bezeichnung abgeleitete Abkürzung „UCITS“ vor.
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im Jahre 2010 Leitlinien,145 in denen die Begriffe „Geldmarktfonds“ und „Geldmarktfonds mit kurzer Laufzeitstruktur“ EU-weit einheitlich definiert werden. Diese Leitlinien146 schreiben vor, dass Geldmarktfonds nur in Geldmarktinstrumente investieren dürfen, die von der Verwaltungsgesellschaft des Fonds als „von hoher Qualität“ eingestuft wurden. Ein Geldmarktinstrument ist dabei in Bezug auf die Kreditqualität dann nicht von „hoher Qualität“, wenn es nicht von jeder anerkannten Rating-Agentur, die das Geldmarktinstrument bewertet hat, mindestens eines der zwei höchsten verfügbaren Ratings erhalten hat oder, sofern kein externes Rating vorliegt, nicht eine gleichwertige Qualitätseinstufung im Rahmen des internen Ratingprozesses der Verwaltungsgesellschaft erfolgt ist.147 Für OGAW-Geldmarktfonds innerhalb der EU wurde damit ebenfalls ein Mindestrating (derselben Höhe wie nach der U.S.-amerikanischen Rule 2a–7148) eingeführt, und zwar just zu der Zeit, als die Aufsichtsbehörden der U.S.A. ihre schon deutlich länger bestehende Mindestratingvorgabe in diesem Bereich aufzugeben erwägten. Eine weitere Ähnlichkeit zwischen der europäischen und der U.S.-amerikanischen Geldmarktfondsregulierung besteht darin, dass auch die CESR-Leitlinien vorschreiben, dass nur solche kurzfristig investierende Fonds die Bezeichnung „Geldmarktfonds“ führen dürfen, die den beschriebenen Ratingvorgaben gerecht werden,149 um dadurch die Anleger vor Missverständnissen zu schützen – ganz ähnlich der Rule 2a–7 seit ihrer Reform 1991.150 Obwohl sich die CESRKreditqualitätsvorgaben eigentlich nur auf OGAW-Fonds beziehen, gelten sie auf diese Weise faktisch auch für alle sonstigen (nicht richtlinienkonformen) Geldmarktfonds, weil diese andernfalls den unter Marketinggesichtspunkten unverzichtbaren Titel „Geldmarktfonds“ nicht führen dürfen. Auch diesen ungewöhnlichen, weil indirekten Regelungsansatz dürfte das CESR dem Vorbild der Rule 2a–7 nachempfunden haben. Die beschriebenen Vorgaben der CESR-Leitlinien, die durch die ESMA übernommen und fortgeführt wurden,151 werden dabei durch die nationalen Aufsichtsbehörden der einzel145
CESR, Guidelines on a common definition of European money market funds vom 19. Mai 2010, Ref.: CESR/10–049. Die Leitlinien traten zum 1. Juli 2011 in Kraft. 146 Obgleich Leitlinien keine Rechtsbindungswirkung entfalten, verpflichtet Art. 16 Abs. 3 ESMA-VO die zuständigen Behörden und Marktteilnehmer, alle erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, um diesen nachzukommen; vgl. dazu Deipenbrock, WM 2011, 1829, 1834: „besonderer Compliance-Mechanismus“. 147 CESR, Guidelines vom 19. Mai 2010, S. 7. 148 Die CESR-Leitlinien, S. 11 sehen für Geldmarktfonds (nicht aber Geldmarktfonds mit kurzer Laufzeitstruktur) eine laxere Ratinganforderung vor, soweit es um Investitionen in Staatsanleihen eines EU-Staates geht: Hier soll ein „investment grade“ ausreichen. Der Anlegerschutz wird hier also eingeschränkt, um die Staatsfinanzierung zu erleichtern (a.a.O., Tz. 25: „… the need for financing of short-term sovereign debt across the EU“). 149 CESR, Guidelines vom 19. Mai 2010, S. 6: „Any collective investment undertaking labelling or marketing itself as a money market fund must comply with the guidelines.“ 150 Siehe oben II 3 a) aa). 151 Vgl. ESMA, Questions and Answers: A Common Definition of European Money Market Funds (Aug. 2011), ESMA/2011/273.
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nen EU-Staaten umgesetzt. In Deutschland hat die BaFin die Mindestratingschwelle für Geldmarktfondsinvestitionen in ihre sog. Fondskategorien-Richtlinie152 übernommen. Diese wurde auf Grundlage des § 4 Abs. 2 KAGB153 erlassen, um für den Regelfall Richtlinien dazu festzulegen, welcher Fondskategorie das Investmentvermögen nach den Anlagebedingungen, insbesondere nach den dort genannten Anlagegrenzen, der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag entspricht.
Die Parallelen zwischen der U.S.-amerikanischen Rule 2a–7 und dem europäischen Aufsichtsrecht für Geldmarktfonds haben zur Folge, dass auch die bereits geäußerte Kritik am regulatorischen Ratingeinsatz für die CESR-Leitlinien entsprechend gilt: Die Verwendung einer hohen Ratingeinstufung als Indikator (auch) eines geringen allgemeinen Marktrisikos ist dort wie hier eine regulatorische Fehlverwendung, denn auch die CESR-Leitlinien wollen hierdurch die Geeignetheit des Fondsportfolios für eine gleichbleibende Bewertung zu amortisierten Anschaffungspreisen (constant net asset value) sicherstellen.154 bb) Künftige Beseitigung der regulatorischen Ratingverwendung durch EU-GeldmarktfondsVO? Es ist allerdings unsicher, wie lange die mittelbar ratingbasierte Regulierung von Geldmarktfondsinvestitionen innerhalb der EU Bestand haben wird. Die EUKommission hat im September 2013 nämlich einen Kommissionsvorschlag für eine neue EU-GeldmarktfondsVO155 vorgelegt, die im Falle ihres Erlasses zusätzlich zum bestehenden Regelungsregime der EG-OGAW- bzw. EU-AIFMRichtlinie Anwendung finden würde. Dieser Vorschlag verzichtet erklärtermaßen auf jede regulatorische Verwendung externer Ratings,156 um dadurch die „mechanistische Heranziehung“ von Ratings durch Investmentfonds einzuschränken.157 Die zulässigen Investitionen für Geldmarktfonds werden stattdessen dadurch definiert, dass der Verwalter des Fonds zur Erstellung „interner“ Ratings über potentielle Anlageobjekte verpflichtet und die Anlage in so bewertete Geldmarktinstrumente nur dann für zulässig erklärt wird, wenn dieses „das höchste oder zweithöchste interne Rating“ erhalten hat.158 Flankiert wird diese Vorgabe durch das pauschale, an den Geldmarktfonds sowie dessen Verwalter 152 BaFin, Richtlinie zur Festlegung von Fondskategorien gemäß § 4 Absatz 2 Kapitalanlagegesetzbuch und weitere Transparenzanforderungen an bestimmte Fondskategorien vom 22. Juli 2013 (dort Art. 3 Nr. 3 lit. b, Nr. 4). 153 Früher § 4 Abs. 2 InvG. 154 CESR, Guidelines vom 19. Mai 2010, Tz. 21 f. 155 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Geldmarktfonds vom 4.9.2013, COM(2013) 615 final. 156 Kommissionsvorschlag vom 4.9.2013 für eine EU-GeldmarktfondsVO, S. 4: „… wird eine gemeinsame Vorschrift über Ratings sicherstellen, dass sich Fondsverwalter und Anleger nicht mehr auf externe Ratings verlassen, die bei Herabstufungen die Funktionsfähigkeit des Geldmarkts beeinträchtigen könnten“; S. 9. 157 Erwägungsgrund 29 zum Kommissionsvorschlag vom 4.9.2013 für eine EU-GeldmarktfondsVO. 158 Art. 9 Abs. 1 lit. c Kommissionsvorschlag vom 4.9.2013 für eine EU-GeldmarktfondsVO.
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gerichtete und im Rechtsvergleich ganz ungewöhnliche Verbot, bei einer RatingAgentur ein Rating des Geldmarktfonds selbst in Auftrag zu geben159 oder – sollte der Fonds ein unbeauftragtes Rating erhalten – sich auf die an dieses externe Rating geknüpften Kriterien zu stützen.160 Durch Rating-Agenturen erstellte Ratings sollen nach dem Willen der EU-Kommission also vollständig aus der europäischen Geldmarktfondsregulierung (und anscheinend auch der Arbeit von Geldmarktfonds) verbannt werden. Wenngleich die Abkehr von der bisherigen inhaltlichen Fehlverwendung externer Ratings zur Messung auch allgemeiner Marktrisiken161 als solche zu begrüßen ist, muss das als Regelungsersatz gewählte Abstellen auf „interne“ Ratings wiederum Kritik hervorrufen. In der Sache leidet die Umstellung von „externen“, durch unabhängige Rating-Agenturen veröffentlichte auf „interne“, durch die Verwaltung des regulierten Fonds selbst erstellte „Ratings“ (die in letzterem Fall diese Bezeichnung eigentlich gar nicht verdienen162) an einem grundlegenden Manko: Die Einschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit, die als Prognose unvermeidlich mit Unsicherheiten und Beurteilungsspielräumen verbunden ist, wird in Gestalt der Fondsverwaltung in die Hände just derjenigen Stelle gelegt, deren eigene Interessen von einer optimistischen Prognose profitieren und bei einer pessimistischen Prognose beeinträchtigt werden. Zur Lösung des zu regelnden principal-agent-Problems ist sie aus diesem Grund ungeeignet, weil auch eine Prozeduralisierung des Bonitätsbeurteilungsvorgangs, die durch das Aufstellen üppigster formeller Vorgaben163 versucht und durch die Benennung als „Rating“ auch signalisiert wird, den verbleibenden (und entscheidenden) Beurteilungsspielraum nicht beseitigen wird: Dass das interne Ratingsystem auf „vorsichtigen, rigorosen, systematischen und durchgängigen“ Zuweisungsmethoden beruhen164 und bei einzelnen Ratingeinstufungen „eine eingehende Analyse aller verfügbaren maßgeblichen Informationen zugrunde gelegt und allen relevanten Faktoren, die die Bonität des Emittenten beeinflussen, Rechnung getragen“ werden muss,165 ist erfreulich und wird in ganz ähnlicher Form auch den RatingAgenturen vorgeschrieben.166 Es ändert jedoch nichts daran, dass es der Fondsverwalter selbst ist, dem die etwaige „interne“ Herabstufung eines vom Fonds gehaltenen Geldmarktinstruments letztlich überlassen bleibt, die ihrerseits so159
Art. 23 Kommissionsvorschlag vom 4.9.2013 für eine EU-GeldmarktfondsVO. Erwägungsgrund 39 zum Kommissionsvorschlag vom 4.9.2013 für eine EU-GeldmarktfondsVO. 161 Siehe vorstehend aa). 162 Siehe schon einleitend § 2 IV 2. 163 Vgl. Artt. 16–20 Kommissionsvorschlag vom 4.9.2013 für eine EU-GeldmarktfondsVO. 164 Art. 16 Abs. 2 Satz 1 Kommissionsvorschlag vom 4.9.2013 für eine EU-GeldmarktfondsVO. 165 Art. 16 Abs. 3 lit. b Kommissionsvorschlag vom 4.9.2013 für eine EU-GeldmarktfondsVO: dazu EBA, EIOPA and ESMA, Joint Consultation Paper on Mechanistic references to credit ratings (7 Nov. 2013), Tz. 49: „… while retaining an obligation on the manager to have some regard to external ratings.“ 166 Siehe zu den Anforderungen der EG-RatingVO im Einzelnen noch § 25. 160
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dann zur Notwendigkeit einer Veräußerung trotz fallender Marktpreise führen kann (oder eben nicht) – die Konkretisierung der Mindestbonitätsschwelle durch diejenige Stelle, die durch eben diese Schwelle reguliert werden soll, kann nicht funktionieren. Wenn das von einer Rating-Agentur vergebene Rating eines Geldmarktinstruments unter die beiden höchsten „externen“ Ratingstufen herabgestuft wird, bleibt die Fondsverwaltung immerhin auch nach dem Kommissionsvorschlag verpflichtet, ihre interne Ratingeinstufung für dieses Geldmarktinstrument zu überprüfen167 (ohne das Downgrade freilich zwingend nachvollziehen zu müssen). In dieser Vorschrift zeigt sich, dass die Aussagekraft von Ratings als Beurteilung eines unabhängigen Dritten zwar weitgehend, aber nicht völlig ignoriert wird – ein Teilaspekt, der die grundsätzlichen Zweifel an der Tauglichkeit „interner“ Ratings freilich nicht zu beseitigen vermag.
4. Mindestratings und Risikobegrenzung bei bestimmten Anlagetechniken Eine dichte ratingbasierte Regulierung ist in den unterschiedlichen Rechtsordnungen schließlich dort nachweisbar, wo es um die Zulässigkeit von Anlagetechniken geht, die durch den Gesetzgeber als besonders risikoreich eingestuft werden.168 Hier wird die Fondsleitung häufig durch Mindestratingvorgaben in ihrer Entscheidungsfreiheit beschränkt, um das Interesse der Fondsanleger am Erhalt des Fondsvermögens zu schützen. Die Regulierungsfunktion des Ratings wird dabei auch in denjenigen Staaten eingesetzt, die in ihrem Fondsrecht im Übrigen nur wenige Ratingbezugnahmen verwenden. Übereinstimmend für wichtig wird das Urteil eines unabhängigen, fachkundigen Dritten danach dort gehalten, wo es um besonders riskante Anlagearten geht, zu denen Investitionen in Geldmarktinstrumente,169 Wertpapierleihen,170 Pensionsgeschäfte171 und Derivatgeschäfte172 gerechnet werden. Ein Mindestrating wird dabei gelegentlich auch in Regelungszusammenhängen vorgeschrieben, in denen es gar nicht um das Bonitätsrisiko, sondern um sonstige Risikoarten geht, was auf Missverständnisse auf Seiten der Gesetzgeber hinweist.173 a) EG-Recht (OGAW-Richtlinie): Ratings und Gegenparteirisiko bei Investitionen richtlinienkonformer Fonds in Geldmarktinstrumente In der EU sind neben der bereits angesprochenen Bezeichnung von Fonds174 auch die Investitionen, die „richtlinienkonforme“ Investmentfonds zulässiger167 168 169 170 171 172 173
Art. 16 Abs. 3 lit. d Kommissionsvorschlag vom 4.9.2013 für eine EU-GeldmarktfondsVO. Vgl. zum Schweizer Fondsrecht Friz/Gotschev, in Basler Komm., Art. 55 KAG Rn. 1. Unter a). Unter b). Unter c). Unter d). Siehe zu diesem allgemeinen Phänomen innerhalb der Regulierung durch Ratings noch § 17
III 2. 174
Oben II 3 b) aa).
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weise tätigen dürfen, gemeinschaftsrechtlich geregelt. Art. 19 Abs. 1 der einschlägigen EG-OGAW-Richtlinie enthält dabei in lit. h) auch Vorgaben für eine verhältnismäßig spezielle Anlageform, nämlich die Anlage in Geldmarktinstrumente, die nicht auf einem geregelten Markt gehandelt werden, sondern nur „over the counter“ (OTC). Da Geldmarktforderungen – anders als Beteiligungstitel oder Immobilien – keine Substanzwerte verbriefen, ist ihnen ein besonders hohes Risiko für die Erhaltung des Kapitalstocks immanent, weshalb wiederum der Beurteilung der Bonität der Gegenpartei eine herausgehobene Bedeutung zukommt.175 Richtlinienkonformen Investmentfonds ist eine Investition in OTC-Geldmarktinstrumente daher nur unter bestimmten Bedingungen gestattet, darunter u.a. dann, wenn das Geldmarktinstrument von einem Institut begeben oder garantiert wird, das zwar nicht nach gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen einer Aufsicht unterstellt ist, aber Aufsichtsbestimmungen unterliegt, die nach Auffassung der zuständigen Behörden „mindestens so streng sind wie die des Gemeinschaftsrechts“.176 Faktisch handelt es sich dabei vor allem um Instrumente solcher Institute, die außerhalb der EU (also in „Drittstaaten“) ansässig sind. Eine Ratingbezugnahme findet sich nun in der konkretisierenden Durchführungsbestimmung177 zu dieser Norm: Danach unterliegt ein Emittent dann „gleich strengen“ Aufsichtsbestimmungen, wenn er entweder seinen Sitz im EWR (Nr. 1) bzw. in einem zur Zehnergruppe gehörenden OECD-Land unterhält (Nr. 2) oder aber – unabhängig von seinem Sitz – mindestens über ein Investment-Grade-Rating verfügt (Nr. 3).178 Diese Ratingverwendung erscheint nicht unproblematisch, weil der Zweck von Aufsichtsbestimmungen sich typischerweise nicht in der Sicherung der Bonität eines beaufsichtigten Instituts erschöpft, das Rating aber eben nur zu diesem Merkmal eine Aussage enthält. Die richtlinienumsetzende Norm des deutschen Rechts (§ 194 Abs. 1 Nr. 5 KAGB179) hat die Ratingbezugnahme nicht übernommen, sondern orientiert sich an der (unbestimmteren) Formulierung der EG-OGAW-Richtlinie. Im deutschen Schrifttum wird der Zweck der Vorschrift aber ebenfalls – insoweit übereinstimmend mit dem bonitätsfokussierten Regelungsansatz – darin gesehen, durch eine typisierte Betrachtung eine hinreichende Emittentenbonität sicherzustellen,180 und ein Rating oberhalb des Investmentgrades wird auch hier als Anzeichen für einen ausreichenden Einlagen- und Anlegerschutz eines Geldmarktinstruments benannt.181 175
Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 113 Rn. 92c. Art. 19 Abs. 1 lit. h dritter Spiegelstrich EG-OGAW-Richtlinie. 177 Art. 6 Durchführungsrichtlinie 2007/16/EG zur EG-OGAW-Richtlinie. 178 Nr. 4 der Vorschrift erlaubt schließlich als Auffangvorschrift „mittels einer eingehenden Analyse des Emittenten“ den Nachweis, dass die für ihn geltenden Aufsichtsbestimmungen mindestens so streng sind wie die des Gemeinschaftsrechts. 179 Früher § 48 Abs. 1 Nr. 5 InvG. 180 Baur/Ziegler in BuB (Stand: 6/2008), Rn. 9/199b. 181 So bei Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 3. Aufl., Anh. § 113. 176
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b) Ratings und ausreichende Sicherheiten bei Wertpapierleihen (Securities Lending) Als „Wertpapierleihe“ wird im bankwirtschaftlichen Sprachgebrauch in Anlehnung an den englischen Begriff des Securities Lending eine Transaktion bezeichnet, bei welcher der „Verleiher“ (im vorliegenden Zusammenhang: ein Fonds) gegen ein Entgelt Wertpapiere auf unbestimmte oder bestimmte Zeit an einen Dritten überträgt mit der Maßgabe, dass dieser Wertpapiere von gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten hat.182 Das Schweizer und das deutsche Fondsrecht, welche Wertpapierleihen von Mindestratings abhängig machen, benennen diese abweichend als „Effektenleihe“183 bzw. – vertragstypologisch zutreffend – als „Wertpapier-Darlehen“.184 aa) Schweizer Recht: Effektenleihe durch Effektenfonds Eine Effektenleihe ist schweizerischen Effektenfonds dabei nur gestattet, wenn der Borger dem Fonds zur Absicherung des Rückerstattungsanspruchs ausreichende Sicherheiten verpfändet oder zu Eigentum überträgt.185 Die Anforderungen an die Sicherheiten sind dabei stark ratingbezogen ausgestaltet: Zum einen gilt dies für die Bestimmung derjenigen Vermögenswerte, die überhaupt als Sicherheiten zugelassen sind, weil hier ein Mindestrating sowohl bei kollektiven Kapitalanlagen, die ausschließlich in flüssigen Mitteln oder Geldmarktinstrumenten anlegen (also Geldmarktfonds),186 als auch bei Anleihen187 und Akkreditiven188 verlangt wird. Während die beschriebene Ratingverwendung durch die Schweizer Aufsichtsbehörde in der Vergangenheit immer weiter ausgebaut wurde – erst seit 2007 sind unter der Voraussetzung eines Mindestratings auch Geldmarktfonds als Sicherheiten zugelassen,189 bezüglich derer es sich also (was möglicherweise verkannt wurde) um ein Fondsrating handeln müsste – wurde die vorgegebene Ratinghöhe gleichzeitig schrittweise reduziert.190 Soweit die Nutzung von Anleihen öffentlicher Schuldner als Sicherheit betroffen ist, durchlief das schweizerische Fondsaufsichtsrecht dabei im Laufe der Zeit eine instruktive Entwicklung: Während zunächst überhaupt nur Anleihen öffentlicher Schuldner als Si182 Bachmann, ZHR 173 (2009), 596, 597; Fragos, ZBB 2005, 183; Kienle, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 105 Rn. 1; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 13.6. 183 Art. 55 lit. a KAG. 184 § 200 KAGB. Ausführlich zur vertragstypologischen Einordnung nach deutschem Recht Bachmann, ZHR 173 (2009), 596, 600 ff. 185 Art. 7 Abs. 3 lit. a KKV-FINMA. 186 Art. 8 Abs. 1 lit. b KKV-FINMA: „AAA“, „Aaa“ oder gleichwertig. 187 Art. 8 Abs. 1 lit. d KKV-FINMA: „A–“, „A3“ oder gleichwertig. 188 Art. 8 Abs. 1 lit. e KKV-FINMA: Emittentenrating der eröffnenden Bank von „A–“, „A3“ oder gleichwertig. 189 Diese waren zuvor gar nicht als Sicherheiten zugelassen. 190 Art. 18 Abs. 2 Nr. 3, 4 AFV-EBK verlangte in der Fassung vom 27.10.1994 (in Kraft bis 2001) bei Anleihen und Akkreditiven noch ein Rating von mindestens „AA“ bzw. „Aa“; vgl. Bertschinger, Securities Lending I, S. 60.
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cherheiten zugelassen waren (Obligationen irgendwelcher sonstiger Emittenten reichten nicht aus),191 kamen zwischen 1994 und 2001 neben „festverzinslichen Effekten von Bund, Kantonen und Gemeinden, von Zentralregierungen und Zentralbanken in OECD-Ländern sowie von multilateralen Entwicklungsbanken“,192 die – wie zuvor – ohne weiteres (d.h. ohne Mindestrating) zugelassen waren, nunmehr auch Anleihen privater Emittenten mit Mindestrating in Frage. Seit 2001 wird schließlich auch von staatlichen Emittenten aus fremden OECD-Ländern durchgehend ein Rating verlangt,193 und allein öffentliche Anleihen aus der Schweiz sind bis heute von jedem Ratingerfordernis befreit.194
Zum anderen hängt seit Inkrafttreten des KAG im Jahre 2007 auch der erforderliche Gesamtwert der zu stellenden Sicherheiten von deren Ratingeinstufung ab: Während grundsätzlich 105% des Verkehrswerts der ausgeliehenen Effekten verlangt werden, reicht bei Effekten mit einem Rating von mindestens „AAA“, „Aaa“ oder gleichwertig bereits eine Deckung von 102% aus.195 Sämtliche Ratingbezugnahmen beziehen sich dabei auf „ein langfristiges aktuelles Rating einer von der FINMA anerkannten Rating-Agentur“. Sinkt ein Rating unter das jeweils geforderte Mindestrating, so sind unter Wahrung der Interessen der Anlegerinnen und Anleger innerhalb einer angemessenen Frist neue, die Anforderungen erfüllende Sicherheiten zu leisten.196 bb) Deutsches Recht: Wertpapier-Darlehen durch richtlinienkonforme Fonds (bis 2013) Wertpapier-Darlehen sind eine weitere Anlageform, der eine „im Vergleich zu traditionellen Verwaltungsmaßnahmen erhöhte Risikostruktur“ konstatiert wird.197 Vor diesem Hintergrund dürfen richtlinienkonforme Fonds nach deutschem Recht Wertpapier-Darlehen nur gewähren, sofern dies in den Vertragsbedingungen vorgesehen ist198 und sie sich ausreichende Sicherheiten haben gewähren lassen.199 Auch das deutsche Investmentrecht griff in diesem Zusammenhang 191 So noch nach EBK-Rundschreiben Nr. 20 vom 24.9.1992; vgl. Forstmoser/Stadler, AFGKommentar (Stand: 1.1.1997), Art. 34 AFG Rn. 126. 192 Art. 18 Abs. 2 Nr. 2 AFV-EBK in der Fassung vom 27.10.1994. 193 So erstmals Art. 28 Abs. 1 lit. c AFV-EBK in der Fassung vom 24.1.2001; vgl. Den Otter, AFG, S. 300 f.: „bloße Mitgliedschaft in der OECD genügt nicht mehr“. Ebenso heute die Nachfolgevorschrift in Art. 8 Abs. 1 lit. d KKV-FINMA. Vgl. zur demgegenüber weit weniger differenzierten Privilegierung auch ausländischer Staatsanleihen im Rahmen der Eigenmittelanforderungen an Banken § 6 IV 3. 194 Art. 8 Abs. 1 lit. c KKV-FINMA für fest oder variabel verzinsliche Effekten von Bund, Kantonen und Gemeinden. 195 Art. 7 Abs. 3 lit. b Nr. 2 KKV-FINMA. (Eine entsprechende ratingbasierte Privilegierung war in der bis Ende 2008 geltenden Vorgängernorm des Art. 28 Abs. 3 lit. b AFV-EBK noch nicht enthalten.). 196 Art. 8 Abs. 2 KKV-FINMA. 197 Fragos, ZBB 2005, 183, 187; vgl. auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 12.126. 198 § 200 Abs. 1 Satz 1 KAGB (früher § 54 Abs. 1 Satz 1 InvG). 199 § 200 Abs. 2 Satz 1 KAGB (früher § 54 Abs. 2 Satz 1 InvG); vgl. Fragos, ZBB 2005, 183, 184; Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 3. Aufl., § 105 Rn. 59.
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auf Ratings zurück, wenngleich in versteckter Weise: Der bis 2013 geltende § 54 Abs. 2 Satz 5 InvG bestimmte nämlich, dass Schuldverschreibungen dann als Sicherheit geeignet waren, wenn sie zur Sicherung der in Art. 18.1 ESZB-Satzung genannten Kreditgeschäfte von der Europäischen Zentralbank oder der Deutschen Bundesbank zugelassen sind, und nahm damit auf eine Regelung Bezug, die – wie bereits an anderer Stelle erläutert200 – ihrerseits maßgeblich auf Ratings abstellt. Das im Eurosystem bis in jüngere Zeit verwandte „Single A“-Mindestrating fand folglich auch im deutschen Fondsrecht Anwendung, womit im Ergebnis dieselben Bonitätsanforderungen galten wie im schweizerischen Fondsrecht. Es handelte sich bei § 54 Abs. 2 Satz 5 InvG um ein Beispiel für eine mittelbar ratingbasierte Regulierung, die infolge ihrer rechtstechnischen Gestaltung anscheinend häufig übersehen wurde: Sie war jedenfalls, soweit ersichtlich, in keiner der „offiziellen“ Aufzählungen von Ratingbezugnahmen im deutschen Recht enthalten.201 Im Zuge der Ersetzung des InvG durch das neue KAGB wurde die Vorschrift sodann zum 22. Juli 2013 aufgehoben und durch den heutigen § 200 Abs. 2, 3 KAGB ersetzt, der seinerseits nicht auf die EZB-Satzung verweist. Der damit entfallene mittelbare Ratingbezug gehörte freilich nicht zu den Gründen dieser Umgestaltung, sondern wurde anscheinend gar nicht bemerkt;202 ein unauffälliges Beispiel für die Regulierungsfunktion von Ratings ist daher ebenso unauffällig wieder beseitigt worden. c) Ratings und Zulässigkeit von Pensionsgeschäften Seit einiger Zeit dürfen Investmentfonds sowohl nach deutschem wie auch schweizerischem Fondsrecht zudem Pensionsgeschäfte abschließen, die nach U.S.-amerikanischem Recht schon seit längerem zu den zulässigen Investitionen zählen.203 Ein Pensionsgeschäft zeichnet sich dadurch aus, dass Wertpapiere von einem Pensionsgeber an einen Pensionsnehmer mit der Maßgabe verkauft werden, dass die Wertpapiere bei Kontraktende zu einem festgelegten Preis zurückgekauft und die während des Pensionsgeschäfts anfallenden Erträge erstattet werden.204 Es wird daher verbreitet auch als Repo-Geschäft bezeichnet (für „sale and repurchase agreement“). Von Investmentfonds werden Pensionsgeschäfte
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Siehe § 7 II 3 a) aa). So namentlich nicht in Basler Ausschuss, Stocktaking on the Use of Credit Ratings (2009), S. 59 f. 202 Die Entstehungsmaterialien zu § 200 KAGB verweisen lediglich auf das Bestreben, die Anforderungen an Sicherheiten bei Wertpapierdarlehen künftig in Übereinstimmung mit den einschlägigen ESMA-Leitlinien zu börsengehandelten Indexfonds (Exchange-Traded Funds, ETF) und anderen OGAW-Themen vom 18. Dez. 2012 auszugestalten; vgl. RegE zum AIFM-UmsG, BT-Drs. 17/12294, S. 262. 203 Vgl. nur Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC), „Revised Policy Statement on Securities Lending“ vom 22. Juli 1997, 62 FR 40816 ff. (30. Juli 1997). 204 Vgl. die schweizerische Legaldefinition in Art. 11 lit. b Satz 1 KKV-FINMA. Nach deutscher Diktion handelt es sich hierbei um ein „echtes“ Pensionsgeschäft (vgl. § 340b Abs. 2 HGB). Aus U.S.-amerikanischer Sicht s. Schroeder, 46 Syracuse L. Rev. (1996), 999, 1005 f. 201
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primär zur Anlage überschüssiger Liquidität eingesetzt;205 es handelt sich – vor allem in den U.S.A. – um einen wirtschaftlich sehr bedeutenden Geschäftstyp für (vor allem Geldmarkt-)Fonds206 und einen Finanzmarktsektor von beträchtlicher Größe.207 aa) Schweizer Recht: Ratings und zulässiger Gegenstand von Pensionsgeschäften (1) Mindestrating bei Reverse Repos Eine Ratingbezugnahme findet sich im schweizerischen Aufsichtsrecht (nur) in den Vorschriften über Reverse Repos, also solche Pensionsgeschäfte, bei denen der Effektenfonds als Pensionsnehmer auftritt und die Effekten für die Dauer des Geschäfts hält: Gemäß Art. 15 KKV-FINMA darf ein Fonds im Rahmen solcher Repos nur fest oder variabel verzinsliche Effekten erwerben, die entweder durch einen staatlichen Emittenten aus der Schweiz begeben wurden208 oder ein Rating von mindestens „A–“, „A3“ oder gleichwertig einer anerkannten Rating-Agentur209 aufweisen. Sofern das Emissionsrating der erworbenen Anleihen unter das geforderte Mindestrating fällt, hat der Fonds das Reverse Repo unter Wahrung der Interessen der Anlegerinnen und Anleger innerhalb einer angemessenen Frist zu kündigen.210 (2) Ratingvorgabe zur Begrenzung von Kredit- oder Marktrisiko? Der Zweck dieser Mindestratingvorgabe, die sich auf den Gegenstand des Reverse Repos (nämlich die übertragenen Anleihen) bezieht, erschließt sich nicht sogleich: Da bei einem Reverse Repo der Rücknahmepreis unabhängig vom Wert des Pensionsgegenstands zum Zeitpunkt der Rücknahme zu entrichten ist, können sich negative Wertänderungen nämlich von vorneherein nur zu Lasten des Pensionsgebers auswirken,211 der also neben dem Kursrisiko der Effekten212 auch deren Ausfallrisiko trägt. Den Fonds trifft als Pensionsnehmer hingegen das Risiko der künftigen Zahlungsunfähigkeit des Pensionsgebers (also das Bonitäts-, Kredit- oder Gegenparteirisiko),213 über welches das von Art. 15 KKV-FINMA 205 SEC Release IC–24050 „Treatment of Repurchase Agreements and Refunded Securities as an Acquisition of the Underlying Securities“ (Proposed Rule) vom 23. Sep. 1999, 64 FR 52476 (29. Sep. 1999); Hördahl/King, Repo-Märkte, S. 3. 206 McGonigle, Diskussionsbeitrag, in: Developments in the Mutual Fund Industry, S. 9. 207 So für die U.S.A. Schroeder, 46 Syracuse L. Rev. (1996), 999, 1002. 208 Also den Bund, Kantone oder Gemeinden (Art. 15 Abs. 1 lit. a KKV-FINMA). 209 Maßgeblich ist insoweit die Anerkennung durch die FINMA (siehe FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 16); vgl. zu dieser noch näher in § 23 II 4 b). 210 Art. 15 Abs. 2 KKV-FINMA. 211 Böcking/Löw/Wohlmannstetter, in MünchKomm-HGB, § 340b Rn. 13; Schäfer/Cirpka/ Zehnder, § 4 BSpkG Anm. 17. 212 Art. 11 lit. b Satz 2 KKV-FINMA. 213 Böcking/Löw/Wohlmannstetter, in MünchKomm-HGB, § 340b Rn. 13; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 13.15; Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 538.
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verlangte Rating des Pensionsgegenstands aber nichts aussagt: Dieses wird vielmehr dadurch geregelt, dass Art. 13 Abs. 1 KKV-FINMA Pensionsgeschäfte nur mit „erstklassigen“ Gegenparteien gestattet,214 bei deren Definition das schweizerische Fondsrecht – anders als beim Gegenparteirisiko bei Derivatgeschäften215 – nicht explizit auf Ratings abstellt.216 Der Sinn eines Mindestratings für Pensionsgeschäftsgegenstände erschließt sich daher nur, wenn man mit einer verbreiteten Ansicht217 davon ausgeht, dass die übertragenen Wertpapiere dem Pensionsnehmer als (zumindest wirtschaftliche) Sicherheit für seinen Rückzahlungsanspruch dienen sollen. Da Sicherungsgegenstände mit möglichst niedriger Ausfallwahrscheinlichkeit die Gefahr reduzieren, dass der Pensionsnehmer im Falle eines Ausfalls des Pensionsgebers zusätzlich auch die Rechte aus den Wertpapieren nicht realisieren kann,218 würde die Ratingvorgabe hiernach also das Kreditrisiko des Sicherungsgegenstandes und damit mittelbar auch des besicherten Rückzahlungsanspruches begrenzen. Ob der Regelungszweck des Art. 15 KKV-FINMA hierdurch zutreffend charakterisiert wird, erscheint allerdings zweifelhaft: Als hauptsächliches Risiko, das den Pensionsnehmer bei einer Sicherheitenverwertung trifft, wird nämlich mit Recht das Marktrisiko benannt,219 also die Gefahr, dass die Wertpapiersicherheiten den Rückzahlungsanspruch in Folge eines Kursverfalls nicht mehr vollständig abdecken.220 Sofern die Gegenpartei des Pensionsgeschäfts ihrer Verpflichtung zum Rückerwerb der Wertpapiere nicht nachgekommen ist, wird der Effektenfonds die Wertpapiere typischerweise an der Börse221 veräußern, um sich aus dem erzielten Erlös zu befriedigen, und ist damit mit dem Marktrisiko der Papiere konfrontiert und kaum mit dem Kreditrisiko, d.h. der Gefahr eines Ausbleibens der Zins- und Rückzahlung. Da die hierarchisch übergeordnete Norm des Art. 76 Abs. 2 KKV zudem vorschreibt, dass die von den Gegenparteien zu leistenden Sicherheiten dem Umfang und dem Risiko der beabsichtigten Pensionsgeschäfte zu entsprechen haben, liegt es mithin nahe, dass die Ratingvorgabe für die Pensionsgeschäftsgegenstände vorrangig das Marktrisiko im Rahmen der Besicherung von Reverse Repos begrenzen soll. 214 Bertschinger, Securities Lending II, S. 97: „Bonitätskriterium“; ebenso Kroll/Wegmüller, in: Vogt/Watter, Art. 34 AFG Rn. 10. 215 Dazu sogleich unter d). 216 Dabei wird die „Erstklassigkeit“ einer Gegenpartei im Schrifttum durchaus mit einem „hohen Rating“ gleichgesetzt; so etwa Kroll/Wegmüller, in: Vogt/Watter, Art. 34 AFG Rn. 10 (zu Art. 33 Abs. 2 AFV a.F.). 217 Bachmann, ZHR 173 (2009), 596, 600; Bertschinger, Securities Lending I, S. 145 f.; Gesell, Wertpapierleihe, S. 154; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 13.15; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 7.10; a.A. Staudinger/Hopt/Mülbert, Vorbem. zu §§ 607 ff. Rn. 709. 218 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 13.15. 219 Hördahl/King, Repo-Märkte, S. 5. 220 Vgl. Fragos, ZBB 2005, 183, 187 (zu Wertpapierdarlehen). 221 Gemäß Art. 14 Abs. 1 KKV-FINMA dürfen Effektenfonds für Repos nur Effekten verwenden, die an einer Börse oder an einem anderen geregelten, dem Publikum offen stehenden Markt gehandelt werden.
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Die zugrunde liegende Annahme, das Marktrisiko einer Anleihe korreliere generell mit deren Ratinghöhe, ist zwar in der internationalen Vertragspraxis des Pensionsgeschäfts ebenso anzutreffen222 wie in anderen Regelungszusammenhängen.223 Sie erscheint gleichwohl bedenklich, weil Ratings als bloße Bonitätsbeurteilungen eben über das Marktrisiko keine unmittelbare Aussage treffen224 und folglich zu einem Regelungszweck eingesetzt werden, zu dessen Erreichung sie nicht geeignet sind. bb) U.S.-amerikanisches Recht: Mindestratings bei Pensionsgeschäften Wie bereits festgestellt, gestattet das U.S.-amerikanische Recht regulierten Investmentfonds grundsätzlich den Abschluss von Pensionsgeschäften, und zwar ohne spezifische Bonitätsanforderungen.225 Grenzen ergeben sich allerdings gleichsam mittelbar aus zwei regulatorischen Vorgaben:226 Zum einen ist es Fonds untersagt, Beteiligungen an bestimmten, im Wertpapierbereich tätigen Finanzinstituten zu erwerben227 (worunter auch der Abschluss von Pensionsgeschäften mit solchen Instituten fällt228), und zum anderen werden Fonds Diversifikationsvorgaben229 bezüglich ihrer Gegenparteien unterworfen, um eine übermäßige Risikokonzentration („Klumpenrisiko“) zu verhindern.230 (1) Mindestratingvorgabe für den Gegenstand privilegierter Pensionsgeschäfte (Rule 5b–3) Die im Jahre 2001 durch die SEC erlassene Rule 5b–3 zum Investment Company Act of 1940231 gestattet es dem Fonds nun, Pensionsgeschäfte unter bestimmten 222 Vgl. zur Abhängigkeit der gängigen Sicherheitsabschläge vom Marktrisikogehalt der betroffenen Sicherheiten Hördahl/King, Repo-Märkte, S. 5: bei Wertpapieren mit niedrigerem Rating werde „aufgrund ihrer höheren Preisvolatilität“ ein höherer Einschuss verlangt. 223 Siehe dazu bereits in § 6 I 1 b) bb) sowie zusammenfassend in § 17 III 2. 224 Darrow/Hitselberger/Cummings, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2002–2 Supplement, § 7.01[A]; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 158; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 402. 225 Vgl. allgemein Frankel, Regulation of Money Managers, Bd. 3, S. 231 f. 226 SEC Release IC–25058 „Treatment of Repurchase Agreements and Refunded Securities as an Acquisition of the Underlying Securities“ (Final Rule) vom 5. Juli 2001, 66 FR 36156, 36157 (11. Juli 2001). 227 § 12(d)(3) Investment Company Act of 1940: „It shall be unlawful for any registered investment company […] to […] acquire any security issued by or any other interest in the business of any person who is a broker, a dealer, is engaged in the business of underwriting, or is either an investment adviser of an investment company or an investment adviser registered under title II of this Act …“. 228 SEC Release IC–25058 vom 5. Juli 2001, 66 FR 36156, 36157 zur Auslegung des Begriffs „acquire any other interest in“; Frankel, Regulation of Money Managers, Bd. 3, S. 267. 229 Siehe zu diesbezüglichen Äquivalenten im deutschen und schweizerischen Recht bereits oben II 1. 230 § 5(b)(1) Investment Company Act of 1940 betr. diversified funds. 231 17 C.F.R. § 270.5b–3. Bereits vor Erlass der Rule 5b–3 hatte die SEC ähnliche Regelungen mittels individueller no action letters getroffen, die ihrerseits allerdings nicht auf Ratings verwiesen, und im Dezember 1997 eine ratingbasierte Vorgängerbestimmung in Rule 2a–7 aufgenommen.
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Bedingungen nicht als Ansprüche des Fonds gegen die Gegenpartei, sondern wie einen Kauf des Pensionsgegenstandes zu behandeln – eine aufsichtsrechtliche Fiktion, die als „look through“ bezeichnet wird, weil der Fonds gleichsam durch seinen tatsächlichen Vertragspartner hindurch auf den (im wirtschaftlichen Sinne ja nur sicherungshalber übereigneten232) Pensionsgegenstand und den Emittenten jenes Wertpapiers blicken darf. Durch diese „look through“-Privilegierung wird den Fonds der Abschluss von Pensionsgeschäften in der Sache überhaupt erst ermöglicht, weil als Gegenparteien solcher Transaktionen am U.S.-amerikanischen Finanzmarkt fast ausschließlich broker, dealer und Banken auftreten233 und regulierte Fonds daher von der Marktteilnahme ausgeschlossen wären, sofern die allgemeinen Beschränkungen der §§ 5(b)(1), 12(d)(3) Investment Company Act of 1940 nicht für Pensionsgeschäfte durchbrochen würden.234 Rule 5b– 3 verfügt dabei über einen weiten persönlichen Anwendungsbereich und gilt – anders als Rule 2a–7235 – nicht lediglich für Geldmarktfonds, sondern sämtliche registrierte Fonds. Die angesprochene Privilegierung von Pensionsgeschäften gegenüber anderen Investitionsarten besteht aber nur unter der Voraussetzung, dass das Geschäft als vollständig besichert („Collateralized Fully“) eingestuft wird. Sofern es sich bei dem Pensionsgegenstand nicht um Geldmittel oder U.S.-Staatsanleihen, sondern um sonstige Wertpapiere handelt, verlangt Rule 5b–3 hierfür, dass diese bei Abschluss des Pensionsgeschäfts durch mindestens eine NRSRO in der höchsten Ratingklasse (also „AAA“ oder vergleichbar) geratet sind.236 An die Mindestratinghöhe werden damit also deutlich strengere Anforderungen gestellt als im Schweizer Recht, wo ein „A–“-Rating für ausreichend erachtet wird.237 Zudem wird – wie schon in Rule 2a–7238 – die finanzielle und personelle Unabhängigkeit der NRSRO von Emittenten und Garanten der gerateten Wertpapiere vorgeschrieben.239 Nur sofern ein Wertpapier durch keine NRSRO geratet wurde, lässt Rule 5b– 3 es alternativ genügen, wenn die Leitung des Fonds das Wertpapier als bonitätsmäßig mit einem „AAA“-Rating vergleichbar einordnet;240 diese escape clause erlaubt es hingegen nicht, ein bestehendes, aber unterhalb des verlangten Mindest-
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Schroeder, 46 Syracuse L. Rev. (1996), 999, 1006. SEC Release IC–25058 vom 5. Juli 2001, 66 FR 36156, 36157; Schroeder, 46 Syracuse L. Rev. (1996), 999, 1004. 234 SEC Release IC–24050 „Treatment of Repurchase Agreements and Refunded Securities as an Acquisition of the Underlying Securities“ (Proposed Rule) vom 23. Sep. 1999, 64 FR 52476, 52477 Fn. 7 (29. Sep. 1999): „If funds are unable to enter into repurchase agreements with these counterparties, they effectively may be unable to participate in this market.“ 235 § 5(b)(1) Investment Company Act of 1940. 236 Rule 5b–3(c)(1)(iv)(C). 237 Siehe dazu bereits oben II 4 c) aa) (1). 238 Siehe dazu bereits oben II 3 a). 239 Rule 5b–3(c)(5). 240 Rule 5b–3(c)(1)(iv)(D). 233
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ratings liegendes NRSRO-Rating durch die abweichende Einschätzung der Fondsleitung zu ersetzen. (2) Ratingvorgabe zur Begrenzung von Markt- und Liquiditätsrisiko Zur Begründung der beschriebenen Anforderungen der Rule 5b–3 wird angeführt, dass Fonds bei der Beurteilung der Frage, ob ein Pensionsgeschäft ordnungsgemäß durchgeführt werden wird, generell vor allem auf den Wert und die Liquidität des (als Sicherheit dienenden) Pensionsgegenstandes, und weniger auf die Bonität der Gegenpartei schauen.241 Aus aufsichtsrechtlicher Perspektive wird dies für den zutreffenden Ansatz gehalten.242 Das vorgeschriebene Mindestrating des Pensionsgegenstandes rechtfertigt man vor diesem Hintergrund zum einen mit der These, dass Wertpapiere mit hoher Bonität geringen Kursschwankungen unterliegen,243 und zum anderen mit der Annahme, dass hoch geratete Wertpapiere über eine höhere Liquidität verfügen und daher bei Ausfall der Gegenpartei leichter verwertet werden können244 – Rule 5b–3 bezweckt also erklärtermaßen zum einen eine Begrenzung des Markt- und zum anderen des Liquiditätsrisikos, obgleich das hierzu eingesetzte Rating überhaupt nur zum Kreditrisiko eine Aussage trifft. Die Regelung ist daher schon aus diesem Grund denselben Zweifeln ausgesetzt wie ihr oben beschriebenes Äquivalent im Schweizer Recht. Rule 5b–3 erscheint noch weniger als geeigneter Anwendungsfall für die Regulierungsfunktion des Ratings, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass durch das darin aufgestellte Mindestrating nicht etwa allgemeine Bonitätsanforderungen für Fondsinvestitionen konkretisiert werden (die der Investment Company Act of 1940 nicht kennt245), sondern vielmehr eine Ausnahme vom Verbot in § 12(d)(3) Investment Company Act geregelt wird:246 Letztere Vorschrift hat aber mit der Begrenzung von Kreditrisiken gar nichts zu tun, sondern bezweckt vielmehr die generelle Trennung des Fondsgeschäfts von der Tätigkeit sonstiger Finanzinstitute im Wertpapierbereich,247 und zwar vor allem deshalb, um die Kun241
SEC Release IC–24050 vom 23. Sep. 1999, 64 FR 52476, 52477. In diesem Sinne schon SEC Release IC–13380 vom 11. Juli 1983, 48 FR 32555, 32560 Fn. 31. 243 SEC Release IC–25058 vom 5. Juli 2001, 66 FR 36156, 36158: „securities of lower quality may be subject to greater price fluctuation“, 36159: „This [rating] requirement is intended to ensure that the market value of the collateral will remain fairly stable …“; SEC Release IC–24050 vom 23. Sep. 1999, 64 FR 52476, 52479 Fn. 43. 244 SEC Release IC–25058 vom 5. Juli 2001, 66 FR 36156, 36159; SEC Release IC–24050 vom 23. Sep. 1999, 64 FR 52476, 52481: „This [rating] requirement is intended to ensure … that the fund will be able to liquidate the collateral quickly“. 245 Siehe dazu schon oben II 3 a) aa). 246 Vgl. Rule 5b–3(a): „For purposes of sections 5 and 12(d)(3) of the Act …“. Dass ein hohes Rating als Voraussetzung für eine Freistellung vom Diversifizierungsgebot des § 5 Investment Company Act of 1940 verwandt wird, begegnet hingegen keinen Bedenken, weil ein bonitätsstarker Pensionsgegenstand in der Tat die Bedeutung der Zahlungsfähigkeit der Gegenpartei und damit auch das „Klumpenrisiko“ reduziert. 247 H.R. Rep. No. 2639, 76th Cong., 3rd Sess. 8–10, 16 (1940); Frankel, Regulation of Money Managers, Bd. 3, S. 267. 242
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den von broker-dealern sowie die Anteilseigner des Fonds vor andernfalls drohenden Interessenskonflikten im Rahmen der Anlageberatung bzw. der Investitionsentscheidungen des Fonds zu schützen.248 Wenn ein hohes Rating von Pensionsgegenständen zur Voraussetzung für eine Freistellung von dieser Verbotsnorm gemacht wird, so lässt sich dies folglich nur mit der Annahme erklären, dass Finanzinstitute, die Repogeschäfte über bonitätsstarke Wertpapiere abschließen, in geringerem Maße Interessenskonflikten unterliegen als andere Finanzinstitute (oder diese besser bewältigen): Dies ist jedoch erkennbar eine Aussage, die der Bonitätsbeurteilung durch eine Rating-Agentur keinesfalls entnommen werden kann. (3) Keine Auswirkung des Dodd–Frank Acts auf Fortbestand der Ratingbezugnahme in Rule 5b–3 Rule 5b–3 enthielt ursprünglich noch weitere Ratingbezugnahmen, die im Oktober 2009 mit dem Ziel aufgehoben wurden, die Bedeutung von Ratings im Rahmen der U.S.-amerikanischen Finanzmarktregulierung zurückzudrängen.249 Die oben beschriebene Regelung bestand dagegen einstweilen fort. In Umsetzung der Vorgaben des Dodd–Frank Acts veröffentlichte die SEC im Jahre 2011 sodann einen neuen Reformvorschlag, welcher die Mindestratingvorgabe in Rule 5b–3 – insoweit in inhaltlicher Parallele zur gleichzeitig vorgeschlagenen Neufassung der Rule 2a–7250 – durch die Risikoeinschätzung des Leitungsorgans des regulierten Fonds bzw. des von diesem beauftragten Fondsmanagers ersetzt hätte.251 Obgleich eine Abschaffung der Ratingbezugnahme in Rule 5b–3 grundsätzlich als wünschenswert einzustufen ist, weil sie dort zur Messung anderer Risikoarten als des vom Rating allein behandelten Kreditrisikos eingesetzt wird, sah sich der Neuregelungsvorschlag denselben Vorbehalten ausgesetzt wie der Vorschlag zu Rule 2a–7, hätte er doch zu einer faktischen „Selbstregulierung“ des zu regulierenden Fondsmanagers geführt. Der Regelungsvorschlag wurde in der Folgezeit jedoch erklärtermaßen nicht weiterverfolgt,252 sodass die Regulierungsfunktion des Ratings in Rule 5b–3 einstweilen fortbesteht.
248 SEC Release IC–17096 (3. Aug. 1989); Frankel, Regulation of Money Managers, Bd. 3, S. 267; Kirsch, Investment Adviser Regulation, Stand: Release 7 (7/2002), § 10:3.2. 249 Vgl. SEC Release 34–60789, IC–28939 „References to Ratings of Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (Final Rule) vom 5. Okt. 2009, 74 FR 52358, 52362 (9. Okt. 2009). 250 Siehe dazu schon oben II 3 a) cc). 251 SEC Release 33–9193, IC–29592 „References to Credit Ratings in Certain Investment Company Act Rules and Forms“ (Proposed rule) vom 3. März 2011, 76 FR 12896, 12900 ff. (9. März 2011). 252 So SEC Release IC–30268 vom 19. Nov. 2012, 77 FR 70117 Fn. 4.
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d) Schweizer Recht: Ratings und Gegenparteirisiko bei Derivatgeschäften Schließlich werden auch Fondsinvestitionen in derivative Finanzinstrumente (Derivate)253 im Schweizer Recht besonderen Bedingungen unterworfen.254 Ratings spielen dabei insoweit eine Rolle, als es um die regulatorischen Anforderungen an die Bonität der Gegenpartei bei solchen Derivatgeschäften geht, die außerbörslich („over the counter“, OTC) abgeschlossen werden: Bei Geschäften dieser Art muss die Gegenpartei oder deren Garant ein aktuelles Mindestrating einer von der FINMA anerkannten Rating-Agentur aufweisen, nämlich für Verpflichtungen bis zu einem Jahr das höchste kurzfristige Rating (z.B. „P1“ oder gleichwertig) und für Verpflichtungen über ein Jahr ein langfristiges Rating von mindestens „A-“, „A3“ oder gleichwertig.255 Die letztgenannte Ratingschwelle war bis 2001 noch höher angesetzt (nämlich bei mindestens „AA“ bzw. „Aa“256), wurde dann aber abgesenkt, um vor allem dem zwischenzeitlich erfolgten „Downgrading“ der (wenigen) „big players“ in diesem Geschäft Rechnung zu tragen.257 Gemeint ist in den Vorschriften jeweils das „generelle“ Rating der Gegenpartei, nicht das (durch Moody’s angebotene, aber erst für eine begrenzte Anzahl von Marktteilnehmern zur Verfügung stehende) „Counterparty Rating“.258 Sofern das Rating einer Gegenpartei oder eines Garanten unter das geforderte Mindestrating sinkt, hat der Effektenfonds die noch offenen Positionen „unter Wahrung der Interessen der Anleger innerhalb einer angemessenen Frist“ glattzustellen.259 Der Fondsleitung wird damit ein gewisser Ermessenspielraum eingeräumt, der etwa bei extremen Marktverhältnissen ein vorübergehendes Festhalten am Derivatgeschäft erlaubt und dadurch die Folgen einer Ratingherabstufung abmildert. Das geltende Recht trägt damit der berechtigten Kritik im Schrifttum260 an der bis 2001 geltenden Regelung Rechnung, die bei Unterschreiten des Mindestratings noch ausnahmslos eine „sofortige“ Glattstellung verlangt hatte.261 Die regulatorische Ratingbezugnahme in diesem Bereich wird im Schrifttum gleichwohl uneinheitlich bewertet: Während als positiv verzeichnet wird, dass die Verwendung von Mindestratings den Umgang mit Gegenparteirisiken für die
253 Zum Begriff siehe Art. 25 KKV-FINMA. Auf der Ebene von KAG und KKV wird der Begriff dagegen offen gelassen; vgl. Hünerwadel/Tranchet, in Basler Komm., Art. 56 KAG Rn. 5. 254 Die gesetzliche Grundnorm findet sich in Art. 56 KAG; vgl. auch Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 508. 255 Art. 33 Abs. 1 KKV-FINMA (so zuvor bereits Art. 7 Abs. 1 AFV-EBK). Die Gegenpartei muss allerdings nicht zwingend sowohl über ein kurz- wie auch ein langfristiges Rating verfügen; so aber Hünerwadel/Tranchet, in Basler Komm., Art. 56 KAG Rn. 11. 256 So noch Art. 5 Abs. 2 lit. b AFV-EBK in der Fassung vom 27.10.1994. 257 So Den Otter, AFG, S. 278 (zu Art. 7 Abs. 1 AFV-EBK). 258 Forstmoser/Stadler, AFG-Kommentar (Stand: 1.1.1997), Art. 34 AFG Rn. 250 (zu Art. 5 Abs. 2 AFV-EBK a.F.). 259 Art. 33 Abs. 2 KKV-FINMA (so zuvor bereits Art. 7 Abs. 3 AFV-EBK). 260 Vgl. Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 124. 261 Art. 5 Abs. 2 AFV-EBK in der Fassung vom 27.10.1994; vgl. dazu Forstmoser/Stadler, AFG-Kommentar (Stand: 1.1.1997), Art. 34 AFG Rn. 252.
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Fondsleitung vereinfacht,262 wird die strikte Ausgestaltung der Ratinganforderung kritisch gesehen: Das vorgeschriebene Mindestrating, durch welches in der Tat eine Markteintrittsbedingung für Gegenparteien in OTC-Kontrakten statuiert wird,263 führe zu einer Diskriminierung derjenigen Finanzinstitute, die kein anerkanntes Rating aufweisen, durch welche häufig die Depotbank als Gegenpartei der Fondsleitung ausgeschlossen werde.264 Man bezweifelt, ob dies in jedem Fall dem in Art. 1 KAG als Kardinalsatz postulierten Anlegerschutz dient.265 Von einer „Diskriminierung“ kann freilich kaum eine Rede sein, weil der Ausschluss bestimmter Gegenparteien auf deren mangelnder Bonität und damit einem sachlichen Kriterium beruht, das zum Anlegerschutz auch und gerade in den Fällen eingreifen sollte, in denen Zweifel an der (für die konkrete Sicherheit des betroffenen Fonds ohnehin zentralen) Depotbank auftritt. Drohende systemische Risiken, die aus der Ratingbezugnahme resultieren könnten, werden zudem durch die nunmehr „weiche“ Ausgestaltung des Ausstiegsgebots bei Downgrades sowie dadurch begrenzt, dass die Ratingschwelle nicht auf das allgegenwärtige „investment grade“ festgelegt wurde. Nach alledem ist bezüglich des Art. 33 KKV-FINMA letztlich nichts zu erinnern.
III. Private Regelsetzung zu Investitionen durch Fonds: Ratingbezugnahmen in internen Anlagerichtlinien Die Regulierungsfunktion des Ratings wurde in der bisherigen Untersuchung fast ausnahmslos im Zusammenhang mit gesetzlichen Ratingbezugnahmen thematisiert, denen eine erhebliche Bedeutung zukommt. Sie ist jedoch in formeller Hinsicht keineswegs auf diesen Bereich beschränkt, sondern findet ein weiteres zentrales Anwendungsfeld in der privaten Regelsetzung, in der Ratings verbreitet in vertraglichen „rating triggern“266 sowie – im vorliegenden Sachzusammenhang interessierend – in internen Regelwerken von Fondsgesellschaften zum Einsatz gelangen.267
1. Regulierungsfunktion des Ratings in internen Anlagerichtlinien Unabhängig von der organisationsrechtlichen Verfassung der Investmentfonds lässt sich international fast einheitlich konstatieren, dass Fondsleitungen oder 262
Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 125. Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 124 m. Fn. 249. 264 So Forstmoser/Stadler, AFG-Kommentar (Stand: 1.1.1997), Art. 34 AFG Rn. 253 (zu Art. 5 Abs. 2 AFV-EBK a.F.). 265 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 124 (zu Art. 5 Abs. 2 AFV-EBK a.F.). 266 Siehe dazu noch ausführlich in § 16. 267 Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 14 umschreiben diese Spielart der Regulierungsfunktion des Ratings als „somewhat less formal or legalistic“. 263
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-manager – in der Sache also diejenigen Organe, welche die Anlageentscheidungen mit Wirkung für das Fondsvermögen treffen – fondsinternen Anlagerichtlinien unterworfen werden.268 Diese Richtlinien schränken den Entscheidungsspielraum der Entscheidungsträger ein, um zu verhindern, dass Fondsmanager die eigene Vergütungsaussicht durch Inkaufnahme zusätzlicher Risiken verbessern, die zu Lasten der Anleger gehen;269 sie verfolgen daher denselben Zweck wie gesetzliche Anlagevorschriften270 und ergänzen diese insoweit. Interne Anlagerichtlinien blicken bei U.S.-amerikanischen Fonds bereits auf eine lange Geschichte zurück und waren dort schon in den 1920er Jahren nachweisbar, als es an einer gesetzlichen Regulierung der Fondsbranche noch weitgehend fehlte.271 Inhaltlich verwiesen sie schon bald auf Ratings, um die Mindestbonität für zulässige Investitionen zu definieren,272 wobei eine Orientierung an den zu dieser Zeit eingeführten Ratingbezugnahmen in gesetzlichen Anlagevorschriften für Geschäftsbanken273 eine Rolle gespielt haben mag.274 Heute gehören ratingbasierte Anlagerichtlinien nicht nur bei Fonds in den U.S.A. zum Marktstandard,275 sondern werden gleichermaßen aus Deutschland276 und der Schweiz277 berichtet. Die interne Fondsregulierung wird daher – gemeinsam mit vergleichbaren Anlagerichtlinien anderer institutioneller Investoren – zu einem der wichtigsten Anwendungsfälle der Regulierungsfunktion des Ratings gezählt.278 268 Zur Empirie vgl. etwa Haight/Engler/Smith, 15 JOI (Fall 2006), 47, 48: 96% der untersuchten U.S.-amerikanischen college endowment funds besaßen schriftliche Anlagerichtlinien. 269 Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 14; Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 14. 270 Oben II. 271 Damals wurden die aufkommenden mutual funds hinsichtlich ihrer Investitionen sog. „approved lists“ unterworfen, die das Fondsmanagement nur nach Mitteilung an die Anteilseigner modifizieren konnte; vgl. Robertson, Fund Governance, Stand: Release 2 (2003), § 1.01[5][b][i]. 272 Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 22 ff. mit Klauselbeispielen; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 412 f. 273 Siehe § 7 I 1 a). 274 So Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 73 f. 275 Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 14. Vgl. als Beispiel etwa Investment Trust of California (CalTrust), Information Statement for the Shares Program vom 24. Februar 2005 (geändert am 18. April 2007), wo Investitionen in Commercial Paper, in Medium-Term Notes (Schuldverschreibungen mit mittlerer Laufzeit), in Anteile von Geldmarktfonds und in Verbriefungen durchgehend von einem NRSRO-Mindestrating abhängig gemacht werden. 276 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8. 2003, S. 3. 277 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 94; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 54 f. Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 156 (zu Schweizer Pensionskassen). 278 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 879; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1; Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 551; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 9; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 186; Hoffmann/Baron, ZBB 2005, 317, 318; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 151; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 4; Schipporeit, BFuP 2005, 264; Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 292; Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 3.
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Die jüngste empirische Untersuchung zur Ratingverwendung in Anlagerichtlinien stammt aus dem Jahr 2007 und bezieht sich auf Investmentfonds aus den U.S.A. und Europa (darunter Fonds aus Deutschland und der Schweiz).279 Sie belegt die überragende Bedeutung von Ratingbezugnahmen in diesem Bereich – nicht weniger als 89% der befragten Fonds setzen in ihren Anlagerichtlinien ausdrückliche Ratingbezugnahmen ein. Ratings werden dabei am häufigsten zur Festlegung einer generellen Mindestbonitätsanforderung für zulässige Fondsinvestitionen verwandt (76%), daneben aber auch zur Statuierung von Deinvestitionsvorgaben nach Ratingherabstufungen, an das Rating geknüpfter Diversifizierungsvorgaben sowie für Zwecke der Portfoliotransparenz gegenüber den Fondsanteilseignern eingesetzt. Die Verwendung von Ratings im Rahmen der privaten Regelsetzung wird im Übrigen durch europäische und U.S.-amerikanische Fonds fast einheitlich gehandhabt, unterliegt also keinen regionalen Einflüssen.
2. Das „investment grade“ als einheitliches Mindestrating Blickt man auf die Ausgestaltung der Ratinganforderungen in den verschiedenen Anlagerichtlinien, so sollte anzunehmen sein, dass dabei unterschiedlichste Ratinggrenzen Verwendung finden: Unterschiedliche Investmentfonds verfolgen schließlich unterschiedliche Anlagestrategien,280 und zudem finden sich auch unter den gesetzlichen festgelegten Mindestratings281 eine Reihe verschiedener Ratingschwellen. Es überrascht daher, dass in internen Anlagerichtlinien international praktisch einheitlich das „investment grade“ als Mindestrating definiert wird und andere Ratinggrenzen fast nie anzutreffen sind. Die überragende Bedeutung des „investment grade“ bei dieser Ratingverwendungsart wird im Schrifttum fast ausnahmslos konstatiert282 und ist zudem durch empirische Untersuchungen bestätigt worden, in denen bei fast 90% der befragten Fonds ein Abstellen auf die „investment grade“-Schwelle nachgewiesen wurde.283 Die einheitliche Verwendung derselben Ratingschwelle durch die große Mehrheit der institutionellen Investoren hat erhebliche Folgen für die Wirkung von Ratingdowngrades, welche die „investment grade“-Schwelle überschreiten und den betroffenen Emittenten bzw. die betroffene Emission daher in den „non-investment grade“-Bereich herabstufen: In einem solchen Fall zwingen die Anlage279
Vgl. Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 15 ff. Vgl. Hoffmann/Baron, ZBB 2005, 317, 318; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 4. 281 Dazu schon oben II. 282 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 5; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 10; Howe, in: Fabozzi, Handbook of Fixed Income Securities, S. 343, 370; Justensen, 35 J. Corp. L. (2009), 193, 196; Krämer, StB 2004, 14, 18; Leuering, Praxisprobleme der Ad-hoc-Mitteilungspflicht, S. 171, 186 f.; Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 8; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 196; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 156; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 658; Witte/ Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 91; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347. 283 Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 18. Ähnlich Haight/Engler/ Smith, 15 JOI (Fall 2006), 47, 50 in einer Untersuchung von 200 U.S.-amerikanischen college endowment funds. 280
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richtlinien die jeweiligen Fondsleitungen übereinstimmend und zeitgleich zur Veräußerung der Anleihe oder des strukturierten Finanzinstruments284 und erzeugen damit eine kumulative Wirkung, welche den Kurs des betreffenden Wertpapiers sturzartig fallen lässt. Die empirisch nachgewiesenen, heftigen Kurseffekte bei Verlust eines „investment grade“-Ratings, die im Text285 berichtet wurden, lassen sich damit auf einen „Synchronisierungseffekt“ des Rechts286 zurückführen, der durch das Zusammenwirken unabhängig voneinander aufgestellter, aber inhaltsgleicher Anlagerichtlinien entsteht. Dieser wirft die Frage nach einer rechtlichen Kontrolle entsprechender Ratingverwendungen auf, die an anderer Stelle noch zu thematisieren sein wird.287
IV. Verbot eines übermäßigen Rückgriffs auf Ratings Die Bedeutung von Ratings für Investitionsentscheidungen der Investmentfonds hat in jüngster Zeit nun erstmals zu gesetzgeberischen Reaktionen geführt, mittels derer man einem „übermäßigen“ Rückgriff der Fonds auf Ratings entgegenzuwirken versucht.
1. Europäisches und deutsches Fondsrecht: Verbot des übermäßigen Rückgriffs auf Ratings So schreiben EU-Richtlinien zum Fondsrecht seit 2013 ausdrücklich vor, dass sich die Leitungen von OGAW288 und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EBAV)289 ebenso wie Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM)290 bei der Vornahme von Bonitätsbewertungen „nicht ausschließlich oder automatisch“ auf Ratings stützen dürfen.291 Zudem haben die mitgliedstaatlichen Auf284 Däubler, NJW 2003, 1096; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 186; Siebel, BFuP 2005, 260, 261. Die Auswirkungen von Mindestratings in Anlagerichtlinien als weniger stark einschätzend Cantor, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 27, 30: „But it is very rare to find asset managers who simply must sell a bond when an issuer is downgraded …“. (Der Autor ist Chief Credit Officer der Rating-Agentur Moody’s.). 285 Dazu § 5 II 2 c). 286 Siehe dazu noch § 17 IV. 287 Siehe § 31 III sowie sogleich im Text unter IV. zu entsprechenden Vorgaben des neueren EU-Fondsrechts. 288 Art. 51 Abs. 1 Unterabs. 1 EG-OGAW-Richtlinie. Eine sachlich identische und personell auch für Fonds geltende Vorgabe enthält Art. 5a Abs. 1 EG-RatingVO. 289 Art. 18 Abs. 1a EG-EBAV-Richtlinie. 290 Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 EU-AIFM-Richtlinie. Eine sachlich identische und personell ebenfalls für OGAW, EBAV und AIF geltende Vorgabe findet sich auch in Art. 5a Abs. 1 EG-RatingVO; siehe dazu noch § 31 II 3. 291 Die vorstehend zitierten Vorgaben wurden sämtlich eingefügt durch Richtlinie 2013/14/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Richtlinie 2003/ 41/EG über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge, der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften
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sichtsbehörden die soeben behandelte292 Verwendung von Bezugnahmen auf Ratings in der Anlagepolitik von Fonds zu bewerten und, falls angezeigt, die Milderung der Auswirkungen solcher Bezugnahmen anzuregen, um dem ausschließlichen und automatischen Rückgriff auf derartige Ratings entgegenzuwirken.293 In Deutschland gab die zuständige BaFin daraufhin eine entsprechende Anpassung ihrer Verwaltungspraxis im Hinblick auf die Verwendung externer Ratings und die Durchführung eigener Kreditrisikobewertungen durch Versicherungsunternehmen und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung bekannt.294 Sie hält es dabei allerdings für ausreichend, wenn die eigene Kreditrisikobewertung in Form einer Plausibilisierung der externen Ratingbeurteilungen (etwa anhand des Ratingberichts der Rating-Agentur) vorgenommen wird; diese sei nachprüfbar zu dokumentieren. Nur bei einer im Vergleich zum externen Rating besseren eigenen Bewertung der Forderung muss die Fondsleitung neben der beschriebenen qualitativen Beurteilung eine angemessene quantitative Bewertung hinzufügen.295 Seltsam erscheint, dass die neuen EU-Regelungen den Fondsleitungen ausdrücklich nur das mechanische Verlassen auf solche Ratings verbieten, die von Rating-Agenturen „im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b EG-RatingVO“ abgegeben worden sind:296 Da die EG-RatingVO ausweislich ihres Art. 2 Abs. 1 aber überhaupt nur für Ratings gilt, die von in der Gemeinschaft registrierten Rating-Agenturen297 abgegeben werden, würden die Regelungen den praktischen Regelfall – nämlich das Sichverlassen auf Ratings der drei großen U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen – damit genau genommen gar nicht erfassen. Man wird diesem unsinnigen Ergebnis wohl nur dadurch entgehen können, dass man die Vorschriften über ihren Wortlaut hinaus auf jedes Rating bezieht.
2. Zweck der Regelung und Bewertung Das Verbot des „mechanischen“ Sichverlassens auf Ratings soll ausweislich der es einführenden EU-Richtlinie dem Zweck dienen, „die Qualität der von EBAV, OGAW und AIF [also regulierten Investmentfonds] getätigten Anlagen zu verbessern und dadurch die Anleger dieser Fonds zu schützen“.298 Ob es zur Errei292 betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds im Hinblick auf übermäßigen Rückgriff auf Ratings, ABl. EU vom 31.5.2013, Nr. L 145, S. 1 ff. Sie sind ausweislich Art. 4 Abs. 1 dieser Änderungsrichtlinie bis zum 21. Dezember 2014 durch die EU-Staaten umzusetzen. 292 Unter III. 293 Art. 51 Abs. 3a EG-OGAW-Richtlinie; Art. 15 Abs. 3a Unterabs. 1 EU-AIFM-Richtlinie; Art. 18 Abs. 1a EG-EBAV-Richtlinie; ebenso Art. 5a Abs. 2 EG-RatingVO. 294 Vgl. näher BaFin, Hinweise zur Verwendung externer Ratings und zur Durchführung eigener Kreditrisikobewertungen vom 23. Okt. 2013. 295 BaFin, Hinweise … vom 23. Okt. 2013, sub. I 2. 296 Art. 51 Abs. 1 Unterabs. 1 EG-OGAW-Richtlinie; Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 EU-AIFMRichtlinie; Art. 18 Abs. 1a EG-EBAV-Richtlinie. 297 Siehe zur Registrierung von Rating-Agenturen nach der EG-RatingVO noch § 22 II 2. 298 So Erwägungsgrund 2 zur Änderungsrichtlinie 2013/14/EU vom 21. Mai 2013, durch welche die entsprechenden Klauseln in die EU-Richtlinien zum Fondsrecht eingefügt wurden.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
chung dieses Ziels taugt, muss allerdings aus mehreren Gründen zweifelhaft erscheinen: Zum einen würde dies voraussetzen, dass von Fondsleitungen präzisere Bonitätseinschätzungen zu Investitionsobjekten erwartet werden können als von Rating-Agenturen, weil nur so eine Verbesserung von Anlagen“qualität“ und Anlegerschutz ermöglicht würde. Ein solcher Kompetenzvorsprung von Fonds gegenüber den auf Bonitätsbeurteilungen spezialisierten Rating-Agenturen kann realistischerweise aber kaum angenommen werden,299 wie Coffee kürzlich treffend betonte: „‚do-it-yourself‘ financial analysis of opaque debt instruments is no more feasible for most financial institutions than ‚do-it-yourself‘ brain surgery.“300 Zum anderen ist der klassische principal-agent-Konflikt in Erinnerung zu rufen, der zwischen Fondsleitung und Fondsanlegern anerkanntermaßen besteht301 und dessen Bewältigung ein wesentlicher Teil des Fondsrechts gewidmet ist: Da der Rückgriff auf Ratings (insbesondere in Anlagerichtlinien) aber gerade den Zweck verfolgt, den Spielraum für eigene Bonitätsbeurteilungen der Fondsleitung durch die Inbezugnahme externer Ratings – also der Bonitätsbeurteilung eines unabhängigen Dritten – zu beschränken, um dadurch dessen Ausnutzung zum Nachteil der Anlegerinteressen zu verhindern, dient es kaum dem Schutz eben jener Anleger, wenn die Fondsleitung wieder von dieser Bindung freigestellt wird. Das Verbot der ausschließlichen oder automatischen Entscheidungsausrichtung an Ratings dient daher richtigerweise nicht dem Schutz der Anleger des einzelnen Fonds, sondern trägt allenfalls zum Schutz des Finanzmarktes in seiner Gesamtheit vor systemischen Risiken bei, die aus einem übermäßigen Einfluss von Ratings auf Investitionsentscheidungen von Anlegern erwachsen können:302 Unter letzterem Gesichtspunkt kommt es nämlich nicht darauf an, inwieweit der Rückgriff auf Ratings dem Anlegerinteresse dient, sondern schlicht darauf, dass nicht alle Marktteilnehmer in gleicher Weise den Ratings weniger Agenturen folgen. Auf diesen Fragenkreis wird im Dritten Teil der vorliegenden Untersuchung noch einzugehen sein.303
V. Ratings als Konkretisierung allgemeiner Sorgfaltsmaßstäbe für Investitionen durch Fonds Das U.S.-amerikanische Recht räumt Ratings schließlich dort Bedeutung ein, wo es um die Konkretisierung allgemeiner Sorgfaltsmaßstäbe geht, die Fondsleitungen bei der Auswahl der Investitionsobjekte zu beachten haben. Sofern kei299
Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 229. Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 233. 301 Dazu schon einleitend oben unter I. 302 Hierfür spricht auch die systematische und in Erwägungsgrund 4 zur Änderungsrichtlinie 2013/14/EU vom 21. Mai 2013 anerkannte Nähe dieser fondsrechtlichen Regelungen zum allgemeiner gefassten Art. 5a EG-RatingVO, der ebenfalls der Erhöhung der Finanzmarktstabilität dient. 303 Siehe § 31 II 3. 300
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nes der oben im Text erörterten304 Spezialgesetze eingreift, ist insoweit regelmäßig die prudent person rule einschlägig, die – ursprünglich unter der Bezeichnung prudent man rule – in der Rechtsprechung zum Common Law des trusts entwickelt wurde305 und den trustee bei der Anlage von Trustvermögen verpflichtet, „to observe how men of prudence, discretion and intelligence manage their own affairs, not in regard to speculation, but in regard to the permanent disposition of their funds, considering the probable income, as well as the probable safety of the capital to be invested“.306 Da die Rechtsfigur des trusts im Common Law eine ganze Reihe treuhänderischer Verhältnisse erfasst, die in Civil Law-Rechtsordnungen spezialgesetzlich (etwa im Recht der Vermögens- und Nachlassverwaltung) kodifiziert sind,307 ist auch die prudent person rule durch Gerichtsentscheidungen zu den unterschiedlichsten Sachkonstellationen näher ausgeformt worden. Sie findet mit diesem sachgebietsübergreifend entwickelten Inhalt namentlich dort Anwendung, wo es um Investitionen für einen common fund trust geht.308 Zur Konkretisierung der prudent man-Formel ist in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung dabei schon früh auf Publikationen der Rating-Agenturen abgestellt worden, um die Sorgfalt des trustees bei der Risikoprüfung zu beurteilen: Die erfolgte Berücksichtigung entsprechender Veröffentlichungen wurde als Indiz für die prozedurale Sorgfalt,309 deren Nichtberücksichtigung hingegen als Indiz für Nachlässigkeit eingeordnet.310 Darüber hinaus wurde bald auch an die Höhe des jeweiligen Ratings angeknüpft, soweit die sorgfältige Auswahl des Anlagegegenstandes in Rede stand: Verfügte eine Anleihe zum Erwerbszeitpunkt über ein gutes Rating, so galt der prudent person-Maßstab als gewahrt,311 wäh304 305 306 307 308
Unter II 2 a). Die Leitentscheidung ist Harvard College v. Amory, 10.1.1831, 26 Mass. (9 Pick.) 446 (1830). Harvard College v. Amory, 10.1.1831, 26 Mass. (9 Pick.) 446, 461 (1830). Vgl. nur Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 3 III. First Alabama Bank of Montgomery, N.A. v. Martin, 20.8.1982, 428 So.2d 415, 429 (Ala.
1982). 309
So zur Konsultation von Poor’s Manual vor Erwerb einer Eisenbahngesellschaftsanleihe In re Bartol, 11.10.1897, 182 Pa. 407, 416: „It must be conceded under the evidence, that the trustees used all the care that a person of ordinary care and prudence would use in determining upon an investment of his personal funds.“ 310 Zur Investition für einen common trust fund siehe First Alabama Bank of Montgomery, N.A. v. Martin, 20.8.1982, 428 So.2d 415, 422 (Ala. 1982): „Mr. Davis testified that […] he saw little difference between a stock rated B+, or median, and one rated B, or speculative, that he did not think the rating services understood their business […] this evidence, taken together, supports the holding of the trial court that First Alabama was imprudent with regard to purchases made for the equity fund.“ Vgl. auch Goodman, Fin. Analysts J. (May/June 1968), 59, 60: „To avoid charges of negligence, they ,play it safe‘ by investing in bonds rated A or better.“ 311 In re Detre’s Estate, 20.3.1922, 117 A. 54, 56: „In Moody’s Manual for 1914, these … bonds are rated: Security, very high; Salability, good; net rating, ,A‘. […] They were, when bought in 1915, and yet are, good bonds“; In re Winburn’s Will, 28.4.1931, 249 N.Y.S. 758, 762 f.: „The stocks other than the bank stocks are given a rating in Moody’s Book of Stock Ratings – some as A, others AA, BA, and B. […] There is a distinction between seasoned securities of the character here involved and investments in speculative securities …“.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
rend eine niedrige Ratingeinstufung das Gegenteil indiziert.312 Was im Einzelnen als hinreichend „gutes“ Rating angesehen wurde, variierte dabei freilich. In jüngerer Zeit tendiert die Rechtsprechung dazu, auch in diesem Bereich das „investment grade“ als maßgebliche Schwelle zu behandeln313 – eine Entwicklung, die sich vermutlich auf die verbreitete regulatorische Verwendung dieser Schwelle in anderen gesetzlichen Vorschriften zurückführen lässt, die insoweit auf die Rechtsprechung zum überkommenen Common Law ausstrahlt. Im Ergebnis wird damit ein starker Anreiz für trustees geschaffen, schon im eigenen Interesse nur Investitionsobjekte mit „investment grade“-Rating auszuwählen, weil sie sich so gegen eine etwaige Haftung absichern.314 Eine Verwendung von Ratings zur Konkretisierung allgemeiner Sorgfaltsmaßstäbe wird vereinzelt auch zu den Fondsrechten anderer Rechtsordnungen vorgeschlagen, wie etwa zur Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns des deutschen Rechts (§ 26 Abs. 1 KAGB; früher § 9 Abs. 1 InvG).315 Sie hat hier aber bislang keine praktische Bedeutung erlangt, die derjenigen in den U.S.A. vergleichbar wäre,316 und müsste sich heute zudem am kürzlich eingeführten Verbot des übermäßigen Rückgriffs auf Ratings317 messen lassen.
VI. Zusammenfassende Würdigung 1. Rechtsvergleichender Befund Die Untersuchung der ratingbasierten Regulierung von Fonds hat deutlich gemacht, in welch umfangreicher Weise Ratings das Anlageverhalten dieser wichtigen institutionellen Investoren rechtlich steuern. Die Regulierungsfunktion des 312 Vgl. die Differenzierung in In re Cook’s Trust Estate, 23.3.1934, 171 A. 730 (Del.Ch. 1934): „The bonds of the four issues were selected by the trustee largely upon the recommendation of a broker. It appears that those of the Childs Company and American Water Works Company were given only a fourth rating by standard investment appraisers, while the Equitable Office Building bonds were given a sixth rating. I am of opinion that the trustee in the purchase of those bonds did not exercise that degree of care which an ordinarily prudent man would have exercised in the investment of funds belonging to another. The safety of the principal which should have been the first consideration was unreasonably exposed to jeopardy. As to the Atlantic Coast Line bonds, while they were without the protection of security, yet they appear to have been highly regarded at the time they were purchased. They enjoyed the most favorable rating. My conclusion with respect to them is that the trustee should not be taxed with their shrinkage in value.“ 313 Siehe zur Rechtsprechung im Bereich der ERISA-Pensionsfonds bereits oben unter V. 314 Coffee, Gatekeepers, S. 293 f.; ders., 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 235; Justensen, 35 J. Corp. L. (2009), 193, 196. 315 So von Randow, ZBB 1995, 140, 153 (noch zu § 10 Abs. 1 Satz 1 KAGG). 316 Freilich werden die betreffenden Entscheidungsträger vielfach schon zur Vermeidung eines etwaigen Pflichtverletzungsvorwurfs sowie möglicher Haftungsfolgen bei ihren Investitionsentscheidungen auf Ratings achten; vgl. aus diesem Grund kritisch Siekmann, DV 43 (2010), 95, 104: „Die Ratingagenturen befriedigen auch das ganz persönliche Bedürfnis der Entscheidungsträger nach Absicherung.“ 317 Dazu soeben unter IV.
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Ratings wird zu diesem Zweck in allen hier untersuchten Rechtsordnungen eingesetzt und betrifft langfristig investierende Investmentfonds318 ebenso wie Geldmarktfonds319 oder generische trust funds nach Common Law.320 In der Sache bestimmen Ratingsschwellen dabei unmittelbar321 oder mittelbar (nämlich durch die vom Einhalten eines Mindestratings abhängige Befugnis zur Verwendung der Bezeichnung „Geldmarktfonds“)322 über die zulässigen Investitionen von Fonds; ein besonders dichtes Netz an Ratingvorgaben durchzieht zudem die aufsichtsrechtliche Regulierung riskanter Anlagetechniken wie Wertpapierleihen,323 Pensionsgeschäften324 oder Derivatgeschäften,325 deren Nutzung durch Fonds praktisch durchgehend von Mindestratings abhängig gemacht wird. Darüber hinaus spielen Ratings im Rahmen interner Anlagerichtlinien von Fonds eine wesentliche Rolle326 und werden schließlich in der Rechtsprechung zum U.S.-amerikanischen trust-Recht schon seit langem zur Konkretisierung allgemeiner Sorgfaltsstandards (wie namentlich der prudent person rule) eingesetzt, wo Investitionen in Finanztitel mit „investment grade“-Rating regelmäßig als sorgfaltsgemäß eingestuft werden.327 Eine im Vergleich zur Regulierung von Anleihen oder strukturierten Finanzinstrumenten weniger zentrale Rolle spielen Ratings allein in gesetzlichen Publizitätsregelungen für Fonds, obgleich sie auch hier gelegentlich vorkommen.328
Im Ergebnis fällt aus rechtsvergleichender Perspektive vor allem auf, wie häufig im Fondsrecht sowohl von Seiten staatlicher Regelsetzer mit sehr unterschiedlichen geographischen Standorten und Rechtstraditionen als auch im Bereich privater Regelsetzung auf Ratings zurückgegriffen wird: So uneinheitlich sich die nationalen Investmentfondsregulierungen auch darstellen, so einheitlich ist der regulatorisch verwandte Bonitätsmaßstab.
2. Bewertung Bedenken wirft die Regulierung durch Ratings im Fondsbereich zum einen aufgrund der verschiedentlich nachweisbaren Fehlverwendung von Ratingbezug318
Hier vor allem in Form interner Anlagerichtlinien; dazu oben III. Oben II 3 a) (zum U.S.-amerikanischen Recht) und II 3 b) (zu EU-Recht und deutschem Recht). 320 Oben II 2 a), IV (zum U.S.-amerikanischen Recht) und II 2 b) (zum Hongkonger Recht). 321 Oben II 2, III. 322 Oben II 3 a), b). 323 Oben II 4 b) aa) (zum Schweizer Recht) und II 4 b) bb) (zum bis 2013 geltenden deutschen Recht). 324 Oben II 4 c) aa) (zum Schweizer Recht) und II 4 c) bb) (zum U.S.-amerikanischen Recht). 325 Oben II 4 d) (zum Schweizer Recht). 326 Oben III. 327 Oben V. 328 So verlangt das Hongkonger Recht in offering documents für sog. garantierte Fonds (Guaranteed Funds) die Angabe des Ratings des Garanten; vgl. Securities and Futures Commission, Code on Unit Trusts and Mutual Funds, First edition (April 2003), Tz. 8.5(c)(iii). 319
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
nahmen auf, durch die Ratings als Indikatoren eines bestimmten allgemeinen Marktrisikos,329 des Liquiditätsrisikos330 oder gar der Strenge der aufsichtsrechtlichen Regulierung des Emittenten331 eingesetzt werden – da Bonitätsbeurteilungen allein das Kreditrisiko einschätzen, das mit einer bestimmten Anlagemöglichkeit verbunden ist, können sie diese Ihnen zugewiesene Regulierungsfunktion nicht erfüllen. Zum anderen erscheint die ubiquitäre Schaffung fondsinterner Anlagevorschriften problematisch, die Fondsinvestitionen einem „investment grade“-Mindestrating unterwerfen. In dieser Hinsicht ist zwar nicht kritikwürdig, dass entsprechende Vorschriften einen Fonds zur Veräußerung von Wertpapieren zwingen können, obgleich die Fondssleitung der Ratingänderung inhaltlich nicht zustimmen mag,332 weil der Zweck rechtlicher Anlagevorschriften eben gerade darin besteht, die Relevanz der Einschätzung der Fondsleitung in bestimmten Fällen zum Schutz der Fondsanleger zu begrenzen. Riskant ist aber die verbreitete Verwendung des „investment grade“ als Mindestrating, die einen „Synchronisierungseffekt“ des Rechts bewirkt333 und zahlreiche Fonds zwingt, in Reaktion auf dieselbe Ratingherabstufung zeitgleich das betroffene Wertpapier abzustoßen – eine quasi-systemische Wirkung der Regulierungsfunktion des Ratings, zu deren Vermeidung (oder zumindest Einschränkung) rechtliche Schritte notwendig erscheinen,334 zumal einschlägige Regelungsversuche im neueren EU-Recht335 keine effektive Remedur sein dürften.
329 So im U.S.-amerikanischen Recht in Rule 2a–7 (dazu II 3 a) bb) (2)) und im Schweizer Recht in Art. 15 KKV-FINMA (dazu II 4 c) aa) (2)). 330 So im U.S.-amerikanischen Recht in Rule 5b–3 (dazu II 4 c) bb) (2)). 331 So im EU-Recht in Art. 6 Durchführungsrichtlinie 2007/16/EG zur EG-OGAW-Richtlinie (dazu II 4 a)). 332 So aber Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 212 f. 333 Siehe zu diesem Phänomen noch näher in § 17 IV. 334 Siehe noch § 31. 335 Dazu oben unter IV.
§ 13 Ratings im Recht der Unternehmensfinanzierung I. Einleitung Ratings sind als Marktinformation wie als Bestandteil rechtlicher Regelungen nicht nur für die Finanzwirtschaft von Bedeutung, auf die in Gestalt der Banken1 und der Investmentfonds2 bereits eingegangen wurde, sondern besitzen zudem eine erhebliche Bedeutung für sonstige Unternehmen und deren Finanzierung. In historischer Perspektive zeigt sich dies schon daran, dass die Bonitätsbeurteilung von Eisenbahnunternehmen und ihren Anleihen der Anlass für die Gründung der ersten Rating-Agenturen war.3 Die Relevanz von Ratings für die Unternehmensfinanzierung hat sich seitdem erheblich ausgeweitet, wird aber in ihrer Intensität weiterhin durch die Finanzierungskulturen der unterschiedlichen Volkswirtschaften mitbestimmt: So findet die Fremdfinanzierung von Unternehmen in Deutschland,4 der Schweiz und auch in Hongkong5 bis heute vorrangig über Bank- und Lieferantenkredite statt, für die „externe“ Ratings allenfalls mittelbar, nämlich über die rechtlichen Vorgaben des Eigenmittelrechts der Banken („Basel II“) von Bedeutung sind, während sich Unternehmen in den U.S.A. primär über den Kapitalmarkt finanzieren und daher weit häufiger mit Rating-Agenturen zusammenarbeiten müssen. Die beschriebene Prägung durch nationale Kulturen schwindet freilich in dem Maße, in dem die Unternehmensfinanzierung sich internationalisiert und nationale Grenzen überschreitet,6 weil mit der Zunahme internationaler Finanzierungsbeziehungen zugleich der Bedarf an international verständlichen Bonitätsinformationen steigt.7 Dies führt aus Sicht einzelner Unternehmen nicht selten dazu, dass ein eigenes Unternehmensrating für sie im Ausland von größerer Bedeutung ist als ihrem Heimat-
1
Siehe §§ 6, 7. Dazu § 12. 3 Siehe im Einzelnen § 3 I. 4 Rudolf, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 1 Rn. 71 ff.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 381 f. 5 Chen/Poon, in: Vandenbrink/Hew, Capital Markets in Asia, S. 4; Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 1.82. Anders Donald, Hong Kong Stock and Futures Exchanges, Rn. 1.011, der kredit- und kapitalmarktbasierte Finanzierung als gleichermaßen bedeutsam einstuft. 6 Aus Sicht eines deutschen Unternehmens etwa Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 406: die Bedeutung von Ratings für die Unternehmensfinanzierung werde heute von niemandem mehr bestritten. 7 Franken/Heinsius, in FS Budde (1995), S. 213, 221. 2
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land, mag dort auch weiterhin der Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Betätigung liegen.8 Das vorliegende Kapitel befasst sich jedoch nicht mit der wirtschaftlichen Bedeutung von Ratings für die Kapitalaufnahme,9 sondern untersucht die rechtliche Bedeutung, die Ratings nach den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben für die Unternehmensfinanzierung zukommen kann. Die vielgestaltige Rolle von Ratings im Recht der guten Unternehmensführung (Corporate Governance) bleibt demgegenüber dem nächsten Kapitel vorbehalten,10 wobei nicht verkannt wird, dass sich beide Themenbereiche kaum überschneidungsfrei trennen lassen, stellt sich die gute Unternehmensfinanzierung doch als Teil der guten Unternehmensführung dar.11
II. Rechtliche Bedeutung des Ratings für die Fremdfinanzierung von Unternehmen 1. Fehlende rechtliche Determinierung der Finanzierungsstruktur von Unternehmen In rechtlicher Hinsicht wird die Wahl und Ausgestaltung der Finanzierungsstruktur eines Unternehmens (einschließlich der Frage, in welchem Umfang auf Fremdfinanzierungsmittel zurückgegriffen werden soll, und ggfs. auf welche) keinen präzisen Vorgaben unterworfen; sie wird vielmehr als zentraler Bestandteil der Geschäftsleitungsaufgabe in das unternehmerische Ermessen der Geschäftsleitung gestellt. Im deutschen Aktienrecht gehört das Bemühen um eine gute Unternehmensfinanzierung daher zu den Vorstandsaufgaben des § 93 AktG,12 unter denen die Finanzierungsverantwortung unter Verweis auf §§ 91 Abs. 2, 92 AktG zur Gesamtverantwortung des Vorstands gerechnet wird;13 im Schweizer Aktienrecht definiert Art. 716a Abs. 1 Nr. 3 OR die Ausgestaltung von Finanzplanung und Finanzkontrolle ausdrücklich als unübertragbare und unentziehbare Aufgabe des Verwaltungsrates.14 Auch im U.S.-amerikanischen 8 Vgl. in diesem Sinne in den frühen 1990er Jahren Breuer, Bedeutung des Rating, S. 75, 84: „Dieses äußert sich kurioserweise auch darin, dass viele große deutsche Unternehmen ganz selbstverständlich ein Rating in den U.S.A. erwerben, dieses pflegen und sich jährlich mit den Agencies zusammensetzen, um Managementgespräche zu führen und sich dabei einem ‚freiwilligen Kreuzgang‘ zu unterwerfen – nicht aber daran denken, von sich aus nach einem deutschen Rating zu fragen. Ganz offensichtlich wird die Notwendigkeit, hier ein Rating zu unterhalten, nicht erkannt.“ 9 Vgl. dazu etwa Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 406 ff. 10 Siehe § 14. 11 Hennrichs, ZGR 2006, 563, 565; Seibt, ZIP 2013, 1597, 1598. 12 Hennrichs, ZGR 2006, 563, 565; Hopt, in Großkomm-AktG, Stand: 1.1.1999, § 93 Rn. 96, 113; Seibt, ZIP 2013, 1597, 1598. 13 Claussen, in: Semler/Peltzer, Arbeitshandbuch, § 3 Rn. 6; Hüffer, § 91 Rn. 3; Spindler/Stilz/ Fleischer, § 93 Rn. 53. 14 Kull, in FS Spühler (2005), S. 179, 188: stark eingeschränkte Delegationsmöglichkeit.
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und Hongkonger Recht gilt nichts anderes, wobei die Aufgabenzuweisung dort üblicherweise aus der Gesellschaftssatzung folgt. Nähere rechtliche Vorgaben zur Optimierung der Unternehmensfinanzierung und der Frage, welche Finanzierungsform der Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung am besten entspricht, machen die hier untersuchten Gesellschaftsrechte jedoch nicht.15 Unabhängig davon, ob man das Bemühen um eine optimale Unternehmensfinanzierung als echte Rechtspflicht der Geschäftsleiter im Sinne eines Optimierungsgebotes einordnet16 oder eher – wofür viel spricht – das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung i.S. der business judgment rule (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) betont,17 fehlt es jedenfalls im Detail an präzisen und justitiablen Anforderungen. Die Gestaltung der Finanzierungsstruktur eines Unternehmens wird daher durch betriebswirtschaftliche und kaum durch gesetzliche Standards bestimmt.18
2. Rating-Agenturen als private Standardsetzer Vor diesem Hintergrund werden unternehmerische Finanzierungsentscheidungen vorrangig durch den Markt kontrolliert, also namentlich durch aktuelle und potentielle Gläubiger des Unternehmens, die von dieser Beurteilung ihre Entscheidung über die Aufnahme bzw. Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen abhängig machen. Da Marktteilnehmer die entsprechende Analyse vielfach nicht selbst durchführen, sondern sich hierbei auf die Einschätzung der Rating-Agenturen als professionelle Informationsintermediäre verlassen,19 kommt den Rating-Agenturen mittelbar ein maßgeblicher Einfluss auf unternehmerische Finanzierungsentscheidungen gerateter Unternehmen zu: Um das gewünschte Rating zu erhalten bzw. zu behalten, beziehen Unternehmen in der Regel die Ratingkriterien und -methodologien, die Rating-Agenturen veröffentlichen, frühzeitig in strategische Unternehmensentscheidungen ein.20 Entsprechende Beobachtungen werden sowohl aus Deutschland21 als auch der Schweiz22 berichtet, wo das Ziel der Ratingerhaltung durch die Umsetzung des „Basel II“-Akkords23 entscheidend an Bedeutung gewonnen hat, erstreckt dieser die Wirkungen „ex15 Zum deutschen Aktienrecht kritisch Claussen, in: Semler/Peltzer, Arbeitshandbuch, § 3 Rn. 5. 16 Hennrichs, ZGR 2006, 563, 566. 17 Seibt, ZIP 2013, 1597, 1602. 18 Vgl. K. Schmidt, GesellschaftsR, § 18 II 1. 19 Siehe allgemein § 4. 20 Blaurock, ZGR 2007, 603, 610; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 46; Pettit, in: Fuchita/Litan, Financial Gatekeepers, S. 100, 102; Sykes, in: Pixley, Emotions in Finance, S. 150; Thevenet, in Stern/Chew, Corporate Finance, S. 214. 21 Becker, ZG 2009, 123, 133; Blaurock, ZGR 2007, 603, 610; Empelmann, in: Seethaler/Steitz, Praxishandbuch Treasury-Management, S. 167, 170; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 46; Häuselmann, BB 2007, 931. Empirische Nachweise bietet der Arbeitskreis „Finanzierung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, zfbf 2009, S. 323, 337. 22 Kolb/Volkart, ST 2003, 513. 23 Siehe § 6 III.
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terner“ Ratings doch auch auf den Bereich der Finanzierung durch Bankkredite. Den spürbarsten Einfluss besitzen die internen Kriterien der Rating-Agenturen aber weiterhin in den U.S.A.,24 wo eine Umfrage unter U.S.-amerikanischen CFOs aus dem Jahre 2001 ergab, dass die Auswirkung auf das Unternehmensrating als zweitwichtigster Faktor bei Finanzierungsentscheidungen rangiert.25 Eine weitere empirische Untersuchung bestätigte, dass die Folgen für das Unternehmensrating einen entscheidenden Gesichtspunkt bei der Wahl der Finanzierungsstruktur darstellen.26 Dem Ziel der Ratingerhaltung wird dabei von den Geschäftsleitern ein außerordentlich hoher Rang zugewiesen; sämtliche Finanzierungsentscheidungen werden nicht selten ganz ausdrücklich diesem Ziel untergeordnet.27 Die Rating-Agenturen fungieren daher im Ergebnis als private Standardsetzer, die über ihre Ratingkriterien – entweder durch deren allgemein zugängliche Veröffentlichung, oder über individuelle Stellungnahmen zu spezifischen Anfragen von Unternehmen, mit denen diese geplante Finanzierungsentscheidungen im Vorfeld auf ihre Bonitätsfolgen hin untersuchen lassen28 – das Finanzierungsverhalten aller gerateten Marktteilnehmer beeinflussen.29 Vor allem in Staaten, in denen (wie in den U.S.A.) die Unternehmensfinanzierung vorrangig über den Kapitalmarkt erfolgt, bleibt der Einfluss der privaten Ratingstandards daher im Ergebnis kaum hinter der Wirkung aufsichtsrechtlicher Vorgaben zurück. Die Folgen für die Unternehmensfinanzierungspraxis lassen sich an zwei Phänomenen aufzeigen: a) Ratinginduzierte Eigenkapitalquote als Grenze der Fremdfinanzierung So gehört die Eigenkapitalquote eines Unternehmens anerkanntermaßen zu den wichtigsten Kriterien, auf die Rating-Agenturen sich bei der Vornahme ihrer Bo24 Vgl. schon früh Gerstenberg, Financial Organization and Management of Business (1932), S. 356: „It behooves the company management, where such rating is given, to maintain for its securities as high a position as possible …“. 25 Als wichtigster Faktor wurde finanzielle Flexibilität genannt; vgl. Graham/Harvey, 60 J. Fin. Econ. (2001), 187, 189, 211 f.: „firms are very concerned about their credit ratings“. 26 Kisgen, 61 J. Fin. (2006), 1035, 1067 f. 27 Vgl. etwa Thevenet (PepsiCo) in Stern/Chew, Corporate Finance, S. 214: „our financial policies are aimed at maintaining that single-A rating“. Aus Sicht eines deutschen Unternehmens Empelmann, in: Seethaler/Steitz, Praxishandbuch Treasury-Management, S. 167, 170: „Der Anspruch von ThyssenKrupp ist, bei allen Rating-Agenturen im ‚investment grade‘ geratet zu sein, um einen uneingeschränkten Zugang zu den Geld- und Kapitalmärkten zu gewährleisten“; ganz ähnlich aus Sicht der schwedischen Volvo-Gruppe Lindebäck Brandt, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 223 ff. 28 Vgl. etwa Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 371 F.Supp.2d 898, 900 und 903 (E.D.Mich. 2005), wo sich der CFO eines Unternehmens bereit erklärte, eine (bislang ungenutzte) Kreditlinie über 500 000 000 USD noch am selben Tag wieder zu kündigen, sofern dies dem Unternehmen zu einem besseren Rating verhülfe. 29 Arbeitskreis „Finanzierung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, zfbf 2009, S. 323, 348; Becker, ZG 2009, 123, 133; zur Begebung von Hybridanleihen durch deutsche Unternehmen auch Gleske/ Laudenklos, in: Eilers u.a., Unternehmensfinanzierung, Kap. D Rn. 7.
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nitätsbeurteilungen stützen.30 Obwohl die geltenden Gesellschaftsrechte den Unternehmen kein bestimmtes Verhältnis des Eigen- zum Fremdkapital vorschreiben,31 kommen die Kriterien der Rating-Agenturen insoweit als privater Standard zum Tragen und beschränken damit faktisch den Umfang der Fremdfinanzierung, den geratete Unternehmen nur um den Preis einer Ratingherabstufung überschreiten können. Auf diese Weise schreiben private Informationsintermediäre den kapitalnachfragenden Marktteilnehmern eine ratinginduzierte Eigenkapitalquote vor. Da die Definition der Eigenmittel im Bankenaufsichtsrecht (§ 10 KWG) dabei weder für das allgemeine Unternehmensrecht32 noch für die Rating-Agenturen bindend ist, entscheiden die Rating-Agenturen zudem, welche Finanzierungsformen sie als wirtschaftliches Eigenkapital anerkennen, und welche nicht.33 Dies hat im Ergebnis zur Folge, dass die gesamte Kapitalstruktur eines Unternehmens so ausgerichtet wird, dass sie bei der Beurteilung durch die Rating-Agenturen einen möglichst positiven Niederschlag findet.34 Ändern die Rating-Agenturen ihre entsprechenden Kriterien (was periodisch geschieht), so hat ein solcher Schritt auf Unternehmensseite typischerweise sogleich eine Anpassung der Finanzierungspraxis zur Folge.35 b) „Hybride“ Formen der Unternehmensfinanzierung als ratinggetriebenes Phänomen Eine Kategorie von Fremdfinanzierungsformen, bei der der Einfluss der RatingAgenturen besonders plastisch hervortritt, ist die Gruppe sog. „hybrider“ Finanzierungen, die auch unter der Bezeichnung „Mezzanine-Finanzierungen“ oder „mezzanines Kapital“ bekannt geworden sind. Dieser lose Oberbegriff36 umfasst eine ganze Reihe von Finanzierungsformen, die Elemente der Eigen- und Fremdfinanzierung verbinden;37 Beispiele sind etwa Nachrangdarlehen, „haftungslose Darlehen“ (die nur aus künftigen Gewinnen zurückzuzahlen sind), stille Beteilungen, Genussscheine, Wandel- und Optionsanleihen.38 Sie zeichnen sich durchgehend durch ihre rechtliche Qualifikation als Fremdkapitaltitel aus, die jedoch 30 J & R Marketing, SEP v. General Motors Corp., 5.3.2008, 519 F.3d 552, 555 (6th Cir. 2008): „The risk of default is tied to the financial condition of a company, with particular focus on the company’s equity cushion“; Gleske/Laudenklos, in: Eilers u.a., Unternehmensfinanzierung, Kap. D Rn. 6; Hennrichs, ZGR 2006, 563, 578; Sester, ZBB 2006, 443, 453 mit Einzelheiten. 31 K. Schmidt, GesellschaftsR, § 18 II 4; Wiedemann, GesellschaftsR I, § 10 IV 3 (S. 565). 32 Vgl. K. Schmidt, GesellschaftsR, § 18 II 2 d). 33 Hennrichs, ZGR 2006, 563, 582; vgl. auch Hölters/von Dryander/Niggemann, § 194 AktG Rn. 11. 34 Häuselmann, BB 2007, 931. 35 Vgl. Schaber/Isert, BB 2006, 2401 zu den Folgen, die eine Anpassung der Kriterien zur wirtschaftlichen Beurteilung „Schulden vs. Eigenkapital“ der Rating-Agenturen Moody’s (im Februar 2005) und Fitch (im Juni 2006) auf die Fremdfinanzierungspraxis in Deutschland hatte. 36 Siehe näher zur Begriffsbildung Gleske/Laudenklos, in: Eilers u.a., Unternehmensfinanzierung, Kap. D Rn. 1. 37 K. Schmidt, GesellschaftsR, § 18 II 2 d). 38 Hennrichs, ZGR 2006, 563, 581.
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mit eigenkapitalähnlichen Merkmalen ausgestattet sind und daher wirtschaftlich zum Eigenkapital gerechnet werden können.39 Ihre rechtliche Ausgestaltung wird dabei von vornherein an den Kriterien der Rating-Agenturen ausgerichtet,40 die unabhängig von der bilanziellen Behandlung des entsprechenden Instruments sind,41 um durch die so bewirkte verbesserte Ausstattung des Unternehmens mit wirtschaftlichem Eigenkapital vor allem eine höhere Ratingeinstufung zu erreichen.42 Die erstmalige Veröffentlichung präziser Beurteilungskriterien durch die drei großen Rating-Agenturen in den Jahren 2005–07 löste daher unter deutschen Unternehmen eine rege Emissionstätigkeit im Bereich der Hybridanleihen aus.43 „Hybride“ oder „mezzanine“ Finanzierungen erweisen sich daher als ein ratinggetriebenes Phänomen,44 bei dessen Entwicklung freilich daneben auch steuerrechtliche Vorgaben eine Rolle gespielt haben.
3. Pflicht der Unternehmensleitung zur Beauftragung einer Rating-Agentur? Vor dem Hintergrund des beschriebenen Einflusses der Rating-Agenturen auf die Ausgestaltung der unternehmerischen Fremdfinanzierung bleibt schließlich zu fragen, ob eine Rechtspflicht der Unternehmensleitung zur Beauftragung einer Rating-Agentur, also zur Einholung eines Emittenten- oder Emissionsratings bestehen kann. Da die Entscheidung über den Einsatz eines (oder ggfs. mehrerer) Ratings zum Einwerben von Fremdkapital sich als Teil der Finanzierungsverantwortlichkeit der Unternehmensleitung darstellt, fällt sie im Ausgangspunkt nach allen hier untersuchten Gesellschaftsrechtsordnungen unter das Geschäftsleiterermessen. Weder in der Schweiz,45 in den U.S.A. noch in Hongkong wird – soweit ersichtlich – eine mögliche Rechtspflicht zur Ratingbeauftragung diskutiert, was sich freilich in den U.S.A. auch dadurch erklären mag, dass Anleihen am dor39
Kraft, ZGR 2008, 324, 351; Schmeisser/Clausen, DStR 2008, 688; Kolb/Volkart, ST 2003, 513,
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Aus deutscher Sicht Berger, ZBB 2008, 92, 93; Gleske/Laudenklos, in: Eilers u.a., Unternehmensfinanzierung, Kap. D Rn. 7; Häuselmann, BB 2007, 931; Sester, ZBB 2006, 443, 447; aus schweizerischer Sicht Kolb/Volkart, ST 2003, 513, 514. 41 Kraft, ZGR 2008, 324, 351. 42 Berger, ZBB 2008, 92, 99; Blaurock, ZGR 2007, 603, 610; Häuselmann, BB 2007, 931; Korth, in: Brezski/Claussen/Korth, Rating – Basel II und die Folgen, S. 129; Kraft, ZGR 2008, 324, 351; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 363; Schmeisser/Clausen, DStR 2008, 688; Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 29; Sester, ZBB 2006, 443, 444. 43 Gleske/Laudenklos, in: Eilers u.a., Unternehmensfinanzierung, Kap. D Rn. 7; Sester, ZBB 2006, 443, 447. 44 Blaurock, ZGR 2007, 603, 610; Häuselmann, BB 2007, 931; Schmeisser/Clausen, DStR 2008, 688; Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 29; Sester, ZBB 2006, 443, 444. Ebenso Berger, ZBB 2008, 92, 99: „Ein Ziel jeder Mezzanine-Finanzierung ist gerade die Verbesserung des zukünftigen Ratings des zu finanzierenden Unternehmens“ (freilich mit Blick auf das interne Rating durch Kreditinstitute). 45 Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 140 betonen, dass es in der Schweiz bislang auch an einem de facto-Zwang zum Rating fehlt.
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tigen Finanzmarkt ohne Ratings regelmäßig schlicht nicht platziert werden können:46 Sofern die Unternehmensleitung sich daher für eine öffentliche Platzierung von Fremdkapitaltiteln entschieden hat, folgt die Notwendigkeit einer Ratingbeauftragung damit quasi aus den Sachzwängen, weil eine ungeratete Anleihe keine Erwerber findet.47 Die Frage nach einer dahingehenden Rechtspflicht stellt sich insofern gar nicht. Im deutschen Schrifttum wird dagegen angenommen, dass die Sorgfaltspflicht des Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) im Einzelfall die Beauftragung eines Ratings erfordern kann, sofern dadurch die Kapitalkosten des Unternehmens gesenkt werden können.48 Dem wird man mit der Maßgabe zustimmen können, dass die logisch vorgelagerte Entscheidung für oder gegen eine Finanzierung des Unternehmens über den Kapitalmarkt grundsätzlich im Ermessen der Geschäftsleitung steht; sofern diese sich auf Grundlage hinreichender Informationen und unbeeinträchtigt von Interessenskonflikten für eine Unternehmensfinanzierung über Bankkredite entscheidet, kommt die Notwendigkeit eines Ratings damit nicht zum Tragen, weil die deutschen Banken externe Ratings jedenfalls bislang nur als „second opinion“ ansehen.49 Optiert die Geschäftsleitung dagegen für eine Fremdkapitalaufnahme am Kapitalmarkt, so kann in bestimmten Konstellationen in der Tat eine Rechtspflicht zum Rating bestehen, wenn das gewählte Finanzinstrument nämlich ohne Rating nicht oder nur zu unvorteilhafteren Konditionen platzierbar ist. Die Vorgaben, die das Recht der Unternehmensverfassung für die Beauftragung von und die Zusammenarbeit mit Rating-Agenturen aufstellt, betreffen Fragen der internen Corporate Governance und werden daher im nächsten Kapitel50 abgehandelt.
III. Eigenkapitalfinanzierung: Ratings im Recht der Kapitalaufbringung und -erhaltung Da Ratings mit der Beurteilung des Kreditrisikos eine Aussage treffen, die sich als Information an Fremdkapitalgeber (wie Anleiheinvestoren und Darlehensgeber) richtet, scheinen sie für die Eigenkapitalfinanzierung eines Unternehmens auf den ersten Blick nicht relevant zu sein.51 Dem entspricht es, dass Aktien oder gar GmbH-Geschäftsanteile im Regelfall nicht Gegenstand von Ratings sein 46
Siehe schon oben § 8 III. So etwa zum U.S.-amerikanischen Markt für Commercial Paper Thevenet, in Stern/Chew, Corporate Finance, S. 216 (für PepsiCo). 48 Blaurock, ZGR 2007, 603, 625; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 200; Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT (2010), S. G 73; vgl. auch dens., in FS Hopt (2010), S. 2689, 2702. 49 So Hennrichs, ZGR 2006, 563, 577; Volkenner/Walter, DStR 2004, 1399, 1402. 50 Siehe § 14. 51 Dass Ratings als Informationen auch auf die Eigenkapitalmärkte einen erheblichen Einfluss ausüben, wurde bereits in § 5 II 1 c) empirisch belegt; vgl. zudem Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 406. 47
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können.52 In jüngerer Zeit haben Ratings jedoch in manchen Rechtsordnungen auch für das Verhältnis von Kapitalgesellschaften zu ihren Gesellschaftern rechtliche Bedeutung erlangt, weil sie eine klare Einstufung der Bonität von Gesellschaftern erlauben. Diese kann wiederum für die Gestaltung von konzerninternen Fremdfinanzierungen eine zentrale Rolle spielen53 und damit etwa (aber keineswegs ausschließlich) über die Zulässigkeit des praktisch wichtigen Cash Pooling entscheiden, das durch das Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsrecht in manchen Rechtsordnungen – wie etwa in Deutschland54 und in der Schweiz55 – strengen Regeln unterworfen wird. Im Ergebnis führt dies zu dem überraschenden Befund, dass Ratings in denjenigen Rechtsordnungen, die eine aufwendige Regelung des Kapitalschutzrechtes kennen, für die Eigenkapitalfinanzierung von größerer rechtlicher Bedeutung sind als für die Fremdfinanzierung, der sie in wirtschaftlicher Hinsicht eigentlich zu dienen bestimmt sind. Aus dem Gesagten folgt sogleich, dass Gesellschaftsrechte, die kein Kapitalaufbringungsund -erhaltungsrecht kennen, auch Ratings keinen rechtlichen Einfluss auf die Eigenkapitalfinanzierung zubilligen. Dies gilt sowohl für das U.S.-amerikanische wie auch das Hongkonger Recht, denen der Gedanke, dass die Befreiung des Gesellschafters von persönlichen Haftungsrisiken durch die Aufbringung und Erhaltung eines gewissen Nennkapitals „erkauft“ werden müsse, fremd ist.56 Der Gläubigerschutz wird in diesen Rechtsordnungen stattdessen vorrangig durch Publizität57 sowie auf vertraglichem Wege über die Vereinbarung sog. covenants zwischen Gesellschaft und großen Gläubigern geregelt,58 von deren Einhaltung mittelbar auch kleinere und deliktische Gläubiger profitieren.59
1. Deutsches Recht Vor allem im deutschen Recht haben Ratings dagegen in jüngerer Zeit begonnen, auch im Recht der Eigenkapitalfinanzierung eine zunehmende Bedeutung zu erlangen. Dies lässt sich vor allem auf die Reformen durch das MoMiG und das ARUG zurückführen, welche die „Vollwertigkeit“ von Ansprüchen gegen den Gesellschafter in den modernisierten Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvor52 Vgl. dazu schon § 2 II 2 c), dort auch zum Rating von Vorzugsaktien (preferred stock), die wirtschaftlich dem Eigenkapital zugerechnet werden können. Sofern gelegentlich doch von „Aktienrating“ die Rede ist (so etwa bei Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 486: „Equity Rating“), handelt es sich nicht um Bonitätsbeurteilungen und damit nicht um ein Rating im hier verwandten Sinne, sondern um eine Bewertung anhand sonstiger wirtschaftlicher Parameter (wie dem Kurspotential oder Renditechancen). 53 Vgl. Wand/Tilmann/Heckenthaler, AG 2009, 148. 54 Sogleich unter 1. 55 Unter 2. 56 Vgl. Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. (2001), 1165, 1173 f.; Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 1 Rn. 156; Ekkenga, in MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 44. 57 So zum englischen Gesellschaftsrecht Davies, Gower’s Principles of Modern Company Law, S. 505: Publizität als „the price to be paid for the twin privileges of legal personality and limited liability“. 58 Merkt/Göthel, U.S.-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 542. 59 Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. (2001), 1165, 1172, 1189 ff.
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gaben des deutschen Rechts zu einem zentralen Kriterium erhoben haben. Die neueste Rechtsentwicklung setzt folglich dazu an, die Rating-Agenturen künftig auch im deutschen Kapitalschutzrecht in den Rang von „Gatekeepern“ zu erheben. a) Die „Vollwertigkeit“ von Ansprüchen gegen den Gesellschafter als Kriterium des modernisierten Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsrechts Ausgangspunkt muss dabei die Feststellung sein, dass das Kriterium der „Vollwertigkeit“ von Ansprüchen, welche die Kapitalgesellschaft aus Fremdfinanzierungsverträgen gegen einen Gesellschafter besitzt, durch die Reformen des MoMiG und des ARUG eine ausschlaggebende Bedeutung erlangt hat.60 Dies gilt zum einen für das neu gestaltete Recht der Kapitalaufbringung, in dem § 19 Abs. 5 Satz 1 GmbHG und § 27 Abs. 4 Satz 1 AktG übereinstimmend anordnen, dass Gesellschafter in Fällen des „Hin- und Herzahlens“ nur dann von ihrer Einlageverpflichtung befreit werden, wenn die Leistung der Gesellschaft durch einen „vollwertigen“ Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig gestellt werden kann. Dieselbe Anforderung kehrt sodann – bewusst61 – im Recht der Kapitalerhaltung wieder, wo das Verbot, Einlagen an Aktionäre zurückzugewähren62 oder das zur Erhaltung des Stammkapital erforderliche Gesellschaftsvermögen an Gesellschafter auszahlen,63 ausnahmsweise nicht bei Leistungen gilt, die durch einen „vollwertigen“ Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gedeckt sind.64 Und schließlich ist das Vollwertigkeitskriterium in jüngster Zeit auch im Recht des faktischen Konzerns rezipiert worden, als der BGH in ausdrücklicher Anlehnung an den neu gefassten § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG entschied, dass bei Vergabe eines ungesicherten „upstream-Darlehens“ im Austausch gegen eine „vollwertigen“ Rückzahlungsanspruch und angemessene Verzinsung kein Nachteil i.S. des § 311 Abs. 1 AktG vorliegt.65 Der Begriff der „Vollwertigkeit“, der durch das MoMiG erstmals Einzug in das geschriebene Kapitalgesellschaftsrecht hielt,66 ist ein unbestimmter Rechtsbegriff,67 dessen Auslegung – wie noch zu zeigen sein wird – bislang nicht geklärt ist. Weitgehende Einigkeit besteht allerdings bezüglich der Rahmenbedingungen, 60
Cahn, Konzern 2009, 67, 69; Schall, ZGR 2009, 126, 140; Windbichler, GesellschaftsR, § 23 Rn. 20; Wirsch, Konzern 2009, 443, 444. 61 BT-Drs. 16/13098, S. 37: bewusste Harmonisierung des aktienrechtlichen Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsrechts sowie der Kapitalschutzsysteme von AG und GmbH; Arnold, in KK-AktG, § 27 Rn. 131; kritisch Hüffer, § 27 Rn. 39. 62 § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG. 63 § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. 64 § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG, § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG. 65 BGH, 1.12.2008, BGHZ 179, 71 Rn. 10 ff. („MPS“). 66 Scholz/Veil, § 19 Nachtr. MoMiG Rn. 67; zur Relevanz dieses Kriterium in der Rspr. zu § 19 GmbHG a.F. bei Aufrechnungskonstellationen Schall, ZGR 2009, 126, 141 m. Nachw. 67 Wand/Tilmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 151.
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die für die Beurteilung der Vollwertigkeit von Rückgewähransprüchen maßgeblich sein sollen, und die für alle betroffenen Normen im Wesentlichen übereinstimmen: So kommt es in zeitlicher Hinsicht auf den Moment der Leistung der Gesellschaft an den Gesellschafter an, in dem die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs gegeben sein muss,68 wohingegen spätere Abwertungen keine (rückwirkenden) kapitalschutzrechtlichen Folgen zeitigen.69 Die Vollwertigkeit bestimmt sich dabei nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht nach deren Erkennbarkeit aus Sicht des Leitungsorgans der Gesellschaft,70 der lediglich für eine etwaige Haftung Bedeutung zukommen kann.71 Hinsichtlich der Beweislast für die so ermittelte Vollwertigkeit ist zu unterscheiden: Soweit die Kapitalaufbringung bzw. -erhaltung trotz erfolgter Darlehensgewährung in Rede steht, trifft die Beweislast den Gesellschafter.72 Geht es hingegen um die Haftung der Geschäftsführer bzw. der Vorstandsmitglieder, die für eine Verletzung des Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsrechts gemäß § 43 Abs. 2, 3 Satz 1 GmbHG, § 93 Abs. 2, 3 Nr. 1 AktG persönlich einzustehen haben, so liegt die Beweislast für die (haftungsausschließende) Vollwertigkeit bei Geschäftsführer bzw. Vorstand.73 b) Die Funktion des Ratings in der Vollwertigkeitsbeurteilung Entscheidend ist nach dem Gesagten also, unter welcher Voraussetzung der Geschäftsführer bzw. der Vorstand bei Gewährung eines Darlehens an einen Gesellschafter annehmen darf, der damit entstehende Rückgewähranspruch sei „vollwertig“. Die Gesetzesmaterialien geben insoweit kaum nähere Anhaltspunkte,74 sondern verweisen lediglich auf die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze75 und stellen zudem fest, dass die Durchsetzbarkeit der Forderung als Teil der Vollwertigkeit zu verstehen sei, die ihrerseits eine „nicht geringe Schutzschwelle“ dar68 Zu § 19 Abs. 5 Satz 1 GmbHG Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 19 Rn. 79; Lutter/ Hommelhoff/Bayer, § 19 Rn. 115; zu § 27 Abs. 4 Satz 1 AktG Arnold, in KK-AktG, § 27 Rn. 142; zu § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 30 Rn. 43; Ekkenga, in MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 241; Ulmer/Habersack, Erg.-Bd MoMiG, § 30 Rn. 23; zu § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG Hüffer, § 57 Rn. 20. 69 BT-Dr. 16/6140, S. 41; Wirsch, Konzern 2009, 443, 450. Eine andere Frage ist, ob in einem solchen Fall eine Verletzung der fortlaufenden Informationspflicht von Geschäftsführer oder Vorstand vorliegt; vgl. dazu noch unten III 1 c) aa). 70 Altmeppen, ZIP 2009, 49, 51; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 19 Rn. 76; Lutter/ Hommelhoff/Bayer, § 19 Rn. 95; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30 Rn. 28; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30 Rn. 100. 71 Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 19 Rn. 76; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30 Rn. 100. 72 Zu § 19 Abs. 5 Satz 1 GmbHG Markwardt, BB 2008, 2414, 2419; Ulmer/Casper, Erg.-Bd MoMiG, § 19 Rn. 106; zu § 27 Abs. 4 Satz 1 AktG Arnold, in KK-AktG, § 27 Rn. 146; Baumbach/ Hueck/Hueck/Fastrich, § 19 Rn. 81; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19 Rn. 96; zu § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG Ekkenga, in MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 291. 73 § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG (analog); vgl. Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 43 Rn. 104. 74 Kritisch Hüffer, § 57 Rn. 20; Spindler/Stilz/Cahn/von Spannenberg, § 57 AktG Rn. 142. 75 So heißt es in BT-Drs. 16/6140, S. 41: „Das Stammkapital ist eine bilanzielle Ausschüttungssperre. Der Entwurf kehrt daher eindeutig zum bilanziellen Denken zurück. Für die Berechnung gelten die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze.“
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stelle.76 In der Literatur wird das Vollwertigkeitserfordernis vor diesem Hintergrund unterschiedlich verstanden: Eine Meinungsgruppe stellt hierzu auf die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze ab und stuft eine Forderung danach als vollwertig ein, wenn sie in der Bilanz zum Nennbetrag angesetzt werden kann, also nicht wegen zweifelhafter Einbringbarkeit nach § 253 Abs. 4 HGB abgeschrieben werden muss.77 Es komme auf die Einschätzung der Realisierbarkeit der Forderung an;78 es dürfe kein „konkretes Ausfallrisiko“ vorliegen.79 Auf der anderen Seite lässt sich durchaus bezweifeln,80 ob die Bezugnahme auf „bilanzielle“ Grundsätze in der Regierungsbegründung zum MoMiG81 überhaupt die Ermittlung der Vollwertigkeit meinte, denn in der Sache behandelt diese Textstelle den Begriff des „Vermögens“ in § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, und zudem wird unmittelbar anschließend klargestellt, dass der Zahlungsanspruch gegen den Gesellschafter „wertmäßig nach Marktwerten und nicht nach Abschreibungswerten“ zu berechnen ist.82 Darüber hinaus soll eine unzureichende Verzinsung des Darlehens nach wohl überwiegender Ansicht der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs nicht entgegen stehen,83 obgleich eine bilanzielle Betrachtungsweise in diesem Fall eine Abzinsung erfordern würde.84 Zahlreiche Stimmen in der Literatur argumentieren daher losgelöst vom Bilanzrecht und erachten einen Rückgewähranspruch dann für vollwertig, wenn das Vermögen des Gesellschafters zur Erfüllung aller Verbindlichkeiten ausreicht85 und auch nicht damit zu rechnen ist, dass zum Zeitpunkt der späteren Fälligkeit die Rückzahlung nicht oder nur teilweise möglich sein wird.86 Andere verlangen, dass mit der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters bei Fälligkeit mit großer Sicherheit gerechnet wer76
BT-Drs. 16/6140, S. 41. Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30 Rn. 28; Märtens, in MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 304; Markwardt, BB 2008, 2414, 2420; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30 Rn. 96; Saenger, in FS H.P. Westermann (2008), S. 1381, 1396; Schall, ZGR 2009, 126, 142; Scholz/Veil, § 19 Nachtr. MoMiG Rn. 68; Spindler/Stilz/Cahn/von Spannenberg, § 57 AktG Rn. 142; Ulmer/Casper, Erg.Bd MoMiG, § 19 Rn. 104; Ulmer/Habersack, Erg.-Bd MoMiG, § 30 Rn. 19; Wand/Tilmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 151; kritisch Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 30 Rn. 42. Vgl. aus bilanzrechtlicher Sicht Ballwieser, in MünchKomm-HGB, § 253 Rn. 63; Baumbach/Hopt/Merkt, § 253 Rn. 23. 78 Cahn, Konzern 2009, 67, 70; Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293; Wand/Tilmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 151 f. 79 BGH, 1.12.2008, BGHZ 179, 71 Tz. 13 („MPS“); Cahn, Konzern 2009, 67, 70. 80 So etwa Spliedt, ZIP 2009, 149, 150. 81 BT-Drs. 16/6140, S. 41. 82 BT-Drs. 16/6140, S. 41, wo diese Frage allerdings als Aspekt des Deckungsgebotes behandelt wird; a.A. Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30 Rn. 33. 83 BGH, 1.12.2008, BGHZ 179, 71 Tz. 17 („MPS“) zu § 311 AktG; Cahn, Konzern 2009, 67, 70 ff. (der die Verzinsung als Frage des Deckungsgebotes einordnet); Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 804; Rothley/Weinberger, NZG 2010, 1001, 1003; differenzierend auch Wand/Tilmann/ Heckenthaler, AG 2009, 148, 152. A.A. Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293; Wirsch, Konzern 2009, 443, 446. 84 Vgl. BeckBilanzKomm/Hoyos/Gutike, § 253 HGB Rn. 411. 85 Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 19 Rn. 76. 86 Arnold, in KK-AktG, § 27 Rn. 142; Hüffer, § 27 Rn. 42; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19 Rn. 95. 77
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den kann,87 dass diese nicht zweifelhaft ist88 oder nicht den geringsten Zweifeln unterliegt.89 Unabhängig vom Begründungsansatz besteht also jedenfalls darüber Einigkeit, dass eine Prognose notwendig ist,90 während man bezüglich der Sicherheit der prognostizierten Zahlungsfähigkeit, die für eine „Vollwertigkeit“ zu fordern ist, in der Wortwahl divergiert. Alle Ansätze leiden dabei jedoch an derselben Schwäche, nämlich der Unbestimmtheit des jeweils vorgegebenen Maßstabs:91 Ob mit dem späteren Ausfall einer Forderung „nicht zu rechnen ist“, dürfte für einen Geschäftsführer ebenso schwierig zu beurteilen sein wie die Frage, ob die künftige Zahlungsfähigkeit eines Gesellschafters „nicht zweifelhaft“ ist, zumal ein theoretisches Ausfallrisiko immer existiert (ohne die Vollwertigkeit des Anspruches nach zutreffender Ansicht auszuschließen).92 aa) Die Verwendung von Ratings als Vollwertigkeitsindikatoren in der wissenschaftlichen Diskussion Vor dem Hintergrund der beschriebenen Unsicherheit überrascht es nicht, dass zur Beurteilung der „Vollwertigkeit“ von Rückgewähransprüchen zunehmend auf Ratings zurückgegriffen wird, geht es dabei doch in der Sache vor allem um die Kreditwürdigkeit des kreditnehmenden Gesellschafters,93 seine Solvenz94 oder Bonität,95 also den originären Gegenstand von Ratingeinstufungen. Die wissenschaftliche Diskussion um die Ratingnutzung reicht dabei allerdings noch in die Zeit vor dem MoMiG zurück und wurde schon durch das „November-Urteil“ des BGH ausgelöst. (1) Die „außerhalb jedes vernünftigen Zweifels stehende“ Kreditwürdigkeit des Gesellschafters i.S. des „November-Urteils“ als „AAA“-Bonität? In seinem „November-Urteil“ hatte der BGH bekanntlich Darlehensgewährungen an Gesellschafter aus Stammkapital unter Ablehnung einer rein bilanzrecht87
Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 30 Rn. 42. Rothley/Weinberger, NZG 2010, 1001, 1003; Scholz/H.P. Westermann, § 30 Nachtr. MoMiG Rn. 26. Ebenso Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30 Rn. 96 (aber auf Grundlage allgemeiner Bilanzierungsgrundsätze). 89 Altmeppen, NZG 2010, 441, 444: „zu 100% kein Zweifel“; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30 Rn. 97 (auf Grundlage allgemeiner Bilanzierungsgrundsätze); Spliedt, ZIP 2009, 149, 151. A.A. Ulmer/Habersack, Erg.-Bd MoMiG, § 30 Rn. 20. 90 Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 30 Rn. 42; Cahn, Konzern 2009, 67, 69; Schall, ZGR 2009, 126, 142; Scholz/H.P. Westermann, § 30 Nachtr. MoMiG Rn. 26; Ulmer/Habersack, Erg.-Bd MoMiG, § 30 Rn. 19. 91 Spliedt, ZIP 2009, 149, 150: „alles andere als klar“; Vetter, in: Goette/Habersack, MoMiG, Rn. 4.41. 92 Cahn, Konzern 2009, 67, 70; Ulmer/Casper, Erg.-Bd MoMiG, § 19 Rn. 104. Florstedt, AG 2010, 315, 320 beklagt insoweit eine „Kaskade von Leerformeln“. 93 So Markwardt, BB 2008, 2414, 2420. 94 So K. Schmidt, GmbHR 2008, 449, 453. 95 So Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30 Rn. 28; Spliedt, ZIP 2009, 149, 150. 88
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lichen Betrachtungsweise auch dann als Verstoß gegen § 30 GmbHG a.F. eingeordnet, wenn diesen ein vollwertiger Rückzahlungsanspruch gegenüber stand.96 Er hatte dabei allerdings dahinstehen lassen, ob die Gewährung eines Darlehens aus gebundenem Vermögen ausnahmsweise zulässig sein kann, wenn die Darlehensvergabe im Interesse der Gesellschaft liegt, die Darlehensbedingungen dem Drittvergleich standhalten „und die Kreditwürdigkeit des Gesellschafters selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe außerhalb jedes vernünftigen Zweifels steht oder die Rückzahlung des Darlehens durch werthaltige Sicherheiten voll gewährleistet ist“.97 Obwohl das „November-Urteil“ die Kapitalerhaltung bei der GmbH betraf, wurden seine Aussagen für auch auf andere Kapitalgesellschaften übertragbar gehalten.98 Als zentral kristallisierte sich dabei bald die Frage heraus, wann die Kreditwürdigkeit eines Gesellschafters „selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe außerhalb jedes vernünftigen Zweifels steht“99 und damit der Erlaubnistatbestand100 eröffnet wurde, dessen Nutzung vor allem die Beibehaltung von Cash PoolingSystemen ohne Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften erlaubt hätte.101 Während das Kreditwürdigkeitskriterium, für dessen Erfüllung der Gesellschafter darlegungs- und beweispflichtig war,102 vielfach als rechtssicher nicht bestimmbar beklagt wurde,103 geriet im Schrifttum zunehmend die Nutzbarkeit von Ratings zu diesem Zweck in den Fokus. Die Auffassungen zu dieser Thematik divergierten freilich erheblich und reichten von einer weitgehenden Ansicht, die ein Rating für zwingend erforderlich hielt,104 und einem ähnlichen Ansatz, der bei Anlegung „strengster Maßstäbe“ neben der öffentlichen Hand und zugelassenen Steuerbürgen nur Personen „mit Best-Rating“ als zweifelsfrei kreditwürdig einstufte,105 bis zu einer Meinungsgruppe, die den Rückgriff auf externe Ratings für jedenfalls zweckmäßig hielt.106 Obwohl sich wieder andere Autoren unentschieden zeigten,107 stieß die Verwendung von Ratings zum damaligen Zeitpunkt
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BGH, 24.11.2003, BGHZ 157, 72, 75 ff. („November-Urteil“). BGH, 24.11.2003, BGHZ 157, 72, 77 („November-Urteil“). 98 Bayer, in MünchKomm-AktG, § 57 Rn. 100; Wessels, ZIP 2004, 793, 794. 99 Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 695: „die eigentliche und noch konkretisierungsbedürftige Schranke“; Saenger, in FS H.P. Westermann (2008), S. 1381, 1385. 100 So der Begriff bei Fuhrmann, NZG 2004, 552, 554. 101 Dies war namentlich deshalb bedeutsam, weil in diesem Fall der Rückgewähranspruch nicht besichert werden musste, zumal hierzu nur solche Sicherheiten in Frage kamen, deren Wert von der Vermögens- und Ertragslage des Gesellschafters unabhängig war; vgl. Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133, 144. 102 BGH, 24.11.2003, BGHZ 157, 72, 77 („November-Urteil“). 103 Siehe nur Böcker, ZGR 2006, 213, 223. 104 Fuhrmann, NZG 2004, 552, 554. 105 Hahn, Konzern 2004, 641, 645; Wessels, ZIP 2004, 793, 794. 106 Hentzen, ZGR 2005, 480, 500; Reidenbach, WM 2004, 1421, 1424; Schilmar, DB 2004, 1411, 1414. 107 Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133, 144; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 695; Scholz/ H.P. Westermann, § 30 Rn. 73: „bleibt abzuwarten“. 97
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– die globale Finanzkrise 2007–09 lag noch in der Zukunft – jedenfalls nur vereinzelt auf grundsätzlichen Widerspruch.108 Zugleich wurde deutlich, dass die Verwendung von Bonitätsurteilen unabhängiger Rating-Agenturen allein nicht ausreicht, um unsicheren rechtlichen Maßstäben zu einem klaren Aussagegehalt zu verhelfen. Sicher ist, dass sich aus der Formel des „November-Urteils“ keine Pflicht ableiten lässt, die Kreditwürdigkeit des Gesellschafters mit einem Rating zu belegen;109 weder Wortlaut noch Sinn der Entscheidung geben für einen solchen „Ratingzwang“ etwas her, der alle nicht gerateten Unternehmen ungeachtet ihrer tatsächlichen Bonität als Kreditnehmer ausschließen würde.110 Hält man die Verwendung von Ratings dagegen lediglich für zulässig und empfehlenswert, so schließt sich unmittelbar die Frage an, welche Ratingeinstufung eine „selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe außerhalb jedes vernünftigen Zweifels stehende“ Kreditwürdigkeit signalisiert: Hier reichten die Ansichten von einem „AAA“-Rating111 über ein nicht näher benanntes (sowie in der Sache unklares) „Best-Rating“112 und ein „A“-Rating113 bis zum „investment grade“.114 Die zwischenzeitliche Reform des Kapitalerhaltungsrechts hat eine Entscheidung entbehrlich gemacht;115 sie braucht auch hier nicht nachgeholt zu werden. Das Auftreten eines solchen Meinungsspektrums deutet jedoch bereits die Grenzen an, die jeder Ratingverwendung im vorliegenden Zusammenhang immanent sind: Auch der Rückgriff auf Ratings kann nur insoweit zur Sicherheit der Rechtsanwendung beitragen, wie der zu konkretisierende rechtliche Bonitätsstandard ermittelbar ist.116 (2) Ratings und die „Vollwertigkeit“ von Ansprüchen gegen den Gesellschafter seit MoMiG und ARUG Seit Reform der §§ 19, 30 GmbHG und §§ 27, 57 AktG durch das MoMiG sowie das ARUG setzt sich die Diskussion um den Rückgriff auf Ratings, wohl inspiriert durch die oben nachgezeichneten Vorschläge zur „November“-Rechtspre108
So bei Wessels, ZIP 2006, 1701, 1705 mit freilich fehlgehender Begründung. Wie hier Cahn, Konzern 2004, 235, 243; a.A. wohl Fuhrmann, NZG 2004, 552, 554. 110 Cahn, Konzern 2004, 235, 243. 111 Fuhrmann, NZG 2004, 552, 554; Reidenbach, WM 2004, 1421, 1424; M. Winter, DStR 2007, 1484, 1485; wohl auch Drygala, ZGR 2006, 587, 626, a.A. Cahn, Konzern 2004, 235, 243; Engert, BB 2005, 1951, 1954. 112 Hahn, Konzern 2004, 641, 645; Wessels, ZIP 2004, 793, 794. Skeptisch Scholz/H.P. Westermann, § 30 Rn. 23. 113 Engert, BB 2005, 1951, 1954. 114 Hentzen, ZGR 2005, 480, 500, 524. 115 Der BGH, 1.12.2008, BGHZ 179, 71 Tz. 12 („MPS“) hat die Grundsätze des „NovemberUrteils“ auch für Altfälle aufgegeben. 116 So sprach nicht per se gegen das Verlangen eines „AAA“-Ratings, dass sich in diesem Fall kein großes deutsches Industrieunternehmen als hinreichend kreditwürdig qualifiziert hätte (so aber Reidenbach, WM 2004, 1421, 1424; Schilmar, DB 2004, 1411, 1415) – hierzu wäre nachzuweisen gewesen, dass der BGH mit seiner „November“-Formel die Darlehensgewährung an große deutsche Industrieunternehmen aus gebundenem Vermögen ihrer Tochtergesellschaften nicht hatte ausschließen wollen. 109
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chung, im Rahmen dieser neu gefassten Vorschriften fort. Bezugspunkt ist nunmehr der im Text bereits erörterte Begriff der „Vollwertigkeit“, zu dessen Konkretisierung Ratings nach einer verbreiteten Ansicht im Schrifttum117 herangezogen werden können. Fest steht dabei auch hier, dass das Rating einer Rating-Agentur nicht die einzige Grundlage ist, auf der die Vollwertigkeit eines Rückgewähranspruchs ermittelt werden kann, weil auch ungeratete Forderungen vollwertig sein können;118 es kann sich daher lediglich um ein (freilich wertvolles) Hilfsmittel handeln.119 In der Sache beschränkt sich die hier diskutierte Fragestellung damit faktisch auf Konstellationen der Konzernfinanzierung, in denen die Konzernmutter ein börsennotiertes Unternehmen ist, weil typischerweise nur diese in Deutschland über ein „externes“ Rating verfügen – die Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften erfassen natürlich noch eine Vielzahl weiterer Fallgestaltungen, in denen ein Rating als Vollwertigkeitsindikator gar nicht zur Verfügung steht.120
Entscheidend ist sodann wiederum, ab welcher Ratingschwelle von einer Vollwertigkeit eines Rückgewähranspruches gegen den Gesellschafter ausgegangen werden kann. Als unbestritten, aber zugleich vergleichsweise unproblematisch darf die Feststellung gelten, dass ein „AAA“-Rating die Vollwertigkeit eindeutig belegt,121 denn in dieser Ratingeinstufung hatte man sogar eine selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe außerhalb jedes vernünftigen Zweifels stehende Kreditwürdigkeit i.S. des „November“-Urteils erkannt.122 Gewonnen ist damit freilich wenig, weil weltweit im Jahre 2010 nur fünf Industrieunternehmen über ein „AAA“-Emittentenrating verfügten, darunter kein deutsches. Im Schrifttum sieht man die Vollwertigkeit eines Anspruchs daher immer dann indiziert, wenn der darlehensnehmende Gesellschafter über ein „investment grade“-Rating verfügt.123 Den Rekurs auf diese im Rechtsvergleich überaus häufig eingesetzte und 117 Cahn, Konzern 2009, 67, 74 ff.; Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293; Ekkenga, in MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 244; Spindler/Stilz/Cahn/von Spannenberg, § 57 AktG Rn. 143 ff.; Spindler/Stilz/Heidinger/Herrler, § 27 AktG Rn. 237; Ulmer/Habersack, Erg.-Bd MoMiG, § 30 Rn. 20; Vetter, in: Goette/Habersack, MoMiG, Rn. 4.41; Wand/Tilmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 152; Wirsch, Konzern 2009, 443, 447. Skeptisch Bork/Schäfer/Thiessen, § 30 Rn. 48 mit Verweis auf das in jüngerer Zeit erschütterte Vertrauen in die Urteilskraft von Rating-Agenturen. 118 Ekkenga, in MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 244; Vetter, in: Goette/Habersack, MoMiG, Rn. 4.41; Wand/Tilmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 152; Wirsch, Konzern 2009, 443, 447. 119 Zutreffend Vetter, in: Goette/Habersack, MoMiG, Rn. 4.41: „nicht mehr und nicht weniger“. 120 Für die Nutzung auch „interner“ Ratings eintretend Cahn, Konzern 2009, 67, 75. 121 Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293. 122 Dazu vorstehend (1). Damit stimmt überein, dass der BGH in einer Entscheidung zur Anlageberaterhaftung (vom 27.2.1996, NJW 1996, 1744, 1745) die empfohlenen, mit „AAA“ gerateten Anleihen mit den Worten umschrieb: „Zweifel an der Solvenz des Emittenten bestanden nicht.“ 123 Cahn, Konzern 2009, 67, 74; Ekkenga, in MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 244; Spindler/ Stilz/Cahn/von Spannenberg, § 57 AktG Rn. 143; Wand/Tilmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 152; Wirsch, Konzern 2009, 443, 447; wohl auch Drygala, ZGR 2006, 587, 626. Ähnlich Vetter, in: Goette/Habersack, MoMiG, Rn. 4.41: unterhalb eines „investment grade“-Ratings sei eine besonders kritische Prüfung notwendig.
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auch an den internationalen Finanzmärkten fast uniform verwandte Ratingschwelle124 begründet man mit den statistischen Ausfallquoten der Vergangenheit, die sich im „investment grade“-Bereich zwischen 0,23% (bezogen auf ein Jahr) und weniger als 2% (bis 5 Jahre) bewegten – bei einer so geringen Ausfallwahrscheinlichkeit bestehe kein konkretes Ausfallrisiko.125 bb) Stellungnahme Die Verwendung von Ratings als Indikatoren der „Vollwertigkeit“ von Rückgewähransprüchen verdient im Grundsatz Zustimmung, denn sie setzt zum einen die Ziele des Vollwertigkeitserfordernisses der §§ 19, 30 GmbHG und §§ 27, 57 AktG um und macht dieses zum anderen auch in der Praxis handhabbar. (1) Rechtssicherheit durch das Abstellen auf Bonitätsbeurteilungen durch einen unabhängigen Dritten So spricht für ein Abstellen auf Ratings – bei dem es sich, wie bereits im Text erwähnt, stets nur um eine (nicht ausschließliche) Option der Vollwertigkeitsermittlung handeln kann – zunächst der Umstand, dass es sich dabei um die Bonitätseinschätzung eines unabhängigen Dritten handelt, die damit dem Ziel einer „objektiven“ Beurteilung der Vollwertigkeit tendenziell näher kommen wird als eine Beurteilung, die durch den Geschäftsleiter eines abhängigen Unternehmens bezüglich der Bonität von dessen Gesellschafter durchgeführt wird. Obgleich ein formelles Weisungsrecht des Gesellschafters in diesem Falle nicht bestehen mag,126 kann doch ein Einfluss auf das Bewertungsergebnis kaum völlig ausgeschlossen werden.127 Hinzu kommt die fachliche Expertise der Rating-Agenturen auf dem Feld der Bonitätsbeurteilung, die – obgleich keineswegs frei von Fehlerpotential128 – nicht selten eine sicherere Prognose versprechen wird als die Einschätzung eines Geschäftsführers, die dieser auf Grundlage von Jahresabschluss, Lagebericht und Prüfungsbericht der Konzernmutter129 trifft.130 Dass dieser sich dabei auch auf Kreditauskünfte soll stützen können,131 spricht ebenfalls für die Nutzung von Ratings. In praktischer Hinsicht erleichtern diese dem Geschäftsleiter schließlich die im Kapitalaufbringungsstadium notwendige Anmeldung
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Siehe zu Befund und den daraus resultierenden Folgen (namentlich dem „Synchronisierungseffekt“ des Rechts) noch genauer § 17 IV; zur Entstehung des „investment grade“-Begriffs im U.S.-amerikanischen Bankenaufsichtsrecht § 7 I 1 a) bb). 125 Wirsch, Konzern 2009, 443, 447. 126 Altmeppen, ZIP 2009, 49, 54. 127 Cahn, Konzern 2009, 67, 75. 128 Darauf verweisend Bork/Schäfer/Thiessen, § 30 Rn. 48. 129 Cahn, Konzern 2009, 67, 72; Spindler/Stilz/Cahn/von Spannenberg, § 57 AktG Rn. 145, 147; Wirsch, Konzern 2009, 443, 447. 130 Auf die häufig fehlende Forderungsbewertungsexpertise der Geschäftsleiter gerade kleinerer Gesellschaften weist Cahn, Konzern 2009, 67, 73 hin; ebenso Altmeppen, ZIP 2009, 49, 51. 131 Wirsch, Konzern 2009, 443, 447.
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beim Registergericht, bei der nicht nur Angaben, sondern auch Nachweise132 zur Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs notwendig sind, um dem Registergericht so die gebotene Prüfung zu erlauben.133 Mittels einer Ratingnennung sowie der Vorlage eines entsprechenden Ratingnachweises134 lässt sich diese Pflicht deutlicher einfacher erfüllen als durch das üblicherweise genannte135 Sachverständigengutachten. Die neueste Rechtsprechung hat insoweit ausdrücklich festgestellt, dass „positive Bewertungen durch international anerkannte Ratingagenturen“ „als Bonitätsnachweis nicht zurückgewiesen werden“ können.136 Allgemeine Bilanzierungsgrundsätze, die nach h.M. für die Vollwertigkeitsermittlung maßgeblich sind, dürften einer Ratingnutzung dabei nicht entgegen stehen, weil diese keine entgegenstehenden Vorgaben für die Durchführung der notwendigen Rückzahlungsprognose enthalten; im bilanzwissenschaftlichen Schrifttum wird der Rückgriff auf externe Ratings für Zwecke der bilanziellen Kreditrisikoabbildung sogar ausdrücklich diskutiert.137 Auch daraus, dass die bilanzielle Bewertung auf die Erkennbarkeit aus Sicht der Gesellschaft abstellt und bei Fehlen gegenteiliger Hinweise von Vollwertigkeit ausgeht,138 ergibt sich nichts anderes, denn ein durch eine Rating-Agentur publiziertes Rating des Gesellschafters ist für jeden Geschäftsleiter erkennbar. Und schließlich würden Ratings im Rahmen der Vollwertigkeitsermittlung nicht irrtümlich als Liquiditätsindikator eingesetzt,139 wie dies in manchen Rechtsvorschriften durchaus vorkommt,140 weil die Liquidität in § 19 Abs. 5 Satz 1 GmbHG, § 27 Abs. 4 Satz 1 AktG gesondert („der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig gestellt werden kann“) und in § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG gar nicht141 geregelt wird.
Die Bestimmung der Ratingschwelle, ab der ein Rückzahlungsanspruch als „vollwertig“ angesehen werden kann, ist dabei notwendigerweise eine Wertungsfrage, die nicht mit mathematischer Präzision beantwortet werden kann. Die Ratingskalen selbst benennen keine Ratingstufe, ab der es an einem konkreten Ausfallrisiko fehlt, sondern sind vielmehr als Spektrum konzipiert, auf dem die relative
132 OLG München, 17.2.2011, ZIP 2011, 567, 568; Herrler, DStR 2011, 2255, 2260; a.A. Wachter, GmbHR 2011, 423, 424 f. 133 Arnold, in KK-AktG, § 27 Rn. 147; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19 Rn. 112; Märtens, in MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 313. 134 Nach OLG München, 17.2.2011, ZIP 2011, 567, 568 genügt es nicht, auf die „aktuellen, öffentlich zugänglichen Ratings“ der Muttergesellschaft zu verweisen – es sei infolge der Mitwirkungspflicht der Tochtergesellschaft im Anmeldungsverfahren vielmehr notwendig, das Rating „konkret vorzutragen und zu belegen, was unschwer möglich sein dürfte“. 135 Heckschen, DStR 2009, 166, 173; Märtens, in MünchKomm-GmbHG, § 19 Rn. 313. 136 OLG München, 17.2.2011, ZIP 2011, 567, 568; zustimmend Herrler, DStR 2011, 2255, 2260. Skeptisch zum Verweis auf Ratings dagegen Wachter, GmbHR 2011, 423, 425: „erstaunlich“. 137 Vgl. ausführlich Wimmer/Kusterer, DStR 2006, 2046 ff. 138 Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 19 Rn. 76; Ekkenga, in MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 242; Spliedt, ZIP 2009, 149, 150. 139 Die Erforderlichkeit eines separaten Liquiditätsnachweises neben dem Rating betont Hentzen, ZGR 2005, 480, 504. 140 Siehe schon § 7 II (zum Bankenaufsichtsrecht) sowie zusammenfassend § 17 III 2. 141 So Habersack, ZGR 2009, 347, 354; Ulmer/Habersack, Erg.-Bd MoMiG, § 30 Rn. 20.
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Ausfallwahrscheinlichkeit verortet wird.142 Auch Wortlaut und Entstehungsgeschichte der zu konkretisierenden Normen, die demgegenüber eine „entweder/ oder“-Entscheidung über die Vollwertigkeit verlangen,143 lassen sich, wie bereits im Text144 erörtert, keine näheren Anhaltspunkt entnehmen. Dass in der Literatur einheitlich das „investment grade“ mit der Vollwertigkeit des Anspruchs gleichgesetzt wird,145 mag dabei vorrangig auf die Ubiquität dieser Ratinggrenze im Recht und am Finanzmarkt zurückzuführen sein. Ergänzend bietet sich im Sinne einer systematischen Auslegung ein Blick auf andere Regelungen des deutschen Rechts an, in denen Ratings in ihrer Regulierungsfunktion eingesetzt werden: So ist Bausparkassen nach Bankenaufsichtsrecht der Erwerb von Anleihen privater Emittenten erlaubt, sofern nach Ansicht der Aufsichtsbehörde eine „ausgeprägte persönliche und wirtschaftliche Fähigkeit des Emittenten zur Bedienung der Anleihe“ vorliegt – diese Fähigkeit, die man mit der „Vollwertigkeit“ eines Anspruchs wird gleichsetzen können, hält man in der Regel bei einem „investment grade“-Rating für substantiiert gegeben.146 Nach den strengeren Vorgaben des Sozialversicherungsrechts sind die Mittel der Sozialversicherungsträger hingegen „so anzulegen und zu verwalten, dass ein Verlust ausgeschlossen erscheint“,147 was demgegenüber erst ab einem Rating von „AA–“ gegeben sein soll.148 Das „investment grade“ ist in der Unternehmensfinanzierungspraxis demgegenüber diejenige Ratingschwelle, ab der unbesicherte Darlehen gewährt werden,149 also nach der maßgeblichen vernünftigen kaufmännischen Beurteilung150 eine Vollwertigkeit der Darlehensforderung angenommen wird. Man wird sich daher im Ergebnis der im Schrifttum vorgeschlagenen „investment grade“-Grenze anschließen können, deren Überschreitung als Indiz der Vollwertigkeit eines Rückzahlungsanspruchs, deren Unterschreitung hingegen als Indiz seiner mangelnden Vollwertigkeit angesehen werden darf.151 142
Vgl. dazu schon § 2 I 3. Statt vieler Altmeppen, NZG 2010, 441, 445; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19 Rn. 124. 144 Oben III 1 a), b). 145 Siehe die Nachweise oben bei aa) (2). 146 BaFin, Schreiben vom 16.11.2005, Geschäftsz. BA 2 – 21.00 – Für die Geldanlage von Bausparkassen geeignete „andere Schuldverschreibungen“ im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 5 BSpKG, Tz. 2, 3. Siehe dazu bereits § 7 I 2 a). 147 § 80 Abs. 1 SGB IV. 148 BVA, Rundschreiben vom 1.12.2000 zur Anlage der Rücklage der Sozialversicherungsträger nach § 83 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV – Schuldverschreibungen, S. 4. 149 Cahn, Konzern 2009, 67, 74; Nodoushani, WM 2007, 289, 291; Spindler/Stilz/Cahn/von Spannenberg, § 57 AktG Rn. 143. 150 So BGH, 1.12.2008, BGHZ 179, 71 Tz. 13 („MPS“) zu § 311 AktG unter Verweis auf § 253 HGB. 151 Da § 19 Abs. 5 Satz 1, § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und § 27 Abs. 4 Satz 1, § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG übereinstimmend auf die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruches abstellen, setzt dies eigentlich ein Rating dieses Anspruches (präziser: eine Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Erfüllung dieses Anspruches durch den Gesellschafter) voraus. Ein Rating dieser konkreten Verbindlichkeit wird aber nur selten vorliegen. Ersatzweise wird man daher auf das Emittenten- oder Unter143
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(2) Die Ratingbeachtung als „safe harbour“? Will man das Unternehmensrating eines Gesellschafters als Indiz der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruches gelten lassen, so bewirkt dies zunächst einmal eine erleichterte Handhabung der Kapitalschutzregeln für Geschäftsführer und Vorstände, weil der unbestimmte und rechtsunsichere Begriff der „Vollwertigkeit“ anhand der marktbekannten Ratingskalen präzisiert wird. Es stellt sich aber die weitergehende Frage, ob das Vorliegen eines „investment grade“-Ratings sogar einen „safe harbour“ darstellt, die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs in diesem Fall also unwiderleglich anzunehmen ist. In diese Richtung weisen Stimmen in der Literatur, denen zufolge man von der Geschäftsleitung nicht mehr verlangen könne, als sich die Kenntnisse und Ergebnisse professioneller Rating-Agenturen zunutze zu machen.152 Nach vorzugswürdiger Ansicht ist zwischen der kapitalschutzrechtlichen Beurteilung auf der einen und der Haftung der Geschäftsleiter auf der anderen Seite zu unterscheiden: In ersterer Hinsicht besteht von vornherein kein Anlass, einen „safe harbour“ zugunsten des leistungsempfangenden Gesellschafters anzunehmen, verfügt dieser doch im Zweifel über einen besseren Einblick in seine eigene wirtschaftliche Lage als eine außen stehende Rating-Agentur, wodurch ihm auch eine präzisere Einschätzung seiner eigenen künftigen Zahlungsfähigkeit möglich ist.153 Für den Schutz seines Vertrauens in die Ratingeinstufung besteht folglich kein Anlass. Zu beachten ist freilich stets, dass es für die Beurteilung der Vollwertigkeit allein auf den Zeitpunkt der Leistung durch die Gesellschaft ankommt,154 weshalb nachträgliche Entwicklungen – wie etwa spätere wirtschaftliche Schwierigkeiten auf Seiten des Gesellschafters – für Zwecke des § 19 Abs. 5 Satz 1, § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und § 27 Abs. 4 Satz 1, § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG außer Betracht bleiben müssen.155 Die Gefahr einer unzulässigen ex post-Neubewertung der getroffenen Prognose besteht dabei namentlich dann, wenn der Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft auf erneute Leistung seiner Einlage in Anspruch genommen wird. Ihr ist streng entgegen zu treten.156 Soweit die Haftung von Geschäftsführern (§ 43 Abs. 2, 3 Satz 1 GmbHG) oder Vorstandsmitgliedern (§ 93 Abs. 2, 3 Nr. 1 AktG) in Rede steht, wird man hingegen von ihrer hinreichenden Sorgfalt bei der Bonitätsbeurteilung ausgehen können, wenn sie sich auf ein „investment grade“-Rating des Gesellschafters verlassen haben.157 Da es sich bei dieser Wirkung vorhandener Ratingeinstufungen nicht um einen generellen 152 nehmensrating des Gesellschafters zurückgreifen können, das dessen Kreditwürdigkeit hinsichtlich ungesicherter, nicht nachrangiger Forderungen bewertet (siehe dazu allgemein § 2 III 1) – um solche Forderungen wird es sich nämlich bei Rückgewähransprüchen üblicherweise handeln. 152 Wirsch, Konzern 2009, 443, 447. 153 Vgl. Altmeppen, ZIP 2009, 49, 55; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 19 Rn. 76. 154 Siehe dazu schon oben im Text unter III 1 a) mit Nachw. 155 BGH, 1.12.2008, BGHZ 179, 71 Tz. 13 („MPS“). 156 Vgl. zur Gefahr eines hindsight bias allgemein Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 590; Fleischer, NJW 2010, 1504, 1506. 157 Insofern wie hier Wirsch, Konzern 2009, 443, 447.
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„safe harbour“, sondern um deren Berücksichtigung bei der Beurteilung des Verschuldens handelt – die business judgment rule158 greift nicht ein, weil die Vollwertigkeitsbeurteilung eine gesetzlich gebundene Entscheidung ist159 – darf der Geschäftsleiter jedoch kein „blindes Vertrauen“ in das Rating haben. Sofern er daher im Einzelfall über Kenntnisse verfügt, welche die Einstufung als „investment grade“ als ungerechtfertigt erscheinen lassen, darf er die Zahlung an den Gesellschafter trotz vorhandenen Ratings nicht vornehmen.160 Tut er dies dennoch, so haftet er persönlich auf Schadensersatz. c) Die Pflicht der Geschäftsleitung zur fortlaufenden Bonitätsüberwachung Die Pflichten der Geschäftsleitung beschränken sich allerdings nicht auf die Prüfung der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs vor Darlehensausreichung, sondern setzen sich sodann in der Verpflichtung fort, laufend etwaige Änderungen des Kreditrisikos zu prüfen und auf eine sich nach Darlehensausreichung andeutende Bonitätsverschlechterung mit der Kreditkündigung oder der Anforderung von Sicherheiten zu reagieren.161 Ihre Grundlage findet diese Pflicht zur fortdauernden Bonitätsüberwachung in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG162 bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG.163 Auch bei ihrer Erfüllung können wiederum Ratings eine Rolle spielen: aa) Informationspflichten: Nutzung von Ratings in ihrer Marktinformationsfunktion So soll die Pflicht zur laufenden Information über die Bonität des darlehensnehmenden Gesellschafters zum einen die ständige Auswertung öffentlich zugängiger Informationsquellen erfordern164 und zum anderen die Vereinbarung eines Informations- oder „Frühwarnsystem“ zwischen Gesellschaft und Gesellschafter (in Konzernsachverhalten: zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft) notwendig machen können.165 In erstgenannter Hinsicht sind Vorstand und Ge158
§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Zur Erstreckung der business judgment rule auch auf die Haftung des GmbH-Geschäftsführers Scholz/Uwe H. Schneider, § 43 Rn. 54. 159 Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 805 f.; Wand/ Tilmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 153; a.A. Frhr. von Falkenhausen/Kocher, BB 2009, 121, 122. 160 Cahn, Konzern 2009, 67, 76; Spindler/Stilz/Cahn/von Spannenberg, § 57 AktG Rn. 148; Wirsch, Konzern 2009, 443, 447. 161 BGH, 1.12.2008, BGHZ 179, 71 Tz. 14 („MPS“); Ekkenga, in MünchKomm-GmbHG, § 30 Rn. 243; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19 Rn. 119; Saenger, in FS H.P. Westermann (2008), S. 1381, 1398; Ulmer/Habersack, Erg.-Bd MoMiG, § 30 Rn. 27. 162 BGH, 1.12.2008, BGHZ 179, 71 Tz. 14 („MPS“). 163 Rothley/Weinberger, NZG 2010, 1001, 1003; Saenger, in FS H.P. Westermann (2008), S. 1381, 1398. 164 Cahn, Konzern 2009, 67, 79. 165 BGH, 1.12.2008, BGHZ 179, 71 Tz. 14 („MPS“); Cahn, Konzern 2009, 67, 79; Frhr. von Falkenhausen/Kocher, BB 2009, 121, 122; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30 Rn. 31. Eine solche Pflicht schreibt in § 51 Satz 3 SolvV auch das Bankenaufsichtsrecht vor.
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schäftsführer daher jedenfalls zur Beobachtung des Ratings des Darlehensnehmers verpflichtet, um auf etwaige Downgrades reagieren zu können. Dies wird man freilich im Sinne eines Mindestpflichtenstandards zu verstehen haben, der vertragliche Informationsabsprachen nicht überflüssig machen dürfte, weil diese einen Zugang auch zu sonstigen bonitätsrelevanten Informationen bereits zu einem Zeitpunkt erlauben, zu dem diese noch nicht in eine Ratinganpassung eingeflossen sind und damit auch allen anderen Gläubigern zugängig sind. Der im Schrifttum vorgeschlagenen prozeduralen Absicherung mittels einer vertraglichen Pflicht des Gesellschafters bzw. der Konzerngesellschaft, den Verlust eines „investment grade“-Ratings mitzuteilen,166 wird daher allenfalls ergänzende Bedeutung zukommen können. bb) Reaktionspflichten: Vertragliche Verwendung von Ratings in ihrer Regulierungsfunktion Darüber hinaus muss die Geschäftsleitung der Gesellschaft natürlich auch auf sich andeutende Bonitätsverschlechterungen reagieren können, indem das Darlehen fällig gestellt oder zusätzliche Sicherheiten eingefordert werden. Während die jederzeitige Fälligkeit oder Möglichkeit der fristlosen Kündigung in § 19 Abs. 5 Satz 1 GmbHG und § 27 Abs. 4 Satz 1 AktG schon durch das Kapitalaufbringungsrecht vorgeschrieben werden, stellen diese sich in § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und §§ 57 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 1 AktG als Ausfluss der allgemeinen Sorgfaltspflicht von Geschäftsführer und Vorstandsmitgliedern167 dar. Die Umsetzbarkeit der gebotenen Reaktionen setzt freilich wiederum ihre rechtliche Zulässigkeit im Verhältnis zum Darlehensnehmer voraus, die bei Gestaltung der Darlehensverträge sicher zu stellen sind. So wird sich die Geschäftsleitung nicht auf gesetzliche Kündigungsrechte wie § 490 BGB verlassen dürfen,168 weil die Anwendung entsprechender Normen vermeidbares Streitpotential birgt, sondern wird vertragliche Kündigungsrechte mit klar bestimmten Voraussetzungen vereinbaren müssen.169 In Frage kommt zu diesem Zweck die Aufnahme vertraglicher „rating trigger“,170 die eine fristlose Kündigung bei Unterschreiten einer bestimmten Ratingschwelle erlauben,171 wobei diese Schwelle nach dem oben Gesagten jedenfalls oberhalb des „non-investment grade“ liegen muss. Entsprechendes gilt für Rechte zur Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten.172 Die vertragliche Nutzung der Regulierungsfunktion von Ratings kann insofern zur prozeduralen Absicherung der Reaktionsmöglichkeiten der Geschäftsleiter beitragen und dadurch zugleich drohende Haftungsrisiken reduzieren. 166 167 168 169 170 171 172
So Hentzen, ZGR 2005, 480, 500 im Nachgang zum „November-Urteil“. § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Anders wohl Altmeppen, ZIP 2009, 49, 53. Cahn, Konzern 2009, 67, 79. Siehe dazu noch § 16. Böcker, ZGR 2006, 213, 215 Fn. 5; Wessels, ZIP 2004, 793, 795. Cahn, Konzern 2009, 67, 79.
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2. Schweizer Recht Das Schweizer Aktienrecht stellt ebenfalls detaillierte Regelungen zu Kapitalaufbringung und -erhaltung durch die Aktionäre auf, die in ihrer Ausgestaltung eine erkennbare Ähnlichkeit zu den funktionsäquivalenten Vorschriften des deutschen Rechts vor der dortigen Reform durch MoMiG und ARUG aufweisen. Der Schutz des Grundkapitals wird dabei auch hier als Ausgleich dafür angesehen, dass der Kapitalgesellschafter nicht persönlich haftet.173 Obwohl die Sinnhaftigkeit des überkommenen Kapitalschutzrechts im Schweizer Schrifttum in jüngerer Zeit höchst kontrovers diskutiert wird,174 hat der Gesetzgeber bislang unverändert daran festgehalten.175 Es bildet dabei auch in denjenigen Konstellationen den relevanten Maßstab, in denen – wie häufig176 – das Verhältnis zwischen Konzerngesellschaften betroffen ist, weil das Schweizer Recht kein gesondertes Konzernrecht kennt.177 Fragen der Bonitätsbeurteilung treten auch in der Schweiz vor allem im Zusammenhang mit dem Cash Pooling auf, obgleich die Intensität der wissenschaftlichen Diskussion erheblich hinter derjenigen in Deutschland zurückbleibt. Die Anforderungen an die Kapitalaufbringung sind dabei strenger ausgestaltet als im deutschen Recht, weil jedes Hin- und Herzahlen im Schweizer Recht zum Wiederaufleben der Einlageschuld führt;178 die Kreditwürdigkeit des beteiligten Aktionärs spielt dabei keine Rolle. Im sich anschließenden Bereich der Kapitalerhaltung wird zum einen mit der Vorschrift des Art. 680 Abs. 2 OR gearbeitet, die ihrem Wortlaut nach dem Aktionär lediglich das Recht versagt, den zur Kapitalaufbringung eingezahlten Betrag zurückzufordern, der die h.M. aber darüber hinaus ein allgemeines Verbot der Einlagenrückgewähr entnimmt.179 Wann dieses Verbot eingreift, ist allerdings umstritten:180 Eine strenge Ansicht stuft jede Leistung an einen Aktionär als verbotene Ausschüttung ein, sofern der Mittelabfluss den Betrag der freien Reserven überschreitet, ohne dass es auf die Konditionen der Transaktion und die Bonität des Darlehensnehmers ankäme,181 während die wohl herrschende Gegenansicht eine Leistung an Aktionäre aus gebundenen 173
Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 8 Rn. 1; Jagmetti, Cash Pooling, S. 173. Vgl. ausführlich Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 1 II; Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 8 Rn. 9. 175 Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 8 Rn. 9 bezeichnet das Kapitalschutzrecht ironisch als „Augenstern des Gesetzgebers“. 176 Handschin, in FS Ruedin (2006), S. 273. 177 Kull, in FS Spühler (2005), S. 179, 187. 178 Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 1 Rn. 331. 179 CHK/Ch. Schmid, Art. 680 OR Anm. 7; Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 8 Rn. 31; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schw. Aktienrecht, § 50 Rn. 107 ff.; Kurer/Kurer, in Basler Komm., Art. 680 OR Rn. 17. 180 Vgl. CHK/Ch. Schmid, Art. 680 OR Anm. 9; Kurer/Kurer, in Basler Komm., Art. 680 OR Rn. 22 m.w.Nachw. 181 So vor allem Böckli, ST 1980/2, 4, 6; ders., in FS Vischer (1983), S. 527, 538; dem folgend Bochud, Darlehen an Aktionäre, S. 152; deutlich zurückhaltender Tschäni, M&A-Transaktionen, 5. Kap. Rn. 48 f. 174
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Mitteln zulässt, sofern diese zu Marktkonditionen, d.h. bei ausreichender Bonität des Rückgewährschuldners und einer dieser Kreditwürdigkeit angemessenen Verzinsung erfolgt.182 Eine bestimmte Mindestbonität nach dem Muster der „Vollwertigkeit“ des geltenden deutschen Rechts, die ggfs. durch Ratings gemessen werden könnte, wird dabei allerdings nicht verlangt, weil ein höheres Kreditrisiko insoweit durch eine marktgerechte höhere Verzinsung kompensiert wird. Soweit die Zahlung an den Aktionär hingegen aus den freien Reserven erfolgt, ist das Verbot der verdeckten Gewinnausschüttung (Art. 678 Abs. 2 OR) zu beachten, die bei einer Darlehensausreichung jedoch erst dann vorliegt, wenn das damit einhergehende Kreditrisiko in einem offensichtlichen Missverhältnis zur von der Gesellschaft erhaltenen Gegenleistung steht.183 Es kommt also wiederum auf einen Drittvergleich (arm’s lenght-Test) an,184 bei dessen Vornahme Ratings mittelbar eine Rolle spielen können, sofern nämlich die Bepreisung von Darlehen am Markt in Anlehnung an „externe“ Ratings erfolgt; in der Schweiz dürfte dies augenblicklich jedoch nur selten der Fall sein, weil in diesem Bereich weiterhin „interne“ Kreditrisikobewertungen vorherrschen. Ein praktischer, wenngleich auch insoweit nicht zwingender Anwendungsbereich dürfte der Ratingnutzung damit nur für Zwecke der fortdauernden Bonitätsbeobachtung zukommen, welche der Verwaltungsrat auch nach schweizerischem Recht als Ausfluss seiner Pflicht zur Finanzkontrolle (Art. 716a OR) sowie seiner allgemeinen Sorgfaltsund Treupflicht (Art. 717 Abs. 1 OR) vornehmen muss.185 Für die Ausgestaltung dieses „internen Kontrollsystems“ gibt es keine verbindlichen Richtlinien; sie richtet sich nach der Größe und Komplexität der Gesellschaft.186 Sofern der Poolführer bei einem Cash Pooling über ein unabhängiges und öffentlich zugängiges Rating verfügt, wird dessen Beobachtung durch die beteiligte Gesellschaft aber für ausreichend gehalten.187 Da der Verwaltungsrat zudem die Möglichkeit einer Darlehenskündigung bei sich verschlechternder Bonität des Aktionärs sicherzustellen188 (und diese im gegebenen Fall auch zu nutzen189) hat, können darüber hinaus „rating trigger“ auch nach schweizerischem Recht ein sinnvolles Gestaltungsmittel darstellen. Insgesamt spielen Ratings jedoch im Schweizer Recht der Kapitalaufbringung und -erhaltung eine geringere Rolle als im deutschen Recht. 182 Blum, AJP 2005, 705, 706; Druey, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 11 Rn. 76; Forstmoser/ Meier-Hayoz/Nobel, Schw. Aktienrecht, § 40 Rn. 348; Glanzmann, Darlehensvertrag mit einer AG, S. 9 f.; Handschin, in FS Ruedin (2006), S. 273, 278: Jagmetti, Cash Pooling, S. 179; Schärer/ Maurenbrecher, in Basler Komm., Art. 312 OR Rn. 65. 183 Blum, AJP 2005, 705, 706; Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 569; Handschin, in FS Ruedin (2006), S. 273, 277; Tschäni, M&A-Transaktionen, 5. Kap. Rn. 76. 184 Handschin, in FS Ruedin (2006), S. 273, 279: „Drittmannstest“; Jagmetti, Cash Pooling, S. 190 f. 185 Vgl. Blum, AJP 2005, 705, 707; Handschin, in FS Ruedin (2006), S. 273, 281; Jagmetti, Cash Pooling, S. 155 ff. 186 Handschin, in FS Ruedin (2006), S. 273, 282. 187 Jagmetti, Cash Pooling, S. 157. 188 Böckli, in FS Vischer (1983), S. 527, 543; zustimmend Blum, AJP 2005, 705, 708, 710; Handschin, in FS Ruedin (2006), S. 273, 284. 189 BGer, 7.4.1987, BGE 113 II 52, 58; Grass, Business Judgment Rule, S. 163 f.
§ 14 Ratings und die Pflicht zur guten Unternehmensführung (Corporate Governance) Als Corporate Governance bezeichnet man die innere Organisation und Machtstruktur im Unternehmen, die Arbeitsweise der Leitungsorgane, die Eigentümerstruktur und die Beziehungen zwischen Unternehmensleitung, Aktionären und anderen am Unternehmen Beteiligten; kurz: den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens.1 In der international geführten, facettenreichen Diskussion um die Corporate Governance haben Rating-Agenturen und ihre Ratings trotz deren unbestreitbarer Bedeutung am Finanzmarkt bislang eine nur geringe Rolle gespielt.2 In jüngerer Zeit finden sich im deutschen Schrifttum jedoch vermehrt Stimmen, die das Rating als zentrales Element der Corporate Governance von Unternehmen einordnen3 oder im Rating, gemeinsam mit der Abschlussprüfung und den Finanzanalyseberichten, eine dritte, organexterne Säule der Corporate Governance neben Vorstand und Aufsichtsrat erkennen wollen.4 Auch in Hongkong wird den Rating-Agenturen eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Corporate Governance lokaler Unternehmen zugewiesen.5 Auf der anderen Seite sind ebenso Zweifel geäußert worden, „ob das Schielen auf das Rating Good Governance entspricht“,6 die Qualität der Unternehmensführung also nicht eher beeinträchtigt zu werden droht.
1 Hopt, ZGR 2000, 779, 782 (dort auch zu anderen, vielfach deutlich engeren Begriffsdefinitionen); von Werder, in: Hommelhoff/Hopt/von Werder, Hdb. Corporate Governance, S. 3, 4. 2 So wird insbesondere im U.S.-amerikanischen Schrifttum zwar ausführlich untersucht, ob und inwieweit eine gute Corporate Governance Auswirkungen auf das Rating des betreffenden Unternehmens hat (vgl. statt vieler Ashbaugh-Skaife/Collins/LaFond, 42 J. Acct. & Econ. (2006), 203 ff.); die gegenläufige, hier interessierende Beeinflussung wird hingegen kaum thematisiert. 3 Deipenbrock, BB 2003, 1849; Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387. In diese Richtung weisen auch die OECD-Grundsätze der Corporate Governance, die in ihrer Neufassung von 2004 anerkennen, dass neben anderen Intermediären auch Rating-Agenturen wichtige Anreize für die Führungsgremien der Unternehmen zur Einhaltung guter Corporate-Governance-Regeln schaffen können, sofern ihre Arbeit von Interessenkonflikten unbeeinträchtigt ist und dem Gebot der Integrität entspricht (so die Anmerkungen zu Tz. V. E. der OECD-Grundsätze). 4 Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 196; ansatzweise auch Niedostadek, Rating, Rn. 208. A.A. Mitchell, 48 Vill. L. Rev. (2003), 1189, 1193 Fn. 31. 5 In diesem Sinne Lee, in: Securities Regulation in Hong Kong, S. 359, 365: „Ratings could become vital in raising the standards of corporate governance. … While there are several ways to advance corporate governance standards, ratings services that encourage voluntary commitments and initiatives to advance corporate governance are the ideal.“ 6 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 190.
§ 14 Ratings und die Pflicht zur guten Unternehmensführung
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Die folgenden Ausführungen nähern sich der Problematik in Gestalt von drei Ausschnitten und untersuchen zunächst die Rolle, die Ratings als Informationsgrundlage für unternehmerische Entscheidungen spielen.7 Während dabei also Bonitätsbeurteilungen anderer Unternehmen und am Finanzmarkt angebotener Finanzinstrumente in den Blick genommen werden, behandeln die sich anschließenden Abschnitte das eigene Rating des Unternehmens unter Corporate Governance-Gesichtspunkten, nämlich zunächst die Vorgaben der internen Corporate Governance für die Beauftragung von und die Zusammenarbeit mit RatingAgenturen8 und sodann die Ratingerlangung sowie -erhaltung als übergeordnetes Ziel der Unternehmenstätigkeit.9 Es geht dabei auch hier durchgehend um Ratings im Sinne von Bonitätsbeurteilungen, nicht um sog. „Corporate Governance-Ratings“, die von entsprechend spezialisierten Agenturen angeboten werden10 und mit Kreditratings nur die Bezeichnung als „Rating“ teilen.11
I. Ratings als Informationsgrundlage für unternehmerische Entscheidungen Informationen sind nicht nur „das Blut in den Adern des Kapitalmarktes“,12 sondern bilden auch die notwendige Grundlage für unternehmerische Entscheidungen. In rechtlicher Hinsicht ist eine ausreichende Informationsgrundlage dabei in mehrerer Hinsicht relevant: So kann ein uninformiertes Handeln der Geschäftsleitung per se sorgfaltswidrig sein, es kann ein etwaiges Haftungsprivileg bei informiertem Handeln, das in Gestalt der business judgment rule mittlerweile in allen hier untersuchten Rechtsordnungen bekannt ist, ausschließen, und schließlich im Bereich einer bestehenden Legalitätsbindung gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben verstoßen.13 Aufsichtsrechtliche Anforderungen an Bonitätsinformationen beschränken sich freilich im Wesentlichen auf regulierte Branchen der Finanzwirtschaft wie namentlich Banken, Versicherungen und Fonds, auf die im Text bereits eingegangen wurde;14 bei sonstigen, hier behandelten Unternehmen stellt sich daher allenfalls die Frage nach einer Übertragbarkeit der dortigen Vorgaben.
7
Sogleich unter I. Dazu unter II. 9 Unter III. 10 Vgl. zu diesen Marsch-Barner, in: ders./Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, § 2 Rn. 40; Prigge/ Offen, ZBB 2007, 89 ff. 11 Siehe zu dieser Unterscheidung bereits § 2 I 1 c). 12 Dombalagian, 55 Buff. L. Rev. (2007), 1; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.277. 13 Florstedt, AG 2010, 315, 317; Goette, in FS 50 Jahre BGH (2000), S. 123, 140 f.; Hopt/Roth, in Großkomm-AktG, Stand: 1.10.2006, § 93 Abs 1 Satz 2, 4 nF Rn. 47. 14 Siehe § 6, § 7 und § 12. 8
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1. Unternehmerische Entscheidungen mit Bonitätsbezug: Fallgruppen Da Ratings eine Beurteilung ausschließlich der Bonität eines Unternehmens oder eines Finanzinstrumentes ausdrücken und über sonstige Risikofaktoren nichts aussagen, können sie von vornherein nur für solche unternehmerischen Entscheidungen von Bedeutung sein, bei denen es ihrerseits auf die Bonität des Entscheidungsgegenstandes ankommt.15 Da die mangelnde Kreditwürdigkeit eines Schuldners theoretisch die Erfüllung jeder Forderung gefährden kann, die nicht vollständig besichert ist, können Bonitätserwägungen für ein weites Feld unternehmerischer Entscheidungen eine Rolle spielen. Nur ein Teil dieser Forderungen wird überhaupt durch Beurteilungen von Rating-Agenturen abgedeckt, während andere nur aufgrund sonstiger Bonitätsinformationen (wie etwa Kreditauskünften) eingestuft werden können. Unter den Fallgruppen unternehmerischer Entscheidungen mit Bonitätsbezug, für die Ratings Relevanz erlangen können, ist zum einen die Vergabe von Krediten zu nennen, die außer bei Banken auch bei anderen Unternehmen vorkommt16 und auf Seiten der Geschäftsleitung die vorherige Überprüfung der Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers erfordert.17 Bonitätserwägungen spielen des Weiteren bei aus Gesellschaftsvermögen getätigten Investitionen in festverzinsliche Anlagen am Kapitalmarkt (einschließlich strukturierter Finanzprodukte) eine wesentliche Rolle,18 die im Zuge der globalen Finanzkrise wachsende Aufmerksamkeit erfahren haben. Sie können daneben auch im Rahmen von Exportgeschäften Bedeutung erlangen,19 obgleich hier üblicherweise eine Absicherung der Zahlungsforderung durch Vereinbarung eines Dokumentengeschäftes vorgenommen wird. Zu nennen ist schließlich der Bereich des Unternehmens-
15 Kessler, BB 2013, 1098, 1099 betont, dass für Unternehmen außerhalb des Finanzsektors das Adressenausfall- oder Kreditrisiko i.d.R. das wirtschaftlich wichtigste Risiko ist, während etwa das Liquiditätsrisiko typischerweise eine untergeordnete Rolle spiele. 16 Vgl. aus der deutschen Rechtsprechung BGH, 21.4.1997, BGHZ 135, 244, 247 („ARAG/ Garmenbeck“): Abgabe von Patronatserklärungen für Bankkredite; OLG Celle, 28.5.2008, AG 2008, 711 ff.: Vergabe eines ungesicherten Kredits an ein „finanzschwaches Upstart-Unternehmen“; OLG Hamm, 12.7.2012, DB 2012, 1975: Vergabe eines ungesicherten Kredits über 200 000 € durch Vorstand einer Bank; LG Köln, 20.3.1998, NJW-RR 2000, 1056: Vergabe eines ungesicherten Darlehens durch Geschäftsführer eines Bauprojektentwicklungsunternehmens; aus der schweizerischen Rechtsprechung BGer, 7.4.1987, BGE 113 II 52, 53: Vergabe eines ungedeckten Kredits in Höhe von über 2,8 Mio. SFR. 17 OLG Hamm, 12.7.2012, DB 2012, 1975; LG Köln, 20.3.1998, NJW-RR 2000, 1056; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 18; Hopt, in Großkomm-AktG, Stand: 1.1.1999, § 93 Rn. 113; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 76 ff.; Spindler, in MünchKomm-AktG, § 93 Rn. 111. 18 Aus dem deutschen Schrifttum Cahn/Müchler, in FS Uwe H. Schneider (2011), S. 197, 209 ff.; Mertens/Cahn, in KK-AktG, § 93 Rn. 34; aus dem Schweizer Schrifttum Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 569 f.; auch BGer, 18.9.1973, BGE 99 II 176, 179 („Artella AG“): Erwerb ausländischer Aktien. 19 OLG Jena, 8.8.2000, NZG 2001, 86, 87 f.: Lieferung von KfZ nach Litauen ohne Absicherung der Kaufpreisforderungen; Spindler, in MünchKomm-AktG, § 93 Rn. 57.
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kaufes und sonstiger Unternehmenstransaktionen,20 bei denen die Schaffung einer ausreichenden Grundlage für die zu treffende unternehmerische Entscheidung eine Untersuchung (auch) der Bonität des Investitionsobjektes erfordert.21 Etwa in der U.S.-amerikanischen Praxis wird diese nicht selten durch ratingbasierte Vertragsklauseln („Material Adverse Change“-Klauseln) ergänzt, die bei Herabstufung des Ratings der Zielgesellschaft den Abbruch der Transaktion erlauben.22
2. Pflicht der Geschäftsleiter zur Ratingbeachtung Gesetzlich vorgeschriebene Mindestratings, die in manchen Rechtsordnungen für Investitionsentscheidungen von Banken und Versicherungen aufgestellt werden,23 existieren für bonitätsrelevante Entscheidungen sonstiger Unternehmen weder im deutschen noch im schweizerischen, U.S.-amerikanischen oder Hongkonger Recht. Es ist Geschäftsleitern daher insbesondere nicht per se untersagt, Vermögen der Gesellschaft etwa unterhalb eines „investment grade“-Rating anzulegen.24 Da es sich bei bonitätsrelevanten Entscheidungen der Unternehmensleitung insoweit nicht um rechtlich gebundene, sondern unternehmerische Entscheidungen25 handelt, liegt die Bedeutung von Ratings in ihrer Rolle als Informationsgrundlage dieser Entscheidung. a) „Business judgment rule“ und Anforderungen an die Informationsgrundlage unternehmerischer Entscheidungen Ob Geschäftsleiter rechtlich verpflichtet oder zumindest berechtigt sind, Ratings im Rahmen ihrer unternehmerischen Entscheidungen zumindest zu beachten, hängt vorrangig von den Anforderungen ab, die das Gesellschaftsrecht hinsichtlich der notwendigen Informationsgrundlage stellt. Wesentlicher Maßstab ist hierbei heute die business judgment rule, die in den U.S.A. – genauer: in der Rechtsprechung des U.S.-Gliedstaates Delaware, die auch für die Gesellschafts20
Siehe zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages OLG München, 19.11.2008, ZIP 2009, 718, 721 („MWG Biotech AG“), wonach erforderlich ist, dass der gemäß § 293a AktG notwendige Vorstandsbericht an die Hauptversammlung ausreichenden Angaben „insbesondere über die Bonität des herrschenden und zahlungspflichtigen Unternehmens enthält, so dass sich die Aktionäre [ein] klares Bild darüber machen konnten, ob eine realistische Aussicht besteht, dass das herrschende Unternehmen seinen sich aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag unmittelbar und mittelbar ergebenden Zahlungspflichten nachkommen kann und wird“; ebenso K. Schmidt/Lutter/Langenbucher, § 293a Rn. 12. 21 OLG Oldenburg, 22.6.2006, DB 2006, 2511, 2513 (zum Unternehmenskauf). 22 Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16; Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 5 zu „rating outs“-Klauseln. 23 Siehe zu entsprechenden ratingbasierten Anlagevorschriften des U.S.-amerikanischen und des deutschen Bankenrechts § 7 I. 24 So zum deutschen Recht Hentzen, ZGR 2005, 480, 504; Theilacker, ZKredW 2005, 177, 178; zum U.S.-amerikanischen Recht vgl. Macey/Miller/Carnell, Banking Law and Regulation, S. 150. 25 Zur Abgrenzung Hopt/Roth, in Großkomm-AktG, Stand: 1.10.2006, § 93 Abs 1 Satz 2, 4 nF Rn. 16.
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rechte der übrigen Gliedstaaten als maßgeblicher Orientierungspunkt dient26 – entwickelt wurde und die Vermutung aufstellt, dass die Directors einer Corporation bei dem Treffen unternehmerischer Entscheidungen (business judgments) auf der Grundlage ausreichender Informationen, in gutem Glauben sowie der redlichen Überzeugung handelten, dass die getroffene Entscheidung im besten Interesse der Corporation lag.27 Solange die Geschäftsleitung diese formalen Mindeststandards der business judgment rule beachtet hat, ist sie davor geschützt, dass ein Gericht ihre Entscheidung inhaltlich überprüft und aus einer dabei vorgefallenen Verletzung einer Sorgfaltspflicht die persönliche Haftung des Directors herleitet („safe harbour“).28 Die business judgment rule hat mittlerweile – freilich durchgehend mit gewissen Variationen, die eine unreflektierte Übertragung der U.S.-amerikanischen Standards verbieten – auch in die Gesellschaftsrechte der übrigen hier untersuchten Rechtsordnungen Eingang gefunden. Nachdem sie in Deutschland in der Sache bereits in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs29 übernommen worden war,30 wurde sie im Jahre 2005 sodann in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifiziert;31 sie soll aber darüber hinaus auch im GmbH-Recht gelten.32 In der Schweiz spricht man sich im neueren Schrifttum verbreitet dafür aus, die business judgment rule im Rahmen des Art. 754 OR bei Beurteilung von Entscheidungsvorgängen in einem Verwaltungsrat anzuwenden, und orientiert sich dabei am U.S.-amerikanischen Vorbild.33 In Hongkong werden unternehmeri26 Radin, Business Judgment Rule, S. 6 ff. mit erschöpfenden Nachweisen; Veasey, 52 Bus. Law. (1997), 393, 401. 27 Robinson v. Pittsburgh Oil Refinery Corp., 2.4.1924, 126 A. 46, 48 (Del.Ch. 1924); Aronson v. Lewis, 1.3.1984, 473 A.2d 805, 812 (Del.Supr. 1984); Smith v. Van Gorkom, 19.1.1985, 488 A.2d 858, 872 (Del.Supr. 1985); Parnes v. Bally Entertainment Corp., 25.1.1999, 722 A.2d 1243, 1246 (Del. Supr. 1999); Brehm v. Eisner, 9.2.2000, 746 A.2d 244, 264 (Del.Supr. 2000). 28 Aronson v. Lewis, 1.3.1984, 473 A.2d 805, 812 (Del. 1984); Merkt/Göthel, U.S.-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 843. 29 BGH, 21.4.1997, BGHZ 135, 244, 253 f. („ARAG/Garmenbeck“). 30 So Binder, AG 2008, 274, 278; Hopt, in Großkomm-AktG, Stand: 1.1.1999, § 93 Rn. 81 ff.; Koch, ZGR 2006, 769, 782. 31 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 11: „Dies entspricht Vorbildern der Business Judgment Rule aus dem angelsächsischen Rechtskreis“. 32 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 12; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 22; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 43 Rn. 9; Scholz/Uwe H. Schneider, § 43 Rn. 54; Ulmer/ Paefgen, § 43 Rn. 22, 52; mit ausführl. Begründung Fleischer, NZG 2011, 521, 523 ff. A.A. Jungmann, in FS K. Schmidt (2009), S. 831, 850 f. 33 CHK/Binder/Roberto, Art. 754 OR Anm. 10; Frick, in FS Forstmoser (2003), S. 509, 515; Gericke/Waller, in Basler Komm., Art. 754 OR Rn. 31a; Grass, Business Judgment Rule, S. 133 ff.; Staub, CCZ 2009, 121, 122 f.; von der Crone/Carbonara/Hunziker, Verantwortlichkeit, S. 46 f.; a.A. Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 584 ff. (business judgment rule nur als „Teilansatz zur Lösung des Problems“ – letztlich aber mit sehr ähnlichen Ergebnissen); Nikitine, Aktienrechtliche Verantwortlichkeit, S. 145 ff. (Die schweizerische Rechtsprechung hat zur Anwendung der business judgment rule bislang noch nicht Stellung genommen, erzielt jedoch nach Ansicht von von der Crone/Carbonara/Hunziker, Verantwortlichkeit, S. 46 und Gericke/Waller, in Basler Komm., Art. 754 OR Rn. 31a („faktisches Bekenntnis zur Business Judgment Rule“) sehr ähnliche Ergebnisse.).
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sche Entscheidungen in Anwendung des englischen common law ebenfalls von einer nachträglichen Überprüfung freigestellt, sofern sie bona fide getroffen wurden;34 im Ergebnis, wenn auch nicht im dogmatischen Ansatz, entspricht dies anerkanntermaßen den Standards des U.S.-amerikanischen Rechts.35 Auch eine ausdrückliche Kodifizierung der business judgment rule in der Hongkonger Companies Ordinance ist in jüngerer Zeit verbreitet diskutiert worden,36 wird bislang aber mehrheitlich als überflüssig abgelehnt.37 Im Ergebnis verlangen alle diskutierten Rechtsordnungen also, dass Geschäftsleiter unternehmerische Entscheidungen auf Grundlage ausreichender Informationen treffen. Die Frage nach der Rolle von Ratings stellt sich dabei als Variante der Grundfrage dar, unter welchen Voraussetzungen sich Vorstandsmitglieder auf Informationen Dritter verlassen dürfen.38 Sie wird in zweierlei Hinsicht diskutiert: b) Recht der Geschäftsleiter zur Ratingbeachtung So ist zum einen schon umstritten, ob Ratings von Geschäftsleitern überhaupt als Informationen herangezogen werden dürfen, um auf deren Basis sodann bonitätsbezogene Anlageentscheidungen zu treffen.39 Im Schrifttum zum deutschen40 wie auch zum schweizerischen41 Recht wird dies zum Teil ohne weiteres bejaht.
34
Vgl. Howard Smith Ltd v. Ampol Petroleum Ltd, 14.2.1974, [1974] AC 821, 834. Report of the Standing Committee on Company Law Reform on the Recommendations of a Consultancy Report of the Review of the Hong Kong Companies Ordinance (Feb. 2000), Tz. 6.107; Ziegel u.a., Partnerships and Canadian Business Corporations, S. 478: „In this respect, rather than being articulated as a clearly identifiable doctrinal rule, the considerations underlying the business judgment rule have simply been imported into the formulation of the final standard of care that governs directorial conduct. Viewed in this way, the integration of the business judgment rule into the relevant standard of care takes Anglo-Canadian courts to the same endpoint as their American counterparts.“ 36 Dafür eintretend etwa Branson/Keong, 34 HKLJ (2004), 303 ff. 37 Report of the Standing Committee on Company Law Reform (Feb. 2000), Tz. 6.109 ff. 38 Fleischer, NJW 2010, 1504, 1505. 39 Zur Berücksichtigung von Ratings im Rahmen rechtlich gebundenener Entscheidungen – nämlich der Darlehensgewährung an Aktionäre in- und außerhalb von Cash Pool-Konstruktionen – siehe bereits § 13 III 1. 40 Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 592; Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1092; Redeke, NZG 2009, 496, 497; Spindler, NZG 2010, 281, 284; ebenso zu Kreditentscheidungen von Banken (nach der MaRisk in der Fassung vom Dez. 2005) Hannemann/Schneider/Hanenberg, MaRisk, S. 396. Deutlich skeptischer Fleischer, NJW 2009, 2337, 2342: „bedarf im Einzelfall einer gründlichen Untersuchung“; Cahn/Müchler, in FS Uwe H. Schneider (2011), S. 197, 211; Schaub/Schaub, ZIP 2013, 656, 657 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 92. 41 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 108 f.; Meier, ST 2009, 945, 948. 35
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aa) Untauglichkeit von Ratings als Informationsgrundlage infolge mangelnder Unabhängigkeit der Rating-Agenturen? Die Gegenauffassung hat in jüngster Zeit allerdings das OLG Düsseldorf in seinem viel erörterten „IKB“-Beschluss42 vertreten, dem in der organhaftungsrechtlichen Literatur bereits eine ebenso große Wirkungsmächtigkeit wie dem „ARAG/Garmenbeck“-Urteil des BGH prognostiziert wird.43 Es führt darin aus, es liege auf der Hand, dass Rating-Agenturen „als privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen, die aufgrund eines konkreten entgeltlichen Auftrages Bewertungen u.a. für Finanzprodukte des jeweiligen Auftraggebers abgeben und bereits im Vorfeld die Auftraggeber bei der Gestaltung der Modelle beraten, nicht wirklich objektiv beurteilen. Die Rating-Agenturen befanden sich zudem in einem für den Vorstand erkennbaren Interessenkonflikt: Denn die Antragsgegnerin hatte ein unmittelbares Interesse daran, dass die von J. emittierten Papiere ein gutes Rating erhielten, gleichzeitig bezahlte sie die Rating-Agenturen für ihre Dienstleistungen.“44 Das OLG Düsseldorf scheint daraus in Übereinstimmung mit Stimmen in der Literatur45 den Schluss zu ziehen, der Vorstand der betroffenen Gesellschaft habe sich bei seinen Entscheidungen aufgrund der konstatierten Interessenskonflikte per se nicht auf Einschätzungen von Rating-Agenturen stützen dürfen. bb) Stellungnahme Der vorstehend beschriebenen Ansicht, von „issuer pays“-Rating-Agenturen erstellte Ratings schieden als Informationsgrundlage für unternehmerische Entscheidungen generell aus, wird man in dieser Pauschalität nicht zustimmen können. Es bedarf vielmehr einer differenzierten Beurteilung. Als Ausgangspunkt ist dabei festzuhalten, dass Geschäftsleiter sich nach deutschem wie auch schweizerischem Gesellschaftsrecht bei Entscheidungen, für deren Vorbereitung es ihnen persönlich an den notwendigen Fachkenntnissen mangelt, des Rates dritter Experten bedienen dürfen (und auch müssen).46 Ein solches right to rely on outside experts ist auch in den U.S.A. allgemein anerkannt47 und wird dort grundsätzlich 42 OLG Düsseldorf, 9.12.2009, ZIP 2010, 28 ff. („IKB“) (rechtskräftig). Der BGH, 1.3.2010, AG 2010, 244 hat bestätigt, dass eine weitere Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss nicht zulässig ist. 43 So Florstedt, AG 2010, 315. 44 OLG Düsseldorf, 9.12.2009, ZIP 2010, 28, 32 („IKB“). 45 Jobst/Kapoor, WM 2013, 680, 682 f.; Lutter, ZIP 2009, 197, 199. 46 Zum deutschen Aktienrecht BGH, 14.5.2007, NJW 2007, 2118, 2120; OLG Oldenburg, 22.6.2006, DB 2006, 2511, 2513 (zum Unternehmenskauf); Binder, AG 2008, 274, 284; Cahn/ Müchler, in FS Uwe H. Schneider (2011), S. 197, 210; Fleischer, NJW 2010, 1504, 1505; Kessler, BB 2013, 1098, 1101; Peters, AG 2010, 811, 812 ff.; zum schweizerischen Aktienrecht Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 567a; Forstmoser, Verantwortlichkeit, Rn. 831; Grass, Business Judgment Rule, S. 87; Staub, CCZ 2009, 121, 124; Watter/Roth Pellanda, in Basler Komm., Art. 717 OR Rn. 9. 47 Radin, Business Judgment Rule, S. 605 f. mit umfangreichen Nachw. zur Rechtsprechung.
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als umfängliches Recht der Unternehmensleitung verstanden.48 Es ist im Revised Model Business Corporation Act49 ebenso wie in den Gesellschaftsrechten der 41 U.S.-Gliedstaaten, die eine gesetzliche Regelung der Sorgfaltspflicht von Unternehmensleitern kennen, ausdrücklich festgeschrieben,50 wird aber auch im Gesellschaftsrecht des Staates Delaware (das keine generelle Pflichtendefinition kennt) geschützt.51 Das Recht, sich auf fachkundigen Rat zu verlassen, gilt freilich jeweils nicht voraussetzungs- und grenzenlos.52 Erforderlich ist vielmehr zum einen die Sachkunde des Auskunftgebers,53 die in Bonitätsfragen im Allgemeinen jedenfalls bei den großen, am Markt wie auch staatlich anerkannten Rating-Agenturen allerdings nicht zweifelhaft sein dürfte.54 Bestritten wird die Expertise von RatingAgenturen zum Teil, soweit die Beurteilung strukturierter Finanzinstrumente in Rede steht,55 wobei hier die Erfahrungen der globalen Finanzkrise 2007–09 vor Augen gestanden haben dürften. Für die Beurteilung des informierten Handelns eines Geschäftsleiters vor Ausbruch der Finanzkrise kann diese nachträgliche Erkenntnis freilich nicht ausschlaggebend sein, weil es auf die ex ante-Erkennbarkeit der mangelnden Sachkunde – sofern man diese einmal unterstellt und außer acht lässt, dass der Nichteintritt einer (Kreditwürdigkeits-)Prognose, die Ratings eben ausdrücken, keineswegs zwingend auf eine unsachgemäße Ratingerstellung zurückgehen muss – aus Perspektive des Vorstands oder Verwaltungsrates ankommt.56 Ob dieser erkennen musste, dass Rating-Agenturen im Bereich strukturierter Finanzinstrumente über eine unzureichende Expertise verfügten, bedürfte im Einzelnen zumindest einer sorgfältigen Prüfung, denn es kann kaum 48
Radin, Business Judgment Rule, S. 602. § 8.30(e), (f)(2) Revised Model Business Corporation Act (1998): „In discharging board or committee duties a director who does not have knowledge that makes reliance unwarranted is entitled to rely on information, opinions, reports or statements, including financial statements and other financial data, prepared or presented by: […] legal counsel, public accountants, or other persons retained by the corporation as to matters involving skills or expertise the director reasonably believes are matters (i) within the particular person’s professional or expert competence or (ii) as to which the particular person merits confidence“. 50 Model Business Corporation Act Annotated, Stand: 2000/01/02 Supplement, § 8.30, S. 8– 179. 51 § 141(e) Delaware General Corporation Law enthält eine spezifische „safe harbour“-Regelung; vgl. auch Veasey, 52 Bus. Law. (1997), 393, 395. 52 Zum U.S.-amerikanischen Recht Radin, Business Judgment Rule, S. 602. 53 BGH, 14.5.2007, NJW 2007, 2118, 2120; OLG Stuttgart, 25.11.2009, NZG 2010, 141, 143; Binder, AG 2008, 274, 284; Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1403; Peters, AG 2010, 811, 815. 54 Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 592; Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1092; skeptischer dagegen Jobst/Kapoor, WM 2013, 680, 683 f. 55 OLG Düsseldorf, 9.12.2009, ZIP 2010, 28, 32 („IKB“): „Zudem hatten die Rating-Agenturen selbst wenig Erfahrung mit der Bewertung von Asset Backed Securities, da es sich bei diesen um relativ junge strukturierte Finanzprodukte handelte“; Jobst/Kapoor, WM 2013, 680, 683 f.; Lutter, ZIP 2009, 197, 199. 56 Zum deutschen Recht Fleischer, NJW 2010, 1504, 1505; auch Redeke, ZIP 2011, 59, 60; zum schweizerischen Recht BGer, 20.11.2012, BGE 139 III 24, 26; Gericke/Waller, in Basler Komm., Art. 754 OR Rn. 31c. 49
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unbeachtet bleiben, dass Ratings in aufsichtsrechtlichen Vorschriften gerade bei der Beurteilung von Verbriefungen eine besonders große Bedeutung eingeräumt wurde57 und der damalige Präsident der BaFin noch im Jahre 2008 herausstellte, auch die Bankenaufsichtsbehörde müsse sich auf Ratings verlassen dürfen: „Der Gedanke, wir sollten uns in Konkurrenz zu den Rating-Agenturen ein eigenes Urteil über diese Risiken bilden, ist absurd. Wir hätten keine Chance, die Ratings der Agenturen zu hinterfragen oder gar zu widerlegen.“58 Vor diesem Hintergrund lagen Zweifel an der Sachkunde der Rating-Agenturen jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt kaum auf der Hand; künftig mag man dies freilich anders sehen. Zum anderen wird namentlich im deutschen Recht verlangt, dass der auskunftgebende Dritte unabhängig ist.59 Was damit genau gemeint ist, ist allerdings nicht eindeutig geklärt; die Rechtsprechung hat eine unzureichende Unabhängigkeit bislang nur obiter für den Fall konstatiert, dass es sich bei einem Gutachten um ein „Gefälligkeitsgutachten“ handelt.60 Der „IKB“-Beschluss des OLG Düsseldorf wie auch Stimmen im Schrifttum verneinen eine Unabhängigkeit immer dann, wenn der betreffende Berater einem Interessenskonflikt unterliegt,61 und nehmen damit eine Formel auf, mit der auch im U.S.-amerikanischen Recht eine Ausnahme vom generellen Sich-verlassen-Dürfen der Geschäftsleitung umschrieben wird.62 Damit ist freilich noch nicht bestimmt, unter welchen Voraussetzungen ein Interessenskonflikt die Tauglichkeit der Auskünfte eines Beraters ausschließt: Man wird dies nicht bei jedem Interessenskonflikt annehmen können, weil sich schließlich auch die Geschäftsleiter jeder fremdorganschaftlich verfassten Gesellschaft selbst in einer Prinzipal-Agenten-Situation (also Interessenskonflikten) befinden,63 deren inhärente Risiken für die Gesellschafterinteressen jedoch durch entsprechende Organisations-, Pflichten- und Haftungsregeln des Gesellschaftsrechts bewältigt werden. Es kommt daher darauf an, ob ein beste57 Vgl. zum „Basel II“-Akkord, nach dessen Vorgaben Banken gerade dort zwingend auf „externe“ Ratings abzustellen hatten, wo die Eigenmittelunterlegung von Verbriefungen in Rede stand (während in anderen Bereichen auch „interne“ Ratings verwandt werden durften), oben § 6 III 2 c). Für den Bereich der Geschäftsleiterhaftung hierauf verweisend Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 592; Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1092; Florstedt, AG 2010, 315, 318. 58 So Präsident der BaFin Jochen Sanio auf der Jahrespressekonferenz der BaFin am 28. Mai 2008 (zitiert nach Höfling, Gutachten F zum 68. DJT (2010), S. F 41). 59 BGH, 14.5.2007, NJW 2007, 2118, 2120 (Wirtschaftsprüfer); OLG Stuttgart, 25.11.2009, NZG 2010, 141, 143; Fleischer, NJW 2009, 2337, 2342; ders., ZIP 2009, 1397, 1403; ders., NJW 2010, 1504, 1505; zurückhaltend hinsichtlich dieser Anforderung Peters, AG 2010, 811, 815 f. 60 BGH, 14.5.2007, NJW 2007, 2118, 2120. 61 OLG Düsseldorf, 9.12.2009, ZIP 2010, 28, 32 („IKB“); Fleischer, NJW 2009, 2337, 2342; ders., NJW 2010, 1504, 1505; Schaub/Schaub, ZIP 2013, 656, 660. 62 Vgl. Knepper/Bailey, Liability of Corporate Officers, Stand: Release 7 (11/2002), § 3.05; Radin, Business Judgment Rule, S. 627. 63 Statt vieler zum Vorstand deutscher Aktiengesellschaften K. Schmidt, GesellschaftsR, § 26 II 3; zum Verwaltungsrat schweizerischer Aktiengesellschaften von der Crone/Carbonara/Hunziker, Verantwortlichkeit, S. 45; aus ökonomischer Sicht von Werder, in: Hommelhoff/Hopt/von Werder, Hdb. Corporate Governance, S. 3, 7 f., 18.
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hender Interessenskonflikt den beratenden Dritten bei der Erteilung seines Rates tatsächlich beeinflusst – nur ein solcher Interessenskonflikt nimmt ihm die erforderliche Unabhängigkeit, die bei einer Bewältigung des Konflikts hingegen unbeeinträchtigt bleibt. In der Beauftragung und Bezahlung der Rating-Agentur durch den Emittenten eines zu bewertenden Finanzinstruments („issuer pays“Modell) wird man insofern allein keine mangelnde Unabhängigkeit der RatingAgentur erblicken können,64 weil dem Anreiz zur Rücksichtnahme auf die Emittenteninteressen durch den gegenläufigen Anreiz zur Reputationserhaltung sowie durch rechtliche Regelungen entgegen gewirkt wird.65 Auch das U.S.-amerikanische Recht entscheidet in diesem Sinne und erachtet die erfolgsabhängige Vergütung von Experten sogar dann für unproblematisch, wenn deren Vergütungshöhe von dem Zustandekommen der Unternehmenstransaktion abhängt, zu der sie ein Gutachten erstellt haben66 – ein Arrangement mit erheblichem theoretischen Beeinflussungspotential, das so bei Ratings nicht vorkommt. Der bloße Umstand der Vergütung durch den Emittenten ist in der neueren U.S.amerikanischen Rechtsprechung zu Ratings jedenfalls als nicht per se bedenklich eingestuft worden.67 Selbst wenn man im Rahmen der business judgment rule einen strengeren Maßstab anlegen und berücksichtigen wollte, dass aus bestimmten Vergütungsmodellen nach hier vertretener, noch näher zu belegender Auffassung in der Tat eine konkrete Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agentur resultieren kann,68 so ist doch entscheidend, dass es für die Pflichtwidrigkeit des Vorstandshandelns auf die Erkennbarkeit der mangelnden Unabhängigkeit ankommt.69 Insoweit hat die deutsche Rechtsprechung aber verschiedentlich entschieden, dass Banken sich bei der Beurteilung von Zertifikaten der U.S.-Investmentbank Lehman Brothers70 als auch sonstiger strukturierter Finanzprodukte71 auf Ratings 64 Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1092; Florstedt, AG 2010, 315, 319; Spindler, NZG 2010, 281, 284; a.A. Jobst/Kapoor, WM 2013, 680, 682 f.; Schaub/Schaub, ZIP 2013, 656, 660. 65 Siehe zur Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agentur unter dem „issuer pays“-Geschäftsmodell noch näher § 25 I 2. 66 Radin, Business Judgment Rule, S. 630 ff. mit zahlr. Nachw. aus der Rechtsprechung. 67 Vgl. Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 178 f. (S.D.N.Y. 2009): „There is no question that companies can conduct business legally, even in the face of conflicts of interest, provided that proper safeguards are in place.“ In diesem Sinne (zu Kreditauskunfteien) auch der U.S. Supreme Court in Dun & Bradstreet, Inc. v. Greenmoss Builders, Inc., 26.6.1985, 472 U.S. 749, 762 f., 105 S.Ct. 2939 (1985): „In any case, the market provides a powerful incentive to a credit reporting agency to be accurate, since false credit reporting is of no use to creditors.“ 68 Siehe namentlich zum sog. „Provisionsmodell“ § 25 I 2 b) cc) (3). 69 Fleischer, NJW 2010, 1504, 1505; Redeke, ZIP 2011, 59, 60. 70 OLG Bamberg, 17.5.2010, ZIP 2010, 1225, 1228: „Die [Bank] konnte sich daher auf die im Herbst 2007 unzweifelhaft noch vorhandenen guten Ratings der Agenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch verlassen“; OLG Celle, 4.3.2010, ZIP 2010, 876, 877; OLG Frankfurt a.M., 17.2.2010, ZIP 2010, 567, 568. 71 OLG Düsseldorf, 19.6.2009, WM 2009, 1655, 1656: „Es ist bereits nicht ersichtlich, aus welchem Grunde sie den Analysen der Rating-Agenturen nicht hätten vertrauen sollen. Bei den Agenturen Moody’s und Standard & Poor’s handelt es sich um namhafte Agenturen, die in der Vergangenheit zutreffende Bewertungen vorgenommen hatten, auf die die gesamte Branche vertraute.“
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der drei großen (für ihre Ratings von Emittentenseite bezahlten) Rating-Agenturen verlassen durften – für Geschäftsleiter kann nichts anderes gelten, will man einen Rückschaufehler72 vermeiden.
Ein weiterer, die Verwendbarkeit von Ratings pauschal ausschließender Interessenskonflikt soll schließlich vorliegen, wenn die Rating-Agenturen an der Ausgestaltung der von ihnen zu beurteilenden Finanzinstrumente mitgewirkt haben.73 Auch wird man jedoch nicht ohne weiteres auf eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Rating-Agentur schließen können, weil eine Rücksichtnahme auf Emittentenwünsche nach zutreffender Ansicht nicht schon bei einer Aufklärung des Emittenten über die einschlägigen Ratingkriterien droht, sondern vielmehr erst bei einer separaten Vergütung entsprechender Beratungsdienstleistungen.74 Sofern eine solche im Einzelfall tatsächlich erfolgt sein sollte, wird es jedoch regelmäßig an ihrer Erkennbarkeit für die Geschäftsleiter fehlen.75 Im Ergebnis darf ein Geschäftsleiter Ratings mithin nur dann nicht zur Informationsgrundlage einer unternehmerischen Entscheidung machen, wenn ihm konkrete Anhaltspunkte für die mangelnde Expertise der Rating-Agentur oder aber solche Interessenskonflikte vorliegen, welche die Agentur erkennbar bei der Vornahme ihrer Bonitätsbeurteilungen beeinflussen.76 c) Pflicht zur Ratingbeachtung Daneben ist zu fragen, ob die Geschäftsleitung Ratings bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen muss, es also trotz Fehlens ratingbasierter Anlagevorschriften eine Rechtspflicht zur Ratingbeachtung geben kann. Dies hängt wiederum von den Anforderungen ab, die das Recht an die Informationsgrundlage für unternehmerische Entscheidungen stellt. Im deutschen Recht verlangt § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG insoweit, dass die Geschäftsleitung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zu handeln, und verwendet damit einen subjektiv-objektiven Maßstab.77 Wann von einer angemessenen Informationsgrundlage ausgegangen werden kann, wird freilich unterschiedlich beurteilt: Eine vergleichsweise strikte Ansicht verlangt hierzu, dass die Geschäftsleitung alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausgeschöpft hat.78 Die Gegenauffassung nimmt dagegen mit überzeu72
Dazu für den Bereich der Geschäftsleiterhaftung etwa Fleischer, NZG 2011, 521, 522. OLG Düsseldorf, 9.12.2009, ZIP 2010, 28, 32 („IKB“); Fleischer, NJW 2010, 1504, 1505: „… so können sich die Vorstandsmitglieder von vornherein nicht auf deren vermeintliche Expertise verlassen“. 74 Siehe § 10 IV 2 b) sowie § 25 I 4. 75 Insoweit zutreffend Fleischer, NJW 2010, 1504, 1505. 76 Im Ergebnis wie hier Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 592; Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1092; Florstedt, AG 2010, 315, 318; Spindler, NZG 2010, 281, 284. 77 Vgl. Binder, AG 2008, 274, 279; Koch, ZGR 2006, 769, 788; Peters, AG 2010, 811, 813. 78 BGH, 14.7.2008, NJW 2008, 3361, 3362 f. (zur Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG); OLG Düsseldorf, 9.12.2009, ZIP 2010, 28, 31 („IKB“); Goette, in FS 50 Jahre BGH (2000), S. 123, 141; Hopt, in Großkomm-AktG, Stand: 1.1.1999, § 93 Rn. 84; Mertens, in KKAktG, 2. Aufl., § 93 Rn. 29. 73
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genden Gründen an, dass eine angemessene Information nicht erst bei Ausschöpfung sämtlicher auch nur potentiell als nützlich in Betracht kommender Informationsquellen erreicht wird,79 und gesteht dem Vorstand bei der Beurteilung des notwendigen Informationsaufwands einen Spielraum zu.80 Sie kann sich auf die Entstehungsgeschichte des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG stützen, ausweislich derer gerade keine generelle Verpflichtung zur „routinemäßigen Einholung von Sachverständigengutachten, Beratervoten oder externen Marktanalysen“ geschaffen werden sollte,81 und steht zudem mit der Rechtslage in der Schweiz82 und in den U.S.A. im Einklang, wo man ebenfalls die Berücksichtigung von „reasonably available“ Informationen genügen lässt.83 Im Falle von Ratings dürften freilich beide Ansichten dazu führen, dass eine Berücksichtigungspflicht zu bejahen ist, weil veröffentlichte Ratings – anders als etwa externe Gutachten, die erst in Auftrag gegeben werden müssen – ohne nennenswerten Informationserhebungsaufwand und zudem kostenfrei jederzeit zugänglich sind; eine solche Information darf die Geschäftsleitung daher nicht einfach ignorieren. (Für ausschließlich an Abonnenten vertriebene Ratings wird dies nicht gleichermaßen gelten, sofern die Gesellschaft nicht zu den Abonnenten zählt.) Welche Schlüsse die Geschäftsleitung aus einem Rating zieht und ob sie eine bonitätsbezogene Entscheidung etwa trotz bestehender Ratingeinstufung im „non-investment grade“-Bereich zugunsten des betreffenden Anlageobjektes trifft, fällt dabei allerdings in ihr Geschäftsleiterermessen.84
3. Ratingbeachtung durch Geschäftsleiter als „safe harbour“? Sinn und Zweck der business judgment rule ist es, den Geschäftsleitern einen „safe harbour“ im Sinne eines haftungsfreien Bereichs zu bieten. Da dieser bildliche Hafen allerdings eben nur unter der Voraussetzung sicheren Schutz bietet, dass die in Rede stehende Entscheidung auf hinreichender Informationsgrundlage getroffen wurde, ist für die Unternehmenspraxis von großer Bedeutung, ob bei Beachtung vorhandener Ratings per se von einem Erreichen des Hafens ausgegangen werden kann. Die Frage ist schon deshalb zu verneinen, weil sich die Pflicht der Geschäftsleiter zur Informationsermittlung in Bonitätsfragen nicht 79 Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 591; Binder, AG 2008, 274, 281; Fleischer, in: ders., Hdb. des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 58; ders., NJW 2010, 1504, 1505; ders., NZG 2011, 521, 524; Florstedt, AG 2010, 315, 318; Hölters/Hölters, § 93 AktG Rn. 34; Klindt/Pelz/Theusinger, NJW 2010, 2385, 2389; Koch, ZGR 2006, 769, 789; Mertens/Cahn, in KK-AktG, § 93 Rn. 33; Redeke, NZG 2009, 496, 498; ders., ZIP 2011, 59, 60; Schaub/Schaub, ZIP 2013, 656, 659; Spindler, in MünchKomm-AktG, § 93 Rn. 101. 80 Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 591; Koch, ZGR 2006, 769, 789; Peters, AG 2010, 811, 813. 81 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 12. 82 Gericke/Waller, in Basler Komm., Art. 754 OR Rn. 31a; Grass, Business Judgment Rule, S. 125. 83 Veasey, 52 Bus. Law. (1997), 393, 398 (zum Recht des Staates Delaware). 84 Vgl. Mertens/Cahn, in KK-AktG, § 93 Rn. 35.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
auf die Ratingbeachtung reduzieren lässt; Vorstand, Geschäftsführer, Verwaltungsrat oder Directors müssen auch andere Informationen berücksichtigen und dürfen Ratings also keineswegs zu ihrer alleinigen Informationsgrundlage erheben.85 Die Erfahrungen in der internationalen Praxis haben freilich gezeigt, dass genau dies häufig geschieht – ein faktisches Phänomen, das sich nach hier vertretener Ansicht wiederum auf die Aufnehm- und Verarbeitbarkeit der im Ratingkürzel „codierten“ Bonitätsinformation zurückführen lässt,86 die sich auch bei Unternehmensleitern auswirkt. Im Aufsichtsrecht der Europäischen Union, Deutschlands, der Schweiz und der U.S.A. hat man hierauf im Nachgang zur globalen Finanzkrise dadurch reagiert, dass Banken, Versicherungen, Fonds und anderen regulierten Finanzmarktakteuren nunmehr explizit untersagt wird, sich allein auf externe Ratings zu verlassen;87 ein Regelungsversuch, der in den U.S.A. in ganz ähnlicher Form schon 1991 (im Aufsichtsrecht für Geldmarktfonds)88 unternommen wurde. Ob er den gewünschten Erfolg haben wird, erscheint fraglich, weil das alleinige Abstellen auf Ratingeinstufungen kaum durch eine mangelnde Klarheit der rechtlichen Sorgfaltsanforderungen verursacht wurde, sondern durch die faktische Tendenz zur Orientierung an verständlichen Informationen. Aus der beschriebenen Verschärfung des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts lässt sich für die Geschäftsleiterhaftung kein argumentum e contrario des Inhalts ableiten, dass ein alleiniges Abstellen auf Ratings hier weiterhin zulässig wäre; es handelt sich vielmehr lediglich um eine Klarstellung. Die Ratingbeachtung allein sichert Geschäftsleitern also nach wie vor keinen Zugang zum „safe harbour“.89 Bei der Beurteilung der Frage, ob sich die Unternehmensleitung im Rahmen ihres Geschäftsleiterermessens bewegt hat, wird ein gutes Rating des konkreten Investitionsgegenstandes jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, sondern zumindest ein starkes Indiz für eine sorgfaltsgemäße Entscheidung auf hinreichender Informationsgrundlage bedeuten. Dies wird, trotz einheitlicher Ablehnung einer formellen „safe harbour“-Wirkung, im deutschen,90 schweizerischen91 und U.S.-amerikanischen92 Schrifttum übereinstimmend so gesehen. Es wird damit deutlich, dass für die praktische Anwendung der unbestimmten
85 Zum deutschen Recht OLG Düsseldorf, 9.12.2009, ZIP 2010, 28, 32 („IKB“) (insoweit zutreffend); Cahn/Müchler, in FS Uwe H. Schneider (2011), S. 197, 211; Fleischer, NJW 2010, 1504, 1505; Habersack, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2009, S. 5, 19; Lutter, ZIP 2009, 197, 199; Schaub/ Schaub, ZIP 2013, 656, 660 f.; Spindler, NZG 2010, 281, 284; zum schweizerischen Recht Meier, ST 2009, 945, 948: „Ein Kreditgeber darf einen Kredit nie nur aufgrund eines Ratings gewähren, sonst verletzt er elementare Sorgfaltspflichten gegenüber seinen eigenen Gläubigern und Aktionären.“ 86 Siehe § 5 IV. 87 Siehe dazu im Einzelnen noch § 31 II 3. 88 Rule 2a-7(c)(3)(i) unter dem Investment Company Act of 1940, die eine selbständige Kreditrisikobewertung durch die Fondsleitung („which determination must be based on factors pertaining to credit quality in addition to any rating assigned to such securities by an NRSRO“) vorschreibt; vgl. schon oben § 12 I 2 b) cc) (2). 89 Vgl. zur Haftung des Verwaltungsrats nach schweizerischem Recht auch BGer, 18.9.1973, BGE 99 II 176, 181 („Artella AG“): „Dass er sich auf Fachkundige verlassen haben will, mindert sein Verschulden nicht.“
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Rechtsbegriffe der business judgment rule letztlich doch wieder am Markt allgemein beachtete Orientierungspunkte (wie namentlich die „investment grade“-Schwelle) entscheidend sein können.
II. Zusammenarbeit mit Rating-Agenturen und unternehmensinterne Corporate Governance Kapitalmarktorientierte Unternehmen unterliegen in den hier untersuchten Rechtsordnungen keiner generellen Pflicht, sich oder einzelne Emissionen des Unternehmens von einer Rating-Agentur bewerten zu lassen; ein sog. Ratingobligatorium besteht also nicht.93 Aufgrund der erheblichen Bedeutung von Ratings in ihrer Marktinformations- und Regulierungsfunktion kann es aber der betriebswirtschaftlichen Vernunft entsprechen, eine oder mehrere Rating-Agenturen mit einer Ratingerstellung zu beauftragen, die sich in bestimmten Fällen sogar zu einer Rechtspflicht der Unternehmensleitung verdichten kann.94 Da von der Beauftragung einer Rating-Agentur weit reichende Folgen für die Finanzierung des Unternehmens wie auch seinen generellen Ruf in der Marktöffentlichkeit ausgehen können,95 bedarf der Klärung, welche Vorgaben die interne Corporate Governance von Kapitalgesellschaften für diese Entscheidung und die sich anschließende, dauerhafte Zusammenarbeit mit der Agentur aufstellen.
1. Organzuständigkeit für die Zusammenarbeit mit Rating-Agenturen Die unternehmensinterne Zuständigkeit für die Beauftragung einer Rating-Agentur liegt nach deutschem Recht bei Vorstand96 bzw. Geschäftsführer97 der Gesellschaft, nach schweizerischem Aktienrecht bei dem Verwaltungsrat, nach U.S.amerikanischem und nach Hongkonger Gesellschaftsrecht bei den directors. Im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht ist umstritten, ob mit Blick auf die Geheimnispreisgabe im Ratingprozess98 zudem eine Einbindung des Aufsichtsrates bzw. eine Beschlussfassung durch die GmbH-Gesellschafter erforderlich ist. Dies wird teilweise unter Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 112 AktG be90 Habersack, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2009, S. 5, 19: gute Ratings sprächen „doch wohl eher gegen die Annahme einer nicht hinreichenden Informationsgrundlage“; Jobst/Kapoor, WM 2013, 680, 684; a.A. Schaub/Schaub, ZIP 2013, 656, 661. 91 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 108 f. 92 Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 266; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 554. 93 Siehe § 8 I 1; dort auch zu existierenden Ratingobligatorien in anderen nationalen Rechten. 94 Siehe § 13 II 3. 95 Lindebäck Brandt, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 223, 224; Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 410. 96 § 76 Abs. 1 AktG; Hennrichs, ZGR 2006, 563, 574; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 199 (der § 77 AktG als Grundlage nennt). 97 §§ 35, 37 GmbHG; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 199. 98 Zur organschaftlichen Verschwiegenheitspflicht sogleich unter 2.
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jaht,99 während andere Stimmen im Schrifttum es zumindest zu den Corporate Governance Best Practices zählen, den Aufsichtsrat über einen Zustimmungsvorbehalt (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) in die Beauftragung der Rating-Agentur einzubeziehen und über das Ratingverfahren und dessen Ergebnisse im Rahmen der Berichterstattung zu informieren.100 Als Grundlage nennt man die gesetzliche Berichterstattungspflicht des Vorstands über Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können.101 Das Schrifttum zur sachlich einschlägigen Tz. 3.3 DCGK rechnet die Beauftragung einer Rating-Agentur hingegen bislang überwiegend nicht zu den Maßnahmen, welche die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend verändern und daher unter Corporate Governance-Gesichtspunkten einen Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrates erfordern;102 entsprechend entscheidet auch die Literatur zu § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG.103 Richtigerweise wird man insoweit zu differenzieren haben: Die Weitergabe vertraulicher Unternehmensinformationen an Dritte wird nach den Prinzipien der Unternehmensverfassung des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts keinen prozeduralen Sicherungsmechanismen (wie einem Zustimmungsvorbehalt) unterworfen, sondern ist in Gestalt der grundsätzlichen Verschwiegenheitspflicht des Geschäftsführungsorgans materiell geregelt;104 ihrem Gefahrenpotential ist daher auf dieser Ebene Rechnung zu tragen.105 Die erstmalige Beurteilung des Unternehmens mittels eines Emittentenratings stellt allerdings ebenso wie das erstmalige Rating einer Emission des Unternehmens einen Vorgang dar, der dessen Finanzlage grundlegend verändern kann, entscheidet das Rating doch im Wesentlichen über die Fremdfinanzierungskosten des Emittenten. Es ist daher unter Corporate Governance-Gesichtspunkten in der Tat die Einrichtung eines Zustimmungsvorbehaltes zugunsten des Aufsichtsrates106 zu fordern, der allerdings die Beauftragung weiterer Emissionsratings nicht wird erfassen müssen – diese dürften ihrerseits kein grundlegendes Beeinflussungspotential mehr besitzen, nachdem bereits ein Rating des Unternehmens als Information am Markt verfügbar ist.107 Nach erfolgter Beauftragung einer Rating-Agentur wird man auch eine Berichterstattungspflicht des Vorstands nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 99
Hennrichs, ZGR 2006, 563, 574 f. (zur AG), 576 (zur GmbH). Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 199. 101 § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 200. 102 Vgl. Lutter, in: Ringleb/Kremer/Lutter/von Werder, DCGK, Rn. 372. 103 Vgl. Hopt/Roth, in Großkomm-AktG, Stand: 1.10.2005, § 111 Rn. 652 ff. 104 Vgl. zu § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG a.F., BGH, 5.6.1975, BGHZ 64, 325, 327: der Gesetzgeber habe über Inhalt und Umfang der Schweigepflicht als Ausfluss der jedem Organmitglied obliegenden Treue- und Sorgfaltspflicht „allgemeinverbindlich entschieden“. 105 Vgl. zur organschaftlichen Verschwiegenheitspflicht nach AktG und GmbHG sowie diesbezüglichen Ausnahmen unten 2. 106 § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. 107 Dies mag im Einzelfall dann anders liegen, wenn es sich um ein Emissionsrating für eine Emission handelt, der aufgrund ihres Volumens eine für das Unternehmen herausgehobene Bedeutung zukommt. 100
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AktG anzunehmen haben, um dem Aufsichtsrat eine effektive Information über die fortlaufende Zusammenarbeit mit der Rating-Agentur zu sichern. In dieselbe Richtung weisen in den U.S.A. die Corporate Governance-Regeln der New Yorker Börse, denen zufolge im Prüfungsausschuss (audit committee) des Leitungsorgans u.a. die Informationen zu behandeln sind, die an Rating-Agenturen weitergegeben werden.108
2. Kommunikation mit Rating-Agenturen und Verschwiegenheitspflicht der Unternehmensleitung (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AktG) Wie bereits an anderer Stelle erörtert,109 eröffnet die Zusammenarbeit mit einer Rating-Agentur dem Unternehmen nicht zuletzt eine Möglichkeit, vertrauliche Informationen in verschlüsselter Form an die Marktöffentlichkeit weiterzugeben, indem diese die Ratingeinstufung (positiv) beeinflussen, ohne jedoch gegenüber den Wettbewerbern des Unternehmens selbst offen gelegt zu werden.110 Auf die Zulässigkeit einer solchen Kommunikation nach dem Recht der Ad hoc-Publizität wurde bereits eingegangen.111 Die im Schrifttum geäußerte Einschätzung, Vertreter von Rating-Agenturen besäßen nach ihren Gesprächen mit dem Management meist ein größeres Insiderwissen als ein durchschnittliches Aufsichtsratsmitglied,112 wirft aber zudem die Frage auf, inwiefern eine solche Offenheit mit der gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht der Unternehmensleitung im Einklang steht. Diese ist in Deutschland nur im Aktienrecht in § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG ausdrücklich normiert, trifft aber in der Sache auch den Geschäftsführer einer GmbH.113 In der Schweiz wird ebenfalls eine Geheimhaltungspflicht der Verwaltungsratsmitglieder angenommen,114 die gesetzlich jedoch ungeregelt geblieben ist. Dem Gesetzeswortlaut nach stellt sich die Verschwiegenheitspflicht des § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG als starre Auskunftsschranke dar, und auf die bankenrechtliche Bestimmung des § 18 KWG, die als spezialgesetzliche Ausnahme hiervon eingestuft wird, können sich Rating-Agenturen nicht berufen.115 Nach h.M. kann die organschaftliche Verschwiegenheitspflicht jedoch auch in sonstigen Fällen überwunden werden, in denen dem Unternehmensinteresse mit einer selektiven
108
§ 303A.7(c)(iii)(C) New York Stock Exchange (NYSE) Corporate Governance Rules. Siehe § 5 III 1 a) cc) (1). 110 Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2002; Meier, ST 2009, 945; Nayar/Rozeff, 49 J. Fin. (1994), 1431, 1434; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 311. 111 Siehe § 11 III. 112 So Däubler, BB 2003, 429, 431. (Sofern die soeben im Text vorgeschlagene Berichtspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat befolgt wird, dürfte sich ein solcher Wissensvorsprung allerdings nicht ergeben.). 113 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 43 Rn. 25. 114 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schw. Aktienrecht, § 28 Rn. 40 f.; Krneta, Praxiskomm., Rn. 1900; Watter/Roth Pellanda, in Basler Komm., Art. 717 OR Rn. 20. 115 Hennrichs, ZGR 2006, 563, 572. 109
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Informationsweitergabe ausnahmsweise besser gedient ist.116 Anerkannt ist dies für die Beauftragung externer Berater, die der Vorstand über die für die Ausübung der Beratungstätigkeit notwendigen Umstände informieren darf.117 Für externe Rating-Agenturen kann vor diesem Hintergrund nichts anderes gelten, weil mittels eines Ratings die Finanzierungskonditionen des Unternehmens verbessert und bestimmte Form der Fremdfinanzierung überhaupt erst ermöglicht werden können; eine Weitergabe vertraulicher Informationen ist daher auch aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive zulässig.118 Fraglich kann in diesem Zusammenhang allein sein, ob als Kompensation eine berufsrechtliche Schweigepflicht des Informationsempfängers zu fordern ist119 oder ggfs. eine vertraglich vereinbarte Verschwiegenheitsverpflichtung notwendig, aber auch ausreichend ist.120 Bei Rating-Agenturen, die in der EU zugelassen oder in den U.S.A. für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion anerkannt sind, kann die Frage letztlich offen bleiben, weil die dort jeweils geltenden aufsichtsrechtlichen Vorgaben eine Verschwiegenheitspflicht statuieren.121
3. Organschaftliche Pflichten der Unternehmensleitung im Ratingkontext a) Pflichten bei der Zusammenarbeit mit Rating-Agenturen Der guten Zusammenarbeit mit beauftragten Rating-Agenturen wird in kapitalmarktorientierten Unternehmen heute eine erhebliche Bedeutung zugemessen, was sich etwa daran ablesen lässt, dass an Besprechungen mit Ratinganalysten von Seiten der Emittenten üblicherweise CEO, CFO und treasurer teilnehmen.122 Spezifische Pflichten der Unternehmensleitung sind insofern allein im deutschen Schrifttum entwickelt worden, wo man die beteiligten Unternehmensorgane zur Einarbeitung in die verfügbaren Informationsmaterialien über den Ratingprozess123 und zur Mitwirkung bei der Ratingerstellung (Informationsversorgung der Rating-Agentur, positive Darstellung der wirtschaftlichen Lage des 116 Zum deutschen Recht Fleischer, ZGR 2009, 505, 526; Hopt, in Großkomm-AktG, Stand: 1.1.1999, § 93 Rn. 209; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 22; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 157; Seibt, ZIP 2013, 1597, 1603; zum Schweizer Recht Forstmoser/Meier-Hayoz/ Nobel, Schw. Aktienrecht, § 28 Rn. 50; Krneta, Praxiskomm., Rn. 1904. 117 Hopt, in Großkomm-AktG, Stand: 1.1.1999, § 93 Rn. 211; Körber, in: Fleischer, Hdb. des Vorstandsrechts, § 10 Rn. 22; Mertens/Cahn, in KK-AktG, § 93 Rn. 120; Hüffer, § 93 Rn. 8; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 22; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 157. 118 Hennrichs, ZGR 2006, 563, 573; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 199. 119 So möglicherweise Mertens/Cahn, in KK-AktG, § 93 Rn. 120; a.A. Hopt, in GroßkommAktG, Stand: 1.1.1999, § 93 Rn. 211. 120 Für das deutsche Aktienrecht K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 22; Seibt, ZIP 2013, 1597, 1603; für das Schweizer Aktienrecht Krneta, Praxiskomm., Rn. 1904. 121 Für die EU Anh. I Abschn. C Abs. 3 lit. d Unterabs. 2 EG-RatingVO; für die U.S.A. § 15E(g) Securities Exchange Act i.V.m. Rule 17g-4(a). Ebenso IOSCO-Kodex, Tz. 3.11 ff. 122 Ederington/Yawitz, in: Altman, Handbook of Financial Markets and Institutions, Kap. 23 S. 24; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 412 Fn. 7; Lindebäck Brandt, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 223, 224 f. (zur Praxis der schwedischen Volvo-Gruppe). 123 Hennrichs, ZGR 2006, 563, 568.
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Unternehmens, Signalisieren der Bonität124) verpflichtet sieht. Erforderlichenfalls sei auch externer Rat (Rating Advisory) einzuholen125 und das schließlich erstellte Rating durch ein ausführliches Gespräch mit der Rating-Agentur „nachzubereiten“.126 b) Pflicht zur Vermeidung existenzbedrohender „rating trigger“ Als spezielles Problem hat sich in jüngerer Zeit die zunehmende Verwendung vertraglicher „rating trigger“ herauskristallisiert, deren Eingreifen für verschiedene Unternehmen existenzbedrohende127 oder, wie etwa im Fall Enron, sogar existenzvernichtende Folgen gezeitigt hat.128 Man wird daher eine Pflicht der Unternehmensleitung anzunehmen haben, bei der Vereinbarung von „rating trigger“ darauf zu achten, dass deren Wirkung auch im Fall der gleichzeitigen Auslösung mehrerer solcher Klauseln nicht die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens verursacht.129 Diese Pflicht lässt sich im deutschen Recht auf das Verbot der Geschäftsleitung stützen, für das Unternehmen existenzbedrohende Risiken einzugehen, d.h. solche Risiken, die im Falle ihrer Verwirklichung zum Untergang des Unternehmens führen.130 Ein vergleichbares Verbot ist auch im Schweizer Aktienrecht bekannt.131 Auswirken wird es sich vor allem mit Blick auf die Ausgestaltung von „rating triggern“, deren Eingreifen eine Verpflichtung zur zusätzlichen Sicherheitengestellung oder ein außerordentliches Kündigungsrecht auslösen,132 wohingegen ratingabhängig gestaltete Zinsklauseln (pricing grids)133 kaum existenzbedrohende Folgen haben dürften. Die Vereinbarung auch des erstgenannten Klauseltyps ist der Unternehmensleitung dabei nicht etwa pauschal untersagt, muss aber unter der Maßgabe erfolgen, dass die einheitliche Verwendung stets derselben Ratingschwelle (wie namentlich des „investment grade“) vermieden wird, weil erst diese einen für das betroffene Unternehmen 124 Vgl. Hennrichs, ZGR 2006, 563, 569 ff. (allerdings zum internen Rating); auch Ehlers, ZInsO 2006, 510, 515. 125 Hennrichs, ZGR 2006, 563, 568. 126 Hennrichs, ZGR 2006, 563, 583. 127 Vgl. nur Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 4: „massive Auswirkungen auf die finanzielle Situation von Unternehmen“. 128 Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532. Siehe im Einzelnen sogleich in § 16. 129 Dagegen gehen Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 152 für das Schweizer Recht davon aus, dass Unternehmen in der Vereinbarung von „rating triggern“ völlig frei sind. 130 Für das Bestehen einer solchen Pflicht OLG Düsseldorf, 9.12.2009, ZIP 2010, 28, 32 („IKB“); Lutter, ZIP 2009, 197, 199; Mertens/Cahn, in KK-AktG, § 93 Rn. 86; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 75; vgl. auch Spindler, in MünchKomm-AktG, § 93 Rn. 40 ff. Dagegen Drygala, in FS Hopt (2010), S. 539, 557 f. (anders aber für systemrelevante Unternehmen); Florstedt, AG 2010, 315, 319; Hopt/Roth, in Großkomm-AktG, Stand: 1.10.2006, § 93 Abs 1 Satz 2, 4 nF Rn. 36; Redeke, ZIP 2011, 59, 63. Differenzierend K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 13. 131 Krneta, Praxiskomm., Rn. 1813. 132 Siehe § 16 III, IV. 133 Siehe § 16 II.
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existenzbedrohenden Klippeneffekt134 auslöst. Dem strukturell vorgeschaltet ist die Geschäftsleiterpflicht, die in den Verträgen des Unternehmens eingesetzten Rating Trigger überhaupt zu kennen135 – ein Gebot, das nach deutschem Aktienrecht Ausfluss der Informationsverantwortung des Vorstandes136 ist und das im Falle Enron augenscheinlich verletzt wurde.137
III. Ratingerhaltung als übergeordnetes Ziel unternehmerischen Handelns? Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde bereits verschiedentlich auf die erheblichen Auswirkungen von Ratings auf die Finanzierung von Unternehmen sowie den Einfluss eingegangen, der den Beurteilungskriterien der RatingAgenturen folglich für die Ausgestaltung von Finanzierungsbeziehungen zukommt. In der internationalen Unternehmenspraxis lässt sich allerdings beobachten, dass die Orientierung vieler Geschäftsleiter an Ratingkriterien und den potentiellen Folgen einzelner unternehmerischen Entscheidungen auf das Unternehmensrating noch deutlich weiter reicht,138 die Ratingerlangung und -erhaltung also verbreitet zu einem übergeordneten und nicht auf Finanzierungsfragen begrenzten Ziel des unternehmerischen Handelns erhoben wird.139 Dieses Phänomen hat von Seiten der internationalen Corporate Governance-Wissenschaft erhebliche Kritik erfahren: Man bemängelt, dass viele Unternehmen dem Rating einen unverhältnismäßigen Einfluss auf ihre Entscheidungen einräumen,140 selbst wenn dies mit den langfristigen Zielen der Unternehmensentwicklung in Konflikt gerät,141 und kritisiert insbesondere das durchgängige Anstreben eines „investment grade“-Ratings, dem andere Aspekte untergeordnet werden.142 134
Siehe § 16 III 2, IV 2. Vgl. Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16: „Issuers are also starting to pay more attention to the time bombs that may hide within their numerous financial contracts …“. 136 Vgl. zu dieser Fleischer, in: ders., Hdb. des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 44. 137 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 114: „Enron officials told S&P that current Enron management had not even known about the $690 million obligation; it was a surprise to them when the trustee for the affected entity had exercised the trigger.“ 138 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 882; Krämer, StB 2004, 14, 19; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 287; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 27. 139 Siehe hierzu aus der ökonomischen Forschung der jüngeren Zeit Hofmann, Ratingorientierte Unternehmenssteuerung, S. 227 ff.; zur entsprechenden Praxis der Volvo-Gruppe Lindebäck Brandt, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 223 ff. 140 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 581; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, 1. Aufl., § 25 Rn. 27; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 190: zweifelhaft, „ob das Schielen auf das Rating Good Governance entspricht“. Ganz anders hingegen Pettit, in: Fuchita/Litan, Financial Gatekeepers, S. 100, 102, der eine unzureichende Berücksichtigung von Ratingeffekten durch Unternehmen beklagt. 141 Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 786. 142 Sykes, zitiert nach Pixley, Emotions in Finance, S. 150: „Everybody tries to get the magic grade“, „and so the system becomes a little bastardised.“ 135
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Erklärbar sei diese einseitige Ausrichtung – so vermutet man – auch dadurch, dass das Selbstwertgefühl des Managements durch Ratingherabstufungen belastet werde.143 Das Ausmaß, in dem sich Unternehmen nach den Einschätzungen der Rating-Agenturen richten, ist in der Tat frappant, wie sich anekdotisch aufzeigen lässt: So wird etwa das von der Unternehmensleitung als optimal eingestufte Eigen-/Fremdkapitalverhältnis regelmäßig an abweichende Kriterien der Rating-Agenturen angepasst,144 selbst wenn die Auffassung der Unternehmensleitung mit neueren Erkenntnissen der Finanzierungstheorie im Einklang steht.145 Darüber hinaus wird berichtet, dass das Management einer U.S.-amerikanischen Gesellschaft eine geplante Dividendenerhöhung vorab den RatingAgenturen vorlegte und anfragte, ob dieser Schritt das Unternehmensrating negativ beeinflussen würde – dem Board wurde die Erhöhung sodann erst empfohlen, nachdem die Rating-Agenturen einen Effekt auf das Rating verneint hatten.146 Und bei General Motors führte eine lediglich angedrohte Ratingherabstufung einmal zum erzwungenen Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden und zu tief greifenden Umstrukturierungen der Autoproduktion.147
Ob das beschriebene Phänomen mit Grundsätzen der guten Unternehmensführung unvereinbar ist, ist damit freilich noch nicht entschieden. Sicher ist lediglich, dass der Vorstand die Gesellschaft nach deutschem Aktienrecht unter eigener Verantwortung zu leiten hat148 und Rating-Agenturen ihm daher keine Weisungen erteilen können;149 auch stellt die Forderung einer Rating-Agentur nach personellen Konsequenzen keinen wichtigen Grund i.S.d. § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG
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Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 204. Vgl. Thevenet, in Stern/Chew, Corporate Finance, S. 215: „But if we were successful in convincing ourselves that this was the right approach, the rating agencies didn’t buy it. We had an ongoing battle to get them to accept that our target was consistent with a single-A rating. […] But they were not persuaded. […] So, we have given up our attempt to convert the rating agencies to our market-based way of thinking about leverage ratios.“ 145 Siehe Ikenberry, in Stern/Chew, Corporate Finance, S. 215 f.: „Now, I have to say that although I hear this story from corporate treasurers all the time, I still find it pretty extraordinary. Why, given, what I think is a pretty compelling theory, do companies keep coming back to what appear to us to be these outmoded rating-agency criteria?“. 146 So in Flaherty & Crumrine Preferred Income Fund v. TXU, 8.4.2009, 565 F.3d 200, 205 f., 209 (5th Cir. 2009): „TXU’s management would not make a decision concerning the dividend policy until they had received information from certain credit rating agencies, evaluating the impact of changes in dividend policy and capitalization on the credit ratings of debt securities of TXU Corp. and its subsididaries.“ 147 Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 821: „a corporate coup d’etat“; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 289. 148 So im deutschen Aktienrecht § 76 Abs. 1 AktG; vgl. nur Seibt, ZIP 2013, 1597, 1598. Wenn die Statuten den Verwaltungsrat nach schweizerischen Aktienrecht dagegen ermächtigen können, die Geschäftsführung ganz oder zum Teil auch „an Dritte“ zu übertragen (Art. 716b Abs. 1 OR), so ist damit die Delegation der Geschäftsführung an Direktoren (Art. 718 Abs. 2 OR) innerhalb des monistischen Systems gemeint; vgl. Watter/Roth Pellanda, in Basler Komm., Art. 716b OR Rn. 9 ff. 149 Dies betonend K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 10. 144
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
dar, aufgrund dessen eine Bestellung zum Vorstandsmitglied widerrufen werden könnte.150 Im Übrigen wird man zu differenzieren haben: So gibt es zum einen Gesellschaften, deren Unternehmenszweck ein bestimmtes Mindestrating erfordert, weil sie ohne eine durch Ratings zertifizierte Mindestbonität ihre Geschäftstätigkeit faktisch gar nicht ausüben können. Dies gilt zum einen für verschiedene Unternehmen des Finanzsektors (wie Banken151 oder Versicherungsgesellschaften152), aber etwa auch für Energiehändler wie Enron,153 die ohne ein „investment grade“-Rating in der Branche schlicht nicht als taugliche Vertragspartei angesehen werden.154 Für Unternehmen dieser Art ist die Erhaltung ihres Ratings unverzichtbar und auch aus Corporate Governance-Perspektive ohne weiteres als Ziel anzuerkennen.155 Außerhalb von streng ratingabhängigen Branchen wird eine gute Ratingeinstufung dagegen vielfach deshalb angestrebt, weil diese – über verbesserte Fremdfinanzierungskonditionen hinaus – dem Image des Unternehmens am Markt und damit seinen Kundenbeziehungen dient.156 Ein gutes Rating wird damit als Mittel der Investor Relations-157 und Public Relations-Pflege158 der Gesellschaft begriffen, weil es Zukunftsfähigkeit zu signalisieren scheint159 und damit etwa nach einer Kapitalerhöhung die Platzierung junger Aktien am Markt erleichtert.160 Man mag gegen diese Begründung einer übergeordneten Bedeutung der Ratingerhaltung 150 Spindler, in MünchKomm-AktG, § 84 Rn. 125; Spindler/Stilz/Fleischer, § 84 AktG Rn. 123; Thüsing, in: Fleischer, Hdb. des Vorstandsrechts, § 5 Rn. 23. 151 Laut OVG Münster, 22.6.2009, WM 2009, 2080, 2083 („Reservefonds WestLB“) benötigen deutsche Landesbanken insoweit zumindest ein „A“-Rating. 152 Moody’s Investors Service, Rating Triggers in the Financial Guaranty Industry (July 2004), S. 3. Vgl. zum Beispiel des U.S.-amerikanischen monoline-Versicherers AIG IMF, Sovereign Credit Ratings (Okt. 2010), S. 9; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 112. 153 Vgl. U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 109: „Retaining this investment grade rating, and even improving it, was vital to Enron because its ability to operate and grow its trading business as well as to access the capital markets for its liquidity needs were absolutely dependent upon the stability that the rating provided.“ 154 Vgl. zu Ratingvorgaben in Standardverträgen der Energiebranche Fuhr/Dessau, in: Zenke/ Schäfer, Energiehandel in Europa, § 23 Rn. 5. Darüber hinaus wird in der deutschen Praxis auch der Zugang zu Gasnetzen von einem bestimmten Mindestrating abhängig gemacht, bei dessen Fehlen der Netzzugangspetent kostenträchtige Sicherheiten stellen muss; vgl. hierzu von Kraack/ Bourwieg, RdE 2005, 295, 297 ff. 155 Vgl. von Werder, in: Hommelhoff/Hopt/von Werder, Hdb. Corporate Governance, S. 3, 15. Wohl zu weitgehend Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 342: „for many, if not most, publicly traded companies, being downgraded by one of the credit rating agencies makes bankruptcy a foregone conclusion by signaling that the company can no longer raise the debt necessary to support its operations.“ 156 Krämer, StB 2004, 60, 61. 157 Vgl. dazu Fleischer, ZGR 2009, 505, 509. 158 Struwe/Wambach, Öffentlichkeitsarbeit mit dem Rating-Urteil, Handelsblatt vom 7.12. 2004, S. 23. 159 Hartmann-Wendels/Lieberoth-Leden/Mählmann/Zunder, Entwicklung eines Ratingsystems, S. 1, 4. 160 Krämer, StB 2004, 60, 61.
§ 14 Ratings und die Pflicht zur guten Unternehmensführung
421
zwar einwenden, dass die Wahrnehmung des Ratings als „allgemeinem Gütesiegel“ auf einer Verkennung von dessen begrenztem Aussagegehalt beruhe161 und es daher einer guten Unternehmensführung widerspreche, strategische Entscheidung daran auszurichten. Richtigerweise wird sich die Unternehmensleitung jedoch an derjenigen Signalwirkung orientieren dürfen, die einem Rating in den Augen von shareholdern und stakeholdern zukommt, mag diese auch – wie in der Tat zu konstatieren ist162 – auf einem (verbreiteten) Missverständnis beruhen. Dessen Korrektur zählt nicht zu den ihr zugewiesenen Aufgaben. Hat das Leitungsorgan nach alledem die Erreichung und Erhaltung eines bestimmten Ratings (z.B. des ubiquitären „investment grade“) zulässigerweise als strategisches Ziel definiert,163 so wird dieses nicht selten sogar formell als allgemeine Zielvorgabe des Unternehmenshandelns (corporate goal) festgeschrieben.164 Der vorstehende Befund wird im Übernahmerecht bestätigt, das als Regelung des Marktes für Unternehmenskontrolle bekanntlich als wesentlicher Teilbereich des rechtlichen Corporate Governance-Rahmens eingeordnet wird:165 Hier verbietet § 33 Abs. 1 WpÜG dem Vorstand einer Zielgesellschaft grundsätzlich die Vornahme von Handlungen, durch die der Erfolg eines vorliegenden Übernahmeangebots verhindert werden könnte. Zu solchen Handlungen gehört auch die Aufnahme von Kündigungs- und Fälligkeitsklauseln in Finanzierungsverträge der Gesellschaft, die bei einer Übernahme ausgelöst würden („poison debt“) und diese daher unattraktiv oder unmöglich machen können.166 Eine Rückausnahme wird dabei allerdings für „rating trigger“ gemacht, welche die Kündigung von Fremdfinanzierungsverträgen an eine Ratingherabstufung der Gesellschaft knüpfen: Diese werden allgemein als mit dem Neutralitätsgebot des Vorstands vereinbar angesehen,167 was beweist, dass das Ziel der Ratingerhaltung mit den Grundsätzen der Corporate Governance vereinbar ist.168 161
Siehe § 2 I 1 c). Vgl. noch § 17 III 1. 163 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 5; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 196. Vgl. aus der deutschen Unternehmenspraxis etwa Empelmann, in: Seethaler/Steitz, Praxishandbuch Treasury-Management, S. 167, 170: „Der Anspruch von ThyssenKrupp ist, bei allen Rating-Agenturen im „investment grade“ geratet zu sein“. Aus dem schweizerischen Schrifttum zur Festlegung einer Risikopolitik durch den Verwaltungsrat Staub, CCZ 2009, 121, 125 f. 164 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 879; Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 786. Eine explorative Befragung unter deutschen börsennotierten Unternehmen ergab, dass nicht weniger als 87,5% der Unternehmen im Rahmen ihrer finanzstrategischen Überlegungen ein Ziel-Rating definiert haben; vgl. Arbeitskreis „Finanzierung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, zfbf 2009, S. 323, 332. 165 Coffee, 84 Colum. L. Rev. (1984), 1145 ff.; Hopt, ZGR 2000, 779 ff.; Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 536. 166 Baums/Thoma/Grunewald, Stand: Mai 2012, § 33 WpÜG Rn. 48; Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, § 33 WpÜG Rn. 108; Schlitt, in MünchKomm-AktG, § 33 WpÜG Rn. 104. 167 Frhr. von Falkenhausen/von Klitzing, ZIP 2006, 1513, 1514 f.; Krause, AG 2002, 133, 143; Röh, in: Haarmann/Schüppen, § 33 WpÜG Rn. 64; Schlitt, in MünchKomm-AktG, § 33 WpÜG Rn. 105; Steinmeyer/Steinmeyer, § 33 WpÜG Rn. 77; wohl auch Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, § 33 WpÜG Rn. 278. 168 Dabei ist freilich nicht zu verkennen, dass entsprechende ratingbasierte Kündigungsklauseln auch deshalb für zulässig erachtet werden, weil sie die Interessen der Gläubiger schützen; zutreffend Krause, AG 2002, 133, 143. 162
§ 15 Ratings in der Anlageberatung I. Einleitung Der internationale Finanzmarkt und die nationalen Märkte für Fremdkapitaltitel, also für „traditionelle“ Anleihen wie auch komplexe Finanzinstrumente in ihren jeweiligen Spielarten, werden weitgehend durch professionelle Marktteilnehmer dominiert.1 Diese Marktteilnehmer sind im Allgemeinen in der Lage, sich vor einer Investition in Fremdkapitaltitel eigenständig diejenigen Informationen zu beschaffen, die sie zum Treffen einer informierten Anlageentscheidung benötigen. Zu diesen zählen neben Informationen, die aufgrund gesetzlicher Publizitätsregeln offen gelegt wurden, auch private Marktinformationen wie namentlich Ratings. Private Investoren, zu denen der sprichwörtliche „Kleinanleger“ ebenso gehört wie der vermögende Privatanleger, führen die notwendige Informationssammlung und -auswertung hingegen typischerweise nicht selbst durch, sondern verlassen sich hierbei auf einen Anlageberater. Die Aufgaben eines solchen Informationsintermediärs werden in Deutschland und der Schweiz im Regelfall durch Banken übernommen, während in den U.S.A. und Hongkong in erheblichem Maße auch andere private Berater auftreten. Ihre Rolle kann im Einzelnen ganz unterschiedlich sein und sich auf die Mitteilung anlagerelevanter Tatsachen über bestimmte Investitionsmöglichkeiten beschränken (man spricht von bloßer „Aufklärung“), aber auch die persönlichen Verhältnisse des Kunden im Blick haben und in eine Empfehlung münden („Beratung“);2 beides wird im Folgenden unter dem (untechnisch verwandten) Oberbegriff der „Anlageberatung“ zusammengefasst.3 Die Bedeutung der Anlageberatung erschöpft sich dabei nicht im Verhältnis der Bank zu ihrem Kunden, sondern stellt sich als wesentlicher Teil des Informationsauswahl-, -weitergabe- und -erklärungsprozesses dar, der Investitionsentscheidungen an den Finanzmärkten bestimmt.4 Bedient ein Investor sich der Anlageberatung, so geschieht dies regelmäßig deshalb, weil er selbst keinen Überblick über die in Betracht kommenden Fi1
Siehe dazu schon § 12 I. Zur Begrifflichkeit Lang/Balzer, in FS Nobbe (2009), S. 639, 641; Veil, WM 2009, 1585. 3 Das deutsche Recht definiert den Begriff der Anlageberatung in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a KWG und § 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG als „die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird“. 4 Kübler, ZHR 145 (1981), 204, 205. 2
§ 15 Ratings in der Anlageberatung
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nanzprodukte besitzt und ihm zudem die Kenntnisse fehlen, um diese zu beurteilen.5 Auf die sachverständige Unterstützung des Anlageberaters vertraut er dabei nicht zuletzt dort, wo es um die Beurteilung der für den Kunden schwer zu durchschauenden und zu bewertenden Bonität des Investionsobjektes geht6 – eine Vielzahl von Haftungsprozessen belegt jedoch, dass gerade dieser Aspekt der Anlageberatung nicht selten Schwierig- und Unstimmigkeiten aufwirft, zumal eine Fehleinschätzung des Kreditrisikos für den Anleger besonders folgenreich sein kann. Ratings richten sich als Bonitätsbeurteilungen an die allgemeine Marktöffentlichkeit und können die Anlageberatung daher nicht ersetzen. Sie haben im Zusammenhang mit der Beratung privater Anleger gleichwohl in verschiedener Hinsicht Bedeutung erlangt, und zwar vor allem in Deutschland, wo ein beeindruckender (und weiter anwachsender) Rechtsprechungskorpus die Rolle von Ratings in der Anlageberatung behandelt.7 Die Rating-Agenturen selbst geben durch ihre Ratings hingegen, wie sie stets betonen, weder eine Anlageempfehlung noch sonst eine Beurteilung ab, die auf die Präferenzen des einzelnen Investors bezogen ist:8 Sie beschränken sich vielmehr bewusst auf ihre traditionelle Rolle als Anbieter von Marktinformationen.
II. Die rechtliche Ordnung der Anlageberatung in den untersuchten Rechten Als Grundlage sind zunächst die rechtlichen Vorgaben zur Anlageberatung zu umreißen, soweit sie für die Pflicht zur Aufklärung über Kreditrisiken einer Anlagemöglichkeit relevant werden können. In allen hier untersuchten Rechtsordnungen ist diese Pflicht dabei sowohl Gegenstand vertraglicher und vorvertraglicher Pflichten als auch aufsichtsrechtlicher Verhaltenspflichten, die nebeneinander Anwendung finden.
1. Deutsches Recht In Deutschland wurden die vertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Anlageberatung9 erstmals durch die „Bond“-Entscheidung des BGH konkretisiert und dahingehend umschrieben, dass Inhalt und Umfang der Pflicht sich einerseits an der Person des Kunden (anlegergerechte Beratung) und andererseits an dem Anlageobjekt auszurichten haben (anlage- oder objektgerechte
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Balzer, Vermögensverwaltung, S. 14; Veil, ZBB 2008, 34, 36. Arendts, WM 1993, 229, 230; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 104. 7 Siehe zu diesem Phänomen noch näher unter II 1 sowie III 1. 8 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 549. 9 Die Rechtsprechung nimmt dabei das stillschweigende Zustandekommen eines Beratungsvertrages an, sobald ein Beratungsgespräch aufgenommen wird; statt vieler BGH, 6.7.1993, BGHZ 123, 126, 128 („Bond-DM-Anleihe“). 6
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Beratung), im Übrigen aber von den Umständen des Einzelfalls abhängen.10 Aufklärung oder Beratung über das Kreditrisiko betreffen dabei das Anlageobjekt, bezüglich dessen diejenigen Eigenschaften und Risiken abzudecken sind, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können,11 darunter vor allem das Bonitäts- oder Kreditrisiko.12 Bemerkenswert ist, dass schon in der „Bond“-Grundsatzentscheidung die Pflicht zum Hinweis auf Ratings eine Rolle spielte, obgleich die zugrunde liegenden Investitionen in den Jahren 1988/89 und damit zu einem Zeitpunkt getätigt worden waren, als Ratings am deutschen Kapitalmarkt noch eine sehr seltene Erscheinung waren. Der Grund war, dass es sich bei der betroffenen Anleiheemittentin um eine Gesellschaft des australischen Bond-Konzerns handelte, deren Konzernmutter (und Anleihegarantin) in Australien über ein „non-investment grade“-Rating einer dortigen Rating-Agentur verfügte, welches den zahlreichen deutschen Privatanlegern beim Vertrieb der Anleihe jedoch typischerweise nicht mitgeteilt worden war. Auf diese Weise erlangten Ratings vor deutschen Gerichten im Zusammenhang mit privaten Investitionen Bedeutung, lange bevor sie in Rechtsstreitigkeiten professioneller Marktteilnehmer – den hauptsächlichen Nutzern und unmittelbaren Adressaten von Ratings – eine Rolle spielten. Im Anschluss daran hat sich ein umfassender instanzgerichtlicher Rechtsprechungskorpus zu diesem Fragenkreis entwickelt, der sich deutlich umfangreicher darstellt als die Judikatur in anderen Staaten. Die „Bond“-Grundsätze gelten dabei weiterhin und bestimmen heute auch die Aufklärungspflicht bei modernen komplexen Finanzinstrumenten, wie etwa Zertifikaten.13 Sie werden auf aufsichtsrechtlicher Ebene ergänzt durch Wohlverhaltenspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach §§ 31 ff. WpHG, die in der geltenden Fassung auf die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der MiFID zurückgehen. Danach hat ein anlageberatendes Wertpapierdienstleistungsunternehmen seinen Kunden u.a. rechtzeitig und in verständlicher Form angemessene Informationen zu den Risiken der ihnen angebotenen Arten von Finanzinstrumenten zur Verfügung zu stellen, damit die Kunden auf dieser Grundlage ihre Anlageentscheidungen treffen können.14 Die Informationen können auch in standardisierter Form zur Verfügung gestellt werden.15 Da die aufsichtsrechtlichen 10 BGH, 6.7.1993, BGHZ 123, 126, 128 f. („Bond-DM-Anleihe“). Im Schrifttum besteht Einigkeit darüber, dass die „Bond“-Entscheidung Bankrechtsgeschichte geschrieben hat; in diesem Sinne Köndgen, WuB I G 4. – 4.93, 477; Lang/Balzer, in FS Nobbe (2009), S. 639. 11 BGH, 4.2.1987, WM 1987, 531, 532 („EMM“); BGH, 6.7.1993, BGHZ 123, 126, 129 („BondDM-Anleihe“); BGH, 7.10.2008, BGHZ 178, 149, 153 („kmi“); BGH, 21.3.2013, NJW 2013, 2343 Tz. 12 („Lehman Brothers III“); OLG Braunschweig, 12.6.1996, WM 1996, 1484, 1485 („Polly Peck-DM-Anleihe“); OLG Celle, 25.11.1992, NJW-RR 1993, 500 („Bond-DM-Anleihe“); LG Frankfurt a.M., 31.10.2003, NJW-RR 2004, 1053, 1054 („Argentinien-Anleihe“). 12 BGH, 27.9.2011, BGHZ 191, 119 Tz. 24 („Lehman Brothers-Indexzertifikate“); BGH, 21.3.2013, NJW 2013, 2343 Tz. 17 f. („Lehman Brothers III“); Fuchs/Fuchs, § 31 Rn. 156. 13 Elixmann, BB 2009, 241, 242; Veil, WM 2009, 1585, 1586. 14 § 31 Abs. 3 Sätze 1, 3 Nr. 2 WpHG. 15 § 31 Abs. 3 Satz 2 WpHG.
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Informationspflichten sich seit der MiFID jedoch nur auf die „Art“ des Finanzinstruments und nicht das konkrete Finanzinstrument beziehen, lassen sie allgemeine, standardisierte Rahmeninformationen (etwa in Broschürenform) genügen;16 sie verlangen daher keine Auskunft über die spezifischen Bonitätsrisiken eines Emittenten17 oder über dessen Rating18 mehr. Dies war zu § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG a.F. noch anders gesehen worden.19 Vor diesem Hintergrund erlangt die Frage nach dem Verhältnis der vertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten zu den aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten Bedeutung. Im Schrifttum wird insoweit teilweise vertreten, dass die MiFID eine Maximalharmonisierung des Anlegerschutzes bewirke und „Bond“ damit „gemeinschaftsrechtlich erledigt“ sei.20 Die herrschende Gegenansicht geht dagegen zu Recht von einer parallelen Geltung beider Regelungsregime aus,21 weil die MiFID nur für die rechtliche Behandlung derjenigen Sachfragen eine Maximalharmonisierung bezweckt, die sie selbst anspricht. Sie strebt aber inhaltlich keineswegs eine Regelung aller anlegerschutzbezogener Sachfragen an und lässt daher – etwa dort, wo es um die individuelle (und nicht standardisierte) Beratung geht – Raum für die Anwendung mitgliedstaatlichen Vertragsrechts; es handelt sich mit anderen Worten um eine Maximal-, aber keine Vollharmonisierung.22 Die „Bond“Grundsätze finden im deutschen Recht daher auch weiterhin Anwendung.23
2. Schweizer Recht Im schweizerischen Recht wird der Anlageberatungsvertrag als einfacher Auftrag i.S. der §§ 394 ff. OR eingeordnet,24 der häufig in Ergänzung eines bereits be16
Einsele, JZ 2008, 477, 478; Möllers, in KK-WpHG, § 31 Rn. 232; Veil, ZBB 2008, 34, 38. Forschner, Wechselwirkungen, S. 198; Mülbert, WM 2007, 1149, 1156; Veil, ZBB 2008, 34, 39. 18 Fuchs/Fuchs, § 31 Rn. 160; Koller, in FS U. Huber (2006), S. 821, 833 (zu Art. 19 Abs. 3 MiFID). 19 Diese Vorschrift hatte in ihrer bis zur MiFID-Umsetzung geltenden Fassung noch jedes Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, „seinen Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen“, was allgemein als Pflicht zur Weitergabe auch von Ratings verstanden worden war; vgl. in diesem Sinne OLG Bamberg, 17.7.2006 – 5 U 246/05, unveröff. („ArgentinienDM-Anleihe“); Koller, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 136; Kümpel/Veil, in: Kümpel/ Hammen/Ekkenga, KMR, Stand: Lfg. 2/06 (März 2006), Kennz. 065, Rn. 331; Möllers, in KKWpHG, § 31 Rn. 243: erforderlichenfalls zudem Erläuterung des Ratings geschuldet (siehe zur Erläuterungspflicht nach geltendem Recht noch unten III 1 c)); a.A. Bliesener, Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten, S. 333. 20 So Mülbert, WM 2007, 1149, 1157; ders., ZHR 172 (2008), 170, 176 ff. (der dies freilich zwingend nur für die grenzüberschreitend erbrachte Anlageberatung annimmt); Herresthal, ZIP 2013, 1420. 21 BGH, 27.9.2011, BGHZ 191, 119 Tz. 47 („Lehman Brothers-Indexzertifikate“); Einsele, JZ 2008, 477, 481 f.; Ellenberger, in FS Nobbe (2009), S. 523, 536 f.; Elixmann, BB 2009, 241, 242; Forschner, Wechselwirkungen, S. 134 ff.; Koller, in FS U. Huber (2006), S. 821, 840; Lang/Balzer, in FS Nobbe (2009), S. 639, 680; Veil, ZBB 2008, 34, 42; ders., WM 2007, 1821, 1826; ders., WM 2009, 1585, 1587. 22 In der Sache wie hier, aber in der Terminologie anders Ellenberger, in FS Nobbe (2009), S. 523, 536 f. 23 Veil, ZBB 2008, 34, 42. 24 Bertschinger, Sorgfaltspflichten, S. 15; Roth, in FS Kleiner (1993), S. 1, 11; Sibbern/von der Crone, SZW/RSDA 2006, 70, 71. 17
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
stehenden allgemeinen Bankvertrages zwischen den Parteien entsteht,25 aber auch stillschweigend durch Auskunftserteilung zustande kommen kann.26 Den Inhalt der Beratungspflicht leitet man aus der auftragsrechtlichen Sorgfalts- und Treuepflicht (Art. 398 Abs. 2 OR) ab. Danach muss der Kunde sorgfältig und kundenbezogen (also dessen Anlagezielen entsprechend) beraten27 und vor allem umfassend über die Vor- und Nachteile einer bestimmten Anlage aufgeklärt werden.28 Diese vertragliche Aufklärungspflicht erstreckt sich dabei auch auf die Bonität des Emittenten, hängt in ihrem Inhalt aber entscheidend vom konkret betroffenen Kunden und seinem Beratungsbedarf ab.29 Daneben statuiert Art. 11 BEHG börsenrechtliche Verhaltensregeln für Effektenhändler,30 denen zufolge Kunden insbesondere auf die mit einer bestimmten Geschäftsart verbundenen Risiken hinzuweisen sind.31 Informiert werden muss daher – insoweit mit § 31 Abs. 3 Nr. 2 WpHG vergleichbar – lediglich über die Instrumentenrisiken bestimmter Effektenarten, nicht hingegen über die Risiken einer konkreten Transaktion.32 Art. 11 Abs. 2 BEHG legt allerdings ergänzend fest, dass bei der Erfüllung der Informationspflicht die Geschäftserfahrenheit und die fachlichen Kenntnisse der Kunden zu berücksichtigen sind, woraus wiederum geschlossen werden könnte, dass diese Verhaltensregel jedenfalls nicht gänzlich „standardisiert“, d.h. ohne Ansehen des konkret betroffenen Kunden erfüllt werden kann.33 Zulässig ist jedoch eine Abstufung der Information nach dem kundentypischen Informationsbedarf,34 und die Rechtsprechung des BGer lässt sogar völlig einheitliche Risikoinformationsschriften („one size fits all“) genügen, solange diese auf unerfahrene Kunden zugeschnitten sind35 – es wird also entgegen dem ersten Anschein keine streng adressatengerechte Information verlangt, sondern lediglich eine Überforderung des Adressaten verboten. Im Ergebnis führt die börsenrechtliche Informationspflicht jedenfalls zu keiner inhaltli25
Weber, in Basler Komm., Art. 394 OR Rn. 19 m.w.N. BGer, 3.6.1986, BGE 112 II 347, 350 f. (Schätzung einer Gallé-Lampe). 27 BGer, 21.2.2006, 4C.20/2005, E. 4.2.3 („Leukerbad-Anleihe“); Emch/Renz/Arpagaus, Schw. Bankgeschäft, Rn. 1572 ff.; Sibbern/von der Crone, SZW/RSDA 2006, 70, 71. 28 BGer, 21.2.2006, 4C.20/2005, E. 4.2.3 („Leukerbad-Anleihe“); Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 106; Roth, in FS Kleiner (1993), S. 1, 13. 29 BGer, 21.2.2006, 4C.20/2005, E. 4.2.3 („Leukerbad-Anleihe“); BGer, 4.1.2007, BGE 133 III 97, 102 E. 7.1.1; BGer, 3.2.2012, 4A_525/2011, E. 3.2 („Lehman CPU Plus“). 30 Der Begriff des Effektenhändlers wird in Art. 2 lit. d BEHG näher definiert. 31 Art. 11 Abs. 1 lit. a BEHG. 32 BGer, 4.1.2007, BGE 133 III 97, 100 E. 5.3; BGer, 3.2.2012, 4A_525/2011, E. 3.3 („Lehman CPU Plus“); Dietzi/Latour, Schweizerisches Börsenrecht, S. 65 f.; U. Roth, in: Hertig u.a., BEHG, Stand: Lfg. 1 (Jan. 2000), Art. 11 BEHG Rn. 37, 58; Stupp/Dubs, in Basler Komm., Art. 11 BEHG Rn. 30; Wegmann/von der Crone, SZW/RSDA 2006, 308, 317; Wiegand/Berger, ZBJV 1999, 713, 718; a.A. Hertig/Schupisser, in: Vogt/Watter, Art. 11 BEHG Rn. 57 ff. 33 Darin unterscheidet sie sich vom deutschen Recht (§ 31 Abs. 3 Nr. 2 WpHG). 34 Dietzi/Latour, Schweizerisches Börsenrecht, S. 66: Abstufung „je nach Vorwissen“; Stupp/ Dubs, in Basler Komm., Art. 11 BEHG Rn. 44; Wegmann/von der Crone, SZW/RSDA 2006, 308, 317. 35 BGer, 4.1.2007, BGE 133 III 97, 100 E. 5.3; U. Roth, in: Hertig u.a., BEHG, Stand: Lfg. 1 (Jan. 2000), Art. 11 BEHG Rn. 85; Stupp/Dubs, in Basler Komm., Art. 11 BEHG Rn. 44. 26
§ 15 Ratings in der Anlageberatung
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chen Erweiterung der allgemeinen auftragsrechtlichen Informationspflicht.36 Die Rolle von Ratings im Rahmen der Anlageberatung wird im schweizerischen Schrifttum schon seit Längerem erörtert,37 und aus jüngster Zeit liegt hierzu auch erste Rechtsprechung vor.38
3. U.S.-amerikanisches Recht Anders als in Deutschland, wo das geltende Recht der Anlageberatung fast vollständig anhand der Figur der anlageberatenden Bank entwickelt wurde und an dieser ausgerichtet ist, finden sich in den U.S.A. ganz unterschiedliche Typen von Anlageberatern, die jeweils unterschiedlichen aufsichtsrechtlichen Regelungsregimen unterliegen. So unterfallen investment adviser39 den Bestimmungen des Investment Advisers Act of 1940 und müssen sich bei der SEC registrieren lassen, sofern sie ein Vermögensvolumen von über USD 25 Mio. verwalten,40 während unterhalb dieser Schwelle eine Registrierungspflicht nach dem Recht der einzelnen U.S.-Gliedstaaten besteht. Broker, die zusätzlich zur Anlageberatung auch die Durchführung von Wertpapiertransaktionen anbieten, also als Makler auftreten,41 unterliegen hingegen dem Securities Exchange Act of 1934.42 Führen sie daneben Eigengeschäfte am Finanzmarkt durch, so spricht man von broker-dealern, auf deren aufsichtsrechtliche Regulierung bereits an anderer Stelle43 eingegangen wurde. Soweit Anforderungen an Anlageempfehlungen in Rede stehen, enthält das U.S.-amerikanische Aufsichtsrecht allerdings durchgehend vergleichsweise unpräzise Vorgaben.44 Auch aus den generalklauselartigen Haftungsnormen des Bundeskapitalmarktrechts45 werden vorrangig Anforderungen an die anlegergerechte Beratung (suitability),46 weniger hingegen an die objektgerechte Aufklärung hergeleitet. 36
Wegmann/von der Crone, SZW/RSDA 2006, 308, 316; Wiegand/Berger, ZBJV 1999, 713,
732 f. 37 Vgl. Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 106; Emch/Renz/Arpagaus, Schw. Bankgeschäft, Rn. 1447; Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. XXVII Rn. 8, 12; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 152. 38 BGer, 3.2.2012, 4A_525/2011, E. 8.2 („Lehman CPU Plus“). 39 Definiert in § 202(a)(11) Investment Advisers Act of 1940. 40 §§ 203, 203A Investment Advisers Act of 1940. 41 Vgl. die Legaldefinition in § 3(a)(4)(A) Securities Exchange Act of 1934 sowie Kirsch, Investment Adviser Regulation, Stand: Release 3 (9/1999), § 1:1: „The adviser is the first cousin of the broker.“ 42 § 15(a)(1) Securities Exchange Act of 1934 verpflichtet broker und dealer zur Registrierung bei der SEC. 43 Siehe § 7 II 2 a) zur net-capital rule für broker-dealer. 44 Kirsch, Investment Adviser Regulation, Stand: Release 6 (7/2002), § 10:1: „generally imprecise“. 45 § 10 Securities Exchange Act of 1934 mit Rule 10b-5, bei deren Anwendung auch die im Wege der Selbstregulierung durch sog. self-regulatory organizations der Anlageberater (namentlich die FINRA) aufgestellten Regeln eine Rolle spielen. 46 Hazen, Law of Securities Regulation, § 14.16[1][B]; ausführlich Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: 2009 Supplement, § 19.02 ff.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Wichtiger sind daher die schuldrechtlichen Regelungen zur Anlageberatung, die Bestandteil der Gliedstaatenrechte sind. Da auf traditionelles Common Law zurückgehend, ähneln sich die Rechte der einzelnen Staaten allerdings bis heute weitgehend. Der anlageberatende broker unterliegt nach Common Law einer Sorgfaltspflicht (fiduciary duty) gegenüber seinem Kunden,47 die ihn verpflichtet, ein Wertpapier nur nach Einholung ausreichender Informationen zu empfehlen und den Kunden dabei umfassend über die Risiken der betroffenen Anlage in Kenntnis zu setzen.48 Entscheidend sind auch hier die Umstände des Einzelfalles, vor allem die Erfahrung des Kunden.49 Angesichts der großen Bedeutung von Ratings am U.S.-amerikanischen Finanzmarkt erstaunt es, dass der Hinweis auf Ratings in den U.S.A. in diesem Zusammenhang eine vergleichsweise geringe Rolle spielt; die Problematik wird in Rechtsprechung und Schrifttum nur ganz vereinzelt thematisiert. Der Grund dürfte darin liegen, dass die Aufgabe, die professionelle Intermediäre bei Investitionen von Privatanlegern am Kapitalmarkt einnehmen, in der U.S.-amerikanischen Praxis typischerweise eine andere ist als in Deutschland und der Schweiz: Während in den letztgenannten Staaten regelmäßig der Kunde selbst über die Investition entscheidet, nachdem ihm ein Anlageberater Empfehlungen unterbreitet hat (in den U.S.A. als non-discretionary account bezeichnet50), wird in der U.S.-amerikanischem Praxis überwiegend auch die Investitionsentscheidung dem Berater überlassen (discretionary account), der also als Vermögensverwalter tätig wird. Ratings erlangen in letztgenanntem Fall daher nicht im Rahmen von Aufklärungs- und Hinweispflichten ihre Bedeutung, sondern im Zusammenhang mit Sorgfaltspflichten bei der Investitionsentscheidung, die regelmäßig durch den „prudent person“-Standard bestimmt werden.51 Da auf die Rolle von Ratings insoweit bereits bei der Behandlung von Fondsinvestitionen eingegangen wurde,52 kann an dieser Stelle auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden.
4. Hongkonger Recht Auch im Hongkonger Recht erwachsen Pflichten des Anlageberaters (investment adviser) aus zwei separaten, nebeneinander anwendbaren Regelkörpern: So 47
Kirsch, Investment Adviser Regulation, Stand: Release 6 (7/2002), § 10:1. Gochnaur v. A.G. Edwards & Sons, Inc., 20.2.1987, 810 F.2d 1042, 1049 (11th Cir. 1987); First Union Brokerage v. Milos, 12.5.1989, 717 F.Supp. 1519, 1526 (S.D.Fla. 1989), aff’d, 997 F.2d 835 (11th Cir. 1993); Leib v. Merril Lynch, Pierce, Fenner and Smith, 30.10.1978, 461 F.Supp. 951, 953 (E.D.Mich. 1978); Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: Grundwerk, § 16.03[C][3]. 49 Leib v. Merril Lynch, Pierce, Fenner and Smith, 30.10.1978, 461 F.Supp. 951, 953 (E.D.Mich. 1978): „the intelligence and personality of his customer“. 50 Vgl. Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: Grundwerk, § 16.03[C][3]. 51 Gochnaur v. A.G. Edwards & Sons, Inc., 20.2.1987, 810 F.2d 1042, 1050 (11th Cir. 1987). 52 Siehe § 12 V. 48
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finden Common Law und Equity Anwendung,53 die durch Regeln des geschriebenen Aufsichtsrechts in Gestalt der Securities and Futures Ordinance (SFO) ergänzt,54 aber nicht verdrängt werden.55 Die SFO unterwirft Anlageberater einer Registrierungspflicht56 und ermächtigt die zuständige Aufsichtsbehörde zum Erlass untergesetzlicher Regelungen, die sich ausdrücklich auch auf die Information und Aufklärung von Kunden beziehen könnten.57 Die Aufsichtsbehörde hat von dieser Ermächtigung allerdings – anders als in anderen Bereichen des Hongkonger Aufsichtsrechts – keinen Gebrauch gemacht, sondern lediglich einen nicht bindenden Verhaltenskodex58 veröffentlicht,59 dessen allgemein gehaltenen Sorgfaltsregeln60 man auch die Erforderlichkeit einer Risikoaufklärung durch Anlageberater entnimmt.61 Die Relevanz des Verhaltenskodizes beschränkt sich freilich auf das Aufsichtsrecht; eine haftungsrechtliche Bedeutung wird ihm abgesprochen.62 Es kommt daher auch in Hongkong vor allem auf die schuldrechtliche Aufklärungspflicht des Anlageberaters an, die man hier als deliktsrechtliche fiduciary duty konstruiert,63 weil der Konstruktion eines konkludent geschlossenen Beratungsvertrages – anders als im deutschen und schweizerischen Recht64 – regelmäßig das Erfordernis der consideration entgegensteht, an dem das Hongkonger Recht festhält und das man bei fehlender direkter Bezahlung der Investmentempfehlung durch den Kunden als nicht erfüllt ansieht.65 In der Sache ähnelt die fidu53
Loh, Financial Intermediaries Guide, § B6.00100. Loh, Financial Intermediaries Guide, § B6.00200. 55 Susan Field v. Barber Asia Ltd., 17.6.2003, [2003] HKCU 712 Rn. 154. 56 § 116 i.V.m. Schedule 5 zur Securities and Futures Ordinance (Cap. 571); vgl. Hsu/Arner/ Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 3.171. 57 § 168(2)(c), (e)-(h) Securities and Futures Ordinance. Ermächtigt wird die Securities and Futures Commission (§ 3). 58 Code of Conduct for Persons Licensed by or Registered with the Securities and Futures Commission (April 2001). 59 Grundlage ist § 169 Securities and Futures Ordinance; vgl. Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 3.245. 60 Code of Conduct, Tz. 3.4 („When providing advice to a client a registered person should act diligently and carefully in providing the advice and ensure that its advice and recommendations are based on thorough analysis …“) und Tz. 5.2 („the registered person should, when making a recommendation or solicitation, ensure the suitability of the recommendation or solicitation for that client is reasonable in all the circumstances“). 61 Eine ausdrückliche Aufklärungspflicht sieht der Code of Conduct in Tz. 5.3 nur bei Derivatgeschäften vor („should assure itself that the client understands the nature and risks of the products“), die jedoch in der Rechtsprechung als Ausprägung einer allgemeinen Pflicht verstanden wird; so Andrew Nicholas Barber v. Securities and Futures Commission, 13.9.2006, [2006] HKCA 356 Rn. 27. 62 Donald, Hong Kong Stock and Futures Exchanges, Rn. 3.060; Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 3.245; Loh, Financial Intermediaries Guide, § B6.00300. 63 Die einschlägige Leitentscheidung ist Susan Field v. Barber Asia Ltd., 17.6.2003, [2003] HKCU 712; aff’d on appeal, 15.7.2004, [2004] 3 HKLRD 871. 64 Oben II 1, 2. 65 Susan Field v. Barber Asia Ltd., 17.6.2003, [2003] HKCU 712 Rn. 150 f. Gelegentlich ist eine Aufklärungspflicht auch als vertraglicher implied term angesehen worden, wenn zwischen den 54
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
ciary duty des Hongkonger Rechts ihren Äquivalenten in den Gliedstaatenrechten der U.S.A. wie auch den Civil Law-Rechtsordnungen, indem sie unter Beachtung der Interessen und Fähigkeiten des Kunden zu dessen Information66 und insbesondere zur Aufklärung über die Risiken des Anlageobjektes verpflichtet.67 Inwieweit der Anlageberater dabei zum Hinweis auf Ratings verpflichtet ist, wird in Hongkong allerdings bislang weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum erörtert.
III. Die Rolle von Ratings im Rahmen der Anlageberatung Die Rolle von Ratings hat im Zusammenhang mit der Anlageberatung in verschiedener Hinsicht Bedeutung erlangt: Im Vordergrund der Diskussion in Rechtsprechung und Wissenschaft stand und steht die Pflicht des Anlageberaters zum Hinweis auf Ratings, die in ihren Einzelheiten nach wie vor umstritten ist.68 Dabei ist auch zu erörtern, inwieweit die Erteilung eines Ratinghinweises einen haftungsrechtlichen „safe harbour“ zugunsten des Anlageberaters bedeutet69 – eine Frage, die funktional vergleichbar auch im Zusammenhang mit der Geschäftsleiterhaftung diskutiert wird.70 Daneben bedarf der Klärung, ob auch das Fehlen eines Ratings einen aufklärungsbedürftigen Umstand darstellt, die Nichtbeurteilung durch eine Rating-Agenturen also mittlerweile als risikoinduzierende Abweichung vom Marktstandard einzuordnen ist,71 und wo die zeitlichen Grenzen der ratingbezogenen Hinweispflicht verlaufen.72
1. Die Pflicht des Anlageberaters zum Hinweis auf bestehende Ratings Eine Pflicht zum Hinweis auf Ratings kommt dabei im Ausgangspunkt unabhängig davon in Frage, ob die Tätigkeit des Anlageberaters auf die Empfehlung einer Investition oder auf die bloße Aufklärung des Kunden über die Eigenschaften von Anlagemöglichkeiten gerichtet ist.73 66 Parteien nachweisbar ein Vertragsverhältnis bestand; so in William Reidy v. BNP International Financial Services (Hong Kong) Ltd., 15.12.2000, [2000] HKCFI 539 Rn. 37 (zunächst bestehender Vermögensverwaltungsvertrag, innerhalb dessen die Befugnis zu Anlageentscheidungen später auf den Kunden rückübertragen wurde). 66 Donald, Hong Kong Stock and Futures Exchanges, Rn. 3.062; Loh, Financial Intermediaries Guide, § B6.02700; ders./Da Silva, 23 Int’l Fin. L. Rev. (Juni 2004), 24. 67 Susan Field v. Barber Asia Ltd., 17.6.2003, [2003] HKCU 712 Rn. 169: „The obligation to warn of particular risks is, I think one which a reasonably prudent investment advisor would be expected to comply with …“. 68 Dazu sogleich unter 1. 69 Unter 1 d). 70 Siehe § 13 III 1 b) bb) (2) und § 14 I 3. 71 Unter 2. 72 Unter 3. 73 Vgl. Mülbert, WM 2007, 1149, 1155 mit Unterscheidung zwischen Empfehlung und Information (im vorliegenden Zusammenhang geht es um Letzteres).
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a) Existenz, Voraussetzungen und Begründung der Pflicht Die deutsche Rechtsprechung74 nimmt seit der „Bond“-Entscheidung des BGH ebenso wie die ganz herrschende Literaturmeinung75 eine allgemeine vertragliche Pflicht der anlageberatenden Bank an, den Anleger über das aktuelle Rating einer Emission zu informieren.76 Diese soll auch bei komplexen Finanzinstrumenten bestehen.77 Auch im Schweizer Schrifttum wird teilweise davon ausgegangen, dass die – aus der allgemeinen auftragsrechtlichen Sorgfalts- und Treuepflicht des Art. 398 Abs. 2 OR78 abgeleitete – Informationspflicht des Anlageberaters sich grundsätzlich auch auf ein Rating, ein erst kürzlich erfolgtes Down-Grading oder eine bereits angekündigte Überprüfung eines Ratings bezieht.79 In der U.S.amerikanischen Rechtsprechung ist gelegentlich ebenfalls eine Pflicht zum Ratinghinweis angenommen worden;80 entsprechende Entscheidungen sind hier jedoch vergleichsweise selten geblieben. aa) Voraussetzungen der Hinweispflicht Die Pflicht zum Hinweis auf Ratings, die sich als Teil der Aufklärungspflicht über spezielle Risiken des Anlageobjektes darstellt, wird im deutschen Recht als
74 OLG Bamberg, 17.7.2006 – 5 U 246/05, unveröff. („Argentinien-DM-Anleihe“); OLG Hamburg, 16.5.2012, VuR 2012, 484, 485 („Lehman Brothers-Zertifikate“); OLG Koblenz, 7.5.1999, ZIP 1999, 1667, 1668 („Fokker-DM-Anleihe“); OLG Nürnberg, 19.12.2001, ZIP 2002, 611, 613 („Daewoo-DM-Anleihe“); OLG Schleswig, 20.9.2007, OLGR Schleswig 2008, 783 Rn. 67 („Argentinien-Anleihen“). 75 Arendts, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 288 ff.; Baumbach/Hopt/ Hopt, 33. Aufl., § 347 HGB Rn. 25 ff.; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1853; Ekkenga, Anlegerschutz, S. 455; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 139; Forschner, Wechselwirkungen, S. 197 ff.; Heinsius, ZBB 1994, 47, 53; Köndgen, WuB I G 4. – 4.93, 477, 479; Knops, BB 2008, 2535, 2538; Lang/Balzer, in FS Nobbe (2009), 639, 649; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 11.252; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 106; Rotter/Kremer, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 327, 331; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 193; van Look, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 1 Rn. 86; ders., in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 529; von Heymann/Edelmann, in: Assmann/Schütze, § 4 Rn. 67; Vortmann, WuB I G 1. – 1.97, 51, 52; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 99. A.A. Assmann, ZIP 2002, 637, 649; Fuchs/Fuchs, § 31 Rn. 160; Hartung, EWiR 1991, 1059, 1060. 76 Dies gleichermaßen für angekündigte Ratingänderungen und die Aufnahme eines Ratings in die watchlist (Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 139). 77 OLG Hamburg, 16.5.2012, VuR 2012, 484, 485 („Lehman Brothers-Zertifikate“); Knops, BB 2008, 2535, 2538. 78 Dazu bereits oben II 2. 79 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 106; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 147; a.A. hingegen Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 152: strikte Pflicht zur Ratingberücksichtigung nur, wenn keine anderen, gleichwertigen Informationsquellen bestehen. 80 So in Clark v. John Lamula Investors, Inc., 24.8.1978, 583 F.2d 594, 598 und 600 (2nd Cir. 1978); Csordas v. Smith Barney, Harris Upham & Co., Inc., 16.7.1992, 1992 WL 426460 *2 (Fla.Cir.Ct.).
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allgemeine Pflicht verstanden.81 Sie besteht damit im Grundsatz bei jeder Investition, die einem Kreditrisiko unterliegt (nach richtiger Ansicht also nicht beim Erwerb von Aktien82), und ist insbesondere nicht auf Anleihen ausländischer Emittenten beschränkt.83 In der deutschen Rechtsprechung ist die Pflicht zum Ratinghinweis allerdings fast ausschließlich im Zusammenhang mit Investitionen deutscher Privatanleger in Schuldverschreibungen ausländischer Emittenten praktisch geworden. Die einschlägige Judikatur bietet insofern ein Panorama der Anleihenausfälle der letzten Jahrzehnte, das von Anleihen der australischen Bond-Gruppe (ausgefallen 1989), der englischen Polly Peck International PLC (1990) und des dänischen Hafnia-Versicherungskonzerns (1992) über Schuldverschreibungen des niederländischen Flugzeugproduzenten Fokker Holding BV (1996), des südkoreanischen Mischkonzerns Daewoo (1999) und Staatsanleihen der Republik Argentinien (2001) bis zu komplexen Zertifikaten der U.S.-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers (2008) reicht. Die möglicherweise erschwerte Zugänglichkeit von Informationen über ausländische Emittenten84 mag einem Ratinghinweis nach alledem zwar eine besondere praktische Bedeutung verleihen,85 ist jedoch keine Voraussetzung der diesbezüglichen Pflicht. Selbstverständlich ist, dass der Anlageberater bestehende Ratingeinstufungen zutreffend wiedergeben muss und sich bei falscher Nennung von Ratings ggfs. schadensersatzpflichtig macht.86
Da sich die Aufklärungspflicht über Investitionsrisiken an der Lage des Einzelfalles auszurichten hat, kann ein Ratinghinweis in bestimmten Konstellationen entbehrlich sein. Als Grund kommen sowohl Besonderheiten des Kunden als auch des Anlageobjektes in Frage: So kann der Anlageberater bei professionellen bzw. institutionellen Anlegern erwarten, dass diese ausreichend über öffentlich zugängliche Ratings informiert sind, und muss daher nicht auf diese hinweisen.87 Bei einem unerfahrenen Anleger soll eine Vorinformation über das bestehende 81 Vgl. Arendts, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 290: „Die Information des Kunden über das Rating gehört inzwischen nach einhelliger Auffassung zu den Standards der Wertpapierberatung“; Roth, in: Assmann/Schütze, § 11 Rn. 71; Müller, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 327, 341; van Look, in: Büschgen/Everling, a.aO., S. 521, 529. A.A. Assmann, ZIP 2002, 637, 649; Hartung, EWiR 1991, 1059, 1060. 82 So aber OLG Schleswig, 13.11.1996, MDR 1997, 130, 131 (Gold- und Silberminenaktien), wo das Fehlen von „konkreten Hinweise auf das ‚rating‘ dieser Aktien“ bemängelt wurde – hier wird die ratingbezogene Hinweispflicht überdehnt und die Eigenschaft des Ratings als Bonitätsbeurteilung offenkundig verkannt. 83 OLG Braunschweig, 13.9.1993, ZIP 1993, 1457, 1460 („Polly Peck-DM-Anleihe“); OLG Düsseldorf, 8.7.1994, ZIP 1994, 1256 („Polly Peck-DM-Anleihe“); OLG Nürnberg, 19.12.2001, ZIP 2002, 611, 612 („Daewoo-DM-Anleihe“); Fuchs/Fuchs, § 31 Rn. 157; Hamann, in: Schäfer/ Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 110; Vortmann, in: ders., Prospekthaftung und Anlageberatung, § 5 Rn. 90. A.A. Bamberger, in: Derleder/Knops/Bamberger, § 50 Rn. 147; Jaskulla, WuB I G 1. – 8.97, 524, 525. 84 BGH, 6.7.1993, BGHZ 123, 126, 131 („Bond-DM-Anleihe“): „der Beratungsbedarf des Kunden [ist daher] eher höher“. 85 Bamberger, in: Derleder/Knops/Bamberger, § 50 Rn. 147. 86 OLG Hamburg, 16.5.2012, VuR 2012, 484 („Lehman Brothers-Zertifikate“): unzutreffende Wiedergabe eines Ratings in E-mail einer anlageberatenden Bank.
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Rating die Aufklärungspflicht der Bank entfallen lassen, etwa wenn dieser bereits in der Presse auf ein schlechtes Rating der betreffenden Anlage aufmerksam geworden war.88 Schließlich muss über ein bestehendes Rating dann nicht aufgeklärt werden, wenn dieses (wie etwa „AAA“) eine einwandfreie Bonität des Emittenten oder der Emission signalisiert, denn in diesem Fall ist kein spezifisches Risiko einer Insolvenz erkennbar,89 über das aufgeklärt werden müsste. Die deutsche Rechtsprechung hat so mehrfach zu Zertifikaten der U.S.-Investmentbank Lehman Brothers entschieden, deren Rating zum jeweiligen Beratungszeitpunkt freilich niedriger lag.90 Insofern ist bei der pauschalen Einschränkung der Hinweispflicht Zurückhaltung geboten, weil diese dem Kunden eben eine eigenständige Entscheidung ermöglichen soll – im Zweifel ist das Rating daher mitzuteilen,91 und eine solche Pflicht setzt nicht etwa erst unterhalb des „investment grade“ ein.92 bb) Begründung der Hinweispflicht Die – jedenfalls im deutschen Recht mittlerweile weitgehend unstreitige93 – Annahme einer ratingbezogenen Hinweispflicht erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, statuiert sie doch die Rechtspflicht eines Informationsintermediärs (des Anlageberaters), bei der Ausübung seiner Informationstätigkeit die wer87 Arendts, WM 1993, 229, 232. Vgl. auch LG Düsseldorf, 10.8.2004, BKR 2004, 413 („Argentinien-DM-Anleihe“): „Wenn der in Börsengeschäften erfahrene Dr. S. für seine Anlageentscheidung Wert auf die Mitteilung des Ratings der Argentinien-Anleihen gelegt hätte, hätte er danach gefragt.“ 88 So OLG Oldenburg, 13.3.2003, NJW-RR 2003, 1047, 1048, wo eine strukturierte DM-Anleihe auf Grundlage einer argentinischen Brady-Staatsanleihe im Börsenbrief „finanztip“ mit den Worten beschrieben worden war: „Die bange Frage für Sie als Anleger lautet: Wie sicher sind Brady-Anleihen? Die Antwort ist nicht ganz einfach, denn das mit ‚B+‘ recht schlechte Rating des südamerikanischen Staates lässt sich nicht einfach wegdiskutieren“. 89 Vgl. zur Empfehlung von „AAA“-gerateten Auslandsschuldverschreibungen BGH, 27.2. 1996, NJW 1996, 1744, 1745: „Die empfohlenen Wertpapiere waren unstreitig erstklassig bewertet, Zweifel an der Solvenz des Emittenten bestanden nicht.“ 90 BGH, 27.9.2011, BGHZ 191, 119 Tz. 24 („Lehman Brothers-Indexzertifikate“) spricht unbestimmt von „Bonitätsbewertungen (Ratings) der Garantiegeberin“, die „seinerzeit weiterhin so positiv [waren], dass Zweifel an ihrer Zahlungsfähigkeit nicht aufkommen mussten“; ebenso BGH, 27.9.2011, WM 2011, 2261 Tz. 25 („Lehman Brothers-Basketzertifikate“); BGH, 21.3.2013, NJW 2013, 2343 Tz. 16 („Lehman Brothers III“); OLG Frankfurt a.M., 17.2.2010, ZIP 2010, 567, 568; ähnlich OLG Bamberg, 17.5.2010, ZIP 2010, 1225, 1228: „Die [Bank] konnte sich daher auf die im Herbst 2007 unzweifelhaft noch vorhandenen guten Ratings der Agenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch verlassen“; OLG Celle, 4.3.2010, ZIP 2010, 876, 877: „ein positives Rating der im Wertpapierhandel maßgeblichen Ratingagenturen (etwa Moody’s oder Standard & Poor’s)“; LG Stuttgart, 17.7.2009, WM 2009, 1697, 1700: „noch erstklassiges Rating“. 91 Kaum vertretbar daher LG Düsseldorf, 10.8.2004, BKR 2004, 413 („Argentinien-DM-Anleihe“), wo selbst ein „non-investment grade“-Rating von „Ba3“ (Moody’s) für nicht hinweispflichtig erachtet wurde, weil daraus angeblich „nicht gefolgert werden [konnte], dass die Anlage mit dem Totalverlust bedroht war“. 92 So möglicherweise aber Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 110 Rn. 59. 93 Lang/Balzer, in FS Nobbe (2009), S. 639, 649: „steht fest“.
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tende Aussage eines anderen Informationsintermediärs (der Rating-Agentur) einzusetzen und seinerseits an den Anleger weiterzugeben. Dies wirft die Frage auf, womit diese herausgehobene Behandlung von Ratings gerechtfertigt wird, deren Besonderheit sich unter anderem darin zeigt, dass eine vergleichbare Pflicht von Anlageberatern in Bezug auf die Aussagen anderer Informationsintermediäre – wie etwa von Branchendiensten94 oder Finanzanalysten95 – nicht angenommen wird. Die Gründe für die ratingbezogene Hinweispflicht, die in Rechtsprechung und Schrifttum genannt werden, spiegeln insgesamt das Spektrum der Gründe wieder, die in der vorliegenden Arbeit für die Bedeutung der Rating-Agenturen insgesamt herausgearbeitet wurden: So wird als Ausgangspunkt betont, dass die Bonität bei Anleiheninvestitionen zu den wichtigsten Entscheidungskomponenten eines Anlegers zählt96 und Ratings zu den „wesentlichen“ Informationen, die für dessen Einschätzung bedeutsam sind.97 Der Grund für diese herausgehobene Bedeutung wird sodann vor allem in der Rolle der Rating-Agentur als eines unabhängigen Dritten98 gesehen, der aus der Anlageempfehlung keinen Profit zieht und folglich mittelbar zu einer „Objektivierung“ der Anlageberatung beiträgt;99 die Rating-Agentur unterliegt schließlich nicht den Interessenskonflikten, die den Anlageberater beeinflussen mögen.100 Gelegentlich findet sich im Schrifttum sogar die Einstufung von Ratings als „objektive“ Risikobeurteilung101 – eine missverständliche Bezeichnung, da sie die (andersartigen) Interessenskonflikte in der Person der Rating-Agenturen102 ebenso vernachlässigt wie den Umstand, dass jedes Rating eine subjektive Beurteilung der erstellenden Agentur bleibt, mag diese auch in Unabhängigkeit vom anstehen94 BGH, 7.10.2008, BGHZ 178, 149, 156 („kmi“) mit der Begründung, bei diesen handele es „sich nicht um allgemein anerkannte Publikationen für Wirtschaftsfragen oder für ein bestimmtes Marktsegment, deren Seriosität und Qualität über jeden Zweifel erhaben ist“; OLG Stuttgart, 15.12.2005, WM 2006, 1100 Tz. 42; Baumbach/Hopt/Hopt, 33. Aufl., § 347 HGB Rn. 25. 95 Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 66 (zum U.S.-amerikanischen Recht) und S. 70 (zum deutschen Recht). 96 Veil, WM 2009, 1585, 1587. 97 OLG Hamburg, 16.5.2012, VuR 2012, 484, 485 („Lehman Brothers-Zertifikate“); OLG Nürnberg, 19.12.2001, ZIP 2002, 611, 613 („Daewoo-DM-Anleihe“); OLG Schleswig, 20.9.2007, OLGR Schleswig 2008, 783 Tz. 69 („Argentinien-Anleihen“); Roth, in: Assmann/Schütze, § 11 Rn. 71; van Look, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 529. 98 Siehe dazu bereits § 2 IV. 99 Müller, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 327, 343. 100 Vgl. den BGH, 19.12.2006, BGHZ 170, 226, 234 in seiner „kick-back“-Rechtsprechung mit dem Hinweis auf „die konkrete Gefahr, dass die Bank Anlageempfehlungen nicht allein im Kundeninteresse nach den Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung abgibt, sondern zumindest auch in ihrem eigenen Interesse, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten“ – letzteres Interesse wird bei einer Rating-Agentur eben nicht relevant. 101 So in LG Frankfurt a.M., 31.10.2003, NJW-RR 2004, 1053, 1054 („Argentinien-Anleihe“); ähnlich auch Arendts, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 291: Rating als „weitgehend objektive Risikoeinschätzung“; Witte/Mehrbrey, ZIP 2009, 744, 747: Rating als „objektiviertes Urteil“ über die Bonität des Unternehmens. 102 Zu diesen noch § 25 I.
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den Investitionsvorgang handeln. Für die Hinweispflichtigkeit von Ratings spricht zudem die Tatsache, dass diese (trotz ihrer Eigenschaft als subjektive Einschätzungen) von der Marktöffentlichkeit empirisch nachweisbar beachtet werden:103 Bereits durch die offenkundige Relevanz von Ratings für andere Marktteilnehmer erhält die Ratingkenntnis auch für denjenigen Investor Bedeutung, der einem Rating selbst keinen Informationswert zumisst, weil die Beachtung durch die übrigen Marktteilnehmer eben den Marktpreis des Wertpapiers beeinflussen kann. Dagegen besitzt die aufnehm- und verarbeitbare Codierung von Ratings104 für die Frage der Aufklärungspflichtigkeit eine zu vernachlässigende Bedeutung,105 weil Bonitätsinformationen im Rahmen der Anlageberatung ohnehin auf die Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität des individuellen Kunden zugeschnitten (also „maßgeschneidert“) werden106 und der Frage der Aufnehm- und Verarbeitbarkeit, die bei nicht-individuellen Marktinformationen Schwierigkeiten macht, daher auf diese Weise Rechnung getragen wird. b) Hinweispflicht nur bezüglich der Ratings bekannter Rating-Agenturen? Wenig geklärt ist der sachliche Umfang der Hinweispflicht, nämlich die Frage, auf welche Ratings im Einzelnen hingewiesen werden muss: Nur auf die Ratings der drei großen internationalen Rating-Agenturen, oder auch auf Ratings kleinerer (etwa nur regional tätiger) Agenturen? Die Problematik erlangte in Deutschland in den „Bond“-Verfahren Bedeutung, weil es darin um Ratings der australischen Rating-Agentur „Australian Ratings“ ging, die zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Anlageberatungen international kaum bekannt war.107 Der BGH bezog im „Bond“-Urteil hierzu nicht eindeutig Stellung,108 und die Auffassungen in Instanzrechtsprechung und Schrifttum sind geteilt: Während überwiegend davon ausgegangen wird, dass die mangelnde Bekanntheit einer Rating-Agentur in Deutschland auch die Pflicht der deutschen Banken zum Hinweis auf deren Ratings entfallen lässt,109 stellt die Gegenansicht auf die Nähe der Agentur zum betroffenen Investitionsobjekt ab und bejaht daher eine Hin-
103 Arendts, WM 1993, 229, 233 f.: Rating-Herabstufung sei nicht lediglich eine subjektive Bewertung, sondern eine negative Tatsache. 104 Siehe § 5 IV. 105 Vgl. aber OLG Hamm, 8.10.2003, 31 U 117/03, unveröff. („Argentinien-DM-Anleihe“), wo die Hinweispflichtigkeit von Ratings damit begründet wird, dass sich darin die notleidende politische und wirtschaftliche Situation des Emittenten „in mindestens so deutlicher Weise“ widerspiegele wie in anderen Informationen. 106 Siehe zur Pflicht zur Ratingerläuterung in diesem Zusammenhang noch c). 107 Die Agentur wurde im Jahre 1990 sodann von Standard & Poor’s übernommen. 108 Schwark, WuB I G 4. – 9.93, 1042, 1043. 109 LG Essen, 15.7.1993, NJW-RR 1993, 1392, 1393 („Bond-DM-Anleihe“); LG Itzehoe, 26.2.1992, WM 1993, 205, 207 („Bond-DM-Anleihe“); LG Hamburg, 10.1.1992, WM 1993, 196, 200 („Bond-DM-Anleihe“); Potthoff, EWiR 1992, 19, 20.
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weispflicht unabhängig von der Bekanntheit der Rating-Agentur am Ort der Anlageberatung.110 Richtigerweise ist der sachliche Umfang der Hinweispflicht keiner pauschalen Bestimmung zugänglich; er hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab. Dies wird auch in den wenigen einschlägigen Stellungnahmen zum Schweizer Recht so gesehen.111 Entscheidend ist dabei, dass Ratinghinweise nach deutschem Vertragsrecht Bestandteil der objektgerechten Aufklärung sind112 und daher das empfohlene Anlageobjekt Ansatzpunkt für die Frage ist, welche Ratings genannt werden müssen: Wird die Bonität des Anlageobjektes durch eine oder mehrere internationale Rating-Agenturen beurteilt, so wird man einen Hinweis auf diese Ratings genügen lassen können.113 Beurteilen die großen Rating-Agenturen den Ratinggegenstand in concreto unterschiedlich, darf dabei allerdings nicht nur das Rating einer Agentur genannt werden.114 Sofern die Emission hingegen nur durch kleinere oder, namentlich bei ausländischen Anleihen, ausländische RatingAgenturen einer Bewertung unterzogen wurde, so hat der Anlageberater auch diese Ratings zu ermitteln und mitzuteilen115 – es handelt sich dabei schlicht um einen Ausfluss seiner Pflicht „to know your merchandise“. Mit dieser Pflicht geht eine ratingbezogene Informationsbeschaffungs- und Organisationspflicht des Anlageberaters einher, die im Beratungsvertrag wie im Aufsichtsrecht (in Deutschland in § 33 Abs. 1 WpHG) wurzelt.116 Sind entsprechende, weniger prominente Bonitätsbeurteilungen dem Anlageberater hingegen nicht zugänglich, so muss er den Kunden auf diesen Umstand hinweisen117 oder aber davon absehen, die betreffenden Anlageobjekte in sein Beratungsportfolio aufzunehmen. 110 OLG Braunschweig, 13.9.1993, ZIP 1993, 1462, 1464 („Bond-DM-Anleihe“); Arendts, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 293; Köndgen, WuB I G 4. – 4.93, 477, 479; Roth, in: Assmann/Schütze, § 11 Rn. 71; van Look, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 530. 111 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 106; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 147. 112 OLG Schleswig, 20.9.2007, OLGR Schleswig 2008, 783 Tz. 67 („Argentinien-Anleihen“). 113 Vgl. Bamberger, in: Derleder/Knops/Bamberger, § 50 Rn. 147; Faulmüller, VuR 2012, 485, 486. 114 OLG Hamburg, 16.5.2012, VuR 2012, 484, 485 („Lehman Brothers-Zertifikate“); zustimmend Faulmüller, VuR 2012, 485. 115 Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 110; Roth, in: Assmann/Schütze, § 11 Rn. 71: bei ausländischen Effekten ist das ausländische Rating relevant. Sind die Ratingkürzel der betreffenden Rating-Agentur dem Kunden nicht bekannt, so kann dies deren Erläuterung zugänglich machen; siehe dazu sogleich im Text unter c). Unzutreffend Potthoff, EWiR 1992, 19, 20 und Vortmann, WuB I G 1. – 1.97, 51, 52, die die Pflicht zum Hinweis auf Ratings kleinerer ausländischer Agenturen pauschal entfallen lassen wollen. 116 Zum deutschen Recht Arendts, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 294; Ebenroth/Boujong/Joost/Kort, 1. Aufl., § 347 HGB Rn. 67; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 139; Frisch, in: Derleder/Knops/Bamberger, § 52 Rn. 142; van Look, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 1 Rn. 86; ders., in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 529. Zum Schweizer Recht Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 107; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 148. 117 Arendts, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 290.
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Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, ob die jeweilige Rating-Agentur in ihrer Regulierungsfunktion staatlich anerkannt ist oder nicht, weil eine solche Anerkennung über die Rolle eines Ratings im Rahmen der anlageberatenden Risikoaufklärung nichts aussagt.
c) Pflicht des Anlageberaters zur Erläuterung des Ratings Ein isolierter Hinweis auf das Ratingkürzel, mit dem die relevanten RatingAgenturen das empfohlene Investitionsobjekt bewertet haben, klärt den Kunden allerdings nicht immer ausreichend über das Kreditrisiko auf: Während die Buchstaben „BBB“ für einen professionellen Marktteilnehmer eine brauchbare Bonitätsinformation darstellen, ist dies für einen Privatanleger nicht notwendigerweise der Fall.118 Es bedarf daher nach ganz überwiegender Auffassung in deutscher Rechtsprechung119 und Literatur120 zusätzlich der Erläuterung der Bonitätsbeurteilung, sofern der betroffene Kunde nicht über die notwendigen Kennt nisse für die Einordnung des Ratingkürzels verfügt, denn der Anlageberater schuldet eine verständliche (d.h. adressatengerechte) Aufklärung.121 In der Schweiz,122 in den U.S.A.123 und auch in Österreich124 wird dies ebenfalls so gesehen. Über den Umfang der notwendigen Erläuterungen lassen sich schwer pauschale Aussagen treffen, weil dieser von dem Kenntnisstand des konkret betroffenen Kunden abhängt. Im Schrifttum wird insoweit eine Erklärung der Ratingsymbole und -definitionen,125 des Unterschieds zwischen „investment grade“ und „non-investment grade“ (weil die statistischen Ausfallwahrscheinlichkeiten sich historisch betrachtet deutlich unterscheiden126 – zudem mag man an die erheblichen Kursverlust erinnern, die bei einer Unterschreitung dieser Schwelle
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Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. XXVII Rn. 12. LG Münster, 1.7.2003, BKR 2003, 762, 764 („Argentinien-DM-Anleihe“). 120 Arendts, WM 1993, 229, 235; Baumbach/Hopt/Hopt, 33. Aufl., § 347 HGB Rn. 26; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 139; Rotter/Kremer, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 327, 333; van Look, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 531. Zu § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG a.F. ebenso Möllers, in KK-WpHG, § 31 Rn. 243. 121 BGH, 9.5.2000, NJW-RR 2000, 1497, 1498 („Fokker-DM-Anleihe“); Baumbach/Hopt/ Hopt, 33. Aufl., § 347 HGB Rn. 26; Lang/Balzer, in FS Nobbe (2009), S. 639, 650; Witte/Mehrbrey, ZIP 2009, 744, 745. 122 Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. XXVII Rn. 12; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 152. 123 Csordas v. Smith Barney, Harris Upham & Co., Inc., 16.7.1992, 1992 WL 426460 *2 (Fla.Cir.Ct.). 124 OGH, 10.3.2008, ÖBA 2008, 1504 („Argentinien-DM-Anleihe“): „Die allgemeine, kaum aussagekräftige Information, ‚AAA‘ bewertete Anleihen seien sicherer als solche aus dem ‚B‘-Bereich, entsprach nicht der Pflicht der objektbezogenen Beratung.“ 125 Arendts, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 290; van Look, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 531. In der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung ebenso Csordas v. Smith Barney, Harris Upham & Co., Inc., 16.7.1992, 1992 WL 426460 *2 (Fla.Cir.Ct.). 126 Arendts, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 290. 119
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nachweislich drohen127) sowie die etwaige Ratingabhängigkeit der Anleiheverzinsung (bei Verwendung von „rating grids“128) verlangt.129 Insbesondere allgemeine Erklärungen zum Rating, wie etwa zu Symbolen und Definitionen, werden dabei in standardisierter Form in gleichzeitiger Erfüllung aufsichtsrechtlicher Vorgaben130 erfolgen können.131 Verschiedentlich finden sich allerdings sogar Stimmen, die nicht nur eine Erläuterung des aktuellen Ratings, sondern auch von dessen Entwicklung in der Vergangenheit (also Ratingherauf- und -herabstufungen) fordern132 – dies erscheint zu weitgehend, düften diese Details für die Beurteilung der künftigen Bonitätsentwicklung doch kaum aufschlussreich sein.133 Die (möglicherweise ratinginduzierte) Kursentwicklung der Vergangenheit kann dabei freilich unter dem Gesichtspunkt des Volatilitätsrisikos aufklärungspflichtig sein. d) Ratinghinweis als per se ausreichende Aufklärung über das Bonitätsrisiko („safe harbour“)? Schließlich stellt sich die Frage, ob sich die Kreditrisikoaufklärung des Beraters auf die Mitteilung des aktuellen Ratings (sowie ggfs. dessen Erläuterung) beschränken und damit – jedenfalls in typischen Fällen – per se als ausreichend gelten kann, der Ratinghinweis also einen haftungsrechtlichen „safe harbour“ des Anlageberaters darstellt.134 Dies wird im deutschen Schrifttum nicht selten bejaht,135 weil Anlageberater (in Deutschland also vor allem Banken) in der Realität keine besseren Erkenntnisse über die Kreditwürdigkeit besitzen könnten als Rating-Agenturen mit ihrem Zugang zu vertraulichen Emittenteninformationen.136 Zudem wird argumentiert, dass die Pflicht zum Hinweis auf schlechte Ratings im Umkehrschluss auch bedeuten müsse, dass sich Anlageberater auf positive Ra-
127 Siehe § 5 II 2 c). Eine generelle Aufklärung über Auswirkungen von Ratingänderungen auf den Anleihenkurs verlangt Fuchs/Fuchs, § 31 Rn. 159 (überraschend, weil der Autor bezüglich konkreter Einzelratings keine Aufklärungspflicht annehmen will). 128 Vgl. dazu noch § 16 II. 129 Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532. 130 § 31 Abs. 3 Sätze 1, 3 Nr. 2 WpHG; Art. 11 Abs. 1 lit. a BEHG. 131 Vgl. zum deutschen Aufsichtsrecht Fuchs/Fuchs, § 31 Rn. 159. 132 Arendts, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 290 f.; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 106; Müller, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 327, 341; van Look, in: Büschgen/Everling, a.a.O., S. 521, 529. 133 So aber Arendts, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 290 f. 134 Zur vergleichbaren Fragestellung im Rahmen der Geschäftsleiterhaftung siehe bereits § 13 III 1 b) bb) (2) und § 14 I 3. 135 Arendts, WM 1993, 229, 235; ders., in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 291 ff.; Müller, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 327, 342; van Look, in: Büschgen/Everling, a.a.O., S. 521, 531; Vortmann, WuB I G 1. – 1.97, 51, 52; Witte/Mehrbrey, ZIP 2009, 744, 747. A.A. Knops, BB 2008, 2535, 2536 f. 136 van Look, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 531; Vortmann, WuB I G 1. – 1.97, 51, 52.
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tings verlassen dürfen.137 Auch in der deutschen Rechtsprechung ist eine Aufklärung, die sich im Wesentlichen an dem Ratingsystem der großen RatingAgenturen orientierte bzw. zur Kennzeichnung des Bonitätsrisikos auf einen Ratinghinweis beschränkte, verschiedentlich für ausreichend erachtet138 und ein zusätzlicher Hinweis auf die ungünstige politische und wirtschaftliche Lage des Emittenten für überflüssig gehalten worden,139 während dies für den Hinweis auf die fehlende Einlagensicherung uneinheitlich beurteilt wird.140 Die schweizerische Rechtsprechung steht ebenfalls auf dem Standpunkt, dass sich Anlageberater jedenfalls bis zur globalen Finanzkrise 2007–09 auf Ratings stützen durften, weil diese im Allgemeinen als verlässlich und aussagekräftig galten141 – eine Einschätzung, die (wie auch in der deutschen Rechtsprechung) vor allem im Zusammenhang mit dem Ausfall von „Lehman Brothers“-Papieren getroffen wurde. Im Vergleich dazu fallen die Stellungnahmen im schweizerischen Schrifttum deutlich zurückhaltender aus,142 und auch in den U.S.A. wird nicht von einem „safe harbour“ ausgegangen.143 Für eine entsprechende Beurteilung scheint im deutschen Recht zudem die anerkannte Pflicht der anlageberatenden
137 OLG Oldenburg, 25.02.2010, unveröff. („Lehman Brothers-Alpha-Express-Zertifikate“): „Banken müssen sich aber auf ein positives Rating verlassen können. Denn Aufgabe der RatingAgenturen ist es, die Bonität von Unternehmen einzuschätzen“; Witte/Mehrbrey, ZIP 2009, 744, 747. 138 OLG Hamm, 8.10.2003, 31 U 117/03, unveröff. („Argentinien-DM-Anleihe“); OLG Hamm, 9.1.2004, 25 U 117/03, unveröff. („Argentinien-DM-Anleihe“); OLG Schleswig, 20.9.2007, OLGR Schleswig 2008, 783 Rn. 98 („Argentinien-Anleihen“): „ausreichend“. A.A. OLG Hamburg, 16.5.2012, VuR 2012, 484, 485 („Lehman Brothers-Zertifikate“): auf Rating allein dürfe deshalb nicht abgestellt werden, weil „erst kurz vor der Anlageentscheidung veröffentlichte Umstände in der Regel im Rating noch nicht mit berücksichtigt worden sind.“ 139 So die beiden vorstehend zitierten Urteile des OLG Hamm, a.a.O., jeweils entgegen den Vorinstanzen. 140 Ein „erstklassiges“ Rating insoweit für ausreichend haltend LG Stuttgart, 17.7.2009, WM 2009, 1697, 1700 („Lehman Brothers-Zertifikate“); Veil, WM 2009, 1585, 1587 ff. A.A. hingegen LG Hamburg, 1.7.2009, WM 2009, 1363, 1368 („Lehman Brothers-Zertifikate“): „Das für Lehman Brothers 2007 noch gute Rating mag zwar ein großes Vertrauen in Lehman Brothers begründet haben. Jedoch ist das Vertrauen in eine einzelne Wertpapierfirma bzw. einen einzelnen Wertpapierfirmen-Konzern nicht gleichwertig dem Vertrauen, das einem Einlagensicherungssystem entgegen gebracht werden kann, wie es beispielsweise für die Sparkassen eingerichtet ist.“ 141 BGer, 3.2.2012, 4A_525/2011, E. 8.2 („Lehman CPU Plus“): „Nach dem hier massgebenden allgemeinen Wissensstand vor der Finanzkrise ist es vertretbar anzunehmen, dass sich die Beschwerdegegnerin vor allem auf die Ratings abstützen durfte, galten damals die Ratings doch nach den vorinstanzlichen Feststellungen, welche die Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich anficht, im Allgemeinen als verlässlich und aussagekräftig.“ 142 Schweizer, Notes, Euronotes, NIFs und RUFs, S. 40 f.: Anlageberater dürfen sich nicht allein auf Ratings verlassen; ebenso Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 148; zweifelnd auch Kroll, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 173, 178. 143 Franklin Sav. Bank in City of New York v. Levy, 24.12.1975, 406 F.Supp. 40, 44 (S.D.N.Y. 1975) („Commercial Paper der Penn Central Transportation Company“): „… such rating does not absolve Goldman, Sachs of its duty of disclosure“ (betraf aber der Bank vorliegende Bonitätsinformationen); Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 141 Fn. 48: „Of course, reliance upon a rating service does not relieve a dealer of its responsibilities.“
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Bank zu streiten, die Güte der in ihr Anlageprogramm aufgenommenen Papiere einer eigenen Prüfung zu unterziehen.144 Richtigerweise wird zu differenzieren sein: Soweit die Aufklärung über das Bonitätsrisiko eines Anlageobjektes in Rede steht, wird der Anlageberater grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, durch Mitteilung des oder der Ratings sowie ggfs. deren Erläuterung einen ausreichenden Kreditrisikohinweis erteilt zu haben, denn die Bonitätsbeurteilung durch am Markt anerkannte Rating-Agenturen wird von den Verkehrskreisen als verlässlich angesehen145 und beruht zudem regelmäßig auch auf vertraulichen Emittenteninformationen, welche dem Anlageberater typischerweise nicht zugänglich sind.146 Das Vertrauen des Anlageberaters darf allerdings kein „blindes“ Vertrauen sein, sodass er immer dann eigene Ermittlungen zur Kreditwürdigkeit des Anlageobjektes anstellen und den Kunden auf deren Ergebnisse und vorhandene Zweifel an den Ratingbeurteilungen hinweisen muss, wenn ihm Anzeichen dafür vorliegen, dass die Einschätzung der Rating-Agentur unzutreffend sein könnte.147 Letzteres mag etwa dann der Fall sein, wenn die betreffende Bank als Emissionsbank an der betroffenen Emission beteiligt war. Eine eigene Bonitätsprüfung wird man aber auch bei „split ratings“ verlangen müssen.148 Letztlich handelt es sich insoweit also nur um einen eingeschränkten „safe harbour“, für dessen Einschränkung im konkreten Fall der Anleger freilich den Beweis zu führen hat. Er beschränkt sich zudem allein auf die Aufklärung über das Kreditrisiko: Die ebenfalls bestehende Pflicht zur Aufklärung über das Markt-, das Volatilitäts-, das Liquiditäts- und das Fremdwährungsrisiko sowie ggfs. weitere Risiken des Anlageobjektes149 wird durch ein Rating von vornherein nicht betroffen, da dieses über jene Risiken nichts aussagt.150 Eine hohe Ratingeinstufung darf also weder während der Anlageberatung noch in späteren Haftungsverfahren als allgemeines „Gütesiegel“ oder Ausdruck der Risikolosigkeit einer Investition missverstanden werden.
144 BGH, 6.7.1993, BGHZ 123, 126, 129 („Bond-DM-Anleihe“); OLG Karlsruhe, 4.7.2001, OLGR Karlsruhe 2002, 177, 178 („Fokker-DM-Anleihe“); Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 110. Ebenso zum Schweizer Recht Schweizer, Notes, Euronotes, NIFs und RUFs, S. 40 f. 145 Schäfer, in: Schwintowski/Schäfer, § 18 Rn. 20. 146 Siehe § 5 III 1 a) cc) (1). 147 Zum deutschen Recht Rotter/Kremer, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 327, 333; van Look, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 531; Vortmann, WuB I G 1. – 1.97, 51, 52; Witte/Mehrbrey, ZIP 2009, 744, 747; zum U.S.-amerikanischen Recht Franklin Sav. Bank in City of New York v. Levy, 24.12.1975, 406 F.Supp. 40, 44 (S.D.N.Y. 1975) („Commercial Paper der Penn Central Transportation Company“). 148 Vortmann, WuB I G 1. – 1.97, 51, 52. 149 Vgl. BGH, 7.10.2008, BGHZ 178, 149, 153 („kmi“). 150 Vgl. BGH, 27.2.1996, NJW 1996, 1744, 1745: das „AAA“-Rating einer Auslandsanleihe sagt nichts zu einem bestehenden Fremdwährungsrisiko.
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2. Pflicht des Anlageberaters zum Hinweis auf das Fehlen eines Ratings? Da keine der hier untersuchten Rechtsordnungen ein generelles Ratingobligatorium kennt, welches die Emission oder das öffentliche Angebot von Schuldverschreibungen nur nach Beurteilung durch eine Rating-Agentur zulässt,151 stellt sich die Frage, ob der Anlageberater zumindest zum Hinweis auf das Fehlen eines Ratings gezwungen ist, wenn er ein ungeratetes Wertpapier empfiehlt. Das U.S.-amerikanische Recht verpflichtete broker-dealer bis in jüngere Zeit explizit zur schriftlichen Hinweiserteilung gegenüber ihren Kunden, sofern die von diesen erworbenen oder veräußerten Anleihen über kein Rating einer anerkannten Rating-Agentur verfügen.152 Nach dem Willen der SEC sollte diese Hinweispflicht auf einen Dialog zwischen broker-dealer und Kunden hinwirken, ohne jedoch ungeratete Anleihen generell als weniger sicher zu brandmarken;153 sie wurde im Jahre 2014 im Umsetzung des Dodd–Frank Acts jedoch gestrichen.154 Im schweizerischen Schrifttum wird dagegen auf derselben Grundlage seit jeher der gerade gegenteilige Schluss gezogen und eine Hinweispflicht abgelehnt, weil ein fehlendes Rating nicht automatisch mit ungenügender Schuldnerbonität gleichgesetzt werden könne.155 Diese Beurteilungsdivergenz mag auch mit der unterschiedlichen Ratingverbreitung in beiden Staaten erklärbar sein: Während Anleihen in den U.S.A. praktisch ausnahmslos geratet werden156 und ein fehlendes Rating daher als ungewöhnlich (und daher aufklärungsbedürftig) erscheint, ist die „Ratingdichte“ in der Schweiz bislang noch nicht ebenso hoch. In Deutschland ist die Frage bislang uneinheitlich beurteilt worden: Während eine Hinweispflicht vereinzelt verneint wird, da die Beurteilung durch eine Rating-Agentur für den Emittenten freiwillig sei,157 nimmt die überwiegende Ansicht eine solche Pflicht des Anlageberaters an.158 Ihr ist zuzustimmen, weil ein 151
Siehe § 8 I 1. Rule 10b-10(a)(8) unter dem Securities Exchange Act of 1934. Ein entsprechender Hinweis ist nicht erforderlich, soweit es sich bei den Papieren um Staatsanleihen (government securities) handelt. 153 Vgl. SEC Release 34–34962 vom 10. Nov. 1994, 59 FR 59612 (17. Nov. 1994). 154 Durch SEC Release 34–71194 „Removal of Certain References to Credit Ratings Under the Securities Act of 1934“ (Final rule) vom 27. Dez. 2013, 79 FR 1522, 1535 f. (8. Jan. 2014). Die SEC hatte schon im Jahre 2008 erstmals die Streichung dieser ratingbezogenen Hinweispflicht vorgeschlagen, um dadurch die regulatorische Bedeutung von Ratings im allgemeinen zu reduzieren (SEC Release 34–58070 vom 1. Juli 2008, 73 FR 40088, 40091 f. (11. Juli 2008)) – dieser Vorschlag war in der Folgezeit jedoch nicht umgesetzt worden. 155 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 107. 156 Siehe § 8 III. 157 OLG Schleswig, 30.11.1995, NJW-RR 1996, 556 („Hafnia-Anleihe“) (jedoch gestützt auf den Zeitpunkt der Anlageberatung im Jahre 1988, weil damals Ratings „auf dem europäischen Anlagemarkt entweder noch gar keine oder eine sehr untergeordnete Rolle“ spielten); LG Itzehoe, 26.2.1992, WM 1993, 205, 207 („Bond-DM-Anleihe“); ebenso (ohne Begründung) Fuchs/Fuchs, § 31 Rn. 160. 158 OLG Koblenz, 7.5.1999, ZIP 1999, 1667, 1668 („Fokker-DM-Anleihe“); OLG Nürnberg, 28.1.1998, ZIP 1998, 380, 382 („Fokker-DM-Anleihe“); Heymann/Horn, Anhang § 372. Bankgeschäfte Rn. III/49 („jedenfalls gegenüber einem konservativen Anleger“); Lang/Balzer, in FS Nobbe 152
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
fehlendes Rating jedenfalls am heutigen deutschen Finanzmarkt als ungewöhnlich anzusehen ist159 und vor allem aufgrund der zunehmenden ratingbasierten Anlagevorschriften zur Folge haben kann, dass ungeratete Anleihen durch viele institutionelle Anleger aus rechtlichen Gründen nicht erworben werden können. Da dieser Umstand wiederum negative Folgen für die Liquidität des Papiers haben kann, ist das Fehlen eines Ratings ein für den durchschnittlichen Anleger bedeutsamer und daher aufklärungspflichtiger Umstand.160
3. Keine fortdauernde Hinweispflicht auf Ratingänderungen nach getätigter Anlage Anerkannt ist schließlich, dass den Anlageberater keine fortdauernde Überwachungs- und Hinweispflicht hinsichtlich solcher Ratingänderungen trifft, die zeitlich erst nach der getätigten Investition des Kunden erfolgen.161 Dies findet seine Begründung schlicht darin, dass aus dem (häufig konkludent geschlossenen) Anlageberatungsvertrag nach deutschem,162 Schweizer163 wie auch U.S.amerikanischem Recht164 keine fortdauernden Überwachungs- und Beratungspflichten hinsichtlich der vom Kunden erworbenen Wertpapiere erwachsen; solche resultieren auch nicht aus dem Depotvertrag.165 Ist die Anlageentscheidung einmal getroffen, so liegt auch das Kreditrisiko und dessen Kontrolle daher allein beim Kunden;166 er muss sich daher – wie jeder andere Marktteilnehmer auch – selbst über Ratingänderungen und sonstige Marktinformationen informieren. Etwas anderes kann der Kunde grundsätzlich nur dadurch erreichen, dass er eine
159 (2009), S. 639, 649; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 106; Mülbert, WM 2007, 1149, 1163 (zu Zertifikaten); Müller, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 327, 342; Rotter/Kremer, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 327, 332; Schwark, EWiR 1998, 255, 256. 159 Lang/Balzer, in FS Nobbe (2009), S. 639, 649; Rotter/Kremer, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 327, 332. Vgl. auch Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 94; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347 f.: „es stellt einen Makel einer Anleihe dar, kein externes Rating vorweisen zu können“. 160 Vgl. Müller, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 327, 343. 161 Zum deutschen Recht Arendts, WM 1993, 229, 235; ders., in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 291; zum Schweizer Recht Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 107 f.; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 152. 162 BGH, 21.3.2006, WM 2006, 851, 852; OLG Düsseldorf, 8.7.1994, ZIP 1994, 1256, 1257 („Polly Peck-DM-Anleihe“); LG Essen, 15.7.1993, NJW-RR 1993, 1392, 1393 („Bond-DM-Anleihe“); Jaskulla, WuB I G 1. – 8.97, 524, 525; Köndgen, WuB I G 4. – 7.94, 1222, 1223; Kessler, BB 2013, 1098, 1102; Kübler, ZHR 145 (1981), 204, 215; Witte/Mehrbrey, ZIP 2009, 744, 747. 163 BGer, 3.2.2012, 4A_525/2011, E. 8.1 („Lehman CPU Plus“); Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 107 f.; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 152. 164 Leib v. Merril Lynch, Pierce, Fenner and Smith, 30.10.1978, 461 F.Supp. 951, 953 (E.D.Mich. 1978): „all duties to the customer cease when the transaction is closed.“ 165 BGH, 23.11.2004, WM 2005, 270, 271; BGH, 21.3.2006, WM 2006, 851, 852. 166 Heinsius, ZBB 1994, 47, 50.
§ 15 Ratings in der Anlageberatung
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Vermögensverwaltung vereinbart;167 allein im Schweizer Recht wird in seltenen Ausnahmekonstellationen (sog. „offensichtlichen Fällen“) aus Treu und Glauben eine Benachrichtigungspflicht auch der lediglich anlageberatenden Bank abgeleitet, wenn das Investitionsobjekt nach erfolgter Investition einen Bonitätsverfall erleidet.168 Kein solch „offensichtlicher Fall“ war danach der Zusammenbruch der U.S.-amerikanischen Investmentbank „Lehman Brothers“ im Jahre 2008, obwohl die Kreditausfallprämien für Lehman-Verbindlichkeiten bereits Monate zuvor dramatisch angestiegen waren: Nach Auffassung des schweizerischen Bundesgerichts durften sich die Banken stattdessen auf die Ratings der Rating-Agenturen verlassen, nach denen Lehman Brothers als kreditwürdig galt, weshalb der Zusammenbruch für sämtliche Marktteilnehmer gleichermaßen überraschend gekommen sei.169
IV. Zusammenfassende Würdigung Obwohl vorrangig als Marktinformation und damit (angesichts der Struktur des Marktes für Fremdkapitaltitel) als Information für professionelle Marktteilnehmer konzipiert, kommt Ratings mitterweile auch innerhalb der Anlageberatung privater Investoren eine erhebliche Bedeutung zu. Ihre diesbezügliche Rolle ist dabei vor allem in Deutschland Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen und einer umfassenden wissenschaftlichen Diskussion, während sie in der Schweiz und den U.S.A. seltener und in Hongkong bislang gar nicht behandelt wird. Ausgehend von den schuld- und aufsichtsrechtlichen Vorgaben für die Anlageberatung, die sich in allen hier untersuchten Rechtsordnungen weitgehend ähneln und den Anlageberater jeweils verpflichten, seine Beratungs- und Informationstätigkeit an dem konkreten Kunden sowie dem möglichen Investitionsobjekt auszurichten (in der deutschen Rechtsprechung plastisch umschrieben mit „anleger-“ und „objektgerechter“ Beratung170),171 nehmen das deutsche, schweizerische und U.S.-amerikanische Recht übereinstimmend eine – haftungsbewehrte – Pflicht des Anlageberaters zum Hinweis auf aktuelle Ratings des Anlageobjektes an.172 Begründen lässt sich diese Pflicht, die in der Sache einen Informationsintermediär (den Anlageberater) zum Hinweis auf die subjektive Einschätzung eines anderen Informationsintermediärs (der Rating-Agentur) zwingt, vor allem mit der Unabhängkeit der Rating-Agentur von dem Bera167 Zum deutschen Recht LG Essen, 15.7.1993, NJW-RR 1993, 1392, 1393 („Bond-DM-Anleihe“); Köndgen, WuB I G 4. – 7.94, 1222, 1223; Kübler, ZHR 145 (1981), 204, 215; zum schweizerischen Recht BGer, 3.2.2012, 4A_525/2011, E. 8.1 („Lehman CPU Plus“). 168 Vgl. BGer, 3.2.2012, 4A_525/2011, E. 8.2 („Lehman CPU Plus“). 169 Vgl. BGer, 3.2.2012, 4A_525/2011, E. 8.2 („Lehman CPU Plus“). 170 BGH, 6.7.1993, BGHZ 123, 126, 128 f. („Bond-DM-Anleihe“). 171 Oben II. 172 Unter III 1 a).
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
tungsvorgang, von dessen Ausgang sie finanziell – anders als häufig der Anlageberater – nicht profitiert. Dagegen spielt die Codierung der Ratinginformation hier keine besondere Rolle, weil schon die Anlageberatung für eine individuellverständliche Informationsübermittlung sorgt.173 Die Ausrichtung der Hinweispflicht auf die Bedürfnisse des konkret betroffenen Kunden hat zudem zur Folge, dass der Anlageberater nicht lediglich das Ratingkürzel mitteilen, sondern dieses ggfs. auch erläutern muss.174 Hat er dieser Hinweispflicht vollumfänglich genügt, so wird man einen haftungsrechtlichen „safe harbour“ annehmen können, der allerdings nur eingreift, sofern der Anlageberater keinen Grund zum Zweifel am konkreten Rating hatte (kein „blindes Vertrauen“) und sich von vornherein nur auf die Aufklärung über das Kreditrisiko bezieht, nicht hingegen auch auf andere Risiken.175 Darüber hinaus ist heute auch dann eine Hinweispflicht zu bejahen, wenn eine Anleihe über kein Rating verfügt, weil die Beurteilung durch Rating-Agenturen mittlerweile zum internationalen Marktstandard gehört.176 Im Ergebnis trägt die Pflicht zum Ratinghinweis im Rahmen der Anlageberatung maßgeblich dazu bei, Ratings durch die Anlageberater als Mittler auch für Privatanleger nutzbar zu machen. Sie verbessert damit zugleich die Informationsversorgung dieses Teilmarktes sowie die Kapitalmarkteffizienz insgesamt. Dass das Rating daneben auch die Justitiabilität der Sorgfaltspflichten der Anlageberater erhöht,177 trifft praktisch zu, stellt rechtlich aber lediglich eine Folgeerscheinung dar.
173
Unter III 1 a) bb). Unter III 1 c). 175 Unter III 1 d). 176 Unter III 2. 177 So zum schweizerischen Recht Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 107; zum deutschen Recht ebenso Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 127. 174
Vierter Abschnitt: Ratings in der privaten Regelsetzung
§ 16 Die Regulierungsfunktion des Ratings aufgrund vertraglicher Inbezugnahmen („rating trigger“) I. Einleitung Vertragsklauseln, die auf Ratings Bezug nehmen und dadurch privatautonom bestimmte Rechtsfolgen an deren Änderung binden, werden üblicherweise im englischen wie auch im deutschen Sprachgebrauch als „rating trigger“ bezeichnet.1 Ihre zunehmende Verwendung in der internationalen Vertragspraxis hat lange Zeit kaum Beachtung gefunden. Dies änderte sich erst, als die Herabstufung des Emittentenratings des U.S.-amerikanischen Unternehmens Enron im Jahre 2001 zur Auslösung eines „rating triggers“ in einem Darlehensvertrag führte und die dadurch aktualisierte Pflicht zur sofortigen Rückführung des Darlehens mit einem Volumen von 690 Mio. USD wiederum den Zusammenbruch des Unternehmens zur Folge hatte.2 Verschiedene daraufhin durchgeführte Umfragen unter Unternehmen ergaben, dass nicht weniger als 87% der befragten Gesellschaften in ihren bestehenden Verträgen Rating Trigger verwandten3 und entsprechende Klauseln in bestimmten Branchen (wie etwa im Rückversicherungsgeschäft) sogar noch häufiger sind.4 Es handelt sich also um ein Phänomen von erheblicher praktischer Bedeutung.5 Durch vertragliche „rating trigger“ werden Ratings in ihrer Regulierungsfunktion für private Ordnungszwecke fruchtbar gemacht. Die Vereinbarung solcher Klauseln bewirkt, dass Ratings gleichsam über die Geburt, das Leben und den Tod vertraglicher Beziehungen bestimmen können: Über die „Geburt“ deshalb, weil bestimmte Verträge mit Vertragspartnern ohne nachweisbar ausreichende Bonität gar nicht erst geschlossen werden, über das „Leben“ in Gestalt von Rating Triggern, die über Zinshöhe und Besicherungserfordernisse von Finanzierungsverträgen entscheiden, und schließlich über den „Tod“, weil Rating Trigger bei einer Ratingherabstufung die Beendigung des Vertrages vorsehen oder entsprechende Kündigungsrechte eröffnen können. Indem sie Ratingänderungen 1 Blaurock, ZGR 2007, 603, 611; Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 8; Presber, in: Derleder/Knops/ Bamberger, 1. Aufl, § 30 Rn. 23; Volk, ZKredW 2004, 1258. 2 Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16. 3 So Association for Financial Professionals, 2004 Credit Rating Agency Survey: Report of Survey Results (Oct. 2004), S. 3. 4 Moody’s Investors Service, Rating Triggers in the Financial Guaranty Industry (July 2004), S. 3. 5 Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 3.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
mit bestimmten rechtlichen Folgen verbinden – im englischsprachigen Schrifttum spricht man plastisch von hardwiring6 – verstärken sie deren Wirkungen in einer Weise, die zu einem höchst problematischen „Klippeneffekt“ und damit zur Existenzgefährdung des betroffenen Vertragspartners führen kann. Sie werfen damit die Frage nach einer Regulierung dieser vertraglichen Regulierungsfunktion des Ratings auf.7
II. Ratingbasierte Zinsanpassung 1. Der Einfluss des Ratings auf die Zinskonditionen bei Finanzierungsvereinbarungen Ratings beeinflussen zunächst in entscheidender Weise die Höhe der Zinsen, die der Emittent einer Anleihe oder ein Darlehensnehmer bei Vertragsschluss versprechen muss: Im Rahmen des „Pricing“8 hängt die Zinshöhe maßgeblich vom mit der Kapitalüberlassung verbundenen Kreditrisiko ab,9 das wiederum vielfach anhand von Ratings ermittelt wird, weil darin eine unabhängige Kreditrisikoeinschätzung in Form einer standardisierten und daher unschwer vergleichbaren Einstufung vorliegt.10 Sie werden in diesem Zusammenhang also in ihrer originären Marktinformationsfunktion und nicht in ihrer Regulierungsfunktion in Betracht gezogen. Die Bedeutung des Ratings für die Zinskonditionen zu emittierender Anleihen (die „Kuponhöhe“) wird dabei allgemein konstatiert;11 das Rating wird in diesem Bereich sogar als der wichtigste Faktor für die Bepreisung genannt.12 Die Ratingeinstufung von Anleihen beeinflusst dabei nicht nur deren notwendige Verzinsung, sondern entscheidend in erheblich weitergehender Weise über die Wahrnehmung des Wertpapiers am Markt: Die Einstufung im „investment grade“- oder aber „non-investment grade“-Bereich bestimmt, ob es sich um eine „normale“ oder aber eine High Yield6
So statt vieler Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 14. Siehe dazu noch § 31 III. 8 Zur Terminologie vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 19.86. 9 Statt aller Knops, in: Derleder/Knops/Bamberger, § 11 Rn. 3. 10 Aus dem ökonomischen Schrifttum Hartmann-Wendels/Lieberoth-Leden/Mählmann/Zunder, Entwicklung eines Ratingsystems, S. 1, 4, die auf die zunehmende Bedeutung von Ratings auch für die Kreditgewährung durch Lieferanten verweisen. 11 Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98; Claussen, in: Semler/Peltzer, Arbeitshandbuch, § 3 Rn. 195; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 609; Gottmann, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 86 f.; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 287; Leuering, Praxisprobleme der Ad-hoc-Mitteilungspflicht, S. 171, 185 f.; Rühlmann, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 13 Rn. 6; Schwarcz, 8 Duke J. Comp. & Int’l L. (1998), 235, 253; Shipe/Freeman, 15 Inv. Lawyer (Oct. 2008), 13; Stigum/Crescenzi, Stigum’s Money Market, S. 980 f.; Vetter, WM 2004, 1701. 12 Vgl. J & R Marketing, SEP v. General Motors Corp., 5.3.2008, 519 F.3d 552, 555 (6th Cir. 2008); Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 552; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 5; aus der betriebswirtschaftlichen Literatur Gerke/Mager, BFuP 2005, 203. 7
§ 16 Die Regulierungsfunktion des Ratings aufgrund vertraglicher Inbezugnahmen
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Anleihe handelt; maßgeblich ist also tatsächlich nicht die Rendite (yield), sondern das Rating, welches die Rendite seinerseits beeinflusst.13 Es bestimmt damit im Emissionszeitpunkt über die Zuordnung der Anleihe zu einem dieser beiden Marktsegmente, die in der Wahrnehmung der Investoren streng getrennt werden.
Ratings wirken sich darüber hinaus aber auch auf die Zinskonditionen in Darlehensverträgen aus. Während dies in den U.S.A. infolge der dort gängigeren Beurteilung von Unternehmen durch Rating-Agenturen schon seit längerem der Fall ist, kommt eine ratingbasierte Bepreisung von Darlehensverträgen in Deutschland und der Schweiz erst seit der Umsetzung des Basel II-Akkords verstärkt vor,14 weil die darlehensgewährende Bank so die Maßgeblichkeit des aufsichtsrechtlich zu beachtenden Ratings auf das Verhältnis zum Kunden übertragen kann.15 Da die Banken in beiden Ländern allerdings vielfach „interne“ Ratings verwenden, kommt den Ratings der Rating-Agenturen hier weiterhin eine geringere Bedeutung zu als in den U.S.A.16 – etwas anderes gilt für syndizierte Kredite17 und internationale Konsortialkredite,18 weil es in diesen Fällen einer einheitlichen, von den internen Ratingmodellen der unterschiedlichen Banken unabhängigen Kreditrisikobeurteilung bedarf.
2. Ratingbasierte Zinsklauseln („pricing grids“): Zweck und Gestaltungsformen In seiner Regulierungsfunktion wird das Rating sodann eingesetzt, um während der Laufzeit der Anleihe oder des Darlehens eine Anpassung der geschuldeten Zinshöhe an ein verändertes Kreditrisiko zu ermöglichen. Während eine solche Anpassung bei Anleihen und Darlehen der wirtschaftlichen Vernunft entspricht, weil so die risikoäquivalente Bepreisung aufrechterhalten werden kann, treten bei Darlehen die Auswirkungen der Eigenmittelanforderungen nach „Basel II“ hinzu, die bei sinkendem Rating zu höheren Eigenkapitalkosten führen und so einen weiteren Anreiz der Bank schaffen, den vereinbarten Darlehenszins an die Ratinghöhe zu binden.19 Da das Gesetzesrecht dem Kapitalgeber in keiner der hier untersuchten Rechtsordnungen eine einseitige Anpassung der Zinshöhe ge13
Balz, ZBB 2009, 401. Aus deutscher Sicht Kersting, Dritthaftung, S, 539; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 8; Wilden, in: Buth/Hermanns, § 1 Rn. 104; aus schweizerischer Sicht Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 61, 72. 15 Budäus, in: Hill, Zukunft des öffentlichen Sektors (2006), S. 167, 173; Kersting, ZIP 2007, 56; Polke, Darlehensrechtliche Umsetzung von Basel II, S. 48; Staudinger/Freitag, § 488 Rn. 200 f. 16 Aus deutscher Sicht Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1851; aus Schweizer Sicht Meier, ST 2009, 945, 948. 17 von Schweinitz, WM 2008, 953. 18 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Castor, 16. Kap. Rn. 46. 19 Blaurock, ZGR 2007, 603, 611; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 61. Die empirische Untersuchung von Schebesta, BKR 2005, 217, 223 unter deutschen Banken 2000–03 ergab, dass 83% eine Koppelung des Bonitätsrisikos mit den Konditionen im Firmenkundengeschäft praktizierten. 14
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
stattet – es wird vielmehr unterstellt, dass bei Vertragsschluss eine Risikobewertung erfolgt, an die beide Vertragsteile für die Dauer der Kapitalüberlassung gebunden sind20 – bedarf es zu diesem Zweck einer Vereinbarung in den Anleihebedingungen oder im Darlehensvertrag.21 Im Anleihenbereich kommen diese in Form von „step up/step down“-Klauseln vor,22 die in Europa seit etwa zehn Jahren,23 in den U.S.A. hingegen schon länger üblich sind.24 Bei Darlehen war in Europa wiederum die „Basel II“-Umsetzung der Anstoß für die Entwicklung der unterschiedlichsten „credit-pricing grids“,25 die hier nicht im Einzelnen darzustellen sind. In beiden Konstellationen bewirken ratingbasierte Zinsklauseln, dass Ratings während der gesamten Laufzeit des Finanzierungsvertrages (und nicht nur bei dessen Abschluss) Bedeutung zukommt und ihr Einfluss folglich in zeitlicher Hinsicht erheblich ausgeweitet wird.26 Ihre Verwendung hat seit der globalen Finanzkrise 2007–09 im Übrigen in keiner Weise abgenommen; der Vertrauensverlust in die Rating-Agenturen wirkt sich hier also – möglicherweise in Ermangelung passender Alternativen – bislang nicht aus.27
3. Rechtliche Anforderungen an ratingbasierte Zinsklauseln Ratingbasierte Zinsklauseln sehen vor, dass sich der Zinssatz variabel als Funktion des aktuellen Unternehmensratings entwickelt:28 Die Darlehens- oder Anleihezinsen steigen, wenn das Rating des Darlehensnehmers bzw. Anleiheschuld20 Zum deutschen Schuldverschreibungsrecht Hey, ZBB 2004, 219, 221; zum deutschen Darlehensrecht Haug, in FS Schönwitz (2006), S. 469, 476; Rösler/Sauer, in FS Nobbe (2009), S. 437, 443; zum schweizerischen Schuldverschreibungsrecht Groner/Gotschev, GesKR 2007, 385, 394. 21 Die Banken hatten zwar im Verfahren zur Schaffung der reformierten EG-Bankenrichtlinie wie auch im deutschen Gesetzgebungsverfahren zur Richtlinienumsetzung versucht, ein gesetzliches Recht zur einseitigen Zinsanpassung durchzusetzen, waren damit aber gescheitert; vgl. Haug, in FS Schönwitz (2006), S. 469, 485 f. 22 Gottmann, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 87; Hey, ZBB 2004, 219, 221; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.101; Leuering, Praxisprobleme der Ad-hoc-Mitteilungspflicht, S. 171, 186 Fn. 62; Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532. 23 Beispiele bei Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.101 f.; Siebel, BKR 2002, 795, 799 Fn. 63; aus der Rechtsprechung BFH, 13.12.2006, NJW 2007, 3310. 24 Beispiele bei Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 622 Fn. 12. 25 Polke, Darlehensrechtliche Umsetzung von Basel II, S. 143; Rösler/Sauer, in FS Nobbe (2009), S. 437, 443. Zuvor kamen ratingbasierte Klauseln in Europa nur bei syndizierten Krediten vor; vgl. Wittig, ZHR 169 (2005), 212, 227. In den U.S.A. ist ihre Verwendung in Finanzverträgen hingegen bereits seit längerem gängige Praxis; vgl. Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 68; Williams, 21 Int’l Fin. L. Rev. (Aug. 2002), 4. 26 Bei Fehlen ratingbasierter Vertragsklauseln können sich Ratings nach erfolgter Kapitalüberlassung dagegen nur dadurch auswirken, dass sie bei am Sekundärmarkt gehandelten Anleihen deren Kurs beeinflussen. 27 So zum U.S.-amerikanischen Anleihemarkt Wood, Life after Lehman: Allen & Overy analysis of changes in market practice (Sept. 2009), S. 9: „Margin ratchets keyed to ratings (as opposed to financial covenants) remain in place, showing the continuing importance of the role of rating agencies in all kinds of situations.“ 28 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1348.
§ 16 Die Regulierungsfunktion des Ratings aufgrund vertraglicher Inbezugnahmen
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ners sinkt,29 und umgekehrt. Rechtlichen Hürden sieht sich die Wirksamkeit entsprechender „rating trigger“ – soweit ersichtlich – allein im deutschen Recht gegenüber,30 während sie in den übrigen hier untersuchten Rechtsordnungen als im Grundsatz unproblematisch gelten.31 Die Anwendbarkeit deutschen Rechts dürfte sich wiederum weitgehend auf deutsche Finanzierungsverträge ohne internationalen Bezug beschränken, weil grenzüberschreitend begebene Anleihen in der Praxis überwiegend englischem32 oder New Yorker Recht33 unterstellt werden;34 eine Ausnahme gilt allein für Anleihen deutscher „investment grade“Emittenten.35 Auch internationale Kreditverträge deutscher Unternehmen unterliegen typischerweise nicht deutschem Recht und müssen dessen Anforderungen daher nicht genügen.36 a) Die Unabhängigkeit der Rating-Agentur als Grund für die Inhaltskontrollfreiheit von „rating triggern“ Nach deutschem Recht unterliegen zunächst Klauseln in Darlehensverträgen einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe des AGB-Rechts (§ 307 BGB). Ob dasselbe auch für Anleihebedingungen gilt, war bisher höchst umstritten, wurde aber überwiegend bejaht.37 Das Inkrafttreten des reformierten SchVG hat daran nichts geändert, weil es lediglich einzelne Inhalte von Anleihebedingungen gesetzlich für zulässig erklärt, ohne jedoch im Übrigen die Anwendung allgemeiner Kon-
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Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 390; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 188. Vgl. etwa Ehlers, ZInsO 2006, 510, 514: „es gibt bisher keine gerichtsfeste Klausel, die eine nachträgliche, ratingbedingte Zinsanhebung oder ein ratingbedingtes Kündigungsrecht zuließe.“ 31 Vgl. zum U.S.-amerikanischen Recht Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16: „harmless means to reset pricing“. Nach schweizerischem Recht, das keine Inhaltskontrolle von AGB kennt, ist lediglich die sog. Ungewöhnlichkeitsregel zu beachten; vgl. Bösch, in: Baums/Cahn, Schuldverschreibungsrecht, S. 189, 202 ff. 32 Kenadjian, in: Baums/Cahn, Schuldverschreibungsrecht, S. 245, 246 für Anleihen europäischer Emittenten. 33 So bei High Yield-Anleihen (Balz, ZBB 2009, 401, 409; Hoffmann/Baron, ZBB 2005, 317, 319) und Anleihen, die am U.S.-amerikanischen Markt platziert werden sollen (Kenadjian, in: Baums/Cahn, Schuldverschreibungsrecht, S. 245, 246). 34 Dies musste auch der deutsche Gesetzgeber in jüngster Zeit konstatieren; vgl. RegE zum SchVG, BT-Drs. 16/12814 vom 29.4.2009, S. 13 mit der Feststellung, „dass sich bei internationalen Anleihen, die der freien Rechtswahl unterliegen, weltweit eine eindeutige Vormachtstellung des angloamerikanischen Vertragsrechts herausgebildet hat. Dem kann offenbar allein mit dem Hinweis auf die im deutschen Recht geltende Vertragsfreiheit nicht begegnet werden.“ 35 Balz, ZBB 2009, 401, 409. Vgl. jedoch auch Schlitt/Hekmat/Kasten, AG 2011, 429, die auf eine zunehmende Anzahl von „High-Yield Bonds“ verweisen, die seit dem Jahr 2010 nach deutschem Recht begeben wurden. 36 Wittig, ZHR 169 (2005), 212, 233. A.A. aber OLG Frankfurt a.M., 1.11.2006, OLGR Frankfurt 2007, 537 Rn. 45 ff., wo das deutsche AGB-Recht auch auf Anleihen angewandt wurde, die ausländischem (englischem) Recht unterstanden. 37 BGH, 5.10.1992, BGHZ 119, 305, 312 ff. („Klöckner-Genussscheine“); Hutter, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 14 Rn. 21; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.172; a.A. Assmann, WM 2005, 1053, 1057 ff.; Schmidt/Schrader, BKR 2009, 397, 401. 30
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
trollmaßstäbe auszuschließen.38 Ob zinsbeeinflussende „rating trigger“ folglich der Angemessenheitskontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB zu genügen haben, ist damit jedoch noch nicht gesagt, weil § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB Preisabreden von dieser Kontrolle ausnimmt. Zu diesen zählen nach zutreffender Ansicht auch solche Darlehens- und Anleihebedingungsklauseln, welche die Zinshöhe an ein von einer Rating-Agentur erteiltes Rating knüpfen.39 Hierin zeigt sich ein maßgeblicher Unterschied dieser „rating trigger“ zu Zinsanpassungsund -gleitklauseln, die zu demselben Zweck auf ein „internes“, d.h. von der darlehensgebenden Bank erstelltes Rating verweisen: Solche Klauseln sieht man zu Recht nicht von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB erfasst,40 weil sie – trotz der begrifflichen Anknüpfung an ein „Rating“ – in der Sache auf eine einseitige Leistungsveränderung durch eine Vertragspartei hinauslaufen.41 Die inhaltliche Kontrollfreiheit der hier behandelten Rating Trigger findet ihren Grund daher in der Erstellung des Ratings durch einen von den Vertragsparteien unabhängigen Dritten, nämlich die Rating-Agentur. Sie setzt nach der Rechtsprechung freilich zusätzlich voraus, dass nicht nur Downgrades zu Zinssteigerungen, sondern Upgrades in gleichem Umfang zu Zinssenkungen führen (sog. „Symmetriegebot“).42 Die Erfüllung dieser Anforderung hängt dabei allein von der Formulierung des „rating triggers“ ab, da die Rating-Agenturen ihre Ratings jedenfalls unabhängig von den Wünschen der Vertragsparteien anheben oder absenken.43 Hierin zeigt sich wiederum ein entscheidender Unterschied zwischen „externen“ und „internen“ Ratings. b) Die Unabhängigkeit der Rating-Agentur als Grund für die Vereinbarkeit von „rating triggern“ mit dem Transparenzgebot Ratingbasierte Zinsklauseln in Darlehensverträgen haben schließlich nach ständiger Rechtsprechung dem Transparenzgebot zu genügen, das die herrschende Ansicht im Schrifttum zu Recht in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kodifiziert sieht,44 während es nach einer abweichenden Meinung um ein inhaltliches Transparenz-
38 Leuering/Zetzsche, NJW 2009, 2856, 2857; Horn, ZHR 173 (2009), 12, 38 ff.; ders., BKR 2009, 446, 453; a.A. Sester, AcP 209 (2009), 628, 641: Analogie zu § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB. 39 Langenbucher, BKR 2005, 134, 137; Mülbert, WM 2004, 1205, 1210; Polke, Darlehensrechtliche Umsetzung von Basel II, S. 193; Rösler/Lang, ZIP 2006, 214, 220; Rösler/Sauer, in FS Nobbe (2009), S. 437, 443; Schebesta, BKR 2005, 217, 223; im Ergebnis auch Staudinger/Freitag, § 488 Rn. 201. 40 Kersting, ZIP 2007, 56, 57; Ohletz, BKR 2007, 129 ff. 41 Nach st. Rspr. unterliegen Klauseln, die ein Zinsänderungsrecht der Bank begründen, der Inhaltskontrolle; vgl. BGH, 21.4.2009, NJW 2009, 2051, 2052 m.w.N. 42 BGH, 21.4.2009, NJW 2009, 2051, 2053 (unter Aufgabe von BGHZ 97, 212, 217); Langenbucher, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 185, 197: „unstreitig“. 43 Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 8; Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532; Polke, Darlehensrechtliche Umsetzung von Basel II, S. 193; Wand, WM 2005, 1969, 1970. 44 Berger, in MünchKomm-BGB, § 488 Rn. 177; Haug, in FS Schönwitz (2006), S. 469, 481; Hey, ZBB 2004, 219, 225; Mülbert, WM 2004, 1205, 1206.
§ 16 Die Regulierungsfunktion des Ratings aufgrund vertraglicher Inbezugnahmen
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gebot geht, das – anders als das formale Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB45 – auf kontrollfreie Klauseln keine Anwendung finden soll.46 Für Anleihebedingungen ist das Transparenzgebot nunmehr in § 3 SchVG spezialgesetzlich geregelt, sodass das AGB-Recht insoweit keine Anwendung mehr findet.47 Schließlich überprüft auch das Schweizer Recht Vertragsklauseln in Darlehensverträgen im Rahmen der durch die Rechtsprechung entwickelten Ungewöhnlichkeits- und Unklarheitenregel48 auf ihre Transparenz, stellt an Zinsänderungsklauseln insoweit jedoch – anders als das deutsche AGB-Recht – nur geringe Anforderungen.49 § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung dagegen, dass der Kunde präzise vorhersehen kann, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ihn aufgrund einer Anpassungsklausel, die dem Verwender ein Zinsänderungsrecht vorbehält, höhere und weitere Belastungen treffen können;50 andernfalls ist die Klausel unwirksam. Dieser Transparenzanforderung ist bei einer Zinskoppelung an „interne“ Ratings kaum zu genügen, weil die hohe Komplexität der internen Ratingverfahren der Banken ihre verständliche sprachliche Darstellung in einem überschaubaren Textumfang fast unmöglich macht.51 Nimmt die Zinsklausel dagegen auf das Rating einer externen Rating-Agentur Bezug, ist die Transparenz nach allgemeiner Ansicht gewahrt,52 obgleich der Ratingvorgang von Kundenseite auch hier nicht eingesehen werden kann: Da das Transparenzgebot dem Kunden neben der Vorhersehbarkeit vor allem die Kontrolle ermöglichen soll, ob eine Zinsanpassung der Bank zu Recht erfolgt ist53 oder aber opportunistisches Verhalten vorliegt,54 sieht man das Gebot zu Recht auch dann als erfüllt an, wenn die Anpassung durch einen neu-
45
Mülbert, WM 2004, 1205, 1210. Kersting, ZIP 2007, 56, 57; Schimansky, WM 2001, 1169, 1171 f. 47 Leuering/Zetzsche, NJW 2009, 2856, 2857; Horn, BKR 2009, 446, 453; Otto, WM 2010, 2013, 2015; Schmidt/Schrader, BKR 2009, 397, 398. Zuvor war das Transparenzgebot des AGB-Rechts auch auf Anleihebedingungen angewandt worden; vgl. BGH, 5.10.1992, BGHZ 119, 305, 312 f. („Klöckner-Genussscheine“). 48 BGer, 20.1.1965, BGE 91 I 11, 14 ff. 49 Wiegand/Geiger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 99, 132. Vgl. allgemeiner Otto, WM 2010, 2013, 2014: die Transparenzkontrolle von Emissionsbedingungen sei ein Thema, das praktisch nur in Deutschland diskutiert werde. 50 BGH, 19.10.1999, NJW 2000, 651, 652 (zu § 9 AGBG); BGH, 21.4.2009, NJW 2009, 2051, 2054; Wand, WM 2005, 1932, 1933. 51 Berger, in MünchKomm-BGB, § 488 Rn. 179: „nicht praktikabel“; Kersting, ZIP 2007, 56, 58; Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532; Mülbert, WM 2004, 1205, 1207; Rösler/Sauer, in FS Nobbe (2009), S. 437, 444; Wand, WM 2005, 1969, 1971: „schlicht unmöglich“. Gestaltungsmöglichkeiten erörtert Langenbucher, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 185, 195 ff. 52 Berger, in MünchKomm-BGB, § 488 Rn. 180 f.; Kersting, ZIP 2007, 56, 60; Mülbert, WM 2004, 1205, 1207; Polke, Darlehensrechtliche Umsetzung von Basel II, S. 193; Rösler/Sauer, in FS Nobbe (2009), S. 437, 444; Wand, WM 2005, 1969, 1971. Offen gelassen bei Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532; a.A. Hey, ZBB 2004, 219, 225. 53 BGH, 21.4.2009, NJW 2009, 2051, 2054; Mülbert, WM 2004, 1205, 1206. 54 Kersting, ZIP 2007, 56, 60. 46
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
tralen Ditten ausgelöst wird.55 Die Unabhängigkeit der Rating-Agentur von den Vertragsparteien56 fungiert folglich als hinreichende Sicherung, sodass eine für den Darlehensnehmer nachvollziehbare Erklärung des externen Ratings nicht erforderlich ist.57 Auf der anderen Seite ist keine staatliche Anerkennung der Rating-Agentur (wie etwa nach den „Basel II“-Regeln) notwendig,58 weil solche Anerkennungen nur für den Zweck der konkreten regulatorischen Ratingverwendung ausgesprochen werden, ohne jedoch ein allgemeines staatliches „Gütesiegel“ darzustellen.59
4. Folgen und Risiken Im Ergebnis stellen sich „rating trigger“ damit als sinnvoller vertraglicher Steuerungsmechanismus dar, mittels dessen die risikogerechte Bepreisung der Kapitalüberlassung sowohl bei Darlehen als auch bei Anleihen dauerhaft gesichert werden kann. Sie überbrücken damit den Graben zwischen Kapitalmarkt- und Kreditfinanzierung,60 indem sie die (Kapital-)Marktinformation des Ratings auch für die Gestaltung von Darlehensfinanzierungen fruchtbar machen. Unter dem deutschen Recht bilden entsprechende Klauseln zudem erhebliche rechtlich Vorteile, weil sie den strengen Anforderungen des AGB-Rechts wesentlich besser gerecht werden als Zinsanpassungsklauseln, die auf ein „internes“ Rating (und damit keine unabhängige Bonitätsbeurteilung) Bezug nehmen. Nachteile stehen dem bei dieser Art von Rating Triggern kaum entgegen, weil Ratingherabstufungen danach lediglich eine höhere Zinsbelastung verursachen, die für das Unternehmen in wirtschaftlicher Hinsicht nur selten bedrohlich sein wird. Da diese Rechtsfolge zudem nicht an eine einzelne Ratingschwelle, sondern eine graduelle Ratingskala geknüpft wird (deshalb die Bezeichnung „margin grid“), werden auch Klippeneffekte vermieden: Zinssteuernde „rating trigger“ werden deshalb im Ergebnis zu Recht als harmlos angesehen.61
55 Rösler/Sauer, in FS Nobbe (2009), S. 437, 444; Staudinger/Freitag, § 488 Rn. 201; Wand, WM 2005, 1969, 1971. Skeptisch hingegen Hey, ZBB 2004, 219, 225. 56 Die Beauftragung des Ratings durch eine der Vertragsparteien (nämlich den Darlehensnehmer) schadet insoweit allein nicht. 57 Polke, Darlehensrechtliche Umsetzung von Basel II, S. 193; Wand, WM 2005, 1969, 1971. 58 Zutreffend Mülbert, WM 2004, 1205, 1207; anders möglicherweise Haug, in FS Schönwitz (2006), S. 469, 488. 59 Siehe dazu noch § 23 III 2. 60 Hey, ZBB 2004, 219. 61 Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16: „harmless“; Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 3: „not very risky“. Kritisch hingegen Volk, ZKredW 2004, 1258, 1259: Die zunehmende Verwendung von Zinsanpassungsklauseln berge „eine Gefahr für den Bankensektor als Ganzes“.
§ 16 Die Regulierungsfunktion des Ratings aufgrund vertraglicher Inbezugnahmen
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III. Ratingbasierte Besicherungspflichten Ein wirtschaftlich bedeutsamerer und zugleich potentiell gefährlicherer Einfluss kommt Ratings sodann im Bereich der Besicherung von Finanzierungsverträgen zu. Dieser Einfluss besteht zum einen schon bei der anfänglichen Ausgestaltung der Verträge, bei der die Ratingeinstufung des Schuldners über die Notwendigkeit einer Besicherung bestimmt.62 Insbesondere bei der Emission von Anleihen wird hier wiederum die „investment grade“-Schwelle als entscheidend angesehen, weshalb Emittenten mit „investment grade“-Rating unbesicherte Anleihen begeben können, während im „High Yield“- (oder: junk bond-)Bereich die Stellung von Sicherheiten ein nahezu zwingendes Ausstattungsmerkmal ist.63 Daneben können Ratings auch die anfängliche Besicherung von Darlehensverträgen beeinflussen, indem sie sich auf die Beleihungsgrenze von Wertpapieren64 oder (in der U.S.-amerikanischen Vertragspraxis) auf den Inhalt von covenants auswirken.65 Ein besonderes ratinggetriebenes Phänomen66 stellen in diesem Zusammenhang die „Selbstverpflichtungen“ dar, die deutsche Pfandbriefbanken seit dem Jahr 2003 gegenüber den großen Rating-Agenturen sowie gegenüber der Öffentlichkeit abgegeben haben:67 Darin verpflichten sich diese Institute bereits vor der Ratingerteilung zur Befolgung bestimmter Verhaltensstandards etwa beim Management der Deckungsmassen von Pfandbriefen, um auf diesem Wege ein „AAA“-Emissionsrating für ihre Pfandbriefe zu erreichen.68 Indem detaillierte Selbstverpflichtungen dieser Art gegenüber den RatingAgenturen abgegeben werden, werden diese als Sachwalter für die Interessen der Investorenöffentlichkeit eingesetzt – sie nehmen damit in faktischer Hinsicht eine Stellung ein, die bei Vereinbarung von covenants der den covenant abschließende Gläubiger für die anderen Gläubiger wahrnimmt,69 obgleich den Selbstverpflichtungen rechtlich wohl keine Bindungswirkung zukommt.70
62 Gottmann, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 86; Hartwig-Jacob, Internationale Anleiheemissionen, S. 364; Hutter, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 14 Rn. 27; Rühlmann, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, a.a.O., § 13 Rn. 6. 63 Gottmann, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 93; Hartwig-Jacob, Internationale Anleiheemissionen, S. 365; Hoffmann/Baron, ZBB 2005, 317, 329; Hutter, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 14 Rn. 27; Kusserow/Dittrich, WM 2000, 745, 749; Schlitt/ Hekmat/Kasten, AG 2011, 429, 430 ff. 64 Nodoushani, WM 2007, 289, 291. 65 Stern, Structuring Commercial Loan Agreements, Stand: Jan. 1993, § 5.10[1], [2][a]; Veil/ Veil/Teigelack, § 21 Rn. 6. 66 So Mülbert, in FS Konzen (2006), S. 561, 571 f. 67 Ausführlich Mülbert, in FS Konzen (2006), S. 561, 571 ff. 68 Kritisch Langenbucher/Bliesener/Spindler/Hagen, 21. Kap. Rn. 18: „Man kann sich daher die Frage stellen, ob dies zulässig ist …“. 69 Vgl. dazu Kusserow/Dittrich, WM 2000, 745, 749 sowie Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 84 ff. mit Hinweis auf die möglicherweise untereinander konfligierenden Interessen verschiedener Gläubiger. 70 Mülbert, in FS Konzen (2006), S. 561, 576 mit ausführlicher Begründung.
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1. Ratingbasierte Besicherungsklauseln: Zweck und Gestaltungsformen Wird die vertraglich verlangte Besicherung mit „rating triggern“ verknüpft, so geschieht dies wiederum mit dem Ziel, das bei Vertragsschluss von Seiten des Gläubigers eingeschätzte Kreditrisiko trotz einer veränderten wirtschaftlichen Lage des Schuldners konstant zu halten. Entsprechende Rating Trigger sind in der internationalen Vertragspraxis überaus verbreitet. Sie kommen in zwei Grundformen vor: Vergleichsweise unproblematisch sind „rating trigger“, die bei einem Upgrade des Schuldnerratings eine Freigabe von ursprünglich vereinbarten Sicherheiten vorsehen. Klauseln dieser Art sind vor allem in Anleihebedingungen von High Yield-Anleihen gängig und bewirken, dass die anfänglich notwendige Besicherung bei Heraufstufung des Emittenten in den „investment grade“-Bereich entbehrlich wird (fall away covenants).71 Sie können bei Anwendbarkeit deutschen Rechts sogar Wirksamkeitsvoraussetzung für „rating trigger“ sein, die bei Ratingherabstufungen eine Pflicht zur Nachbesicherung vorsehen und andernfalls das Symmetriegebot des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verletzen würden.72 Ratingabhängige Nachbesicherungsklauseln bilden die zweite Grundform von Rating Triggern in diesem Bereich.73 Sie finden in den unterschiedlichsten Vertragstypen und praktisch unabhängig vom anwendbaren Recht Verwendung, so namentlich in Anleihebedingungen von High Yield-Anleihen,74 in standardisierten Rahmenverträgen für Derivatgeschäfte,75 in Darlehensverträgen76 und sonstigen Finanzierungsverträgen,77 aber auch in Gasnetznutzungsverträgen.78 Für den Fall der Ratingherabstufung unter eine bestimmte Ratinggrenze sehen sie als vertragliche Rechtsfolge die Pflicht zur Gestellung zusätzlicher Sicherheiten (sog. 71 Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16; Hutter, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 14 Rn. 49; Schlitt/Hekmat/Kasten, AG 2011, 429, 431; Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 4. 72 A.A. Polke, Darlehensrechtliche Umsetzung von Basel II, S. 253, der Nachbesicherungsklauseln – kaum überzeugend – auch ohne Freigabeverpflichtung für wirksam hält, weil andernfalls bei einer erneuten Bonitätsverschlechterung wiederum eine Nachbesicherung erforderlich würde und dadurch Transaktionskosten entstünden. Nach U.S.-amerikanischem Recht werden Rating Trigger ohne „Collateral Release“ hingegen als unproblematisch angesehen; in diesem Sinne Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 4. 73 Blaurock, ZGR 2007, 603, 611; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 188; Langenbucher, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 185, 187; Moloney, EC Securities Regulation, S. 690; Presber, in: Derleder/Knops/Bamberger, 1. Aufl., § 30 Rn. 23; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 199; Wilden, in: Buth/Hermanns, § 1 Rn. 93. 74 Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 8. 75 So ist eine ratingabhängige Pflicht zur Gestellung zusätzlicher Sicherheiten sowohl in Tz. 11 Besicherungsanhang zum Deutschen Rahmenvertrag für Derivatgeschäfte als auch in Tz. 13(b)(iv) Credit Support Annex zum 1992/2002 ISDA Master Agreement der International Swaps and Derivatives Association (ISDA) vorgesehen; vgl. Jahn, BKR 2009, 25. 76 Langenbucher, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 185, 187; Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 3; Wilden, in: Buth/Hermanns, § 1 Rn. 93. 77 Hunt, 60 S. C. L. Rev. (2009), 749, 762. 78 von Kraack/Bourwieg, RdE 2005, 295, 302.
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„springing liens“)79 sowie in der U.S.-amerikanischen Vertragspraxis vor allem das Eingreifen zusätzlicher covenants vor, die den Schuldner verschärften Verhaltenspflichten unterwerfen.80
2. Gefahr eines „Klippeneffekts“ Im Unterschied zu den oben erörterten ratingbasierten Zinsanpassungsklauseln81 wohnt „rating triggern“, deren Auslösung den Schuldner zu einer Gestellung zusätzlicher Sicherheiten verpflichtet, ein erhebliches wirtschaftliches Gefahrenpotential inne, das im Einzelfall existenzbedrohende Folgen für das betroffene Unternehmen haben kann.82 Im Schrifttum ist daher nicht zu Unrecht von vertraglich vereinbarten „Zeitbomben“ die Rede.83 Der Grund liegt zum einen in der Wirkungsweise entsprechender Rating Trigger begründet, welche eine graduelle Erhöhung des Kreditrisikos nicht mit einer graduell ansteigenden Nachbesicherungspflicht verknüpfen (die freilich aus Kostengründen nur schwierig umsetzbar wäre), sondern die Nachbesicherungspflicht bei Unterschreitung der Mindestratinggrenze in vollem Umfang eintreten lässt. Während sich eine Ratingverschlechterung oberhalb der vertraglichen Ratinggrenze also allenfalls in einem graduell nachgebenden Börsenkurs der Anleihe niederschlägt (und bei Darlehensverträgen einstweilen gar keine Folgen zeitigt), sieht sich der Schuldner mit Herabstufung über das Mindestrating hinweg einer sofortigen Leistungspflicht84 gegenüber, die er in dieser Situation häufig gerade nicht erfüllen kann.85 Der Rating Trigger führt damit zu einem „Klippeneffekt“ (credit cliff) und macht die Ratingherabstufung zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Die darin zum Ausdruck kommende Einschätzung, die wirtschaftliche Lage des Schuldners habe sich verschlechtert, erweist sich spätestens infolge der ausgelösten Rechtsfolgen als wahr, und zwar selbst dann, wenn die Meinung der Rating-Agentur zu pessimistisch gewesen sein sollte. Der Klippeneffekt wird zum anderen noch dadurch verstärkt, dass viele Rating Trigger erfahrungsgemäß auf ein und dieselbe Ratingschwelle – nämlich das „investment grade“ – abstellen.86 Diese Synchroni79 Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16; Langenbucher, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 185, 187; Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 4; Wilden, in: Buth/Hermanns, § 1 Rn. 93. 80 Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 8; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 246 (beide zu High Yield-Anleihen). 81 Unter II. 82 Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2010, S. 119; Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 68; Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 3; Wilden, in: Buth/Hermanns, § 1 Rn. 93. 83 Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16; Williams, 21 Int’l Fin. L. Rev. (Aug. 2002), 4. 84 Der englischsprachige Begriff des „springing lien“ bringt diese Wirkung treffend zum Ausdruck. 85 Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16; Haug, in FS Schönwitz (2006), S. 469, 479; Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 3. 86 Kiff, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 34, 36.
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sierung der vertraglichen Regulierungsfunktion des Ratings verstärkt dessen unbeabsichtigten Wirkungen noch weiter und kann dazu führen, dass die Änderung der subjektiven Bonitätseinschätzung einer Rating-Agentur für das betroffene Unternehmen zu einem existenzgefährdenden Vorgang wird.87 Während der globalen Finanzkrise 2007–09 wirkte sich der Klippeneffekt etwa bei dem U.S.-amerikanischen Versicherungsunternehmen American International Group (AIG) aus, das infolge einer Ratingherabstufung und eines dadurch ausgelösten „rating triggers“ zusätzliche Sicherheiten in Höhe von 15 Mrd. USD zu leisten hatte: Das systemrelevante Unternehmen konnte nur dadurch vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt werden, dass die Federal Reserve Bank ihr entsprechende liquide Mittel zur Verfügung stellte.88
IV. Ratingbasierte Vertragsbeendigung Als weitere Gläubigerreaktion auf eine Verschlechterung der Schuldnerbonität kommt schließlich die Kündigung des Vertrages in Frage; die Vertragsbeendigung stellt sich insoweit als die radikalste Form der Vertragsanpassung89 dar. „Rating trigger“, die diesem Zweck dienen, dürften die umstrittenste Verkörperung der vertraglichen Regulierungsfunktion des Ratings darstellen. Das strukturelle Gegenstück, nämlich ein Kündigungsrecht des Emittenten aus Anlass einer Verbesserung seines Ratings, das vor allem bei nach New Yorker Recht, aber auch bei nach deutschem Recht begebenen „High Yield“-Anleihen vorkommt,90 wirft demgegenüber kaum rechtliche Probleme auf.
1. Ratingbasierte Kündigungsrechte: Zweck und Gestaltungsformen Vertragslösungsrechte aus Anlass von Bonitätsverschlechterungen sind dabei in manchen Rechtsordnungen bereits gesetzlich vorgesehen. Sofern der Kapitalgeber Mängel in der Zahlungsfähigkeit des Kapitalnehmers erst nach Vertragsschluss, aber noch vor Auszahlung des geschuldeten Geldbetrages bemerkt, erlaubt ihm das deutsche91 wie auch das schweizerische Recht92 die fristlose Kündigung, für die das deutsche Recht eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse genügen lässt,93 während das Schweizer Recht (strenger) 87
Zur Pflicht der Unternehmensleitung zur Vermeidung existenzbedrohender „rating trigger“ siehe bereits § 14 II 3 b). 88 Financial Crisis Inquiry Commission, Credit Ratings and the Financial Crisis (Preliminary Report – June 2010), S. 9; Hunt, 60 S. C. L. Rev. (2009), 749, 762. 89 So treffend Wiegand/Geiger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 99, 129. 90 Schlitt/Hekmat/Kasten, AG 2011, 429, 434. 91 § 490 Abs. 1 BGB: „im Zweifel“. 92 Gemäß Art. 316 OR, weil das dort geregelte Verweigerungsrecht nach Schweizer h.L. eine Befugnis des Darlehensgebers bedeutet, vor Valutierung fristlos vom Vertrag zurückzutreten; vgl. Guhl/Koller, § 45 Rn. 13; Higi, in Zürcher Komm., Art. 316 OR Rn. 3; Schärer/Maurenbrecher, in Basler Komm., Art. 316 OR Rn. 11. 93 § 490 Abs. 1 BGB.
§ 16 Die Regulierungsfunktion des Ratings aufgrund vertraglicher Inbezugnahmen
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eine Zahlungsunfähigkeit verlangt, wie sie namentlich in Konkurs oder fruchtloser Pfändung zum Ausdruck kommt.94 Tritt eine Bonitätsverschlechterung hingegen – wie regelmäßig – erst nach Ausreichung der Finanzierungssumme zu Tage, so ist die gesetzliche Lage uneinheitlich: Das deutsche Darlehensrecht gewährt dem Darlehensgeber „in der Regel“ ein Recht zur fristlosen Kündigung,95 wohingegen das Schweizer Recht nur das Recht zur ordentlichen Kündigung gesetzlich regelt96 und Vertragsbeendigungsmöglichkeiten im Übrigen der Vereinbarung durch die Parteien überlasst.97 Eine Kündigung aus wichtigem Grund98 kommt dagegen nicht in Frage, weil eine bloße wirtschaftliche Äquivalenzstörung hierzu nicht ausreicht99 und eine Verschlechterung der Darlehensnehmerbonität zum Risiko gezählt wird, das der Darlehensgeber mit Valutierung übernimmt und das grundsätzlich durch den vereinbarten Darlehenszins abgegolten ist. Während vertragsauflösende „rating trigger“ in Darlehensverträgen nach deutschem Recht also lediglich der rechtssicheren Gestaltung dienen, weil die Unterschreitung eines Mindestratings einfacher festzustellen ist als die Wesentlichkeit einer Vermögensverhältnisverschlechterung,100 eröffnen sie in den übrigen hier untersuchten Konstellationen dem Gläubiger erst die vorzeitige Lösung vom Vertrag. Trigger-Klauseln dieser Art kommen in der Vertragspraxis daher häufig vor,101 und zwar sowohl in Darlehensverträgen102 als auch Anleihebedingungen.103 Bei unter englischem Recht begebenen Anleihen sind sie dabei verbreiteter104 als
94
Art. 316 OR. § 490 Abs. 1 BGB. 96 Art. 318 OR. Die Vorschrift sieht eine sechswöchige Kündigungsfrist vor, ist aber dispositiv – in der Praxis wird der Bank daher regelmäßig ein Recht zur sofortigen Kündigung ohne Angabe von Gründen eingeräumt; vgl. Wiegand/Geiger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 99, 120. 97 Wiegand/Geiger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 99, 121. Vgl. etwa die differenzierte Ausgestaltung der Kündigungsrechte in den „General Conditions for Loans and Credits for Commercial Purposes“ der Bank in BGer, 3.8.2010, 5A_358/2008 E. 2.3.2 („SAir ./. Nordea Bank“), in deren Anwendung die Herabstufung des Ratings der Darlehensnehmerin in den „noninvestment grade“-Bereich zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung wurde. 98 Ein solches (ungeschriebenes) Kündigungsrecht ist in der schweizerischen Rspr. seit langem anerkannt; vgl. grundlegend BGer, 1.11.1966, BGE 92 II 299 E. 3b. 99 BGer, 3.4.2002, BGE 128 III 428, 431 f. E. 3c; Higi, in Zürcher Komm., Art. 316 OR Rn. 31; Schärer/Maurenbrecher, in Basler Komm., Art. 316 OR Rn. 25 f. 100 Wessels, ZIP 2004, 793, 795. 101 Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16; Deipenbrock, BB 2005, 2085, 2090; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 189; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 68; Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1531; Moloney, EC Securities Regulation, S. 690: „regularly used“; Presber, in: Derleder/ Knops/Bamberger, 1. Aufl., § 30 Rn. 23; Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 3; Wessels, ZIP 2004, 793, 795. 102 Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 487; Johnson, 13 J. Fixed Income (2004), 25, 26; Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 3. 103 R. Müller, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.364; Siebel, BKR 2002, 795, 799; von Randow, ZBB 1995, 140, 144 f. 104 Siebel, Rechtsfragen internationaler Anleihen, S. 481. 95
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
bei deutschen Emissionen.105 Teilweise werden sie von Kapitalgebern, die selbst (wie etwa Versicherungsgesellschaften oder Fonds106) ratingbasiertem Aufsichtsrecht unterliegen, mit dem spezifischen Ziel aufgenommen, sich bei einer Bonitätsverschlechterung des Vertragspartners vom Vertrag lösen und so den sie betreffenden aufsichtsrechtlichen Vorgaben gerecht werden zu können.107 Als Rechtsfolge sehen entsprechende Klauseln regelmäßig ein Recht zur beschleunigten Rückforderung des Kapitals (acceleration trigger)108 oder zur fristlosen Kündigung109 vor, das bei Anleihen die Form eines Andienungsrechts des Anleiheinhabers (put option) annimmt.110 Es kommen aber auch „rating trigger“ vor, die bei Unterschreiten der Ratingschwelle ein Darlehen automatisch fällig stellen.111
2. Gefahr eines „Klippeneffekts“ Ebenso wie ratingbasierte Nachbesicherungsklauseln bringen vertragsauflösende Rating Trigger die Gefahr eines Klippeneffekts mit sich.112 Diese ist hier sogar noch greifbarer, weil die Rechtsfolge – die Pflicht zur Rückzahlung des gesamten Kapitalbetrages – eine ungleich stärkere Belastung des Schuldners bedeuten kann als die Pflicht zur Gestellung zusätzlicher (und möglicherweise nur vorübergehender) Sicherheiten. Besonders gefährlich sind dabei automatische Fälligkeitsklauseln.113 Im Ergebnis werden vertragsbeendende Rating Trigger daher im Schrifttum zu Recht als potentiell „tödliche“ Klauseln kritisiert,114 zumal Vertragsbestimmungen dieses Typs in der internationalen Vertragspraxis nahezu einheitlich auf die „investment grade“-Schwelle abstellen.115 Ihr Eingreifen vermag daher einen 105 Bosch in BuB (Stand: 12/1997), Rn. 10/186a; Gottmann, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 90. 106 Siehe dazu schon in § 12. 107 von Livonius, in: Bösl/Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 31, 52. 108 Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 487; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 68; Moloney, EC Securities Regulation, S. 690. 109 Hartwig-Jacob, Internationale Anleiheemissionen, S. 301 f.; Presber, in: Derleder/Knops/ Bamberger, 1. Aufl., § 30 Rn. 23; Wessels, ZIP 2004, 793, 795. 110 Kusserow/Dittrich, WM 2000, 745, 748; Siebel, Rechtsfragen intern. Anleihen, S. 481. 111 Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 213; Hoffmann/Baron, ZBB 2005, 317, 333; Johnson, 13 J. Fixed Income (2004), 25, 26. 112 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 151; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 200. 113 Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 213; Hoffmann/Baron, ZBB 2005, 317, 333 f. 114 Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16: „deadly default or acceleration-related rating trigger“; Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 3: „lethal“. 115 Johnson, 13 J. Fixed Income (2004), 25, 26; Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 342; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1036; Siebel, Rechtsfragen intern. Anleihen, S. 481. Ebenso bei Anwendung einer allgemein formulierten, weil auf eine substanziell verschlechterte finanzielle Situation der Darlehensnehmerin abstellenden Kündigungsklausel BGer, 3.8.2010, 5A_358/2008 E. 2.3.2 („SAir ./. Nordea Bank“), wo die Herabstufung des Ratings in den „non-investment grade“Bereich als Anzeichen für eine solche Verschlechterung gewertet wurde.
§ 16 Die Regulierungsfunktion des Ratings aufgrund vertraglicher Inbezugnahmen
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Kaskadeneffekt auszulösen,116 weil die Auslösung einer vorzeitigen Rückzahlungsverpflichtung ihrerseits wiederum die finanzielle Situation des Unternehmens belastet und damit weitere Ratingherabstufungen zur Folge haben kann.117 Am Ende kann ein „rating trigger“ sogar zur Insolvenz des betroffenen Unternehmens führen,118 wie das bekannte Beispiel Enron demonstrierte: Ein einziges Downgrade, das eine Rückzahlungspflicht von 690 Mio. USD auslöste, leitete den Zusammenbruch des Konzerns ein.119
V. Zusammenfassende Würdigung Vertragliche „rating trigger“, in denen die Unterschreitung oder Überschreitung bestimmter Ratingschwellen als Auslöser vertraglicher Rechte oder Pflichten eingesetzt wird, können ein sinnvolles Instrument des vertraglichen Interessensausgleichs darstellen. Die Vorteile der privatautonomen Ratingindienstnahme liegen zum einen in der Klarheit der damit getroffenen Regelung – die verständliche Codierung von Ratings wirkt sich also auch hier aus – und zum anderen darin, dass die Aktualisierung des veränderten Pflichtenprogramms von der Beurteilung eines unabhängigen Dritten (und nicht einer der Vertragsparteien) abhängig gemacht wird. Entsprechende Vertragsklauseln werden zur Anpassung des geschuldeten Zinses während der Laufzeit von Kapitalüberlassungen,120 zur Auslösung geänderter Besicherungspflichten121 und schließlich zur Ermöglichung der vorzeitigen Vertragsbeendigung122 verwandt. Obwohl „rating trigger“ lediglich an eine als Marktinformation veröffentlichte Bonitätsbeurteilung anknüpfen und damit einen bloßen sozialen Fakt123 aufzunehmen scheinen, der allgemein bekannt ist, führen sie doch zu einer entscheidenden Veränderung der Folgen von Ratingänderungen: Während diese ansonsten vorwiegend graduell erfolgen und daher auch abgestufte Reaktionen unter den Marktteilnehmern nach sich ziehen, löst ein Rating Trigger bei Unterschreiten der darin festgelegten Ratinggrenze von einem auf den anderen Moment rechtliche (und damit auch wirtschaftliche) Folgen aus, die – vor allem in Gestalt der Pflicht zur Nachbesicherung oder gar der vorzeitigen Darlehenszu-
116 Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 246; ähnlich Stemper, Rahmenbedingungen, S. 200: Ingangsetzen einer „verhängnisvollen Abwärtsspirale“. 117 Hill, 35 Conn. L. Rev. (2003), 1145, 1151; Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 342. 118 Ehlers, ZInsO 2006, 510, 511; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 246. 119 Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16: „deadly“. 120 Oben II. 121 Oben III. 122 Oben IV. 123 Vgl. Sinclair, The New Masters of Capital, S. 178.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
rückführung124 – für den betroffenen Schuldner die Wirkung eines „Klippeneffekts“ haben können.125 Da dieser Effekt vor allem dann eintritt, wenn mehrere „rating trigger“ durch dieselbe Ratingherabstufung ausgelöst werden, was infolge der verbreiteten Verwendung der „investment grade“-Schwelle nicht selten vorkommt, muss auch über eine Regulierung des Einsatzes von Rating Triggern in privaten Verträgen nachgedacht werden.126
124 Von manchen deutschen Unternehmen werden Rating Trigger, die dem Kreditgeber im Falle einer Herabstufung ein Kündigungsrecht einräumen, aus diesem Grund generell nicht akzeptiert; so für die ThyssenKrupp AG Empelmann, in: Seethaler/Steitz, Praxishandbuch Treasury-Management, S. 167, 177. 125 Siehe II 2; III 2. 126 Siehe dazu im Einzelnen noch § 31 III.
Fünfter Abschnitt: Ergebnisse
§ 17 Die Regulierungsfunktion des Ratings in der zusammenfassenden Analyse Im Zweiten Teil der Untersuchung konnte demonstriert werden, dass die Regulierungsfunktion des Ratings sich in den hier untersuchten Rechtsordnungen etabliert hat. Sie stellt sich daher heute als eigenständige Grundlage des Einflusses der Rating-Agenturen dar, die neben deren originäre Marktinformationsfunktion tritt und diese ergänzt. Im Folgenden sollen zunächst die wesentlichen Ergebnisse der rechtsvergleichenden Untersuchung in den §§ 6–16 zusammengefasst und analysiert werden,1 bevor auf die Gründe für die verbreitete Verwendung des Ratings in seiner Regulierungsfunktion eingegangen wird.2 In Gestalt der verbreiteten Missverständnisse von Marktteilnehmern und Regelsetzern über den Aussagegehalt von Ratings und der ubiquitären Verwendung der „investment grade“-Kategorie in rechtlichen Regelungen3 werden schließlich zwei bedenkliche Phänomene erörtert, die die Frage nach einer Regulierungsbedürftigkeit der Regulierung durch Ratings4 aufwerfen.
I. Die Regulierungsfunktion des Ratings im rechtsvergleichenden Befund 1. Die Bedeutung der Regulierungsfunktion in den einzelnen Rechtsordnungen Unter den hier untersuchten Rechtsordnungen besitzt die Regulierungsfunktion des Ratings in den U.S.A. die größte Bedeutung. Sie wurde hier bereits in den 1930er Jahren erstmals in der Bankenregulierung eingesetzt und hat seitdem in zahlreichen Gesetzen wie auch untergesetzlichen aufsichtsrechtlichen Regelungen Verwendung gefunden. Der regulatorische Einsatz von Ratings durchzieht dabei mit dem Bundesrecht, dem Recht der fünfzig U.S.-Gliedstaaten und dem kommunalen Recht sämtliche Regelungsebenen der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung,5 und zwar auf den unterschiedlichsten Rechtsgebieten.6 Mittel1
Dazu sogleich unter I. Siehe unter II. 3 Siehe unter III, IV. 4 Dazu unter V. 5 Die Zahlenangaben variieren; vgl. U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 102: „Currently, at least eight federal statutes and 47 federal regulations, along with over 100 state laws and regulations, reference 2
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
bar erlangt er auf diese Weise auch für ausländische Marktteilnehmer Bedeutung, die sich auf dem amerikanischen Markt betätigen.7 Nachdem Ratings in den U.S.A. noch in jüngerer Zeit selbst in exekutiven Bestimmungen, die in Reaktion auf die globale Finanzkrise 2007–09 (und damit eine auch durch Ratings mitverursachte Ausnahmesituation) erlassen wurden, eine entscheidende Rolle spielten,8 bemüht man sich nunmehr allerdings um eine Zurückdrängung ratingbasierter Regulierungen.9 Im Hongkonger Recht werden Ratings ebenfalls verbreitet in Rechtsvorschriften einbezogen, und zwar auch hier nicht lediglich im Bereich der Finanzmarktregulierung im engeren Sinne, sondern auch auf anderen Rechtsgebieten, wie etwa im allgemeinen Trust-Recht.10 Verglichen mit den U.S.A. spielt ihre regulatorische Verwendung jedoch eine deutlich geringere Rolle. In der Schweiz wurde Ratings schon in den 1980er Jahren und damit zu einer Zeit Regulierungsfunktionen zugewiesen, zu der Ratings in Kontinentaleuropa noch kaum Bedeutung besaßen, aber am Schweizer Kapitalmarkt mit seinem damals großen Anteil ausländischer Emittenten schon eine gewisse Rolle spielten.11 Vorreiter war hier zunächst die Selbstregulierung der Banken und Börsen, während gesetzliche Ratingbezugnahmen erst später folgten. Die Regulierungsfunktion des Ratings beschränkt sich in der Schweiz dabei jedoch durchgehend auf den Finanzsektor. In Deutschland sind ratingbasierte Regulierungen schließlich durchgehend noch neueren Datums; sie haben hier zudem die im vorliegenden Rechtsvergleich geringste Bedeutung erlangt. Nachdem sie zuvor bereits punktuell in aufsichtsrechtlichen Rundschreiben in Bezug genommen worden waren,12 traten Ratings in ihrer gesetzlichen Regulierungsfunktion erst mit der Umsetzung des Basel II-Akkords im Jahre 2007 auf den Plan. Ebenso wie die Ratingverwendung in letztgenanntem Bereich gehen auch die sonstigen, neueren ratingbasierten Normen häufig auf Vorgaben des EG- (und nunmehr des Unions-) Rechts zurück,13 weil die Unionsorgane der Ratingverwendung zumindest bis in die jüngste Zeit offener gegenüber standen als die deutsche Legislative und Exekutive. Daneben finden sich aber auch ratingbasierte Regeln, deren Schaffung auf
6 NRSRO ratings as a benchmark.“ Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 14 führen demgegenüber „100 federal laws and 50 regulations“ an; IMF, Sovereign Credit Ratings (Okt. 2010), S. 8 nennt die Zahl von über 1000 Verweisen auf NRSRO-Ratings in finanzmarktregulierenden Bestimmungen. 6 Siehe dazu noch näher unter 2. 7 Becker, ZG 2009, 123, 135. 8 Vgl. zur „Asset-Backed Money Market Mutual Fund Lending Facility (AMLF)“, der „Term Asset-Backed Securities Loan Facility (TALF)“ und der „Commercial Paper Funding Facility (CPFF)“ der Federal Reserve schon § 7 II 3 b). 9 Siehe dazu noch unter 4. 10 Siehe § 12 II 2 b). 11 Siehe § 8 II 1, § 9 II 2 a) aa). 12 BVA, Rundschreiben vom 1.12.2000 zur Anlage der Rücklage der Sozialversicherungsträger nach § 83 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV – Schuldverschreibungen, S. 3. 13 Die Bedeutung der Regulierungsfunktion des Ratings auf EU-Ebene betonen Chirico, ECMI Commentary No. 17 (Jan. 2008), S. 1; Höfling, Gutachten F zum 68. DJT (2010), S. F 40.
§ 17 Die Regulierungsfunktion des Ratings in der zusammenfassenden Analyse
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Marktteilnehmer zurückgeht, wie etwa die Ratinganforderungen in Zulassungsbedingungen der „Mittelstandssegmente“ an deutschen Börsen seit 2010.14 Die in Deutschland erst vergleichbar spät einsetzende und weiterhin nur in einzelnen Sachbereichen ausgeprägte regulatorische Verwendung von Ratings beweist zudem, dass die Regulierungsfunktion des Ratings entgegen der sog. Regulatory License Theory15 nicht der alleinige Grund für Marktreaktionen auf Ratingänderungen sein kann: Da auch am deutschen Kapitalmarkt schon vor 2007 (und damit zu einem Zeitpunkt, an dem gesetzliche Ratingbezugnahmen in Deutschland noch nicht existierten) entsprechende Marktreaktionen nachgewiesen wurden,16 konnten diese nur durch das Rating als Marktinformation ausgelöst worden sein. Sie bestätigen damit die Richtigkeit der hier aufgestellten These, dass Ratings aus Perspektive der Marktteilnehmer ein originärer Informationswert zukommt.17
Neben die Regulierungsfunktion des Ratings in nationalen Rechtsregeln sowie seine Verwendung in den Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, denen selbst keine rechtliche Bindungswirkung zukommt,18 tritt seine vertragliche Regulierungsfunktion durch den zunehmenden Einsatz von „rating triggern“.19 Die Bezugnahme auf Ratings wird hier vor allem durch die internationale Vertragspraxis getrieben, die bei der Gestaltung von Finanzierungsverträgen vorrangig durch das Recht des U.S.-Staates New York geprägt wird. Seit Umsetzung des Basel II-Akkords in Deutschland, der Schweiz und Hongkong finden „rating trigger“ in jüngerer Zeit aber auch in rein nationale Darlehensverträge in diesen Staaten Aufnahme, weil sie es ermöglichen, ratingbedingte Kapitalkostenerhöhungen von der Bank auf den Darlehensnehmer umzulegen.20
2. Die Bedeutung der Regulierungsfunktion auf den unterschiedlichen Sachgebieten Fragt man nach den Sachgebieten, „Industrien“ oder Branchen, bei deren rechtlicher Ordnung Ratings eingesetzt werden, so steht die Regulierung von Banken und ähnlichen Finanzdienstleistern (wie in den U.S.A. etwa der broker-dealer) im Vordergrund. In der Bankenregulierung findet sich eine Fülle von Rechtsvorschriften, die auf unterschiedliche Art und Weise an Ratingeinstufungen anknüpfen. International am bedeutsamsten dürfte die Regelung der Eigenmittelanforderungen an Kreditinstitute nach Maßgabe des Standardansatzes des Basel II14
Siehe zu diesen § 8 II 3. Zu dieser schon § 5 III 1 a) bb). 16 So konnten die empirischen Untersuchungen von Kaserer, ÖBA 1995, 263, 265; Nöth, KuK 1995, 535, 548; Steiner/Heinke, 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 145; dens., ZfB 2000, 541, 551 schon für die Jahre 1986–94 entsprechende Phänomene belegen. 17 Dazu bereits § 5 III 1 a) cc), IV. 18 Vgl. zur Ratingverwendung im revidierten Basel I-Akkord sowie im nachfolgenden Basel II/ III-Akkord bereits § 6 II 1, III 2. 19 Siehe § 16. 20 Siehe § 16 II 1. 15
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Akkords21 sein, die in zahlreichen Staaten der Welt übernommen wurde; sie hat damit erstmals einen international harmonisierten Kern ratingbasierter Regulierung geschaffen. Daneben bestimmen Ratings über die Liquiditätsanforderungen an Banken und broker-dealer22 und ihren Zugang zu Liquiditätsfazilitäten der Zentralbanken,23 ihr Recht zur Gründung von Zweigniederlassungen24 und ihren Zugang zu Einlagensicherungs- und Abrechnungssystemen25 sowie – in Form von Anlagevorschriften, die einen besonders intensiven Eingriff in die freie Geschäftstätigkeit der Banken darstellen – über den Kreis der Wertpapiere, in die bestimmte Banken investieren dürfen.26 Ein weiterer Schwerpunkt ist die ratingbasierte Regulierung anderer Finanzintermediäre wie etwa Versicherungsunternehmen, die in allen hier untersuchten Rechtsordnungen bei der Anlage ihres gebundenen Vermögens,27 der Anrechnung von Forderungen aus Rückversicherungsverträgen28 oder der Bewertung ihres Gesamtvermögens29 ratingabhängigen Vorgaben unterliegen,30 von Investment- und Geldmarktfonds31 sowie Trägern der Altersvorsorge,32 mögen sie als privatrechtlich verfasste Pensionsfonds oder als öffentlich-rechtliche Sozialversicherungsträger organisiert sein. Ein dichtes Netz ratingbasierter Regelungen knüpft sodann an den Vorgang der Anleiheemission und des öffentlichen Angebotes komplexer Finanzinstrumente an, wobei letztere Finanzmarkttitel besonders zahlreichen Ratingvorgaben unterworfen werden. Ratings entscheiden dabei in bestimmten Fällen bereits über die Möglichkeit einer Emission,33 vor allem aber über das Ausmaß der erfor21
Siehe § 6 III 2 a); zur Beibehaltung der Ratingverwendung auch unter „Basel III“ § 6 III 4. Siehe § 7 II 1, 2. 23 Siehe § 7 II 3. 24 Siehe § 7 III 1. 25 Siehe § 7 III 2. 26 Siehe § 7 I. 27 Siehe § 12 II. 28 FINMA, Mitteilung 4 (2009) Schadenversicherung – Zulassung von Forderungen gegen Rückversicherer zur Bestellung des gebundenen Vermögens vom 21. Dez. 2009, Tz. 2: „Für die Bewertung der Finanzkraft des Rückversicherers orientiert sich die FINMA in der Regel am ‚Financial Strength‘-Rating des Rückversicherers, mit dem der Rückversicherungsvertrag abgeschlossen wurde. Dabei wird auf die Bewertung der Agenturen A.M. Best, Fitch, Moody’s und Standard & Poor’s abgestellt.“ 29 So in Hongkong, wo § 4 Insurance Companies (General Business) (Valuation) Regulation (Cap. 41G) als Grundregel die Bewertung börsennotierter Wertpapiere im Portfolio der Versicherungsgesellschaft mit höchstens 75% des aktuellen Durchschnittskurses vorschreibt, für Anlagen mit einem „AAA“-Rating einer anerkannten Rating-Agentur aber eine Bewertung mit 100% und bei einem „AA–“-Rating mit 90% des Marktpreises erlaubt. 30 Zum in den U.S.A. auf gliedstaatlicher Ebene geregelten Versicherungsrecht insofern ausführlich Hunt, 17 Conn. Ins. L.J. (2010), 101, 110 ff.; zur fehlenden Auswirkung des Dodd–Frank Acts auf die dortigen Ratingbezugnahmen noch im Text unter I 4 b) aa). 31 Siehe § 12 III 2, 3. 32 Überblicksartig § 12 II. 33 So bei der ratingabhängigen Freistellung der Emittenten strukturierter Finanzprodukte von den Anforderungen des U.S.-amerikanischen Investment Company Acts of 1940, ohne die der Einsatz von Zweckgesellschaften in den U.S.A. faktisch ausscheiden würde; vgl. § 10 II 2. 22
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derlichen Markteintrittspublizität.34 Eng verwandt ist die Regulierungsfunktion des Ratings bei Ausgestaltung des Zugangs zu regulierten Märkten (vor allem zu Börsen).35 Für den Investor und mittelbar auch den Emittenten von wirtschaftlich großer Bedeutung sind schließlich Normen, die Emissionen mit hohem Rating – wie in Hongkong – steuerlich privilegieren.36 Daneben finden sich Ratings in einer erheblichen Anzahl von Rechtsvorschriften zu finanzmarktfernen Sachgebieten, deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, dass es im konkreten Regelungszusammenhang um die Sicherung einer bestimmten Mindestbonität geht. Zahlreiche Beispiele bietet hier vor allem das U.S.-amerikanische Recht, das etwa im Bereich des Umweltrechts das Betreiben unterirdischer Petroleumtanks durch Gemeinden von einem „investment grade“-Rating ihrer ausstehenden Anleihen abhängig macht (sog. „local government bond rating test“)37 und so ihre ausreichende finanzielle Einstandsfähigkeit für etwaige Schadensersatzforderungen geschädigter Dritter ermittelt.38 Von einem Mindestrating einer Rating-Agentur hängt zudem etwa im Straßenrecht die öffentliche Förderung von Straßenbauprojekten,39 im Medienrecht die staatliche Garantie von Krediten zugunsten lokaler Fernsehsender40 sowie auf den Gebieten der Wohnungsbau-41 und der Ausbildungsförderung42 die Zulässigkeit gewisser staatlicher Subventionen ab. Auch außerhalb der U.S.A. wird aber in finanzmarktfernen Konstellationen auf Ratings zurückgegriffen, wie in jüngerer Zeit etwa durch die Hongkonger Rechtsprechung in seerechtlichen Streitigkeiten.43 Es lässt sich daher konstatieren, dass sich die Regulierungsfunktion des Ratings in sachlicher Hinsicht weit über ihren ursprünglichen Schwerpunktbereich der Bankenregulierung hinaus ausgedehnt hat und mittlerweile rechtsgebietsübergreifend Anwendung findet.
34
Siehe § 9 III, § 10 III. Siehe § 8 II; § 10 II 1. 36 Siehe § 8 II 4. 37 40 C.F.R. § 280.104, wo zudem ein ausstehendes Anleihevolumen von mindestens 1 Mio. USD verlangt wird. 38 40 C.F.R. § 280.93 zur required financial responsibility von owners or operators of petroleum underground storage tanks. 39 23 U.S.C. § 602(b)(B) – eine NRSRO muss durch sog. preliminary rating opinion letter bestätigen, dass das Straßenbauprojekt Potential zur Erreichung eines „investment grade“-Ratings hat. 40 47 U.S.C. § 1103(d)(2)(D)(i). 41 24 C.F.R. § 266.100(a)(1) – Förderung einer housing finance agency setzt mindestens ein „A“-Rating voraus. 42 20 U.S.C. § 1087–2(r)(11) – ausreichendes Rating durch zwei NRSROs zum Beweis einer hinreichenden Eigenmittelausstattung der Student Loan Marketing Association. 43 The Hua Tian Long, 4.6.2008, [2008] 4 HKC 131, 135 Rn. 21 – hier ging es um die ausreichende Bonität einer bürgenden Bank, die das Gericht nach Bestandsaufnahme der Ratings gängiger Seeversicherungsunternehmen ab einem Rating von „BBB“ als gegeben ansah. 35
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3. Typologie der Ratingbezugnahmen in rechtlichen Regelungen Für eine typologische Ordnung der bestehenden ratingbasierten Rechtsregeln sind ganz unterschiedliche Ansatzpunkte denkbar. Während zu diesem Zweck nicht selten nach Regelungszweck oder -anlass gegliedert wird,44 wird im Folgenden zunächst zwischen dem regulatorischen Einsatz von Ratings im Rahmen materiellrechtlicher Vorgaben45 und ihrer Rolle im Rahmen gesetzlicher Publizitätsregelungen46 unterschieden. a) Ratings als Bestandteil materiellrechtlicher Vorgaben Unter den materiellrechtliche Anforderungen statuierenden Bestimmungen kann sodann wieder nach den Wirkungen differenziert werden, welche die betreffenden Ratingvorgaben für das Verhalten der von der Rechtsregel betroffenen Marktteilnehmer haben: Zum Teil fungieren Ratings darin als Auslöser unmittelbar wirkender Ge- oder Verbote für den Adressaten der Regelung,47 wohingegen ihre Verhalten steuernde Wirkung nach anderen Rechtsregeln lediglich mittelbarer Natur ist.48 aa) Ratings als Auslöser unmittelbar wirkender rechtlicher Gebote oder Verbote Rechtliche Regelungen, die Ratings als Auslöser unmittelbar wirkender rechtlicher Gebote oder Verbote einsetzen, räumen Bonitätsbeurteilungen durch Rating-Agenturen die im Vergleich größte Steuerungswirkung ein: Ohne eine bestimmte Ratingeinstufung ist etwa eine Investition verboten, und bei Herabstufung des Ratings unter das vorgeschriebene Mindestrating muss der betreffende Ratinggegenstand veräußert werden. Die englische Sprache bringt diese Wirkung besonders gut zum Ausdruck, wenn sie von hardwiring49 spricht. Ratingbezugnahmen dieses Typs werden üblicherweise als Bestandteil von Regelungen eingesetzt, welche die Entscheidungsfreiheit von Agenten einschränken sollen, die zur Verfügung über Vermögenswerte von Prinzipalen berechtigt sind und daher einem Anreiz unterliegen, überhöhte Risiken einzugehen.50 Die Vorgabe von Min44 So etwa Basler Ausschuss, Stocktaking on the Use of Credit Ratings (2009), S. 3 f., wo angeknüpft wird an „five key purposes: (a) determining capital requirements; (b) identifying or classifying assets, usually in the context of eligible investments or permissible asset concentrations; (c) providing a credible evaluation of the credit risk associated with assets purchased as part of a securitisation offering or a covered bond offering; (d) determining disclosure requirements; and (e) determining prospectus eligibility“; ebenso IOSCO, Regulatory Implementation of the Statement of Principles (Feb. 2011), S. 13. 45 Sogleich unter a). 46 Siehe unter b). 47 Siehe unter aa). 48 Siehe unter bb). 49 Financial Stability Board, Principles for Reducing Reliance on CRA Ratings (Oct. 2010), S. 1. 50 Cantor, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2565, 2568; ders./ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 14.
§ 17 Die Regulierungsfunktion des Ratings in der zusammenfassenden Analyse
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destratings (häufig „investment grade“) schränkt ihren Entscheidungsspielraum dadurch ein, dass in Gestalt der Bonitätsbeurteilung durch einen unabhängigen Dritten ein Kreditrisiko definiert wird, das der Regeladressat nicht überschreiten darf, und dient damit der (teilweisen) Bewältigung des Prinzipal-Agenten-Konflikts.51 Die wichtigste Gruppe ratingbasierter Normen dieses Typs sind Anlagevorschriften oder portfolio restrictions, die sowohl in gesetzlicher als auch in vertraglicher oder statutarischer Form vorkommen. Gesetzliche Anlagevorschriften (legal investment lists) waren früher deutlich verbreiteter als heute und lassen sich historisch in das englische Recht zurückverfolgen, welches die trustees erlaubten Investitionen schon früh abschließend bestimmte.52 Im geltenden Recht fanden sich gesetzliche ratingbasierte Anlagevorschriften bis vor kurzem namentlich für U.S.-amerikanische Banken, die seit den 1930er Jahren bis zur Aufhebung dieser expliziten Ratingschwelle infolge des Dodd–Frank Acts nur in „investment grade“ geratete Schuldverschreibungen investieren durften,53 sowie – in ungleich punktuellerem Maße – auch weiterhin für deutsche Bausparkassen und Pfandbriefbanken.54 In den U.S.A. wird der Erwerb bestimmter strukturierter Finanzinstrumente (mortgage related securities) durch Pensionsfonds, Banken und Versicherungsunternehmen einheitlich von einem „AA“-Mindestrating abhängig gemacht,55 und auch im Übrigen finden sich für Versicherungsunternehmen und Träger der Altersvorsorge im deutschen, schweizerischen und U.S.-amerikanischen Aufsichtsrecht56 sowie für trusts im Hongkonger Recht57 Mindestratings für zulässige Investitionen. Funktionell vergleichbar wirken auch ratingbasierte Anlagerichtlinien institutioneller Investoren, die nicht in Gesetzesform, sondern als Vertrags- oder Satzungsbestimmungen bzw. interne organisatorische Vorgaben ergehen. Sie kommen statistisch deutlich häufiger vor als gesetzliche Mindestratings; einer neueren empirischen Untersuchung zufolge ordnen nicht weniger als 76% der U.S.-amerikanischen und europäischen Investmentfonds in ihren internen Anlagerichtlinien Ratingschwellen an.58 Gelegentlich bestimmen Ratings dabei auch lediglich 51 Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 14. Bleckner, 13 Fordham Urb. L.J. (1985), 681, 695 f. erkennt den Hauptzweck von Anlagevorschriften dagegen im Schutz der „financial welfare of entities that serve a quasi-public function.“ 52 Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 518 Fn. 99. Vgl. zu ratingbasierten legal investment lists § 12 II 2 a). 53 Siehe § 7 I 1, dort auch zur – erheblichen – fortdauernden Bedeutung von Ratings unter den neugefassten Anlagevorschriften. 54 Siehe § 7 I 2. 55 Dazu § 10 II 3 a); zur Streichung der betreffenden gesetzlichen Ratingschwelle durch den Dodd–Frank Act und die darauf folgende Wiedereinführung derselben Schwelle durch die SEC § 10 II 3 a) dd). 56 Siehe § 12 II. 57 Siehe § 12 II 2 b). 58 Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 16; dazu bereits oben § 12 III.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
indirekt über die zulässigen Investitionen institutioneller Investoren, wie etwa bei Fonds, die einen bestimmten Anleiheindex nachbilden: Weil zahlreiche Indizes aber nur solche Anleihen aufnehmen, die über ein „investment grade“-Rating verfügen, schlägt diese interne Leitlinie des Indexanbieters damit auch auf indexgebundene Investoren durch.59 Daneben fallen auch zahlreiche vertragliche „rating trigger“ in die vorliegende Kategorie von Ratingbezugnahmen, weil ihr Eingreifen ebenfalls bedeuten kann, dass der Vertragsschuldner – ggfs. nach Ausübung eines entsprechenden Wahlrechts – sich mit unmittelbaren Rechtswirkungen konfrontiert sieht, die von einer höheren Zinslast bis zur Pflicht zur Sicherheitengestellung oder gar zur vorzeitigen Rückzahlung einer Darlehensoder Anleiheschuld reichen kann.60 Zu den unmittelbar wirkenden Ge- und Verboten wird man bei funktionaler Betrachtung schließlich auch solche ratingabhängigen Rechtsvorschriften zählen müssen, die die Beachtung eines bestimmten Ratings zwar nicht ausnahmslos verlangen, bei seiner Nichtbeachtung aber Rechtsfolgen vorsehen, die einem Verbot in wirtschaftlicher Hinsicht nahe kommen. Dies gilt etwa für die praktisch sehr wichtige Rule 2a–7 im U.S.-amerikanischen Geldmarktfondsrecht, die Geldmarktfonds zwar theoretisch auch den Erwerb ungerateter oder niedrig gerateter Commercial Papers erlauben würde, für diesen Fall aber verbietet, dass der Fonds sich als money market fund bezeichnet und die am Markt allein gängige und praktikable Methode zur laufenden Bewertung des Fondsvermögens benutzt61 – eine Vorgabe, infolge derer Geldmarktfonds faktisch doch auf den ausnahmslosen Erwerb hoch gerateter Schuldverschreibungen beschränkt sind. Eine vergleichbare ratingbasierte Regelung enthält seit jüngerer Zeit im Übrigen auch das EU-Aufsichtsrecht für Geldmarktfonds.62
Der beschriebene Typ ratingbasierter Rechtsregelungen weist Ratings eine beträchtliche Ordnungsmacht zu, weil diese unmittelbar das Verhalten des Regelungsadressaten steuern, also nicht lediglich (wie in ihrer Marktinformationsfunktion) als eine unter zahlreichen Informationen in dessen Entscheidungsfindung eingehen. Als Bestandteil gesetzlicher oder vertraglicher Anlagevorschriften fungieren Ratings dabei als rechtlicher „Türöffner“ zu Investitionsmöglichkeiten sowie – aus Perspektive der Kapitalnachfrager betrachtet – zu den weitaus wichtigsten Investorenkreisen, weil entsprechende Regelungen typischerweise für institutionelle Investoren gelten und institutionelle Investoren den ganz überwiegenden Teil der international emittierten festverzinslichen Finanztitel erwerben. Erschwerend wirkt sich in diesem Zusammenhang der Umstand aus, dass Ratinganforderungen nicht nur in einzelnen Staaten, sondern international ganz verbreitet vorgesehen sind. Wie in der U.S.-amerikanischen Literatur schon in den 1930er Jahren erkannt wurde, verschafft die so ausgestaltete Regulierungsfunktion den 59 Vgl. am Beispiel der Barclays Euro Government Bond Indizes IMF, Sovereign Credit Ratings (Okt. 2010), S. 8: „… implying that a bond downgrade to below the investment-grade threshold often triggers immediate liquidation.“ 60 Siehe § 16. 61 Siehe § 12 II 3 a). 62 Dazu § 12 II 3 b).
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Rating-Agenturen und ihren Ratings eine solch „überwältigende Bedeutung“, dass damit sogleich die Frage nach ihrer regulatorischen Überwachung aufgeworfen ist.63 bb) Ratings als Risikomaßstab in mittelbar verhaltenssteuernden rechtlichen Vorgaben Bei dem zweiten Typ ratingbasierter Rechtsregelungen besitzen Ratings dagegen nur mittelbar eine verhaltenssteuernde Wirkung, indem sie den Regelungsadressaten nicht direkt zu einer Investition, Deinvestion oder sonstigen Handlung zwingen. Zu dieser Normengruppe gehören namentlich ratingbasierte Bewertungsvorschriften, wie vor allem die ratingbasierte Risikobewertung im Recht der Eigenmittelunterlegung der Banken64 sowie ihr Äquivalent in den Liquiditätsanforderungen an Banken65 und an andere Finanzintermediäre (so bis vor kurzem in Gestalt der U.S.-amerikanischen „net capital rule“ für broker-dealer mit ihren bis 2014 explizit ratingabhängig ausgestalteten haircuts66 und auch weiterhin im Hongkonger Aufsichtsrecht67).68 Sie stellen vor allem deshalb einen wichtigen Anwendungsfall der Regulierungsfunktion des Ratings69 dar, weil sie in Gestalt der Banken die systemisch bedeutsamsten Finanzintermediäre betreffen und zudem international fast einheitlich auf Ratings zurückgreifen. Die Bonitätsbeurteilungen der Rating-Agenturen bestimmen bei diesem Regeltyp nicht unmittelbar darüber, welche Finanztitel die regulierten Finanzinstitute erwerben dürfen und welche nicht, sondern beeinflussen lediglich deren Behandlung im Rahmen sonstiger rechtlicher Vorgaben (wie eben der Eigenmittel- oder Liquiditätsanforderungen), deren Einhaltung wiederum mit Kosten verbunden ist. Ein hohes Rating reduziert daher die regulierungsbedingte Kostenbelastung des Finanzinstituts und schafft damit mittelbar einen Anreiz, hoch geratete Finanztitel zu erwerben, ohne aber Investitionen in niedrig oder ungeratete Papiere rechtlich auszuschließen (der Bank mag die damit verbundene Kostenbelastung hinnehmbar erscheinen) – das Rating und die daran geknüpften Rechtsfolgen gehen lediglich als Faktor in den Entscheidungs- und Abwägungsprozess innerhalb des regulierten Finanzinstituts ein, ersetzen diese Entscheidung aber nicht. Eine ent63 So Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 93 (zu den frühen Anlagevorschriften des U.S.-amerikanischen Bankrechts): „At any rate, if the present system of portfolio control is to be permanent, the consequence will be such an overwhelming importance of the ratings as sooner or later to call for their control.“ 64 Siehe § 6 II, III. 65 Siehe § 7 II 1. 66 Siehe § 7 II 2 a). 67 Dazu § 7 II 2 b). 68 Man mag hierzu zudem die im Text unter aa) bereits behandelten Regelungen des U.S.-amerikanischen und europäischen Geldmarktfondsrechts zählen, deren Ratingbezugnahmen ebenfalls in indirekter Weise auf das Investitionsverhalten dieser Fonds einwirken; in Anbetracht ihrer im Vergleich noch erheblicheren wirtschaftlichen Bedeutung werden sie hier dagegen funktional den unmittelbar wirkenden Geboten und Verboten zugerechnet. 69 Dies betonen Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 200.
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sprechende mittelbar verhaltenssteuernde Wirkung kommt auch ratingabhängigen steuerrechtlichen Normen zu, wie sie etwa das Hongkonger Recht kennt.70 Dass die Ratingeinstufung in Rechtsvorschriften des beschriebenen Typs nicht unmittelbar zum Eingreifen von Ver- oder Geboten führt, lässt eine Regulierung der Rating-Agenturen in einer solchen Regulierungsfunktion als weniger drängend erscheinen. Es darf freilich nicht übersehen werden, dass auch lediglich mittelbar verhaltenssteuernde Ratingbezugnahmen in der Praxis durchaus zu einem streng ratingabhängigen Verhalten führen können, wenn der Regelungsadressat sich nämlich entscheidet, künftig nur noch Kreditrisiken unterhalb eines bestimmten, durch ein Rating indizierten Maßes (häufig ausgedrückt durch die „investment grade“-Schwelle) einzugehen. Entsprechende ratingbasierte Verhaltensstandards können durch vertragliche oder satzungsmäßige Anlagevorschriften71 oder einfach dadurch zustande kommen, dass bestehende Entscheidungsspielräume in stets derselben Weise genutzt werden.72 Da sie selbst nicht durch die Regulierungsfunktion des Ratings erzwungen werden, hat ihre etwaige rechtliche Kontrolle nicht bei den Rating-Agenturen anzusetzen, sondern bei den Verhaltenspflichten der betreffenden Marktteilnehmer.73 Ratings besitzen schließlich auch dann eine mittelbar verhaltenssteuernde Wirkung, wenn ein bestimmtes Mindestrating – typischerweise „investment grade“, aber gelegentlich auch höhere Ratingeinstufungen – im Rahmen der Rechtsanwendung als Indiz dafür behandelt wird, dass bei der Vornahme kreditrisikobehafteter Entscheidungen eine hinreichende Sorgfalt geübt wurde. Ein entsprechender Ansatz lässt sich im Rechtsvergleich bei den unterschiedlichsten Regelungen nachweisen, die einen allgemein (also nicht unmittelbar ratingabhängig74) umschriebenen Sorgfaltsmaßstab aufstellen, wie etwa der im U.S.-amerikanischen trust law entwickelten prudent person rule, bei deren Anwendung auf Investitionen von trustees in Anleihen schon sehr früh auf Beurteilungen der Rating-Agenturen abgestellt wurde,75 im schweizerischen Recht der sorgfältigen
70
Zur steuerrechtlichen Privilegierung der Erträge aus „investment grade“-Anleihen siehe § 8
II 4. 71
Zu diesen bereits im Text unter aa). Kritisch zu diesem Effekt etwa Theilacker, ZKredW 2005, 177, 178: „Sind ‚ManagementEntscheidungszwangsläufigkeiten‘ der Art ‚bis BBB wird investiert, unterhalb nicht mehr‘ hilfreich, oder enden sie für die Entscheidungsträger, die dann eigentlich keine mehr sind, in der Sackgasse?“. 73 Dies geschieht in jüngerer Zeit nicht selten durch die explizite Statuierung der Pflicht, eine selbstständige Prüfung von Kreditrisiken – gelegentlich spöttisch bezeichnet als „‚do-it-yourself‘ financial analysis“ (so Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 233) – vorzunehmen; siehe zu diesem Regelungstyp noch § 31 II 3. 74 Eine unmittelbar ratingbasierte Sorgfaltsvorschrift enthält etwa das Hongkonger trust law in Gestalt von § 4(1)(a) Trustee Ordinance i.V.m. Schedule 2 (mindestens „A3“/„A–“-Rating). 75 Siehe zur diesbezüglichen Rechtsprechung ausführlich § 12 V. Vgl. auch Restatement (Third) of Trusts (Prudent Investor Rule), § 227 Comment l: „Given the duty of caution, trustees tend to prefer bonds with top ratings“; Goodman, Fin. Analysts J. (May/June 1968), 59, 60: „To avoid charges of negligence, they ,play it safe‘ by investing in bonds rated A or better.“ 72
§ 17 Die Regulierungsfunktion des Ratings in der zusammenfassenden Analyse
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Verwaltung des Kindesvermögens76 sowie im deutschen Recht in neuerer Zeit dem Kriterium der „Vollwertigkeit“ in den Kapitalaufbringungs- und -ersatzvorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts.77 Obgleich die erforderliche Sorgfalt in diesen Fällen weder ausschließlich bei Einhaltung einer bestimmten Ratinggrenze noch immer bei deren Einhaltung (im Sinne eines haftungsrechtlichen „safe harbour“) gewahrt ist, versprechen sich die Regelungsadressaten bei Beachtung eines angemessenen Mindestratings doch nicht zu Unrecht, dass eine hinreichende Kreditrisikoprüfung angenommen werden wird,78 und unterliegen daher einem signifikanten Anreiz zur Ausrichtung ihrer Entscheidungen am Rating. b) Die Rolle von Ratings im System der gesetzlich geregelten Publizität Auch im Rahmen der gesetzlich geregelten Markteintritts- und Marktteilnahmepublizität spielen Ratings in verschiedener Hinsicht eine Rolle. aa) Ratings als Gegenstand gesetzlicher Publizitätspflichten Zum einen werden sie in zahlreichen gesetzlichen wie auch funktionsäquivalenten, im Wege der Selbstregulierung ergangenen Publizitätsregelungen als bekanntgabepflichtige Informationen eingeordnet. Beispiele hierfür sind das deutsche und europäische Prospektrecht,79 nach nicht unbestrittener Ansicht auch das gesetzliche Emissionsprospektrecht in der Schweiz80 und (unbestritten) die selbstregulierenden Vorgaben der Schweizerischen Bankiervereinigung einerseits zur Prospektpflicht für Notes ausländischer Schuldner81 und andererseits zu den Prospektanforderungen an strukturierte Finanzinstrumente,82 die U.S.-amerikanische Prospektpflicht für Asset-Backed Securities,83 die Hongkonger Anforderungen an die Markteintrittspublizität bei Investmentfonds84 und strukturierten Finanzinstrumenten,85 das deutsche und schweizerische Recht der Ad hoc-Publizität86 und 76 Art. 318 Abs. 1 ZGB; dazu Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 108 f.: „wann immer die Eltern in Effekten anlegen, die über ein Investment Grade-Rating einer anerkannten Rating-Agentur verfügen, dürfte ihre Vermögensverwaltung als sorgfaltsadäquat zu qualifizieren sein.“ 77 § 19 Abs. 5 Satz 1, § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und § 27 Abs. 4 Satz 1, § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG. Vgl. dazu schon § 13 III 1. 78 Eine solche Indizwirkung annehmend Habersack, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2009, S. 5, 19 (zum deutschen Recht); Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 108 f. (zum schweizerischen Recht) und Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 554 (zum U.S.-amerikanischen Recht). 79 Siehe § 9 II 1. 80 Dazu § 9 II 2 a) bb). 81 Siehe § 9 II 2 a) aa). 82 Siehe § 10 III 1 a). 83 Siehe § 10 III 1 b). 84 Siehe § 9 II 4. 85 Siehe § 10 II 1 a). 86 Siehe § 11 II 1 a), b). Es ist freilich zu beachten, dass bestehende Vertraulichkeitsausnahmen in beiden Rechtsordnungen die Publizitätspflicht des Emittenten im Ergebnis wieder entfallen lassen.
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die U.S.-amerikanische Marktteilnahmepublizität für Emittenten von municipal securities,87 sowie schließlich das Recht der Anlageberatung, das in Deutschland, der Schweiz und den U.S.A. übereinstimmend eine Pflicht zum Hinweis auf bestehende Ratings kennt.88 Sofern eine gesetzliche Publizitätspflicht Ratings als publizitätspflichtigen Gegenstand einordnet, bezieht sie sich nicht auf das Rating in seiner Regulierungs-, sondern in seiner Marktinformationsfunktion: Sie verpflichtet den Publizitätspflichtigen deshalb zur Mitteilung von Ratings, weil diese durch verständige Anleger bei Anlageentscheidungen berücksichtigt zu werden pflegen89 und deshalb der gesamten Marktöffentlichkeit bekannt sein sollen; hinzu kommt in einzelnen Regelungszusammenhängen (wie insbesondere dem Recht der Anlageberatung) der Umstand, dass ein Rating die Risikoeinschätzung eines unabhängigen Dritten ausdrückt90 und folglich nicht durch dieselben Interessenskonflikte beeinflusst ist, denen der Anlageberater selbst unterliegt.91 Ratingbezogene gesetzliche Publizitätspflichten setzen Ratings folglich nicht selbst zum Zweck der Regulierung ein, sondern erfassen diese lediglich als eine unter anderen bekanntgabepflichtigen Marktinformationen und verleihen ihnen mittelbar eine zusätzliche Wirkung, indem eine unterlassene Ratingmitteilung haftungsbegründend wirken kann – ein Effekt, der bei der Haftung von Anlageberatern nach deutschem Recht eine besondere praktische Bedeutung erlangt hat. bb) Ratings als Ersatz gesetzlicher Publizitätspflichten In ihrer Regulierungsfunktion werden Ratings im gesetzlichen Publizitätsrecht dagegen dann eingesetzt, wenn ihr Vorliegen rechtlich die Anwendbarkeit eines bestimmten Publizitätsregimes eröffnet. Entsprechende Vorschriften waren bislang insbesondere für das U.S.-amerikanische Recht typisch, das ein „investment grade“-Mindestrating bis 2011 als teilweises Substitut für die Beachtung strenger gesetzlicher disclosure-Regeln akzeptierte.92 Vergleichbare Regelungen finden sich auch weiterhin im U.S.-amerikanischen Publizitätsrecht für kurzfristige Schuldverschreibungen (Commercial Paper), die bei hoher Bonitätseinstufung durch die Rating-Agenturen von jeder Informationspflicht des Emittenten freigestellt sind,93 sowie punktuell im Schweizer Prospektrecht.94 87
Siehe § 11 II 1 c) bb). Siehe § 15 III 1 a). 89 So die Formulierung im deutschen Recht in § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG. 90 Zu diesem Grund für die Regulierung durch Ratings noch näher unter II 1. 91 Siehe § 15 III 1 a) bb), IV. 92 So nach Form S–3 unter dem Securities Act of 1933 in Gestalt stark reduzierter Anforderungen an den Prospektinhalt und nach Rule 415 unter dem Securities Act durch die Möglichkeit einer shelf registration (jeweils in deren bis zum 20. September 2011 geltenden Fassung; siehe näher § 9 III 2). 93 So § 3(a)(3) Securities Act of 1933, der eine vollständige Freistellung von den Registrierungsund Prospektanforderungen des Acts bewirkt, mit seiner Anwendbarkeit auf „prime quality commercial paper“ (siehe § 9 III 1). 94 So bei der Nennung des Emissionsratings als Substitut für Angaben zur Emittentenfinanzlage bei Anleihen deutscher Bundesländer; vgl. näher § 9 III 3. 88
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Die regulatorische Verwendung privater Ratings als Substitut gesetzlicher Publizität beruht regelmäßig auf der Beobachtung des Gesetzgebers, dass sich die Marktteilnehmer ohnehin an Ratings und nicht an sonstigen Informationen orientieren und eine Aufrechterhaltung aufwändiger Publizitätsanforderungen aus diesem Grund müßig erscheint.95 In dieser Begründung manifestiert sich zunächst ein offenes Abrücken von den neoklassischen Modellannahmen der Theorie informationseffizienter Märkte, die dem U.S.-amerikanischen Publizitätsrecht generell zugrunde liegen,96 weil die beobachtete alleinige Berücksichtigung nur einer Marktinformation in Situationen, in denen umfangreiche weitere Informationen zugänglich sind, mit diesen Annahmen unvereinbar ist. Indem bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Publizitätsregelungen berücksichtigt wird, ob bestimmte Informationen tatsächlich durch die „realen“ Marktteilnehmer verwandt werden, wird damit ein grundsätzlich begrüßenswerter Schritt hin zu einer adressatengerechten Ausgestaltung des Publizitätssystems97 getan. Die Einstufung eines „investment grade“-Ratings als hinreichenden Ersatz für einen wesentlichen Teil der ansonsten verlangten, umfangreichen Angaben der gesetzlichen Publizität verkennt jedoch, dass den Marktteilnehmern damit auch die Grundlage zur eigenständigen Einschätzung derjenigen zahlreichen Risiken genommen wird, die ein Rating gar nicht abbildet. Der regulatorische Einsatz von Ratings als Prospektsubstitut ist daher zu kritisieren, soweit er Ratings implizit als umfassende Risikoinformation, also „allgemeines Gütesiegel“ verwendet:98 Diese Aufgabe kann ein Rating nicht erfüllen, sodass hier im Ergebnis ein gesetzgeberisches Missverständnis bezüglich der Ratingbedeutung vorliegt.99
4. Neuere Tendenzen zur Zurückdrängung der Regulierungsfunktion des Ratings Der rechtsvergleichende Befund lässt schließlich noch eine weitere Tendenz erkennen, die erst in den letzten Jahren entstand und zur grundsätzlich zunehmenden Bedeutung der rechtlichen Indienstnahme von Ratings100 im Gegensatz steht: Die bewusste Zurückdrängung der Regulierungsfunktion des Ratings.
95
So namentlich die Regelungsbegründungen zum vormaligen Form S–3 in SEC Release 33– 6331, 34–18007, IC–11888 vom 6. Aug. 1981, 46 FR 41902 ff.; SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1270: „with respect to offerings of high quality debt a detailed prospectus is unnecessary since such securities are generally purchased on the basis of interest rates and security ratings“. 96 Dazu bereits in § 5 III 1 b). 97 Siehe hierzu noch § 18. 98 Vgl. auch Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 308: „ratings sometimes are viewed as de facto substitute for full disclosure because investor reliance on ratings reduces reliance on disclosed information“. 99 Hierzu noch unter III. 100 Oben I 2.
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a) Rechtsvergleichender Befund Entsprechende Schritte sind im Kreis der hier untersuchten Rechtsordnungen allerdings bislang noch die Ausnahme, weil sie sich auf die U.S.A. beschränken (dazu sogleich im Text). Die Europäische Union beabsichtigt dagegen allenfalls mittelfristig,101 die ratingbasierten Vorschriften des Unionsrechts zu überprüfen und ggfs. – d.h. (nur) bei Vorhandensein geeigneter Alternativen zu Ratingbezugnahmen – zu ersetzen;102 zudem haben Ratingverweise im tatsächlich erlassenen EU-Recht in jüngerer Zeit eher zugenommen.103 Auch in Deutschland, der Schweiz und Hongkong104 sowie auf der internationalen Ebene im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht105 ist im Übrigen keine Tendenz zur Abschaffung regulatorischer Ratingverweise erkennbar. b) U.S.-amerikanisches Recht: Vorgaben des Dodd–Frank Acts und deren Folgen Die in den U.S.A. in den letzten Jahren nachweisbaren Bemühungen um die Zurückdrängung regulatorischer Ratingbezugnahmen wurzelt im Dodd–Frank Act aus dem Jahre 2010,106 der einige Gesetzesverweise auf Ratings selbst strich107 und zudem sämtliche Bundesfinanzaufsichtsbehörden verpflichtete, bestehende Ratingbezugnahmen durch alternative Kreditwürdigkeitsmaßstäbe zu ersetzen.108 In ihrem Zusammenwirken brachten diese Vorgaben des Dodd–Frank Acts das allgemeine Postulat zum Ausdruck, bundesrechtliche Verweise auf Ratings zu beseitigen. Die praktische Wirksamkeit dieses Abschaffungspostulats erwuchs vor allem daraus, dass dieses unmittelbar durch den parlamentarischen Bundesgesetzgeber statuiert wurde und daher nicht mehr in seinem „ob“, sondern lediglich seinem „wie“ einer Umsetzung durch die Aufsichtsbehörden bedurfte. Es unterschied sich darin von vergeblichen Versuchen der Vergangenheit, die Regulierungs101
Nämlich bis zum 1. Januar 2020. So Art. 5c EG-RatingVO; siehe dazu schon im Text vor § 6. 103 Vgl. Cantor, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 27, 29: „Moreover, some of the regulatory developments occurring now in Europe might be seen by some as strengthening the role of ratings in regulation over time.“ 104 Vgl. Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 6: „… another related issue is to review the use of ratings for regulatory purposes. As the discussions on this area are still evolving, the SFC will continue to monitor the development in this area closely and assess its implications.“ 105 Dies kritisierend Cantor, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 27, 29. 106 Siehe zu diesen Regelungen schon im Text vor § 6. 107 §§ 939, 939G Dodd–Frank Act. 108 § 939A(a), (b) Dodd–Frank Act (Aufforderung an alle Bundesaufsichtsbehörden zur Erfassung bestehender Ratingbezugnahmen in aufsichtsrechtlichen Regelungen sowie zu deren Beseitigung: „Each such agency shall modify any such regulations identified by the review conducted under subsection (a) to remove any reference to or requirement of reliance on credit ratings and to substitute in such regulations such standard of credit-worthiness as each respective agency shall determine as appropriate for such regulations“). 102
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funktion des Ratings zurückzudrängen: So hatte die SEC schon 2008 eine Abschaffung untergesetzlicher Ratingbezugnahmen in ihrem Zuständigkeitsbereich vorgeschlagen,109 war dabei jedoch auf den energischen Widerstand der Marktteilnehmer gestoßen110 und hatte die Pläne daher einstweilen weitgehend111 aufgegeben. Dass die Entscheidung gegen den Beibehalt ausdrücklicher Ratingbezugnahmen nunmehr bereits durch den Kongress selbst getroffen worden war, verhalf den Beseitigungsplänen nunmehr auch dort zur Durchführung, wo diese – unverändert – auf zum Teil berechtigte Kritik aus Kreisen von Marktteilnehmern und Literatur stießen. Das generelle Abschaffungspostulat des Dodd–Frank Acts beruht dabei inhaltlich auf der Annahme, jede Regulierung durch Ratings beeinträchtige den Anreiz für Rating-Agenturen, qualitativ hochwertige Ratings zu erstellen, weil sie eine Nachfrage nach Ratings ohne Ansehen von deren Qualität schaffe.112 Der Kongress folgt damit in der Sache der regulatory license theory,113 deren Erklärungsansatz nach hier vertretener Ansicht114 allerdings eine unzutreffende Analyse der Gründe des Ratingeinflusses mit der zu weitgehenden Forderung einer kompletten Abschaffung von dessen Regulierungsfunktion verbindet. Vor diesem Hintergrund wurde auch das Abschaffungspostulat im Dodd–Frank Act überschießend ausgestaltet. Trotzdem drängt dieses die Ratingbezugnahmen im U.S.-amerikanischen Recht im Ergebnis weniger weit zurück, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag: aa) Begrenzter Anwendungsbereich des Abschaffungspostulats Seinen Grund findet dies zunächst im begrenzten Anwendungsbereich der §§ 939, 939A Dodd–Frank Act, die keineswegs die Anpassung sämtlicher rating109 Vgl. SEC Release 34–58070 „References to Ratings of Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (Proposed Rule) vom 1. Juli 2008, 73 FR 40088 ff. (11. Juli 2008); SEC Release 33–8940, 34–58071 „Security Ratings“ (Proposed Rule) vom 1. Juli 2008, 73 FR 40106 ff. (11. Juli 2008). 110 SEC Release 34–64352 „Removal of Certain References to Credit Ratings Under the Securities Act of 1934“ (Proposed rule) vom 27. Apr. 2011, 76 FR 26550, 26551 (6. Mai 2011): „in each of these concept releases and rule proposals, commenters generally did not support the removal of references to NRSRO ratings from Commission rules and provided few possible regulatory alternatives“; SEC Release 34–67448 „Commission Guidance Regarding Definitions of Mortgage Related Security and Small Business Related Security“ (Interpretation; solicitation of comment) vom 17. Juli 2012, 77 FR 42980, 42981 (23. Juli 2012): „have raised concerns that replacing the benchmark of credit ratings with another standard could, among other things, be harmful to investors, increase risk to financial institutions, distort financial markets, and increase burdens and costs.“ 111 Geändert wurden lediglich einige kaum bedeutsame Bestimmungen; vgl. SEC Release 34– 60789, IC–28939 „References to Ratings of Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (Final Rule) vom 5. Okt. 2009, 75 FR 52358 ff. (9. Okt. 2009). 112 Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1686: „According to the theory that apparently underlies Dodd–Frank, rating-dependent regulation blunts rating agencies’ incentives to produce high-quality ratings by creating demand for all ratings, of high or low quality“; zustimmend Darbellay, Regulating Ratings, S. 54. 113 Zu dieser § 5 III 1 a) bb). 114 Siehe § 5 II 1 a) sowie oben im Text unter I 1.
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basierter Rechtsvorschriften im Recht der U.S.A. anordnen,115 sondern sich auf Bestimmungen des Bundesrechts beschränken. Und auch auf bundesrechtlicher Ebene werden gleichwohl Bezugnahmen auf Ratings bestehen bleiben, weil der Dodd–Frank Act nicht alle Vorschriften dieses Inhalts erfasst116 und zudem zu erwarten steht, dass sein Abschaffungspostulat durch die Behörden nicht immer vollständig umgesetzt werden wird. Von vornherein nicht erfasst werden die zahlreichen ratingbasierten Bestimmungen im Recht der einzelnen U.S.-Gliedstaaten.117 Dies gilt etwa für das Versicherungsaufsichtsrecht,118 das in starkem Maße ratingabhängig ausgestaltet ist und dies selbst bei Annahme aller auf einzelstaatlicher Ebene diskutierten Reformvorschläge weiterhin bleibe119 – ein auch deshalb besonders bedeutsames Regulierungsfeld, weil Versicherungsunternehmen zu den größten Investoren am U.S.-amerikanischen Anleihemarkt zählen.120 Von den Vorgaben des Dodd–Frank Acts unberührt bleiben darüber hinaus Ratingbezugnahmen, die sich in privaten Regel- und Vertragswerken finden121 sowie die wichtige Rolle, die Ratings in der Rechtsanwendungspraxis bei Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „prime quality“122 oder der prudent person rule123 spielen. bb) Fortdauernde regulatorische Bedeutung von Ratings trotz Streichung expliziter Ratingbezugnahmen Darüber hinaus entfällt aber selbst innerhalb des Anwendungsbereiches des Abschaffungspostulats nicht etwa jede regulatorische Bedeutung von Ratings, weil diese sich nach dessen erfolgter Umsetzung zum Teil lediglich anders auswirken als zuvor, ohne jedoch entscheidend an Einfluss einzubüßen. Dies liegt wiederum daran, dass der Dodd–Frank Act nicht etwa die Abschaffung jeglicher Ratingverwendung bei der Anwendung rechtlicher Vorschriften verlangt, sondern lediglich die Streichung expliziter Ratingbezugnahmen. An ihre Stelle traten nicht selten generalklauselartig umschriebene Kreditwürdigkeitstandards wie etwa „has only a minimal amount of credit risk“,124 „if the risk of default by the obligor is low and the full and timely repayment of principal and interest is 115
Darbellay, Regulating Ratings, S. 54. Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1051 m. Nachw. in Fn. 200. 117 Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1104; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1051. 118 Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1686. 119 Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1670 und 1685. 120 Vgl. Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1669: in den U.S.A. halten Versicherungsunternehmen ca. 20% der Unternehmens- und ausländischen Anleihen und 16% der U.S.-amerikanischen municipal bonds, womit sie als Investorengruppe wichtiger sind als die Banken. 121 Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1104; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1051. 122 Zu dieser Anforderung der Rechtsprechung im Rahmen des § 3(a)(3) Securities Act of 1933 schon § 9 III 1. 123 Zu diesem Sorgfaltsmaßstab des Common Law § 12 V. 124 So die neu gefasste „net capital rule“ für broker-dealer in 17 C.F.R. § 240.15c3–1(c)(2)(vi)(E) (in der seit dem 7. Juli 2014 geltenden Fassung); siehe dazu schon § 7 II 2 a) cc). 116
§ 17 Die Regulierungsfunktion des Ratings in der zusammenfassenden Analyse
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expected“125 oder „that the fund’s board of directors determines presents minimal credit risks (which determination must be based on factors pertaining to credit quality and the issuer’s ability to meet its short-term financial obligations)“126. Obgleich neugefasste Vorschriften dieses Typs127 damit nicht länger ausdrücklich auf Ratings verweisen, wird in den zugehörigen Entstehungsmaterialien durchweg klargestellt, dass mit der Umgestaltung des Normwortlauts keine Änderung der verlangten Bonität beabsichtigt war;128 zudem wird dort bestimmt, dass Rechtsanwender sich zur Konkretisierung der neu formulierten Kreditwürdigkeitstandards auch weiterhin auf die Ratings anerkannter Rating-Agenturen stützen dürfen.129 125 So die Anlagevorschriften für Geschäftsbanken in 12 C.F.R. § 1.2(d) (in der seit dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung); siehe dazu schon § 7 I 1 d). 126 So der Vorschlag einer Neufassung der Rule 2a–7 zum Investment Company Act of 1940 in SEC Release 33–9193, IC–29592 „References to Credit Ratings in Certain Investment Company Act Rules and Forms“ (Proposed rule) vom 3. März 2011, 76 FR 12896, 12914 (9. März 2011); siehe dazu schon § 12 II 3 a) cc). 127 Nicht alle U.S.-amerikanischen Neuregelungen, die anstelle ratingbasierter Vorschriften geschaffen wurden, verwenden Kreditwürdigkeitstandards der beschriebenen Art; teilweise nehmen sie stattdessen auf andere Faktoren wie etwa das begebene Emissionsvolumen Bezug (so die Publizitätsprivilegien nach Form S–3 unter dem Securities Exchange Act; dazu § 9 III 2 a) dd)), teilweise wurden sie schlicht risikounabhängig ausgestaltet (so die Eigenmittelanforderungen an Banken seit „Basel III“; siehe dazu § 6 III 5 c) bb)). 128 So zu den neugefassten Anlagevorschriften für Geschäftsbanken (dazu § 7 I 1 d) Office of the Comptroller of the Currency (OCC), „Alternatives to the Use of External Credit Ratings in the Regulations of the OCC“ (Final Rule) vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253, 35254 (13. Juni 2012): „The OCC believes that the proposed ‚investment grade‘ standard and the due diligence required to meet it are consistent with those under prior ratings-based standards and existing due diligence requirements and guidance“ und „[t]he OCC does not intend for the elimination of references to credit ratings, in accordance with the Dodd–Frank Act, to change substantively the standards national banks must follow when deciding whether a security is ‚investment grade‘ …“; dass., Guidance vom 4. Juni 2012, 77 FR 35259, 35260; zur neu gefassten „net capital rule“ für brokerdealer (dazu § 7 II 2 a) cc)) SEC Release 34–71194 vom 27. Dez. 2013, 79 FR 1522, 1525 f.: „However, the Commission does not intend for the new standard to result in a more liberal requirement that broadens the scope of the rule by allowing more positions to qualify for the lower haircuts“; ebenso zur vorgeschlagenen Neufassung der Rule 2a–7 zum Investment Company Act (dazu § 12 II 3 a) cc)) SEC Release 33–9193, IC–29592 (Proposed rule) vom 3. März 2011, 76 FR 12896, 12898: „… would have to satisfy a standard similar to the credit quality standards that have been articulated by the credit ratings agencies …“. 129 Office of the Comptroller of the Currency, Final Rule vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253, 35254: „external credit ratings and assessments remain valuable sources of information and provide national banks with a standardized credit risk indicator“; dass., Guidance vom 4. Juni 2012, 77 FR 35259, 35261: „This may include consideration of […] third party research and analytics including external credit ratings“, „analytical support may be delegated to third parties“; SEC Release 34– 71194 vom 27. Dez. 2013, 79 FR 1522, 1526: „The Commission notes that credit ratings […] can serve as useful benchmarks for evaluating whether a broker-dealer’s policies and procedures, as applied to the minimal amount of credit risk standard, are increasing the types of commercial paper, non-convertible debt, and preferred stock positions to which it applies the lower haircuts as compared to the eliminated NRSRO credit rating standard“; SEC Release 33–9193, IC–29592 (Proposed rule) vom 3. März 2011, 76 FR 12896, 12898: „Fund boards of directors (which typically rely on the fund’s adviser) would still be able to consider quality determinations prepared by outside sources, including NRSRO ratings …“.
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Wenn die funktionsgleiche Neufassung einer Rechtsvorschrift aber die gleiche Bonitätsschwelle vorgeben soll wie bisher und bei ihrer Anwendung auch weiterhin auf dieselben Ratings abgestellt werden darf, so beschränkt sich die Streichung der expliziten Ratingbezugnahme letztlich auf eine bloße Änderung in der Form,130 denn das Rechtsanwendungsergebnis soll ja erklärtermaßen das Gleiche bleiben. Vor diesem Hintergrund steht zu erwarten, dass die bisherige, ausdrücklich ratingbasierte Praxis schlicht unverändert fortgesetzt werden wird.131 Gestützt wird diese Prognose durch Erfahrungen, welche die SEC schon in den 1980er/90er Jahren mit der ratingbasierten Rule 2a–7 zum Investment Company Act132 machte: Auch dort orientierten sich Fondsleitungen bei Vornahme der von ihnen geforderten Bonitätsbeurteilungen durchweg eng an den Ratings der Rating-Agenturen, und selbst ein ausdrückliches Verbot der ausschließlichen Ausrichtung an Ratings („… which determination must be based on factors pertaining to credit quality in addition to any rating assigned to such securities by an NRSRO“)133 vermochte diese Praxis nicht zu ändern. Freilich verändert die Umstellung von einer expliziten Anknüpfung an bestimmte Ratinghöhen hin zu einer Risikobeurteilung, in die Ratings nur als einer unter mehreren Faktoren eingehen (dürfen), die Bedeutung des Ratings deshalb, weil damit das vielfach kritisierte hardwiring beseitigt wird. Während eine bestimmte Ratingeinstufung oder -änderung zuvor für alle Regelungsunterworfenen ein und dieselbe Rechtsfolge auslöste (und daher auch zeitgleich ein und dieselbe Reaktion, wenn ein Wertpapier nach Herabstufung unter das vorgeschriebene Mindestrating abgestoßen werden musste), kann nun jeder Marktteilnehmer entscheiden, ob und ggfs. wie er Ratings beachtet.134 Ein solcher Entscheidungsspielraum kann dazu beitragen, systemische Risiken der Regulierungsfunktion135 zu reduzieren und ist aus diesem Grund zu begrüßen, obwohl diese Risiken den Verfassern des Dodd–Frank Acts anscheinend gar nicht vor Augen standen.
c) Risiken der Zurückdrängung der Regulierungsfunktion des Ratings Jede Beseitigung rechtlicher Ratingbezugnahmen bringt allerdings Risiken mit sich,136 die bei der Bewertung solcher Vorhaben in Rechnung zu stellen sind. In Anknüpfung an die oben137 entwickelte Typologie von Ratingbezugnahmen kann insoweit nach dem Typ des beseitigten Ratingverweises unterschieden werden: 130
So schon oben in § 7 I 1 d) cc). Hill, 15 Chapman L. Rev. (2011), 133, 144; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 145; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1059 f.; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1072. 132 Zu dieser § 12 II 3 a). 133 Klammerzusatz in Rule 2a–7(c)(3)(i) (meine Hervorhebung), eingefügt durch SEC Release 33–6882, IC–18805 vom 20. Feb. 1991, 56 FR 8113, 8116. Siehe bereits § 12 II 3 a) bb) (3) (b). 134 Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1050 mit dem zutreffenden Hinweis, dass darüber hinaus nicht länger nur Ratings als NRSRO anerkannter Rating-Agenturen, sondern jeder RatingAgentur verwandt werden dürfen. 135 Siehe zu diesen noch § 31. 136 So warnend zum Dodd–Frank Act Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1120; Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 768. 137 Oben unter 3. 131
§ 17 Die Regulierungsfunktion des Ratings in der zusammenfassenden Analyse
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Fungierte das Rating als Bestandteil materiellrechtlicher Vorgaben, so wurzelt ein Risiko vor allem in der Schwierigkeit, eine taugliche Alternative zum Rating in dieser Regulierungsfunktion zu finden. Jeder Ratingersatz müsste ja idealiter dieselben Charakteristika aufweisen, infolge derer Ratings so häufig zu Regulierungszwecken eingesetzt werden138 – eine Anforderung, der nicht leicht zu genügen ist.139 Wird demgegenüber ein Ratingersatz gewählt, der dieser Voraussetzung nicht genügt, so wird der Regelungszweck der ehemals ratingbasierten Rechtsvorschrift u.U. nicht länger verwirklicht und die strukturelle Stärkung des Rechts, die durch die Streichung von Ratingbezugnahmen erreicht werden sollte, durch eine andersartige Schwächung konterkariert. Dieses Risiko hat sich bei Umsetzung des Dodd–Frank Acts namentlich dort verwirklicht, wo Ratingschwellen in Vorschriften der aufsichtsrechtlichen prudential regulation durch Risikobeurteilungen des regulierten Marktteilnehmers selbst ersetzt wurden und der eigentliche Zweck dieser Bestimmungen, einen von unabhängiger dritter Seite bestimmten Maßstab zu statuieren, daher seitdem verfehlt wird.140 Ein solches Vorgehen ersetzt somit lediglich ein Problem durch ein anderes, und vieles spricht für die Prognose, dass das neu geschaffene Problem des verminderten Schutzstandards in Zukunft seinerseits gesetzgeberische Reaktionen erfordern wird. Soweit Ratingbezugnahmen in gesetzlichen Publizitätsvorschriften in Rede stehen, bedarf es zunächst vor allem einer genauen Analyse ihrer Funktion innerhalb des Publizitätssystems, weil ihre Streichung andernfalls überraschende und unbeabsichtigte Folgewirkungen zeitigen kann. Dieses Risiko hat sich in der noch jungen Geschichte des Dodd–Frank Acts bereits mehrfach verwirklicht: So hatte die im Dodd–Frank Act spezifisch vorgeschriebene141 Abschaffung des Ratingverweises in der Regulation FD142 nicht (wie anscheinend bezweckt) zur Folge, dass die rechtliche Privilegierung der vertraulichen Emittentenkommunikation mit Rating-Agenturen entfiel,143 was im Übrigen auch nur zu einer reduzierten Informationsversorgung der Marktöffentlichkeit geführt hätte, die der Gesetzgeber gar nicht beabsichtigt haben dürfte. Auch bei der gesetzlichen Streichung144 des Haftungsprivilegs zugunsten von Rating-Agenturen in Rule 436(g) zum Securities Act of 1933145 wurde dessen ermöglichende Rolle im Rahmen des Publizitätsrechts offenkundig verkannt und daher nicht vorhergesehen, dass die Rating-Agenturen ihre nach dem Gesetz seit jeher erforderliche146 Zustimmung 138
Siehe zu diesen noch näher unter II 1. Siehe zum Problem der fehlenden regelungstechnischen Alternative zu Ratings noch im Einzelnen § 31 II 1 a) bb). 140 Siehe dazu im Zusammenhang mit der Reduktion systemischer Risiken der Regulierungsfunktion des Ratings noch § 31 II 1 a) bb) (4). 141 Nämlich in § 939B Dodd–Frank Act; siehe dazu § 11 III 3 c). 142 Dazu § 11 III 3. 143 Siehe § 11 III 3 d). 144 Durch § 939G Dodd–Frank Act: „Rule 436(g) … shall have no force or effect.“ 145 Zu dieser § 9 II 3 b) aa). 146 § 7(a) Sätze 2 und 3 Securities Act of 1933; siehe dazu schon § 9 II 3 b). 139
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zur Nennung von Ratings in Prospekten nun nicht länger erteilen würden.147 Während dies am Anleihemarkt dazu führte, dass Emissionsprospekte seitdem keine Ratings mehr enthalten und dadurch die Markteintrittspublizität geschwächt wurde, konnten strukturierte Finanzinstrumente vorübergehend gar nicht öffentlich angeboten werden, weil hierfür die (unmöglich gewordene) Angabe von Ratings gesetzlich vorgeschrieben ist.148 Daneben wurde die gesetzlich geregelte Marktpublizität auch dadurch beeinträchtigt, dass bislang erlaubte Ratingnennungen nicht länger darin enthalten sein dürfen149 – ein Reformschritt, der dem Informationsziel der gesetzlichen Publizität widerspricht, ohne den Einfluss von Ratings als Marktinformation zu ändern.
II. Gründe für die Regulierung durch Ratings und Rückwirkungen auf die Marktinformationsfunktion des Ratings Die Regulierung durch Ratings hat sich in jüngerer Zeit sowohl in den meisten Staaten vertieft als auch international auf solche Staaten ausgeweitet, in denen die Regulierungsfunktion des Ratings vor kurzem (wie etwa in Deutschland) noch unbekannt war; die tendenzielle Zurückdrängung der Regulierungsfunktion wie jüngst in den U.S.A.150 ist bislang die Ausnahme geblieben. Da sowohl ratingbasierte Rechtsvorschriften nationaler, regionaler und internationaler Herkunft als auch vertragliche „rating trigger“ dabei fast einheitlich auf dieselben am Markt anerkannten Rating-Agenturen, nämlich Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch (sowie gelegentlich eine kleine Gruppe weiterer Agenturen) verweisen, nehmen diese privaten Informationsintermediäre mittlerweile eine zweite quasi-regulatorische151 Aufgabe wahr, die gelegentlich sogar als quasi-öffentlich152 oder öffentlich153 charakterisiert wird. Der daraus erwachsende rechtliche Einfluss der Rating-Agenturen sowie die drohenden Rückwirkungen auf ihre originäre Marktinformationsfunktion154 wurden dabei durch die diversen, jeweils unabhängig voneinander agierenden Regelsetzer nicht immer erkannt, obwohl ein U.S.-ame147
Siehe § 9 II 3 b) aa) (3). Dazu § 10 III 1 b); dort auch zur (zeitlich unbegrenzten) Lockerung der ratingbasierten Publizitätsvorgaben durch die SEC, mittels derer das eingetretene Dilemma einstweilen bewältigt wurde. 149 Siehe zur Streichung des „safe harbor“ für Ratingangaben in tombstone advertisements aus Rule 134 zum Securities Act of 1933 schon § 9 II 3 b) bb). 150 Dazu soeben unter I 4. 151 So de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 66; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 471; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 540; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 5; Ziegler, zitiert nach Pixley, Emotions in Finance, S. 150. 152 So Listokin/Taibleson, 27 Yale J. on Reg. (2010), 91, 97; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 653; von Schweinitz, WM 2008, 953: der Funktion nach quasi öffentlich-rechtlich. 153 So Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1918; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1014. 154 Dazu unter 2. 148
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rikanischer Autor schon in den 1930er Jahren in Beurteilung der frühen Regulierungsfunktion des Ratings konstatiert hatte: „It was, most probably, not intended […] to expose the rating agencies to the responsibilities and embarrassments of a quasi-monopolistic control over the capital market.“155
1. Gründe für die Regulierung durch Ratings Der Einsatz regulatorischer Bezugnahmen auf Ratings kann eine Reihe unterschiedlicher Gründe haben, die hier lediglich zu umreißen sind.156 Sie alle teilen als Ausgangspunkt die derivative Natur der Regulierungsfunktion:157 RatingAgenturen erstellen und veröffentlichen Ratings originär zur Erfüllung ihrer Marktinformationsfunktion, an die öffentliche und private Regelsetzer sodann von sich aus zusätzlich regulatorische Wirkungen anknüpfen. Die viel beklagte „Macht“ der Rating-Agenturen158 geht also, soweit sie auf der Regulierungsfunktion beruht, allein auf deren Verleihung durch die diversen Regelsetzer zurück.159 Auf Seiten der Rating-Agenturen wird die ungefragte (und unvergütete160) regulatorische Indienstnahme ihrer Ratings dagegen traditionell überwiegend kritisch gesehen,161 obgleich aus ihr unverkennbar auch wirtschaftliche Vorteile für die Agenturen erwachsen können. Die Regulierung durch Ratings stellt sich im Übrigen als Ausdruck eines spezifischen regulatorischen Steuerungsmodells dar, nämlich der Indienstnahme privater Akteure für aufsichtsrechtliche Zwecke.162 Für diese lassen sich verschiedene Gründe anführen: So wird zum einen auf die Flexibilisierung der Finanzmarktregulierung verwiesen, die eine Bezugnahme auf Ratings ermög-
155
Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 102. Vgl. auch die Erklärungsversuche aus politikwissenschaftlicher Perspektive bei Kruck, Private Ratings, Public Regulations, S. 80 ff. 157 Siehe schon § 1 II 2. 158 Siehe § 1 I. 159 Gelegentlich wird die Verantwortung hier zu Unrecht allein auf internationaler Ebene verortet, wie etwa bei Sanio, in: Bankrechtstag 2003, S. 3, 13: „Die Rating-Agenturen haben auch in diesem Spiel eine ungeheure Macht, und der Baseler Ausschuss lebt mit ihnen gewissermaßen in einer unausgesprochenen symbiotischen Beziehung“. 160 Dies betonend Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1687. 161 In diesem Sinne etwa Thomas J. McGuire, der damalige Executive Vice President von Moody’s, im Jahre 1995: „the weight of government regulators on private institutions can be enormous. Eight hundred pound gorillas should be careful where they sit“ (McGuire, Ratings in Regulation: A Petition to the Gorillas, zitiert nach Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 623 Fn. 15); ebenso die „äußerst kritische“ Haltung, die Berblinger, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 21, 50 betont: „Moody’s Kritik fußt auf dem langfristigen Schaden, den die Funktionsfähigkeit internationaler Kapitalmärkte hierdurch erleiden kann“; Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 105; Cantor, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 27 ff. 162 Becker, ZG 2009, 123, 135 ff.; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 61; dies., SZW/RSDA 2006, 32, 41; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 3: „representative of a growing trend toward private ordering of traditionally public functions“; in diesem Sinne auch Chirico, ECMI Commentary No. 17 (Jan. 2008), S. 1. 156
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licht,163 weil Rating-Agenturen auch innovative Finanzinstrumente beurteilen und Ratingeinstufungen am Sekundärmarkt zudem ständig geänderten Bonitäten und Kreditrisiken angepasst werden; eine statische gesetzliche Regelung, wie sie etwa die überkommene Definition mündelsicherer Anlagen (§ 1807 BGB, auch Art. 401 ZGB) darstellt,164 oder auch ein administratives Eingreifen könnten mit dem hohen Innovationstempo der Finanzmärkte nicht in vergleichbarer Weise mithalten.165 Damit eng verwandt ist die Nutzung der fachlichen Expertise der privaten Rating-Agenturen, die auf Seiten staatlicher Aufsichtsbehörden so typischerweise nicht vorhanden ist166 – erinnert sei nur an den diesbezüglichen, häufig zitierten Ausspruch des Präsidenten der deutschen Finanzmarktaufsichtsbehörde aus dem Jahre 2008167 – und nur mit beträchtlichem Aufwand und Kosten aufgebaut werden könnte.168 Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass selbst die Zentralbanken der hier untersuchten Währungsräume durchweg auf Ratings blicken, wenn es um die nötige Bonität zur Teilnahme an Zentralbankgeschäften geht,169 obgleich man bei ihnen eine entsprechende eigene Fachkenntnis vermuten sollte.170 Daneben spielt sicher auch die globale Reichweite der Beurtei-
163 Becker, ZG 2009, 123, 136; Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 126; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 126; Lehmann, ZIP 2007, 1889, 1898; Lerch, BKR 2010, 402, 407. 164 Für deren Ersetzung durch eine ratingbasierte Norm Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 126; Mues, ZBB 1996, 252, 256. 165 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 126 mit Hinweis auf „regulatorischen Stress“; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 137; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 126; Lehmann, ZIP 2007, 1889, 1898; Mues, ZBB 1996, 252, 256; von Randow, ZBB 1995, 140, 154. 166 Becker, ZG 2009, 123, 135; Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 261; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 289 f.; Lehmann, ZIP 2007, 1889, 1898; Listokin/Taibleson, 27 Yale J. on Reg. (2010), 91, 102: „the government does not have a great history of keeping abreast of financial innovations“; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 297. 167 Präsident der BaFin Jochen Sanio auf der Jahrespressekonferenz der BaFin am 28. Mai 2008 (zitiert nach Höfling, Gutachten F zum 68. DJT (2010), S. F 41): „Auch wir Aufseher müssen uns bei der Analyse der Risikosituation einer Bank auf Ratings verlassen können; dies umso mehr, als die Banken immer mehr Risiken aus Verbriefungstransaktionen auf ihre Bücher nehmen. Der Gedanke, wir sollten uns in Konkurrenz zu den Ratingagenturen ein eigenes Urteil über diese Risiken bilden, ist absurd. Wir hätten keine Chance, die Ratings der Agenturen zu hinterfragen oder gar zu widerlegen.“ Dazu Höfling, a.a.O.: „verblüffendes Eingeständnis“. 168 Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1025; auch Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 137: ratingbasierte Regulierung verspreche unter dem Strich Effizienzgewinne. Vgl. zu diesem Fragenkreis auch die Bemerkungen in BGer, 30.11.1973, BGE 99 Ib 409, 412 f. E. 2c (zur bonitätsabhängigen Eigenmittelbemessung bei Schweizer Banken vor „Basel I“): „Mit dieser Sonderregelung übernimmt die Verordnung übrigens in einem gewissen Sinne den Gedanken, die Bonität des Schuldners zu berücksichtigen. Gründe der Praktikabilität der Ordnung rechtfertigen es, im übrigen die Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes nicht vorzuschreiben, wäre doch eine entsprechende Prüfung oft schwierig und von der [Eidgenössischen Bankenkommission] kaum ohne wesentliche Erweiterung ihres Beamtenstabes zu bewältigen.“ 169 Siehe § 7 II 3. 170 Eine Aufgabe der Ratingverwendung durch Zentralbanken fordert daher Financial Stability Board, Principles for Reducing Reliance on CRA Ratings (Oct. 2010), S. 3.
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lungstätigkeit der Rating-Agenturen eine Rolle,171 die Regelsetzern einen Zugriff auf standardisiert codierte (und daher verständliche) Bonitätsinformationen auch über ausländische Finanztitel und Unternehmen eröffnet, die in rechtlichen Regelungen im Zeitalter global vernetzter Finanzmärkte ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Vor allem soll die rechtliche Indienstnahme von Ratings aber die Risikoeinschätzung durch einen unabhängigen Dritten an die Stelle der oder ergänzend neben die Einschätzung dessen setzen, der das Risiko eingeht und dabei risikobegrenzenden Regeln (prudential regulation) unterworfen ist.172 Dahinter steht die Erkenntnis, dass das Abstellen auf die Risikoeinschätzung des regulierten Marktteilnehmers selbst in der Sache auf eine Selbstveranlagung hinausliefe, die typischerweise durch einen Interessenskonflikt beeinflusst wäre: Da regulierte Finanzmarktakteure wie Fondsmanager (geregelt durch risikobezogene Anlagevorschriften173 zum Schutz der Fondsanteilseigner) oder Banken (geregelt durch risikoabhängige Eigenmittelanforderungen174 zum Schutz der Bankgläubiger wie der Finanzmarktstabilität) erkennbar ein Eigeninteresse daran besitzen, diese Einschränkung möglichst gering zu halten, wird ihr Urteil mit gutem Grund für nicht (oder nicht allein) maßgeblich erklärt. Die verbreitet diskutierten Interessenskonflikte der Rating-Agenturen, die in der befürchteten Rücksichtnahme auf Interessen auftraggebender Marktteilnehmer wurzeln,175 verblassen nämlich im Vergleich zum Anreiz regulierter Marktteilnehmer, auf die eigenen Interessen Rücksicht zu nehmen. Vor diesem Hintergrund muss die neuere Tendenz in der U.S.-amerikanischen und europäischen Finanzmarktgesetzgebung, Ratingbezugnahmen durch Risikoeinschätzungen der Regelungsunterworfenen selbst zu ersetzen,176 als außerordentlich bedenklich erscheinen. Schließlich dürfte auch die Codierung der Ratingkürzel177 zu ihrer verbreiteten regulatorischen Verwendung beigetragen haben, weil sie es ermöglicht, in Gesetzesvorschriften präzise auf private Marktinformationen Bezug zu nehmen, während eine vergleichbare Anknüpfung etwa an den Inhalt einer Finanzanalyse rechtstechnisch kaum zu bewerkstelligen wäre. Es zeigt sich daran, dass die einfache Verständlichkeit von Ratings nicht nur für Marktteilnehmer, sondern gleichermaßen für Regelsetzer und Regeladressaten von Bedeutung ist.178
In jeder rechtlichen Indienstnahme von Ratings liegt allerdings zwangsläufig eine Delegation staatlicher Entscheidungen auf private Informationsintermediäre,179 171
Vgl. Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 4. Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 162. Siehe schon § 12 IV 2. 173 Dazu bereits in § 12. 174 Dazu schon in § 6. 175 Siehe zu diesen noch ausführlich in § 25 I. 176 Siehe dazu sogleich unter 4. sowie noch in § 31 II 3. 177 Siehe § 5 IV. 178 Vgl. in diesem Sinne allgemein SEC Release 34–58070 vom 1. Juli 2008, 73 FR 40088, 40089: „Referring to NRSRO ratings in regulations was intended to provide a clear reference point to both regulators and market participants.“ 172
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
welche die Frage nach der Legitimität dieser Verlagerung und, damit einhergehend, der demokratischen Kontrolle der in Dienst genommenen Rating-Agenturen aufwirft.180 Während Stimmen namentlich im U.S.-amerikanischen Schrifttum auf das Interesse der Rating-Agenturen an der Erhaltung ihres Rufes verweisen und darin eine hinreichende Sicherung erkennen,181 konstatieren kritischere Autoren eine „Form der Selbstauslieferung der Finanzmarktaufsicht“, deren Vereinbarkeit mit Minimalanforderungen gewährleistungsstaatlicher Aufsicht zweifelhaft erscheine.182 Das damit angesprochene Problemfeld der Überwachung der Rating-Agenturen durch Markt und Staat wird im Dritten Teil der vorliegenden Untersuchung im Einzelnen zu behandeln sein.
2. Potentielle Rückwirkungen auf die Marktinformationsfunktion des Ratings Daneben wirft die zunehmende Bedeutung der Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen die Frage auf, ob sich aus dieser Entwicklung Rückwirkungen auf die Ausübung ihrer Marktinformationsfunktion ergeben183 und wie diesen erforderlichenfalls zu begegnen ist. Zu befürchten ist namentlich, dass RatingAgenturen die rechtlichen Folgen ihrer Bonitätsbeurteilungen bei deren Vornahme mit bedenken und daher namentlich vor solchen Herabstufungen zurückschrecken, die negative Rechtsfolgen auszulösen drohen und daher als sich selbst erfüllende Prophezeiungen wirken könnten.184 Empirische Untersuchungen aus den U.S.A. haben immerhin nachgewiesen, dass als NRSRO anerkannte RatingAgenturen mit Herabstufungen unter die „investment grade“-Schwelle länger zögern als Rating-Agenturen ohne Regulierungsfunktion.185 Die Rating-Agenturen selbst bestreiten freilich, in irgendeiner Form auf die rechtlichen oder wirtschaftlichen Folgen ihrer Ratings Rücksicht zu nehmen.186 179 Choi, 92 Nw. U. L. Rev. (1998), 916, 934; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 102: „outsourcing“; Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 3. 180 Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 15. 181 So etwa Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 15 (mit dem Hinweis, auch bei demokratischen Wahlen sei letztlich der Ruf der Kandidaten entscheidend); siehe noch umfassend in § 25 I 2 b) aa). 182 So Höfling, Gutachten F zum 68. DJT (2010), S. F 41; zustimmend Spindler, AG 2010, 601, 609; ganz ähnlich Mayen, AnwBl 2010, 611: „der faktische Einfluss der Rating-Agenturen führt tendenziell zu einer Selbstaufgabe der staatlicher Finanzmarktaufsicht und -regulierung“. In diese Richtung auch Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1831 ff. 183 In diesem Sinne etwa Cantor, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 27: „… potentially changing the nature of ratings.“ 184 Baums, ZHR 166 (2002), 375, 382: „ein zentrales Problem“; Bottini, San Diego L. Rev. 30 (1993), 579, 583; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 475; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 69 f.; Hurst, 30 Company L. (2009), 61, 62; Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 342 f.: „Because a downgrade by a rating agency is like a corporate nuclear bomb, the credit rating agencies are extremely reluctant to use their power“; Wiegel, Prospektrichtlinie, S. 74. 185 Johnson, 13 J. Fixed Income (2004), 25, 34. 186 Moody’s Investors Service, Code of Professional Conduct (Aug. 2010), Tz. 2.1: „MIS will not forbear or refrain from taking a Credit Rating Action, or from initiating or concluding a review
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Anekdotische Hinweise darauf, dass entsprechende Rückwirkungen auf die Wahrnehmung der Marktinformationsfunktion in der Realität nicht immer ausbleiben,187 bietet etwa der Fall Enron aus dem Jahre 2001, in dem die drei großen Rating-Agenturen scharfer Kritik ausgesetzt waren,188 weil sie das Unternehmen bis vier Tage vor seinem Zusammenbruch noch übereinstimmend als „investment grade“ (freilich auf der untersten Stufe dieser Kategorie) eingestuft hatten. Es spricht allerdings vieles dafür, dass den Rating-Agenturen die prekäre wirtschaftliche Lage Enrons nicht etwa entgangen war – die Agenturen waren vielmehr unmittelbar in die bis zuletzt laufenden Verhandlungen über eine mögliche Übernahme des Unternehmens durch den Wettbewerber Dynegy eingebunden –, sondern dass sie deshalb mit einer Herabstufung in den „non-investment grade“-Bereich zögerten, weil ihnen bewusst war, dass in diesem Fall zahlreiche vertragliche „rating trigger“ ausgelöst worden wären, deren Folgen (gemeinsam mit dem Umstand, dass Enron ohne „investment grade“-Einstufung faktisch nicht mehr am Energiehandel hätte teilnehmen können189) sogleich die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens verursacht hätten.190 Nachdem Enron’s Rating schließlich doch herabgestuft worden war, fiel das Unternehmen binnen vier Tagen in die Insolvenz – man kann daher mit guten Gründen annehmen, dass es die rechtlichen Wirkungen des Rating-Downgrades waren, welche den Enron-Zusammenbruch letztlich herbeiführten.191
Das Wissen um die rechtlichen wie wirtschaftlichen Folgen ihrer Bonitätsbeurteilungen bringt die Rating-Agenturen zweifelsohne in eine schwierige Position. Es muss nichts desto trotz dabei bleiben, dass Rating-Agenturen bei der Vornahme ihrer Ratingeinstufungen nicht auf deren regulatorische Folgewirkungen Rücksicht nehmen dürfen, weil andernfalls sowohl Marktinformations- als auch Regulierungsfunktion beeinträchtigt würden. Die Gefahren, die aus dem gleichzeitigen Anknüpfen zahlreicher Rechtsvorschriften an dasselbe Rating für das betreffende Unternehmen resultieren (sog. „credit cliff“-Effekt), können systemkonform nur dadurch bewältigt werden, dass diese rechtlichen Bezugnahmen sachgerecht gestaltet werden – ein Fragenkreis, der ebenfalls im Dritten Teil der
of a187Credit Rating, based on the potential effect (economic, political, or otherwise) of the action on MIS, an Issuer, an investor or other market participant.“ Fast wortgleich Standard & Poor’s, Ratings Services Code Of Conduct (Dec. 2008), Tz. 2.1. Im Schrifttum ebenso Krämer, wiedergegeben in Voges/Rehberg, WM 2004, 1605, 1606; Scholz, BFuP 2005, 259, 260. 187 Vgl. Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 70: „Just ,getting it right‘ doesn’t seem to be an option …“. 188 Vgl. etwa U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 108 ff.; Blaurock, ZGR 2007, 603, 613 mit dem Vorwurf der „Sorglosigkeit“; Hill, 35 Conn. L. Rev. (2003), 1145; dies., 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 70; Moloney, EC Securities Regulation, S. 648; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14: „spectacular failure“; Zimmer, in FS Hopt (2010), S. 2689, 2694. 189 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 109. 190 So im Schrifttum auch die Einschätzung von Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 485 f.; Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 213; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 69: „tremendous pressure was applied to the rating agencies not to downgrade below investment grade“; Hurst, 30 Company L. (2009), 61, 62; Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 342 f. 191 So Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 485 f.
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Untersuchung zu thematisieren sein wird.192 Insgesamt empfiehlt sich jedenfalls, bei der Regulierung des Ratings streng zwischen seiner Marktinformations- und seiner Regulierungsfunktion zu trennen, um die Unterschiede zwischen originärer und derivativer Aufgabe der Rating-Agenturen nicht zu verwischen.
III. Missverständnisse bezüglich des Aussagegehalts von Ratings und daraus resultierende Gefahren Die im Ersten Teil der Untersuchung dargestellten empirischen Befunde zu Reaktionen der Marktteilnehmer auf Ratingveröffentlichungen193 sowie die im Zweiten Teil aufgezeigten Erkenntnisse zur Verwendung von Ratings in ihrer Marktinformations- und Regulierungsfunktion legen darüber hinaus die Schlussfolgerung nahe, dass bezüglich des Aussagegehalts von Ratings verbreitet Missverständnisse bestehen. Beunruhigend ist dabei, dass diese allem Anschein nach nicht nur bei Investoren und anderen Marktteilnehmern,194 sondern auch bei staatlichen und privaten Regelsetzern195 auftreten.
1. Missverständnisse unter Marktteilnehmern Die Beobachtung, dass auf Seiten der Marktteilnehmer die Eigenschaft des Ratings als bloße Bonitätsbeurteilung nicht selten verkannt wird, ist dabei nicht völlig neu; sie hat aufgrund der Erfahrungen der globalen Finanzkrise 2007–09 in jüngerer Zeit lediglich verstärkte Aufmerksamkeit erfahren. Das angesprochene Missverständnis manifestiert sich vor allem darin, dass Ratings unter Marktteilnehmern verbreitet als „allgemeines Gütesiegel“ aufgefasst196 und eine hohe Ratingeinstufung folglich dahingehend fehlinterpretiert wird, sie signalisiere nicht nur ein geringes Kreditrisiko, sondern auch ein geringes Liquiditäts-,197 Markt-,198 Volatilitäts- und Währungsrisiko oder generell das Fehlen jedes Risikopotentials
192
Siehe § 31. Siehe § 5 II. 194 Dazu sogleich unter 1. 195 Siehe unter 2. 196 In diesem Sinne im Schrifttum etwa Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 2; Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1104: „Good Housekeeping Seal of Approval“; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 535: „Their ultimate stamp of approval, an AAA rating, is the closest thing bond investors can get to a fool-proof guaranty“; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 412: ein Rating reflektiere „all the major ingredients of the bond’s risk“. 197 Zu Recht kritisch IMF, Recent Financial Turmoil (Apr. 2008), S. 8: „Risk managers and supervisors should not equate credit ratings with liquidity“. 198 Dazu Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 34: „Many investors took CRAs’ ratings opinion of structured credit products as a seal of approval and looked no further“; Morkötter/Westerfeld, ZKredW 2008, 393, 396; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 403; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 296. 193
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für den Investor.199 Der Umstand, dass diese Beobachtung auch und gerade auf dem Markt für strukturierte Finanzinstrumente gemacht wird, auf dem praktisch ausschließlich professionelle Marktteilnehmer auftreten,200 belegt zugleich, dass entsprechende Fehlvorstellungen keineswegs auf Privatanleger beschränkt sind.201 Sie haben zur Folge, dass zahlreiche Marktteilnehmer Ratings nicht nur als einzigen Kreditrisikoindikator behandeln und auf eine eigene Bonitätseinschätzung verzichten – das viel beklagte Phänomen der over-reliance,202 das nach zahlreichen Rechtsregeln bereits als solches einen Sorgfaltsverstoß darstellt und zudem in neuerer Zeit verbreitet explizit untersagt wird203 – sondern darüber hinaus auch eine eigene Prüfung aller sonstigen Risikofaktoren unterlassen,204 zu denen ein Rating jedoch von vornherein gar nichts aussagt.205 Es wird daher eine verbreitete „investor confusion“ konstatiert.206 Warum die beschriebenen Missverständnisse unter Marktteilnehmern auftreten, wurde bislang nicht empirisch untersucht. Im Schrifttum finden sich unterschiedliche Erklärungsansätze: Manche vermuten die Ursache in der zunehmenden Verwendung von Ratings in staatlichen Rechtsvorschriften, durch die Investoren von der Ermittlung des genauen Aussagegehalts von Ratings abgehalten würden.207 Andere verweisen auf die Komplexität der Daten, anhand derer die Marktteilnehmer eine eigene Beurteilung der diversen Risiken vornehmen müssten, und meinen daher, dass Ratings infolge ihrer leichten Verständlichkeit als alleiniger Risikoindikator benutzt werden.208 Die letztgenannte Erklärung überzeugt deshalb, weil sie der vielfach unterschätzten Bedeutung der Informationscodierung209 Rechnung trägt. Um die Fehlverwendung von Ratings zurückzu199 Dies mit Recht beklagend Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europ. Unternehmens- u. KapitalmarktR, § 17 Rn. 261; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1014; Shipe/Freeman, 15 Inv. Lawyer (Oct. 2008), 13: „though this is not their intended purpose“. 200 Siehe § 10 I 1 c). 201 IMF, Recent Financial Turmoil (Apr. 2008), S. 8; vgl. zu ratingbasierten Anlagerichtlinien U.S.-amerikanischer Fonds Haight/Engler/Smith, 15 JOI (Fall 2006), 47, 51: „Bond credit ratings are obviously an attempt to provide a summary of the perceived quality/risk of a particular issue. It is a summary in the sense that the credit rating incorporates a great many factors.“ 202 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 56; Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 37 f.; Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1922; Avgouleas, ECFR 2009, 440, 445; Claussen, DB 2009, 999, 1003; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 281; Meier, ST 2009, 945: „blindes Vertrauen“; Morkötter/Westerfeld, ZKredW 2008, 393, 396; Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 17. 203 Siehe dazu noch § 31 II 3. 204 Morkötter/Westerfeld, ZKredW 2008, 393, 396; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 403. 205 Zutreffend Fender/Mitchell, Fin. Stab. Rev. 2005, 127 Fn. 2, 133; Morkötter/Westerfeld, ZKredW 2008, 393, 396; verkannt von Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 532; Möllers, JZ 2009, 861, 868. 206 Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 296. 207 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 38; auch Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 228. 208 Avgouleas, ECFR 2009, 440, 445. 209 Dazu oben § 5 IV.
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drängen, wird eine verbesserte Schulung der Investoren (investor education), wie sie mit gutem Grund vorgeschlagen wird,210 allerdings nur einen ersten Schritt darstellen – zusätzlich bedarf es Marktinformationen über Liquiditäts-, Marktund andere Risiken, die aufnehm- und verarbeitbar codiert sind. Die Missverständnisse bezüglich des Aussagegehalts von Ratings werden mit anderen Worten erst dann zu beseitigen sein, wenn weitere, ebenso verständliche Informationen zur Verfügung stehen. Das beschriebene Phänomen ist im Übrigen nicht auf Ratings beschränkt, sondern tritt in vergleichbarer Form auch bei anderen Marktinformationen auf, wie namentlich bei Bestätigungsvermerken (Testaten) für Jahresabschlüsse: Hier wird bereits seit geraumer Zeit eine „Erwartungslücke“ (expectation gap) zwischen den Erwartungen der Öffentlichkeit an einen testierten Abschluss und dessen begrenztem Aussagegehalt konstatiert,211 weil ein Bestätigungsvermerk lediglich die Übereinstimmung der handelsrechtlichen Rechnungslegung mit den für sie geltenden Normen bescheinigt, vielfach aber als Bestätigung der gesunden wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens oder der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung missverstanden wird.212
2. Missverständnisse unter Regelsetzern Das Phänomen missverstandener Ratings beschränkt sich allerdings nicht auf die Marktteilnehmer und damit die Marktinformationsfunktion des Ratings, sondern erstreckt sich ebenso auf dessen Regulierungsfunktion. Die rechtsvergleichende Untersuchung im Zweiten Teil dieser Arbeit konnte insoweit eine ganze Reihe rechtlicher Regelungen identifizieren, in denen Ratings nicht – wie es ihrer Eigenschaft als Bonitätsbeurteilung entspricht – als Indikator eines bestehenden Kreditrisikos eingesetzt werden, sondern zu ganz anderen Zwecken. a) Beispiele So verwenden das Hongkonger und das Schweizer Recht, die geplanten Liquiditätsanforderungen im Basel III-Akkord und auch das deutsche Bankenaufsichtsrecht das Rating als Liquiditäts- und Volatilitätsindikator, indem sie bei einem hohen Rating die kurzfristige und preisbeständige Veräußerbarkeit der betreffen-
210 Volcker-Report (Jan. 2009), S. 51 (Recommendation 14): „Users of risk ratings, most importantly regulated users, should be encouraged to restore or acquire the capacity for independent evaluations of the risk of credit products in which they are investing“; Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1, 9. Deutlich skeptischer Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. (2003), 1, 66 f.: „We also question whether investor education will have much impact.“ 211 Adler/Düring/Schmaltz, § 316 HGB Rn. 23 (mit Hinweis darauf, dass dieses Phänomen im Ausland gleichermaßen bekannt ist); Claussen, AG 1996, 481, 488; Dörner/Oser, DB 1995, 1085, 1089; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Wiedmann, § 316 HGB Rn. 7. 212 Adler/Düring/Schmaltz, § 316 HGB Rn. 23; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Wiedmann, § 316 HGB Rn. 7.
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den Schuldverschreibung am Markt unterstellen.213 Das U.S.-amerikanische und das Hongkonger Recht setzen Ratings in demselben Sinne bei der Regulierung der Liquiditätsvorgaben für broker-dealer214 und andere Finanzintermediäre215 ein.216 Im Aufsichtsrecht für Geldmarktfonds der U.S.A.217 dienen Mindestratings für kurzfristige Schuldverschreibungen dagegen erklärtermaßen der Begrenzung des allgemeinen Marktrisikos,218 umschrieben als „the market risk, which primarily results from fluctuations in the prevailing interest rate“219 – die SEC verwendet das Rating hier also zur Messung drohender Schwankungen des generellen Zinsniveaus, das von allgemeinen volkswirtschaftlichen Faktoren abhängt und mit der Bonität des einzelnen Wertpapiers schlicht nichts zu tun hat. Umso bemerkenswerter erscheint, dass die SEC Letzteres selbst (freilich in anderem Zusammenhang) ausdrücklich anerkennt.220 Daneben werden Ratings auch im schweizerischen Fondsrecht punktuell als Marktrisikoindikator eingesetzt.221 Das U.S.-amerikanische Recht schließt von einem „investment grade“-Rating begebener Asset-Backed Securities schließlich sogar generell auf die gute Corporate Governance der emittierenden Zweckgesellschaft und verwendet es insbesondere als Nachweis dafür, dass betrügerische Verhaltensweisen bei entsprechenden Gesellschaften nicht zu erwarten sind.222 In der Sache ähnlich gehen auch das U.S.-amerikanische und das deutsche Bankenaufsichtsrecht in ihren Anforderungen an Zusammenschlüsse unter Banken davon aus, dass ein hohes
213 Siehe § 7 II 1 a). Ebenso Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 38 f.: „some regulations also implicitly assume that securities with high credit ratings are liquid and have lower price volatility“. 214 Siehe § 7 II 2 a) zur „net capital rule“, die seit 2014 zwar keine ausdrückliche Ratingbezugnahmen mehr aufweist, Ratings aber gleichwohl weiterhin als Faktor bei der Liquiditätseinschätzung akzeptiert (dazu a.a.O. unter cc)). 215 Siehe § 7 II 2 b). 216 Zu Recht kritisch Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 357: „some regulatory schemes rely on ratings to assess market risks and fluctuations […] which are functions for which ratings were not intended.“ 217 Nämlich in Rule 2a–7 zum Investment Company Act of 1940; dazu § 12 II 3 b) bb). 218 Ungleich häufiger finden sich Vorschriften, die Ratings als Indikator des spezifischen, d.h. von der Lage des einzelnen Emittenten abhängenden Marktrisikos einsetzen (so etwa der revidierte Basel I-Akkord) – da die Bonität einer der entscheidenden Faktoren ist, die das spezifische Marktrisiko beeinflussen, wird man insoweit von keiner Fehlverwendung sprechen können. Vgl. etwa Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Findings on the interaction of market risk and credit risk (May 2009), S. 1: „As the same economic factors tend to affect both risks, drawing a clear distinction between them in practical risk measurement and management is, however, very difficult.“ 219 SEC Release IC–13380 vom 11. Juli 1983, 48 FR 32555, 32558 Fn. 7. 220 Vgl. aus Anlass der Reform der gesetzlichen Markteintrittspublizität für Asset-Backed Securities (dazu § 10 III 2) SEC Release 33–8518, 34–5095 vom 22. Dez. 2004, 70 FR 1506, 1511: „As with a traditional corporate debt security, a rating on an asset-backed security is designed only to reflect credit risk. The rating generally does not address other market risks that may result from changes in interest rates …“. 221 Vgl. zu den dortigen Mindestratingvorgaben für Reverse Repos § 12 II 4 c) aa) (2). 222 So Rule 3a–7 zum Investment Company Act of 1940; vgl. § 10 II 2 b) bb).
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Rating die allgemeine Zuverlässigkeit einer Bank und ihrer Geschäftsleitung beweist.223 Die in den U.S.A. erlassene Rule 5b–3 zum Investment Company Act224 bietet schließlich gleich eine Kumulation mehrerer bonitätsferner Regelungsziele, die mit der darin enthaltenen Ratinganforderung an Wertpapiere verfolgt werden, die als Gegenstand bestimmter Pensionsgeschäfte von Fonds zugelassen werden: Ein „AAA“-Rating soll hier gleichzeitig sicherstellen, dass die betreffenden Wertpapiere geringen Kursschwankungen unterliegen,225 dass sie über eine hohe Liquidität verfügen und daher bei Ausfall der Gegenpartei leichter verwertet werden können226 und schließlich sogar, dass der Fonds, der ein solches Pensionsgeschäft abschließt, selbst keinen Interessenskonflikten unterliegt.227 Es ist unverkennbar, dass der begrenzte Aussagegehalt der bloßen Kreditrisikoeinschätzung einer Rating-Agentur damit in dramatischer Weise überstrapaziert und irrtümlich mit einem allgemeinen, allumfassenden Gütesiegel gleichgesetzt wird.
b) Kritik Der beschriebene rechtsvergleichende Befund belegt einen erheblichen Missstand vor allem in der U.S.-amerikanischen und, in geringerem Maße, auch der deutschen, schweizerischen und Hongkonger Gesetzgebung auf dem Finanzsektor: Ratings werden in ihrer Regulierungsfunktion als Indikator nahezu jeden Risikos eingesetzt, obgleich sie einzig und allein zum Kreditrisiko von Finanztiteln und Unternehmen eine Aussage treffen. Diese Fehlentwicklung ist lange Zeit nicht erkannt worden und hat erst nach Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007–09 eine gewisse Aufmerksamkeit erlangt;228 es sind allerdings auch weiterhin in offiziellen Stellungnahmen auffällige Missverständnisse über den Aussagegehalt von Ratings nachweisbar.229
223
Siehe § 7 III 1. Siehe § 12 III 4 c) bb) (1). 225 SEC Release IC–25058 vom 5. Juli 2001, 66 FR 36156, 36158: „securities of lower quality may be subject to greater price fluctuation“, 36159: „This [rating] requirement is intended to ensure that the market value of the collateral will remain fairly stable …“; SEC Release IC–24050 vom 23. Sep. 1999, 64 FR 52476, 52479 Fn. 43. 226 SEC Release IC–25058 vom 5. Juli 2001, 66 FR 36156, 36159; SEC Release IC–24050 vom 23. Sep. 1999, 64 FR 52476, 52481: „This [rating] requirement is intended to ensure … that the fund will be able to liquidate the collateral quickly“. 227 Vgl. schon oben § 12 II 3 c) bb) (2). 228 So etwa in Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 38 f.; IMF, Recent Financial Turmoil (Apr. 2008), S. 8; Caliari, 19 Transnat’l L. & Contemp. Probs. (2010), 145, 187. 229 Vgl. etwa den Volcker-Report (Jan. 2009), S. 51 (Recommendation 14): „Risk rating issued by the NRSROs should be made more robust, to reflect the risk of potential valuation losses arising not just from default probabilities and loss in the event of default, but also from the full range of potential risk factors (including liquidity and price volatility)“ – die damit geforderte „Robustheit“ staatlich anerkannter Ratings verlangt in der Sache nichts anderes, als Ratings zu einem allgemeinen Gütesiegel umzugestalten. 224
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Die gesetzgeberische Fehlverwendung von Ratingbezugnahmen verdient Kritik,230 schafft sie doch gleich zwei kumulativ eintretende Risiken: So vermögen die ratingbasierten Regelungen ihrem Zweck nicht gerecht zu werden, weil das Rating nicht als Maßstab des Risikos taugt, zu dessen Abbildung es eingesetzt wird,231 während zugleich die unter Marktteilnehmern ohnehin verbreitete Fehlvorstellung bekräftigt wird, ein Rating bilde das gesamte dem Ratinggegenstand innewohnende Risikopotential ab.232 Besonders problematisch ist, dass durch den Einsatz von Ratings zur Regulierung von Liquiditäts-, Markt- und anderen Risiken zugleich die systemische Wirkung von Ratingänderungen erhöht wird: Die Herabstufung eines Ratings hat nunmehr nicht nur zur Folge, dass kreditrisikobezogene Rechtsvorgaben nicht länger erfüllt werden, sondern bestimmt auch über die Einhaltung von Liquiditäts-, Volatilitäts- und sonstigen Anforderungen. Eine so konzipierte Regulierungsfunktion macht das Rating damit zur zentralen aufsichtsrechtlichen Stellschraube und stellt der over-reliance durch die Marktteilnehmer eine gesetzgeberische over-reliance zur Seite. Ihre Beseitigung ist ein dringendes rechtspolitisches Desiderat.233
IV. Der Synchronisierungseffekt des Rechts: Das ubiquitäre Abstellen auf „investment grade“ und „non-investment grade“ Ein weiterer rechtsvergleichender Befund betrifft nicht die Sachfragen, zu deren Regelung auf Ratings zurückgegriffen wird (das „was“ der Regulierung durch Ratings), sondern das „wie“: Es fällt nämlich auf, dass öffentliche wie private Regelsetzer ungeachtet ihres lokalen Standorts und des einschlägigen Regelungszusammenhangs übereinstimmend auf die Kategorie des „investment grade“ abstellen, um die Grenze zwischen akzeptablem und regelungsbedürftigem Kreditrisiko zu markieren. Angesichts der Tatsache, dass die Ratingskalen der RatingAgenturen234 die „investment grade“-Schwelle originär gar nicht kannten, muss 230
Wie hier IOSCO, Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets (May 2008), S. 3; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 298: „not prudent“. 231 Dies wäre nur dann anders, wenn davon ausgegangen werden könnte, dass andere Risiken sich (unabhängig vom Aussagegehalt des Ratings) stets parallel zum Kreditrisiko entwickeln. Ökonomische Erkenntnisse stützen eine solche generelle Annahme kaum; vgl. etwa zum Liquiditätsrisiko die empirische Studie von Hand/Holthausen/Leftwich, 47 J. Fin. (1992), 733, 736: „the trading frequency is considerably higher for bonds below investment grade (below Baa) than for investment grade bonds (Baa and above)“; ebenso Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 38 f.: „the links between low default rates, low volatility and high liquidity are not logical necessities“. 232 IOSCO, Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets (May 2008), S. 3: „Regulators may need to revisit policies that equate low default risk with low volatility and liquidity risk and thus encourage some market participants to rely entirely on credit ratings in place of these market participants conducting a thorough and adequate risk assessment themselves“; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 359. 233 Siehe dazu im Einzelnen § 31 II 1 b). 234 Siehe § 2 II 1.
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diese globale Einheitlichkeit verwundern. Sie hat zudem bedenkliche systemische Folgen, die hier als „Synchronisierungseffekt“ des Rechts bezeichnet werden.235
1. Das Entstehen der Dichotomie von „investment grade“ und „non-investment grade“ Die historische Entstehung der zwei Kategorien des „investment grade“, das Ratingeinstufungen von der Höchstbewertung „AAA“ bis einschließlich des Ratings „BBB–“236 umfasst, und des „non-investment grade“, in das alle darunter liegenden Bonitätskategorien (von „BB+“ abwärts) fallen, wurde bereits an anderer Stelle im Text berichtet237 und soll hier nicht wiederholt werden. Es genügt, daran zu erinnern, dass die Klassifizierung als „investment grade“ erstmals in einer Anlagevorschrift des U.S.-amerikanischen Comptroller of the Currency aus dem Jahre 1936 eingesetzt wurde und daher eine Kreation der Regulierungsfunktion des Ratings ist, nicht seiner originären Marktinformationsfunktion. Sie fand allerdings bald in den allgemeinen Sprachgebrauch der Marktteilnehmer Eingang und wurde in Reaktion darauf schließlich auch durch die RatingAgenturen selbst aufgenommen, die ihre weit differenzierter angelegten Ratingskalen mit über zwanzig Ratingstufen („notches“)238 eigentlich als durchgängige Intervallskalen und nicht im Sinne der Zuordnung sämtlicher Ratingobjekte zu lediglich zwei Bonitätsgruppen verstanden wissen wollen. Die Dichotomie von „investment grade“ (für aufgrund hinreichender Bonität „investitionswürdige“ Fremdkapitaltitel) und „non-investment grade“ (für „spekulative“ Papiere) tut hingegen genau dies und bewirkt damit eine weitere Komplexitätsreduktion, indem sie das gesamte „Bonitätsuniversum“ in lediglich zwei Bereiche unterteilt: Dem danach generell vertrauenswürdigen „investment grade“ wird das scheinbar durchgehend zweifelhafte „non-investment grade“ gegenüber gestellt, das im gängigen Marktjargon konsequent als „Schrott“ (junk) bezeichnet zu werden pflegt.239
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Dazu unter 3. So das unterste „investment grade“-Rating auf der Fitch/Standard & Poor’s-Skala für langfristige Verbindlichkeiten, dem auf der Moody’s-Skala das Rating „Baa3“ entspricht. 237 Siehe § 7 I a) bb). 238 Die von Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch augenblicklich verwandten Skalen für das Rating langfristiger Verbindlichkeiten weisen jeweils 21 Ratingstufen auf. 239 Letztere Bezeichnung wird auch in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung verwandt; vgl. etwa In re Worlds of Wonder Securities Litigation, 20.1.1993, 814 F.Supp. 850, 854 (N.D.Cal. 1993): „junk bonds“; Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 26.5.2005, 371 F.Supp.2d 898, 899 (E.D.Mich. 2005): „junk status ratings“. In Clark v. John Lamula Investors, Inc., 24.8.1978, 583 F.2d 594, 602 (2nd Cir. 1978) hatte ein Bundesberufungsgericht sogar darüber zu entscheiden, ob die Verwendung des Terminus „junk bonds“ durch den Tatsachenrichter in Gegenwart der Jury einen Berufungsgrund darstellt – das Gericht verneinte dies, weil der Begriff in der Wertpapierbranche allgemein gängig sei. 236
§ 17 Die Regulierungsfunktion des Ratings in der zusammenfassenden Analyse
493
2. Die globale Übernahme der „investment grade“-Schwelle in ratingbasierte Rechtsregeln Die damit durch eine U.S.-amerikanische Bankenaufsichtsbehörde geprägte und erst dann vom Markt rezipierte „investment grade“-Schwelle wurde seitdem durch die meisten U.S.-amerikanischen wie auch ausländischen Regelsetzer übernommen und entwickelte sich zu einem globalen regulatorischen Standard:240 Heute wird keine andere Ratinggrenze weltweit annähernd so häufig verwandt wie das „investment grade“. Diese internationale Einheitlichkeit findet ihren Grund nicht in einer formellen Rechtsvereinheitlichung. In der Tat gehört mit dem Basel II-Akkord gerade derjenige Rechtstext, der am stärksten zu einer internationalen Harmonisierung ratingbasierter Vorschriften beigetragen hat,241 zu den (vergleichsweise wenigen) Regelungen, die nicht entscheidend auf das „investment grade“ abstellen, sondern eine breitere Staffelung von Ratingkategorien einsetzen. Man darf daher vermuten, dass neben einer Inspiration durch ausländische Rechtsnormen vor allem die Verwendung des „investment grade“ als Marktstandard der Anlass für so viele Regelsetzer war, ebenfalls einheitlich auf diese Ratingschwelle zurückzugreifen.
Überraschend ist an diesem Befund vor allem, dass die Dichotomie von „investment grade“ und „non-investment grade“ ganz unabhängig von geregelter Sachfrage und betroffenem Sektor242 als passende Qualitätsschwelle eingestuft wird: Regelsetzer ordnen das „investment grade“ – das ursprünglich nur signalisieren sollte, dass ein Wertpapier keine „überwiegend spekulativen“ Charakteristika aufweist243 – in den unterschiedlichsten Regelungszusammenhängen als Bestätigung dafür ein, dass das betreffende Unternehmen oder Finanzinstrument ein regulatorisches Privileg verdient. Beispiele für die Inbezugnahme des „investment grade“ sind so zahlreich, dass sie hier nur überblicksartig zusammengestellt werden können. So finden sich gesetzliche und untergesetzliche Anknüpfungen an die „investment grade“-Schwelle bei der Regelung der Eigenmittelunterlegung für Marktrisiken bei Banken,244 in Anlagevorschriften für Banken (aus denen die Kategorie ja ursprünglich stammt),245 für Versicherungsunterneh240 Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 7 f.; ders., Structured Finance, Stand: Release 1 (2004), § 8:9 Fn. 90; ders., in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 300. 241 Siehe § 6 III 1. 242 Brister/Kennedy/Liu, 21 J. Bus. Fin. & Acct. (1994), 511; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 54; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 545; dies., 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 141. 243 So zur erstmaligen Verwendung der Kategorie durch den Comptroller of the Currency im Jahre 1936 in § 7 I 1 a) aa). 244 So in den nationalen Bankrechten, die die entsprechende Empfehlung des Basel I-Akkords übernahmen (§ 6 I 1, 3). 245 So in Anlagevorschriften des U.S.-amerikanischen Rechts für die unterschiedlichsten Bankentypen (§ 7 I 1 a), b)), wo das Vorliegen eines „investment grade“ seit 2013 allerdings teilweise von der Risikoeinschätzung der Bank und nicht unmittelbar der Ratingeinstufung abhängig gemacht wird (siehe dazu (§ 7 I 1 d)); daneben aber (unverändert) auch in Vorgaben des deutschen Rechts für Bausparkassen (§ 7 I 2).
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
men246 und für Investmentfonds,247 in aufsichtsrechtlichen Privilegien für Zweckgesellschaften, die hoch geratete Asset Backed Securities begeben,248 bei der Regelung der Zentralbankfähigkeit von Anleihen249 und in den Liquiditätsanforderungen an Finanzintermediäre250 sowie schließlich im Steuerrecht.251 Außerordentlich häufig findet das „investment grade“ zudem in privaten Verträgen Verwendung, wie etwa in „rating triggern“ in Darlehensverträgen252 und Anleihebedingungen (indentures)253 sowie in standardisierten Rahmenverträgen etwa für Derivatgeschäfte,254 in denen die Herabstufung des Kontrahenten unter die „investment grade“-Schwelle typischerweise als Kündigungsgrund definiert wird.255 Interne Anlageleitlinien institutioneller Investoren sehen ebenfalls fast immer das „investment grade“-Rating als Mindestanforderung vor:256 Nach einer empirischen Untersuchung aus dem Jahre 2007 stellen etwa fast 90% der europäischen und U.S.-amerikanischen Investmentfonds in ihren Anlagerichtlinien auf diese Schwelle ab, mehr als auf jede andere Ratingschwelle.257 Eine regulatorische Verwendung anderer Ratinggrenzen findet sich mit einer gewissen Häufigkeit vor allem in zwei Konstellationen: Zum einen wird dort, wo es um die Behandlung komplexer Finanzinstrumente geht, verbreitet ein „AA“oder gar ein „AAA“-Rating verlangt,258 das auf diesem Markt damit in der Sache dem „investment grade“ entspricht. Hintergrund dürfte die Beobachtung sein, dass der weit überwiegende Anteil emittierter Tranchen strukturierter Finanzinstrumente mindestens über ein „AA“-Rating verfügt; Finanzinstrumente dieses
246 So nach BaFin, Rundschreiben 4/2011 (VA) (Hinweise zur Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen) vom 15. Apr. 2011, sub. B.3.1 d) und öfter. 247 So nach der EG-OGAW-Richtlinie zu Investitionen „richtlinienkonformer“ Investmentfonds in Geldmarktinstrumente (§ 12 II 4 a)); ebenso nach CESR-Leitlinien und BaFin-Fondskategorie-Richtlinie zur Investition von Geldmarktfonds in Staatsanleihen von EU-Staaten (§ 12 II 3 b)). 248 So in den U.S.A. in Rule 3a–7 zum Investment Company Act of 1940 (§ 10 II 2). 249 So in den U.S.A. in den Bestimmungen des Discount Windows der Federal Reserve (§ 7 II 3) und in Hongkong bei den Bedingungen für ein Tätigwerden der HKMA als „Lender of Last Resort“ (§ 7 II 3 a) bb)). 250 So in den U.S.A. bis 2014 die „net capital rule“ bei broker-dealern (§ 7 II 2 a)) und in Hongkong weiterhin die allgemeinen Liquiditätsvorgaben für Finanzintermediäre (§ 7 II 2 b)). 251 So in Hongkong bei der gewinnsteuerrechtlichen Privilegierung von Zinsen aus „investment grade“-Anleihen (§ 8 II 4). 252 Williams, 21 Int’l Fin. L. Rev. (Aug. 2002), 4. 253 Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1036. Siehe zu Emissionsbedingungen strukturierter Finanzinstrumente beispielsweise Plumbers’ Union Local No. 12 Pension Fund v. Nomura Asset Acceptance Corp., 20.1.2011, 632 F.3d 762, 774 (1st Cir. 2011). 254 So das in der U.S.-amerikanischen Vertragspraxis fast durchgehend verwandte 1992/2002 ISDA Master Agreement der International Swaps and Derivatives Association (ISDA). 255 Jahn, BKR 2009, 25 mit Fn. 12. 256 Siehe § 12 III 2. 257 Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 18. 258 So namentlich in U.S.-amerikanischen Gesetzesvorgaben zu Investitionen institutioneller Investoren (siehe zu § 3(a)(41) Securities Exchange Act of 1934 bereits § 10 II 3 a) bb)) sowie häufig in deren internen Anlagerichtlinien (Partnoy/Skeel, 75 U. Cin. L. Rev. (2007), 1019, 1028).
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Typs unterhalb eines „BBB–“-Ratings kommen praktisch kaum vor.259 Zum anderen wird in Regelungen, die der Begrenzung des Kreditrisikos besonders schutzbedürftiger Einrichtungen dienen, nicht selten ein „Single A“- oder „AA“Mindestrating vorgeschrieben, weil man ein bloßes „investment grade“ hier für nicht ausreichend erachtet. Als besonders schutzbedürftig werden insoweit Träger der Altersvorsorge260 und nicht zuletzt die öffentliche Hand selbst261 eingestuft.
3. Der Synchronisierungseffekt des Rechts Die beschriebene Unterteilung des „Bonitätsuniversums“ in lediglich zwei Zonen – „investment grade“ (als Synonym für „gut“) und „non-investment grade“ („schlecht“) – lässt sich auf Seiten der Marktteilnehmer mit dem Bedürfnis nach einer einfachen Verarbeitbarkeit von Risikoindikatoren erklären und mag insofern als Anzeichen dafür gesehen werden, dass die Informationsverarbeitungskapazität „realer“ Marktteilnehmer noch weiter vom Modellbild eines rationalen Investors abweicht als bislang angenommen. Ihre Übernahme durch staatliche und private Regelsetzer hat dagegen bewirkt, dass das „investment grade“ nunmehr von Rechts wegen als rechtsgebietsübergreifendes, international einheitliches Mindestrating fungiert und viele Marktteilnehmer ein „non-investment grade“-Wertpapier selbst dann nicht erwerben oder halten dürfen, wenn es nach ihrem eigenen Urteil hinreichend kreditwürdig ist.262 Da dieser Umstand wiederum auf sonstige Marktteilnehmer zurückwirkt, die das Investitionsverhalten institutioneller Investoren bei ihren eigenen Anlageentscheidungen berücksichtigen, kommt es zu einem „Synchronisierungseffekt des Rechts“: Die einheitliche rechtliche Verwendung derselben Bonitätsgrenze bewirkt, dass die große Mehrheit der Investoren auf Ratingänderungen übereinstimmend, nämlich „synchronisiert“ reagieren.263 Aus diesem Grund kommt es zu dem herdenartigen Verhalten wesentlicher Anlegerkreise, dessen Kurseffekt empirisch nachgewiesen wur-
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Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 535. So wird im deutschen Recht im Bereich des § 83 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV generell ein „AA–“Rating verlangt; vgl. BVA, Rundschreiben vom 1.12.2000 zur Anlage der Rücklage der Sozialversicherungsträger nach § 83 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV – Schuldverschreibungen, S. 4. In Hongkong differenziert Schedule 1 zur Mandatory Provident Fund Schemes (General) Regulation nach unterschiedlichen Emittententypen, verlangt aber durchgehend ein Mindestrating oberhalb von „A“; vgl. Mandatory Provident Fund Schemes Authority (MPFA), Guidelines on Debt Securities, Version 8 (Jan. 2008), Tz. 10 ff. 261 So verlangt namentlich die Schweizerische Nationalbank für die Zentralbankfähigkeit von Sicherheiten ein „Single A“-Rating; ebenso verfuhr bis zum Ausbruch der Staatsschuldenkrise unter den Euro-Staaten die EZB, die sich seit 2010 mit einem „investment grade“ zufrieden gibt. Die U.S.-amerikanische Federal Reserve lässt dagegen seit jeher ein „investment grade“ genügen (siehe zum Ganzen § 7 II 3 a) aa)). 262 Kritisch Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 212 f. 263 Financial Stability Board, Principles for Reducing Reliance on CRA Ratings (Oct. 2010), S. 1 spricht von einem „herding in market behaviour“. 260
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den:264 „Bis BBB wird investiert, unterhalb nicht mehr“,265 und bei Herabstufung unter die „investment grade“-Schwelle wird das betroffene Finanzinstrument synchron abgestoßen.266 Die so entstandene, regulierungsinduzierte Marktusance rückt das Rating damit in bedenkliche Nähe zu einer Anlageempfehlung, die ein Rating nach dem erklärten Willen der Rating-Agenturen jedoch nicht sein soll.267 Vor allem versieht der „Synchronisierungseffekt“ des Rechts die Regulierungsfunktion des Ratings aber mit unbeabsichtigten systemischen Wirkungen, weil bestimmte Ratingherabstufungen – die im Ausgangspunkt nicht mehr sind als die geänderte Bonitätseinschätzung eines einzelnen Informationsintermediärs – zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden.268 Für das einzelne Unternehmen erhält die Beibehaltung eines „investment grade“-Ratings erst so die existenzielle Bedeutung,269 die ihr in vielen Fällen zukommt. Die gängige Bezeichnung in den „noninvestment grade“-Bereich herabgestufter Emittenten als „fallen angels“270 spiegelt diese plastisch wider. Es ist daher nicht die regulatorische Inbezugnahme von Ratings als solche, die regelungsbedürftig erscheint, sondern das „wie“ dieser Inbezugnahme, die zur Vermeidung systemischer Effekte einer rechtlichen Ordnung bedarf.
V. Fazit: Bedarf für eine Regulierung des Ratings Die vorstehende Analyse hat die Bedeutung deutlich werden lassen, die der Regulierungsfunktion des Ratings in der heutigen staatlichen und privaten Regelsetzung zukommt. Sie trägt maßgeblich zu dem Einfluss bei, der Rating-Agenturen an den internationalen Finanzmärkten zukommt,271 und tritt damit neben die originäre Marktinformationsfunktion des Ratings. Dass sie diese, wie von der regulatory license theory im U.S.-amerikanischen Schrifttum272 unterstellt, vollständig verdrängt hätte, kann hingegen nicht bestätigt werden – die aufnehmund verarbeitbare Codierung der Ratings hat vielmehr dafür gesorgt, dass sie 264 Vgl. zu Befunden, die besonders heftige Kursreaktionen bei Ratingherabstufungen unter die „investment grade“-Schwelle belegen, bereits § 5 II 2 c). 265 Zu entsprechenden „Management-Zwangsläufigkeiten“ kritisch Theilacker, ZKredW 2005, 177, 178. 266 EBA, EIOPA and ESMA, Joint Consultation Paper on Mechanistic references to credit ratings (7 Nov. 2013), Tz. 21: „cliff-effect“; Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 104 f.: „sharp impact on market dynamics“; Brister/Kennedy/Liu, 21 J. Bus. Fin. & Acct. (1994), 511, 521 f.; Coffee, Gatekeepers, S. 284; Kiff, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 34, 36. 267 Siehe § 2 I 1 d). 268 Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 15; Krämer, wiedergegeben in Voges/Rehberg, WM 2004, 1605, 1606. 269 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 72. 270 So etwa Leuering, Praxisprobleme der Ad-hoc-Mitteilungspflicht, S. 171, 186; Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 48. 271 Dazu einleitend in § 1 I. 272 Siehe zu dieser bereits in § 5 III 1 a) bb).
§ 17 Die Regulierungsfunktion des Ratings in der zusammenfassenden Analyse
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(mehr als andere Marktinformationen) unverändert durch Marktteilnehmer verwandt werden. Die rechtsvergleichende Bestandsaufnahme macht allerdings zugleich deutlich, dass die regulatorische Verwendung von Ratings die Rolle der Rating-Agenturen insofern verändert hat, als ihren Ratings nunmehr von Rechts wegen Beachtung geschenkt werden muss, ihr Einfluss also teilweise marktunabhängig besteht. Bereits aus diesem Grund bedarf es einer Regulierung des Ratings,273 weil eine Kontrolle der Rating-Agenturen in ihrer Regulierungsfunktion zuvörderst durch das Recht zu erfolgen hat, das ihnen diese zusätzliche Funktion zuweist. Die Rechtsfragen einer rechtlichen Ordnung des internationalen Ratingwesens werden daher im Dritten Teil dieser Untersuchung zu behandeln sein.274 Zuvor sind allerdings im nächsten Kapitel275 weitere Ergebnisse zusammenzufassen, die sich nicht auf das Rating selbst, sondern auf die komplementär zu diesem wirkende Regelung der gesetzlichen Publizität im Allgemeinen beziehen.
273 Vgl. statt vieler IOSCO, Regulatory Implementation of the Statement of Principles (Feb. 2011), S. 8. 274 Siehe §§ 19 ff. 275 Siehe § 18.
§ 18 Die adressatengerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen als Postulat Die rechtsvergleichende Bestandsaufnahme im Zweiten Teil der Untersuchung hat deutlich gemacht, dass das Finanzmarkt- und Unternehmensrecht der hier untersuchten Rechtsordnungen maßgeblich durch das Informationsmodell geprägt wird.1 Die Regulierung durch Publizitätspflichten tritt daher heute vielfach an die Stelle materiellrechtlicher Vorgaben und erhebt die Offenlegung von Informationen zu einem zentralen Charakteristikum des modernen Wirtschaftsrechts.2 Zugleich konnte am Beispiel der Regulierung durch Ratings verschiedentlich aufgezeigt werden, dass das geltende System des Publizitätsrechts Schwächen aufweist, die eine rechtliche Indienstnahme aufnehm- und verarbeitbar codierter Ratings vielfach erst nötig machen. Die diversen Problemlagen, die bezüglich der Marktinformations- wie der Regulierungsfunktion des Ratings identifiziert wurden3 und deren Bewältigung im Dritten Teil der Arbeit zu erörtern sein wird, sind daher nicht selten durch Unzulänglichkeiten bestehender gesetzlicher Publizitätsregelungen erklärbar und durch diese mit verursacht. Das folgende Kapitel, das den Zweiten Teil der Untersuchung abschließt, behandelt aus diesem Grunde die generelle Notwendigkeit einer adressatengerechten Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen, die ein zentrales Postulat für die Fortentwicklung des regulatorischen Informationsmodells sein dürfte.
I. Publizität als zweckgerichtetes Regelungsinstrument Ausgangspunkt muss dabei die Erkenntnis sein, dass Publizität, die durch gesetzliche Offenlegungspflichten wie auch durch freiwillige Informationen bewirkt wird, kein Selbstzweck ist, sondern ein Ziel verfolgt:4 Sie soll es den Adressaten der betreffenden Publizität ermöglichen, auf Grundlage der übermittelten Infor-
1 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 1 f.; Koch, BKR 2012, 485; Otto, WM 2010, 2013, 2014; Schön, in FS Canaris I (2007), S. 1191, 1193 ff.; Avgouleas, ECFR 2009, 440, 442; Sørensen, EBOR 2009, 255, 269 f. Zum Informationsmodell im Verbraucherschutzrecht Koller, in FS U. Huber (2006), S. 821, 822 ff.; Koziol, in FS Heldrich (2005), S. 259, 261. 2 Vgl. zum deutschen Recht nur BVerfG, 26.6.2002, BVerfGE 105, 252, 267 („Glykolwarnung“): „Die Rechtsordnung zielt auf die Ermöglichung eines hohen Maßes an markterheblichen Informationen und damit auf Markttransparenz.“ 3 Siehe § 17. 4 Kübler, AG 1977, 85, 89.
§ 18 Die adressatengerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen
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mationen Entscheidungen zu treffen.5 Sofern das Recht Publizitätspflichten als Regelungsinstrument einsetzt, können diese ihren Regelungszweck mit anderen Worten nur erfüllen, sofern die publizitätspflichtige Information nicht nur offen gelegt wird, sondern durch den Informationsadressaten auch aufgenommen und verarbeitet werden kann: Sie setzen zwingend einen zweigliedrigen Informationsprozess voraus, der in Informationsabgabe und Informationsaufnahme zerfällt.6 Nur wenn eine Publizitätsregelung so gestaltet ist, dass ihre Anwendung beide vorgenannten Schritte sicherstellt, ist sie daher eine zwecktaugliche Rechtsnorm.7 Genügt sie dieser Anforderung nicht, so ist die Publizitätsregelung nicht nur wertlos,8 sondern schädlich, weil sie den Publizitätspflichtigen mit sinnlosen Kosten9 belastet. Die bisherige Rechtsetzung im Bereich des Publizitätsrechts leidet darunter, dass sie sich – ebenso wie die überwiegende rechtswissenschaftliche Diskussion – fast ausschließlich auf den Schritt der Offenlegung von Informationen konzentriert und die Frage von deren Aufnahme und Verarbeitung nahezu vollständig ignoriert hat.10 Bei der Ausgestaltung von Publizitätsvorgaben wurde mit anderen Worten allein beachtet, was offen gelegt werden soll, nicht aber, wem gegenüber und wie. Diese einseitige Ausrichtung klingt dabei schon in dem viel zitierten Satz des U.S.-amerikanischen Juristen Louis Brandeis über die Publizität an, wonach „Sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the most efficient policeman“11: Die damit aufgestellte These, eine elektrische Straßenbeleuchtung werde Straftaten effizient verhindern, dürfte im Jahre 1914 vor allem Einbruchsdiebstähle in Wohngebieten im Blick gehabt und insoweit instinktiv einleuchtet haben. Ob Licht hingegen auch dort zur Prävention genügt, wo es um die fehlerhafte Darstellung von Gesellschaftsverhältnissen12 oder Falschbilanzierungen13 geht, wird man ganz anders beurteilen müssen. In der Sache ist das ursprüngliche Konzept des Publizitätsrechts jedoch unverändert beibehalten 5 Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 331: „Disclosure is both irrelevant and meaningless unless somebody is acting upon the information being disclosed.“ 6 Nimmer, Information Law, Stand: 6/2003, § 1:8. 7 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 38: „… enhanced disclosure […] is useful only if investors make appropriate use of the information …“; Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72, 89; Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität, S. 190; Ohler, AfP 2010, 101, 102; Philipps/Rechtschaffen, 21 Fordham Int’l L.J. (1998), 1754, 1759; Sørensen, EBOR 2009, 255, 273 f.; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 461. Aus Sicht der Ökonomie Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen, S. 318. 8 Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 486. 9 Zur Kostenbelastung publizitätspflichtiger Unternehmen Avgouleas, ECFR 2009, 440, 448; Koch, BKR 2012, 485, 492; Schön, in FS Canaris I (2007), S. 1191, 1206 f.; Sørensen, EBOR 2009, 255, 271. 10 In diesem Sinne rechtsordnungsübergreifend Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Transparenz im Bankwesen (Sept. 1998), S. 8; zum deutschen Investmentrecht Schmolke, ZBB 2007, 454, 460; zum U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrecht Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329 f.; Paredes, 81 Wash. U. L. Q. (2003), 417, 418. 11 Brandeis, Other People’s Money And How the Bankers Use it, S. 92. 12 Strafbar gemäß § 400 AktG. 13 Strafbar gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 7 lit. a StGB.
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worden, obwohl sich die tatsächlichen Gegenstände der Publizität wie auch Anzahl und Umfang der Publizitätspflichten vervielfacht und dabei an Komplexität exponentiell zugenommen haben. Es bedarf daher einer grundsätzlichen Neuausrichtung des Publizitätsrechts, damit dieses seinen Regelungsaufgaben auch künftig gerecht werden kann.
1. Adressatenmodelle des geltenden Publizitätsrechts Der Status quo in den hier untersuchten Rechtsordnungen ist dabei – wie bereits angedeutet – dadurch gekennzeichnet, dass lediglich die Pflichten zur Informationsoffenlegung eine detaillierte gesetzliche Ausgestaltung erfahren. Zur Aufnahme und Verarbeitung der offen gelegten Informationen sagt das Publizitätsrecht dagegen typischerweise nichts, sondern vertraut unausgesprochen auf das Funktionieren faktischer Mechanismen auf Seiten der Informationsadressaten, mittels derer das Ziel der Publizitätsregelung erreicht werden soll. Der Schritt der Informationsaufnahme gelangt allenfalls mittelbar, nämlich durch die Definition des Adressatenmodells des jeweiligen Publizitätsrechts in den Fokus, das jedoch regelmäßig nur im Zusammenhang mit der Informationshaftung Bedeutung erlangt14 – als Leitlinie der Rechtsetzung fungiert es dagegen von vornherein nur begrenzt. a) U.S.A. Das U.S.-amerikanische Finanzmarktrecht knüpft, wie im Text15 bereits dargestellt, ausdrücklich an das ökonomische Modell des informationseffizienten Marktes (Efficient Capital Market Hypothesis) an und geht folglich davon aus, dass die bloße Offenlegung von Informationen genügt, um einen effizienten Marktpreis zu erreichen. Das Publizitätsrecht muss sich auf dieser theoretischen Grundlage nur um die Sicherstellung einer umfangreichen und zeitnahen Informationsoffenlegung kümmern16 und die Informationsverarbeitung gar nicht beachten, weil insoweit – so die These – auf Marktmechanismen Verlass ist. Der „materiality“-Standard der U.S.-amerikanischen Offenlegungspflichten stellt daher allgemein auf den Adressatenhorizont eines „reasonable investors“ ab17 und definiert diesen konsequent nicht näher als sachkundigen oder aber ungeübten Marktteilnehmer,18 weil jedenfalls die Marktteilnehmer in ihrer Gesamtheit für eine Einpreisung jeglicher Informationen in den Marktpreis sorgen werden. 14
Unten II 1 b). Siehe § 5 III 1 b) aa). 16 Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329: „The U.S. securities laws reflect the deeply imbedded assumption that timely, full, and complete corporate disclosure of material information is all that is required to achieve accurate and efficient pricing of securities.“ 17 TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 14.6.1976, 426 U.S. 438, 445 (1976). 18 Brown, Regulation of Corporate Disclosure, Stand: 2009–1 Supplement, § 5.03: „An objective test, courts generally do not differentiate between sophisticated and unsophisticated shareholders“. 15
§ 18 Die adressatengerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen
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b) Deutschland, Schweiz und Hongkong Die Gesetzgeber der übrigen Rechtsordnungen haben sich die Efficient Capital Market Hypothesis dagegen nicht generell zu eigen gemacht, sondern sind lediglich bei der Schaffung einzelner Publizitätsregelungen nachweisbar von ihr ausgegangen.19 Sie arbeiten im Übrigen mit allgemeinen Adressatenmodellen und damit einer Methode, welche die Rechtsanwendung mit verschiedenen Schwierigkeiten belastet: So wird das Adressatenmodell erstens nicht immer durch den Regelsetzer selbst, sondern häufig erst ex post durch die Rechtsprechung benannt, erschöpft sich zweitens regelmäßig in einer vagen Umschreibung durch unbestimmte Rechtsbegriffe und kann drittens von Publizitätsregel zu Publizitätsregel variieren, wodurch Widersprüche innerhalb des jeweiligen Publizitätssystems begründet werden. Das einschlägige Adressatenmodell ist daher im deutschen, schweizerischen und Hongkonger Publizitätsrecht auch nicht selten umstritten: So richtet sich die Prospektpublizität im deutschen Recht ausweislich der bekannten „Beton- und Monierbau“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (zu § 45 BörsG a.F.) an einen „durchschnittlichen Anleger, der zwar eine Bilanz zu lesen versteht“,20 aber „nicht unbedingt mit der in eingeweihten Kreisen gebräuchlichen Schlüsselsprache vertraut zu sein braucht“21 bzw. „kein überdurchschnittliches Fachwissen aufweist“.22 Wesentliche Teile des Schrifttums stimmen diesem Adressatenmodell zu23 und wollen es auch auf andere, neuere Publizitätsregelungen (wie § 5 WpPG24 und das VerkProspG25) übertragen, während eine Gegenansicht auf den „verständigen Anleger“ abstellen will, auf den das Ad hocPublizitätsrecht in § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG Bezug nimmt26 und auf den auch
19
Siehe § 5 III 1 b) bb). BGH, 12.7.1982, NJW 1982, 2823, 2824 („Beton- und Monierbau AG“); OLG Frankfurt a.M., 1.2.1994, NJW-RR 1994, 946, 947 („Bond-DM-Anleihe“); OLG Frankfurt a.M., 6.7.2004, ZIP 2004, 1411, 1414 („EM.TV II“). 21 BGH, 12.7.1982, NJW 1982, 2823, 2824 („Beton- und Monierbau AG“). 22 So OLG Frankfurt a.M., 1.2.1994, NJW-RR 1994, 946, 947 („Bond-DM-Anleihe“). 23 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 474; Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 9 Rn. 83; Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S. 34; Hauptmann, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 3 Rn. 62; Holzborn/Holzborn, § 5 WpPG Rn. 16; Holzborn/Wackerbarth, §§ 44, 45 BörsG Rn. 67; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 11.448; Wach, WuB I G 8. – 3.05. Ebenso, aber mit wenig klaren Differenzierungen U. Ehricke, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 187, 220 f. 24 Holzborn/Holzborn, § 5 WpPG Rn. 16; Just/Voß/Ritz/Zeising/Just, § 5 Rn. 21; Schlitt/ Schäfer, AG 2005, 498, 502. 25 Maas/Voß, BB 2008, 2302, 2307 (zu § 11 VerkProspG). 26 Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 44 f. m.w.N.; Groß, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 41; Veil, ZBB 2006, 162, 164. Im Schrifttum wird dieser Anlegertypus teilweise mit dem rationalen Anleger des neoklassischen ökonomischen Rationalmodells gleichgesetzt; vgl. dazu bereits § 5 III 1 b) bb) m. Nachw. Für Gleichsetzung mit dem „durchschnittlichen“ Anleger der Rspr. („der Sache nach“) aber Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rn. 15. 20
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sonstige Publizitätsregelungen (implizit) abzielen sollen.27 Neben weitere Adressatenmodelle, die im Schrifttum vorgeschlagen und üblicherweise nur allgemein umschrieben werden,28 hat der deutsche Gesetzgeber nunmehr für die Beurteilung der Transparenz von Leistungsversprechen in Anleihebedingungen noch den Anleger gestellt, „der hinsichtlich der jeweiligen Art von Schuldverschreibungen sachkundig ist“ (§ 3 SchVG), also spezielle Vorkenntnisse mitbringt.29 Ähnlich unbestimmt definierte Adressatenmodelle finden sich sodann auch im Recht der Schweiz, wo sich die gesetzliche (Emissions-)Prospektpublizität30 an den „durchschnittlichen verständigen Anleger“31 wenden soll, während die (Zulassungs-)Prospektpublizität in der selbstregulierenden Ausgestaltung durch die Schweizer Börse32 sich an den professionellen Investor richtet,33 den man von dem „durchschnittlichen Anleger“ der deutschen Rechtsprechung (verstanden als Privatanleger) unterscheiden will.34 Schließlich scheint auch das Hongkonger Publizitätsrecht vorrangig auf den professionellen Anleger zu zielen,35 wenngleich die Frage des Adressatenmodells hier vergleichsweise selten problematisiert wird.
2. Mangelnde Berücksichtigung der begrenzten Informationsaufnahmeund -verarbeitungskapazität „realer“ Publizitätsadressaten Es ist nun bezeichnend, dass die Festlegung des beschriebenen Adressatenhorizonts im Übrigen keine Folgen für die Ausgestaltung der gesetzlichen Publizitätsregelungen zeitigt: Obwohl das verwandte Adressatenmodell im Kreis der hier untersuchten Rechtsordnungen durchaus divergiert, ist nicht erkennbar, dass eine auf einen „durchschnittlichen“ Anleger ausgerichtete Offenlegung in 27
Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 14 Rn. 26 (zu § 5 WpPG). Vgl. etwa Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2279: unkundiger Kleinanleger; H. Ehricke, DB 1980, 2429, 2432: „Durchschnittsbürger“; Schwark/Zimmer/Schwark, § 45 BörsG Rn. 22: „verständiger und zugleich kritikfähiger Anleger“. 29 Vgl. zu § 3 SchVG BT-Drs. 16/12814, S. 27: „Unter gegebenen Voraussetzungen können so auch sehr komplizierte Bedingungen rechtlich zulässig sein, soweit sie erkennbar an einen Anlegerkreis gerichtet sind, der über entsprechende Kenntnisse verfügt, weil er sich z.B. auf bestimmte Investitionen in risikoreiche Schuldtitel spezialisiert hat.“ 30 Dazu § 9 I 2 a). 31 Vgl. in diesem Sinne Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1020; Roberto/Wegmann, SZW/RSDA 2001, 161, 169; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55, 57. 32 Siehe schon § 9 I 2 b). 33 Daeniker/Waller, Informationspflichten, S. 55, 74 f.; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 401; Huber/Hodel/Staub Gierow, Art. 32 KR Rn. 12: die Prospektpflicht des KR folge keinem „Konsumentenschutzdenken“; Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität, S. 200 f.; Rayroux/Aeschimann, SWZ/RSDA 1993, 222, 224: erfahrener Investor mit wirtschaftlichen Kenntnissen; Rohr, Emissionsrecht, S. 217 ff. 34 Daeniker/Waller, Informationspflichten, S. 55, 75: die Formel des BGH sei für das Schweizer Recht abzulehnen. 35 In diesem Sinne wohl Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 4.95 ff.; Lejot, 38 HKLJ (2008), 585, 590. 28
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Inhalt und Form anders definiert würde als eine Publizitätspflicht, mittels derer professionelle Investoren oder Modellanleger nach Bild des Rationalmodells informiert werden sollen. Von gesetzgeberischer Seite wird zudem bislang in keiner Weise ermittelt und berücksichtigt, welche Informationen durch Adressaten des anvisierten Typs tatsächlich aufgenommen und verarbeitet werden können36 – das geltende Publizitätsrecht benennt sein Adressatenmodell also allenfalls, zieht daraus jedoch letztlich keinerlei Konsequenzen. Dies mag für das U.S.-amerikanische Publizitätsrecht noch konsequent erscheinen, wenn man – wie die SEC – davon ausgeht, dass am realen Markt tatsächlich Informationseffizienz herrscht37 und sämtliche offen gelegten Informationen folglich tatsächlich marktendogen aufgenommen und verarbeitet werden.38 Zum deutschen Publizitätsrecht wurde hingegen bald eingewandt, der „durchschnittliche“ Anleger – der üblicherweise mit einem Privatanleger gleichgesetzt wird (obgleich dies keineswegs zwingend erscheint) – lese weder die oft hunderte von Seiten umfassenden Prospekte noch Jahresabschlüsse oder Lageberichte, und könne den Inhalt dieser Dokumente im Übrigen auch gar nicht verstehen.39 Dem begegnet man im Allgemeinen mit dem Argument, die genannten Informationen seien letztlich für professionelle Informationsintermediäre bestimmt, welche die Auswertung übernehmen und ihre Erkenntnisse sodann verständlich an den durchschnittlichen Kleinanleger weitervermitteln.40 Das Adressatenmodell des deutschen Rechts wird auf diesem Umweg also dem Modell des schweizerischen und Hongkonger Rechts angeglichen, sodass es im Ergebnis doch durchgehend auf den Horizont eines professionellen Marktteilnehmers ankommen soll.
36 Zum U.S.-amerikanischen Publizitätsrecht kritisch Langevoort, 97 Nw. U. L. Rev. (2002), 135, 173: the SEC „has never studied investor behaviour deeply enough to say, publicly at least, what percentage of investors read or understand these documents, or what influence the fundamental analysis-oriented disclosure has on their investment decisions. I suspect that it does not really want to know for fear that the myth-story might have to give way to a vision of retail investors somewhat more in keeping with the predictions of the behavioralists.“ Auch die deutsche Rechtsprechung begnügt sich damit, die Rolle des Prospekts als Informationsgrundlage schlicht zu behaupten; vgl. BGH, 31.5.2011, NJW 2011, 2719, 2720 („Dritter Börsengang Deutsche Telekom“): „Der Prospekt stellt in der Regel für den Anlageinteressenten die wichtigste und häufigste Informationsquelle dar und bildet die Grundlage für seine Anlageentscheidung“. 37 Vgl. bereits § 9 III 2 a) aa) zum „Commission’s belief that the market operates efficiently“ (so in SEC Release 33–6331, 34–18007, IC–11888 vom 6. Aug. 1981, 46 FR 41902 ff.). 38 So auf Basis der Efficient Capital Market Hypothesis Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. (1984), 549, 570: „Subgroups of informed traders, or even a single knowledgeable trader with sufficient resources, can also cause prices to reflect information by persistent trading at a premium over ,uninformed‘ price levels.“ 39 So etwa Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2008, Vor § 1 WpPG Rn. 21; Koller, ZBB 2007, 197, 198; Moloney, EC Securities Regulation, S. 321; D. Schneider, DB 1993, 1429, 1430; Sethe, ZBB 2010, 265, 277; Zetzsche, ZBB 2007, 438, 452; a.A. Otto, WM 2010, 2013, 2017. 40 Holzborn/Wackerbarth, §§ 44, 45 BörsG Rn. 68; Hopt, ZGR 1980, 225, 240; Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität, S. 200 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 417; Mülbert, WM 2001, 2085, 2095, 2098 f.: „gemeinschaftsrechtliches Regelungsmodell“.
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Zum deutschen Prospektrecht bleibt dabei unklar, wie sich dieses intermediär-basierte Informationsmodell mit dem oben beschriebenen Adressatenmodell der „Beton- und Monierbau“-Rechtsprechung verträgt, das offenkundig den Leser des Prospektes selbst definiert und die Publizitätspflicht als auf diesen ausgerichtet versteht. Denkbar wäre es, denjenigen Investorentyp als „durchschnittlichen Anleger“ einzuordnen, der empirisch nachweisbar auf dem betroffenen Teilsektor des Finanzmarktes vorherrscht – dies wäre (jedenfalls auf dem Anleihemarkt) der professionelle Investor41 und nicht der Privatanleger.42 Die h.M. vollzieht diesen Schritt jedoch nicht.
Entscheidend ist nun, dass in einem weiteren Schritt implizit unterstellt wird, die professionellen Marktteilnehmer verfügten zumindest in ihrer Gesamtheit über die Fähigkeit, jegliche offen gelegte Information aufzunehmen und zu verarbeiten, und täten dies aus eigenem Interesse auch.43 Ob diese Annahme die Realität zutreffend widerspiegelt, die offen legten Informationen also tatsächlich aufgenommen und verarbeitet werden, ist dabei durch die Publizitätsgesetzgeber nie empirisch untersucht worden; man stützt sich insofern allenfalls auf Modelle der ökonomischen Theorie. In jüngerer Zeit wird diese Grundannahme des geltenden Publizitätsrechts jedoch mit guten Gründen bezweifelt, weil erhebliche Anzeichen dafür bestehen, dass eine Informationsaufnahme und -verarbeitung insbesondere bei komplexen Informationen tatsächlich gar nicht stattfindet44 und diese daher auch nicht an sonstige (nicht professionelle) Marktteilnehmer weitergegeben werden, und zwar auch nicht mittelbar über einen effizienten Marktpreis. Entsprechende Indizien waren zunächst schon im Zusammenhang mit dem Enron-Zusammenbruch im Jahre 2001 sichtbar geworden,45 traten mit der globalen Finanzkrise 2007–09 sodann aber unübersehbar hervor: Dass es an Informationsaufnahme und -verständnis sogar auf einem Markt fehlen kann, der sich – wie der Markt für strukturierte Finanzinstrumente – fast ausschließlich aus professionellen Marktteilnehmern zusammensetzt,46 belegt schlagend die Unvollkommenheit der bisherigen gesetzgeberischen Annahmen.47 41
Siehe zur Dominanz professioneller Investoren in diesem Marktsektor bereits § 12 I. Allerdings betont die EG-Prospektrichtlinie in ihrem Erwägungsgrund 41 den Schutz (auch) des „Kleinanlegers“ als Ziel – schon dies könnte einer Ausrichtung am Adressatenhorizont professioneller Anleger entgegen stehen; vgl. in diesem Sinne Sethe, ZBB 2010, 265, 272. 43 Kritisch dazu Avgouleas, ECFR 2009, 440, 442; Langevoort, 140 U. Pa. L. Rev. (1992), 851, 880 Fn. 95. 44 Vgl. in diesem Sinne auch BVerfG, 26.6.2002, BVerfGE 105, 252, 267 („Glykolwarnung“): „Allerdings garantiert der Markt als Einrichtung nicht, dass stets ein bestimmter oder gar ein hoher Informationsstand besteht. Die am Markt verfügbaren Informationen sind häufig nicht vollständig. Informationen werden vielfach in selektiver Weise verbreitet. Auch haben nicht alle am Markt verfügbaren Informationen gleich gute Voraussetzungen, um von ihren Adressaten aufgenommen und folgenreich verarbeitet zu werden“ (meine Hervorhebung). 45 Siehe dazu und zum Folgenden bereits § 5 IV 1 b) mit Nachweisen. 46 Siehe bereits § 10 I 1 c). 47 Der deutsche Gesetzgeber hat dies zumindest in der Tendenz anerkannt; vgl. BT-Drs. 16/ 12814, S. 26: „Die Finanzmarktkrise hat gezeigt, dass eine solche eindeutige Bestimmung [des Leistungsversprechens des Emittenten] bei manchen Schuldverschreibungen wie etwa den sogenannten Ketten-Verbriefungen oder einigen Basket-Zertifikaten selbst für professionelle Anleger schwie42
§ 18 Die adressatengerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen
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Für die Fortentwicklung des Publizitätsrechts kann dieser Befund nicht ohne Folgen bleiben, weil die Erfüllung seines Regelungszwecks durch die schlichte Beibehaltung des bisherigen Regelungsmodells ernsthaft gefährdet würde.48 In Zukunft wird es daher erforderlich sein, auf eine adressatengerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen zu achten.
3. Die Adressatengerechtheit als Leitgedanke eines Systems abgestufter Publizitätsregelungen Ausgangspunkt sollte dabei der Gedanke sein, dass jede Publizitätsregelung so auf einen bestimmten Adressatenhorizont zuzuschneiden und auszugestalten ist, dass die offen zu legenden Informationen durch diesen Adressaten aufnehm- und verarbeitbar sind. Die Differenzierung nach verschiedenen Adressatentypen ist dabei als Forderung nicht neu,49 hat aber bislang kaum Umsetzung gefunden: Die gängige Induktion eines einheitlichen Adressatenmodells aus einzelnen Publizitätsregelungen50 macht dies im deutschen Recht ebenso deutlich wie der Versuch der Rechtsprechung, die Prospektpublizität gleichzeitig an dem Adressatenhorizont eines „durchschnittlichen“ und demjenigen eines „bilanzfesten“ Anlegers auszurichten (zweier Merkmale, die mit Recht als widersprüchlich kritisiert werden,51 sofern man sie denn als Beschreibung der vorhandenen Sachkenntnis verstehen will52). Künftig sollte der Gesetzgeber jeweils bestimmen, welchen Adressaten die publizitätspflichtige Information erreichen soll,53 und die Vorgabe der Publizitätsregelung daran ausrichten54 – ein „one size fits all“-Ansatz verbietet sich insofern. Zu diesem Zweck wird auf Merkmale und Fähigkeiten eines „rearig 48ist.“ Aus dem Schrifttum etwa Koch, BKR 2012, 485, 486; Stürner, in FS Canaris I (2007), S. 1489, 1494; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 461; Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT (2010), S. G 15; skeptisch auch Merkt, in FS Hopt (2010), S. 2207, 2232. 48 Vgl. den Befund bei Schön, in FS Canaris I (2007), S. 1191, 1211: „Die Wissenschaft steht mit distanzierter Hilfslosigkeit vor einer Situation, in der auch eine Überflutung mit Informationen die Verbesserung von Lebensentscheidungen – auch auf rechtsgeschäftlichem Gebiet – nicht bewirkt.“ 49 So bereits Hopt, ZGR 1980, 225, 239; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 448. Ebenso Erwägungsgrund 41 der EG-Prospektrichtlinie: „das Ausmaß der Information und des Schutzes muss den jeweiligen Verhältnissen [gemeint ist: der Anleger] angepasst sein“. 50 Oben I 1 b). 51 Assmann, WM 1983, 138, 140 Fn. 35; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2279; H. Ehricke, DB 1980, 2429, 2432 (mit der Anmerkung, durch das Merkmal der „Bilanzfestigkeit“ würden mit Sicherheit 99% der Bevölkerung vom Schutz des § 45 BörsG a.F. ausgeschlossen); Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 191; Kunz, BB 1994, 738, 739; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 14 Rn. 26; Maas/Voß, BB 2008, 2302, 2307; Schwark/ Zimmer/Schwark, § 45 BörsG Rn. 22; Sethe, ZBB 2010, 265, 272. 52 Tatsächlich dürfte die Aussage in der Sache auf die Frage der Prospekthaftung abgezielt haben; vgl. noch unten II 1 b). 53 Das Fehlen einer solchen Festlegung bemängelt Sethe, ZBB 2010, 265, 272. 54 Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 332: „listening is as important, if not more important, than talking“; Paredes, 81 Wash. U. L. Q. (2003), 417, 418, 432; Philipps/Rechtschaffen, 21 Fordham Int’l L.J. (1998), 1754, 1759.
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len“ Adressaten des betreffend Typs abzustellen sein, die ggfs. durch empirische und verhaltenswissenschaftliche Untersuchungen zu ermitteln sind: Es sollte mit anderen Worten nicht länger auf die ökonomische Theorie, sondern die Empirie ankommen,55 weil das Recht Regeln für die Wirklichkeit setzt und sich folglich an dieser ausrichten muss. Darüber hinaus wird man nicht lediglich auf die abstrakte Informationsaufnahme- und -verarbeitungsfähigkeit eines bestimmten Adressatentyps abstellen müssen, sondern zudem in Rechnung zu stellen haben, in welcher Situation dieser Adressat typischerweise mit der jeweiligen Information konfrontiert wird. Dies kann etwa bei einem Anlageberatungsgespräch in einer Bank, während dessen dem Kunden nur kurze Zeit zur Informationsaufnahme und -verarbeitung zur Verfügung steht, einen anderen Informationsumfang adressatengerecht erscheinen lassen als bei der Überlassung schriftlicher Unterlagen, auf deren Grundlage der Kunde erst später die Anlageentscheidung trifft.
II. Bedingungen der Adressatengerechtheit von Publizitätsregelungen Welche Anforderungen an die Adressatengerechtheit einer Publizitätsnorm zu stellen sind, hängt nach alledem vorrangig von der Informationsaufnahme- und -verarbeitungsfähigkeit des (typisierten) Adressaten ab und wird daher nicht von rechtswissenschaftlichen, sondern verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen bestimmt. Es lassen sich aber zwei Faktoren identifizieren, die im geltenden Publizitätsrecht unter dem Gesichtspunkt der Adressatengerechtheit besondere Schwierigkeiten aufwerfen:
1. Adressatengerechter Informationsumfang a) Reduktion der Informationsmenge So ist zunächst eine adressatengerechte Bestimmung des notwendigen und zulässigen Informationsumfangs zu fordern, weil „reale“ Marktteilnehmer (und zwar professionelle ebenso wie private) nur eine begrenzte Menge an Informationen aufzunehmen vermögen.56 Die Höchstmenge an aufnehmbaren Informationen dürfte dabei, so steht zu vermuten (und wäre durch empirische Untersuchung näher zu erforschen), zwischen unterschiedlichen Adressatentypen und Situationen differieren, ist anscheinend aber vergleichsweise niedrig anzusetzen – der Drei-Buchstaben-Umfang eines Ratingkürzels bietet ein Beispiel für einen Informationsumfang, der offenkundig aufnehmbar ist.
55 So auch Avgouleas, ECFR 2009, 440, 446 (zur EU-Finanzmarktregulierung); Koller, in FS U. Huber (2006), S. 821, 827. 56 Kamlah, WM 1998, 1429, 1434.
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Forderungen nach einer Reduktion der Informationsmenge sind dabei nicht neu; Warnungen vor einem „information overload“ finden sich im Schrifttum nicht selten.57 Auf die Ausgestaltung des Publizitätsrechts hat dies freilich erst in jüngerer Zeit Auswirkungen gezeitigt, indem nunmehr etwa „wesentliche Anlegerinformationen“ über Investmentfonds (Key Investor Documents)58 oder Prospektzusammenfassungen bei Wertpapierprospekten59 verlangt werden. Ob diese zusätzlichen Publizitätsformen, die neben die bisherige fortbestehende Prospektpublizität treten,60 mit Blick auf einen „Durchschnittsleger“ bereits adressatengerecht gestaltet sind, wird allerdings bezweifelt,61 und jüngere empirische Untersuchungen haben diese Zweifel gestärkt.62 Der europäische Gesetzgeber hat hierauf reagiert, indem seit 2011 ein präziser Höchstumfang für wesentliche Anlegerinformationen (nicht länger als zwei DIN-A4-Seiten)63 und seit 2012 auch für Prospektzusammenfassungen (nicht mehr als 7% des Prospektumfangs, höchstens aber 15 Seiten)64 vorgeschrieben wird, und auch im deutschen Recht sind mittlerweile Umfangsbeschränkungen für Produktinformationsblätter65 („Beipackzettel“) eingeführt worden (bei nicht komplexen Finanzinstrumenten nicht mehr als zwei DIN-A4-Seiten, bei allen übrigen Finanzinstrumenten nicht mehr als drei DIN-A4-Seiten66). 57 Vgl. etwa Paredes, 81 Wash. U. L. Q. (2003), 417; Oehler, ZBB 2012, 119, 120; Sethe, ZBB 2010, 265, 277; Sørensen, EBOR 2009, 255, 274 f.; auch Spindler, AG 2010, 601, 612. Veil, ZBB 2006, 162, 167 bezeichnet es als „erstaunlich, dass der drohende information overload in der wissenschaftlichen Diskussion bisher kaum Beachtung gefunden hat“. 58 So im europäischen Fondsrecht gemäß Artt. 78 ff. EG-OGAW-Richtlinie (im deutschen Recht umgesetzt in § 166 KAGB); im schweizerischen Recht gemäß Art. 5 Abs. 2 KAG (für strukturierte Produkte) und gemäß Art. 76 KAG (für Fonds). 59 Im deutschen Recht § 5 Abs. 2 Satz 1 WpHG. In Hongkong ist in Reaktion auf die „Lehman-Minibonds“-Krise nunmehr ebenfalls die Einführung von Normen zur Prospektzusammenfassung geplant; vgl. Securities and Futures Commission, Hong Kong, Issues raised by the Lehmans Minibonds crisis, Report (Dec. 2008), Tz. 26.6. 60 Im deutschen Recht hat die Zusammenfassung des Prospekts nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur die Funktion einer Einführung (§ 5 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 WpHG); vgl. Veil, ZBB 2006, 162, 165. 61 Avgouleas, ECFR 2009, 440, 468; Baur/Ziegler in BuB (Stand: 6/2008), Rn. 9/484; Koller, ZBB 2007, 197, 198; ders., in: Assmann/Schneider, § 31 Rn. 93c (zu § 31 Abs. 3 WpHG): der „information overload“ sei in der Vorschrift angelegt; Koch, BKR 2012, 485, 487; Köndgen, BKR 2011, 283, 285: „populistisches Brimborium“ (zu den „Beipackzetteln“ gemäß § 31 Abs. 3a WpHG n.F.); Zetzsche, ZBB 2007, 438, 452. 62 Vgl. Oehler, ZBB 2012, 119, 125 ff. 63 Art. 6 EU-DurchführungsVO Nr. 583/2010, in Kraft seit dem 1. Juli 2011. 64 Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 EG-ProspektVO in der Fassung der Änderungs-VO (EU) Nr. 486/2012 der Kommission, in Kraft seit dem 1. Juli 2012. Zuvor waren die Regeln über die Prospektzusammenfassung gem. § 5 Abs. 2 WpPG in der deutschen aufsichtsbehördlichen Praxis dagegen sehr flexibel angewandt worden: Obwohl Prospektzusammenfassungen ausweislich des Erwägungsgrundes 21 zur EG-Prospektrichtlinie seit jeher „in der Regel nicht mehr als 2.500 Wörter“ umfassen sollten, tolerierte die BaFin regelmäßig sogar eine Verdoppelung dieses Umfangs; vgl. Just/Voß/Ritz/Zeising/Just, § 5 Rn. 26. 65 Gemäß § 31 Abs. 3a Satz 1 WpHG. 66 § 5a Abs. 1 WpDVerOV.
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b) Die Entkoppelung von Information und Haftung als Vorschlag Als entscheidendes Hindernis für die notwendige Reduktion des Informationsumfangs erweist sich dabei die Doppelfunktion vieler gesetzlicher Publizitätspflichten, die einerseits die präventive Informationsversorgung des jeweiligen Adressatenkreises bezwecken, zugleich aber als Anknüpfungspunkt für die Informationshaftung des Publizitätspflichtigen dienen. Da das geltende Publizitätsrecht keine präzisen Vorgaben zum zulässigen Informationsumfang aufstellt, überwiegt das Interesse der Publizitätspflichtigen an der Vermeidung der Haftung, die ihnen bei einer unvollständigen Informationsoffenlegung droht.67 Gesetzliche Pflichtpublizität wird daher mit Blick auf das Vollständigkeitspostulat so umgesetzt, dass im Zweifelsfall mehr und nicht weniger Informationen offen gelegt werden68 und der Informationsumfang folglich ständig wächst. Der Einfluss der Haftungsgefahr schlägt dabei mittelbar auch auf „vereinfachte“ Publizitätspflichten durch, weil diese inhaltlich regelmäßig mit der fortbestehenden ausführlichen Publizitätsform konsistent sein müssen.69 Auch in anderer Hinsicht ist häufig unverkennbar, dass die haftungsrechtliche Ebene des Publizitätsrechts für den Inhalt von Publizitätspflichten prägend ist: So lässt sich die verbreitet als widersprüchlich kritisierte Beschreibung des Adressatenhorizonts des Prospektlesers in der „Beton und Monierbau“-Entscheidung des BGH70 mit dem Ziel erklären, den Prospektverantwortlichen nicht dafür haften zu lassen, dass Angaben zur Bilanz im Prospekt nicht allgemein verständlich erläutert wurden.71 In eine ähnliche Richtung weist die in ständiger Rspr. getroffene Aussage des BGH, der Prospektverantwortliche dürfe davon ausgehen, dass der Durchschnittsanleger den Prospekt sorgfältig und eingehend lese72 – mit dem tatsächlichen Verhalten eines durchschnittlichen Investors dürfte diese Vorstellung nichts zu tun haben,73 aber dieser Umstand soll eben nicht zu einer Prospekthaftung führen.
67 Baur/Ziegler in BuB (Stand: 6/2008), Rn. 9/482; Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2008, Vor § 1 WpPG Rn. 21. 68 Schon früh Kübler, AG 1977, 85, 90: „Prospekte [werden] nicht mehr von Anlageexperten zur Information des Publikums, sondern von Juristen als ‚insurance policy‘ gegen drohende Rechtsfolgen abgefasst“. 69 So etwa Art. 79 Abs. 1 Satz 2 EG-OGAW-Richtlinie, § 166 Abs. 3 Satz 3 KAGB. Zu § 42 Abs. 2 InvG a.F. konstatierte Baur/Ziegler in BuB (Stand: 6/2008), Rn. 9/482 daher einen „unlösbaren Konflikt“. 70 Oben I 1 b). 71 Groß, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 42. 72 BGH, 31.3.1992, NJW-RR 1992, 879, 881; BGH, 14.6.2007, NZG 2007, 663; BGH, 28.2.2008, VuR 2008, 178 Tz. 8; zustimmend Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 11.448. Anders wohl LG Frankfurt a.M., 7.10.1997, AG 1998, 488, 490 („MHM-Aktie“): der Maßstab „eines aufmerksamen und kundigen Prospektlesers“ überspanne die gesetzlichen Anforderungen. 73 Vgl. aus jüngerer Zeit in diese Richtung BGH, 8.7.2010, ZIP 2010, 1548, 1551: „Die Prospektangaben, die notwendig allgemein gehalten sind und deren Detailfülle, angereichert mit volks-, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken, viele Anleger von einer näheren Lektüre abhält, treten demgegenüber [d.h. der individuellen Hinweise des Anlageberaters] regelmäßig in den Hintergrund.“ Kritisch dazu Lang/Müller-Felsch, BB 2010, 2008, 2009.
§ 18 Die adressatengerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen
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De lege ferenda wäre daher zu erwägen, eine Entkoppelung solcher Informationspflichten, die von Gesetzes wegen auf einen aufnehmbaren Höchstumfang beschränkt sind, von der gesetzlichen Informationshaftung vorzusehen. Durch einen solchen Schritt würde die Publizitätspflicht auf ihren originären Informationszweck zurückgeführt und verhindert, dass die Erfüllung dieses Zwecks wie bislang zum Ziel der Haftungsvermeidung in Konkurrenz tritt. Der Preis wäre freilich eine Einschränkung des nachträglichen Schutzes des Informationsadressaten im Wege der Schadensersatzhaftung,74 die sich theoretisch zwar nur auf den Aspekt der Vollständigkeit (und nicht auch der Richtigkeit) der Informationen beziehen müsste,75 in diesem Fall die Haftungsgefahr aber aufgrund der engen Verzahnung beider Aspekte möglicherweise nicht effektiv beseitigen würde. Es bleibt daher zu prüfen, wie eine sachgerechte Balance zwischen adressatengerechter Information und haftungsrechtlicher Kompensation zu verwirklichen ist.
2. Adressatengerechte Informationscodierung Von erheblicher Bedeutung ist des Weiteren die adressatengerechte Codierung der offen zu legenden Informationen, die zu einer adressatengerechten Bestimmung des Informationsumfangs hinzukommen muss.76 Gesetzliche Vorgaben zur Informationscodierung sind im geltenden Publizitätsrecht vereinzelt bereits enthalten, wie etwa im Recht der Rechnungslegung zur Gliederung der Bilanz77 und der Gewinn- und Verlustrechnung,78 im neueren europäischen Fondsrecht zu Präsentation und sprachlicher Fassung des Key Investor Documents79 sowie im U.S.-amerikanischen Recht der Markteintrittspublizität in Gestalt der dort vorgeschriebenen, standardisierten „Forms“. Daneben enthalten neuere Publizitätsnormen allgemein formulierte Postulate, welche die „Verständlichkeit“ der offen gelegten Informationen fordern, wie etwa im deutschen und Schweizer Prospektrecht („in leicht analysierbarer und verständlicher Form“, „muss in einer Form abgefasst sein, die sein Verständnis und seine Auswertung erleichtern“80; „muss für den Durchschnittsanleger leicht verständlich sein“81), in den Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen („in verständlicher Form“82) und im Recht der Ad hoc-Publizität („genutzte Kennzahlen müssen im Geschäftsverkehr üblich sein und ei74
Die allgemeine Haftung des Publizitätspflichtigen nach § 826 BGB bliebe erhalten, eröffnet jedoch infolge der Anforderungen der Rspr. an den Kausalitätsbeweis kaum eine effektive Kompensationsmöglichkeit für den Informationsadressaten. 75 Vgl. im deutschen Prospekthaftungsrecht § 23 Abs. 2 Nr. 5 WpPG (§ 45 Abs. 2 Nr. 5 BörsG a.F.) zum (voraussetzungsreichen) Prospekthaftungsausschluss für Prospektzusammenfassungen. 76 Sørensen, EBOR 2009, 255, 273 f.; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55, 57. 77 Im deutschen Recht § 266 HGB. 78 § 275 HGB. 79 Art. 5 EU-DurchführungsVO Nr. 583/2010 und öfter. 80 Im deutschen Recht § 5 Abs. 1 Satz 1, 3 WpPG. 81 Im schweizerischen Recht Art. 76 Abs. 3 KAG (zum vereinfachten Prospekt). 82 Im deutschen Recht § 31 Abs. 3 Satz 1 WpHG.
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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
nen Vergleich mit den zuletzt genutzten Kennzahlen ermöglichen“).83 Im U.S.amerikanischen84 und im Hongkonger Recht85 finden diese ein Äquivalent zum einen in den sog. „plain English“-Regeln, die generell die Verwendung einfach verständlicher Sprache in offen zu legenden Dokumenten verlangen, und zum anderen in bereichsspezifischen Verständlichkeitsanforderungen, die jedoch ebenfalls einen nur pauschalen Standard formulieren („the form [shall] be easy to use and helpful for users of credit ratings to understand the information contained in the report“86). Den beschriebenen Regelungen ist jeweils eigen, dass sie selbst nicht näher definieren, welche Anforderungen an die verlangte „Verständlichkeit“ zu stellen sind. Sie dürften daher weitgehend als Leerformeln einzustufen sein, die eine Aufnehmbarkeit der betreffenden Informationen allein nicht sicherstellen.87 Nach hier vertretener Ansicht bedarf es insoweit präziserer Vorgaben, die auf Grundlage verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse zur Informationsaufnahme und -verarbeitung des jeweiligen Adressatenkreises zu definieren und als Bestandteil der Publizitätsregelung festzuschreiben sind.
III. Funktionelle Grenzen des Publizitätsrechts Schließlich ist nicht zu verkennen, dass einer Regulierung durch Publizität gewisse funktionelle Grenzen gesetzt sind, die auch durch eine adressatengerechte Gestaltung von Publizitätsregeln nicht überwunden werden können. So wird man annehmen müssen, dass es Informationen gibt, die (etwa infolge ihrer Komplexität) schlicht nicht adressatengerecht zu codieren sind. Da eine Publizitätspflicht hier nicht bewirken kann, dass der Adressat die Information aufnimmt, sie verarbeitet und auf dieser Grundlage Entscheidungen trifft, ist Publizität insoweit kein geeignetes Regelungsinstrument. Wird sie – wie nicht selten – gleichwohl eingesetzt, so liegt dies regelmäßig entweder daran, dass ihre Tauglichkeit nicht hinreichend geprüft oder aber trotz erkennbarer Untauglichkeit an ihr festgehalten wurde, weil die Regulierung durch (bloße) „Trans83
Im deutschen Recht § 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG. Im U.S.-amerikanischen Recht Rule 421(d) zum Securities Act of 1933; Items 501 f. Regulation S–K. 85 Im Hongkonger Recht Securities and Futures Commission & Stock Exchange of Hong Kong Ltd., Joint Announcement on the Use of Plain Language in Prospectuses and Application Forms (March 1998). 86 So im U.S.-amerikanischen Recht § 15E(s)(2)(A) Securities Exchange Act of 1934 (in der Fassung des Dodd–Frank Acts). 87 So zur Hongkonger „plain English“-Vorgabe Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 1.60; zu den neueren U.S.-amerikanischen Transparenzanforderungen an Rating-Agenturen GAO, Report 10–782 (Sept. 2010), S. 96: „As SEC also did not provide guidance to NRSROs on how to format and describe the data disclosed under the 100 percent requirement, users will likely experience challenges when seeking to construct ratings histories and develop comparable performance statistics.“ 84
§ 18 Die adressatengerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen
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parenz“ im konkreten Fall politischen Kompromisscharakter88 besitzt.89 Richtigerweise müsste in einem solchen Fall dagegen eine materiellrechtliche Regelung geschaffen werden, damit der vom Regelsetzer verfolgte Zweck verwirklicht werden kann.90
88 Dies betonend Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. (2003), 1, 23 („midway between doing nothing and regulating substantive conduct“); Schön, in FS Canaris I (2007), S. 1191, 1201 f. 89 Mit Recht kritisch Sørensen, EBOR 2009, 255, 274: „Regarding information as complicated as in the examples given, one cannot entirely rule out the suspicion that legislators have chosen disclosure because they themselves do not fully understand the consequences of the mechanisms, agreements and structures. If they feel they do not have sufficient insight to regulate the matter, they may prefer disclosure and hope that the market will deal with it. However, if issues are too complicated for lawmakers, they may also be too complicated for the investor in the market.“ 90 Koch, BKR 2012, 485, 492; Sørensen, EBOR 2009, 255, 283; Stürner, Markt und Wettbewerb, S. 98.
Dritter Teil
Regulierung des Ratings: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
§ 19 Einleitung I. Schutzbedürfnis und Schutzrichtungen Vor dem Hintergrund der zentralen Bedeutung des Ratings am Finanzmarkt, die – wie im Zweiten Teil dieser Untersuchung herausgearbeitet – sowohl auf dessen Marktinformations- als auch dessen Regulierungsfunktion zurückgeht, wird vielfach in freier Anlehnung an den Satz „Quis autem custodiat ipsos custodes?“ („Wer aber soll die Wächter selbst bewachen?“) des römischen Dichters Juvenal1 gefragt, wer (und auf welche Weise) vor den Auswirkungen des Ratings am Finanzmarkt Schutz gewähren soll.2 Die damit aufgeworfene Frage nach dem Schutzbedürfnis und den Schutzrichtungen einer Regulierung des Ratings führt zu den Schutzrichtungen der Kapitalmarktregulierung im Allgemeinen zurück, die mit dem durch Hopt geprägten Bild der Janusköpfigkeit im deutschen3 wie auch im europäischen4 und Schweizer5 Recht übereinstimmend sowohl im Individualschutz der Anleger als auch im Funktionsschutz des Kapitalmarkts gesehen werden. Dieses Leitbild lässt sich auch für die Regulierung der Rating-Agenturen und ihrer Ratingtätigkeit fruchtbar machen:6
1. Schutz vor unzutreffenden Bonitätsbeurteilungen So besteht zum einen ein Bedürfnis für rechtlichen Schutz vor „falschen“ Ratings,7 die – vergleicht man der Einfachheit halber den Inhalt der darin gestellten Prognose mit den tatsächlich eingetretenen Zahlungsausfällen – in der Vergan-
1
Satire IV, 346–348. So etwa Kormos, IBLJ 2008, 569 ff.; Theilacker, ZKredW 2009, 643; von Schweinitz, WM 2008, 953. Schon früh in diesem Sinne Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 81, mit der Forderung nach einem „rating [of] the ratings“; aus dem internationalen Schrifttum der neueren Zeit Horn, BKR 2008, 452, 459; Pfenninger/Bürgi, ST 2004, 290, 293; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 307. 3 Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 159; ders., ZGR 1991, 17, 26 f.; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rn. 14.141; Wiegel, Prospektrichtlinie, S. 79 f.; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 44. 4 Vgl. nur Erwägungsgrund 44 Satz 1 MiFID zum „zweifachen Ziel“, „die Anleger zu schützen und gleichzeitig ein reibungsloses Funktionieren der Wertpapiermärkte zu gewährleisten“. 5 Bahar/Stupp, in Basler Komm., Art. 1 BankG Rn. 1. 6 So auch Deipenbrock, WM 2005, 261, 263; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 644. 7 Dieser Begriff gibt lediglich eine Bezeichnung im Schrifttum wieder und soll damit keinesfalls suggerieren, dass Ratings als Prognosen der Rückzahlungsfähigkeit auch im haftungsrechtlichen Sinne „falsch“ sein können. Vgl. dazu noch § 27 I 2. 2
§ 19 Einleitung
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genheit vergleichsweise selten waren,8 bei ihrem Vorkommen aber unübersehbare Folgen haben können.9 Es geht dabei um den Schutz der Anleger, die auf entsprechende Ratings in ihrer Marktinformationsfunktion vertrauen,10 daneben aber auch der Emittenten, die – obwohl in der gleichsam gegenteiligen Konstellation eines „zu schlechten“ Ratings – ebenfalls durch Ratingfehler geschädigt werden können. Diese so beschriebene Schutzrichtung spiegelt damit die in der modernen Dogmatik der Unternehmenspublizität vorgeschlagene Erweiterung des Anlegerschutzes hin zu einem Marktteilnehmerschutz11 wieder. Daneben beeinträchtigt ein fehlerhaftes Rating freilich auch die Funktionsfähigkeit der rechtlichen Regelungen, in denen auf dieses Bezug genommen wird, betrifft also auch die Regulierungsfunktion des Ratings.
2. Schutz vor systemischen Auswirkungen des Ratings Zum anderen besteht ein Schutzbedürfnis auch gegenüber den „systemischen“ Wirkungen des Ratings, also den Gefahren, die sich schlicht aus dem großen Einfluss von Ratingeinstufungen und -änderungen ergeben, und zwar unabhängig von deren „Richtigkeit“.12 In dieser Hinsicht steht der Schutz einzelner Marktteilnehmer (etwa vor einem „Klippeneffekt“13 infolge der Synchronisierungswirkung des Rechts14), vor allem aber der Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts insgesamt in Rede.
3. Besonderer Schutz staatlicher Emittenten als Ziel der Ratingregulierung? Seit der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum klingt in Sekundärrechtsakten der EU allerdings noch ein weiteres Ziel der Regulierung von Rating-Agenturen an, nämlich der besondere Schutz staatlicher Emittenten vor unerwünschten Folgen von Ratingveröffentlichungen.15 Ein entsprechendes Sonderrecht wurde dabei nur in der EU geschaffen, während alle anderen hier untersuchten Rechtsord-
8 So etwa Ederington/Yawitz, in: Altman, Handbook of Financial Markets and Institutions, Kap. 23 Rn. 16 f.; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 631. 9 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 125: „Although the credit rating agencies’ ratings are generally right, when they are wrong, the consequences can be serious.“ 10 Neben den rechtlichen Schutzmechanismen, die im Folgenden allein erörtert werden, kommt natürlich auch eine bessere Schulung der Investoren mit dem Ziel in Frage, ihr Vertrauen in Ratings insgesamt zurückzudrängen; dies anmahnend etwa Volcker-Report (Jan. 2009), S. 15 (Recommendation 14). 11 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 314 ff. 12 Die Systemrelevanz von Ratings betonen etwa Becker/Milbourn, 101 J. Fin. Econ. (2011), 493, 494; Darbellay, Regulating Ratings, S. 149 ff.; Theilacker, ZKredW 2009, 643, 644. 13 Siehe § 16 III 2, IV 2. 14 Siehe § 17 IV. 15 Zur diesbezüglichen Auslöserwirkung der Staatsschuldenkrise bereits § 3 III 3.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
nungen das Rating souveräner Emittenten weiterhin denselben Maßstäben unterstellen wie die Beurteilung privater Kapitalnachfrager. a) Aufsichtsrechtliche Sonderregeln zu sovereign ratings im EU-Recht aa) Erwogenes Verbot unbeauftragter Ratings von EU-Staatsanleihen Ein besonders weitgehender Schritt zum Schutz souveräner Emittenten gegenüber Rating-Agenturen wäre ein Verbot unbeauftragter Ratings von Staatsanleihen gewesen, das in den Jahre 2011/12 innerhalb der Organe der Europäischen Union diskutiert wurde. Auslöser zunächst war ein vertraulicher Regelungsvorschlag des EU-Kommissars für Binnenmarkt und Dienstleistungen Barnier, der ein gesetzliches (oder behördliches, in diesem Fall wohl durch die ESMA auszusprechendes16) Verbot von unbeauftragten Ratings für solche EU-Staaten vorsah, die an laufenden internationalen Hilfsprogrammen teilnehmen.17 Der Berichterstatter des Europäischen Parlaments Domenici erweiterte dessen Anwendungsbereich sodann zu einem umfassenden Verbot, indem er die Aufnahme folgender Vorschrift in die EG-RatingVO vorschlug: „Mitgliedstaaten können entscheiden, dass sie eine Bewertung ihrer Staatsschulden nicht zulassen. Unangeforderte Staatsschulden-Ratings sind untersagt.“18 Die beschriebenen Verbotsvorschläge konnten sich im Fortgang des Rechtssetzungsverfahrens freilich weder innerhalb der EU-Kommission19 noch im Europäischen Parlament durchsetzen und wurden daher (jedenfalls einstweilen) nicht zum Bestandteil geltenden EU-Rechts. Grund war anscheinend primär die begründete Befürchtung, der Zugang zu den Finanzmärkten würde sich für Krisenstaaten ohne Ratings noch weiter erschweren;20 ein Ratingverbot erschien also
16
So wohl A. Witte, WM 2011, 2253, 2254. Der Wortlaut dieses internen Regelungsvorschlags wurde nie veröffentlicht, und die in der europäischen Presse publizierten Umschreibungen seines Inhalts variieren. Vgl. aber etwa die Rede von EU-Kommissar Michel Barnier „The new European Securities and Markets Authority: helping enhance the resilience of financial markets“ (Paris, 11. Juli 2011), SPEECH/11/514: „But one can’t just not take into account the fact that these Member States are members of a European Union, they benefit from the solidarity of its members; and they are subject to internationally agreed aid packages. That is why we should ask ourselves, in the same way as Madame Lagarde has, whether it is appropriate to allow sovereign ratings on countries which are subject to an internationally agreed programme.“ 18 Vorschlag eines Art. 4a Abs. 2 EG-RatingVO in Europ. Parlament, Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen (COM(2011)0747 – C7–0420/ 2011 – 2011/0361(COD)) vom 15. Feb. 2012, Ausschuss für Wirtschaft und Währung, Berichterstatter: Leonardo Domenici, 2011/0361(COD), S. 21. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss schloss sich dem an; vgl. die Stellungnahme in ABl. EU Nr. C 181/69 vom 21.6.2012, Tz. 1.13: „Den besten Schutz vor den mitunter katastrophalen Folgen der Bewertungen durch die Ratingagenturen für die Staatsverschuldung bieten – neben besseren und begrenzten Vorschriften – folgende Schritte: ein Verbot für das Rating von Staatsschulden; …“. 19 Blaurock, EuZW 2013, 608, 609. 20 J. Witte/Henke, DB 2013, 2257, 2258. 17
§ 19 Einleitung
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finanzpolitisch als nicht wünschenswert.21 Vor allem wären die angedachten gesetzlichen Regelungen, die staatlichen Stellen das pauschale Untersagen von unerwünschten Veröffentlichungen erlaubt hätten, die sich in Gestalt der Bonität von EU-Staaten auf eine Anlegenheit größten öffentlichen Interesses beziehen, jedoch an Völkerrecht22 und höherrangigem europäischem Recht zu messen gewesen: Der Schutz der Rating-Agenturen durch die europäische Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit23 in deren klassischer Funktion als Abwehrrechte soll schließlich die ungehinderte öffentliche Äußerung auch beunruhigender oder gar schädlicher Meinungen und Informationen sichern24 und mutet staatlichen Stellen daher selbst provozierende oder gar beleidigende Kritik zu.25 Ein sekundärrechtliches Pauschalverbot unbeauftragter Ratings hätte daher zweifelsohne in diese Grundrechte eingegriffen,26 und die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs muss sehr fraglich erscheinen.27 bb) Bestehende Sondervorschriften der EG-RatingVO Die schließlich in die EG-RatingVO aufgenommenen28 Sonderregeln für Länderratings bleiben zwar hinter einem Ratingverbot zurück, zeichnen sich aber gleichwohl durch eine beträchtliche Regelungsintensität aus, welche diejenige zu Ratings privater Emittenten auffällig übertrifft. So müssen beauftragte wie unbeauftragte sovereign ratings mindestens alle sechs Monate überprüft werden, während bei Ratings nichtstaatlicher Emittenten lediglich eine jährliche Überprüfung vorgeschrieben ist.29 Vor allem wird aber die Veröffentlichung geänderter Länderratings strengen Einschränkungen unterworfen, die sich sowohl auf den zulässigen Zeitpunkt als auch den zulässigen Inhalt entsprechender Bekanntgaben beziehen: Danach muss jede Rating-Agentur die Veröffentlichungszeitpunkte für sovereign ratings schon im Voraus für die kommenden zwölf Monate festlegen, wobei eine Veröffentlichung von Ratinganpassungen überhaupt nur an einem Freitag zulässig ist und für unbeauftragte Länderratings nicht mehr als drei 21
Vgl. Europ. Kommission, Pressemitteilung „Kommission verlangt fundiertere Ratings“ vom 15. Nov. 2011, IP/11/1355, Tz. 2: „Die Möglichkeit einer vorübergehenden Suspendierung von Länderratings ist eine komplexe Angelegenheit und wir denken, dass wir dafür noch etwas Zeit brauchen.“ 22 So bewirkt die völkerrechtliche Voraussetzung der Jurisdiktion (Hoheitsgewalt), dass ein durch Organe der EU erlassenes Ratingverbot sich von vornherein nicht auf U.S.-amerikanische Rating-Agenturen erstrecken kann; vgl. hierzu ausführlich A. Witte, WM 2011, 2253, 2254 ff. 23 Siehe dazu im Einzelnen noch § 21 III. 24 So zu Art. 10 EMRK EGMR, 22.5.1999 – Rekvényi ./. Ungarn, NVwZ 2000, 421 Tz. 42; EGMR, 21.2.2006 – Odabasi und Koçak ./. Türkei, NVwZ 2007, 313 Tz. 19. 25 So zu Art. 10 EMRK EGMR, 28.9.2000 – Lopes Gomes da Silva ./. Portugal, Tz. 34; MeyerLadewig, Art. 10 EMRK Rn. 44. 26 Vgl. nur EGMR, 14.3.2002 – Gawęda ./. Polen, Rep. 2002-II, 105 Tz. 36 f. 27 Siehe näher § 21 III 2 a). 28 Die im Folgenden genannten Bestimmungen wurden sämtlich durch ÄnderungsVO Nr. 462/ 2013 in den Text der EG-RatingVO eingefügt. 29 Art. 8 Abs. 5 EG-RatingVO.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Veröffentlichungszeitpunkte pro Jahr gestattet sind.30 Darüber hinaus wird aber auch der erlaubte Inhalt von Ratingpublikationen zu staatlichen Schuldnern vorgegeben, der zum einen nicht auf Informationen aus der Sphäre des souveränen Emittenten beruhen darf, die ohne seine Zustimmung offengelegt wurden31 und zum anderen bestimmte explizit verbotene Äußerungen nicht enthalten darf, wie etwa die Ankündigung einer Überprüfung einer „Ländergruppe“ (es sein denn, es werden länderspezifische Einzelberichte beigefügt)32 oder – aus verfassungsrechtlicher Perspektive bemerkenswert – an Staaten bzw. regionale oder lokale Gebietskörperschaften gerichtete „politische Empfehlungen, Auflagen oder Leitlinien“.33 Für den Fall, dass eine Rating-Agentur in einem Länderrating fahrlässig doch einmal eine politische Empfehlung ausspricht, ist eine Mindestgeldbuße von 500 000 € vorgesehen.34 Es bedarf kaum weiterer Begründung, dass die beschriebenen rechtlichen Vorgaben wiederum Fragen nach ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit aufwerfen, beschränken sie doch öffentliche Äußerungen über den Staat, die ihrerseits durch die Meinungsäußerungsfreiheit und verwandte Kommunikationsgrundrechte geschützt sind. Auf die Vereinbarkeit dieser Sonderregeln zu sovereign ratings mit höherrangigem europäischem Recht wird daher an anderer Stelle35 noch näher einzugehen sein.
b) Stellungnahme Zur Begründung der Sonderregeln zu sovereign ratings verweist die EG-RatingVO auf angebliche „Besonderheiten von Länderratings“, das „Volatilitätsrisiko“, die „Gefahr von Ansteckungseffekten innerhalb der Union“ sowie „Gründe der Transparenz“,36 um dadurch die schärfere und invasivere Regulierung der Rating-Agenturen bei Erstellung solcher Bonitätsbeurteilungen zu rechtfertigen. Nun stünde eine gesonderte Regulierung von Länderratings dann im Einklang mit den überkommenen Zielen des Kapitalmarktrechts, wenn sie die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes37 bezweckte, es ihr also um die Herstellung und Verbesserung der auf den Kapitalmarkt bezogenen Einrichtungen und Ablaufmechanismen38 ginge. Der Inhalt der EU-rechtlichen Vorgaben macht aber schnell deutlich, dass tatsächlich wohl nur der Schutz von staatlichen Emittenten und deren Wahrnehmung durch die Finanzmarktöffentlichkeit angestrebt wird, die man durch die Veröffentlichung bestimmter Informatio-
30 Art. 8a Abs. 3 EG-RatingVO. Siehe dazu noch näher in § 25 VII 4 a), dort auch zur ausnahmsweise zulässigen Abweichung vom Zeitplan. 31 Art. 8a Abs. 2 EG-RatingVO. 32 Art. 8a Abs. 1 EG-RatingVO. 33 Anh. I Abschn. D III Nr. 4 EG-RatingVO. 34 Art. 36a Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a i.V.m. Anh. III Abschn. 1 Nr. 58 EG-RatingVO. 35 Siehe § 25 VII 4. 36 Erwägungsgründe 42–45 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 37 Dazu schon oben I 1, 2. 38 Assmann, in: Assmann/Schütze, § 1 Rn. 23; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 1.67.
§ 19 Einleitung
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nen von Seiten der Rating-Agenturen gefährdet sieht:39 Es sollen ja die Kontrolle souveräner Emittenten über bonitätsrelevante Informationen aus ihrer Sphäre sowie eine zusätzliche Reaktionszeit vor (möglicherweise negativen) Ratingveröffentlichungen gesichert oder Staaten sogar gezielt vor Kritik durch Rating-Agenturen bewahrt werden, indem man missbilligte Veröffentlichungsinhalte – wie namentlich „unmittelbare oder ausdrückliche Vorgaben in Bezug auf eine bestimmte Politik“40 – schlicht verbietet. Entsprechende Vorschriften lassen sich mit dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, die nach herrschender Ansicht gerade eine umfassende Informationsversorgung des Marktes und seiner Teilnehmer verlangt,41 kaum begründen.42
Die „Besonderheit“ von Länderratings, der die neuere EU-Ratingregulierung Rechnung zu tragen vorgibt, liegt nach alledem primär in dem Wunsch staatlicher Emittenten, ihre eigene Beurteilung durch unabhängige Informationsintermediäre kontrollieren zu können.43 Dieser Wunsch verdient aus rechtspolitischer Sicht freilich keine Beachtung, weil Staaten, die an den Finanzmärkten als Kapitalnachfrager auftreten, sich ebenso der Beobachtung durch die Marktöffentlichkeit auszusetzen haben wie private Kapitalnachfrager.44 Im Völkerrecht wird die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen daher mit gutem Grund zum Bereich der nicht hoheitlichen Tätigkeit des Staates (acta iure gestionis) gezählt,45
39 Vgl. in diesem Sinne zur (zweiten) ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO auch Cantor, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 27, 31: „The interplay between sovereign credit ratings and credit markets therein described probably reflects more the heated emotions around the topic than cold science.“ 40 Erwägungsgrund 45 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 41 Statt vieler Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 11.2. 42 Es fällt zudem auf, dass die neuen Vorschriften der EG-RatingVO mit keiner der im einschlägigen Bericht der ESMA, Credit Rating Agencies – Sovereign ratings investigation (Dec. 2013) identifizierten Unzulänglichkeiten bei der Erstellung von Länderratings in erkennbarem Zusammenhang stehen. 43 Ähnlich A. Witte, WM 2011, 2253, 2257: Schutz der fiskalischen Interessen des bewerteten Staates vor zusätzlicher Zinsbelastung, die Investoren in Reaktion auf Ratingherabstufungen fordern würden. 44 Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 212; Oechsler, ZRP 2011, 191; im selben Sinne auch Kersting, 48 Tex. Int’l L.J. (2013), 269, 312 ff. 45 So aus deutscher Sicht BVerfG, 6.12.2006, BVerfGE 117, 141 Tz. 36 („Argentinien-Anleihe“); LG Frankfurt a.M., 14.3.2003, JZ 2003, 1010, 1011 („Argentinien-Anleihe“) m. zust. Anm. Reinisch; aus französischer Sicht CA Rouen, 10.2.1965 – Société Bauer-Marchal et Cie ./. Gouvernement Turc, Rev. crit. dr. int. privé 1965, 565; aus italienischer Sicht Cass., 5.12.1966 – Consorzio Agrario della Tripolitania ./. Federazione Italiana Consorzi Agrari und Cassa di Risparmio della Libia, 65 ILR (1984), 265, 267 (zu Darlehensvertrag); aus U.S.-amerikanischer Sicht Republic of Argentina v. Weltover, Inc., 12.6.1992, 504 U.S. 605, 613 ff., 112 S.Ct. 2160 (1992) (ergangen zum Foreign Sovereign Immunities Act of 1976): „we conclude that when a foreign government acts, not as regulator of a market, but in the manner of a private player within it, the foreign sovereign’s actions are ‚commercial‘ […]. The commercial character of the Bonods is confirmed by the fact that they are in almost all respects garden-variety debt instruments: They may be held by private parties; they are negotiable and may be traded on the international market (except in Argentina); and they promise a future stream of cash income. […] There is, however, nothing distinctive about the state’s assumption of debt (other than perhaps its purpose) that would cause it always to be classified as jure imperii“.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
innerhalb dessen ihm seine Eigenschaft als Souverän keine Sonderrechte verschafft. Sonderrechte bei der Regulierung von Ratings sollten dem Staat daher ebenfalls nicht zukommen, zumal er als Rechtssetzer und zugleich bedeutender Kapitalnachfrager an den Finanzmärkten eine Doppelrolle innehat, die einen unumgänglichen Interessenskonflikt mit sich bringt.46 Dass dieser Konflikt bei Schaffung der EG-RatingVO zugunsten der staatlichen Emittenteninteressen aufgelöst wurde,47 verdient dabei noch aus einem weiteren Grund Kritik: Staatsanleihen weisen nämlich auch aus Investorensicht Besonderheiten auf,48 weil eine zwangsweise Durchsetzung der Zahlungsverpflichtungen aus diesen Anleihen durch die völkerrechtlich garantierte Immunität von Staaten häufig rechtlich ausgeschlossen oder jedenfalls praktisch außerordentlich erschwert wird.49 Für Investoren ist die präventive Information über Gefährdungen ihres Zahlungsanspruchs daher besonders wichtig, sodass die Marktinformationsfunktion der Rating-Agenturen mit Blick auf staatliche Emittenten auch besonderen rechtlichen Schutz verdient.
II. Gang der Darstellung Der Dritte Teil der Untersuchung widmet sich unter der Überschrift „Regulierung des Ratings“ der rechtlichen Ordnung des internationalen Ratingwesens. Er ist wie folgt angelegt: Zunächst werden zwei Vorfragen behandelt, die für den gesamten Fragenkomplex der Regulierung des Ratings von Bedeutung sind, nämlich die Rolle des Wettbewerbs am Markt der Rating-Agenturen (§ 20) und der (vor allem verfassungsrechtliche) Institutionsschutz der Rating-Agenturen, der bei sämtlichen Regulierungsansätzen zu berücksichtigen ist und diesen Grenzen setzt (§ 21). Die sodann folgenden zwei Kapitel erörtern die präventive staatliche Kontrolle der Rating-Agenturen durch Zulassungs- und Registrierungserfordernisse (§ 22) sowie Anerkennungserfordernisse, die sich lediglich auf die Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen beziehen (§ 23). Nachdem die Organisations- und Verhaltenspflichten aufgefächert wurden, die Rating-Agenturen nach geltendem Recht zu beachten haben (§§ 24, 25), ist ein ausführlicher Abschnitt 46
Vgl. dazu schon § 3 III 3. Entsprechendes ist auch in anderen neueren EU-Rechtsakten zum Finanzmarktrecht nachzuweisen; vgl. etwa zur EU-LeerverkaufsVO Nr. 236/2012 kritisch Mülbert/Sajnovits, ZBB 2012, 266, 285: „Zu erklären ist dies nicht ökonomisch, sondern politisch: Der europäische Gesetzgeber sucht das Primat der Politik gegenüber den disziplinierenden Wirkung der Finanzmärkte durchzusetzen.“ 48 Kersting, 48 Tex. Int’l L.J. (2013), 269, 313. 49 Vgl. nur BVerfG, 6.12.2006, BVerfGE 117, 141 Tz. 36 („Argentinien-Anleihe“): Bewusst weit gefasster Immunitätsverzicht in Anleihebedingungen genügt, weil lediglich „pauschal“ formuliert, nicht zur Aufhebung der diplomatischen Immunität des Anleiheschuldners. 47
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der Haftung der Rating-Agenturen gegenüber Emittenten und Investoren gewidmet (§§ 26–30). Der Dritte Teil schließt mit einer Untersuchung der systemischen Risiken der Regulierungsfunktion des Ratings sowie Vorschlägen zu deren Vermeidung (§ 31).
Erster Abschnitt: Grundfragen
§ 20 Markt und Wettbewerb der Rating-Agenturen I. Wettbewerb als marktendogener Kontrollmechanismus Nimmt man an, dass ein Schutzbedürfnis der Finanzmarktteilnehmer wie auch der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes zum einen aus der Gefahr eines Fehlverhaltens der Rating-Agenturen und zum anderen aus dem übergroßen (und daher „systemrelevanten“) Einfluss einzelner Rating-Agenturen erwächst,1 so ist noch nichts über den Mechanismus gesagt, mittels dessen dieser Schutz zu bewirken ist. Als vorrangiger Kontrollmechanismus wird insoweit verbreitet der Wettbewerb unter den Rating-Agenturen eingestuft, der eine hinreichende marktendogene Kontrolle sicherstellen könne.2 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Rating-Agenturen – wie im Übrigen jeder Informationsintermediär – ein erhebliches Interesse an der Erhaltung ihrer Reputation unter den Marktteilnehmern besitzen, bei deren Beeinträchtigung ihre Ratings als Marktinformationen nicht länger nachgefragt würden3 und folglich ein Verlust von Ratingaufträgen einträte.4 Solange die Gefahr eines „Abwanderns“ von Ratingnutzern zu konkurrierenden, besser arbeitenden Rating-Agenturen besteht, müsste das Interesse an der Ruferhaltung daher bewirken, dass die Agenturen hinreichende Sorgfalt walten lassen. Zugleich würde ein funktionierender Wettbewerb verhindern, dass einzelnen Agenturen ein übergroßer Einfluss zukommen kann. Einer marktexogenen rechtlichen Kontrolle durch eine Regulierung des Ratingwesens bedürfte es auf Grundlage dieser Annahmen nicht.5
1. Die oligopolistische Struktur des Marktes der Rating-Agenturen Freilich wird auch von Befürwortern einer vorrangigen Kontrolle durch Marktmechanismen kaum bestritten, dass unter den Ratinganbietern kein vollkommener Wettbewerb herrscht. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass der globale Markt der Rating-Agenturen sich durch eine ungewöhnliche Konzentration auf 1
So die These in § 19 I. Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 12: „However, market forces can also help keep raters honest“; Boos, BFuP 2005, 257; Haar, JZ 2008, 964, 970; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 74 ff.; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 425 ff.; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 639; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 14; ders., in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 302 f.; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 141. 3 Siehe schon § 4 II 1. 4 Haar, JZ 2008, 964, 969; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 316; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 638. 5 Aus dem ökonomischen Schrifttum in diesem Sinne Horsch, Rating und Regulierung, S. 268 f. 2
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wenige große Anbieter auszeichnet: Obgleich weltweit zwischen 130 und 150 Rating-Agenturen operieren,6 werden nach gängigen Zahlen fast 95% aller global verfügbaren Ratings durch drei große U.S.-amerikanische7 Rating-Agenturen erstellt, nämlich Standard & Poor’s (41%), Moody’s (38%) und, mit deutlichem Abstand, Fitch (14%).8 In den U.S.A. entfielen nach Berechnungen der SEC in den Jahren 2011/12 – also nach der globalen Finanzkrise und dem vielfach behaupteten „Vertrauensverlust“ der Rating-Agenturen9 – sogar 96% aller Ratings auf diese Agenturen,10 während von den 2012 in der Europäischen Union erstellten Ratings immerhin 87% durch Tochtergesellschaften von Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch publiziert wurden.11 Nur die drei großen Rating-Agenturen sind zudem genuin international tätig und unterhalten Tochtergesellschaften oder Niederlassungen auf allen wichtigen Finanzmärkten, wohingegen die übrigen Agenturen deutlich kleiner sind und sich überwiegend auf einzelne nationale oder allenfalls regionale Märkte beschränken.12 Im Schrifttum wird daher allgemein das Bestehen eines Oligopols auf dem Markt der Rating-Agenturen konstatiert.13
6
Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 14. Fitch Ratings verfügt über zwei Hauptniederlassungen in London und in New York, ist insofern also kein „rein“ U.S.-amerikanisches Unternehmen. 8 Statt vieler Europ. Kommission, Impact Assessment (2008), S. 9 f. 9 Vgl. nur Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21: „Rating agency repute is at an all-time low …“; Urlesberger, wbl 2009, 279, 280: „Agenturendämmerung“. 10 SEC, Annual Report on NRSROs (Dez. 2012), S. 8. Auch Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1697 weist darauf hin, dass das „Versagen“ der Rating-Agenturen in der Vergangenheit kaum messbare Folgen für deren Marktbedeutung und Profitabilität hatte; ähnlich Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1046 f.: „In spite of the reputational damage from the financial crisis of 2008, the Big Three’s credibility nonetheless appeared to remain mostly intact while the opinions of the other seven NRSROs continued to be mostly ignored“; Hill, 71 U. Pitt. L. Rev. (2010), 585, 600 ff. 11 ESMA, CRAs’ Market share calculation according to Article 8d of the CRA Regulation (16 Dec. 2013) weist für das Kalenderjahr 2012 Marktanteile von 34,75% (Moody’s), 34,61% (Standard & Poor’s) und 17,66% (Fitch) aus, wobei jeweils nur der Umsatz aus Rating- und ratingnahen Dienstleistungen der in der EU registrierten Tochtergesellschaften der U.S.-amerikanischen Konzernmütter berücksichtigt wurde, nicht also der Umsatz der Konzernmütter selbst oder außerhalb der EU ansässiger Schwestergesellschaften. Keine der übrigen bei der ESMA registrierten RatingAgenturen erreichte einen Marktanteil von 5%. 12 IOSCO, Report on the Activities of Credit Rating Agencies (Sept. 2003), S. 6. 13 Avgouleas, ECFR 2009, 440, 455: „highly oligopolistic“; Becker, DB 2010, 941, 942: „enges Oligopol“; Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 485; Darbellay, Regulating Ratings, S. 89; Deipenbrock, WM 2009, 1165; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 6; Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 33; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 135; Gannon, 31 Rev. Banking & Fin. L. (2011–12), 1015, 1018 ff.; Höfling, Gutachten F zum 68. DJT, S. F 41; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 555 ff.; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 204; Justensen, 35 J. Corp. L. (2009), 193, 199; Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423, 446; Lutter/Bayer/ J. Schmidt, Europ. Unternehmens- u. KapitalmarktR, § 17 Rn. 87; Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106; Morkötter/Westerfeld, ZKredW 2008, 393; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 343; Richardson/ White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 109; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 639; Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 16; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 101; Strunz7
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Diese Einstufung stimmt mit anerkannten ökonomischen Kategorien überein: So wurde nach Maßstäben der neoklassischen Theorie dann ein Oligopol angenommen, wenn vier oder weniger Firmen gemeinsam einen Marktanteil von 70% oder mehr haben.14 In jüngerer Zeit wird die Marktkonzentration in der Ökonomie üblicherweise anhand des Herfindahl-Hirschmann-Index (HHI) gemessen, der insgesamt 10 000 Punkte aufweist. Ab einem HHI von 1.800 Punkten gilt ein Markt als konzentriert. Der Markt für U.S.-amerikanische NRSROs wies in den Jahren 2011/12 einen HHI von 3.665 Punkten auf, der damit eine Verteilung des Marktes auf lediglich drei Anbieter belegte.15
Auffällig ist dabei, dass sich die Dominanz von Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch auch auf Finanzmärkte außerhalb der U.S.A. erstreckt16 und etwa in Deutschland und Hongkong17 – trotz aller Unterschiede in Marktstruktur und Finanzmarktregulierung – gleichermaßen besteht. Dasselbe gilt im Grundsatz auch für die Schweiz, wenngleich hier zusätzlich die Banken als Ratingersteller und damit Wettbewerber der großen Rating-Agenturen eine gewisse Rolle spielen.18 Man kann daher von einem internationalen Oligopol19 oder Triopol20 sprechen; nicht selten ist sogar – unter Ausblendung des Marktanteils von Fitch – von einem bloßen Duopol die Rede.21 Einen U.S.-amerikanischen Autor hat dies zu der Bemerkung veranlasst, sogar der Markt für Abschlussprüfungen, der bekanntlich durch die Dominanz der „Big Four“ unter den Prüfungsgesellschaften gekennzeichnet ist, „looks open and competitive in comparison to the market for credit ratings“.22
2. Die Erhöhung des Wettbewerbs als Desiderat Vor dem Hintergrund seiner oligopolistischen Struktur wird dem Markt der Rating-Agenturen allgemein ein Wettbewerbsdefizit attestiert.23 Dessen Folge ist 14 Happe, BFuP 2005, 231, 232; Theilacker, ZKredW 2009, 643, 644; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 463; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 146; Witte/Bultmann, in: Achleitner/ Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 93. 14 So der White House Task Force Report on Antitrust Policy aus dem Jahre 1968 (sog. „NeilReport“), abgedruckt in Posner/Easterbrook, Antitrust, S. 909. 15 SEC, Annual Report on NRSROs (Dez. 2012), S. 9; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 612. 16 IOSCO, Report on the Activities of Credit Rating Agencies (Sept. 2003), S. 6. 17 Vgl. die Zahlen bei Park/Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 215. 18 Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 138 f. 19 Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 343; Theilacker, ZKredW 2005, 177; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 93. 20 Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 16. 21 Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 33; Hertig, EBOR 2006, 625, 631; Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1696; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1050; Strunz-Happe, BFuP 2005, 231, 232. Noch betonter Frankel, Securitization, § 9.15: „partial monopoly“; gegen die Einstufung als Monopol Horsch, Rating und Regulierung, S. 235. 22 Coffee, Gatekeepers, S. 284. 23 Blaurock, ZGR 2007, 603, 607; Gordon/Kornhauser, 60 N.Y.U. L. Rev. (1985), 761, 817; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 44; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 204; Partnoy/Skeel,
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zunächst, dass für die Ratingerstellung überhöhte Preise verlangt werden können.24 Daneben spielt jedoch auch das Reputationskapital auf einem konzentrierten Markt eine geringere Rolle, sodass sich der Anreiz für Gatekeeper vermindert, ihre Aufgaben sorgfältig wahrzunehmen.25 Vor allem letztgenannter Aspekt hat im Schrifttum verbreitet zu der Forderung geführt, die oligopolistische Marktstruktur müsse durch eine Erhöhung der Wettbewerberzahl aufgebrochen werden.26 Ein solcher Schritt wird in der Ökonomik allgemein als zielführendes Mittel angesehen, wenn ein Markt mit konzentrierter Anbieterseite in Rede steht.27 Mit Blick auf den Ratingmarkt erwartet man sich von einem erhöhten Wettbewerb zudem, dass eine paternalistische staatliche Regulierung der RatingAgenturen gänzlich überflüssig oder in ihrer Erforderlichkeit zumindest eingeschränkt wird.28 Der U.S.-amerikanische wie auch der europäische Gesetzgeber haben diesen Grundansatz jeweils aufgenommen. Besonders deutlich kam dies im ersten U.S.amerikanischen Entwurf für eine Regulierung des Ratingwesens zum Ausdruck, der unter der Bezeichnung „Credit Rating Agency Duopoly Relief Act“ in den Kongress eingebracht wurde.29 Obgleich dieser Name im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens entschärft wurde, legt auch das schließlich als Credit Rating Agency Reform Act of 2006 erlassene Gesetz an prominenter Stelle fest, dass „additional competition [unter den Rating-Agenturen] is in the public interest“,30 und der Dodd–Frank Act aus dem Jahre 2010 folgt demselben Prinzip.31 Die EG-
24 75 U. Cin. L. Rev. (2007), 1019, 1048; Portes, Rating agency reform, S. 145, 148; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 627; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 6. A.A. für die U.S.A. Dombalagian, 55 Buff. L. Rev. (2007), 1, 51, der pauschal „broad competition in the development of credit ratings“ konstatiert; für Deutschland Lemke, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 119, 129; für Schweiz Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 146. 24 Zum Ratingmarkt daher kritisch Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 6; Gannon, 31 Rev. Banking & Fin. L. (2011–12), 1015, 1024. 25 World Bank, Asian Bond Market, S. 25; Coffee, in: Fuchita/Litan, Financial Gatekeepers, S. 177, 189; Darbellay, Regulating Ratings, S. 89; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 639 f.; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 6. 26 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 6; Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1949; Darbellay, Regulating Ratings, S. 93 ff.; Gannon, 30 Rev. Banking & Fin. L. (2010–11), 82, 91; Gordon/Kornhauser, 60 N.Y.U. L. Rev. (1985), 761, 817; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 44; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 167; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 670; Partnoy/Skeel, 75 U. Cin. L. Rev. (2007), 1019, 1048. 27 Vgl. Posner/Easterbrook, Antitrust, S. 906 f. 28 von Randow, ZBB 1995, 140, 145. 29 Entwurf eines „Credit Rating Agency Duopoly Relief Act of 2005“ (H.R. 2990) vom 20. Juni 2005, eingebracht durch den Abgeordneten Fitzpatrick (Pennsylvania). 30 § 2 Credit Rating Agency Reform Act of 2006. Dazu Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 11: „guiding principle“; Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 168. 31 Vgl. nur GAO, Report 10–782 (Sept. 2010), S. 96: „Among its stated goals, the Act intended to improve competition among NRSROs by creating a more efficient and transparent NRSRO designation process for SEC to administer.“
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RatingVO wie auch andere EU-Sekundärrechtsakte32 erklären ebenfalls, dass „das Auftreten neuer Akteure auf dem Markt für Ratingagenturen gefördert werden“ sollte,33 weisen der Wettbewerbserhöhung aber lediglich eine ergänzende Rolle zu.34 Schwieriger als das Ziel ist der Weg zu benennen, auf dem das Oligopol am Ratingmarkt aufgebrochen werden kann. Es sind insofern vor allem drei Schritte versucht oder zumindest vorgeschlagen worden: Während von Marktteilnehmerseite zunächst auf die Gründung lokaler (d.h. nicht-amerikanischer) RatingAgenturen gesetzt wurde,35 wird im Schrifttum die Schaffung staatlicher RatingAgenturen diskutiert.36 Die Regulierungsbehörden in den U.S.A. und in der EU haben demgegenüber vor allem versucht, die Marktkonzentration durch Anerkennung weiterer Rating-Agenturen für regulatorische Zwecke aufzulösen,37 wohingegen die Hongkonger Finanzmarktaufsichtsbehörde entsprechende Anregungen mit der Begründung zurückweist, die Beseitigung etwaiger Monopole unter regulierten Marktteilnehmern falle nicht in ihre Kompetenz.38 a) Die Gründung lokaler Rating-Agenturen als Lösung Ein Lösungsansatz, der außer den U.S.A. in allen hier untersuchten Rechtsordnungen nachzuweisen ist, liegt in der Gründung lokaler Rating-Agenturen mit dem Ziel, auf diese Weise die Dominanz der drei großen U.S.-amerikanischen Agenturen zu brechen. Er trat in der Vergangenheit immer dann in den Vordergrund, wenn die Ratings der großen Rating-Agenturen in einem bestimmten Land erstmals Bedeutung erlangten oder es zu einer (zumindest gefühlten) mangelnden Rücksichtnahme auf lokale Besonderheiten gekommen war. Der Ruf nach einer nationalen Rating-Agentur war aus diesem Grund zuerst in der Schweiz zu vernehmen, wo Ratings schon verhältnismäßig früh eine Rolle spielten39 und Ende der 1980er Jahre die Gründung einer „Swiss Rating Agency“ an-
32 Vgl. Erwägungsgrund 98 zur EU-CRR: „Die Anerkennung einer Ratingagentur als externe Ratingagentur (ECAI) darf nicht dazu führen, dass sich ein Markt, der bereits von drei großen Unternehmen beherrscht wird, noch weiter abschottet. Ohne das Verfahren einfacher oder weniger anspruchsvoll zu machen, sollten die EBA und die Zentralbanken des ESZB dafür sorgen, dass mehr Ratingagenturen als ECAI anerkannt werden, um den Markt für andere Unternehmen zu öffnen.“ 33 Erwägungsgrund 55 zur EG-RatingVO. Ebenfalls in diese Richtung Art. 39b Abs. 3 EG-RatingVO (Berichtsauftrag an die EU-Kommission zur Frage, „ob ein Netz kleinerer Ratingagenturen aufgebaut werden könnte, um den Wettbewerb am Markt zu stärken“). 34 Vgl. Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1, 8. 35 Dazu sogleich unter a). 36 Unter b). 37 Dazu unter c). Daneben ist noch die Ausweitung von Transparenzpflichten zu nennen, die ebenfalls der Förderung des Wettbewerbs dienen soll; vgl. hierzu noch in § 25 III. 38 Securities and Futures Commission, Consultation Conclusions (29 Oct. 2010), Tz. 19: „the SFC is not able to take action designed to actively promote competition amongst its licensees, with the objective of actively discouraging monopolies, because it is not empowered to do so.“ 39 Siehe näher § 1 III 1 b), § 8 II 1.
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geregt wurde.40 Der Vorschlag stieß freilich überwiegend auf Ablehnung41 und wurde daher nicht umgesetzt. Entsprechende Anstöße waren wenig später auch in Deutschland zu verzeichnen, wo sie allerdings aus dem Kreis der Emittenten stammten und 1988 zunächst in einen „Arbeitskreis Rating“ mündeten, dem 16 namhafte Unternehmen aus dem industriellen Bereich, der Finanzwirtschaft und der Assekuranz angehörten.42 Diese Vorarbeiten führten zur Gründung einer „Projektgesellschaft für europäisches Rating mbH“, mittels derer die Etablierung einer europäischen (also nicht lediglich deutschen) Rating-Agentur beabsichtigt wurde.43 Trotz des illustren Trägerkreises scheiterte auch dieser Versuch.44 In Reaktion auf die globale Finanzkrise ist die Gründung einer deutschen45 bzw. europäischen46 Rating-Agentur allerdings auch jüngst wieder vorgeschlagen und sogar bis in ein konkretes Planungsstadium vorangetrieben47 worden. Schließlich wurde die Gründung einer regionalen Rating-Agentur auch in Hongkong mehrfach diskutiert, nämlich sowohl in Reaktion auf die Asienkrise 199748 als auch im Nachgang zur Finanzkrise 2007–09, als es sogar zu einer entsprechenden Erörterung im Hongkonger Parlament kam.49 Im Ergebnis weisen alle Vorstöße unverkennbare Ähnlichkeiten auf, und zwar sowohl hinsichtlich der verfolgten Ziele als auch der Gründe für ihr ausnahmsloses Scheitern. Die Gründung einer lokalen Rating-Agentur sollte danach jeweils den Wettbewerb am Ratingmarkt erhöhen,50 aber gleichzeitig auch eine stärkere Berücksichtigung lokaler Eigenheiten (etwa bei der Rechnungslegung) bewirken, die man durch die großen Rating-Agenturen nicht ausreichend berücksichtigt sah.51 Letzterer Beweggrund deutet an, warum sich die Pläne nicht erfolgreich 40 Ausführlich Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 194 ff.; auch Taisch, Privatplacierungen, S. 120 f. 41 Vgl. Camenzind, Prospektzwang, S. 145; Rohr, Emissionsrecht, S. 236. 42 Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 85. 43 Breuer, WM 1991, 1109; ders., Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 88; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 2; Everling, Die Bank 1991, 308 ff. 44 Haiss/Marin, ÖBA 2000, 775, 784. Zu weiteren, gleichermaßen erfolglosen Versuchen in Deutschland vgl. Loges/Zeller, in: Suyter, Risikomanagement (2004), S. 283, 286. 45 Claussen, DB 2009, 999, 1003. 46 Meeh-Bunse/Sattler, DB 2012, 1449, 1451 ff. (Vorschlag einer Rating-Genossenschaft). 47 So plante die Unternehmensberatung Roland Berger eine als Stiftung konzipierte europäische Rating-Agentur (vgl. Meeh-Bunse/Sattler, DB 2012, 1449, 1450 f.; Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, 108), musste das Vorhaben jedoch im Jahre 2012 mangels Finanzierbarkeit aufgeben. 48 Für die Gründung einer regionalen Rating-Agentur eintretend Park/Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 216 ff.; dagegen Byrne, a.a.O., S. 222 f.; ebenso World Bank, Asian Bond Market, S. xiv: „There is clearly no need for Hong Kong and Singapore to have local rating agencies, given the presence of the major international rating agencies.“ 49 Anfrage des Abgeordneten des Hongkonger Parlaments (Legislative Council) Dr. David Li an die Hongkonger Regierung vom 4. März 2009 zum Thema „The role and function of credit rating agencies“, mit (insgesamt skeptischer) Antwort des Acting Secretary for Financial Services and the Treasury, Ms Julia Leung. 50 Leung, Erklärung im Hongkonger Parlament vom 4. März 2009 zum Thema „The role and function of credit rating agencies“; Heubeck/Seeger, DB 2004, 993, 994. 51 Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 87; Heubeck/Seeger, DB 2004, 993, 995; Park/ Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 204.
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umsetzen ließen, nämlich aufgrund einer unzureichenden Akzeptanz unter den letztlich entscheidenden Nachfragern am Ratingmarkt (den Investoren): Da die Gründung lokaler Rating-Agenturen namentlich von Emittenten begrüßt und gefördert wurde, befürchtete man auf Seiten der Investoren anscheinend deren mangelnde Unabhängigkeit52 und verließ sich deshalb weiterhin auf die großen U.S.-amerikanischen Agenturen.53 Empirische Befunde vom japanischen Kapitalmarkt scheinen diese Skepsis zu bestätigen, bewerten die japanischen RatingAgenturen lokale Emittenten doch deutlich weniger streng als die ausländischen Agenturen.54 Lokale Rating-Agenturen konnten sich daher in der Vergangenheit vor allem dort etablieren, wo ihnen aufgrund eines gesetzlichen Ratingobligatoriums55 marktunabhängig eine ausreichende Nachfrage gesichert war.56 Sie vermochten in den Augen der Marktteilnehmer jedoch keine Reputation zu erlangen, die derjenigen der internationalen Agenturen gleicht.57
b) Die Gründung staatlicher Rating-Agenturen als Lösung In ihrem Ansatz noch radikaler sind demgegenüber Vorschläge in der deutschen58 und U.S.-amerikanischen59 ökonomischen und juristischen Literatur, die für die Schaffung einer staatlichen Rating-Agentur eintreten. Einen vergleichbaren Vorschlag machte auch das Europäische Parlament im Zuge der Beratung der EGRatingVO.60 Dahinter steht überwiegend wiederum der Gedanke, eine zusätzli52 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 10; Loges/Zeller, in: Suyter, Risikomanagement (2004), S. 283, 286; Meeh-Bunse/Sattler, DB 2012, 1449, 1450; Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, 108. Siehe auch World Bank, Asian Bond Market, S. 26: die Ratingstandards lokaler Agenturen würden allgemein als „not as rigorous as those of their international counterparts“ angesehen; Lejot/Arner/Qiao, Asia’s Bond Market, S. 39: „the work of local rating agencies (none established before 1990) has been erratic and in some cases their coverage has been conflicted“. 53 Vgl. Byrne, in: BIS, Asian bond markets, S. 222 f. Daneben wird verbreitet auf den fehlenden track record verwiesen; so etwa Strunz-Happe, WM 2004, 115 f. 54 Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 9; Packer, in: Aoki/Saxonhouse, Finance, Governance and Competitiveness in Japan, S. 118, 125 ff. 55 Siehe hierzu § 8 I; dort auch zum Fehlen eines Ratingobligatoriums in den hier untersuchten Rechtsordnungen. 56 Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 102. 57 So zu den lokalen Rating-Agenturen in Asien Lejot/Arner/Qiao, Asia’s Bond Market, S. 28, 39. 58 Schäfer, DIW-Wochenbericht 38/2009, S. 654; Siekmann, DV 43 (2010), 95, 114; Theilacker, ZKredW 2009, 643. 59 Diomande/Heintz/Pollin, The Economists’ Voice 6 (June 2009), Art. 6, 1 ff.; Gudzowski, Colum. Bus. L. Rev. 2010, 245, 265 ff. (jedoch beschränkt auf den Markt für RMBS und R-CDO); Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 568; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 294; Richardson/ White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 108; Voorhees, 44 Case W. Res. J. Int’l L. (2012), 875, 888. 60 Vgl. Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1947. Im verabschiedeten Text der EGRatingVO fand diese Anregung zwar zunächst keinen Niederschlag; später wurde jedoch in Art. 39b Abs. 2 EG-RatingVO ein Prüf- und Berichtsauftrag an die EU-Kommission (über die
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che Wettbewerberin am Ratingmarkt einzuführen61 (während andere Stimmen die privaten Rating-Agenturen sogar vollständig ersetzen wollen62), die zudem als staatliche Einheit keinen Interessenskonflikten unterläge.63 Warum dieser Vorschlag keine ernsthafte Erfolgsaussicht besitzen dürfte, erschließt sich wiederum aus der fragwürdigen Unabhängigkeit einer solchen Agentur,64 und zwar vor allem in Situationen, in denen diese eine aus politischen Gründen prekäre Bonitätseinschätzung zu erteilen hätte: So wird die Investorenöffentlichkeit nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass eine staatliche Rating-Agentur das Rating eines großen Automobilherstellers auch dann senkt, wenn dies zu Arbeitsplatzverlusten führt (Problem des public capture),65 von der objektiven Beurteilung von Anleihen der öffentlichen Hand ganz zu schweigen.66 In der Vergangenheit zu beobachtende Reaktionen der Politik auf Ratingherabstufungen durch private Agenturen67 lassen es als ausgeschlossen erscheinen, dass der Kapitalmarkt dem Staat eine objektive Erstellung auch nachteiliger Marktinformationen zutrauen würde.68 c) Die staatliche Anerkennung weiterer Rating-Agenturen für regulatorische Zwecke als Lösung Eine weitere Reformtendenz, die in jüngerer Zeit in den U.S.A. sowie zunehmend auch in Europa verfolgt wird, setzt bei der Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen an und versucht, durch diesbezügliche Änderungen gleichsam mittelbar das Oligopol am Ratingmarkt aufzulockern. Ausgangspunkt ist die These, dass die regulatorische Verwendung von Ratings in staatlichen Regelun61 mögliche Gründung einer Europäischen Ratingagentur mit der Aufgabe, die Bonität der Staatsschulden von Mitgliedstaaten zu bewerten, und/oder einer Europäischen Ratingstiftung für alle sonstigen Ratings) aufgenommen. 61 Diomande/Heintz/Pollin, The Economists’ Voice 6 (June 2009), Art. 6, 1, 3; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 299. 62 So Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 108, nach deren Vorschlag die staatliche Agentur „the only game in town“ wäre. 63 Diomande/Heintz/Pollin, The Economists’ Voice 6 (June 2009), Art. 6, 1; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 295; Schäfer, DIW-Wochenbericht 38/2009, S. 654. 64 Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 789; Oechsler, ZRP 2011, 191; Park/Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 218; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14, 15. Auf den fehlenden track record abstellend Zobl/Arpagaus, SZW/RSDA 1995, 244, 252. 65 Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 260; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1018 Fn. 17. 66 Vgl. Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1, 8; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14, 15; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 469 f. Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 294 Fn. 293 möchte ihr daher die Beurteilung von Papieren der öffentlichen Hand „aus politischen Gründen“ pauschal untersagen. 67 Siehe dazu bereits § 19 I 3. 68 Diese Erkenntnis dürfte dazu beigetragen haben, dass der EU-Gesetzgeber gegenüber Vorschlägen zur Gründung einer öffentlichen europäischen Rating-Agentur mittlerweile eine vorsichtig abwartende Haltung einnimmt; vgl. Art. 39b Abs. 2 EG-RatingVO (bloßer Berichtsauftrag an die EU-Kommission).
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gen zum Entstehen des Ratingoligopols beigetragen hat, weil nur wenige RatingAgenturen für diese regulatorischen Zwecke anerkannt wurden,69 in den U.S.A. namentlich durch ihre Einstufung als „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (NRSROs).70 Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch waren jedoch von Anfang an als NRSROs anerkannt71 und genossen eine entsprechende Anerkennung auch in nahezu allen anderen Jurisdiktionen, in denen Ratings zu staatlichen Regulierungszwecken eingesetzt werden.72 Diese staatliche Anerkennung bedeute eine hohe Markteintrittschranke für neue Agenturen,73 weil die regulatorische Nutzbarkeit von Ratings einen erheblichen (durch Partnoy als „regulatory license“ umschriebenen74) Vorteil der am Markt etablierten Agenturen darstelle75 und sogar auf nicht regulierte Marktbereiche ausstrahle, weil Marktteilnehmer generell Ratings bevorzugten, die auch durch staatliche Behörden benutzt würden.76 Es gelte daher, die Anzahl der staatlich anerkannten RatingAgenturen zu erhöhen, um damit auch die Zahl der dauerhaft am Markt erfolgreichen Agenturen auszuweiten.77 Wie bereits erwähnt, wurde dieser Lösungsansatz im Jahre 2007 durch den U.S.-amerikanischen und 2009 auch durch den europäischen Gesetzgeber aufgenommen. In den U.S.A. hatte dies zur Folge, dass die SEC seit 2007/08 sieben weitere Agenturen als NRSRO anerkannt hat. Die oligopolistische Marktstruktur wurde dadurch jedoch – entgegen der Erwartungen – in keiner Weise betrof-
69 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 38; Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 366: „… effectively created a very high barrier that restricted market entry“; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 8; Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1096: „special government sanctioned cartel“; FurchtgottRoth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 80; Gannon, 31 Rev. Banking & Fin. L. (2011–12), 1015, 1018; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 555; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 205; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 348; Portes, Rating agency reform, S. 145; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 627; Shipe/Freeman, 15 Inv. Lawyer (Oct. 2008), 13, 14; Voorhees, 44 Case W. Res. J. Int’l L. (2012), 875, 883; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 6; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 50. 70 Siehe hierzu schon § 7 II 2 a) bb) (1) sowie noch § 23 II 3 a). 71 Siehe § 23 II 3 a) zum grandfathering der großen Rating-Agenturen. 72 Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 45. 73 Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 38; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 556; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 654; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1051; Möllers, JZ 2009, 861, 870; Partnoy, 77 Wash. U. L.Q. (1999), 619, 686; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 628; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 109; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 106; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 6; White, in: Levich/ Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 50: „absolute barrier to entry“; ders., 30 Regulation (Spring 2007), 48, 50; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 659. 74 Siehe zur (inhaltlich angreifbaren) regulatory license theory schon in § 5 III 1 a) bb). 75 Statt vieler Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21; Partnoy, 77 Wash. U. L.Q. (1999), 619, 686; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 106. 76 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 38; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 6. 77 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 38; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 85; Partnoy, 77 Wash. U. L.Q. (1999), 619, 686.
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fen,78 denn auch im Jahre 2012 erstellten Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch am U.S.-amerikanischen Markt weiterhin 96% der Ratings.79 Ganz ähnlich haben kleinere Rating-Agenturen ihren geringen Marktanteil auch in der EU, wo mittlerweile 35 Agenturen bei der ESMA registriert sind,80 trotz der darin liegenden Anerkennung für regulatorische Zwecke81 nicht ausweiten können. Sucht man nach Gründen für das Fortbestehen des Oligopols, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die staatliche Anerkennung einen wichtigen Bereich der Regulierungsfunktion des Ratings gar nicht beeinflusst, nämlich die häufigen „rating trigger“ in privaten Verträgen:82 Da Vertragsklauseln dieser Art vielfach namentlich auf Ratings der drei großen Agenturen Bezug nehmen,83 besteht das darin liegende Marktzugangshindernis für neue Rating-Agenturen84 unverändert fort. Gegen die im Schrifttum behauptete Bedeutung der staatlichen Anerkennung als Markteintrittsschranke spricht des Weiteren, dass das Oligopol der Rating-Agenturen am U.S.-amerikanischen Markt bereits lange vor der Einführung der NRSRO-Anerkennung im Jahre 1975 bestand.85 Und schließlich ist eine oligopolistische Marktstruktur auch in solchen Jurisdiktionen nachzuweisen, in denen weder eine Anerkennungsregelung noch überhaupt eine bedeutende Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen bestand, wie etwa in Deutschland vor Umsetzung des Basel II-Akkords.86 Es spricht daher vieles dafür, dass das Oligopol am Markt der Rating-Agenturen unabhängig von staatlichen Anerkennungsregeln besteht, weil es sich – wie sogleich näher zu begründen sein wird – um ein natürliches Oligopol handelt.
II. Der Markt der Rating-Agenturen als natürliches Oligopol Unter einem natürlichen Oligopol versteht man eine Situation, in denen objektive natürliche Bedingungen (wie unüberwindliche räumliche, technische, recht78 Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 109; bereits im Grundsatz skeptisch zu diesem Ansatz Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1057. Aus ökonomischer Sicht Becker/Milbourn, 101 J. Fin. Econ. (2011), 493, 494: „The empirical merits of this push for competition are not at all well established.“ 79 Vgl. SEC, Annual Report on NRSROs (Dez. 2012), S. 8, sowie bereits oben im Text unter I 1 zur fortdauernden Konzentration des U.S.-amerikanischen Ratingmarktes. 80 ESMA, List of registered and certified CRA’s [sic] (3 June 2013). 81 Siehe zur diesbezüglichen Bedeutung einer Registrierung nach der EG-RatingVO noch § 23 II 2 1 a). 82 Dazu bereits § 16. 83 Zur Empirie siehe Baker/Mansi, 29 J. Bus. Fin. & Acct. (2002), 1367, 1378 (zur Ratingverwendung in internen Fondsrichtlinien). 84 SEC, Annual Report on NRSROs (Dez. 2012), S. 10 f.; Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 20. 85 Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 80; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 134; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 628; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 46. Siehe dazu noch näher im Text unter II 1. 86 Siehe dazu schon § 17 I 1.
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liche oder wirtschaftliche Grenzen) zur Folge haben, dass nur eine begrenzte Anzahl von Unternehmen die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit ausüben kann.87 Klassische Beispiele sind die Erdöl- und Erdgasförderung sowie Netzindustrien, wie etwa der Eisenbahnverkehr,88 aber auch Märkte für Intermediäre.89 Dass die Bonitätsbeurteilung durch Rating-Agenturen ebenfalls zu den Tätigkeiten zählt, die infolge vorgegebener, also „natürlicher“ Faktoren stets von einer oligopolistisch strukturierten Anbietergruppe ausgeübt werden wird, legt vor allem folgender historischer Befund nahe.
1. Ausgangsbefund: Konstant geringe Anzahl an Rating-Agenturen trotz wechselnder Marktbedingungen Die verschiedenen nationalen Märkte für Ratings sind ebenso wie der globale Ratingmarkt seit Erfindung des Ratings durchgehend von wenigen Anbietern geprägt gewesen, und dies trotz der zahlreichen Unterschiede, die die einzelnen Märkte auszeichnen. So wies der U.S.-amerikanische Markt seit der erstmaligen Publikation von Ratings im Jahre 1909 stets zwischen drei und fünf RatingAgenturen mit relevantem Marktanteil auf, aber zu keinem Zeitpunkt mehr.90 Diese geringe Anbieterzahl blieb trotz zahlreicher Veränderungen konstant, die sich im Umfeld der Rating-Agenturen vollzogen und sowohl Nachfrage als auch Marktchancen changieren ließen,91 wie etwa die zunehmende regulatorische Verwendung von Ratings ab den 1930er Jahren, die staatliche Anerkennung einzelner Rating-Agenturen als „NRSROs“ ab 1975,92 die zunehmende Internationalisierung des U.S.-amerikanischen Kapitalmarktes sowie die Entstehung und Ausweitung des Verbriefungsgeschäfts. Dieselbe Anzahl von Rating-Agenturen etablierte sich auch auf dem Schweizer und dem Hongkonger Markt für Fremdkapitaltitel, obgleich diese Märkte ganz andere rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen aufwiesen.93 Und schließlich entstand auch in Deutschland, wo sich mit Abschaffung des staatlichen Genehmigungserfordernisses für Anleihen Anfang der 1990er Jahre94 ein neuer Ratingmarkt eröffnete, von Beginn an 87 Dohms, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 35 Rn. 49; auch Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, Anm. 10.3.2. Vgl. aus der ökonometrischen Literatur Shaked/Sutton, Econometrica 1983, 1469 ff. 88 Hier bestehen häufig – abhängig von den konkreten Marktbedingungen – sogar natürliche Monopole; vgl. aus der ökonomischen Literatur Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 22 ff.; Pindyck/ Rubinfeld, Mikroökonomie, Anm. 10.4.3. 89 Vgl. Demsetz, 82 Q. J. Econ. (1968), 33 ff.; Diamond, 60 Rev. Econ. Stud. (1984), 393 ff.; Gehrig, 14 Int. J. Ind. Organ. (1996), 101, 102. 90 Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 79; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 44. 91 Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 59; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 628. 92 Siehe § 7 II 2 a) bb) (1). 93 Ebenfalls in diesem Sinne Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 628 (zu Kanada). 94 Vgl. zur Abschaffung der §§ 795, 808a BGB im Jahre 1990 und den Folgen für die Ratingnachfrage in Deutschland schon § 8 I.
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ein Oligopol von Rating-Agenturen, obgleich hier maßgebliche Bemühungen zum Aufbau weiterer, lokaler Agenturen gemacht wurden.95 Die international oligopolistische Marktstruktur blieb dabei auch um die Jahrtausendwende unberührt, als das starke Wachstum des globalen Marktes für strukturierte Finanzinstrumente zu zusätzlicher Nachfrage nach (äußerst lukrativ vergüteten) Ratings führte. Die gleichbleibend geringe Zahl an Ratinganbietern muss schließlich auffallen, wenn man einen Vergleich zum Markt der Finanzanalysten (also verwandter Informationsintermediäre) anstellt: Anstelle einer vergleichbaren Anbieterkonzentration geben hier Tausende von Finanzanalysten im Auftrag Hunderter von Wertpapierunternehmen Einschätzungen über Wertpapiere ab.96 Es wird damit deutlich, dass das Oligopol der RatingAgenturen auf besondere natürliche Bedingungen zurückzuführen sein muss, mithin ein natürliches Oligopol vorliegt.
2. Die Ursachen des natürlichen Oligopols Die hier vertretene Einordnung des Ratingmarktes als natürliches Oligopol ist, soweit ersichtlich, in der juristischen und ökonomischen Literatur neu. Es finden sich freilich Stimmen, welche die dauerhaft niedrige Zahl von Ratinganbietern konstatieren97 und Gründe für dieses Phänomen vorschlagen. Die damit angesprochenen Ursachen des natürlichen Oligopols entscheiden auch über die Frage, ob (und ggfs. wie) die oligopolistische Marktstruktur durch staatliche Eingriffe verändert werden kann, denn wenn sie sich einer Beeinflussung entziehen, ist damit auch das Oligopol dauerhaft vorgegeben. Ein natürliches Oligopol ist dabei auf Märkten für Informationen nicht ungewöhnlich, sondern besteht in vergleichbarer Form auch auf Märkten für andere „gatekeeper“-Dienstleistungen (wie etwa Abschlussprüfungen)98 und für sonstige „Ratings“ (wie etwa im Medienbereich), die ebenfalls eine dauerhaft hohe Anbieterkonzentration aufweisen.99 Es kann im Grundsatz auf zwei Arten zustande kommen: Liegen die maßgeblichen Ursachen auf Seiten der Informationsanbieter, wie dies für den Ratingmarkt überwiegend angenommen wird, kann man von einem anbieterbedingtem natürlichen Oligopol sprechen.100 Die besseren Gründe sprechen allerdings für die Annahme, dass der Grund für die dauer95
Dazu bereits oben unter I 2 a). White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 45; zustimmend Furchtgott-Roth/Hahn/ Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 79. 97 So etwa Blaurock, ZGR 2007, 603, 607, der das Oligopol „schon aus tatsächlichen Gründen dauerhaft gefestigt“ sieht; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 114 Fn. 11; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 50: „To be sure, bond rating was never going to become an atomistically competitive industry.“ 98 So für den U.S.-amerikanischen Abschlussprüfermarkt Coffee, in: Fuchita/Litan, Financial Gatekeepers, S. 177, 178; für den deutschen Markt Petersen/Zwirner/Boecker, KoR 2010, 217. 99 Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 84 mit zahlreichen Beispielen. 100 Sogleich unter a). 96
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haft geringe Zahl an Ratinganbietern auf Seiten der Adressaten der Ratings (nämlich der Investoren) zu finden ist, es sich also um ein nachfragerbedingtes natürliches Oligopol handelt.101 a) Herrschender Erklärungsansatz: Anbieterbedingtes natürliches Oligopol aa) Der langjährige track record als Markteintrittshürde Die überwiegende Ansicht im Schrifttum erklärt die hohe Marktkonzentration mit dem Reputationskapital, das für die Akzeptanz einer Rating-Agentur am Markt erforderlich ist.102 Da Investoren nur Agenturen mit gutem Ruf vertrauen, die Erarbeitung eines guten Rufes für Bonitätsbeurteilungen aber einen langjährigen track record auf diesem Gebiet voraussetze, sei es für neue RatingAgenturen sehr schwierig, sich am Markt zu etablieren:103 Ohne track record fehlt ihnen die notwendige Reputation, aber ohne Reputation können sie keinen track record aufbauen, weil die Emittenten sie mangels Investorenakzeptanz nicht beauftragen. Diese „Catch-22“-Situation sei der entscheidende Grund, warum die Anzahl der Rating-Agenturen nicht zunehme.104 Ergänzend werden noch Größenvorteile (economies of scale)105 genannt, die jedoch nicht als gleichermaßen bedeutend einzustufen seien.106 Auch die Konzentration auf dem Markt für Abschlussprüfungen wird in ähnlicher Weise mit den hohen Anforderungen an Informationsanbieter (hier vor allem der nötigen Kenntnis der komplexen nationalen und internationalen Rechnungslegungsvorschriften) erklärt.107
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Unter b). Blaurock, ZGR 2007, 603, 607; Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1, 4; Coffee, in: Fuchita/Litan, Financial Gatekeepers, S. 177, 178; Deipenbrock, WM 2011, 1829, 1831; Frankel, Securitization, § 9.15; García Alcubilla/Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 6; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 45; Lerch, BKR 2010, 402, 403; Möllers, JZ 2009, 861, 862; ders./Wecker, ZRP 2012, 106; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 222; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 102; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 50; Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 6. 103 ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 11; Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 372; Blaurock, ZGR 2007, 603, 607; García Alcubilla/Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 6; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 63; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1044. 104 Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 234; Gannon, 31 Rev. Banking & Fin. L. (2011–12), 1015, 1020; Horsch, Rating und Regulierung, S. 225 f.; Meixner, Aktienmärkte und Rolle der Rating-Agenturen, S. 278; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 222; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 50; Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 6. 105 Vgl. aus dem ökonomischen Schrifttum Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 21 ff. 106 Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 79; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 343; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 46; ders., 30 Regulation (Spring 2007), 48, 50. 107 So zum deutschen Wirtschaftsprüfungsmarkt Petersen/Zwirner/Boecker, KoR 2010, 217. 102
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bb) Kritik Der beschriebene Erklärungsversuch unterstellt zu Unrecht, dass zur Entwicklung von Reputationskapital eine sofortige flächendeckende Marktakzeptanz erforderlich sei. Damit wird übersehen, dass neue Rating-Agenturen sich ihren Ruf zunächst auf Teilmärkten (etwa regionalen Märkten, oder sektoralen Teilmärkten für besondere Emittentenarten oder Typen von Finanzinstrumenten) erarbeiten können;108 zudem steht ihnen der Ruferwerb unabhängig von Emittentenaufträgen offen, indem sie unbeauftragte Ratings publizieren.109 Diese Möglichkeiten wurden in der Vergangenheit auch in einer Reihe von Fällen genutzt und hatten zur Folge, dass verschiedene neue Rating-Agenturen jeweils einen – nicht lediglich punktuellen – Marktanteil erobern konnten: So wurden in den U.S.A. die Agenturen Duff & Phelps (im Jahre 1982) und McCarthy, Crisanti and Maffei (1983) durch die SEC als „Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ eingeordnet, was nach damaligen Maßstäben voraussetzte, dass sie nationsweit unter Marktteilnehmern als verlässlich anerkannt waren.110 Ihre deklaratorische Anerkennung als NRSRO beweist, dass sie diese Reputation am Markt erworben hatten, wobei angesichts der zurückhaltenden Anerkennungspraxis der SEC111 unwahrscheinlich ist, dass diese Anerkennung voreilig ausgesprochen wurde. Eine verbreitete Marktakzeptanz auf einem Teilmarkt, nämlich für das Rating von Finanzinstitutionen, wurde später auch IBCA (1990) und Thomson BankWatch (1991) durch ihre diesbezügliche NRSRO-Anerkennung bestätigt, und auf einem weiteren Teilmarkt – für das Rating von Versicherungsunternehmen – zählt die Agentur A.M. Best seit langem zu den etablierten Ratinganbietern.112 Zudem erarbeiteten sich verschiedene Anbieter auf nationalen Märkten einen Ruf für verlässliche Ratingerstellung, wie etwa im Großbritannien der 1990er Jahre die Rating-Agentur IBCA113 und in der Schweiz bis in jüngere Zeit
108 Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 15; Blaurock, ZGR 2007, 603, 607; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 876; Lemke, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 119, 129; Vetter, WM 2004, 1701, 1703. 109 ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 11; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 197. Unbeauftragte Ratingerstellungen setzten übrigens auch Standard & Poor’s und Moody’s ein, um sich auf neuen Märkten zu etablieren: Dies geschah etwa auf dem deutschen Finanzmarkt Ende der 1980er Jahre (vgl. Littmann, Wirtschaftswoche vom 25.8.1989, S. 77 f.) und ab Mitte der 1990er Jahre auf dem japanischen Finanzmarkt (Poon, 27 J. Banking & Fin. (2003), 592, 594: im Jahre 2000 waren nicht weniger als 63% der durch Standard & Poor’s erstellten Ratings japanischer Emittenten unbeauftragt). Skeptisch zum Reputationsaufbau durch unbeauftragte Ratings aber Stemper, Rahmenbedingungen, S. 104. 110 Vgl. noch näher § 23 II 3 a). 111 Siehe dazu und der daran verbreitet geübten Kritik § 23 II 2 a) aa). 112 Vgl. Glennie v. Abitibi-Price Corp., 26.1.1996, 912 F.Supp. 993, 997 f. (W.D.Mich. 1996): „There are several ratings agencies that rate the claims paying ability of insurance companies in order to help potential purchasers of insurance contracts or policies evaluate the financial strength of the insurance companies. A.M. Best Company (Best) is the oldest of these ratings agencies“; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 2. 113 Everling, Die Bank 1991, 308, 312 f.
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die dortigen Banken, die ebenfalls im Ratinggeschäft aktiv sind.114 Die Möglichkeit eines graduellen Reputationserwerbs besteht also offenkundig durchaus.115 Die entscheidende Frage ist daher, warum es zusätzlichen Ratinganbietern nicht gelingt, sich dauerhaft am Markt für solche Bonitätsbeurteilungen zu etablieren, die sich an das „allgemeine“, d.h. sektoren- und landesgrenzenübergreifende Investorenpublikum richten. Der diesbezügliche historische Befund ist bemerkenswert: Sämtliche Rating-Agenturen, die sich auch jenseits einzelner Sektoren und über die Grenzen ihres Ursprungslandes hinaus Anerkennung am Markt erworben hatten, fusionierten in der Folgezeit mit einem Wettbewerber und ließen die Anzahl der Agenturen daher wieder sinken: So schloss Duff & Phelps sich im Jahre 1991 mit McCarthy, Crisanti and Maffei zusammen und IBCA 1997 mit Fitch, bevor sowohl Duff & Phelps als auch Thomson BankWatch durch Fitch übernommen wurden (2000). Die traditionell hohe Anbieterkonzentration am Ratingmarkt wurde damit nach Übergangsphasen stets wieder hergestellt, wobei die Unternehmensübernahmen nicht nur durch die großen Oligopolisten,116 sondern ebenso durch kleinere Rating-Agenturen untereinander erfolgten. Mit Fitch wurde sogar einer der drei traditionell marktbeherrschenden Agenturen durch einen neuen Wettbewerber übernommen, denn bei dem Zusammenschluss mit der britischen Rating-Agentur IBCA war Fitch die erworbene Zielgesellschaft117 (wenngleich dies anhand der heutigen Unternehmensfirma und Marke „Fitch“ nicht mehr erkennbar ist). Warum dieser Zwang zur Erhaltung einer geringen Ratinganbieterzahl besteht, vermag der herrschende Begründungsansatz nicht zu erklären. b) Eigener Erklärungsansatz: Nachfragerbedingtes natürliches Oligopol Die besseren Gründe sprechen daher für die Annahme, dass die Ursache des natürlichen Oligopols auf Seiten der Nachfrager von Bonitätsbeurteilungen zu suchen ist. Mit „Nachfrager“ sind dabei die Investoren gemeint, die als Voraussetzung für ihre Investitionsbereitschaft bestimmte Bonitätsinformationen einfordern, und nicht die Emittenten, welche die so vom Markt verlangten Ratings durch die Rating-Agenturen erstellen lassen.
114 Vgl. Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 33 mit dem Hinweis, dass die Zürcher Kantonalbank auf dem schweizerischen Markt sogar eine größere Zahl von Ratings veröffentliche als Standard & Poor’s und Moody’s. 115 Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 146. 116 Missverständlich Horsch, Rating und Regulierung, S. 190 f. Sowohl Moody’s als auch Standard & Poor’s übernahmen im Laufe der Zeit allerdings zahlreiche nationale Rating-Agenturen, die sodann unter dem Namen der Muttergesellschaft fortgeführt wurden; Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 372 prognostizieren auch künftig Übernahmen kleinerer Wettbewerber durch die großen drei Rating-Agenturen. 117 White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 46.
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aa) Komplexitätsreduzierende Wirkung eines Informationsanbieteroligopols Der Grund hierfür liegt in der Funktion, die das Rating als nachgefragtes Produkt für die Investoren als Nachfrager erfüllt: Ein Rating als durch einen unabhängigen Dritten erstellte Bonitätsbeurteilung soll die Fülle von Informationen, die am Markt über einen Emittenten oder eine Emission verfügbar sind, in einer verständlich codierten Aussage zusammenführen und damit vor allem komplexitätsreduzierend wirken – einem realen Investor sagen drei Buchstaben, wie bereits an anderer Stelle betont,118 eben mehr als tausend Worte. Diese Komplexitätsreduktion, die durch die am Markt entstandene Dichotomie von „investment grade“ und „non-investment grade“119 noch erhöht wird, geht aber in dem Maße wieder verloren, in dem Ratings unterschiedlicher Rating-Agenturen nebeneinander treten: Der Effekt der „vertikalen“ Komplexitätsreduktion, die durch die simple Zweiteilung der Ratingskala in einen „investment grade“- und einen „non-investment grade“-Bereich geschieht, würde wieder aufgehoben, wenn sich das Informationsspektrum in „horizontaler“ Hinsicht etwa auf zehn oder mehr parallel veröffentlichte Ratingeinstufungen ausdehnen würde. Damit sänke auch der Informationswert des Ratings für den Investor, weil dieser nunmehr zahlreiche codierte Bonitätsbeurteilungen aufnehmen und verarbeiten müsste.120 Aus Investorensicht hängt der Nutzen von Ratings als Marktinformation daher entscheidend davon ab, dass diese nur durch eine begrenzte Anzahl von RatingAgenturen – also ein Oligopol – angeboten werden.121 Hinzu tritt eine weitere Besonderheit, die das Produkt „Rating“ von anderen Dienstleistungen unterscheidet und mittelbar bewirkt, dass sich am Markt für Ratings dauerhaft keine Vielzahl unterschiedlicher Anbieter etablieren kann: Soweit Sachgüter und sonstige Dienstleistungen betroffen sind, können deren Anbieter dadurch Marktanteile erwerben, dass ihr jeweiliges Produkt besondere (und aus Sicht des Nachfragers gegenüber Konkurrenzprodukten vorzugswürdige) Eigenschaften besitzt; Wettbewerb findet also nicht zuletzt im Wege der Produktdifferenzierung statt.122 Die Möglichkeit der Produktdifferenzierung besteht bei Ratings hingegen kaum, weil die Präferenz der Nachfrager sich bei Bonitätsbeurteilungen nur auf eine Produkteigenschaft bezieht, nämlich die möglichst genaue Einschätzung der künftigen Ausfallwahrscheinlichkeit. Da für die Abnehmer also keine „besonderen“ Bonitätsbeurteilungen von Interesse sind, sondern nur präzise, fehlt es bei Ratings von vornherein an der Möglichkeit für zusätzliche Anbieter, sich durch die Entwicklung neuer Produktarten am Markt 118
Siehe § 5 IV. Dazu schon § 17 IV. 120 Ellis, 7. J. Fixed Income (1998), 35 ff.; Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 79 f.; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 46. 121 Vgl. Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 86: „if there are too many competing standards, this may defeat the purpose of having a standard“; Lannoo, Intereconomics 2008, 265: „not many rating agencies can exist, as transaction savings would disappear if there were too many.“ 122 Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 183 ff.; Varian, Microeconomics, Tz. 25.9. 119
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
zu etablieren – Informationen über Bonität unterscheiden sich insoweit also von anderen Produkten. Darüber hinaus wird die begrenzte Anzahl an Ratinganbietern gelegentlich mit einem informationellen Netzwerkeffekt erklärt,123 was freilich im strengen Sinn auf den Markt für Ratings nicht passt: Während ein Netzwerkeffekt in der ökonomischen Theorie nämlich einen Zustand beschreibt, in dem der Nutzen eines Produkts für den Nachfrager davon abhängt, dass eine hinreichende Anzahl anderer Nachfrager dasselbe Produkt nutzt,124 ist bei Ratings aus Investorensicht entscheidend, dass derselbe Investor Bonitätsbeurteilungen für alle Wertpapiere von derselben Rating-Agentur (und folglich untereinander vergleichbar) erhält,125 wohingegen es auf die Nutzung durch andere Investoren nicht entscheidend ankommt. Der „Netzwerkeffekt“ spielt vielmehr nur aus Sicht des beauftragenden Emittenten eine Rolle,126 der selbst im wirtschaftlichen Sinn aber nicht Nutzer des Produkts ist – eine Folge des ungewöhnlichen Absatzmodells des Ratingsektors, bei dem der zahlende Erwerber des Produkts (der Emittent) und dessen endgültiger Nutzer (der Investor) nicht personenidentisch sind und das sich mit den überkommenen Kategorien der Ökonomie folglich nur schwer einfangen lässt. Dass die Nutzung desselben Ratings durch andere Nutzer letztlich doch eine Voraussetzung für den Erfolg einzelner Ratinganbieter ist und damit zum Entstehen eines natürlichen Oligopols beiträgt, geht allerdings auf eine andere Produkteigenschaft des Ratings zurück, nämlich seine Natur als öffentliches Gut:127 Weil andere Investoren nicht von der Nutzung eines veröffentlichten Ratings ausgeschlossen werden können, wird der Emittent diejenigen Rating-Agenturen beauftragen, deren Bonitätsbeurteilungen von einem möglichst großen Investorenkreis geschätzt werden, und deshalb auf die wenigen bereits am Markt anerkannten Agenturen zurückgreifen.128 Deren Oligopol wird damit auch aus diesem nachfragerbedingten Grund perpetuiert.129
bb) Belege Die Richtigkeit der vorstehend beschriebenen These eines nachfragerbedingten natürlichen Oligopols lässt sich durch zwei Phänomene belegen, die am Markt für Ratings zu beobachten sind: Zum einen ist eine deutliche Tendenz zur Verein123 So Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 1; Haar, JZ 2008, 964, 970; Lerch, BKR 2010, 402, 403; Portes, Rating agency reform, S. 145; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14, 15; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 463; von Randow, ZBB 1996, 85, 92; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41. 124 Varian, Microeconomics, Tz. 35.4. 125 Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 1. 126 Haar, JZ 2008, 964, 970. 127 Vgl. Gerke/Bank, Finanzierung, S. 335; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 445; Portes, Rating agency reform, S. 145, 147; von Randow, ZBB 1996, 85, 93. 128 Dies mag auch erklären, warum nationale Rating-Agenturen – die gegenüber den U.S.amerikanischen Agenturen eigentlich den Vorteil einer besseren Vertrautheit mit lokalen Gegebenheiten besitzen, der ihre Ratings aus Investorensicht als wertvoller erscheinen lassen müsste – nicht häufiger beauftragt werden; vgl. Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 3: „The established U.S. agencies appear to have a competitive advantage over their foreign counterparts …“. 129 In diese Richtung auch Lannoo, Intereconomics 2008, 265.
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heitlichung der von den verschiedenen Rating-Agenturen verwandten Ratingskalen zu verzeichnen,130 während zum anderen die fast durchgehende Beurteilung von Finanzinstrumenten durch zwei oder sogar drei Rating-Agenturen nachgewiesen werden kann (sog. „Zwei-plus-Ratings“-Usance).131 Beide Befunde belegen, dass es den Nachfragern am Ratingmarkt vor allem auf eine einheitliche, einfach aufzunehmende Bonitätsinformation ankommt, wohingegen die Unterscheidbarkeit von Ratings verschiedener Agenturen132 und sogar die erhöhte Kostenbelastung, die bei Beauftragung mehrerer Rating-Agenturen entsteht und letztlich von den Investoren getragen werden muss, am Ratingmarkt von untergeordneter Bedeutung ist. (1) Die Tendenz zur Vereinheitlichung der Ratingskalen Die Investorenpräferenz zugunsten eines möglichst uniformen Angebots an Bonitätsbeurteilungen, das bei einem Anbieteroligopol effizienter erreichbar ist als bei einer Vielzahl von Ratinganbietern, lässt sich zum einen durch die historische Tendenz zur Vereinheitlichung der Ratingskalen belegen: So verwenden mit Standard & Poor’s und Fitch heute zwei der drei großen internationalen RatingAgenturen dieselbe, ursprünglich von John Fitch entwickelte „AAA“/„AA“/ „A“-Ratingskala, neben der nur noch die Moody’s-Skala („Aaa“/„Aa“/„A“) am Markt eine Rolle spielt.133 Beide Skalen sind dabei in ihrer Struktur auffallend ähnlich,134 weil sie das Bonitätsspektrum übereinstimmend in 21 Ratingstufen gliedern, die wiederum in Dreiergruppen zusammengefasst und durch Buchstabenkürzel aus dem Bereich A–C codiert werden. Den Marktstandard dürfte dabei die Fitch-Ratingskala setzen, die nicht nur durch zahlreiche kleinere RatingAgenturen,135 sondern auch durch Kreditinstitute für ihre bankinternen Ratingsysteme136 und durch Sicherungseinrichtungen der Banken für die Klassifizierung ihrer Mitglieder137 übernommen wurde.
130
Sogleich (1). Dazu unter (2). 132 Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 554: „buyers only distinguish between the rating issued, not the CRA issuing the credit ratings.“ 133 Diese beiden Ratingskalen für langfristige Verbindlichkeiten sind in § 2 II 1 abgedruckt. 134 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 3; Haar, JZ 2008, 964, 970 Fn. 73; Johnson, 13 J. Fixed Income (2004), 25, 26 f. 135 Vgl. EBK, Erläuterungen der Eidgenössischen Bankenkommission zum Rundschreiben Ratingagenturen (Juli 2006), S. 5: „Die Symbole der Skala Fitch-S&P sind derart ‚bekannt und berühmt‘, dass viele neue Agenturen sie bei der Festlegung ihrer eigenen Bewertungsskala spontan übernehmen.“ Nachw. zu kleineren Rating-Agenturen in Deutschland bei Loges/Zeller, in: Suyter, Risikomanagement (2004), S. 283, 287. Unter den internationalen Rating-Agenturen verwendet etwa die chinesische Agentur Dagong Global Credit Rating die Fitch-Ratingskala. 136 Hertig, EBOR 2006, 625, 630. 137 Vgl. Bundesverband deutscher Banken, Statut des Einlagensicherungsfonds, Stand: Juni 2009, Anlage zu § 4a (abgedr. bei Fischer/Klanten, Bankrecht, Anh. I, S. 1022 ff.). 131
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Die Fitch-Ratingskala, die heute vor allem mit der noch größeren Agentur Standard & Poor’s assoziiert wird,138 wurde anfänglich nur von Fitch Ratings verwandt, deren Gründer John Fitch sie im Jahre 1922 entworfen hatte. Erst nachdem die Rating-Agenturen Standard Statistics und Poor’s Publishing 1941 fusioniert hatten, übernahm auch die so neu entstandene Agentur Standard & Poor’s die Fitch-Skala. In den 1930er Jahren waren die Ratingskalen der damals vier großen Rating-Agenturen am U.S.-amerikanischen Kapitalmarkt dagegen noch deutlich uneinheitlicher: So entsprachen sich damals etwa die Ratingeinstufungen „AA“ (Fitch), „Aa“ (Moody’s), „A1“ (Standard) und „A*“ (Poor) bzw. „BBB“ (Fitch), „Baa“ (Moody’s), „B1+“ (Standard) und „B**“ (Poor),139 von denen heute nur noch die Kürzel „AA“/„Aa“ bzw. „BBB“/„Baa“ überdauert haben.
Die beschriebene Vereinheitlichung der Ratingskalen liegt im Interesse der Investoren, die auf diese Weise leichter vergleichbare und verständliche Bonitätsinformationen erhalten.140 Sie widerspricht hingegen dem ökonomischen Interesse der Rating-Agenturen, da sie ihnen die prägnante Kennzeichnung ihrer Produkte erschwert, durch welche diese erst von den Produkten konkurrierender Agenturen unterschieden werden können: So lässt die Aussage „die X-Anleihe ist mit ‚A‘ geratet“ nicht erkennen, ob dieses Rating von Standard & Poor’s, Moody’s, Fitch oder einer kleineren Konkurrentin stammt, womit den Rating-Agenturen ein wichtiges Wettbewerbsmittel – die Konkurrenz über die Qualität leicht zuzuordnender Produkte – effektiv genommen wird. Die marktgetriebene Tendenz zur Produktvereinheitlichung belegt damit, dass das natürliche Oligopol der Ratinganbieter auf Nachfragerpräferenzen zurückgeht.141 (2) Die „Zwei-plus-Ratings“-Usance Einen weiteren Beleg stellt die Beobachtung dar, dass Emissionen am Anleihemarkt nicht etwa nur durch eine der drei großen Rating-Agenturen beurteilt werden: Die Investoren verlangen vielmehr ein Rating von mindestens zwei der drei Oligopolisten,142 und viele Emittenten beauftragen sogar eine dritte Rating138 Vgl. statt vieler etwa Johnson, 13 J. Fixed Income (2004), 25, 26: „Fitch and EJR [Egan-Jones Ratings] use the S&P symbols.“ 139 Vgl. Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 76 f. 140 Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 77; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 343; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 319; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 229 Fn. 14. 141 In diese Richtung auch Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 85. 142 IOSCO, Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets (May 2008), S. 13: „tacit investor requirement“; Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1095: „two-rating norm“; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 15; Coffee, Gatekeepers, S. 286 f.; Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 18; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 613; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 60; dies., 15 Chapman L. Rev. (2011), 133, 139 f.; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 116; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 205; Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1697 f.; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1056; ders., 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 759; Moloney, EC Securities Regulation, S. 688; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1034; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14: „an industry custom“; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 639; von Schweinitz, WM 2008, 953; Wiegel, Prospektrichtlinie, S. 74.
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Agentur.143 Letzteres geschieht jedenfalls in Fällen, in denen die beiden zunächst eingeholten Ratings in ihrer Höhe nicht übereinstimmen (sog. „split ratings“)144 und das dritte Rating damit als Stichentscheid fungiert.145 Die parallele Beauftragung mehrerer etablierter Rating-Agenturen lässt sich in den U.S.A. schon sehr früh nachweisen146 und stellt heute auch in Europa den Marktstandard dar.147 Eine viel zitierte Umfrage der Ökonomen Baker und Mansi bezifferte den Anteil der U.S.amerikanischen Emittenten, der üblicherweise zwei Rating-Agenturen beauftragt, im Jahre 2002 auf 77,2%, während weitere 20,2% sogar drei oder mehr Ratings einholen.148
Man kann daher im Ergebnis von einer „Zwei-plus-Ratings“-Usance an den internationalen Anleihemärkten sprechen.149 Ratings unterscheiden sich damit in auffälliger Weise von anderen Marktinformationen, bei denen eine parallele Bereitstellung durch mehrere Informationsintermediäre die seltene Ausnahme ist: So kommt etwa die Prüfung desselben Jahresabschlusses durch zwei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (sog. joint audit), der in der ökonomischen Theorie eine positive Signalwirkungen am Kapitalmarkt zugesprochen wird,150 in Deutschland nur ganz vereinzelt vor.151 (a) „Zwei-plus-Ratings“-Usance als oligopolperpetuierende Investorenpräferenz Die Beurteilung von Neuemissionen durch mehrere Rating-Agenturen geht nach dem Gesagten auf einen Wunsch der Investoren zurück, dem die Emittenten nachkommen. Woraus sich der Nutzen zusätzlicher Ratings für Investoren ergibt, wird in der informationsökonomischen Literatur uneinheitlich beurteilt: Die Beseitigung von Zweifeln bei „split ratings“152 vermag schon nicht zu erklären, warum überhaupt ein zweites Rating verlangt wird, zumal auch „split ra-
143 IOSCO, Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets (May 2008), S. 13; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 15; Hurst, 30 Company L. (2009), 61; Jewell/Livingston, 8:4 Fin. Markets, Inst. & Instruments (1999), 1, 17 (mit statistischen Nachweisen für die Jahre 1991–95); Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1034; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14. 144 Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 60. 145 Baker/Mansi, 29 J. Bus. Fin. & Acct. (2002), 1367, 1379; Jewell/Livingston, 8:4 Fin. Markets, Inst. & Instruments (1999), 1, 42 (beide mit empirischen Nachweisen). 146 Nach Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 21 verfügten schon in den 1930er Jahre praktisch alle Emissionen, die einem breiten Anlegerkreis angeboten wurden, über Ratings von allen vier damals bestehenden Rating-Agenturen. 147 ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 3; Moloney, EC Securities Regulation, S. 688; Wiegel, Prospektrichtlinie, S. 74. 148 Baker/Mansi, 29 J. Bus. Fin. & Acct. (2002), 1367, 1377. 149 Ähnlich Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 60: „two-rating norm“. 150 Küting/Boecker/Busch, DSWR 2003, 316, 317. 151 Vgl. Petersen/Zwirner/Boecker, KoR 2010, 217, 218. 152 Darauf abstellend Baker/Mansi, 29 J. Bus. Fin. & Acct. (2002), 1367, 1370 u. 1379.
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tings“ statistisch nur bei ca. 13% der Anleihen auftreten153 und eine dritte Agentur weit häufiger beauftragt wird. Während andere Stimmen einem zweiten und dritten Rating einen zusätzlichen Zertifikationswert zuerkennen,154 dürfte manches dafür sprechen, dass die Investoren durch die gleichzeitige Nutzung zweier oder gar aller Informationsintermediäre des bestehenden Ratingoligopols der Notwendigkeit entgehen wollen, die Vertrauenswürdigkeit eines einzelnen Ratings selbst anhand sonstiger Informationen überprüfen zu müssen155 – die beobachtete Marktusance trüge daher zur weiteren Vereinfachung der Informationsaufnahme bei. Als sicher kann jedenfalls gelten, dass die bessere Information durch mehrere Ratings für Investoren einen wirtschaftlichen Wert besitzt, weil sie die durch die Beauftragung weiterer Rating-Agenturen anfallenden Kosten letztlich tragen müssen. Empirische Untersuchungen bestätigen, dass Investoren die Beurteilung einer Emission durch zwei Rating-Agenturen (statt nur eine) bei ihrer Investitionsentscheidung positiv berücksichtigen: Selbst wenn beide Ratings identisch ausfallen und die Bonitätsaussage daher scheinbar nur dupliziert wird, liegen die Kapitalaufnahmekosten des Emittenten um 5,2 Basispunkte niedriger, als wenn dieselbe Bonitätseinstufung lediglich durch eine der großen Agenturen erfolgt wäre.156 Nur weil der Markt – anders gewendet – bei Unterschreitung des „Zwei-plus-Ratings“-Standards eine höhere Verzinsung verlangt, rentiert sich die Beauftragung von zwei (oder mehr) Rating-Agenturen für den Emittenten, der in diesem Fall ja auch mehrere Agenturen vergüten muss.
Indem die „Zwei-plus-Ratings“-Usance auf Forderungen der Investorenöffentlichkeit zurückgeht, erweist sie sich als Reaktion des Marktes und damit Ausfluss der Marktinformationsfunktion des Ratings. Bestätigt wird dies dadurch, dass die Regulierungsfunktion des Ratings die verbreitete Beauftragung mehrerer Rating-Agenturen nicht erklären kann, weil die weitaus überwiegende Anzahl ratingbasierter Rechtsregeln das Rating einer Agentur genügen lässt.157 Ausnahmen konnten in der rechtsvergleichenden Untersuchung im Zweiten Teil dieser Arbeit nur ganz vereinzelt festgestellt werden.158 153 Vgl. Ederington, 15 Fin. Mgmt. (1986), 37, 46; Ederington/Yawitz, in: Altman, Handbook of Financial Markets and Institutions, Kap. 23 S. 49 f.; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 412 f.; Jewell/Livingston, 8:4 Fin. Markets, Inst. & Instruments (1999), 1, 4. 154 Heinke, in FS Steiner (2003), S. 443, 446; ähnlich Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 73. 155 A.A. Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 639, der ein Interesse der Investoren „to monitor, compare, and assess the performance of rating agencies“ unterstellt. 156 Hsueh/Kidwell, 17:1 Fin. Manage. (1988), 46, 52. 157 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 8; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 66. Dieser Befund bestätigt zugleich, dass die bereits in § 5 III 1 a) cc) (2) abgelehnte regulatory license-Theorie nicht zutreffen kann; wie hier Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 248; Hill, a.a.O.; Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1697; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 634. 158 Im U.S.-amerikanischen Recht verlangen einzelne Rechtsvorschriften Ratings von zwei NRSROs, wie etwa die Altfassung der „net capital rule“ für broker-dealer (§ 7 II 2 a)) (bis 2014), Vorgaben zur Kapitalausstattung der Student Loan Marketing Association (20 U.S.C. § 1087– 2(r)(11)) und (selten) gliedstaatliche Anlagevorschriften für trustees (so § 2103.37(A)(15) Ohio Revised Code Annotated; dazu § 12 II 2 a)).
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Im Ergebnis hat die „Zwei-plus-Ratings“-Usance am Anleihemarkt damit zur Folge, dass das bestehende Oligopol der Ratinganbieter verfestigt wird, weil die drei großen Rating-Agenturen nicht einmal untereinander in einem nennenswerten Verdrängungswettbewerb stehen159 – es werden ja regelmäßig alle (oder doch die meisten) der etablierten Ratinganbieter beauftragt, sodass kein oder nur ein geringer Bedarf besteht, sich gegenüber den Mitoligopolisten auszuzeichnen. Die beschriebene Investorenpräferenz lässt sich daher als „natürliche“ Ursache des Ratingoligopols begreifen. Der wettbewerbsreduzierenden „Zwei-plus-Ratings“-Usance kommt mittelbar zugleich ein positiver Effekt zu, weil sie den Anreiz für die Rating-Agenturen beseitigt, durch die Erstellung „auftraggeberfreundlicher“ (sprich: emittentenfreundlicher, also die Bonität nachgiebig beurteilender) Ratings zusätzliche Marktanteile zu erobern: Solange der Auftraggeber nicht zu einem Konkurrenten abwandern kann, vermag er auch keinen Druck auf die Rating-Agentur auszuüben, die Produkteigenschaften in seinem Sinne anzupassen. „Rating shopping“ wird damit ausgeschlossen.160 (b) Gegensatz: Keine Geltung der „Zwei-plus-Ratings“-Usance am Markt für komplexe Finanzinstrumente Allerdings beansprucht die „Zwei-plus-Ratings“-Usance, die am Markt für „traditionelle“ Schuldverschreibungen entstand, am Markt für komplexe Finanzinstrumente161 nicht gleichermaßen Geltung.162 Obgleich umfassende Daten – soweit ersichtlich – nicht zugänglich sind und die von Investorenseite verlangte Ratingzahl wohl auch periodischen Schwankungen unterlag, ist die Einholung von drei Ratings jedenfalls seltener als am Anleihemarkt;163 eine parallele Bewertung durch zwei Rating-Agenturen kommt dagegen auch hier häufig vor.164 Der wesentliche Unterschied zeigt sich daran, dass bestimmte Typen bzw. Tranchen strukturierter Finanzinstrumente nur über ein einziges Rating verfügen;165 es lässt sich mithin eine bloße „Ein-plus-Rating(s)“-Usance konstatieren. Da empirisch nachweisbar ist, dass Tranchen mit nur einem Rating in der Vergangenheit deutlich stärkere Ratingherabstufungen erfuhren als mehrfach geratete Tran-
159
IOSCO, Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets (May 2008), S. 13. ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 3; IOSCO, Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets (May 2008), S. 13. Vgl. hierzu noch näher unter 3. 161 Zur Terminologie bereits § 10 I 1 a). 162 Siehe schon § 10 IV 3 b). 163 Benmelech/Dlugosz, NBER Macro Annual 2009, 161, 192. 164 ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 3: „Structured finance usually has more than one rating“; Benmelech/Dlugosz, NBER Macro Annual 2009, 161, 192: 59%. 165 ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 3 (für Finanzinstrumente, die mit Blick auf das Kriterium der Zentralbankfähigkeit konzipiert wurden, weil die EZB hierfür nur ein Rating verlangt – vgl. schon § 7 II 3 a)); Adelson, Rating Shopping, S. 4 (für CDOs); Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 18. 160
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chen,166 kann darin zugleich ein Beleg für vorangegangenes „rating shopping“ erblickt werden.167 Ungeklärt ist, warum Investoren sich am Markt für komplexe Finanzinstrumente mit einer geringeren Ratinganzahl zufrieden geben als am Markt für „traditionelle“ Anleihen. Sowohl die komplexeren Strukturen (und damit schwierigere Verständlichkeit) dieser Finanzinstrumente als auch die geringere gesetzliche Publizität168 legen die genau umgekehrte Reaktion, also das Verlangen mehrerer verständlich codierter Bonitätsbeurteilungen nahe. Denkbar ist, dass das Entstehen der „Ein-plus-Rating(s)“-Usance Folge eines Überangebots an Investitionskapital war, das im Vorfeld der globalen Finanzkrise 2007–09 nach attraktiv verzinsten Anlagezielen suchte und dabei die Risikoaversion der Investoren im Allgemeinen sinken ließ.
Die beschriebene Investorenpräferenz am Markt für komplexe Finanzinstrumente hatte zur Folge, dass das Oligopol der Ratinganbieter auf diesem Marktsegment nicht ebenso durch eine parallele Beauftragung sämtlicher Oligopolisten gefestigt wurde wie auf dem Markt für traditionelle Anleihen. Der erhöhte Wettbewerbsdruck innerhalb des Oligopols, der für die Rating-Agenturen damit entsteht,169 kann unerwünschte Folgen zeitigen, die von Befürwortern eines verstärkten Ratingwettbewerbs170 nicht ausreichend klar gesehen werden: Erst wenn die Investoren ein Geratetsein durch nur eine oder zwei Rating-Agenturen genügen lassen, verfügt der Emittent nämlich über die Möglichkeit, nach seiner Wahl zu anderen Rating-Agenturen abzuwandern, sofern ihm eine Bonitätsbeurteilung nicht zusagt („rating shopping“).171 Dadurch entsteht die Gefahr, dass konkurrierende Agenturen ihren Marktanteil durch Absenkung ihrer Ratinganforderungen auszuweiten versuchen172 und damit auf einen Wettbewerb durch Produktdifferenzierung rekurrieren, der auf Kosten der Ratingqualität geht. Im Ergebnis erhöht die Möglichkeit des Emittenten zur Auswahl einer RatingAgentur nicht nur den Wettbewerb unter den Agenturen, sondern zugleich deren Anreiz, auf das Interesse des Auftraggebers (also des Emittenten oder – häufiger
166 Vgl. Adelson, Rating Shopping, S. 3 (für CDOs); Adelson/Bartlett, J. Struct. Fin. (Fall 2005), 51 (für ABS); Adelson/Hoyt, J. Port. Mgt. (Sep. 2003), 87 (für CMBS); Benmelech/Dlugosz, NBER Macro Annual 2009, 161, 195 f. (für CDOs). 167 So Adelson, Rating Shopping, S. 1; Benmelech/Dlugosz, NBER Macro Annual 2009, 161, 196. 168 Zur üblichen Platzierung komplexer Finanzinstrumente jenseits der gesetzlichen Markteintrittspublizität schon § 10 III 3. 169 Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 789. 170 Dazu schon oben I. 171 Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 18; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 298; Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 789. 172 Benmelech/Dlugosz, NBER Macro Annual 2009, 161, 192 f. (die betonen, dass eine Drohung mit Abwanderung auch dann zu niedrigeren Ratingstandards führen dürfte, wenn zwei Rating-Agenturen beauftragt werden); Portes, Rating agency reform, S. 145, 148; Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 789.
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– der beratenden Investmentbank) Rücksicht zu nehmen:173 Der Wettbewerb bedroht damit die Unabhängigkeit der Bonitätsbeurteilung. cc) Oligopolistische Marktstruktur bewirkt Informationsäquilibrium Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass ein Oligopol auf Seiten der Ratinganbieter ein Informationsäquilibrium am Markt für Bonitätsbeurteilungen erzeugt, also ein Gleichgewicht von Informationsnachfrage und Informationsangebot. Dies liegt an der begrenzten Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität der Investoren, deren Präferenzen letztlich die Anzahl der dauerhaft am Markt verbleibenden Rating-Agenturen bestimmen: Der Vorteil, den Ratings als verständlich codierte Bonitätseinschätzungen im Rahmen der Informationsaufnahme bieten,174 ginge für die Investoren nämlich wieder verloren, wenn sie im Zuge der sich anschließenden Informationsverarbeitung zu ein und derselben Anleiheemission175 die Ratings einer großen Anzahl unterschiedlicher Agenturen verarbeiten müssten. Durch eine solche Einschränkung der Komplexitätsreduktion, der Ratings maßgeblich dienen,176 würde zugleich die Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts beeinträchtigt. Aus diesem Umstand resultiert ein nachfragerbedingtes natürliches Oligopol am Markt der Rating-Agenturen, das folglich so lange fortbestehen wird, wie sich die Grenzen der Informationsaufnahme- und -verarbeitung auf Seiten „realer“ Investoren nicht durchgreifend verändern.177 Es mag sich damit die Frage nach der Höchstzahl von Rating-Agenturen aufdrängen, welche die natürlich-oligopolistische Marktstruktur zulassen würde. Diese wurde in der verhaltenswissenschaftlichen Forschung, soweit ersichtlich, bislang nicht untersucht und kann im vorliegenden Zusammenhang nicht fundiert beantwortet werden. Die historische Entwicklung des U.S.-amerikanischen Ratingmarktes spricht dafür, dass jedenfalls nicht mehr als fünf Ratinganbieter gleichzeitig einen wesentlichen Marktanteil erobern dürften; die jüngere Geschichte legt sogar eine Höchstzahl von drei Agenturen nahe. Letztere Zahl wird auch in der ökonomischen Theorie für natürlich-oligopolistische Intermediärmärkte genannt,178 während die Grenze der menschlichen Informationsaufnahmekapazität allgemein bei maximal 5–7 Einheiten gesehen wird.179
173 ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 3; Portes, Rating agency reform, S. 145, 148. 174 Siehe § 5 IV 1. 175 Dazu § 5 IV 2. 176 Dazu § 4. 177 Eine solche Veränderung mag im Bereich der Informationsverarbeitung durch Schritte der Investorenschulung (investor education) gefördert werden können – wie aussichtsreich solche Vorhaben sind und inwieweit Grenzen der Informationsverarbeitungskapazität naturgegeben sind, ist bislang wenig geklärt. 178 Gehrig, 14 Int. J. Ind. Organ. (1996), 101, 115. 179 So der bekannte Befund von Miller, 63 Psych. Rev. (1956), 343 ff.
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3. Folgen für Wettbewerbsmechanismus und staatliche Regulierung Aus dem beschriebenen Befund lassen sich Schlüsse sowohl für den Wettbewerb am Markt der Rating-Agenturen als auch die Notwendigkeit einer staatlichen Regulierung der Marktakteure ableiten. Geht man davon aus, dass eine Regulierung nur dort erforderlich und angemessen ist, wo Fehlentwicklungen nicht schon durch Marktkräfte verhindert werden,180 so ergibt sich folgendes Bild: a) Beschränkter Wettbewerb am natürlich-oligopolistischen Ratingmarkt Infolge des natürlichen Oligopols wird sich der Wettbewerb zwischen RatingAgenturen auch künftig nicht als Wettbewerb zwischen zahlreichen Konkurrenten mit vergleichbar großen Marktanteilen abspielen. Eine i.S. der neoklassischen Ökonomie „vollkommene“ Konkurrenz unter den Anbietern liegt daher am Markt für codierte Bonitätsbeurteilungen noch ferner als an anderen Produktmärkten. Auch ein natürlich-oligopolistischer Markt ist allerdings nicht frei von Wettbewerb:181 Dieser vollzieht sich zum einen unter den aktuellen Oligopolisten um den Ausbau ihrer jeweiligen Marktanteile,182 wird dabei freilich entscheidend durch die „Zwei-plus-Ratings“-Usance gemindert, die den Wettbewerb innerhalb des Oligopols fast vollständig aufheben kann. Zum anderen kommt es zum Wettbewerb zwischen den Oligopolisten und kleineren Rating-Agenturen, die die aktuellen Oligopolisten zu verdrängen suchen.183 Für die kleineren RatingAgenturen stellt sich dies als schwieriges Unterfangen dar, weil sie nicht nur den beauftragenden Emittenten von der Qualität ihrer Ratings überzeugen müssen, sondern die allgemeine Investorenöffentlichkeit, von deren Akzeptanz der Nutzen des Ratings für den Emittenten abhängt;184 andernfalls verbleibt nur die Erstellung unbeauftragter Ratings.185 Die oligopolistische Marktstruktur schwächt die Wettbewerbsmacht aller Nicht-Oligopolisten daher ganz beträchtlich186 und 180 Zur Regulierung des Ratingwesens ebenso Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 346; von Randow, ZBB 1995, 140, 145. 181 A.A. Claussen, in FS Hopt (2010), S. 1695, 1707. 182 Eggers, Wettbewerbs- und kartellrechtliche Probleme von Ratings, S. 193; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 441. 183 In diesem Sinne zu natürlich-oligopolistischen Märkten für Intermediäre Gehrig, 14 Int. J. Ind. Organ. (1996), 101, 115. 184 Vgl. aus Sicht eines deutschen Emittenten Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 414: es sei kaum sinnvoll, sich durch kleinere oder neu gegründete Rating-Agenturen bewerten zu lassen, solange deren Bewertungen noch nicht in die Investitionsentscheidungen der Investoren Eingang finden; Meeh-Bunse/Sattler, DB 2012, 1449, 1450. 185 Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 12: „In the shorter term, unsolicited ratings can also serve as a useful form of market discipline when the hired rater has been too generous.“ 186 Die bereits erwähnte Übernahme von Fitch Ratings durch die britische Rating-Agentur IBCA im Jahre 1997 beweist zwar, dass die Verdrängung eines Ratingoligopolisten durch eine andere Rating-Agentur gelingen kann – sie geschah in concreto aber nicht im Wege der kompetitiven Ausweitung des Marktanteils durch Abwerbung von Ratingnachfragern, sondern durch die Übernahme der Gesellschaftsanteile an Fitch Ratings durch die Muttergesellschaft von IBCA.
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bewirkt, dass sich der Wettbewerb am Ratingmarkt nur in beschränktem Maße entfalten kann. Ergänzend wird zu Recht darauf hingewiesen, dass Rating-Agenturen nicht die einzigen Anbieter von Bonitätsinformationen sind:187 Sie stehen vielmehr auch mit anderen Informationsintermediären in einem Wettbewerbsverhältnis,188 wie etwa Finanzanalysten und Anlageberatern189 sowie Banken, sofern diese entweder – wie in der Schweiz üblich – Ratings publizieren190 oder ihre „internen“ Ratings öffentlich zugänglich machen191 (was freilich bislang nicht üblich ist). Ob diese Konkurrenz geeignet ist, einen wesentlichen Wettbewerbsdruck auf die etablierten Rating-Agenturen auszuüben, muss allerdings wohl skeptisch eingeschätzt werden:192 Da die alternativen Bonitätsinformationen sich jeweils in einem wichtigen Merkmal von Ratings unterscheiden – Finanzanalysen durch ihre fehlende verständliche Codierung, „interne“ Ratings durch die fehlende Herkunft von einem unabhängigen Dritten – dürfte es sich aus Perspektive eines „realen“ Investors nicht um tauglichen Ersatz handeln, sondern um ein aliud. b) Vor- und Nachteile des beschränkten Wettbewerbs am Ratingmarkt Die eingeschränkte Wettbewerbsintensität am Ratingmarkt ist dennoch nicht ohne weiteres als negativ einzustufen. Sie bringt vielmehr zunächst einen wesentlichen Vorteil mit sich: In Verbindung mit der „Zwei-plus-Ratings“-Usance verhindert gerade die oligopolistische Marktstruktur den vielfach befürchteten Anreiz der Rating-Agenturen, bei der Ratingerstellung auf die Interessen des zahlenden Auftraggebers Rücksicht zu nehmen193 (und daher ungerechtfertigt positive Bonitätsbeurteilungen abzugeben). Ein solcher Anreiz beruht schließlich auf der Erwartung, dass der Emittent bei fehlender Rücksichtnahme von der Auftragserteilung absehen und sich für eine Konkurrentin entscheiden könnte. Diese Möglichkeit eines „Abwanderns“ zu einer anderen Rating-Agentur fehlt jedoch von vornherein, sofern der Emittent auf Druck der Investoren alle (oder doch fast alle) der oligopolzugehörigen Wettbewerber beauftragen muss. Das Be187 Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 55 ff.; SEC, Annual Report on NRSROs (Sept. 2009), S. 13; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 102: Rating-Agenturen seien „far from the only potential source“ für Bonitätseinschätzungen. 188 Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 216. 189 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 2; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 425 f.; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 639; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 301, 316. 190 Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 146. 191 Dafür Hertig, EBOR 2006, 625, 640. 192 Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 206. 193 Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1853; Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 81; Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 25: „and that type of competition is ruinous to the quality of their product“; Portes, Rating agency reform, S. 145, 148.
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stehen des Ratingoligopols wirkt damit der „Erpressbarkeit“ der Rating-Agenturen und dem „rating shopping“ entgegen und lässt auch eine Regulierung des „issuer pays“-Modells weniger dringlich erscheinen als vielfach angenommen. Der auf den ersten Blick überraschende Befund, wonach weniger Wettbewerb aufgrund der Besonderheiten des Ratings als Informationsprodukt volkswirtschaftlich von Vorteil ist, wird durch jüngere ökonomische Erkenntnisse bestätigt, denen zufolge zusätzlicher Wettbewerb unter Rating-Agenturen wohlfahrtsreduzierend wirkt.194 Von Nachteil ist der eingeschränkte Wettbewerb hingegen deshalb, weil er zugleich den Anreiz der Rating-Agenturen zur Erstellung präziser Ratings einschränkt: Die Sicherung qualitativ hochwertiger Bonitätsbeurteilungen, die man vom Wettbewerbsmechanismus im Schrifttum erwartet,195 kann dieser an einem konzentrierten Ratingmarkt also nur begrenzt leisten. Mit Blick auf diesen Aspekt des Anbieterwettbewerbs kann folglich von einem Marktversagen gesprochen werden. Stellt man die zentrale Bedeutung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen einerseits und die begrenzte Fähigkeit der Ratingnachfrager zur eigenen Beurteilung der Ratingqualität andererseits in Rechnung, so dürften die Vorteile der oligopolistischen Anbieterstruktur deren Nachteile im Ergebnis überwiegen. Der bestehende Marktmechanismus bedarf aber einer Ergänzung durch staatliche Regulierungsmaßnahmen, die den unvollkommenen Qualitätssicherungseffekt des Wettbewerbs ausgleichen. Bevor auf diese eingegangen wird,196 ist jedoch das allgemeine Wettbewerbsrecht daraufhin zu untersuchen, wie es sich auf den Markt der Rating-Agenturen auswirkt.
III. Die rechtliche Ordnung des Wettbewerbs auf einem dauerhaft oligopolistischen Ratingmarkt Bei ihrer Tätigkeit unterliegen die Rating-Agenturen den Regelungen des anwendbaren nationalen und supranationalen Rechts, die einen unverfälschten Wettbewerb sicherstellen sollen. Diese erlangen in zweierlei Hinsicht Bedeutung:
194 So Becker/Milbourn, 101 J. Fin. Econ. (2011), 493, 496: „The evidence we uncover appears unequivocally consistent with lower ratings quality as competition increased“ sowie „These three sets of findings paint a rather pessimistic picture about the effect of competition on credit ratings quality“; Bolton/Freixas/Shapiro, Credit Ratings Game (Jan. 2009), 3: „an intriguing result“, 23: „Therefore, policy proposal encouraging entry may not be the best methods to increase welfare“; Bonewitz, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 391, 422 f.; Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 216. 195 Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 63 f. 196 Unter IV.
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1. Kartellverbot In Anbetracht des Oligopols am Ratingmarkt drängt sich zunächst die Frage auf, ob bereits die marktbeherrschende Stellung der drei internationalen RatingAgenturen gegen einschlägige Verbote verstößt.197 Die Europäische Kommission hat insoweit allerdings festgestellt, dass Art. 102 AEUV (früher Art. 82 EG) erst das missbräuchliche Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung verbietet, eine beherrschende Stellung einzelner Rating-Agenturen allein hingegen noch keinen Missbrauch darstellt.198 Sie wies zudem darauf hin, dass eine zu starke Fragmentierung des Markts in dieser Branche von Nachteil sein könnte, weil sich Rating-Agenturen dem Druck ausgesetzt sehen könnten, günstige Ratings zu erstellen, um Kunden zu gewinnen199 – eine Gefahr, auf die im Text bereits hingewiesen wurde. Darüber hinaus dürfte das Marktverhalten der Rating-Agenturen auch mit den Vorgaben vereinbar sein, die das unionsrechtliche Kartellverbot (Art. 101 AEUV, früher Art. 81 EG) nach der Rechtsprechung des EuGH an Informationssysteme über Kreditrisiken stellt: So agieren die Rating-Agenturen bei der Ratingerstellung und -veröffentlichung sowohl gegenüber Emittenten als auch gegenüber Investoren als unabhängige Dritte und unterscheiden sich schon deshalb maßgeblich von einem Kreditauskunftsregister in Bankenträgerschaft, das Gegenstand einer einschlägigen EuGH-Entscheidung war.200 Ihre Ratings geben zudem keinen Einblick in die Verwendung der Bonitätsbeurteilungen durch andere Marktteilnehmer und genügen daher dem Selbständigkeitspostulat.201 Da sie des Weiteren auch diskriminierungsfrei zugänglich sind202 – auf Ratings kann die gesamte Marktöffentlichkeit schließlich sogar kostenfrei zugreifen203 – verstößt das Anbieteroligopol als solches nicht gegen das Verbot der Wettbewerbsbeeinträchti-
197 Nach deutschem Recht gelten die drei großen Rating-Agenturen aufgrund der sog. Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Nr. 2 GWB als marktbeherrschend; Witte/Bultmann, in: Achleitner/ Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 100; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1349 Fn. 51. Eine Widerlegung der Vermutung erwägen allerdings Eggers, Wettbewerbs- und kartellrechtliche Probleme von Ratings, S. 193; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 361. 198 Antwort Kommissar Monti vom 12.3.2003 auf eine Anfrage der Angeordneten RandzioPlath (MdEP) an die Europäische Kommission vom 21.1.2003, ABl. EU vom 6.2.2004, Nr. C 33 E/ 32, Tz. 2. Eine marktbeherrschende Stellung verneint Eggers, Wettbewerbs- und kartellrechtliche Probleme von Ratings, S. 155. 199 Europ. Kommission, Mitteilung über Rating-Agenturen v. 23.12.2005, S. 8. 200 EuGH, 23.11.2006, Rs. C-238/05 – Asnef-Equifax, EuZW 2006, 753 Tz. 30 ff. Der EuGH (a.a.O., Tz. 47) erkennt dabei ausdrücklich an, dass Kreditauskunftsregister geeignet sind, „die Ausfallquote von Kreditnehmern zu verringern und dadurch den Wirkungsgrad des Kreditangebots zu erhöhen“, also durch Abbau der Informationsasymmetrie wettbewerbsfördernd wirken (Stappert/Esser-Wellié, EuZW 2006, 758, 760) – ein Befund, der für Bonitätsbeurteilungen durch Rating-Agenturen gleichermaßen gelten muss. 201 Vgl. EuGH, 23.11.2006, Rs. C-238/05 – Asnef-Equifax, EuZW 2006, 753 Tz. 51 ff. 202 Vgl. EuGH, 23.11.2006, Rs. C-238/05 – Asnef-Equifax, EuZW 2006, 753 Tz. 60. 203 Zur Bedeutung der Entgeltlichkeit für die Diskriminierungsfreiheit vgl. Stappert/Esser-Wellié, EuZW 2006, 758, 760.
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gung durch abgestimmtes Verhalten (Art. 101 AEUV).204 Entsprechendes gilt auch nach deutschem Kartellrecht.205
2. Veröffentlichung unbeauftragter Ratings als unlauterer Wettbewerb? Ihre Vereinbarkeit mit dem Lauterkeitsrecht hängt vor allem davon ab, ob sich die Tätigkeit der Rating-Agenturen als missbräuchlich darstellt. Soweit die Erstellung beauftragter Ratings (also der praktische Regelfall) in Rede steht, besteht im internationalen Schrifttum Einigkeit darüber, dass weder Anzeichen für ein missbräuchliches Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung i.S. des deutschen (§ 19 GWB)206 noch des schweizerischen (§ 7 KG)207 oder U.S.-amerikanischen Wettbewerbsrechts (§ 2 Sherman Antitrust Act of 1890)208 bestehen. Demgegenüber werden unbeauftragte Ratings verbreitet für bedenklicher gehalten, weil die Rating-Agentur den Emittenten damit potentiell zur Erteilung eines zu vergütenden Ratingauftrages zwingen könne.209 Zur Begründung eines unzulässigen Wettbewerbsverhaltens reicht diese Vermutung allein freilich nicht aus: So kann eine Rating-Agentur bei einer unbeauftragten Ratingerstellung zwar nach deutschem Recht i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zur Förderung des eigenen Ratingabsatzes handeln, wenn sie das beurteilte Unternehmen als zukünftigen Kunden gewinnen möchte,210 stellen unbeauftragte Ratings doch eine der wesentlichen Möglichkeiten dar, mittels derer sich neue, nicht dem Anbieteroligopol angehörende Agenturen Marktanteile erarbeiten können.211 Konkurrienden Rating-Agenturen oder Emittenten stehen Ansprüche auf Unterlassung212 oder Schadensersatz213 deswegen jedoch nur unter der Voraussetzung zu, dass sie mit der unbeauftragt tätig werdenden Rating-Agentur in einem konkreten Wettbe204 A.A. auf Grundlage höchst fragwürdiger tatsächlicher Annahmen – nämlich der freien Unterstellung „einer Verständigung der drei großen Rating-Agenturen, ihre Ratingmethoden nicht offen zu legen, um die Widerlegung einer falschen Bonitätsbewertung durch ein renommiertes Gegenrating auszuschließen“ – Eggers, Wettbewerbs- und kartellrechtliche Probleme von Ratings, S. 119 f. 205 Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 361 f.; allgemein ebenso Darbellay, Regulating Ratings, S. 200. 206 Vetter, WM 2004, 1701, 1703 Fn. 35. 207 Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 146. 208 Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 480. 209 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 598; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1054; Moloney, EC Securities Regulation, S. 691; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 344; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 304 f.; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 50. 210 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 2 Rn. 56; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 357; ebenso schon zu § 1 UWG a.F. von Randow, ZBB 1996, 85, 91. A.A. Eggers, Wettbewerbs- und kartellrechtliche Probleme von Ratings, S. 262; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 132; Peters, Haftung und Regulierung, S. 50 f.; zum österreichischen Recht auch Heindl, wbl 2007, 221, 222. 211 Vgl. schon oben II 2 a) bb). 212 § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG. 213 § 9 UWG.
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werbsverhältnis214 stehen. Während dieses Erfordernis mit Blick auf andere Agenturen unproblematisch ist, muss es bei Emittenten trotz der geringen daran zu stellenden Anforderungen215 zweifelhaft erscheinen;216 zu denken wäre allenfalls an ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis,217 wenn man darauf abstellt, dass Investoren bei ihrer Entscheidung über den Erwerb einer von Emittenten am Markt angebotenen Anleihe zugleich auf das Rating der Rating-Agentur zurückgreifen. Allein die unbeauftragte Ratingerstellung begründet im Übrigen kein wettbewerbswidriges Verhalten, steht die darin liegende Ausübung der Marktinformationsfunktion doch mit dem Ziel des Wettbewerbsrechts im Einklang, Transparenz im Wettbewerb zu schaffen und zu gewährleisten.218 Eine lauterbarkeitsrechtliche Unzulässigkeit von Ratings setzt daher zusätzlich voraus, dass sie gegen das Irreführungsverbot219 oder das Verbot der Herabsetzung bzw. Anschwärzung eines Mitbewerbers220 verstoßen. Eine „unwahre“ Angabe über die Bonität und Leistungsfähigkeit des Emittenten221 stellt ein Rating jedoch schon deshalb nicht dar, weil die objektive Richtigkeit der darin liegenden Aussage nicht überprüfbar ist,222 und auch eine sonst zur Täuschung geeignete Angabe soll darin allenfalls liegen können, wenn es niedriger als angemessen angesetzt ist.223 Obschon unbeauftragte Ratings häufig niedriger ausfallen als beauftragte Bonitätsbeurteilungen,224 konnten in der empirischen Kapitalmarktforschung allerdings bislang keine Anzeichen dafür nachgewiesen werden, dass dieser Umstand auf bewusste Fehlbeurteilungen (und nicht das Fehlen vertraulicher, bonitätsrelevanter Emittenteninformationen) zurückzuführen ist;225 auch der Anreiz der Rating-Agenturen zur Reputationserhaltung spricht dagegen.226 214
§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. BGH, 29.11.1984, BGHZ 93, 96, 97 („DIMPLE“); BGH, 24.6.2004, NJW 2004, 3032, 3033 („Werbeblocker“). 216 Dutta, IPRax 2014, 33, 37. 217 Vgl. BGH, 21.4.1983, NJW 1983, 2505, 2506 („Tonbandgerät“); BGH, 23.4.1998, NJW 1998, 3561, 3562 („Preisvergleichsliste II“); Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 2 Rn. 96a. 218 Vgl. dazu Hasselblatt, in Gloy/Loschelder/Erdmann, Hdb. d. Wettbewerbsrechts, § 60 Rn. 84 ff. 219 §§ 5, 5a UWG. 220 § 4 Nr. 7, 8 UWG. 221 Vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG. §§ 5, 5a betreffen zwar primär Angaben zur eigenen wettbewerblichen Position des vorgeblich unlauter handelnden Unternehmers (hier: der Rating-Agentur), doch erfasst das Irreführungsverbot auch Angaben über Mitbewerber, ohne dass hierzu vergleichende Werbung i.S.d. § 6 UWG vorliegen muss (Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 2.34). 222 Siehe dazu bereits § 27 I 2 a) bb); vgl. auch Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 2.37 ff. 223 Vgl. (noch zu § 3 UWG a.F.) Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 357 ff.; von Randow, ZBB 1996, 85, 9; ebenso zum U.S.-amerikanischen Recht Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 481. Vgl. auch die umfangreiche Erörterung bei Eggers, Wettbewerbs- und kartellrechtliche Probleme von Ratings, S. 265 ff. 224 Vgl. statt mancher Poon, 27 J. Banking & Fin. (2003), 592, 612. 225 Keine Anzeichen für „strategisch“ zu niedrige unbeauftragte Ratings ergaben die empirischen Untersuchungen von Bannier/Behr/Güttler, Do Unsolicited Ratings Contain a Strategic Rating Component? (2008); Gan, Why Do Firms Pay for Bond Ratings When They Can Get Them 215
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In den U.S.A. gerieten unbeauftragte Ratings erstmals in den Fokus des Wettbewerbsrechts, als der Emittent im bereits erwähnten Fall Jefferson County School District No. R-1227 geltend machte, die Rating-Agentur Moody’s habe mit der ungefragten Ratingveröffentlichung ihre Monopolmacht ausgenutzt (exercise of monopoly power) und damit gegen § 2 des Sherman Act verstoßen – ein Vorwurf, der aufgrund des Schutzes von Ratingveröffentlichungen durch die Pressefreiheit zurückgewiesen wurde.228 Wohl angeregt durch dieses Verfahren leitete das U.S.-amerikanische Justizministerium daraufhin eine Untersuchung gegen Moody’s wegen des Verdachts auf wettbewerbswidriges Verhalten ein, die jedoch im Jahre 1999 ohne Ergebnis eingestellt wurde.229 In der Schweiz fällt die unbeauftragte Ratingerstellung schließlich in den Anwendungsbereich des § 2 UWG.230 Ob darin ein wettbewerbswidriges Geschäftsgebaren gegenüber dem betroffenen Emittenten liegen kann, ist an späterer Stelle noch zu erörtern,231 wohingegen Lauterbarkeitsrechtsverstoß im Verhältnis zu konkurrierenden Rating-Agenturen im schweizerischen Schrifttum verneint wird.232 Im Rechtsvergleich erweist sich die diesbezügliche Praxis der RatingAgenturen damit als wettbewerbsrechtskonform. In jüngerer Zeit werden die Vorgaben des Wettbewerbsrechts in manchen Rechtsordnungen durch spezifische aufsichtsrechtliche Regelungen ergänzt, welche es in ihrer Regulierungsfunktion anerkannten Rating-Agenturen233 – also nicht jeder Rating-Agentur – verbieten, durch unbeauftragte Ratingerstellungen Druck auf Emittenten auszuüben: Während ein solches Verhalten nach Hongkonger Bankenaufsichtsrecht zum Entzug der Ratinganerkennung für „Basel II“-Zwecke führen kann,234 droht nach U.S.-amerikanischem Recht sogar der vollständige Wegfall der Anerkennung als NRSRO.235 for226 Free? (2004) und Poon/Firth, 32 J. Bus. Fin. & Acct. (2005), 1741, 1768. Ebenso aus Sicht der deutschen Kreditwirtschaft Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von RatingAgenturen vom 14.8.2003, S. 13; im juristischen Schrifttum Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 398; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 481; Möllers, JZ 2009, 861, 866; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 305; von Randow, ZBB 1996, 85, 96. Vorsichtig in die Gegenrichtung allein die empirische Untersuchung von Poon, 27 J. Banking & Fin. (2003), 592, 613, deren Methode allerdings erhebliche Kritik auf sich gezogen hat (vgl. Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 481). 226 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 5; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 486; ders., RabelsZ 64 (2000), 517, 534. 227 Zu diesem Fall bereits § 5 III 1 a) cc) (1). 228 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.5.1999, 175 F.3d 848, 858 ff. (10th Cir. 1999). Zum Institutionsschutz der Rating-Agenturen im U.S.-amerikanischen Verfassungsrecht siehe § 21 II. 229 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 103; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 83. 230 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 76. 231 Siehe noch § 28 II. 232 Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 146; vgl. auch Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 234 ff. 233 Siehe dazu noch § 23. 234 HKMA, Policy Paper, Tz. 6.3.3. Gleiches galt bis Ende 2013 nach deutschem Recht (§ 46 Satz 3 SolvV a.F.). 235 § 15E(3)(i)(1)(A) Securities Exchange Act of 1934 i.V.m. Rule 17g-6(a)(1).
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IV. Fazit: Begrenzte wettbewerbsgetriebene Selbstregulierung des Marktes für Bonitätsinformationen und resultierender Regulierungsbedarf Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage, ob der Wettbewerb unter den Rating-Agenturen eine hinreichende Kontrolle dieser Informationsintermediäre sicherzustellen vermag, fällt nach alledem gemischt aus.
1. Lediglich eingeschränkter Anreiz zur Ruferhaltung am natürlich-oligopolistischen Ratingmarkt Die Besonderheiten des Produkts, das die konkurrierenden Rating-Agenturen am Markt anbieten, haben zur Folge, dass der Anbieterwettbewerb am Ratingmarkt anderen Regeln folgt als an den Märkten für sonstige Dienstleistungen: Zum einen fehlt den Rating-Agenturen eine wichtige Möglichkeit zur Differenzierung ihrer Produkte, weil Bonitätsbeurteilungen nicht nach Wunsch des jeweiligen Nachfragers ausgestaltet werden dürfen, und zum anderen kann der Markt nur eine begrenzte Anzahl paralleler Bonitätsbeurteilungen aufnehmen, weil die Attraktivität von Ratings für die Investoren, die auf ihrer einfachen Aufnehm- und Verarbeitbarkeit beruht, andernfalls verloren ginge.236 Das deshalb am Ratingmarkt herrschende natürliche Anbieteroligopol bringt eine reduzierte Wettbewerbsintensität mit sich, die jedoch grundsätzlich positiv zu bewerten ist, senkt sie doch die Gefahr eines Wettbewerbs mittels „emittentenfreundlicher“ Ratingeinstufungen.237 Die bestehende Marktstruktur macht eine rechtliche Regulierung des Ratingwesens allerdings nicht völlig entbehrlich,238 weil sie selbst bestimmte Fehlanreize schafft und manch andere Risiken nicht adäquat zu bewältigen vermag.
2. Bedarf für eine Ergänzung der Marktmechanismen durch eine rechtliche Regulierung des Ratingwesens Nicht einheitlich beurteilt wird, zu welchen Sachfragen die Schaffung ratingbezogener Rechtsregeln erforderlich ist. Da der Markt der Rating-Agenturen ein natürliches Oligopol darstellt,239 ist zunächst festzuhalten, dass rechtliche Regelungen nicht mit dem Ziel erlassen werden sollten, eine Erhöhung der Wettbewerberanzahl zu bewirken. Entsprechende Regulierungsvorhaben versprechen keinen Erfolg, solange die begrenzte Informationsaufnahmekapazität der „rea236
Oben II 2 b) aa). Oben II 3. 238 In diesem Sinne etwa Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 21; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 627, 639 f.; Stürner, ZHR 173 (2009), 363, 377. Skeptischer noch Merkt, RabelsZ 64 (2000), 517, 535 f. 239 Oben II. 237
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
len“ Investoren sich nicht erhöht hat. Rechtlicher Regelungen bedarf es hingegen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen von den Marktteilnehmern,240 und zwar vor allem an denjenigen Teilmärkten, auf denen die Intensität des Wettbewerbs unter den Rating-Agenturen größer ist als am Markt für traditionelle Anleihen (wie namentlich auf dem Markt für manche komplexe Finanzinstrumente241), werden Fehlanreize hier doch nicht durch Marktzwänge ausgeglichen. Der Wettbewerb unter den Rating-Agenturen wird durch das allgemeine Kartell- und Wettbewerbsrecht242 im wesentlichen nur auf missbräuchliche Verhaltensweisen hin kontrolliert, die in der Praxis bislang kaum vorkamen. Hier ist ergänzend an die Schaffung ratingspezifischer Regelungen zu denken, die kleineren Rating-Agenturen eine faire Ausgangsposition in ihrem Wettbewerb mit den etablierten Rating-Agenturen ermöglichen („level playing field“). In den U.S.A. und in der EU sind in dieser Hinsicht erste Vorschriften erlassen worden, die allen Rating-Agenturen einen gleichberechtigten Zugang zu nicht-öffentlichen Daten über komplexe Finanzinstrumente verschaffen, um auf diese Weise die Erstellung unbeauftragter Ratings zu ermöglichen.243 Ein weiteres Problemfeld, für welches Wettbewerb und Marktkräfte keine Lösung bereitstellen können, ist schließlich die große Bedeutung des Ratings an den internationalen Finanzmärkten, die auf das Zusammenwirken der verständlichen Codierung dieser Marktinformationen, ihrer zunehmenden Regulierungsfunktion und der geringen Anzahl an Ratinganbietern zurückgeht. Die daraus resultierenden systemischen Risiken vermögen die Marktteilnehmer allein nicht zu bewältigen; es bedarf hierzu einer Ergänzung der Marktmechanismen durch rechtliche Regelungen.244
3. Materielle Regulierung internationaler Oligopolisten durch nationales Recht: „Race to the top“ Die ungewöhnliche Anbieterstruktur am internationalen Ratingmarkt zeitigt schließlich noch eine weitere Folge, die bei der staatlichen Regulierung der Rating-Agenturen Beachtung verlangt: Da die drei großen Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch in nahezu allen Staaten der Welt den Markt dominieren, ist das durch sie gebildete Oligopol der primäre Adressat aller nationalen (sowie, im Falle der EU, regionalen) Regelungen für Rating-Agenturen. Knüpfen diese Regelungen an das Rating als Marktinformation an,245 so führt dies im Er240
Siehe § 25 I. Siehe § 25 I 2 b) cc) (3). 242 Oben III 1, 2. 243 Siehe dazu § 25 III 3 (dort auch zu den fraglichen Erfolgsaussichten dieses Regelungsansatzes). 244 Dazu § 31. 245 So unter den hier untersuchten Rechtsordnungen des Recht der EU und das Hongkonger Recht (siehe dazu § 22 II 2 und 5). Anders ist die Lage dann, wenn eine staatliche Regulierung an 241
§ 20 Markt und Wettbewerb der Rating-Agenturen
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gebnis zu einem „race to the top“, weil diese Rating-Agenturen sämtlichen auf sie anwendbaren nationalen Regelungen parallel zu genügen haben. Eine Differenzierung nach dem Staat, in dem das jeweilige Rating publiziert wird, ist angesichts der Eigenschaft des Ratings als internationale Marktinformation unmöglich, und auch eine Unterscheidung zwischen durch Tochtergesellschaften der großen Agenturen erstellten Ratings nehmen diese bislang nicht vor, weil sämtliche Ratings unter der globalen Marke der jeweiligen Rating-Agentur veröffentlicht werden.246 Die Regulierung des internationalen Ratingoligopols verlangt daher nach einer Koordinierung unter den nationalen Regelsetzern, sollen inkompatible Vorgaben vermieden werden.
die246 Nutzung von Ratings zu Regulierungszwecken anknüpft, weil der Rating-Agentur in diesem Fall die theoretische Option verbleibt, in einzelnen (oder allen) Staaten auf die Nutzbarkeit ihrer Ratings zu diesen Zwecken zu verzichten; vgl. noch § 23 I 2. 246 Siehe zu den Auswirkungen dieses Umstands im Bereich des Haftungsrechts noch § 26 III 1 b).
§ 21 Der Institutionsschutz der Rating-Agenturen I. Einleitung Jede gesetzliche Regulierung des Ratings, die zum Schutz der Finanzmarktteilnehmer und der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes vorgenommen wird,1 muss dabei die rechtlich geschützten Interessen der Rating-Agenturen berücksichtigen. Es ist damit zunächst die Freiheit ihrer Berufsausübung angesprochen, die in den meisten der hier untersuchten Rechtsordnungen verfassungsrechtlichen Schutz genießt,2 zugleich aber gesetzlichen Einschränkungen zugänglich ist. Im Falle der Rating-Agenturen wirkt sich jedoch darüber hinaus aus, dass sie mit der allgemein zugänglichen Publikation ihrer Bonitätsbeurteilungen eine Information der Öffentlichkeit bewirken und dadurch eine Funktion wahrnehmen, die ihrerseits im öffentlichen Interesse liegt. Das Rating lässt sich damit als eine im soziologischen Sinne institutionalisierte Verhaltensweise3 einordnen und wirft die Frage nach einem Interessenschutz auf, der nicht um der Person des Rechtsträgers willen, sondern – in Anlehnung an eine Begriffsschöpfung Ludwig Raisers – als Mittel zum Zweck des Institutionsschutzes4 gewährt wird. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, gewähren die hier untersuchten Rechtsordnungen den Rating-Agenturen in der Tat einen rechtlichen Institutionsschutz, der – auf den ersten Blick möglicherweise überraschend5 – vorrangig aus den verfassungsrechtlichen Garantien der Pressefreiheit abgeleitet wird. Aus deren Schutzwirkung ergeben sich daher die wichtigsten Anforderungen, denen eine Regulierung des Ratings zu genügen hat.
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Siehe zur grundsätzlichen Notwendigkeit einer solchen Regulierung bereits § 17 V, § 20 IV. In Deutschland durch Art. 12 Abs. 1 GG (zum Schutz von Rating-Agenturen etwa Deipenbrock, WM 2005, 261, 262); in der Schweiz durch Art. 27 BV (zu Rating-Agenturen Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 145); in Hongkong durch Art. 33 Basic Law. Die U.S.-amerikanische Verfassung kennt hingegen keine separate Garantie der Berufsfreiheit. 3 Vgl. L. Raiser, Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, S. 145, 148. 4 L. Raiser, Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, S. 145, 159. 5 In diesem Sinne etwa Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 352. 2
§ 21 Der Institutionsschutz der Rating-Agenturen
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II. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im U.S.-amerikanischen Recht Die Frage nach dem rechtlichen Institutionsschutz der Rating-Agenturen hat bislang vor allem in den U.S.A. eine Rolle gespielt. Erklären lässt sich dies damit, dass Ratings hier die im internationalen Vergleich größte Bedeutung zukommt und zudem die drei großen internationalen Rating-Agenturen ihren Hauptsitz in den U.S.A. haben. Relevante Schutznormen finden sich im U.S.-amerikanischen Recht primär auf verfassungsrechtlicher,6 daneben aber auch auf einfachgesetzlicher Ebene.7
1. Die Rating-Agenturen und das First Amendment Vorrangiger Ansatzpunkt für den Schutz der Rating-Agenturen als Institution ist der erste Zusatzartikel zur U.S.-amerikanischen Bundesverfassung (First Amendment), der in seiner hier interessierenden Passage statuiert: „Congress shall make no law … abridging the freedom of speech, or of the press; …“.8 Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, behandelt die U.S.-amerikanische Rechtsprechung die Rating-Agenturen nämlich weithin als Teil der Presse, um auf dieser Grundlage umfangreiche Schutzwirkungen aus dem First Amendment abzuleiten. Obwohl die Freiheit der Presse (press) im Wortlaut des First Amendment ausdrücklich gesondert neben der Äußerungsfreiheit (speech) genannt wird, versteht der U.S. Supreme Court diese als einheitliche Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit9 und hat die Pressefreiheit daher nie explizit als separate institutionelle Garantie anerkannt,10 wie dies in manchen anderen Rechtsordnungen der Fall ist.11 Trotz dieses dogmatischen Ausgangspunktes arbeitete die Rechtsprechung im Laufe der Zeit eine Reihe von Schutzwirkungen heraus, die sich in der Sache nur auf die Presse beziehen und in ihrer Gesamtheit häufig als journalist’s privilege bezeichnet werden. Um ihre Anwendbarkeit auf Rating-Agenturen geht es hier. Die genannte Kurzbezeichnung darf allerdings nicht dahingehend missverstanden werden, als käme es für den Schutz durch das First Amendment auf die 6
Hierzu sogleich im Text. Dazu unter II 2 b) bb). 8 Das First Amendment garantiert in seinen weiteren, hier nicht wiedergegebenen Textteilen zudem die Religions- und die Versammlungsfreiheit sowie das Petitionsrecht. 9 McConnell v. Federal Election Commission, 1.5.2003, 251 F.Supp.2d 176, 234 f. (D.D.C. 2003): „in modern First Amendment jurisprudence, the Press Clause has largely been subsumed into the Speech Clause“; Carter/Franklin/Wright, First Amendment, S. 78; Smolla, Smolla and Nimmer on Freedom of Speech, Stand: Rel. 8 (11/2003), § 22:10; Tribe, American Constitutional Law, § 12–1. 10 First Nat. Bank of Boston v. Bellotti, 26.4.1978, 435 U.S. 765, 797, 98 S.Ct. 1407, 1427 (1978) (Burger, C.J., concurring). Für ein gegenteiliges Verständnis ist vor allem der Richter am Supreme Court Stewart, 26 Hastings L.J. (1975), 613, 633 f. eingetreten: „the Free Press Clause extends protection to an institution“ [and protects] „the institutional autonomy of the press.“ 11 Siehe zum deutschen Verfassungsrecht unten IV. 7
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Vergleichbarkeit der jeweiligen Person mit einem klassischen Journalisten oder einem Presseunternehmen im überkommenen Sinne an.12 Maßgeblich für den Schutzbereich des First Amendments ist nach ständiger Rechtsprechung des U.S. Supreme Court vielmehr das Schutzziel der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit: a) Der „Marktplatz der Ideen“ und die freie Information der Öffentlichkeit als Schutzziel Nach einem viel verwandten Bild soll das First Amendment danach einen „Marktplatz der Ideen“ eröffnen und sichern, auf dem sich unterschiedliche Ideen präsentieren und miteinander in Wettbewerb treten können.13 Supreme Court Justice Oliver Wendell Holmes, Jr. fasste diesen Leitgedanken im Jahre 1919 erstmals mit den berühmten Worten zusammen, dass „the ultimate good desired is better reached by free trade in ideas – that the best test of truth is the power of the thought to get itself accepted in the competition of the market …“.14 Sie prägen das Verständnis des First Amendment bis heute15 und bilden den entscheidenden Ansatzpunkt für die Bestimmung seines Schutzbereiches:16 Geschützt wird jeder, dessen Tätigkeit auf die Information der Öffentlichkeit gerichtet ist.17 In inhaltlicher Hinsicht wird der „Marktplatz der Ideen“ dabei umfassend verstanden;18 der Schutz des First Amendment beschränkt sich daher nach ständiger Rechtsprechung nicht etwa auf Äußerungen mit politischem Gehalt.19 Wie schon das Bild des Marktplatzes nahe legt, das bewusst an ein ökonomisches Konzept 12 First Nat. Bank of Boston v. Bellotti, 26.4.1978, 435 U.S. 765, 777, 98 S.Ct. 1407 (1978); Dun & Bradstreet, Inc. v. Greenmoss Builders, Inc., 26.6.1985, 472 U.S. 749, 781, 105 S.Ct. 2939 (1985) (Brennan, J., dissenting). 13 Vgl. zu dieser marketplace of ideas theory, die auf John Milton und John Stuart Mill zurück geht, etwa Barron/Dienes, First Amendment Law, S. 7. 14 Abrams v. United States, 10.11.1919, 250 U.S. 616, 630, 40 S.Ct. 17, 22 (1919) (Holmes, J., dissenting). 15 Vgl. etwa Hustler Magazine v. Falwell, 24.2.1988, 485 U.S. 46, 51, 108 S.Ct. 876, 879 (1988); Virginia v. Hicks, 16.6.2003, 539 U.S. 113, 119, 123 S.Ct. 2191, 2196 (2003). 16 Red Lion Broadcasting Co. v. F.C.C., 9.6.1969, 395 U.S. 367, 390, 89 S.Ct. 1794 (1969): „It is the purpose of the First Amendment to preserve an uninhibited marketplace of ideas, …“. 17 von Bulow by Auersperg v. von Bulow, 10.2.1987, 811 F.2d 136, 144 (2nd Cir. 1987): „the intent … to disseminate information to the public“; In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577, 580 (S.D.N.Y. 1993); National Medical Care v. Home Medical of America, 20.5.2002, 2002 WL 1461769 (N.Y.Sup.). 18 Thornhill v. Alabama, 22.4.1940, 310 U.S. 88, 102, 60 S.Ct. 736 (1940): „ … must embrace all issues about which information is needed or appropriate to enable the members of society to cope with the exigencies of their period.“ 19 Thomas v. Collins, 8.1.1945, 323 U.S. 516, 531, 65 S.Ct. 315 (1945): „the rights of free speech and a free press are not confined to any field of human interest“; NAACP v. Alabama, 30.6.1958, 357 U.S. 449, 460, 78 S.Ct. 1163 (1958); Time, Inc. v. Hill, 9.1.1967, 385 U.S. 374, 388, 87 S.Ct. 534 (1967): „the guarantees for speech and press are not the preserve of political expression or comment on public affairs“; Smolla, Smolla and Nimmer on Freedom of Speech, Stand: Rel. 8 (11/2003), § 22:8.
§ 21 Der Institutionsschutz der Rating-Agenturen
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anknüpft,20 sind vielmehr unstreitig auch Informationen zu wirtschaftlichen Fragen erfasst.21 Dies hat der Supreme Court vielfach zur Finanzpresse sowie in Lowe v. SEC spezifisch zu Investmentempfehlungen über börsennotierte Wertpapiere entschieden.22 Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die in U.S.-amerikanischen Urteilen zu Ratings häufig thematisierte Frage, ob die betreffenden Äußerungen sich auf „matters of public concern“ beziehen: Diese (zusätzliche) Voraussetzung betrifft nicht den Schutz durch das First Amendment als solchen, sondern lediglich eine spezifische Ausprägung dieses Institutionsschutzes, nämlich den Schutz vor zivilrechtlicher Haftung.23 Sie wird daher im Text an entsprechender Stelle behandelt.24
Keine Rolle spielt des Weiteren, ob die Informationstätigkeit ihrerseits zur Gewinnerzielung betrieben wird,25 denn es ist seit langem anerkannt, dass die Bezahlung eines Sprechers für seine Rede ihn nicht des verfassungsrechtlichen Schutzes durch das First Amendment beraubt.26 Und schließlich ist keine Voraussetzung für das Eingreifen der Pressefreiheit, dass sich die betroffene Äußerung als Meinung (opinion) darstellt – diese Einordnung hat zwar wiederum Auswirkungen auf die konkrete Ausgestaltung der Schutzwirkung,27 bedeutet aber nicht, dass Tatsachenäußerungen durch das First Amendment nicht geschützt sind.28 Entscheidend ist damit letztlich allein, ob und wieweit die Tätigkeit der betreffenden Person der Information der Öffentlichkeit und damit dem Schutzziel des First Amendment dient.29
20
Barron/Dienes, First Amendment Law, S. 10. Virginia State Board of Pharmacy v. Virginia Citizens Consumer Council, 24.5.1976, 425 U.S. 748, 762, 96 S.Ct. 1817 (1976); Abood v. Detroit Board of Education, 23.5.1977, 431 U.S. 209, 231, 97 S.Ct. 1782 (1977): „our cases have never suggested that expression about […] economic […] matters […] is not entitled to full First Amendment protection.“ 22 Lowe v. SEC, 10.6.1985, 472 U.S. 181, 210 Fn. 58, 105 S.Ct. 2557 (1985). 23 Zutreffend In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577, 584 (S.D.N.Y. 1993). 24 Unter II 2 c) aa). 25 A.A. Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1108. 26 So etwa Joseph Burstyn v. Wilson, 26.5.1952, 343 U.S. 495, 501 f. (1952) (zu kommerziellen Zwecken produzierter Kinofilm); Murdock v. Pennsylvania, 3.5.1943, 319 U.S. 105, 111 (1943) (religiöses Schrifttum, das nur gegen Bezahlung abgegeben wurde); New York Times v. Sullivan, 9.3.1964, 376 U.S. 254, 266, 84 S.Ct. 710 (1964) (Werbeanzeige, für deren Abdruck die Zeitung bezahlt worden war); National Life Ins. Co. v. Philipps Pub. Inc., 9.6.1992, 793 F.Supp. 627, 644 (D.Md. 1992) (mit Gewinnerzielungsabsicht versandter Investmentnewsletter). Allgemein Bigelow v. Virginia, 16.6.1975, 421 U.S. 809, 818, 95 S.Ct. 2222 (1975): ohne Bedeutung, dass das Motiv für die Äußerung „may have involved financial gain“. 27 Siehe dazu unten II 2 c) bb). 28 Lowe v. SEC, 10.6.1985, 472 U.S. 181, 210, 105 S.Ct. 2557 (1985) zum Abdruck von Börsenkursen; Dobbs, Law of Torts, § 420. 29 Die Rechtsprechung umschreibt den geschützten Personenkreis als „the class of persons for whom the privilege is needed to protect against infringement of freedom of the press and the public’s need to be informed“; so In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577, 580 (S.D.N.Y. 1993); National Medical Care v. Home Medical of America, 20.5.2002, 2002 WL 1461769 (N.Y.Sup.). 21
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
b) Die Marktinformationsfunktion der Rating-Agenturen als Grund ihres Institutionsschutzes durch das First Amendment Dass die Rating-Agenturen durch ihre Ratings in diesem Sinne einen wichtigen Beitrag zur Information der Öffentlichkeit leisten, erschließt sich schon aus der zentralen Rolle, die Ratings an den heutigen Finanzmärkten spielen:30 Als verständlich codierte Informationen bereichern Ratings in entscheidender Weise den sprichwörtlichen „Marktplatz“ für Informationen, durch den der Markt für Kapital erst funktioniert.31 Als Begründung für ihren daraus resultierenden Schutz durch das First Amendment wird in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung angeführt, dass der Anleihenmarkt in erheblichem Maße auf den freien Austausch von Informationen über die Bonität von Emissionen angewiesen sei, der durch Ratings erst ermöglicht werde;32 der gesellschaftliche Nutzen dieser Beurteilung von Finanzinstrumenten stehe außer Frage.33 Nicht bedeutsam ist nach dem oben Gesagten dabei, ob die Rating-Agentur ihre Ratings kostenfrei veröffentlicht (weil sie durch die Emittenten vergütet wird) oder ihren Abonnenten gegen Bezahlung zugängig macht.34 Es ist damit im Ergebnis also die (hier so bezeichnete) Marktinformationsfunktion der Rating-Agenturen, die zu deren Schutz durch das First Amendment führt. Die Zielbezogenheit dieses verfassungsrechtlichen Schutzes hat jedoch zur Folge, dass Rating-Agenturen nicht per se geschützt werden, sondern nur, soweit sie in concreto eine durch das First Amendment geschützte Tätigkeit ausüben.35 Da es also nicht auf den Status als Rating-Agentur, sondern auf den Zweck der konkret betroffenen Ratingtätigkeit ankommt,36 wird vielfach treffend von einem „qualified privilege“ der Rating-Agenturen37 gesprochen. Es muss folglich zwischen öffentlich verfügbaren Ratings38 und „privaten“ Ratings39 differenziert werden: 30 In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 833 (S.D.Tex. 2005); Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 111 (Okla. Civ.App. Div. 4 2004). 31 Vgl. Byrne, in: BIS, Asian bond markets, S. 222, 223: „The credit rating industry has its roots in the Anglo-Saxon tradition of free speech and constitutional guarantees of freedom of the press.“ 32 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.4.1997, 988 F.Supp 1341, 1348 (D.Colo. 1997). 33 In re Scott Paper Comp. Sec. Litig., 30.11.1992, 145 F.R.D. 366, 369 (E.D.Pa. 1992). 34 Vgl. In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577, 584 Fn. 6 (S.D.N.Y. 1993); in diesem Sinne auch Thomas v. Collins, 8.1.1945, 323 U.S. 516, 531, 65 S.Ct. 315 (1945). 35 County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 154 (C.D.Cal. 1999); In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 817 (S.D.Tex. 2005). 36 Vgl. First Nat. Bank of Boston v. Bellotti, 26.4.1978, 435 U.S. 765, 802, 98 S.Ct. 1407 (1978) (Burger, C.J., concurring): „In short, the First Amendment does not ,belong‘ to any definable category of persons or entities: It belongs to all who exercise its freedoms.“ 37 In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 818 (S.D.Tex. 2005). 38 Dazu sogleich unter aa). 39 Zu diesen unter bb).
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aa) Der Regelfall: Öffentlich verfügbare Ratings Der notwendige Zweck der Informierung der Öffentlichkeit ist dabei unproblematisch gegeben, wenn das betreffende Rating der allgemeinen Öffentlichkeit oder zumindest einem gewissen Adressatenkreis (wie etwa den Abonnenten von Publikationen der Rating-Agentur)40 zugänglich gemacht wird: In dieser Konstellation, die den praktischen Regelfall darstellt, ist die Rating-Agentur nach herrschender Ansicht in Rechtsprechung41 und Literatur42 durch das First Amendment geschützt. (1) Bedeutung der unbeauftragten Ratingerstellung und -aktualisierung Als ergänzendes Argument für den Schutz einer Rating-Agentur durch die Pressefreiheit wird gelegentlich angeführt, dass Rating-Agenturen ihre Ratings nicht ausschließlich im Emittentenauftrag erstellen, sondern Emissionen auch unabhängig von Auftrag oder Bezahlung durch den jeweiligen Emittenten (also unsolicited) bewerten.43 Aus der Vornahme unbeauftragter Ratingerstellungen sowie der späteren Überprüfung, Aktualisierung und ggfs. Abänderung von Ratings, die ohne gesonderte Vergütung allein im Informationsinteresse der Abonnenten oder sonstigen Nutzer vorgenommen wird,44 leitet man dabei erkennbar eine Nähe zum überkommenen Journalistenbild ab, die eine Anwendung des First Amendment zusätzlich rechtfertigen soll. Die beschriebene Argumentation erscheint zu stark durch die Vorstellung geprägt, der Schutz der Pressefreiheit sei auf Journalisten im klassischen Sinne zugeschnitten oder gar beschränkt, was jedoch für das First Amendment (anders als für manche einfachgesetzliche journalist shield laws45) schlicht nicht zutrifft. Die 40 Dun & Bradstreet, Inc. v. Greenmoss Builders, Inc., 26.6.1985, 472 U.S. 749, 782 Fn. 6, 105 S.Ct. 2939 (1985): Publikationen mit beschränktem Abonnentenkreis erfasst. 41 First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s Corp., 2.3.1989, 869 F.2d 175, 180 (2nd Cir. 1989); In re Fitch, 21.5.2003, 330 F.3d 104, 109 f. (2nd Cir. 2003); Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 531 (6th Cir. 2007): „without question“; In re Scott Paper Comp. Sec. Litig., 30.11.1992, 145 F.R.D. 366, 370 (E.D.Pa. 1992); In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577, 584 (S.D.N.Y. 1993); Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.4.1997, 988 F.Supp 1341, 1348 (D.Colo. 1997); aff’d. 4.5.1999, 175 F.3d 848, 856 (10th Cir. 1999); County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 154 (C.D.Cal. 1999); In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 825 (S.D.Tex. 2005); Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 175 (S.D.N.Y. 2009). 42 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 619; Byrne, in: BIS, Asian bond markets, S. 222, 223; Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 166; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 67; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 454; a.A. Haghshenas, 8 First Amend. L. Rev. (2010), 452, 485; Nagy, 94 Minn. L. Rev. (2009), 140, 154 ff.; skeptisch auch Coffee, Gatekeepers, S. 294. 43 In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577, 583 (S.D.N.Y. 1993); Covington/Hutchinson, Metr. Corp. C. (March 2008), 17; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 213 f.; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1054; Nagy, 94 Minn. L. Rev. (2009), 140, 163. 44 Darauf abstellend In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577, 583 (S.D.N.Y. 1993). 45 Siehe dazu noch unter II 2 b) bb).
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Veröffentlichung von unsolicited ratings sollte daher nicht als zwingende Voraussetzung des Institutionsschutzes betrachtet werden.46 Für die Information der Öffentlichkeit als maßgebliche Schutzrichtung des First Amendment ist im Falle der Rating-Agenturen wichtiger, dass diese sich nicht nur auf Emittentenangaben, sondern auch auf eigene Nachforschungen stützen, um zum Nutzen der Öffentlichkeit möglichst objektive Bonitätsbeurteilung zu publizieren,47 und zudem auch bei Bezahlung durch den Emittenten die alleinige Kontrolle über den Inhalt ihrer Ratingbeurteilungen und deren Veröffentlichung ausüben.48 In der eigenständigen Weitergabe der erstellten Beurteilung an die Öffentlichkeit liegt dabei zugleich der wesentliche Unterschied zu Wirtschaftsprüfern, die trotz ihrer Eigenschaft als Informationsintermediäre nicht den Schutz der Pressefreiheit genießen.49 (2) Ratings als nicht lediglich „commercial speech“ Öffentlich publizierte Ratings stellen zudem nicht lediglich sog. „commercial speech“ dar, die zwar ebenfalls dem Schutz des First Amendment unterfällt, aber nur von einem reduzierten Schutzniveau profitiert.50 Als „commercial speech“ wird in der (im Einzelnen durchaus wechselhaften51) U.S.-amerikanischen Rechtsprechung eine öffentliche Information verstanden, „which does no more than propose a commercial transaction“.52 Es muss sich also um reine Werbung mit kommerziellem Inhalt handeln, der einen abgesenkten verfassungsrechtlichen Schutz als ausreichend erscheinen lässt.53 Hieran fehlt es bei Ratings gleich 46 47
A.A. Nagy, 94 Minn. L. Rev. (2009), 140, 158. In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577, 583 (S.D.N.Y. 1993): „for the benefit of the pu-
blic“. 48 In re Scott Paper Comp. Sec. Litig., 30.11.1992, 145 F.R.D. 366, 370 (E.D.Pa. 1992); In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577, 583 (S.D.N.Y. 1993). 49 In re Scott Paper Comp. Sec. Litig., 30.11.1992, 145 F.R.D. 366, 369 (E.D.Pa. 1992); Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 446. 50 Wie hier In re Scott Paper Comp. Sec. Litig., 30.11.1992, 145 F.R.D. 366, 370 (E.D.Pa. 1992); Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 453 Fn. 182. A.A. In re Taxable Municipal Bond Sec. Litig., 29.12.1993, 1993 WL 591418 *4 (E.D.La. 1993) (obiter); Darbellay, Regulating Ratings, S. 69; Deats, 110 Colum. L. Rev. (2010), 1818, 1850 ff.; Murphy, 62 Okla. L. Rev. (2010), 735, 767; ebenfalls in diese Richtung (nämlich eine Qualifikation als commercial speech zumindest für denkbar haltend) Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 618. 51 Vgl. hierzu überblicksartig Page/Yang, 39 U.C. Davis L. Rev. (2005), 1, 37 ff.; kritisch zu Inhalt und Grenzen dieser Kategorie Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, First Amendment, S. 161: „remained obscure“. 52 Pittsburgh Press Co. v. Pittsburgh Comm’n on Human Relations, 21.6.1973, 413 U.S. 376, 385, 93 S.Ct. 2553 (1973); Virginia State Board of Pharmacy v. Virginia Citizens Consumer Council, 24.5.1976, 425 U.S. 748, 762, 96 S.Ct. 1817 (1976); Board of Trustees of State University of New York v. Fox, 29.6.1989, 492 U.S. 469, 473 f., 109 S.Ct. 3028 (1989). 53 „Commercial speech“ liegt auch dann vor, wenn Werbung lediglich deshalb mit Aussagen zu Themen von öffentlichem Interesse kombiniert wird, um auf diese Weise in den vollen Schutz des First Amendment zu gelangen; vgl. Bolger v. Youngs Drug Products Corp., 24.6.1983, 463 U.S. 60, 68, 103 S.Ct. 2875 (1983).
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in mehrerer Hinsicht: So sind Ratings ihrem Inhalt nach schon nicht auf die Anbahnung einer kommerziellen Transaktion ausgerichtet, weil sie vielmehr gerade keine Empfehlung zugunsten eines Kaufs oder Verkaufs des jeweils betroffenen Wertpapiers aussprechen.54 Darüber hinaus betreffen sie in Gestalt der Bonität öffentlich gehandelter Wertpapiere und börsennotierter Unternehmen einen Gegenstand, der – wie bereits im Text erörtert – für die Meinungsbildung auf dem „Marktplatz der Ideen“ von großem Interesse ist und daher den vollen Schutz der Pressefreiheit erfordert.55 Ratings fallen nach alledem also nicht lediglich in die Kategorie der „commercial speech“.56 bb) Der Ausnahmefall: „Private“ Ratings Dagegen ist die Tätigkeit der Rating-Agenturen dann nicht auf die Information der Öffentlichkeit gerichtet, wenn sie sog. „private“ Ratings57 erstellen, wie dies vor allem bei der Privatplatzierung komplexer Finanzinstrumente58 vorkommt: Da das Rating in diesem Fall nicht allgemein veröffentlicht, sondern lediglich durch ein Offering Memorandum einer kleinen Anzahl ausgewählter Investoren oder gar dem auftraggebenden Emittenten allein zugänglich gemacht wird, bewegt sich die Rating-Agentur bei dessen Erstellung und Weitergabe außerhalb der Zielvorstellungen des First Amendment und kann sich daher nicht auf dessen Schutz berufen.59 Soweit Rating-Agenturen also außerhalb ihrer Marktinformationsfunktion aktiv werden, wirkt sich die lediglich „qualifizierte“ (d.h. durchbrochene) Ausgestaltung ihrer verfassungsrechtlichen Privilegierung zu ihrem Nachteil aus. Die U.S.-amerikanische Rechtsprechung hat Entsprechendes entschieden für das Rating privat platzierter Asset-Backed Securities, die einem begrenzten Kreis institutioneller Investoren angeboten wurden,60 sowie für das Rating von Forderungen, die sodann ihrerseits in (wiederum privat platzierten) As-
54 Zutreffend In re Scott Paper Comp. Sec. Litig., 30.11.1992, 145 F.R.D. 366, 370 (E.D.Pa. 1992) (zu Ratings); ebenso Commodity Trend Service v. CFTC, 17.6.1998, 149 F.3d 679, 686 (7th Cir. 1998) und Taucher v. Born, 21.6.1999, 53 F.Supp.2 464, 480 (D.D.C. 1999) (jeweils zu InvestmentNewslettern zu Warentermingeschäften). 55 Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 453 Fn. 182. 56 Ebenso zu Kreditauskünften (credit reports) Dun & Bradstreet, Inc. v. Greenmoss Builders, Inc., 26.6.1985, 472 U.S. 749, 790 ff., 105 S.Ct. 2939 (1985) (Brennan, J., dissenting). 57 Vgl. etwa Art. 2 Abs. 2 lit. a EG-RatingVO, wo dieser Begriff als „Ratings, die von RatingAgenturen aufgrund eines Einzelauftrags abgegeben und ausschließlich an die Person weitergegeben werden, die den Auftrag erteilt hat, und die nicht zur öffentlichen Bekanntgabe oder zur Weitergabe an Abonnenten bestimmt sind“ definiert wird. 58 Siehe dazu schon § 10 III 3 b). 59 Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 176 (S.D.N.Y. 2009); Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 35; Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 23; auch Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 215. 60 LaSalle National Bank v. Duff & Phelps Credit Rating Co., 26.11.1996, 951 F.Supp. 1071, 1096 (S.D.N.Y. 1996); Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 176 (S.D.N.Y. 2009); Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799, 831 f. (N.D.Cal. 2011) (wenngleich mit unpräziser Begründung).
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set-Backed Securities verbrieft wurden,61 und den Rating-Agenturen in diesen Konstellationen keinen Institutionsschutz nach dem First Amendment zugestanden.62 Da die Erstellung „privater“ Ratings bislang vor allem beim Vertrieb komplexer Finanzinstrumente Bedeutung erlangt hat, steht zu erwarten, dass die beschriebene Durchbrechung des Institutionsschutzes qua First Amendment bei der Aufarbeitung der globalen Finanzkrise 2007–09 eine zunehmend größere Rolle spielen wird. Die Hürde des First Amendment, die sich in der Vergangenheit weithin als unüberwindbar erwiesen hat, dürfte privaten Ansprüchen gegen die Rating-Agenturen in diesem Bereich nicht selten Raum lassen.63
cc) Irrelevanz der zusätzlichen Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen Ohne Bedeutung ist es schließlich für den Schutz der Rating-Agenturen durch das First Amendment, ob diesen aufgrund der verbreiteten rechtlichen Bezugnahmen auf Ratings eine zusätzliche Regulierungsfunktion zukommt: Da die Pressefreiheit des U.S.-amerikanischen Verfassungsrechts allein an die Information der Öffentlichkeit (und nicht an deren Regulierung) anknüpft, kann die regulatorische Verwendung von Ratings weder zu einem zusätzlichen Institutionsschutz der Rating-Agenturen führen noch deren Schutz vermindern oder gar ausschließen.64 Der letztgenannte Effekt wäre mit der Schutzrichtung der Pressefreiheit schon deshalb erkennbar unvereinbar, weil er dazu führen würde, dass die Legislative – gegen die sich das First Amendment seinem Wortlaut nach („Congress shall make no law …“) als Abwehrrecht vorrangig richtet65 – dieses Abwehrrecht einfach dadurch aushebeln könnte, dass sie geschützte Äußerungen als Tatbestandsmerkmal staatlicher Gesetze einsetzt.66 Seit 2006 ist zudem gesetzlich klargestellt, dass die Wirkung des First Amendment auch dann unberührt bleibt, wenn die Rating-Agentur sich zur Ermöglichung der legislativen Verwendung ihrer Ratings freiwillig als NRSRO anerkennen lässt.67 Die Regulierungs61 National Medical Care v. Home Medical of America, 20.5.2002, 2002 WL 1461769 (N.Y.Sup.). 62 Ähnliche Entscheidungen ergingen auch zu einfachgesetzlichen institutionsschützenden journalist’s shield laws; vgl. dazu unten II 2 b) bb). 63 Vgl. in diesem Sinne auch Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 35; Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 19 ff. 64 In diese Richtung aber U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 124; Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 400; Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1108; Nagy, 94 Minn. L. Rev. (2009), 140, 156; Portes, Rating agency reform, S. 145, 147; wie hier Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1691; Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 213. 65 Siehe zur Schutzrichtung im Einzelnen noch näher II 2 a). 66 Abwegig daher Nagy, 94 Minn. L. Rev. (2009), 140, 164 ff. 67 § 15E(m)(1) Securities Exchange Act of 1934: „does not constitute a waiver of, or otherwise diminish, any right, privilege, or defense that a nationally recognized statistical rating organization may otherwise have under any provision of State or Federal law“. Siehe zur staatlichen Anerkennung noch näher § 23 II 3.
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funktion der Rating-Agenturen und ihrer Ratings wirkt sich daher auf den Institutionsschutz durch das First Amendment nicht aus. c) Ergebnis: Öffentlich zugängliche Ratings als „the world’s shortest editorials“ Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass Ratings sich tatsächlich mit den viel zitierten Worten eines U.S.-amerikanischen Autors als „the world’s shortest editorials“68 charakterisieren lassen – allerdings nur, soweit öffentlich zugängliche und nicht „private“ Ratings betroffen sind. In sachlicher Hinsicht erstreckt sich der Institutionsschutz der Rating-Agenturen aufgrund des First Amendment dabei nicht nur auf die Erstellung und Veröffentlichung der Ratingkürzel („AAA“ etc.), sondern auch der begleitenden Ratingberichte, selbst wenn und soweit diese Tatsachenangaben enthalten:69 Die Pressefreiheit beschränkt sich sachlich gerade nicht auf den Schutz von Meinungsäußerungen, sondern erfasst auch die Publikation von (falsch wiedergegebenen) Tatsachen, um Presseunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen vor abschreckenden Folgen allfälliger Fehler zu bewahren.70 Aus diesem Grund konnte sich eine Rating-Agentur auch bezüglich sonstiger, an Abonnementen vertriebener Publikationen auf das First Amendment berufen, in denen Anleihebedingungen unzutreffend wiedergegeben worden waren (und daher keine Meinungsäußerung der Agentur in Rede stand).71
2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch das First Amendment Die rechtlichen Wirkungen, die der Institutionsschutz der Rating-Agenturen durch das First Amendment zeitigt, werden als umfassend verstanden und reichen dabei (jedenfalls vor dem Hintergrund eines kontinentaleuropäischen Vorverständnisses) außerordentlich weit. Es kann dabei zwischen den folgenden drei Schutzrichtungen differenziert werden: a) Schutz vor staatlicher Regulierung Wie im Wortlaut des First Amendment („Congress shall make no law …“) zum Ausdruck kommt, richtet sich dessen institutionsschützende Wirkung dabei zuvörderst gegen Maßnahmen des Kongresses, also der bundesstaatlichen Legislative. Es ist allerdings seit langem anerkannt, dass Exekutive und Judikative auf 68
Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 454. In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 825 (S.D.Tex. 2005): „The Court finds that the challenged ratings reports are a combination of subjective, non-actionable evaluation and verifiable facts.“ 70 Dun & Bradstreet, Inc. v. Greenmoss Builders, Inc., 26.6.1985, 472 U.S. 749, 770, 105 S.Ct. 2939 (1985). 71 So in First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s Corp., 22.7.1988, 690 F.Supp. 256, 258 f. (S.D.N.Y. 1988) zu den von Standard & Poor’s publizierten Standard Corporation Records. 69
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Bundesebene gleichermaßen zu den Adressaten des ersten Zusatzartikels der Verfassung zählen,72 dessen Vorgaben über die due process clause des Fourteenth Amendment zudem auch die Organe der Gliedstaaten binden, und zwar mit identischem Schutzgehalt.73 Jeder Versuch einer staatlichen Regulierung von Rating-Agenturen wirft vor diesem Hintergrund erhebliche Fragen nach deren Vereinbarkeit mit der Pressefreiheit des First Amendment auf.74 Praktisch relevant würde dies vor allem bei einem gesetzlichen Zulassungs- oder Registrierungserfordernis für Rating-Agenturen, das in der Vergangenheit auch in den U.S.A. immer wieder diskutiert wurde und hier deshalb in einem gesonderten Kapitel behandelt wird.75 Unvermeidbar wäre das Verdikt der Verfassungswidrigkeit bei einem gesetzlichen Verbot des unbeauftragten Ratings von Staatsanleihen, wie es in der Europäischen Union im Zusammenhang mit der dortigen Staatsschuldenkrise ab 2010 ernsthaft erörtert wurde:76 Ein solche staatliche „Knebelregelung“ („gag rule“), die ungeachtet des Verhaltens des Presseunternehmens jede bonitätsbezogene Kritik am Staat in Form von Ratings pauschal verböte, dürfte mit dem U.S.-amerikanischen First Amendment zweifelsohne unvereinbar sein.77 Rechtfertigungsbedürftig sind aber auch gesetzliche Vorgaben zu Ratingmethoden der Agenturen, weshalb etwa die Vereinbarkeit diesbezüglicher Regelungen des Dodd–Frank Acts mit dem First Amendment bezweifelt wird.78 Die freie Ausübung der Marktinformationsfunktion kann daneben durch Maßnahmen der staatlichen Exekutive behindert werden, wie sich bereits in dem international häufig geäußerten Postulat einer politischen Unabhängigkeit der Rating-Agenturen79 andeutet. Dass diese Gefahr auch in den U.S.A. durchaus nicht nur theoretischer Natur ist,80 zeigt sich etwa daran, dass der Attorney General des U.S.-Gliedstaates Connecticut im Jahre 2008 gegen die drei großen Rating-Agenturen Klage erhob mit der Begründung, sie beurteilten Anleihen der öffentlichen Hand im Vergleich zu Anleihen privater Emittenten unzulässig 72
Barron/Dienes, First Amendment Law, S. 1; Carter/Franklin/Wright, First Amendment,
S. 49. 73 Seit der Leitentscheidung Gitlow v. New York, 8.6.1925, 268 U.S. 652, 666, 45 S.Ct. 625 (1925); Carter/Franklin/Wright, First Amendment, S. 50. 74 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 616; Ellsworth/Porapaiboon, 18 Bus. L. Today (March/April 2009), 35, 38. 75 Siehe § 22 II 1. 76 Dazu schon in § 19 I 3 a) aa). 77 In diesem Sinne auch (allerdings ohne nähere Begründung) Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 480. 78 Deats, 110 Colum. L. Rev. (2010), 1818, 1819; vorsichtig auch Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 252: „a constitutional question mark still hangs over this area that could nullify this new liability provision“. Selbstverständlich ist, dass der einfachgesetzliche Dodd–Frank Act Ratings nicht ihre verfassungsrechtlich begründete Eigenschaft als Meinungsäußerungen nehmen konnte; a.A. (aber unzutreffend) Berger/Stemper, WM 2010, 2289. 79 In diesem Sinne etwa Basel II-Akkord, Tz. 91; Anh. I Abschn. A Abs. 1 lit. a EG-RatingVO; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 69; Meier, ST 2009, 945, 946; Vetter, WM 2004, 1701, 1705. 80 So auch Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1124: „a valid worry“.
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streng81 – ein Versuch, die Rating-Agenturen auf dem Gerichtsweg zur Anhebung der Bonitätsbeurteilung staatlicher Emissionen zu zwingen. Im Schrifttum wird dieser Vorgang nicht zu Unrecht als Angriff auf die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen und ihrer Beurteilungsmethoden gewertet.82 Auch die Attorney Generals anderer U.S.-Gliedstaaten sind in ähnlicher Weise gegen Rating-Agenturen vorgegangen.83 Die Brisanz der beschriebenen Vorgänge wird noch deutlicher, wenn man sich vor Augen hält, dass die öffentliche Hand am U.S.-amerikanischen Anleihemarkt der größte Emittent ist – die staatlichen Justizbehörden versuchen in Gestalt der privaten Rating-Agenturen also diejenigen Stellen zu kontrollieren, die durch ihre Ratingveröffentlichungen ihrerseits erst die Kontrolle des Staates (als Anleiheschuldner) durch den Markt ermöglichen.
Das First Amendment schützt die Rating-Agenturen daher auch gegen Eingriffe der staatlichen Verwaltung, durch welche die ungehinderte Mitteilung von Bonitätseinschätzungen gegenüber der Öffentlichkeit beeinträchtigt wird. b) Schutz im Rahmen von pre-trial discoveries Eine weitere, praktisch höchst bedeutsame Rechtsfolge des Institutionsschutzes, für die sich in den anderen untersuchten Rechtsordnungen kein Gegenstück findet, besteht in der privilegierten Stellung der Rating-Agenturen im Rahmen von pre-trial discoveries. Diese Verfahren dienen nach U.S.-amerikanischem Zivilprozessrecht der Beweiserhebung durch die Prozessparteien und ermöglichen es dabei, neben der beklagten Partei auch Dritte (non-parties) zur Zeugenaussage und Vorlage von Dokumenten aufzufordern, die für das Hauptsacheverfahren relevant sind. Sofern einer solchen Aufforderung nicht freiwillig nachgekommen wird, kann die interessierte Verfahrenspartei (regelmäßig der Kläger) eine diesbezügliche gerichtliche Anordnung beantragen. Da Rating-Agenturen im Zuge eines Ratingverfahrens häufig Kenntnis von internen, vertraulichen Details über den Emittenten erhalten,84 gelten sie insoweit als aussichtsreiche Informationsquelle. Sie werden daher in Gerichtsverfahren unter Emittentenbeteiligung regelmäßig als non-party aufgefordert, Dokumente und Schriftverkehr mit dem Emittent vorzulegen,85 Ratinganalysten als Zeugen zur Verfügung zu stellen86 oder gar über interne Ratingmethoden und -verfahren der Rating-Agentur Auskunft zu
81 Vgl. Connecticut v. Moody’s Corp., 30.9.2009, 664 F.Supp.2d 196 ff. (D.Conn. 2009) mit dem Vorwurf einer „unfair, deceptive and illegal business practice of systematically and intentionally giving lower credit ratings to bonds issued by states, municipalities, and other public entities as compared to corporate and other forms of debt with similar or even worse rates of default“. 82 Ellsworth/Porapaiboon, 18 Bus. L. Today (March/April 2009), 35, 36. 83 So etwa der Attorney General des Staates Ohio Marc Dann; vgl. Sack/Juris, 238 NY L.J. (5. Nov. 2007). 84 Siehe dazu bereits § 5 III 1 a) cc) (1) und § 11 III. 85 In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577, 585 (S.D.N.Y. 1993); In re Scott Paper Comp. Sec. Litig., 30.11.1992, 145 F.R.D. 366, 367 (E.D.Pa. 1992). 86 In re Scott Paper Comp. Sec. Litig., 30.11.1992, 145 F.R.D. 366, 367 (E.D.Pa. 1992).
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geben.87 Seltener geschieht Entsprechendes auch in Streitverfahren gegen die Rating-Agentur selbst.88 Die U.S.-amerikanische Rechtsordnung hält allerdings auf zwei unterschiedlichen Ebenen rechtliche Mechanismen bereit, die Rating-Agenturen vor einer erzwungenen Offenlegung interner Informationen im Rahmen von pre-trial discoveries bewahren und sie damit auch prozessual in ihrer Marktinformationsfunktion schützen: Neben der Pressefreiheit der Bundesverfassung89 sind hier spezialgesetzliche, zum Schutz von Journalisten geschaffene „shield laws“ zu nennen, auf die sich unter bestimmten Voraussetzungen auch Rating-Agenturen berufen können.90 aa) Institutionsschutz durch das First Amendment Ihr Schutz durch die Pressefreiheit des First Amendment berechtigt die RatingAgenturen zum einen, die Mitwirkung an pre-trial discoveries zu verweigern.91 Sie profitieren damit von einem Aussageverweigerungsrecht, das eigentlich Reportern den Schutz ihrer Informanten ermöglichen soll.92 Seine Anwendung auf Rating-Agenturen sichert demgegenüber die vertrauliche Kommunikation mit den Emittenten, die eine wesentliche Voraussetzung ihrer Rolle als Informationsintermediäre ist und die im U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrecht bis vor kurzem auch an anderer Stelle spezifisch privilegiert wurde.93 Gleichzeitig verbaut diese Ausprägung des Institutionsschutzes etwaig durch die Rating-Agentur Geschädigten jedoch die Möglichkeit, im Wege einer pre-trial discovery Einblick in die internen Ratingverfahren der beklagten Agentur zu erlangen – sie bewirkt insoweit erst, dass sich die Beweisführung in den U.S.A. letztlich ebenso kompliziert darstellt wie in anderen Rechtsordnungen. bb) Einfachgesetzlicher Institutionsschutz durch journalistenschützende „shield laws“ Als prozessuale Abwehrrechte haben allerdings in der jüngeren Praxis sog. „shield laws“ eine noch größere Bedeutung für die Rating-Agenturen erlangt: Es handelt sich dabei um Aussageverweigerungsrechte auf einfachgesetzlicher Ebene, die mittlerweile in zahlreichen U.S.-Gliedstaaten erlassen wurden und 87
In re Scott Paper Comp. Sec. Litig., 30.11.1992, 145 F.R.D. 366, 367 (E.D.Pa. 1992); In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577, 585 (S.D.N.Y. 1993). 88 So in Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 26.5.2005, 324 F.Supp.2d 860, 861 (E.D.Mich. 2004). 89 Dazu sogleich im Text. 90 Dazu unter bb). 91 In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577, 586 (S.D.N.Y. 1993); National Medical Care v. Home Medical of America, 20.5.2002, 2002 WL 1461769 (N.Y.Sup.). 92 Ausführlich zur Herleitung Smolla, Smolla and Nimmer on Freedom of Speech, Stand: Rel. 1 (9/1997), § 25:18 ff. 93 Vgl. zur (im Jahre 2010 aufgehobenen) Privilegierung der Rating-Agenturen durch die Regulation FD § 11 III 3.
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Journalisten einen effektiven Informantenschutz ermöglichen sollen. Sie stellen damit konkretisiertes Verfassungsrecht dar94 und bilden folglich (zwingend) zumindest das Schutzniveau des First Amendment ab, weisen aber im Übrigen ganz unterschiedlich ausgestaltete Regelungen auf.95 In der Praxis kommt dabei dem „shield law“ des Staates New York zweifelsfrei die größte Bedeutung zu, da dieses Gesetz zum einen vielfach deshalb anwendbar ist, weil alle großen RatingAgenturen in New York ansässig sind und deren gewünschte Mitwirkung in pretrial discoveries daher nach New Yorker Recht beurteilt wird;96 darüber hinaus ist das New Yorker „shield law“ aber auch bei fehlender Anwendbarkeit als Vorbild bei der Auslegung der Gesetze anderer U.S.-Gliedstaaten97 oder gar des Bundesrechts98 herangezogen worden. In ihrem Anwendungsbereich sind „shield laws“ dabei durchgehend enger gefasst als das First Amendment, da sie sich spezifisch auf den Schutz von „professional journalists“99 oder „news media“100 beschränken. Gleichwohl sind RatingAgenturen unter Berufung auf ihre Funktion der Informationsvermittlung als „Journalisten“101 und ihre Ratings als „news“102 eingeordnet worden. Verneint wurde dies hingegen beim Rating strukturierter Finanzprodukte, sofern die Rating-Agentur aktiv an der Strukturierung der betroffenen Asset-Backed Security mitgewirkt und sich daher weit vom Bild des typischen Journalisten entfernt hatte, weil dieses durch die Unabhängigkeit vom Berichtsgegenstand und die Informierung der Öffentlichkeit geprägt sei;103 auch das bereits im Text erörterte Argument der unbeauftragten Ratingerstellung, die teilweise als Anzeichen einer journalistenähnlichen Tätigkeit angesehen wird, kehrt in diesem Zusammenhang wieder.104 Im 94 Vgl. zu diesem Begriff Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 37 ff. 95 Smolla, Smolla and Nimmer on Freedom of Speech, Stand: Rel. 1 (9/1997), § 25:18. 96 National Medical Care v. Home Medical of America, 20.5.2002, 2002 WL 1461769 (N.Y.Sup.) mit zahlr. Nachw. 97 So in Petition of Burnett, 27.8.1993, 635 A.2d 1019, 1021 (N.J.Super.L. 1993) in Anwendung des New Jersey Shield Law. 98 von Bulow by Auersperg v. von Bulow, 10.2.1987, 811 F.2d 136, 144 (2nd Cir. 1987): „The underlying policies served by the New York Shield Law and federal law are congruent.“ 99 § 79-h New York Civil Rights Law. 100 New Jersey Shield Law, N.J.S.A. 2A:84A-21. 101 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 26.5.2005, 324 F.Supp.2d 860, 861 (E.D.Mich. 2004). 102 Petition of Burnett, 27.8.1993, 635 A.2d 1019, 1023 f. (N.J.Super.L. 1993): Ratings der Rating-Agentur A.M. Best seien „clearly“ als „news“ einzuordnen; mit der Erläuterung: „It is a recognition that we live in a society in which people are bombarded with all types of information, from publications which actually do report current events to those esoteric publications which describe the mating rights of penguins in the Antarctic at springtime.“ 103 In re Fitch, 21.5.2003, 330 F.3d 104, 110 f. (2nd Cir. 2003) (die „fairly active role“ eines Angestellten der Rating-Agentur im Strukturierungsprozess betonend); Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 26.5.2005, 324 F.Supp.2d 860, 862 (E.D.Mich. 2004); Nagy, 94 Minn. L. Rev. (2009), 140, 163 f. 104 In re Fitch, 21.5.2003, 330 F.3d 104, 109 (2nd Cir. 2003); a.A. Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 26.5.2005, 324 F.Supp.2d 860, 861 f. (E.D.Mich. 2004).
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Ergebnis wird damit auf einfachgesetzlicher Ebene nach ganz ähnlichen Gesichtspunkten differenziert wie im Rahmen des First Amendment, weshalb der Tätigkeit der Rating-Agenturen im Bereich der komplexen Finanzinstrumente letztlich eine geringere Schutzwürdigkeit zuerkannt wird als dem Rating „traditioneller“, öffentlich gehandelter Anleihen, bei dem seine originäre Marktinformationsfunktion zum Tragen kommt. c) Schutz vor Schadensersatzhaftung: Der „actual malice“-Standard Obwohl sich die Pressefreiheit des First Amendment ihrem Wortlaut nach nur gegen staatliche Eingriffe richtet,105 entfaltet sie nach ganz h.M. auch in Schadensersatzverfahren privater Kläger ihre institutionsschützende Wirkung.106 Zur Begründung dieser „Drittwirkung“, deren dogmatische Herleitung im deutschen Verfassungsrecht lange Zeit Schwierigkeiten machte, wird im U.S.-amerikanischen Recht entscheidend auf die praktischen Folgen einer Schadensersatzhaftung von Presseunternehmen abgestellt und damit ganz vom beabsichtigten Ergebnis – nämlich dem wirksamen Schutz derjenigen Institutionen, die die Informationsversorgung der Öffentlichkeit besorgen – gedacht:107 So verweist man zum einen auf die Gefahr, dass Presseunternehmen durch eine Verurteilung zu Schadensersatz in potentiell erheblicher Höhe davon abgehalten werden könnten, künftig Informationen zu kontroversen Themen zu veröffentlichen („chilling effect“).108 Zusätzlich wird ein wertender Vergleich zu strafrechtlichen Verboten gezogen, die als Gesetzesnormen zweifelsohne vom Anwendungsbereich des First Amendment umfasst sind, aber in Gestalt hoher Beweisanforderungen (proof beyond reasonable doubt) und dem Grundsatz ne bis in idem prozessualen Sicherungsmechanismen unterliegen, welche der Zivilprozess so nicht kennt – eine zivilrechtliche Schadensersatzhaftung könne daher noch abschreckender auf Presseunternehmen wirken und müsse daher erst recht verfassungsrechtlichen Schutzvorgaben unterworfen werden:109 Das First Amendment verlange ausreichenden „breathing space“.110
105
Carter/Franklin/Wright, First Amendment, S. 50. Philadelphia Newspapers, Inc. v. Hepps, 21.4.1986, 475 U.S. 767, 777, 106 S.Ct. 1558 (1986); Carter/Franklin/Wright, First Amendment, S. 64; Fisher, American Constitutional Law, S. 594 ff.; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 451 Fn. 175. 107 Vgl. aus der Rechtsprechung auch San Diego Bldg. Trades Council v. Garmon, 20.4.1959, 359 U.S. 236, 246 f., 79 S.Ct. 773 (1959): „[R]egulation can be as effectively exerted through an award of damages as through some form of preventive relief. The obligation to pay compensation can be, indeed is designed to be, a potent method of governing conduct and controlling policy.“ 108 Pittman v. Dow Jones & Company, Inc., 19.6.1987, 662 F.Supp. 921, 923 (E.D.La. 1987): „… the chilling prospect of hordes of suits by disgruntled readers of inaccurate ads …“; Gutter v. Dow Jones, Inc., 19.3.1986, 490 N.E.2d 898, 901 (Ohio 1986); Fisher, American Constitutional Law, S. 594; Teeter/Loving, Law of Mass Communications, S. 262. 109 New York Times v. Sullivan, 9.3.1964, 376 U.S. 254, 278, 84 S.Ct. 710 (1964). 110 New York Times v. Sullivan, 9.3.1964, 376 U.S. 254, 272 f., 84 S.Ct. 710 (1964); Hustler Magazine v. Falwell, 24.2.1988, 485 U.S. 46, 52, 108 S.Ct. 876 (1988). 106
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Die rechtstechnische Umsetzung dieses Schutzes hat der U.S. Supreme Court in seiner Leitentscheidung New York Times v. Sullivan vorgenommen und ausgesprochen, dass zivilrechtliche Ansprüche gegen ein Presseunternehmen von Verfassungs wegen nur unter der Voraussetzung in Frage kommen, dass der Kläger111 sowohl die inhaltliche Falschheit der getätigten Aussage als auch beweisen kann, dass das Presseunternehmen bei deren Veröffentlichung mit „actual malice“ handelte.112 Diese Anforderungen, die in privaten Haftungsverfahren stets und unabhängig vom Anspruchsgrund gelten,113 finden nach h.M. auch bei Schadensersatzklagen gegen Rating-Agenturen Anwendung,114 zumal hier die zusätzliche Gefahr bestehe, dass die Rating-Agentur andernfalls aus Angst vor drohender Inanspruchnahme ihre Ratings entgegenkommend gestalte.115 Mit dieser Ausprägung seines Institutionsschutzes geht das U.S.-amerikanische Recht, wie noch zu zeigen sein wird, sowohl in Schutzumfang als auch -intensität über die Rechtslage in anderen Rechtsordnungen hinaus. aa) Voraussetzung: Der Ratinggegenstand als „matter of public concern“ Das Eingreifen des skizzierten, milden Haftungsmaßstabs zugunsten eines Presseunternehmens setzt dabei voraus, dass die streitgegenständliche Aussage sich auf Personen des öffentlichen Lebens (public figures)116 oder Angelegenheiten des öffentlichen Interesses (matters of public concern)117 bezieht. Der letztgenannte Punkt ähnelt auf den ersten Blick dem Kriterium der dissemination of information to the public, das oben im Text118 als Voraussetzung jeden Schutzes durch das First Amendment identifiziert wurde. Tatsächlich geht es jedoch um zwei ganz verschie111
Dies gilt freilich nicht ausnahmslos für jeden Kläger; siehe dazu sogleich unter aa). New York Times v. Sullivan, 9.3.1964, 376 U.S. 254, 279 f., 84 S.Ct. 710, 726 (1964); Hustler Magazine v. Falwell, 24.2.1988, 485 U.S. 46, 56, 108 S.Ct. 876, 882 (1988). 113 Siehe dazu noch unten ee). 114 First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s Corp., 2.3.1989, 869 F.2d 175, 180 (2nd Cir. 1989); Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.5.1999, 175 F.3d 848, 857 (10th Cir. 1999); County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 155 Fn. 1 (C.D.Cal. 1999); In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 822 (S.D.Tex. 2005): „a credit rating agency […] must be given constitutional ‚breathing space‘ …“; Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 112 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004). In krasser Weise verkannt in In re Taxable Municipal Bond Sec. Litig., 29.12.1993, 1993 WL 591418 *4 (E.D.La. 1993). 115 So Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 112 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004) zu Klagen von Emittentenseite – ein entsprechendes Risiko besteht freilich auch aus entgegengesetzter Richtung, nämlich bei Inanspruchnahme durch Investoren. In diesem Zusammenspiel hinge eine Beeinflussung der Rating-Agentur durch Haftungsgefahren im Ausgangspunkt also davon ab, von welcher Seite die größere wirtschaftliche Gefahr droht – das First Amendment begegnet dem durch die generelle Reduktion des Haftungs- und damit Beeinflussungsrisikos. 116 Hustler Magazine v. Falwell, 24.2.1988, 485 U.S. 46, 56, 108 S.Ct. 876 (1988); Smolla, Smolla and Nimmer on Freedom of Speech, Stand: Rel. 8 (11/2003), § 23:4. 117 New York Times v. Sullivan, 9.3.1964, 376 U.S. 254, 266, 84 S.Ct. 710 (1964); Smolla, Smolla and Nimmer on Freedom of Speech, Stand: Rel. 9 (4/2004), § 23:5. 118 Dazu unter II 1 a), b). 112
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dene Fragen:119 Während bei ersterem die Information der Öffentlichkeit in Rede steht (die bei lediglich „privaten“ Ratings eben nicht bezweckt wird), wird das Eingreifen des milderen „actual malice“-Haftungsmaßstabes zusätzlich davon abhängig gemacht, dass die fragliche, öffentlich publizierte Information einen Gegenstand des öffentlichen Interesses betrifft.
Die Qualifikation als public figure120 hat dabei im Zusammenhang mit Ratings nur selten eine Rolle gespielt;121 gelegentlich ist sie einfach damit begründet worden, dass es sich bei dem gerateten Unternehmen um eine börsennotierte Gesellschaft handelte.122 Im Übrigen ist der Gegenstand von Ratings fast durchweg als matter of public concern eingeordnet worden, weil die Bonität eines öffentlich bekannten (und, im Falle Enrons, später spektakulär gescheiterten) Fortune 500-Unternehmens123 oder einer Gemeinde, die sich umfangreich über den Kapitalmarkt finanziert,124 aber auch sonstiger öffentlich gehandelter Finanzinstrumente125 zweifelsohne Angelegenheiten des öffentlichen Interesses und nicht lediglich von privater Bedeutung seien. Unterstützt wird dieser Befund durch die Beobachtung, dass die von den Rating-Agenturen beurteilte Zahlungsfähigkeit gerade der öffentlichen Hand vielfach unmittelbare Auswirkungen auf die politische Gestaltung des Gemeinwohls hat.126 Manche Gerichte verkennen allerdings den Bezugspunkt der Voraussetzung und bejahen das Eingreifen des „actual malice“-Standards deshalb, weil das Rating selbst (also die Aussage und nicht ihr Gegenstand) ein matter of public concern sei127 – im Umkehrschluss ist diese Frage für „private“ Ratings strukturierter Finanzinstru-
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Dies verkennt Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 353 Fn. 67. Plastisch Rosanova v. Playboy Enterprises, Inc., 6.4.1976, 411 F.Supp. 440, 443 (S.D. Ga. 1976): „Defining public figures is much like trying to nail a jellyfish to the wall.“ 121 Zu weitgehend allerdings Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 450: „irrelevant to the question of bond rating liability“. 122 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 525 (6th Cir. 2007); in diese Richtung auch Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1055; deutlich zurückhaltender hingegen Dobbs, Law of Torts, § 418(2). Abgelehnt wurde die Einstufung als „public figure“ für trusts (Zweckgesellschaften), die als Emittenten strukturierter Finanzinstrumente fungiert hatten (so in Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799, 831 (N.D.Cal. 2011)). 123 In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 819 u. 825 (S.D.Tex. 2005). 124 County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 155 (C.D.Cal. 1999). 125 In re Scott Paper Comp. Sec. Litig., 30.11.1992, 145 F.R.D. 366, 370 (E.D.Pa. 1992); Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.4.1997, 988 F.Supp 1341, 1348 (D.Colo. 1997); Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 111 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004). 126 Vgl. hierzu ausführlich Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 595 ff. mit Beispielen aus den U.S.A. der 1980er Jahre; schon in den 1960er Jahren Goodman, Fin. Analysts J. (May/June 1968), 59 ff. 127 So Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 175 (S.D.N.Y. 2009); zustimmend Haghshenas, 8 First Amend. L. Rev. (2010), 452, 461. 120
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mente verneint worden,128 obgleich es in diesem Fall richtigerweise ohnehin an jedem Schutz durch das First Amendment (also nicht nur gegen private Schadensersatzklagen) fehlt. Für eine gewisse Verwirrung sorgt in diesem Zusammenhang gelegentlich die Entscheidung des U.S. Supreme Courts in der Sache Dun & Bradstreet v. Greenmoss Builders, in welcher einer Kreditauskunftei (credit reporting agency) – nicht also einer Rating-Agentur (credit rating agency) – der Schutz des First Amendment versagt wurde, weil deren Publikation kein matter of public concern betroffen habe.129 Vereinzelt wird diese Aussage fälschlicherweise und unreflektiert auf Ratings übertragen.130 Überwiegend wird jedoch zu Recht erkannt, dass sich der Entscheidung keine Hinweise für den Institutionsschutz von Rating-Agenturen entnehmen lassen,131 weil sich die darin betroffene Kreditauskunft tief greifend von einem Rating unterschied: Der Supreme Court verneinte das öffentliche Interesse am Inhalt der Kreditauskunft nämlich deshalb, weil diese die (angebliche) Insolvenz eines kleinen Bauunternehmers betraf und an lediglich fünf von dessen lokalen Gläubigern verschickt worden war mit der zusätzlichen Maßgabe, die Information nicht weiterzugeben132 – die Sache lag daher eben entscheidend anders als bei einer Bonitätsbeurteilung von Unternehmen, die sich am Kapitalmarkt finanzieren.133 Eine ausdrückliche Differenzierung zwischen Rating-Agenturen und Kreditauskunfteien findet sich seit 2006 nunmehr auch in der Legaldefinition des Begriffs der credit rating agency im Securities Exchange Act.134 128 So in In re National Century Financial Enterprises, Inc. Investment Litig., 22.7.2008, 580 F.Supp.2d 630, 640 (S.D.Ohio 2008); Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799, 831 (N.D.Cal. 2011); Freeman, 33 Vt. L. Rev. (2009), 585, 607. 129 Dun & Bradstreet, Inc. v. Greenmoss Builders, Inc., 26.6.1985, 472 U.S. 749 ff., 105 S.Ct. 2939 ff. (1985). 130 So in dürren Worten LaSalle National Bank v. Duff & Phelps Credit Rating Co., 26.11.1996, 951 F.Supp. 1071, 1097 (S.D.N.Y. 1996): „Dun & Bradstreet, not Times v. Sullivan, applies to Duff & Phelps’ ratings“; aus dem Schrifttum ebenso Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 826; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 67 Fn. 66; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 212; anscheinend auch Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 353 Fn. 67. 131 In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577, 584 (S.D.N.Y. 1993); County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 155 (C.D.Cal. 1999); In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 819 f. (S.D.Tex. 2005): „This Court would point out that the LaSalle court failed to note the important and distinguishing factual basis for the decision …“; Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 19; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 452 Fn. 179. 132 Dun & Bradstreet, Inc. v. Greenmoss Builders, Inc., 26.6.1985, 472 U.S. 749, 761 f., 105 S.Ct. 2939 (1985); ähnlich Oberman v. Dun & Bradstreet, Inc., 5.4.1972, 460 F.2d 1381, 1384 (7th Cir. 1972): in Kreditauskunft behandelte finanzielle Situation einer „non-public person“ sei nur für wenige von Interesse. Vgl. schon im Jahre 1891 die entsprechende Charakterisierung in State v. Morgan, 19.3.1891, 48 N.W. 314, 321: „The information furnished by mercantile agencies to subscribers of their rating books is like other personal contracts between parties. It is individual in its character, and has no relation to the general public.“ 133 In diesem Sinne In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 820 (S.D.Tex. 2005): „The credit rating reports regarding Enron […] were related to the creditworthiness of a powerful public corporation that operated internationally.“ 134 § 3(a)(61)(A) Securities Exchange Act of 1934: „…, but does not include a commercial credit reporting company“.
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Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass Ratings in Gestalt öffentlich gehandelter Finanzinstrumente oder kapitalmarktorientierter Unternehmen typischerweise Gegenstände öffentlichen Interesses betreffen135 und daher nach U.S.-amerikanischen Verfassungsrecht nur unter erhöhten Voraussetzungen zur Grundlage privater Schadensersatzansprüche gemacht werden können. bb) Haftung der Rating-Agentur nur für nachweisbar falsche Äußerungen und die (irrelevante) Einordnung von Ratings als „Meinung“ Nach der überkommenen Rechtsprechungsformel ist erste Voraussetzung jeder etwaigen Haftung von Presseunternehmen, dass die getätigte Aussage nachweisbar falsch (provable as false) war.136 Wie vom U.S. Supreme Court in der Entscheidung Milkovich v. Lorain Journal Co. aus dem Jahre 1990 klargestellt, kommt es hingegen nicht darauf an, ob es sich bei dem Inhalt der Äußerung um eine „opinion“ oder einen „fact“ handelt – diese Dichotomie, die in einer älteren Entscheidung angeklungen war,137 wird vielmehr ausdrücklich als „künstlich“ verworfen.138 Die schwierige begriffliche Einordnung als Meinung oder (auch) Tatsache ist daher für die Schadensersatzhaftung von Rating-Agenturen ebenso wenig entscheidend.139 Das danach maßgebliche Kriterium der nachweisbaren Falschheit der Äußerung einer Rating-Agentur setzt freilich seinerseits voraus, dass der Äußerung zumindest ein tatsächlicher Teil innewohnt, da nur ein solcher als unzutreffend bewiesen werden kann140 – im Umkehrschluss sind „Meinungen“ daher typischerweise doch besonders geschützt, weil sie eben keinem Beweis als „wahr“ oder „falsch“ zugänglich sind.141 Ansatzpunkt ist dabei jedoch nicht die begriffliche Kategorisierung, sondern die Beweisbarkeit, weshalb es natürlich nicht auf die Bezeichnung einer Aussage als „Meinung“ durch die Rating-Agentur selbst
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Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 452. New York Times v. Sullivan, 9.3.1964, 376 U.S. 254, 279 f., 84 S.Ct. 710 (1964); Hustler Magazine v. Falwell, 24.2.1988, 485 U.S. 46, 56, 108 S.Ct. 876 (1988): „false statement“; Milkovich v. Lorain Journal Co., 21.6.1990, 497 U.S. 1, 18 f., 110 S.Ct. 2695 (1990). 137 Nämlich in Gertz v. Robert Welch, Inc., 25.6.1974, 418 U.S. 323, 339 f., 94 S.Ct. 2997 (1974). 138 Milkovich v. Lorain Journal Co., 21.6.1990, 497 U.S. 1, 18 f., 110 S.Ct. 2695 (1990): „a number of factors developed by the lower courts (in what we hold was a mistaken reliance on the Gertz dictum) …“; Smolla, Smolla and Nimmer on Freedom of Speech, Stand: Rel. 10 (10/2004), § 23:11. 139 In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 819 (S.D.Tex. 2005); a.A. zu Unrecht Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 817 ff.; Haghshenas, 8 First Amend. L. Rev. (2010), 452, 472; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 352. 140 Milkovich v. Lorain Journal Co., 21.6.1990, 497 U.S. 1, 20, 110 S.Ct. 2695 (1990). 141 Zutreffend Dobbs, Law of Torts, § 420. Anders (aber mit der Rspr. des Supreme Court unvereinbar) lediglich Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 109 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004): „The Rating Agencies’ ratings fall somewhere between those opinions which receive constitutional protection and those that do not.“ 136
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ankommen kann.142 Als taugliche Grundlage von Haftungsansprüchen gegen Rating-Agenturen kommen nach dem Gesagten etwa falsche Tatsachenangaben in Ratingberichten in Frage,143 wie etwa eine inhaltlich unzutreffende Wiedergabe von Anleihebedingungen.144 Soweit es um das Rating selbst (also die in Form eines Ratingkürzels codierte Bonitätsbeurteilung) geht, fehlt es hingegen nach zutreffender Ansicht an der Möglichkeit einer nachweisbaren Falschheit: Schon weil ein Rating die subjektive Einschätzung der Rating-Agentur bezüglich der künftigen Anleihe- oder Forderungsbedienung durch den Schuldner ist, kann es – wie an anderer Stelle im Text noch näher auszuführen sein wird145 – zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Publikation nicht als „falsch“ bewiesen werden.146 Bereits an dieser Hürde ist daher in der Vergangenheit eine erhebliche Anzahl an Klagen gegen die Rating-Agenturen gescheitert.147 Da dieser Fragenkreis in Gerichtsverfahren typischerweise in einem frühen Prozessstadium vor Beweiserhebung behandelt wird, ging es in der Vergangenheit stets um die theoretische Möglichkeit eines Beweises als „wahr“ oder „falsch“ – wenn bereits diese (wie hier vertreten) zu verneinen ist, muss die Klage ohne Beweiserhebung aus Rechtsgründen abgewiesen werden.148 Obwohl eine Beweisbarkeit vereinzelt für denkbar gehalten (und das Verfahren daher fortgesetzt wurde),149 ist es bislang nie zum Beweis der Falschheit eines Ratings gekommen, weil die betreffenden Klagen aus anderen Gründen abgewiesen oder ein Vergleich geschlossen wurde.
142 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.5.1999, 175 F.3d 848, 856 (10th Cir. 1999); Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 176 (S.D.N.Y. 2009); Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 352. 143 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 528 f. (6th Cir. 2007) (in concreto nicht bewiesen). 144 So in First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s Corp., 22.7.1988, 690 F.Supp. 256 (S.D.N.Y. 1988). 145 Siehe § 27 I 2 a). 146 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 529 (6th Cir. 2007): „Moody’s credit rating is a predictive opinion, dependent on a subjective and discretionary weighing of complex factors. We find no basis upon which we could conclude that the credit rating itself communicates any provably false factual connotation. Even if we could draw any fact-based inferences from this rating, such inferences could not be proven false because of the inherently subjective nature of Moody’s ratings calculation“; Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.5.1999, 175 F.3d 848, 855 (10th Cir. 1999) für die Ankündigung „negative outlook“; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 211. A.A. Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 820 ff., die jedoch Beweisbarkeit und Bedeutung am Markt verwechseln; unklar Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 162. 147 Neben den Verfahren, die in der vorstehenden Fn. genannt werden, auch In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 825 (S.D.Tex. 2005). 148 In Verfahren vor Bundesgerichten liegt in einem solchen Fall ein failure to state a claim vor (Rule 12(b)(6) Federal Rules of Civil Procedure). 149 So mit sehr zweifelhafter Begründung in Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 176 (S.D.N.Y. 2009).
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cc) Haftung der Rating-Agentur nur bei nachweisbar gröbstem Verschulden: Der „actual malice“-Verschuldensmaßstab Sollte eine Äußerung der Rating-Agenturen als falsch bewiesen worden sein, so muss der Kläger zudem nachweisen, dass die Rating-Agentur mit „actual malice“ handelte – ein Erfordernis, das erhöhte Verschuldensanforderungen beschreibt150 und sicherstellen soll, dass selbst unzutreffende Aussagen von Presseunternehmen ohne Haftungsfolgen bleiben, sofern ihnen sich nicht ausnahmsweise gröbstes Verschulden151 vorzuwerfen ist.152 Hierin liegt eine entscheidende Abweichung von der hergebrachten Haftung für defamation nach Common Law, die traditionell gerade kein Verschulden voraussetzt.153 „Actual malice“ ist dabei nach feststehender Rechtsprechung ein subjektiver Standard,154 der sich auf das Bewusstsein des sich Äußernden – hier: der RatingAgentur – bezüglich der Unrichtigkeit der Aussage bezieht.155 Der Haftungsschild des First Amendment wird danach nur dort wegen eines Handelns mit „actual malice“ durchbrochen, wo eine unrichtige Aussage entweder in positiver Kenntnis der Unrichtigkeit oder in rücksichtsloser Ignoranz der Wahrheit (reckless disregard for the truth) gemacht wurde.156 Da Ratingveröffentlichungen in positiver Kenntnis ihrer Unrichtigkeit in der Praxis üblicherweise nicht vorkommen157 (oder jedenfalls nicht beweisbar sind – sogar im Fall Enron, wo noch vier Tage vor Insolvenzeröffnung ein „investment grade“-Rating bestand, wurde eine positive Kenntnis der Rating-Agenturen von der finanziell prekären Unternehmenslage als nicht nachgewiesen erachtet158), kommt der Konkretisierung des Be150 Hustler Magazine v. Falwell, 24.2.1988, 485 U.S. 46, 52, 108 S.Ct. 876 (1988): „the requisite level of culpability“; Dobbs, Law of Torts, § 417: „constitutional fault requirement“. 151 Die deutschsprachige Umschreibung des „actual malice“-Begriffes wird nicht einheitlich vorgenommen; vgl. etwa Blaurock, ZGR 2007, 603, 631: böswilliges oder rücksichtsloses Verhalten; von Schweinitz, WM 2008, 953, 954: Gleichsetzung mit Sittenwidrigkeit i.S.d. § 826 BGB. 152 Vgl. Dun & Bradstreet, Inc. v. Greenmoss Builders, Inc., 26.6.1985, 472 U.S. 749, 770, 105 S.Ct. 2939 (1985) (White, J., concurring): „those who write and speak about public affairs […] should be permitted to err and misinform the public as long as they act unknowingly and without recklessness“. 153 Dobbs, Law of Torts, § 417. Des weiteren muss der Kläger nach Common Law auch die Unrichtigkeit der klagegegenständlichen Äußerung nicht beweisen, während er diesen Beweis nach der New York Times-Formel des Supreme Court zu führen hat; vgl. dazu bereits oben im Text unter bb). 154 Harte-Hanks Communications v. Connaughton, 22.6.1989, 491 U.S. 657, 688, 109 S.Ct. 2678 (1989); County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 158 (C.D.Cal. 1999). 155 Smolla, Smolla and Nimmer on Freedom of Speech, Stand: Rel. 7 (4/2003), § 23:3. 156 Harte-Hanks Communications v. Connaughton, 22.6.1989, 491 U.S. 657, 688, 109 S.Ct. 2678 (1989); County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 158 (C.D.Cal. 1999); Teeter/Loving, Law of Mass Communications, S. 271. 157 In diesem Sinne allgemein zu Presseveröffentlichungen Teeter/Loving, Law of Mass Communications, S. 276: „Darwinian principles usually intervene before a defendant has the chance to do much damage.“ 158 In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 833 (S.D.Tex. 2005). Siehe zum Fall Enron schon § 17 II 2.
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griffs des „reckless disregard for the truth“ entscheidende Bedeutung zu. Die insoweit durch die Gerichte aufgestellten Anforderungen sind außerordentlich streng: Gemeint ist vor allem nicht die bloße Vernachlässigung üblicher Sorgfalt159 – die Umstände müssen vielmehr den Schluss zulassen, dass sich die Rating-Agentur der vermutlichen Unrichtigkeit des Ratings tatsächlich in hohem Maße bewusst war (actually had a high degree of awareness of probable falsity)160 oder sich der Wahrheit zielgerichtet verschlossen hat (purposeful avoidance of the truth).161 Nicht ausreichend ist namentlich, dass die Rating-Agentur vor Veröffentlichung des Ratings keine weiteren Ermittlungen angestellt hat, obgleich eine sorgfältige Person in derselben Situation dies getan hätte.162 Selbst nachweisbar falsche Tatsachenbehauptungen, die fahrlässig publiziert wurden, taugen folglich von Verfassungs wegen nicht zur Grundlage von Schadensersatzansprüchen.163 dd) Beweisbelastung des Klägers Entscheidend ist dabei zudem, dass nach ständiger, gefestigter Rechtsprechung der Kläger substantiiert darzulegen164 und ggfs. zu beweisen hat, dass die streitgegenständliche Äußerung inhaltlich falsch war und der durch das First Amendment Geschützte bei ihrer Tätigung mit „actual malice“ handelte.165 Diese Beweislastverteilung gilt uneingeschränkt auch dort, soweit es um die Ratingerstellung und -veröffentlichung durch eine Rating-Agentur geht.166 Der Kläger – etwa ein geschädigter Investor167 – müsste hinsichtlich des Handelns mit „actual malice“ also auch Beweis über die innere Willensrichtung der Rating-Agentur (bzw. ihrer Mitarbeiter) führen, was ihm typischerweise mangels Einblick in deren Sphäre unmöglich ist. Selbst das Hilfsmittel der pre-trial discovery, das Klägern 159 Vgl. County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 158 (C.D.Cal. 1999): „requires more than a departure from reasonably prudent conduct“; Dobbs, Law of Torts, § 419; Teeter/Loving, Law of Mass Communications, S. 272: Fahrlässigkeit reicht nicht aus. 160 St. Amant v. Thompson, 29.4.1968, 390 U.S. 727, 731, 88 S.Ct. 1323 (1968); Harte-Hanks Communications v. Connaughton, 22.6.1989, 491 U.S. 657, 688, 109 S.Ct. 2678 (1989); County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 158 (C.D.Cal. 1999). 161 Harte-Hanks Communications v. Connaughton, 22.6.1989, 491 U.S. 657, 692, 109 S.Ct. 2678 (1989); Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 526 (6th Cir. 2007). 162 County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 158 (C.D.Cal. 1999); In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 811, 825 f. (S.D.Tex. 2005). Kritisch Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 203 f. 163 Time, Inc. v. Pape, 24.2.1971, 401 U.S. 279, 291, 91 S.Ct. 633 (1971) spricht von einer „constitutional zone of protection for errors of fact caused by negligence“. 164 Gelingt ihm dies nicht, so wird die Klage typischerweise bereits in einem frühen Verfahrensstadium wegen failure to state a claim abgewiesen; siehe dazu bereits oben im Text. 165 New York Times v. Sullivan, 9.3.1964, 376 U.S. 254, 279 f., 84 S.Ct. 710 (1964); Gertz v. Robert Welch, Inc., 25.6.1974, 418 U.S. 323, 342, 94 S.Ct. 2997 (1974) verlangt „clear and convincing proof“; Teeter/Loving, Law of Mass Communications, S. 270. 166 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 526 (6th Cir. 2007); In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 811, 825 f. (S.D.Tex. 2005). 167 Siehe zu den unterschiedlichen Haftungskonstellationen noch §§ 26 ff.
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im Normalfall u.a. eine Beweiserhebung über den Willen der beklagten Partei erleichtern soll,168 steht bei Klagen gegen Rating-Agenturen nach dem oben Gesagten169 insoweit nicht zur Verfügung. Da der notwendige Verschuldensgrad zudem bei Erstellung des konkreten Ratings beweisbar vorgelegen haben muss, dürfte potentiellen Klägern auch durch die Ergebnisse offizieller Untersuchungen der SEC kaum geholfen werden, die Anzeichen für bedingten Vorsatz beim Rating strukturierter Finanzprodukte enthalten, darunter den viel zitierten Satz einer Ratinganalystin, dem zufolge das aktuelle Ratingmodell nicht einmal die Hälfte des Risikos des Produkts erfasse, aber „it could be structured by cows and we would rate it“.170 In jüngster Zeit haben Investoren immerhin vereinzelt vortragen können, warum auf Seiten einer Rating-Agentur „actual malice“ vorgelegen haben soll (und sind damit einer frühzeitigen Klageabweisung entgangen);171 tatsächlich bewiesen wurden die notwendigen Haftungsvoraussetzungen allerdings bislang noch nie.
ee) Umfang des Institutionsschutzes Die strengen Anforderungen der New York Times v. Sullivan-Formel und namentlich des „actual malice“-Verschuldensmaßstabs172 stellen damit in der Praxis eine fast unüberwindliche Hürde für Schadensersatzklagen gegen die RatingAgenturen dar;173 gerade am „actual malice“-Nachweis sind in der Vergangenheit zahlreiche Klagen geschädigter Investoren174 wie auch von Emittenten wegen unbeauftragter Ratings175 gescheitert. Die beschriebenen Anforderungen sind dabei unabhängig von der geltend gemachten Anspruchsgrundlage zu erfüllen,176 weshalb neben deliktischen Ansprüchen unterschiedlichster Art etwa auch Klagen auf kartellrechtlicher Grundlage (Sherman Act) abgewiesen wurden.177 Aus Sicht 168 Im Jahre 1979 war in Herbert v. Lando, 18.4.1979, 441 U.S. 153, 169 f., 99 S.Ct. 1635 (1979) noch entschieden worden, dass das First Amendment eine solche Beweiserhebung nicht verbiete, ohne dadurch jedoch auszuschließen, dass die U.S.-Gliedstaaten in „shield laws“ eine gegenteilige Regelung treffen. 169 Siehe oben II 2 b). 170 So das Zitat aus einer internen E-Mail in SEC, Summary Report (July 2008), S. 12. 171 Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 178 f. (S.D.N.Y. 2009). Es handelte sich dabei freilich um bloße Behauptungen der Kläger, die aus prozessualen Gründen als zutreffend behandelt werden mussten. 172 Dies u.a. deshalb, weil die Frage der nachweisbaren Falschheit eines Ratings von den Gerichten nicht selten offen gelassen wird. 173 Ellsworth/Porapaiboon, 18 Bus. L. Today (March/April 2009), 35, 38; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 67; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 352; Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 795: „rating agencies are, in essence, shielded from all liability.“ 174 So etwa in In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 812 (S.D.Tex. 2005). 175 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.5.1999, 175 F.3d 848, 855 (10th Cir. 1999). Siehe dazu näher § 28. 176 Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 210; a.A. (aber mit abwegiger Begründung) Murphy, 62 Okla. L. Rev. (2010), 735, 777. 177 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.4.1997, 988 F.Supp 1341, 1347 (D.Colo. 1997): „It follows, then, that the mere expression of opinion that is protected by the First Amendment is likewise entitled to immunity from antitrust liability.“
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eines kontinentaleuropäischen Juristen muss besonders überraschen, dass die institutionsschützenden Haftungsanforderungen des First Amendment zudem selbst dort eingreifen, wo zwischen der Rating-Agentur und dem Emittenten oder Abonnementen ein vertragliches Band besteht und ein Schadensersatzanspruch auf die Verletzung vertraglicher Pflichten gestützt wird178 – die verfassungsrechtliche Pressefreiheit zeitigt hier eine unmittelbare Drittwirkung, die anderen Rechtsordnungen in dieser Form unbekannt ist.179
3. Ergebnis Das First Amendment führt damit in seiner Auslegung durch die U.S.-amerikanische Rechtsprechung zu einem nahezu umfassenden Institutionsschutz der Rating-Agenturen, soweit diese ihre Ratings öffentlich zugänglich machen. Punktuell wird dieser durch einfachgesetzliche, ursprünglich zum Schutz von Journalisten geschaffene „shield laws“ ergänzt. Die verfassungsrechtlich garantierte Pressefreiheit beeinflusst vor allem die viel diskutierte Frage der Haftung der Rating-Agenturen dabei nicht lediglich mittelbar (d.h. im Rahmen der Auslegung privatrechtlicher Haftungsnormen), sondern bestimmt unmittelbar und zwingend über die Mindestvoraussetzungen einer Schadensersatzhaftung – u.a. mit der Folge, dass nicht einmal der Gesetzgeber eine verschärfte Haftung der Rating-Agenturen (etwa durch Abmilderung des Verschuldenserfordernisses oder Verschiebung der Beweislast) anordnen könnte.180 Daneben würde auch ein staatliches Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen auf schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken treffen, soweit es die Agenturen in ihrer Marktinformationsfunktion träfe und damit die freie Betätigung eines Presseunternehmens präventiv zu kontrollieren suchte.181
III. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im Recht der Europäischen Union Die Frage des Institutionsschutzes von Rating-Agenturen nach dem Recht der Europäischen Union stellt sich spätestens, seit durch Inkrafttreten der EG-RatingVO182 auf europäischer Ebene ein umfassendes Organisations- und Verhal178 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 526 (6th Cir. 2007); County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 158 (C.D.Cal. 1999). Siehe dazu näher §§ 27, 29. 179 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 67. 180 Vgl. Milkovich v. Lorain Journal Co., 21.6.1990, 497 U.S. 1, 15 ff., 110 S.Ct. 2695 (1990). Zur daher fragwürdigen Absenkung der prozessualen Substantiierungsanforderung bei Klagen gegen Rating-Agenturen nach Rule 10b–5 unter dem Securities Exchance Act durch den Dodd–Frank Act siehe noch § 30 III 2 b). 181 Siehe dazu noch unten § 22 II. 182 Die EG-RatingVO trat am 6. Januar 2010 in Kraft; ihre Vorgaben fanden aber teilweise erst ab Dezember 2010 Anwendung (vgl. Art. 41 EG-RatingVO).
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tenspflichtenregime für Rating-Agenturen geschaffen wurde; sie erhält dadurch zusätzliche Bedeutung, dass auch die Durchsetzung dieser Pflichten in die Kompetenz der im Jahre 2011 neu geschaffenen EU-Finanzaufsichtsagentur ESMA übergegangen ist.183 Legislativ- und Exekutivmaßnahmen von EU-Organen müssen sich seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon an den Grundrechtsregelungen zweier Rechtsakte messen lassen, nämlich zum einen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta)184 und zum anderen der Europäischen Menschenrechtskonvention des Europarats (EMRK), der die EU zwar bislang noch nicht beigetreten ist,185 deren Grundrechte aber ausdrücklich bereits heute „als allgemeine Grundsätze“ Teil des Unionsrechts sind.186 In der Sache sind dabei auch hier vor allem die Presse- und die Meinungsfreiheit relevant, die der Regulierung der europäischen Finanzmarktteilnehmer anerkanntermaßen Grenzen setzen können.187 Die Bedeutung gerade dieser Grundrechte wurde durch die Rechtsetzungsorgane der Union sowohl in der wichtigen EG-Marktmissbrauchsrichtlinie188 als auch in der ersten ÄnderungsVO zur EG-RatingVO189 ausdrücklich anerkannt. Wenn in den Erwägungsgründen der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie zudem festgestellt wird, dass diese „die Mitgliedstaaten in keiner Weise daran [hindert], ihre verfassungsmäßigen Vorschriften über Pressefreiheit und Freiheit der Meinungsäußerung in den Medien anzuwenden“,190 so wird man diese Aussage allerdings nicht im Sinne eines allgemeinen Grundsatzes verstehen können, dem zufolge den Kommunikationsgrundrechten der nationalen Verfassungen generell Vorrang vor allen Sekundärrechtsakten des europäischen Finanzmarktrechts (also auch der EG-RatingVO) eingeräumt werden soll:191 Damit würde der Erklärungsgehalt des genannten Satzes, der sich nur auf die betreffende Richtlinie bezieht, sicherlich überdehnt. 183 Durch ÄnderungsVO Nr. 513/2011 zur EG-RatingVO mit Wirkung zum 1. Juni 2011; vgl. dazu Fischer zu Cramburg, NZG 2010, 699. 184 Die GR-Charta erkennt die Union gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV an. 185 Die EU wird der EMRK lt. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 EUV beitreten, hat die hierfür notwendigen völkerrechtlichen Schritte aber bislang nicht vollzogen. 186 So Art. 6 Abs. 3 EUV. Der EuGH betrachtete die EMRK freilich schon vor Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon als Verkörperung des gemeineuropäischen Grundrechtsstandards; vgl. zum Bereich der Medienfreiheit näher Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 4 f. 187 Schröder, NJW 2009, 465; Sturm, ZBB 2010, 20, 29. 188 Erwägungsgrund 44 Satz 1 der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie postuliert, dass die Richtlinie „insbesondere“ mit Art. 11 GR-Charta und Art. 10 EMRK im Einklang stehe. 189 Erwägungsgrund 26 zur ÄnderungsVO Nr. 513/2011 zur EG-RatingVO; kritisch dazu Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 201: „It is difficult to see how this recital could adequately deal with the issues raised by the regulation of freedom of opinion.“ 190 Erwägungsgrund 44 Satz 2 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie. Dagegen verweist Erwägungsgrund 26 zur zweiten ÄnderungsVO zur EG-RatingVO – weniger weitgehend – lediglich auf die „Grundsätze, die […] durch die Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten anerkannt werden“. 191 In diese Richtung möglicherweise Ohler, AfP 2010, 101, 103; Schröder, NJW 2009, 465; mit verfassungsrechtlicher Begründung ebenso Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 209.
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1. Die Rating-Agenturen und die Medien- und Meinungsäußerungsfreiheit des EU-Primärrechts a) Schutz durch die Medienfreiheit (Art. 11 Abs. 2 GR-Charta) Während die EMRK kein gesondertes Grundrecht der Pressefreiheit kennt, sondern diese als Teil der im Text192 noch zu behandelnden Meinungsäußerungsfreiheit schützt,193 legt Art. 11 Abs. 2 GR-Charta ausdrücklich fest, dass die Freiheit der Medien und ihre Pluralität geachtet werden. Der Terminus „Freiheit der Medien“ ist dabei umfassend zu verstehen und deckt klassische Freiheiten wie die Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit ebenso ab wie sog. „neue Medien“ und sonstige an die Allgemeinheit gerichtete Kommunikationsformen.194 Anerkannt ist zudem, dass sich auch juristische Personen des Privatrechts auf die Medienfreiheit der GR-Charta berufen können,195 und zwar unabhängig davon, ob ihr Gründungsort oder Sitz in der EU oder in einem Drittstaat (wie etwa den U.S.A.) liegt.196 Für eine Erfassung auch von Rating-Agenturen durch dieses Unionsgrundrecht spricht darüber hinaus die weite Auslegung, die der EuGH dem Begriff der „journalistischen Tätigkeiten“ vor Kurzem gegeben hat: Danach können alle Tätigkeiten als journalistisch eingestuft werden, die zum Zweck haben, Informationen, Meinungen oder Ideen, mit welchem Übertragungsmittel auch immer, in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Journalistische Tätigkeiten seien nicht Medienunternehmen vorbehalten und könnten namentlich mit der Absicht verbunden sein, Gewinn zu erzielen.197 Vor diesem Hintergrund spricht nichts dagegen, diejenigen Rating-Agenturen, die ihre Bonitätsurteile veröffentlichen, unter den Schutz der Medienfreiheit des Art. 11 Abs. 2 GR-Charta zu stellen.198 b) Schutz durch die Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 GR-Charta, Art. 10 Abs. 1 EMRK) Darüber hinaus gewähren Art. 10 Abs. 1 Sätze 1, 2 EMRK und – mit identischem Wortlaut – Art. 11 Abs. 1 GR-Charta jeder Person das Recht auf freie Meinungsäußerung einschließlich der Freiheit, (sonstige) Informationen weiterzugeben; der Schutz dieses Grundrechts ist also von vornherein nicht auf „Meinungen“ 192
Unten b). BVerfG, 26.2.2008, NJW 2008, 1793, 1795 („Caroline von Hannover“); Frowein/Peukert/ Frowein, Art. 10 EMRK Rn. 15; Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 7; Koziol, in FS Heldrich (2005), S. 259, 263; Meyer-Ladewig, Art. 10 EMRK Rn. 28 ff.; Spindler, NZG 2004, 1138, 1140. 194 Feise, Medienfreiheit, S. 99; Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 10; Meyer/Bernstorff, Art. 11 Rn. 17; Pünder, in: Ehlers, Europ. Grundrechte, § 16.2 Rn. 15. 195 Feise, Medienfreiheit, S. 105; Jarass, Art. 11 GR-Charta Rn. 35; Pünder, in: Ehlers, Europ. Grundrechte, § 16.2 Rn. 9; Winkler, Grundrechte der EU, S. 415. 196 Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 26; Jarass, Art. 11 GR-Charta Rn. 35. 197 EuGH, 16.12.2008, Rs. C-73/07 – Markkinapörssi, EuZW 2009, 108, 110 (zu EG-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG); allgemein zur unionsrechtlichen Pressefreiheit Sturm, ZBB 2010, 20, 23. 198 Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 211. 193
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beschränkt.199 Art. 10 Abs. 1 EMRK bezweckt dabei zugleich auch den Schutz der Presse, deren Aufgabe der EGMR als Übermittlung von Informationen und Ideen zu allen Angelegenheiten des öffentlichen Interesses (matters of public concern) umschreibt.200 Der Gerichtshof verwendet damit einen Terminus, der aus der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court zum First Amendment bekannt ist und bezüglich dessen bereits festgestellt werden konnte, dass Ratings über eben solche Angelegenheiten informieren.201 Schon dies spricht dafür, Rating-Agenturen auch unter den Presseschutz des Art. 10 Abs. 1 EMRK zu stellen.202 Die übrigen Anwendungsvoraussetzungen der europäischen Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit stehen einer solchen Einbeziehung ebenfalls nicht entgegen: So ist anerkannt, dass dieses Freiheitsrecht auch juristischen Personen zusteht,203 selbst wenn deren Aussagen den Wirtschaftsverkehr und nicht „politische Themen“ im engeren Sinne betreffen204 und aus Gewinnorientierung gemacht werden.205 Beim Umgang mit commercial speech orientiert sich die Rechtsprechung des EGMR wiederum am Vorbild des U.S.-amerikanischen Verfassungsrechts;206 hinsichtlich der Folgen für die Rating-Agenturen – bei deren Ratings es sich nach hier vertretener Ansicht nicht um commercial speech handelt – kann insoweit auf die Ausführungen oben im Text207 verwiesen werden. Schließlich kommt der Schutz des Art. 10 Abs. 1 EMRK auch demjenigen zugute, der ausschließlich an Abonnenten vertriebene Publikationen produziert,208 und dürfte damit auch Rating-Agenturen mit „investor pays“-Geschäftsmodell erfassen – dies lässt sich freilich schon damit erklären, dass diese Norm sich tatbestandlich nicht auf die „Presse“ bezieht, sondern jede Informationsweitergabe genügen lässt. Die Frage, ob sich den unionsrechtlichen Medien-, Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheiten ein institutioneller Schutzgehalt zugunsten der Presse entnehmen lässt, wird in der europäischen Literatur kaum erörtert.209 Seinen Grund dürfte dies vorrangig darin 199 Frowein/Peukert/Frowein, Art. 10 EMRK Rn. 5; Jarass, Art. 11 GR-Charta Rn. 7; MeyerLadewig, Art. 10 EMRK Rn. 5; Stern/Becker/Fechner, Art. 5 Rn. 375; Winkler, Grundrechte der EU, S. 415. Wenn Rat und Parlament der EU in Sekundärrechtsakten gelegentlich behaupten, Ratings seien „keine bloßen Meinungen“ (so etwa in Erwägungsgrund 8 zur ÄnderungsVO Nr. 462/ 2013 zur EG-RatingVO), hat dies also schon mangels Beschränkung des EU-Grundrechtsschutzes auf Meinungen keine rechtliche Bedeutung, würde natürlich aber auch sonst die Auslegung des höherrangigen Rechts nicht beeinflussen. 200 EGMR, 14.3.2002 – Gawęda ./. Polen, Rep. 2002-II, 105 Tz. 34. 201 Oben II 1 b) aa). 202 Ebenfalls dafür Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 211. 203 Jarass, Art. 11 GR-Charta Rn. 13. 204 EGMR, 20.11.1989 – markt intern Verlag ./. Deutschland, EuGRZ 1996, 302 Tz. 26; MeyerLadewig, Art. 10 EMRK Rn. 4. 205 EGMR, 22.5.1990 – Autronic ./. Schweiz, EuGRZ 1990, 261 Tz. 47; Stern/Becker/Fechner, Art. 5 Rn. 375. 206 Hufen, in FS R. Schmidt (2006), S. 347, 351. 207 Oben II 1 b) aa) (2). 208 Vgl. EGMR, 25.8.1998 – Hertel ./. Schweiz, GRUR Int. 1999, 156, 160 („Mikrowellenherd“) – allerdings hatte die in concreto betroffene Zeitschrift eine Auflage von 120 000 Exemplaren. 209 Vgl. aber Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 54 f.
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finden, dass diese Fragestellung maßgeblich vom deutschen dogmatisch-begrifflichen Ausgangspunkt her gedacht ist, der in den übrigen Rechtsordnungen Europas keine vergleichbare Bedeutung besitzt. Überträgt man diese originär nationale Perspektive gleichwohl auf den europäischen Kommunikationsgrundrechtsschutz, so lassen sich sowohl der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 EMRK, in der häufig die Funktion der Presse als public watchdog betont wird,210 als auch der Nennung des Pluralismus in Art. 11 Abs. 2 GR-Charta211 durchaus Anhaltspunkte für eine objektiv-institutionelle Dimension der europäischen Pressefreiheit entnehmen. Es sollte dabei jedoch nicht verkannt werden, dass die Reichweite und Auswirkungen des somit bestehenden „Institutionsschutzes“ in der europäischen Rechtsprechung unabhängig von dieser Fundierung entwickelt und bestimmt werden.
2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Medien- und Meinungsäußerungsfreiheit a) Schutz vor unionsrechtlicher Regulierung Art. 11 GR-Charta wie auch Art. 10 Abs. 1 EMRK stellen im Ausgangspunkt klassische Freiheitsrechte dar und schützen daher zuvörderst gegen staatliche Eingriffe.212 Im Rahmen der EU richtet sich dieser Schutz jedenfalls gegen die Organe der Union213 und damit im Falle der Rating-Agenturen vor allem gegen Rat und Parlament, sofern diese durch Erlass der EG-RatingVO und deren spätere inhaltliche Verschärfung in die Rechte der Rating-Agenturen eingreifen.214 Darüber hinaus werden aber auch durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geschaffene Einrichtungen, Ämter und Agenturen215 und damit namentlich die ESMA durch Art. 11 GR-Charta gebunden, der die Durchführung der EG-RatingVO übertragen wurde. Schließlich richtet sich der Schutz auch gegen die Mitgliedstaaten, soweit sie Vorschriften des Unionsrechts – wie bis 2011 die EG-RatingVO und auch weiterhin die sonstigen finanzmarktrechtlichen EU-Rechtsakte, die auf Rating-Agenturen Anwendung finden216 – normativ (durch Erlass von Ergänzungs- und Ausführungsnormen) oder administrativ (durch Vollzug) durchführen.217 Die EU-Staaten haben daher die europäischen Grundrechte und zudem die Grundrechte ihrer nationalen Verfassungsordnungen zu beachten.218 210 So etwa in EGMR, 26.11.1991 – Observer and Guardian ./. Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1995, 16; EGMR, 14.3.2002 – Gawęda ./. Polen, Rep. 2002-II, 105 Tz. 34. 211 In diesem Sinne Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 54; Meyer/Bernstorff, Art. 11 Rn. 18. 212 Zu Art. 10 Abs. 1 EMRK Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 32; Koziol, in FS Heldrich (2005), S. 259, 264; Meyer-Ladewig, Art. 10 EMRK Rn. 9: „klassisches Freiheitsrecht“. 213 Feise, Medienfreiheit, S. 107; Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 29. 214 Daneben hat natürlich auch der EuGH bei Auslegung der EG-RatingVO die europäischen Menschenrechte zu beachten. 215 Feise, Medienfreiheit, S. 107. 216 So beispielsweise die EG-Marktmissbrauchsrichtlinie, die eine Ad hoc-Publizitätspflicht für (u.a.) Rating-Agenturen vorsieht; vgl. dazu bereits § 11 II 2 a). 217 Vgl. Feise, Medienfreiheit, S. 112 f.; Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 29. 218 Dies ergibt sich aus Art. 53 GR-Charta, dem zufolge die Menschenrechte und Grundfreiheiten der nationalen Verfassungen der Mitgliedstaaten unberührt bleiben.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Als Eingriff gilt dabei jede hoheitliche Maßnahme der für die Union agierenden Organe, die die Kommunikation von Meinungen über die Medien verhindert oder auch nur erschwert.219 Das Erfordernis einer staatlichen Zulassung für Rating-Agenturen, ohne die bei Strafandrohung kein Rating veröffentlicht werden darf,220 sowie das zeitweise diskutierte generelle Verbot unbeauftragter Ratings für europäische Staatsanleihen221 stellen zweifelsfrei einen Eingriff dar;222 dasselbe gilt aber auch für die Schaffung zivilrechtlicher Haftungsregeln (wie Art. 35a EG-RatingVO223) durch die EU.224 Art. 11 GR-Charta und Art. 10 Abs. 1 EMRK können freilich beide durch Gesetz eingeschränkt werden, das seinerseits jedoch den Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 EMRK genügen,225 insbesondere also „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ sein muss. Wie noch zu zeigen sein wird, legt der EGMR die Voraussetzungen der Einschränkbarkeit generell eng aus,226 trägt im Einzelnen aber Regelungszweck und -zusammenhang Rechnung. Namentlich bei präventiven Eingriffen wie Zulassungserfordernissen liegt die Hürde insoweit besonders hoch, sind derartige Einschränkungen doch nach Ansicht des Gerichtshofs mit großen Risiken verbunden.227 Ein pauschales Verbot der Veröffentlichung unbeauftragter Ratings für Staatsanleihen, wie es innerhalb der EU-Organe vorübergehend erwogen wurde,228 wäre vor diesem Hintergrund nicht haltbar gewesen.229
b) Schutz vor Schadensersatzhaftung Daneben kann sich die Schutzwirkung des Art. 10 Abs. 1 EMRK auch in zivilrechtlichen Verfahren auswirken, in denen eine Schadensersatzhaftung für getätigte Äußerungen geltend gemacht wird; insofern kommt der Vorschrift eine – 219 Feise, Medienfreiheit, S. 147; Pünder, in: Ehlers, Europ. Grundrechte, § 16.2 Rn. 20; Winkler, Grundrechte der EU, S. 420. 220 Vgl. zum „Registrierungserfordernis“ nach der EG-RatingVO noch § 22 II 2. 221 Siehe dazu schon § 19 I 3 a) aa). 222 Vgl. EGMR, 14.3.2002 – Gawęda ./. Polen, Rep. 2002-II, 105 Tz. 36 f. 223 Siehe zu dieser im Jahre 2013 in Kraft getretenen Haftungsnorm noch § 27 IV und § 30 VII. 224 Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 11. 225 Dies gilt auch für Einschränkungen des Art. 11 GR-Charta: Obgleich Art. 52 Abs. 1 GRCharta eine eigene, allgemeine Schrankenregelung enthält, kommt Art. 10 Abs. 2 EMRK über die Relationsnorm des Art. 52 Abs. 3 GR-Charta letztlich vorrangig zur Anwendung; so Pünder, in: Ehlers, Europ. Grundrechte, § 16.2 Rn. 21; a.A. für die Medienfreiheit (Art. 11 Abs. 2 GR-Charta) Meyer/Bernstorff, Art. 11 Rn. 20: Art. 52 Abs. 1 GR-Charta anwendbar. 226 EGMR, 25.8.1998 – Hertel ./. Schweiz, GRUR Int. 1999, 156, 159 („Mikrowellenherd“); Meyer-Ladewig, Art. 10 EMRK Rn. 41. 227 EGMR, 26.11.1991 – Observer and Guardian ./. Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1995, 16 Tz. 60; EGMR, 14.3.2002 – Gawęda ./. Polen, Rep. 2002-II, 105 Tz. 58 sowie im Einzelnen noch § 22 II 2 b). 228 Dazu bereits § 19 I 3 a) aa). 229 In diese Richtung auch Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 211 f. A.A., aber kaum vertretbar A. Witte, WM 2011, 2253, 2258.
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freilich beschränkte – „mittelbare Drittwirkung“230 zu. Begründet wird dies damit, dass die gerichtliche Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz einen (staatlichen, weil durch ein staatliches Gericht vorgenommenen) Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit darstellt,231 zumal von pönalen oder pönal wirkenden Geldleistungspflichten ein „chilling effect“ auf die künftige Ausübung dieser Freiheit ausgehen kann.232 Vor dem Gerichtshof haben dabei vor allem Urteile gegen Presseunternehmen eine Rolle gespielt, die auf Grundlage englischen oder irischen libel laws ergangen waren und auf hohe Schadensersatzbeträge lauteten;233 es ist aber auch zur Kontrolle von Verurteilungen nach deutschem234 oder schweizerischem235 Lauterkeitsrecht gekommen. Es erscheint daher durchaus denkbar, dass der Institutionsschutz durch die europäische Medien- und Meinungsäußerungsfreiheit auch bei Schadensersatzverfahren gegen die RatingAgenturen zum Tragen kommen kann.
IV. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im deutschen Recht 1. Die Rating-Agenturen und die Meinungs- und Pressefreiheit des Grundgesetzes Nach deutschem Verfassungsrecht kann sich ein Institutionsschutz zugunsten von Rating-Agenturen vor allem aus der (jeweils separat normierten) Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit des Grundgesetzes ergeben, wobei der Pressefreiheit aufgrund ihrer insoweit weiter reichenden Schutzwirkung die größere Bedeutung zukommt. Daneben kann – wie bereits eingangs erwähnt – auch die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) betroffen sein,236 die jedoch ganz unabhängig von der Eigenschaft der Rating-Agentur als Informationsintermediär konzipiert und daher im vorliegenden Zusammenhang von geringerem Interesse ist. a) Schutz durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) Allgemein anerkannt ist, dass die Rating-Agenturen sich für ihre Ratings auf den Schutz der Meinungsfreiheit237 berufen können.238 Ihre Bonitätsbeurteilungen 230
So Koziol, in FS Heldrich (2005), S. 259, 265 f. Frowein/Peukert/Frowein, Art. 10 EMRK Rn. 34; Meyer-Ladewig, Art. 10 EMRK Rn. 15 f. 232 Schefer, Grundrechte in der Schweiz, S. 141. 233 EGMR, 19.6.1995 – Tolstoy Miloslavsky ./. Vereinigtes Königreich, (1995) 20 EHRR 442: Verurteilung zur Zahlung von 1,5 Mio. GBP; EGMR, 26.6.2005 – Independent News and Media ./. Irland, Besch.Nr. 55/120.00: Verurteilung zur Zahlung von 300 000 IEP. 234 So in EGMR, 20.11.1989 – markt intern Verlag ./. Deutschland, EuGRZ 1996, 302 ff. 235 So etwa in EGMR, 25.8.1998 – Hertel ./. Schweiz, GRUR Int. 1999, 156 ff. („Mikrowellenherd“). 236 Deipenbrock, WM 2005, 261, 262; Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1533; A. Witte, WM 2011, 2253, 2258. 237 Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. 238 Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 41; Blaurock, ZGR 2007, 603, 631; Deipenbrock, WM 2005, 261, 262; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Fischer, Haftungsfra231
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
sind erkennbar durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens239 bezüglich der bewerteten künftigen Rückzahlungswahrscheinlichkeit geprägt240 und betreffen in Gestalt wirtschaftlicher Vorgänge einen Gegenstand, der – obgleich nicht im engeren Sinne „politisch“ – in vollem Umfang am Schutz der Meinungsfreiheit teilnimmt.241 Dass Ratings in bestimmtem Umfang auf einer Tatsachenbasis beruhen, steht ihrer Einordnung als Meinungsäußerung dabei schon deshalb nicht entgegen,242 weil der Meinungsfreiheitsschutz nach st. Rspr. sogar für reine Tatsachen gilt, die meinungsbezogen sind und damit zur Meinungsbildung beitragen.243 Auch Tatsachenäußerungen in Ratingberichten fallen daher unter die Meinungsfreiheit, zumal es das Ratingkürzel ist, welches die Gesamtäußerung aus Perspektive der Ratingadressaten – wie an empirischen Befunden244 ablesbar – prägt.245 b) Schutz durch die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) Schwieriger zu beurteilen ist, ob Rating-Agenturen daneben auch in den Schutzbereich der Pressefreiheit246 fallen. Bedeutung hat diese Frage vor allem deshalb, weil die Pressefreiheit nach deutschem Verfassungsrecht nicht lediglich einen Unterfall der Meinungsfreiheit bildet, sondern darüber hinaus die institutionelle Eigenständigkeit der Presse gewährleistet:247 Sie ist damit nicht nur ein individuelles Abwehrrecht, sondern weist einen objektiv-rechtlichen Gehalt auf248 und gen239des Ratings, S. 80; Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie, § 36 III 2; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 22; Lemke, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 119, 129; Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1533; Niedostadek, Rating, Rn. 232; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 202; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 2 f.; Vetter, WM 2004, 1701, 1704; A. Witte, WM 2011, 2253, 2256; J. Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 98. 239 Zu dieser überkommenen Formel nur BVerfG, 22.6.1982, BVerfGE 61, 1, 9 („Wahlkampf“); Maunz/Dürig/Grabenwarter, Stand: Lfg. 68, Art. 5 I, II Rn. 47. 240 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200. 241 BGH, 3.2.2009, ZIP 2009, 765, 767 („Fraport-Manila-Skandal“); BGH, 22.9.2009, NJW 2009, 3580, 3582 („Rücktritt Schrempp“); BK/Degenhart, Stand: Juli 2006, Art. 5 I, II Rn. 132; Hufen, in FS R. Schmidt (2006), S. 347, 351. 242 Zutreffend Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 202; von Schweinitz, WM 2008, 953. 243 Vgl. nur BVerfG, 22.6.1982, BVerfGE 61, 1, 8 („Wahlkampf“); BGH, 11.3.2008, NJW 2008, 2110, 2111 („Gen-Milch“). Noch weitergehend Maunz/Dürig/Grabenwarter, Stand: Lfg. 68, Art. 5 I, II Rn. 50. 244 Siehe § 5 II. 245 Vgl. BVerfG, 9.10.1991, BVerfGE 85, 1, 15 f. („Kritische Bayer-Aktionäre“). 246 Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. 247 BVerfG, 6.10.1959, BVerfGE 10, 118, 121; BVerfG, 15.11.1982, BVerfGE 62, 230, 243 („Boykott“); BVerfG, 27.2.2007, BVerfGE 117, 244 Tz. 42 („CICERO“); Leibholz/Rinck, Stand: Lfg. 56 (Mai 2011), Art. 5 Rn. 181; Scheuner, VVDStRL 22 (1965), 1, 65; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Kannengießer, Art. 5 Rn. 14. 248 BVerfG, 5.8.1966, BVerfGE 20, 162, 175 („Spiegel“): „objektiv-rechtliche Seite“; BVerfG, 25.1.1984, BVerfGE 66, 116, 133 („Wallraff“): „objektive Bedeutung“; BVerfG, 27.2.2007, BVerfGE 117, 244 Tz. 42 („CICERO“); Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Kannengießer, Art. 5 Rn. 14.
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schützt die institutionell-organisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, die gegeben sein müssen, damit die Presse ihre Aufgabe im Kommunikationsprozess erfüllen kann.249 Indem die Pressefreiheit die freie Presse also gerade als Institution garantiert,250 drängt sie sich schon in terminologischer Hinsicht als vorrangiger Sitz auch des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen auf. Ob Rating-Agenturen in den Schutzbereich der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fallen, bestimmt sich dabei nicht nach ihrer Vergleichbarkeit mit einer Zeitungsredaktion überkommener Prägung (die man auf den ersten Blick instinktiv verneinen mag), sondern allein nach dem „weiten und formalen“ Pressebegriff des Bundesverfassungsgerichts.251 Dieser stellt ab auf die Funktion der Pressefreiheit, eine staatlich nicht reglementierte, offene Kommunikation zu gewährleisten, um dadurch eine freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung zu ermöglichen, und umfasst deshalb jedwede Publikation, solange diese nur in gedruckter252 und zur Verbreitung geeigneter und bestimmter Form am Kommunikationsprozess teilnimmt.253 Unerheblich ist nach st. Rspr. dabei der Inhalt der Publikation,254 weshalb auch Veröffentlichungen zu wirtschaftlichen Themen (wie etwa der Bonität von Unternehmen oder börsengehandelten Wertpapieren) unabhängig davon geschützt werden, ob diesen zugleich eine – wie auch immer zu bestimmende – „politische“ Relevanz zukommt.255 Ratings werden nach den beschriebenen Kriterien mit Sicherheit von dem Pressebegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst, weil sie in ihrer Marktinformationsfunktion gerade zur Information der Öffentlichkeit bestimmt sind.256 An dieser Einordnung ändert sich im Übrigen nichts, wenn man die Pressefreiheit mit einer vereinzelt vertretenen Ansicht257 auf die Veröffentlichung solcher Informationen reduzieren will, die den öffentlichen Meinungskampf über politische Fragestellungen betreffen: Schon angesichts der Bedeutung 249
BVerfG, 9.10.1991, BVerfGE 85, 1, 12 („Kritische Bayer-Aktionäre“). So BVerfG, 28.11.1973, BVerfGE 36, 193, 204; BVerfG, 10.5.1983, BVerfGE 64, 108, 114; BVerfG, 9.10.1991, BVerfGE 85, 1, 13 („Kritische Bayer-Aktionäre“). Ähnlich BVerfG, 5.8.1966, BVerfGE 20, 162, 175 („Spiegel“), wo noch von einem objektiv-rechtlichen Institut die Rede war; ebenso Kloepfer, Informationsrecht, § 15 Rn. 8. 251 Vgl. BVerfG, 25.1.1984, BVerfGE 66, 116, 134 („Wallraff“); BVerfG, 8.10.1996, BVerfGE 95, 28, 35 („Werkzeitung“). 252 Nach zutreffender Ansicht ist dabei ausreichend, dass die Publikation „online“ (d.h. im Internet) zur Verfügung steht; so etwa Stern/Becker/Fechner, Art. 5 Rn. 124. In diesem Sinne auch Maunz/Dürig/Herzog, Stand: Lfg. 20, Art. 5 I, II Rn. 131: Es kommt allein auf den visuellen Eindruck des „gedruckten Wortes“ an. 253 BVerfG, 8.10.1996, BVerfGE 95, 28, 35 („Werkzeitung“); Stern/Becker/Fechner, Art. 5 Rn. 124. 254 BVerfG, 8.10.1996, BVerfGE 95, 28, 35 f. („Werkzeitung“); BK/Degenhart, Stand: Juli 2006, Art. 5 I, II Rn. 364; Bullinger, in: HStR VII, § 163 Rn. 14; Maunz/Dürig/Herzog, Stand: Lfg. 20, Art. 5 I, II Rn. 128; von Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 60. 255 Kämmerer/Veil, BKR 2005, 379, 384 (für Finanzanalysen); vgl. auch Scheuner, VVDStRL 22 (1965), 1, 68. 256 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 22. 257 So noch von Mangoldt/Klein/Klein, 1. Aufl., Art. 5 Anm. IV 3 (S. 245); ähnlich BGH, 15.1.1963, NJW 1963, 665, 667 („Call-Girl-Prozess“). Dagegen statt vieler Maunz/Dürig/Herzog, Stand: Lfg. 20, Art. 5 I, II Rn. 128. 250
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der Finanzmärkte für die individuelle Altersvorsorge deutscher Bürger,258 der vielfältigen Auswirkungen der prognostizierten Zahlungsunfähigkeit etwa eines börsennotierten Unternehmens259 und dem mittelbaren Einfluss von Ratingeinstufungen auf Finanzierungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume der öffentlichen Hand260 kann nicht zweifelhaft sein, dass Ratings heute eine maßgebliche politische Relevanz zukommt. Im öffentlichrechtlichen Schrifttum ist das Rating vereinzelt sogar als „öffentliche Aufgabe“ qualifiziert worden.261 Da die Pressefreiheit im deutschen Verfassungsrecht – insoweit der U.S.-amerikanischen Verfassung262 vergleichbar – allerdings an die konkrete Kommunikationstätigkeit und nicht die Person des Kommunizierenden anknüpft, wird man auch hier im Einzelnen zu differenzieren haben: Während für Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG neben öffentlich publizierten Ratings auch ausschließlich an Abonnenten vertriebene Ratings ausreichen, da nach dieser Norm schon gruppeninterne Druckwerke wie etwa Werk- oder Schülerzeitungen als „zur Verbreitung geeignet und bestimmt“ gelten,263 dürften „private“ Ratings nach deutschen Recht ebenfalls nicht durch die Pressefreiheit geschützt sein, weil jene individuell adressierte, nicht zur Verbreitung bestimmte Publikationen nicht umfasst.264
Für den Schutz durch die Pressefreiheit kommt es des Weiteren nicht darauf an, ob es sich bei den veröffentlichten Aussagen um „Meinungen“ handelt, weil Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – anders als die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) – auch reine Tatsachenmeldungen wie etwa den Börsenteil von Druckerzeugnissen (d.h. die bloße Wiedergabe von Börsenkursen) oder den Abdruck von Sporttabellen265 schützt.266 Nach deutschem Recht erstreckt sich die Pressefreiheit schließlich auch auf kommerzielle, d.h. mit Gewinnerzielungsabsicht herausgebrachte Publikationen267 (Werbung268 und sogar reine Anzeigenblätter269 werden geschützt, und zwar nicht – wie im U.S.-amerikanischen Recht – von 258
Eingängig Schröder, NJW 2009, 465, 467; ebenso Sturm, ZBB 2010, 20, 30. Vgl. Schröder, NJW 2009, 465, 466 f.; auch Hufen, in FS R. Schmidt (2006), S. 347, 353 (zur Meinungsfreiheit). 260 Vgl. hierzu instruktiv Rosenbaum, Der politische Einfluss von Rating-Agenturen, S. 109 ff., 174 ff. (mit Beispielen aus der deutschen Bundes- und Landespolitik). 261 So Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 81. 262 Siehe bereits oben II 1 b). 263 BVerfG, 8.10.1996, BVerfGE 95, 28, 35 („Werkzeitung“); Leibholz/Rinck, Stand: Lfg. 56 (Mai 2011), Art. 5 Rn. 202; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Kannengießer, Art. 5 Rn. 12; von Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 59. 264 Vgl. von Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 59. 265 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 94; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Kannengießer, Art. 5 Rn. 12. 266 Bullinger, in: HStR VII, § 163 Rn. 14; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 94; SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Kannengießer, Art. 5 Rn. 12. 267 BVerfG, 12.12.2000, BVerfGE 102, 359 Rn. 40 ff. („Benetton“); BK/Degenhart, Stand: Juli 2006, Art. 5 I, II Rn. 134; J. Hager, ZHR 158 (1994), 675, 678; Leibholz/Rinck, Stand: Lfg. 56 (Mai 2011), Art. 5 Rn. 208; Sturm, ZBB 2010, 20, 23. Spezifisch zu Ratings von Randow, ZBB 1996, 85, 88. 268 BVerfG, 4.4.1967, BVerfGE 21, 271, 279 („Südkurier“); BGH, 20.11.2003, BGHZ 157, 55 („20 Minuten Köln“); Stern/Becker/Fechner, Art. 5 Rn. 147. 269 von Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 61. 259
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vornherein als Publikationen „niederen Ranges“), und setzt zudem nicht voraus, dass Nachrichten eigenverantwortlich verbreitet werden270 – auch die Gewährung eines Widerspruchsrechts gegen die Veröffentlichung eines (ohne inhaltliche Einflussnahme des Emittenten erstellten) Ratings, die Emittenten beim Erstrating vielfach eingeräumt wird,271 steht einer Einbeziehung in den Schutzbereich nicht entgegen. Im Ergebnis stehen Rating-Agenturen daher nach überwiegender, wenngleich nicht völlig unbestrittener Ansicht auch nach deutschem Recht unter dem Schutz der Pressefreiheit.272 Unterstützt und bestätigt wird diese Einordnung dadurch, dass mit Nachrichtenagenturen,273 Börseninformationsdiensten,274 Finanzanalysten (soweit diese nicht lediglich individuell beraten)275 und namentlich der Stiftung Warentest276 auch andere, funktionell vergleichbare Informationsintermediäre i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zur „Presse“ gezählt werden – ein geringerer verfassungsrechtlicher Institutionsschutz der Rating-Agenturen würde vor diesem Hintergrund kaum einleuchten.277 In persönlicher Hinsicht schützt die Pressefreiheit schließlich zwar inländische, aber keine ausländischen juristischen Personen (Art. 19 Abs. 3 GG),278 weshalb sich etwa die großen, in den U.S.A. ansässigen Rating-Agenturen nicht auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen können. Etwas anderes gilt für ihre Tochtergesellschaften, die in Deutschland als juristische Personen inkorporiert sind und damit unter die hiesige Pressefreiheit fallen, die sie jedoch nur hinsichtlich der durch sie selbst erstellten und veröffentlichten Ratings (nicht auch diejenigen ihrer Muttergesellschaft) geltend machen können.279
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von Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 61. Siehe § 25 VI 2. 272 Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 502; Deipenbrock, WM 2005, 261, 264; Ebenroth/ Koos, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 483, 493; Eggers, Wettbewerbs- und kartellrechtliche Probleme von Ratings, S. 263; Lemke, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 119, 129; Oellinger, Haftung für Ratings, S. 128; Peters, Haftung und Regulierung, S. 61, 162; von Randow, ZBB 1996, 85, 88; a.A. J. Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 98. 273 Kloepfer, Informationsrecht, § 15 Rn. 16; Löffler/Bullinger, § 1 LPG Rn. 80. 274 Kämmerer/Veil, BKR 2005, 379, 385. 275 Koller, in: Assmann/Schneider, § 34b Rn. 138 f.; Möllers, in KK-WpHG, § 34b Rn. 218 ff.; Spindler, NZG 2004, 1138, 1142. 276 So BGH, 11.1.1966, NJW 1966, 386, 389 („Warentest“), wo der Streit um die Angemessenheit von Produkttests als „Auseinandersetzung mit wirtschaftspolitischem Gehalt“ bezeichnet wird; BGH, 21.2.1989, NJW 1989, 1923 („Stiftung Warentest V“) mit Verweis auf die „Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG für derartige Veröffentlichungen auch in Ansehung ihrer volkswirtschaftlichen Funktion für Markttransparenz und Verbraucheraufklärung“. 277 So betont etwa KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“) die „volkswirtschaftliche Funktion“ des Ratings „für Markttransparenz und Verbraucheraufklärung“. 278 BVerfG, 1.3.1967, BVerfGE 21, 207, 209; Stern/Becker/Fechner, Art. 5 Rn. 197; von Mangoldt/Klein/Starck/P.M. Huber, Art. 19 Abs. 3 Rn. 294. 279 Vgl. Quartisch, in: HStR V, 2. Aufl., § 120 Rn. 48; von Mangoldt/Klein/Starck/P.M. Huber, Art. 19 Abs. 3 Rn. 299. 271
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2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Meinungs- und Pressefreiheit a) Schutz vor staatlicher Regulierung Die Meinungs- wie auch die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG schützen ihre Grundrechtsträger zuvörderst gegen staatlichen Zwang,280 der im Falle der Rating-Agenturen in unterschiedlichen Formen denkbar ist: Zum einen geht es um gesetzliche oder untergesetzliche Zulassungs- und Registrierungserfordernisse, die bislang allerdings nicht im deutschen nationalen Recht, sondern seit 2010 in Gestalt der EG-RatingVO auf unionsrechtlicher Ebene bestehen;281 sie werden in § 22 näher untersucht. Zum anderen verleiht § 17 WpHG der BaFin die Kompetenz zur Überwachung bestimmter Aspekte der EG-RatingVO und ihrer Durchsetzung, die in § 39 Abs. 2b WpHG durch Ordnungswidrigkeitstatbestände flankiert wird – freilich bezieht sich die Zuständigkeit der BaFin seit 2011 vor allem auf die Unterstützung der ESMA282 und die (ratingbezogene) Überwachung sonstiger regulierter Marktteilnehmer,283 sodass diesbezügliche Maßnahmen der deutschen Exekutive selten in das Grundrecht der Pressefreiheit der Rating-Agenturen eingreifen werden. Daneben ist allerdings stets der Erlass sonstiger belastender Vorgaben durch deutsche Staatsorgane denkbar, bei denen der Institutionsschutz der Rating-Agenturen relevant würde. Sowohl Presse- als auch Meinungsfreiheit können gemäß Art. 5 Abs. 2 GG freilich durch „allgemeine Gesetze“ eingeschränkt werden; das deutsche Verfassungsrecht nimmt seinem Wortlaut nach also eine Position zwischen den strikter formulierten Kommunikationsfreiheiten der U.S.-amerikanischen Verfassung („Congress shall make no law“)284 und ihrem im ersten Zugriff weniger strengen Äquivalent in der EMRK ein, die eine Einschränkung auch durch nicht-„allgemeine“ Gesetze zulässt.285 Da allgemeine Gesetze i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ihrerseits bestimmten Anforderungen zu genügen haben, ist auch die staatliche Regulierung von Rating-Agenturen, wie noch zu zeigen sein wird,286 280 Im Zusammenhang mit der Regulierung des Ratingwesens Deipenbrock, WM 2005, 261, 262; Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1533 sowie allgemein BVerfG, 25.1.1984, BVerfGE 66, 116, 133 („Wallraff“). 281 Die Rechtmäßigkeit dieser unionsrechtlichen Regelungen ist nicht am deutschen Verfassungsrecht, sondern am unter III. bereits erörterten höherrangigen Unionsrecht zu messen (zweifelhaft deshalb A. Witte, WM 2011, 2253, 2256 ff.). 282 Vgl. etwa Art. 23c Abs. 4 Satz 2 EG-RatingVO sowie die generelle Delegationsbefugnis des Art. 30 EG-RatingVO, der die ESMA zur Übertragung spezifischer Aufsichtsaufgaben auf nationale Behörden ermächtigt. 283 So bezüglich der Pflichten von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen etc. bei der aufsichtsrechtlichen Verwendung von Ratings (Art. 4 EG-RatingVO); missverständlich daher Bauer, BB 2013, 363. 284 Zum Wortlaut des First Amendment bereits oben II 1, 2 a) (meine Hervorhebung). 285 Art. 10 Abs. 2 EMRK. Siehe im Einzelnen schon oben III 2 a), dort auch zur Geltung dieser Schrankenregelung im Anwendungsbereich des Art. 11 GR-Charta. 286 Siehe § 22 II 3.
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im Ergebnis sehr ähnlichen Rechtfertigungsbedürfnissen unterworfen wie nach den anderen hier untersuchten Rechtsordnungen. b) Schutz vor Schadensersatzhaftung Soweit es um Eingriffe durch private Dritte (wie etwa in Form zivilrechtlicher Schadensersatzklagen) geht, bieten dagegen weder die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG noch das subjektive Recht eines Presseunternehmens aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG den Rating-Agenturen einen Schutz, der mit dem „actual malice“-Standard des U.S.-amerikanischen Rechts vergleichbar ist;287 eine solche unmittelbare Drittwirkung der Pressefreiheit auch für das Verhältnis unter Privaten – das Bundesverfassungsgericht spricht von einer „der Staatsgerichtetheit entsprechenden ‚Dritt-Gerichtetheit‘“288 – ist im deutschen Verfassungsrecht bislang nicht anerkannt.289 Zahlreiche gesetzliche Haftungsregelungen wie namentlich §§ 823 Abs. 1, 824, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gehören vielmehr gerade zu den allgemeinen Gesetzen, die unstreitig die Meinungs- wie auch die Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 2 GG begrenzen.290 Allerdings wirkt sich die institutionelle Garantie der Presse, die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ebenfalls geschützt wird, im Sinne einer mittelbaren Drittwirkung dergestalt aus, dass die Pressefreiheit im Rahmen der Auslegung von Normen des bürgerlichen Rechts (vor allem seiner Generalklauseln) beachtet werden muss.291 Ein entsprechender Einfluss zugunsten der Rating-Agenturen folgt aber vor allem aus der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), der der Schutz einzelner Äußerungen von Presseunternehmen (und daher auch der Ratings der Rating-Agenturen) zugewiesen ist.292 Letzteres Grundrecht hat in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung nicht zuletzt dort erhebliche Bedeutung erlangt, wo es um die Haftung für Warentests,293 also funktionell den Ratings durchaus vergleichbare (weil ebenfalls „codierte“) Marktinformationen ging. Die konkreten Aus-
287 Blaurock, ZGR 2007, 603, 631; Däubler, BB 2003, 429, 431; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 202. 288 BVerfG, 25.1.1984, BVerfGE 66, 116, 135 („Wallraff“). 289 BVerfG, 25.1.1984, BVerfGE 66, 116, 135 („Wallraff“); Bullinger, in: HStR VII, § 163 Rn. 19. 290 BGH, 11.3.2008, NJW 2008, 2110, 2112 („Gen-Milch“). 291 BVerfG, 25.1.1984, BVerfGE 66, 116, 138 („Wallraff“); BVerfG, 14.1.1998, BVerfGE 97, 125, 145 („Caroline von Monaco“); Bullinger, in: HStR VII, § 163 Rn. 19. 292 Spezifisch zu Rating-Agenturen Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Peters, Haftung und Regulierung, S. 61; allgemein BVerfG, 9.10.1991, BVerfGE 85, 1, 20 („Kritische Bayer-Aktionäre“); BGH, 3.2.2009, ZIP 2009, 765, 766 („Fraport-Manila-Skandal“). 293 Vgl. BGH, 9.12.1975, BGHZ 65, 325, 331 („Stiftung Warentest II“): „Die Bedeutung des in Art. 5 Abs. 1, 2 GG gewährleisteten Grundrechts darf […] nicht zu gering eingeschätzt werden …“; BGH, 21.2.1989, NJW 1989, 1923 („Stiftung Warentest V“): „… ein erheblicher Entscheidungsfreiraum einzuräumen, weil nur das der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG für derartige Veröffentlichungen […] entspricht und nur so der Gefahr entgegengewirkt werden kann, daß vergleichende Warentests […] von vornherein unterbleiben.“ Der BGH zitiert dabei in seiner „Warentest“-Rechtsprechung stets unspezifisch Art. 5 Abs. 1 GG, ohne jemals klarzustellen, ob er sich damit auf das Grundrecht der Meinungs- oder aber der Pressefreiheit bezieht.
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wirkungen dieses mittelbar wirkenden Institutionsschutzes sollen bei Erörterung der Haftung der Rating-Agenturen im Einzelnen beleuchtet werden.294 Auch das deutsche Recht ist dabei durchaus bereit, die Ansprüche privater Geschädigter zum Schutz der Institution der Presse maßgeblich einzuschränken: So stellte das Bundesverfassungsgericht schon in den 1970er Jahren zu einer auf § 823 Abs. 1 BGB gestützten Schadensersatzklage gegen ein Presseunternehmen fest, dass die „Verhängung übermäßig strenger Sanktionen, zu denen unter Umständen auch unvorhersehbar hohe Schadensersatzansprüche gehören könnten, […] die Pressefreiheit verfassungswidrig einschränken“ würde,295 und auch in zivilgerichtlichen Entscheidungen hat die drohende Beeinträchtigung der Pressefreiheit eine Rolle gespielt.296 Häufiger wird die Vermeidung einer übermäßigen Haftung allerdings innerhalb der Vertragsauslegung berücksichtigt, wo dann – ohne Erwähnung der Pressefreiheit – auf die andernfalls drohende, „unabsehbare“ Haftung von Informationsintermediären verwiesen wird.297 Beide Begründungsstränge lassen sich im Ergebnis auf den Gedanken zurückführen, dass die Information der Öffentlichkeit gefährdet wäre, wenn die Informationstätigkeit privater Unternehmen potentiell erhebliche Haftungsrisiken mit sich brächte und es folglich der wirtschaftlichen Vernunft entspräche, von der Publikation kontroverser Einschätzungen von vornherein abzusehen – der „chilling effect“, dessen Vermeidung auch in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung im Vordergrund steht.
V. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im Schweizer Recht Auch das geltende Schweizer Verfassungsrecht enthält in Gestalt der Medienfreiheit298 sowie der Meinungsfreiheit299 zwei Grundrechte, deren Schutzwirkung zugunsten der Rating-Agenturen im Schrifttum diskutiert wird. Da die Schweiz zudem Vertragsstaat der EMRK ist, kommt daneben auch die Anwendung des bereits behandelten Art. 10 EMRK in Frage, dessen Verhältnis zu den Grundrechten der schweizerischen Bundesverfassung freilich umstritten ist: Während unter der alten Bundesverfassung von 1874 davon ausgegangen wurde, dass der Schutzgehalt des Art. 10 EMRK in Übereinstimmung mit den geschriebenen und ungeschriebenen300 Grundrechten des schweizerischen Verfassungsrechts zu be294
Siehe unten §§ 26 ff. BVerfG, 14.2.1973, BVerfGE 34, 269, 285 („Soraya“); vgl. auch Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 25. 296 So etwa in BGH, 6.4.1976, BGHZ 66, 182, 196 („Fall Bittenbinder“): „Die Gefahr solcher Belastung müßte nämlich für die freie Rede in Presse, Rundfunk und Fernsehen, insbesondere im Blick auf ihre Aufgabe zur kritischen Haltung gegenüber all den Machtstrukturen, die in der modernen Gesellschaft auftreten, nachteilige Auswirkungen haben …“. 297 Siehe dazu noch näher in § 30. 298 Art. 17 BV; dazu unter 1 a). 299 Art. 16 BV; dazu unter 1 b). 300 Die BV a.F. enthielt in Art. 55 zwar eine Regelung der Pressefreiheit, sah jedoch kein ausdrückliches Recht auf freie Meinungsäußerung vor (zu den historischen Hintergründen Riklin, Schw. Presserecht, § 3 Rn. 10 f.). Das Bundesgericht hatte die allgemeine Meinungsäußerungsfrei295
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stimmen sei und folglich jedenfalls keinen über jene hinausgehenden Schutz gewähren konnte,301 soll die seit 2000 geltende reformierte Bundesverfassung dagegen im Lichte der EMRK zu konkretisieren sein, weil man sich bei Normierung der neuen Kommunikationsgrundrechte in besonderem Ausmaß an der EMRK ausgerichtet hat.302 Man wird daher anzunehmen haben, dass Art. 10 EMRK, sofern notwendig, zur Interpretation der Artt. 16 f. BV herangezogen werden kann.
1. Die Rating-Agenturen und die Medien- und Meinungsfreiheit der Bundesverfassung Die Medienfreiheit der reformierten BV wird dabei von der h.M. als lex specialis zum Auffanggrundrecht der Meinungsfreiheit angesehen303 und ist folglich zuvörderst zu behandeln. a) Schutz durch die Medienfreiheit (Art. 17 BV) Das Grundrecht der Pressefreiheit, das gemäß Art. 17 Abs. 1 BV als Teil der umfassenderen Medienfreiheit geschützt wird,304 zeichnet sich dabei auch nach Schweizer Verständnis dadurch aus, dass der rechtliche Pressebegriff viel weiter reicht als der umgangssprachliche.305 Er wird daher insbesondere nicht auf Zeitungen und Zeitschriften im überkommenen Sinn beschränkt, sondern am Zweck der Presse ausgerichtet, der nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung darin besteht, „dem Leser bestimmte, die Allgemeinheit interessierende Tatsachen zur Kenntnis zu bringen, ihn über politische, ökonomische, wissenschaftliche, literarische und künstlerische Ereignisse aller Art zu orientieren, über Fragen von allgemeinem Interesse einen öffentlichen Meinungsaustausch zu provozieren, in irgendeiner Richtung auf die praktische Lösung eines die Öffentlichkeit beschäftigenden Problems hinzuwirken, über die Staatsverwaltung und insbesondere über die Verwendung der öffentlichen Gelder Aufschluss zu verheit301jedoch als ungeschriebenes Verfassungsrecht anerkannt; so erstmals in BGer, 3.5.1961, BGE 87 I, 114, 117; später sodann BGer, 8.3.1978, BGE 104 Ia, 88, 92; BGer, 12.11.1986, BGE 112 Ia, 398, 410. 301 BGer, 8.3.1978, BGE 104 Ia, 88, 91 f.: „Wie das Bundesgericht […] ausgeführt hat, übernimmt und entwickelt die EMRK Bestimmungen weiter, die zahlreiche Staatsverfassungen im Rahmen der Freiheitsrechte gewährleisten oder die die Vertragsstaaten als ungeschriebene Verfassungsrechte anerkennen. Das bedeutet, dass die von der Konvention geschützten Rechte in Verbindung mit den entsprechenden Individualrechten unseres geschriebenen und ungeschriebenen Verfassungsrechts zu bestimmen sind“; BGer, 25.11.1982, BGE 108 Ia, 316, 318; BGer, 2.11.1999, BGE 125 I 417, 420 E. 3a; Ehrenzeller u.a./Burkert, Art. 17 Rn. 2; Riklin, Schw. Presserecht, § 3 Rn. 11 Fn. 14. 302 So Ehrenzeller u.a./Burkert, Art. 17 Rn. 2; Rhinow, Bundesverfassung 2000, S. 119; ders., Grundzüge, Rn. 1421. 303 BGer, 27.6.2001, BGE 127 I, 145, 151; Ehrenzeller u.a./Kley/Tophinke, Art. 16 BV Rn. 3; Rhinow, Bundesverfassung 2000, S. 118; ders., Grundzüge, Rn. 1416. 304 Rhinow, Bundesverfassung 2000, S. 121. 305 Nobel/Weber, Medienrecht, 2. Kap. Rn. 117.
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langen, allfällige Missbräuche im Gemeinwesen aufzudecken“.306 Diese allgemein gehaltene Formel hat das Bundesgericht später jedoch dahingehend präzisiert, dass Schutzobjekte der Pressefreiheit nur diejenigen Arten von Druckschriften seien, „die einen ideellen Gehalt aufweisen“,307 weshalb kommerzielle Äußerungen (wie etwa Werbung) allein durch die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) geschützt seien.308 Die aus dem U.S.-amerikanischen Recht bekannte Frage nach dem Umgang mit commercial speech kehrt hier also wieder,309 wird in der Schweiz aber gegen einen Presseschutz entschieden. Diese Haltung hat in der Schweizer Literatur vielfältige Kritik erfahren,310 und es erscheint zumindest fraglich, ob sie unter der reformierten BV unverändert beizubehalten oder nicht vielmehr im Lichte des Art. 10 EMRK zu lockern ist.311 Im Falle der RatingAgenturen sollte diese Frage jedoch letztlich offen bleiben können, weil Ratings aus den bereits im Text dargelegten Gründen zweifelsohne Fragen von allgemeinem Interesse betreffen und insofern einen „ideellen Gehalt“ aufweisen. In Anknüpfung an die bundesgerichtliche Formel gilt dies nicht zuletzt deshalb, weil Ratings sich maßgeblich auf die Verwendung der öffentlichen Gelder durch die Staatsverwaltung auswirken, beeinflussen sie doch die Höhe der auf Staatsanleihen zu zahlenden Zinsen und damit den Betrag, der aus Steuergeldern für den Schuldendienst verwandt werden muss.312 Da die Rating-Agentur zudem durch ihre Publikationen selbst keine Finanzinstrumente bewirbt oder sonst auf wirtschaftliche Transaktionen hinwirkt, wird die Publikation von Ratings daher in sachlicher Hinsicht durch Art. 17 BV erfasst. Presseerzeugnisse müssen zudem auch nach Schweizer Verfassungsrecht für die Öffentlichkeit bestimmt sein,313 wobei die Größe des Leserkreises jedoch stark variieren kann; Mindestauflageerfordernisse bestehen nicht.314 Da insoweit 306 BGer, 20.9.1911, BGE 37 I 381, 388; BGer, 21.3.1969, BGE 95 II 481, 492 E. 7 („Club Medityrannis“) jeweils zu Art. 55 BV a.F. 307 BGer, 24.6.1970, BGE 96 I 586 E. 3c („Aleinick“) zu Art. 55 BV a.F.; BGer, 20.3.2002, BGE 128 I 295, 308 E. 5a zu Art. 17 BV; von Büren/Bürgi, SZW/RSDA 1999, 283, 295; Rhinow, Grundzüge, Rn. 1482. 308 BGer, 20.3.2002, BGE 128 I 295, 308 E. 5a. Zustimmend Ehrenzeller u.a./Kley/Tophinke, Art. 16 BV Rn. 3; Müller/Schefer, Grundrechte in der Schweiz, S. 366; kritisch Rhinow, Grundzüge, Rn. 1447: „heikle Abgrenzungsprobleme“. 309 So ausdrücklich Rhinow, Grundzüge, Rn. 1447. 310 Vgl. Ehrenzeller u.a./Burkert, Art. 17 BV Rn. 14; Malinverni, in: Merten/Papier, Hdb. der Grundrechte, § 216 Rn. 35; Nobel/Weber, Medienrecht, 2. Kap. Rn. 124; Rhinow, Grundzüge, Rn. 1505. 311 In letzterem Sinne Rhinow, Grundzüge, Rn. 1447. Das Bundesgericht hat seine Rspr. jedoch unverändert fortgeführt; vgl. BGer, 20.3.2002, BGE 128 I 295, 308 E. 5a, wo klargestellt wird, dass auch Werbung mit „ideellem“ Aussagegehalt erst dann unter Art. 17 BV fällt, wenn dieser Gehalt überwiegt. 312 Zusätzlich mag man argumentieren, dass an Informationen über börsennotierte Unternehmen regelmäßig ein öffentliches Interesse bestehen wird; vgl. in diesem Sinne Auf der Maur, in: Glasser, Int. Libel and Privacy Hdb., S. 388, 395. 313 BGer, 24.6.1970, BGE 96 I 586 E. 3b („Aleinick“) zu Art. 55 BV a.F. 314 Nobel/Weber, Medienrecht, 2. Kap. Rn. 118; Riklin, Schw. Presserecht, S. 39; Schefer, Grundrechte in der Schweiz, S. 155.
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ein Verteilen an die Angestellten und Arbeiter einer Fabrik ebenso für ausreichend erachtet wird315 wie der rechtsvergleichend geradezu klassische Testfall der Schülerzeitung,316 greift die Medienfreiheit auch dann ein, wenn und soweit eine Rating-Agentur ihre Ratingpublikationen auch oder sogar ausschließlich an Abonnenten vertreibt. Eine Grenze wird allerdings dort gezogen, wo der Adressatenkreis einer Publikation von vornherein bestimmt ist317 – die Erstellung rein „privater“ Ratings, die für den Zweck einer Privatplatzierung ausschließlich einem feststehenden, namentlich bekannten Investorenkreis zugänglich gemacht werden, dürfte daher auch nach schweizerischem Verfassungsrecht nicht als Presse angesehen werden. Nach überwiegender Ansicht im schweizerischen Schrifttum werden RatingAgenturen damit im Ergebnis durch Art. 17 BV geschützt,318 und auch für Finanzanalysten ist Entsprechendes anerkannt.319 Das schweizerische Verfassungsrecht erstreckt den Schutz seiner Medienfreiheit dabei zudem – anders als das deutsche Recht320 – auch auf Ausländer und ausländische Presseerzeugnisse321 und ermöglicht erst so in der Praxis die Erfassung von Ratings, weil der Schweizer Markt überwiegend durch ausländische Rating-Agenturen abgedeckt wird, die in der Schweiz weder Tochtergesellschaften noch Zweigniederlassungen unterhalten. b) Schutz durch die Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV) Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst die Gesamtheit der Mitteilungen menschlichen Denkens und alle möglichen Kommunikationsformen,322 sofern die übermittelte Äußerung nur einen „ideellen Gehalt“ aufweist,323 was auf Ratings – wie zu Art. 17 BV erläutert – nach hier vertretener Ansicht zutrifft. Deren auch in der Schweiz umstrittene Qualifikation als Meinungs- oder Tatsachenäußerung324 315
BGer, 24.6.1970, BGE 96 I 586 E. 3b („Aleinick“). BGer, 24.5.1978, ZBl 1978, 505; Nobel/Weber, Medienrecht, 2. Kap. Rn. 118. 317 BGer, 18.5.1956, BGE 82 IV 71, 80 E. 4; BGer, 14.5.2002, BGE 128 IV 53, 65 f. E. 5c („Giroud“): „un écrit est déjà publié lorsqu’il n’est répandu que dans un cercle limité, à condition qu’il ne soit pas remis seulement à des personnes déterminées mais, à l’intérieur du cercle, à quiconque s’y intéresse“ (jeweils zu Art. 27 ZGB); Schefer, Grundrechte in der Schweiz, S. 155. 318 Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 145; ebenso (noch zu Art. 55 BV a.F.) Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 105; a.A. Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 534. 319 Hartmann, Rechtsstellung der Finanzanalysten, S. 39; Kley, Die Medien im neuen Verfassungsrecht, in: Zimmerli, BTJP 1990, S. 183, 194. 320 Oben IV 1 b). 321 Ehrenzeller u.a./Burkert, Art. 17 BV Rn. 24; Nobel/Weber, Medienrecht, 2. Kap. Rn. 126; Rhinow, Grundzüge, Rn. 1423; ebenso schon zu Art. 55 BV a.F. (statt aller) Riklin, Schw. Presserecht, § 3 Rn. 145 m.w.N. 322 BGer, 2.11.1999, BGE 125 I 417, 420 E. 3a; BGer, 27.6.2001, BGE 127 I, 145, 152. 323 BGer, 2.11.1999, BGE 125 I 417, 420 E. 3a; BGer, 20.3.2002, BGE 128 I 295, 308 E. 5a. 324 Für die Einordnung von Ratings als Meinungsäußerung Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 145; teilweise a.A. Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 57. 316
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spielt für den verfassungsrechtlichen Schutz keine entscheidende Rolle, weil Art. 16 BV in Gestalt der aktiven Informationsfreiheit325 auch Tatsachendarstellungen schützt;326 sie wirkt sich daher erst auf einfachgesetzlicher Ebene im Zusammenhang mit der Haftung für Äußerungen aus.327
2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Medien- und Meinungsfreiheit a) Schutz vor staatlicher Regulierung Die Presse- wie auch die Meinungsäußerungsfreiheit fungieren auch in der Schweiz traditionell vorrangig als Abwehrrechte gegen Eingriffe des Staates.328 Die Medienfreiheit des Art. 17 BV erstreckt seinen Schutz insoweit auf die gesamte Herstellung und öffentliche Verbreitung von Presseerzeugnissen329 und wird in der Literatur darüber hinaus als institutionelles Grundrecht zugunsten der Presse verstanden.330 Der hier verwandte Begriff des „Institutionsschutzes“ spiegelt damit auch das schweizerische Verständnis der verfassungsrechtlichen Schutzwirkung wider. Allerdings gelten die Pressefreiheit und die Meinungsäußerungsfreiheit der Schweizer Bundesverfassung nicht unbegrenzt. Ihre Einschränkung ist gemäß Art. 36 BV zulässig, sofern diese auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismäßig ist,331 ohne dass es sich etwa um ein „allgemeines“ Gesetz (wie nach Art. 5 Abs. 2 GG) handeln müsste. Der Schutz der Grundrechtsträger vor gesetzlicher Regulierung vollzieht sich daher im Wesentlichen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, innerhalb derer das Bundesgericht tendenziell jedoch nur geringe Anforderungen an die Rechtfertigung einschränkender Bestimmungen stellt,332 obgleich es stets die Bedeutung der Meinungsäußerungs- und vor allem der Pressefreiheit für die öffentliche Meinungsbildung und die öffentliche Kontrolle betont hat.333 Im Ergebnis hat diese Haltung der Rechtsprechung bereits dazu geführt, dass die Schweiz durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verstoßes gegen Art. 10 EMRK verurteilt wurde.334 Dass dieser Aufsehen erregende 325 326
Art. 16 Alt. 3 BV. BGer, 2.3.1987, BGE 113 Ia 309, 319 E. 5a; Ehrenzeller u.a./Kley/Tophinke, Art. 16 BV
Rn. 5. 327
Siehe § 28 II. Nobel/Weber, Medienrecht, 2. Kap. Rn. 106. 329 Malinverni, in: Merten/Papier, Hdb. der Grundrechte, § 216 Rn. 43; Müller/Schefer, Grundrechte in der Schweiz, S. 438; Nobel/Weber, Medienrecht, 2. Kap. Rn. 117. 330 Riklin, Schw. Presserecht, § 3 Rn. 16 m.w.N. (zu Art. 55 BV a.F.); a.A. Nobel/Weber, Medienrecht, 2. Kap. Rn. 120. 331 Siehe auch BGer, 2.3.1987, BGE 113 Ia 309, 317 E. 4b m. zahlr. Rechtsprechungsnachw. 332 Vgl. in diesem Sinne etwa BGer, 25.2.1994, BGE 120 II 76, 82 E. 5c („Mikrowellenherd I“). 333 BGer, 2.3.1987, BGE 113 Ia 309, 318 E. 4b. 334 Nämlich in EGMR, 25.8.1998 – Hertel ./. Schweiz, GRUR Int. 1999, 156, 161 („Mikrowellenherd“) wegen einer mit Art. 10 EMRK unvereinbaren Anwendung des schweizerischen UWG. 328
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Vorgang zu strengeren Anforderungen an Grundrechtseinschränkungen geführt hätte, ist bislang freilich nicht ersichtlich.335 Soweit die staatliche Regulierung von Rating-Agenturen betroffen ist, sollten jedenfalls strikte Maßstäbe angelegt werden, weil die öffentliche Hand auch in der Schweiz der größte Anleihenemittent ist336 und daher der Gefahr einer Regulierung im eigenen wirtschaftlichen Interesse vorgebeugt werden muss. Von Vorteil ist dabei, dass die Kommunikationsgrundrechte der reformierten Bundesverfassung grundsätzlich auch Schutz gegen mittelbare Eingriffe bieten, also staatliche Verhaltensweisen, die sich nur indirekt auf die Ausübung der Grundrechte auswirken.337 Bedeutung erlangt dies vor allem bei der Beurteilung von Zulassungserfordernissen, die Rating-Agenturen ihre Tätigkeit zwar nicht pauschal verbieten, diese aber von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig machen: In Konstellationen wie dieser bedarf es schon der Verhinderung einer vorauseilenden Rücksichtnahme auf behördliche Präferenzen, also eines „chilling effect“, wie dies in Anlehnung an die U.S.-amerikanische Rechtsprechung zum First Amendment auch im schweizerischem Schrifttum338 bezeichnet wird.
b) Schutz vor Schadensersatzhaftung Darüber hinaus erstreckt sich die Schutzwirkung der Presse- und Meinungsfreiheit auch auf das Verhältnis des Grundrechtsträgers zu privaten Dritten, und damit auf Fälle der zivilrechtlichen Schadensersatzhaftung. Es handelt sich allerdings auch hier – vergleichbar dem deutschen Verfassungsrecht – um keine unmittelbare, sondern eine mittelbar Drittwirkung der Grundrechte,339 die sich im Wege der verfassungskonformen Auslegung des einfachgesetzlichen Rechts vollzieht.340 Den Rating-Agenturen werden in diesem Wege jedoch, anders als im U.S.-amerikanischen Recht, keine generellen Haftungsprivilegien eingeräumt,341 sondern es bleibt bei der Berücksichtigung ihres verfassungsrechtlichen Institutionsschutzes im Rahmen (vor allem) der Auslegung generalklauselartiger Tatbestände342 sowie einzelner spezialgesetzlicher Klauseln, die dem Schutz von Presseunternehmen dienen.343 Die schweizerische Rechtsprechung hatte bislang noch 335 So ist das BGer in seiner Folgeentscheidung um EGMR-Urteil (BGE 125 III 185) kaum von der kritisierten Haltung abgerückt; aus der Literatur ebenso von Büren/Bürgi, SZW/RSDA 1999, 283, 299. 336 Taisch, Finanzmarktrecht, Kap. 6 Rn. 26. 337 Rhinow, Grundzüge, Rn. 1438. 338 Rhinow, Grundzüge, Rn. 1439; Müller/Schefer, Grundrechte in der Schweiz, S. 375. 339 BGer, 16.3.1978, BGE 104 IV 11, 14 E. 1c (zur Pressefreiheit); BGer, 23.5.1975, BGE 101 IV 167, 172 E. 5 (zur Meinungsfreiheit); CHK/Aebi-Müller, Art. 28 ZGB Anm. 34; Ehrenzeller u.a./ Burkert, Art. 17 BV Rn. 27; Nobel/Weber, Medienrecht, 2. Kap. Rn. 131. 340 BGer, 7.11.1997, BGE 123 IV 211, 216 E. 3b („Rinderwahnsinn“); BGer, 22.6.2006, BGE 132 III 641, 648 E. 5.2 („Chefarzt“): Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung des Bundesrechts als „allgemein gültiger Grundsatz“; Müller/Schefer, Grundrechte in der Schweiz, S. 394. 341 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 105; Schürmann/Nobel, Medienrecht, § 5 I. 342 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 79. 343 Vgl. dazu namentlich § 28 II.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
keine Gelegenheit, spezifisch zur Haftung von Rating-Agenturen Stellung zu nehmen, hat der Pressefreiheit jedoch in der Vergangenheit eine nur geringe Auswirkung auf die private Haftung von Presseunternehmen (nach Ansicht des EGMR: eine zu geringe Auswirkung344) beigemessen.
VI. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im Recht Hongkongs Der Schutz der Pressefreiheit und der Freiheit der Meinungsäußerung wird in der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong durch Regelungen des Hongkonger Rechts garantiert, die schon zur Zeit des Territoriums als britische Kronkolonie geschaffen wurden und deren Fortgeltung durch das Hongkonger Grundgesetz (Basic Law) garantiert wird;345 die Rechtslage unterscheidet sich insoweit also tiefgreifend von derjenigen in den übrigen Teilen der Volksrepublik China. Ob sich aus den Kommunikationsgrundrechten der Hongkonger Regionalverfassung ein Institutionsschutz zugunsten von Rating-Agenturen ableiten lässt und welchen Inhalt dieser hat, ist im Schrifttum bislang nur vereinzelt thematisiert worden;346 die diesbezügliche Diskussion steht noch ganz am Anfang.
1. Der Schutz der Presse und der Meinungsäußerung im Hongkonger Verfassungsrecht Die Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit werden in Hongkong durch zwei Rechtsakte geschützt, die gemeinsam die Grundrechtsordnung der heutigen Sonderverwaltungsregion bilden,347 nämlich einerseits die Bill of Rights Ordinance,348 die den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR)349 344 So EGMR, 25.8.1998 – Hertel ./. Schweiz, GRUR Int. 1999, 156, 160 („Mikrowellenherd“): „… Durch die [gerichtliche Unterlassungs-]Verfügung wurden somit die Arbeit des Bf. teilweise zensiert und seine Möglichkeiten, Ansichten, die in einer unbestreitbar existierenden Diskussion ihren Platz haben, öffentlich zu äußern, wesentlich beschnitten.“ 345 Art. 8 Basic Law. Zudem garantiert Art. 5 Basic Law, dass „[t]he socialist system and policies shall not be practised in the Hong Kong Special Administrative Region, and the previous capitalist system and way of life shall remain unchanged for 50 years.“ 346 So durch Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 401; Arner/Hsu/Da Roza/Da Roza/Johnstone/Lejot, AIIFL Working Paper Nr. 4 (Feb. 2009), S. 86 f. 347 Ghai, Freedom of Expression, S. 369. Die Geltung der EMRK wurde hingegen bei seiner Ratifikation im Jahre 1951 durch das Vereinigte Königreich zwar auf sieben seiner damaligen überseeischen Hoheitsgebiete erstreckt, aber bewusst nicht auf die Kronkolonie Hongkong; vgl. Cheung, Press Freedom in Hong Kong, S. 71 Fn. 6. 348 Hong Kong Bill of Rights Ordinance (Cap. 383), die in ihrem § 8 den eigentlichen Hong Kong Bill of Rights einführt. 349 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966. Die Volksrepublik China ist dem Pakt bislang nicht als Vertragsstaat beigetreten, hat dem Depositar des Übereinkommens aber bei (Wieder-)Übernahme der Souveränität über Hongkong am 1. Juli 1997 mitgeteilt, dass der Pakt weiterhin auf Hongkong Anwendung findet.
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in Hongkong umsetzt,350 und andererseits das Basic Law, das zeitgleich mit der Rückgabe Hongkongs an die Volksrepublik China am 1. Juli 1997 in Kraft trat. Das Basic Law enthält einen eigenen Grundrechtsteil und erhebt zudem die Bestimmungen des ICCPR durch eine Verweisnorm in den Verfassungsrang.351 Eine ausdrückliche Garantie der Meinungsäußerungsfreiheit wurde in Hongkong erstmals 1991 durch den Hong Kong Bill of Rights eingeführt,352 der jedoch unter bestimmten Voraussetzungen eine Einschränkung dieses Grundrechts durch einfaches Gesetz gestattet.353 Eine separate Normierung der Pressefreiheit gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.354 Diese besteht erst seit Inkrafttreten des Basic Law, welches in seinem Art. 27355 explizit auch die Pressefreiheit garantiert. In der Hongkonger Rechtsprechung hat gleichwohl lange fast ausschließlich die Meinungsfreiheit nach dem Hong Kong Bill of Rights eine Rolle gespielt,356 unter deren Schutz auch die institutionellen Aspekte der Presse gestellt werden. Erst in jüngerer Zeit hat das höchste Gericht Hongkongs die „essentielle Bedeutung“ der Meinungsfreiheit nach dem Basic Law für die Hongkonger Zivilgesellschaft hervorgehoben.357 Während die Erfassung von Ratingveröffentlichungen durch die Meinungsäußerungsfreiheit in Hongkong keine Schwierigkeiten bereiten dürfte,358 weil die betreffenden Grundrechtsnormen nicht auf „Meinungen“ beschränkt, sondern umfassender formuliert sind,359 ist der sachliche Anwendungsbereich des Schutzes der Presse bislang kaum thematisiert worden. Diskutiert wird allein die international nahezu überall umstrittene Behandlung von commercial speech, die man im Hongkonger Schrifttum als mitgeschützt einordnet360 – bei Ratings spricht jedoch nach hier vertretener Ansicht ohnehin viel dafür, diese nicht als Fälle rein kommerzieller Äußerungen einzustufen. Damit stimmt überein, dass Finanz350 Keller, 27 Tex. Int’l L.J. (1992), 371, 385. Die Einführung der Bill of Rights Ordinance in Hongkong war eine unmittelbare Reaktion auf den Vorfall auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking 1989; vgl. Cheung, Press Freedom in Hong Kong, S. 81. 351 Art. 39 Abs. 1 Basic Law. Vgl. The Stock Exchange of Hong Kong Ltd v. New World Development Co. Ltd and Others, 6.4.2006, [2006] HKCFA 44, Tz. 62: „gives constitutional status to […] the ICCPR“. 352 Art. 16 Abs. 2 Hong Kong Bill of Rights. 353 Art. 16 Abs. 3 Hong Kong Bill of Rights. 354 Cheung, Press Freedom in Hong Kong, S. 71; Ghai, Hong Kong’s New Constitutional Order, S. 430. 355 Art. 27 Basic Law: „Hong Kong residents shall have freedom of speech, of the press and of publication; freedom of association, of assembly, of procession and of demonstration; and the right and freedom to form and join trade unions, and to strike.“ 356 Kritisch dazu Cheung, Press Freedom in Hong Kong, S. 107 ff. 357 Cheng v. Tse Wai Chun, 13.11.2000, [2000] 3 HKLRD 418, Tz. 2 (per Li CJ): „The freedom of speech (or the freedom of expression) is a freedom that is essential to Hong Kong’s civil society. It is constitutionally guaranteed by the Basic Law (Article 27).“ 358 Unentschieden Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 401: „It is unknown whether or not CRAs are protected when providing credit ratings for payment.“ 359 Art. 16 Abs. 2 Hong Kong Bill of Rights schützt die freedom of expression, Art. 27 Basic Law die freedom of speech. 360 Edwards, HK Lawyer (Aug. 1996), 20; Ghai, Freedom of Expression, S. 369, 390.
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nachrichten über börsennotierte Unternehmen in Hongkong generell als matters of public interest betrachtet werden.361 Im Übrigen steht zu erwarten, dass sich die Hongkonger Gerichte bei der Grundrechtsauslegung weiterhin an der Rechtsprechung zu Art. 10 EMRK orientieren werden,362 auf die insoweit verwiesen werden kann.363 Der personelle Anwendungsbereich der Hongkonger Kommunikationsgrundrechte ist allerdings uneinheitlich ausgestaltet, weil die Meinungsfreiheit nach dem Hong Kong Bill of Rights zwar jedermann,364 ihr Gegenstück nach dem Basic Law dagegen nur „Hong Kong residents“365 schützt, sodass sich auf letztgenannte Rechtsgrundlage auch nur in Hongkong selbst ansässige Rating-Agenturen berufen können.366
2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Presse- und Meinungsfreiheit a) Schutz vor staatlicher Regulierung Die Konkretisierung der Rechtsfolgen des noch jungen ausdrücklichen Grundrechtsschutzes war in Hongkong anfangs mit erheblichen Unsicherheiten verbunden, hatte diese Rechtsordnung doch bislang keine Erfahrungen mit materiellen Rechtsgrundsätzen, die geschriebenen Gesetzen wie fortgeltendem Common Law im Rang übergeordnet sind. Die langjährige Prägung durch ein koloniales Rechtssystem, das die Exekutiv- und Legislativmacht keinen nennenswerten Schranken unterwarf, führte gerade innerhalb der Hongkonger Richterschaft anfänglich zu einer Skepsis gegenüber Normen, die die Bevölkerung gegen den Staat und sogar die Gesetzgebung schützen sollen.367 Schon nach kurzer Eingewöhnungsphase begann die Rechtsprechung jedoch, dem Hong Kong Bill of Rights zu praktischer Wirksamkeit zu verhelfen: So entschied sie, dass die darin vorgesehenen Gesetzesvorbehalte, denen auch die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit unterliegt,368 nicht jede Einschränkung durch Gesetz genügen lassen, sondern zudem implizit die Verhältnismäßigkeit der Einschränkung voraussetzen.369 Damit hatte in der Sache der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in das Hongkonger Recht Einzug gehalten, der dem Common Law hingegen traditionell fremd ist.370 Darüber hinaus nahm die Rechtsprechung schon bald eine Befugnis aller (auch der unterinstanzlichen) Gerichte an, jedes Gesetz und jeden Exekutivakt, der mit 361
Davis, in: Glasser, Int. Libel and Privacy Hdb., S. 112, 121. Vgl. in diesem Sinne Ghai, 60 MLR (1997), 459, 461 sowie die Nachw. aus der bisherigen Hongkonger Rechtsprechung sogleich im Text. 363 Siehe oben III. 364 Art. 16 Abs. 2 Hong Kong Bill of Rights („Everyone shall have the right …“). 365 Art. 27 Basic Law. 366 Vgl. Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 401. 367 So Ghai, 60 MLR (1997), 459, 460. 368 Art. 16 Abs. 3 Hong Kong Bill of Rights; Art. 39 Abs. 2 Satz 1 Basic Law. 369 R. v. Sin Yau-ming, 30.9.1991, [1991] 1 HKPLR 88 Tz. 137. 370 Ghai, Freedom of Expression, S. 369, 395 f. 362
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der Hongkonger Grundrechtsordnung nicht im Einklang steht, für verfassungswidrig und unanwendbar zu erklären. Dies erscheint bemerkenswert, weil eine solche umfassende Verwerfungskompetenz im Hongkonger Recht nirgends ausdrücklich vorgesehen ist, sondern von der Rechtsprechung direkt aus Sinn und Zweck einer unabhängigen Gerichtsbarkeit – namentlich der Kontrolle von Exekutive und Legislative – abgeleitet wird.371 In prozeduraler Hinsicht erweist sich der Grundrechtsschutz in Hongkong damit als schlagkräftiger als sein deutsches Äquivalent, weil auch bei formellen Gesetzen kein Verwerfungsmonopol eines Verfassungsgerichts372 besteht.373 Die Beurteilung staatlicher Einschränkungen von Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit hat dabei in der Hongkonger Rechtsprechung eine bislang eher geringe Rolle gespielt. In jüngerer Zeit ist jedoch in einem Fall das Erfordernis einer behördlichen Lizenz für Radiostationen von einem erstinstanzlichen Gericht für verfassungswidrig erklärt worden, weil dieses die Pressefreiheit unzulässig einschränke374 – eine Entscheidung, die wichtige Anhaltspunkte bezüglich der Verfassungsmäßigkeit staatlicher Zulassungs- und Registrierungserfordernisse gibt, die in ganz ähnlicher Form auch für Rating-Agenturen diskutiert werden.375 b) Schutz vor Schadensersatzhaftung Die Annahme einer Grundrechtsdrittwirkung im Verhältnis zwischen Privaten stößt in Hongkong deshalb auf Schwierigkeiten, weil die Bill of Rights Ordi371 So zum Basic Law der Court of Final Appeal in Ng Ka Ling v. Director of Immigration, 29.1.1999, [1999] 2 HKCFAR 4, Tz. 61 („Right of Abode“): „In exercising their judicial power conferred by the Basic Law, the courts of the Region have a duty to enforce and interpret that Law. They undoubtedly have the jurisdiction to examine whether legislation enacted by the legislature of the Region or acts of the executive authorities of the Region are consistent with the Basic Law and, if found to be inconsistent, to hold them to be invalid. The exercise of this jurisdiction is a matter of obligation, not of discretion so that if inconsistency is established, the courts are bound to hold that a law or executive act is invalid at least to the extent of the inconsistency. Although this has not been questioned, it is right that we should take this opportunity of stating it unequivocally. In exercising this jurisdiction, the courts perform their constitutional role under the Basic Law of acting as a constitutional check on the executive and legislative branches of government to ensure that they act in accordance with the Basic Law.“ Ebenso zum Hong Kong Bill of Rights Koon Wing Yee v. Insider Dealing Tribunal, 18.3.2008, [2008] 3 HKLRD 372 Tz. 113: „Nonetheless, it seems to me that s.6(1) [der Ordinance, wo den Gerichten die Gewährung von nicht näher definiertem remedy or relief gestattet wird] should be interpreted in accordance with its wide language as conferring power to strike down a non-infringing provision where to do so best conforms with the legislative intention. To exercise the power in that way is not to thwart the will of the legislature but rather to respect its will and give effect to its intention by giving the legislation as effective an operation as it can be given consistently with the BOR [Bill of Rights].“ 372 So in Deutschland gemäß Art. 100 GG. 373 Es zeigen sich daher strukturelle Parallelen zur umstrittenen, durch den EuGH postulierten Pflicht nationaler Instanzgerichte, auch formelle Gesetze bei nach Ansicht des Gerichts bestehender Unionsrechtswidrigkeit unangewandt zu lassen; vgl. EuGH, 19.1.2010, Rs. C-557/07 – Kücükdeveci, NJW 2010, 427 Tz. 53 ff. 374 Secretary for Justice v. Ocean Technology Ltd and Others, 8.1.2008, Tz. 27 ff. 375 Siehe dazu § 22.
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nance ihrem Wortlaut nach ausdrücklich nur staatliche Stellen binden soll.376 Nachdem die Hongkonger Rechtsprechung zunächst eine Anwendung der darin niedergelegten Grundrechte auf inter citizen disputes unter Hinweis auf den eindeutigen Willen des Gesetzgebers abgelehnt hatte,377 hat sie später gerade die Kommunikationsgrundrechte doch in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten, also „horizontal“ zu Anwendung gebracht: So wurde in Cheung Ng Sheong Steven v. Eastweek Publisher Ltd and Another die zivilgerichtliche Verurteilung eines Presseunternehmens wegen beleidigender Äußerungen (libel) mit der Begründung aufgehoben, die zuerkannte Schadensersatzsumme sei aufgrund ihrer exzessiven Höhe mit der Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 16 Hong Kong Bill of Rights unvereinbar.378 Zur Begründung verwies das Berufungsgericht sowohl auf den ICCPR als auch auf Art. 10 EMRK (obgleich die Konvention für Hongkong nicht bindend ist) und schloss sich der Rechtsprechung des EGMR zur möglichen Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit auch durch eine private Schadensersatzhaftung an.379 Diese Entscheidung hat in Hongkong erhebliche Aufmerksamkeit erfahren, fand im Schrifttum aber fast durchgehend Zustimmung.380 Unabhängig davon sind die Gerichte in Hongkong jedenfalls einstweilen an das darin zum Ausdruck kommende Verständnis der Meinungsfreiheit gebunden,381 weshalb auch die Haftung von Rating-Agenturen potentiell am Maßstab der Hongkonger Kommunikationsgrundrechte geprüft werden könnte.382
376 § 7(1) Bill of Rights Ordinance: „This ordinance binds only (a) the Government and all public authorities; and (b) any person acting on behalf of the Government or a public authority.“ Diese Einschränkung wurde auf Druck der Hongkonger Unternehmerschaft in das Gesetz aufgenommen; vgl. Ghai, Hong Kong’s New Constitutional Order, S. 426. 377 Tam Hing Yee v. Wu Tai Wai, 28.11.1991, [1991] HKCA 201 Tz. 12. 378 Cheung Ng Sheong Steven v. Eastweek Publisher Ltd and Another, 20.10.1995, [1995] 3 HKC 601 Tz. 10: „An award of the size in question is likely to have a serious effect on the freedom of expression …“. 379 Cheung Ng Sheong Steven v. Eastweek Publisher Ltd and Another, 20.10.1995, [1995] 3 HKC 601 Tz. 9 unter Verweis auf die englische Entscheidung Rantzen v. Mirror Group Newspapers Ltd, 31.3.1993, [1994] QB 670 sowie auf EGMR, 19.6.1995 – Tolstoy Miloslavsky ./. Vereinigtes Königreich, (1995) 20 EHRR 442. 380 Cheung, Press Freedom in Hong Kong, S. 84: „certainly a welcome move from the judiciary“; Ghai, 60 MLR (1997), 459, 474: „necessary“; Glofcheski, Tort Law in Hong Kong, S. 884; wohl auch Chan, 15 APLR (2007), 163, 170. 381 Cheung, Press Freedom in Hong Kong, S. 84. Auch in jüngeren höchstrichterlichen Entscheidungen aus Hongkong finden sich nicht selten ausführliche Passagen zum Einfluss der Meinungsfreiheit auf privatrechtliche Haftungsfälle; vgl. nur Oriental Press Group Ltd and Another v. Fevaworks Solutions Ltd, 4.7.2013, [2013] KHCFA 47 Tz. 104 ff. 382 In diese Richtung Arner/Hsu/Da Roza/Da Roza/Johnstone/Lejot, AIIFL Working Paper Nr. 4 (Feb. 2009), S. 86 f.
§ 21 Der Institutionsschutz der Rating-Agenturen
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VII. Zusammenfassende Würdigung Die Rating-Agenturen profitieren in allen hier untersuchten Rechtsordnungen nicht nur von der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsäußerungsfreiheit, sondern werden darüber hinaus dem Schutz unterstellt, den die einzelnen Verfassungen der Institution der Presse gewähren. Dass den Rating-Agenturen auf diese Weise ein verfassungsrechtlicher Institutionsschutz zukommt, lässt sich auf die allgemein zugängliche Veröffentlichung ihrer Ratings zurückführen, die damit der Information der Öffentlichkeit dient und funktional als Pressetätigkeit eingeordnet werden kann. Die Pressefreiheit deckt folglich auch die freie Publikation von Marktinformationen ab. Aus dieser Begründung erschließt sich zugleich, dass lediglich „private“ Ratings, die von vornherein nur einem bestimmten Kreis von Investoren (vor allem im Zusammenhang mit Privatplatzierungen) zugänglich gemacht werden, keinen vergleichbaren Schutz genießen mögen. Voraussetzungen und dogmatische Begründung des Institutionsschutzes weisen in den verschiedenen Rechtsordnungen im Einzelnen Unterschiede auf, folgen im Allgemeinen aber denselben Leitlinien. In den U.S.A. hat der verfassungsrechtliche Institutionsschutz der Rating-Agenturen bereits eine gefestigte Ausformung durch die Rechtsprechung erfahren, während er in den übrigen Rechtsordnungen bislang lediglich im Schrifttum diskutiert oder noch weitgehend übersehen wird. Entscheidende Differenzen zeigen sich sodann in den Schutzwirkungen, die sich aus der Pressefreiheit zugunsten der Rating-Agenturen ergeben: Während alle Rechtsordnungen im Grundsatz sowohl ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe (gesetzliche Regelungen oder exekutive Aufsichtsmaßnahmen) als auch einen möglichen Schutz der Rating-Agenturen gegen eine übermäßig belastende zivilrechtliche Haftung annehmen, geht die Schutzdichte des U.S.-amerikanischen Rechts dabei sehr deutlich über diejenige der anderen Rechte hinaus. Das Recht der Europäischen Union berücksichtigt die Pressefreiheit nämlich – ebenso wie das deutsche, schweizerische und Hongkonger Recht – vor allem im Rahmen allfälliger Interessenabwägungen, wohingegen die U.S.-amerikanische Rechtsprechung namentlich im Bereich der Schadensersatzhaftung eine Reihe folgenreicher Privilegien zugunsten von Presseunternehmen entwickelt hat, die sie vollumfänglich auf Rating-Agenturen erstreckt. Diese haben zur Folge, dass eine Haftung von Rating-Agenturen gegenüber Emittenten wie Investoren nach U.S.-amerikanischem Recht nur in seltenen Ausnahmefällen in Frage kommen wird, während im Regelfall zur Vermeidung eines chilling effect der freien Veröffentlichung von Bonitätsbeurteilungen der Vorrang eingeräumt wird. Daneben wirkt sich der Institutionsschutz zugunsten der Rating-Agenturen auch auf die Zulässigkeit gesetzlicher Zulassungs- und Anerkennungserfordernisse aus, auf die in den folgenden Kapiteln zunächst einzugehen sein wird.
Zweiter Abschnitt: Präventive Kontrolle der Rating-Agenturen
§ 22 Staatliche Zulassungs- und Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen I. Einleitung In der international geführten Diskussion über die Regulierung des Ratings lassen sich unterschiedliche regionale Präferenzen nachweisen, soweit es um die Wahl zwischen einer präventiven und einer repressiven Kontrolle von RatingAgenturen geht: Während in den U.S.A. vorrangig auf eine repressive Rechtsdurchsetzung durch das Instrument der privaten Haftung gesetzt wird,1 vertraut man im kontinentaleuropäischen Raum primär auf präventive staatliche Kontrollmöglichkeiten. Gerade im deutschen Schrifttum fragt man daher verbreitet nach einem staatlichen Genehmigungserfordernis für Ratingtätigkeiten2 und setzt Rating-Agenturen somit mit anderen Akteuren des Finanzmarktgeschäfts gleich, die ebenfalls vielfach Genehmigungspflichten unterworfen werden.3
1. Zulassung und Registrierung als präventive Kontrolle der Rating-Agenturen in ihrer Marktinformationsfunktion Die präventive staatliche Kontrolle bestimmter Tätigkeiten wird in rechtstechnischer Hinsicht typischerweise durch ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt umgesetzt:4 Die kontrollierte Tätigkeit darf erst aufgenommen werden, nachdem ein vorgeschaltetes staatliches Verfahren erfolgreich durchlaufen wurde.5 Im Falle der Rating-Agenturen ist eine präventive Kontrolle dabei im Grundsatz mit Blick auf zwei unterschiedliche Tätigkeiten denkbar, nämlich zum einen die allgemeine Erstellung und Veröffentlichung von Bonitätsbeurteilungen durch die Rating-Agenturen (also ihre Marktinformationsfunktion) und zum anderen – insoweit weniger weit gehend – die Zurverfügungstellung von Ratings für Zwecke bestimmter regulatorischer Verwendungen (die Regulierungsfunktion).
1 In diesem Sinne statt vieler Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1026 f. Siehe im Einzelnen noch § 26 I 2. 2 Vgl. nur Däubler, BB 2003, 429, 431; Deipenbrock, WM 2005, 261, 262; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 117; Niedostadek, Rating, Rn. 256. 3 Allgemein Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rn. 49. 4 Aus verwaltungsrechtlicher Perspektive Stober, Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 29 III 1; Vollmöller, in: R. Schmidt/Vollmöller, Öffentl. Wirtschaftsrecht, § 8 Rn. 42. 5 Stober, Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 29 III 1.
§ 22 Staatliche Zulassungs- und Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen
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Die in diesem Kapitel erörterten präventiven Kontrollmechanismen setzen durchgehend bei der Marktinformationsfunktion der Rating-Agenturen an und machen damit jede Ratingveröffentlichung von einer staatlichen Zulassung oder Registrierung6 abhängig; sie bedürfen daher vor dem Hintergrund des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen7 auch in weit größerem Maße der Rechtfertigung als staatliche Kontrollmechanismen zur Absicherung (lediglich) der Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen, die hier als „Anerkennung für Zwecke der regulatorischen Bezugnahme“ bezeichnet und in § 23 näher behandelt werden. Aus Sicht der Rating-Agenturen besteht der entscheidende Unterschied zwischen beiden Regulierungsvarianten darin, dass das Erfordernis einer bloßen Anerkennung ihnen die Entscheidung überlässt, ob sie sich anerkennen und damit ihre Ratings für die Erfüllung regulatorischer Auflagen der Emittenten nutzbar (sowie wirtschaftlich interessanter) machen wollen – ein Zulassungs- oder Registrierungserfordernis wirkt dagegen deutlich prohibitiver, weil es der Rating-Agentur jede Tätigkeit untersagt, sofern sie dessen Voraussetzungen nicht erfüllt.8
2. Begriffliches Für eine präventive staatliche Kontrolle der Ratingtätigkeit kommt eine Vielzahl von Mechanismen in Frage, deren Bezeichnung im deutschen wie internationalen Sprachgebrauch allerdings ganz uneinheitlich ist. Im Folgenden wird nach funktionalen Kriterien zwischen zwei Kategorien von Regelungen unterschieden, nämlich der „Zulassung“ und der „Registrierung“: Als „Zulassung“9 werden präventive Kontrollverfahren bezeichnet, die voraussetzungsreich ausgestaltet sind und von den Rating-Agenturen daher die Erfüllung bestimmter regulatorischer Anforderungen (wie etwa die klassische gewerberechtliche Zuverlässigkeit) verlangen, um ihre Ratings veröffentlichen zu dürfen,10 während eine „Registrierung“11 ein bloßes Anmeldeerfordernis beschreibt, mit dem lediglich Informationspflichten, aber keine inhaltlichen Anforderungen an die Rating-Agentur einhergehen.12 6
Zu Kategorien und Begrifflichkeit sogleich unter 2. Dazu bereits in § 21. 8 Im Gegenzug erlaubt es dem Staat eine ausnahmslose Kontrolle aller Ratinganbieter. 9 Dazu sogleich im Text unter II. 10 Die Bezeichnung „Zulassung“ wird im deutschen Recht etwa in § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO als Oberbegriff für Erlaubnis, Genehmigung, Konzession und Bewilligung verwandt. Die Terminologie im Schrifttum ist ganz uneinheitlich; vgl. etwa aus der allgemeinen Literatur Kloepfer, Informationsrecht, § 5 Rn. 10 (der neben „Zulassung“ als gleichbedeutend „Lizenz“ und „Genehmigung“ nennt); Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 19 Rn. 92 („Akkreditierung“, „Anerkennung“ und „Registrierung“); Fehling, in: Fehling/ Ruffert, Regulierungsrecht, § 20 Rn. 81 („(Kontroll-)Erlaubnis“). 11 Dazu unter III. 12 Begrifflich anders etwa Fehling, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 20 Rn. 86 („Meldeoder Anzeigepflicht“). 7
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Eine wieder andere Stoßrichtung haben Berufszulassungserfordernisse für Ratinganalysten, die bislang nur in Hongkong bestehen,13 aber auch für andere Rechtsordnungen vorgeschlagen werden;14 sie stehen systematisch im Zusammenhang mit den in § 25 zu erörternden Organisationspflichten der Rating-Agenturen.
II. Die staatliche Zulassung von Rating-Agenturen Ein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen ist im Schrifttum nicht selten mit dem Ziel vorgeschlagen worden, auf diese Weise eine „sachgerechte“ Tätigkeit der zulassungsbedürftigen Agenturen sicherzustellen.15 Angeregt wird vor diesem Hintergrund nicht lediglich eine punktuelle, zum Zeitpunkt der Zulassung durchzuführende Kontrolle, sondern eine laufende Überwachung durch staatliche Regulierungsbehörden.16 Die Benennung der Kriterien, auf deren Einhaltung die Rating-Agenturen überwacht werden sollen, fällt dabei ersichtlich schwer; man begnügt sich daher mit generalklauselartigen Umschreibungen17 oder räumt den staatlichen Behörden pauschal Ermessen ein;18 gelegentlich wird die Befolgung des IOSCO-Kodizes verlangt.19 Auf der anderen Seite wird zu Recht erkannt, dass staatliche Zulassungserfordernisse eine erhebliche Markteintrittsbeschränkung darstellen,20 die – neben ihrer offenkundigen Rechtfertigungsbedürftigkeit vor dem Hintergrund der Pressefreiheit – geeignet ist, das bestehende Oligopol auf dem Ratingmarkt weiter zu verfestigen. Zulassungserfordernisse für Rating-Agenturen waren im internationalen Rechtsvergleich bis in jüngere Zeit eine seltene Ausnahme; im Kreis der hier untersuchten Rechtsordnungen sind sie dem deutschen und dem schweizerischen 13
Siehe unter II 5 a). So im Schrifttum Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423, 449; Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 16. Im U.S.-amerikanischen Recht schreibt § 936 Dodd–Frank Act den Erlass von Ausbildungsanforderungen für Ratinganalysten durch die SEC vor, der aber bislang nicht erfolgt ist (in SEC Release 34–64514 „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (Proposed Rules) vom 18. Mai 2011, 76 FR 33420, 33476 ff. (8. Juni 2011) wird eine neue Rule 17g– 9 vorgeschlagen, die diese Aufgabe weitgehend den NRSRO selbst übertragen würde). 15 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 22; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 194; Peters, Haftung und Regulierung, S. 173 ff.; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 659. Ebenso Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 11 f. 16 Bei Zulassungserfordernissen im Finanzmarktrecht liegt der Schwerpunkt des staatlichen Einflusses typischerweise auf der laufenden Überwachung (Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rn. 49). 17 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme vom 14.8.2003, S. 12; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 22: Analogie zu den im KWG festgelegten Anforderungen; Peters, Haftung und Regulierung, S. 173 ff. mit Nennung einzelner Kriterien. 18 Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 658 f. 19 So Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 194, der die vorgeschriebene „Registrierung“ von einer Selbstverpflichtung der Rating-Agentur zur Beachtung des IOSCO-Kodizes abhängig machen will – dies läuft in der Sache auf eine materielle Pflicht zur Befolgung des Kodizes hinaus, weil die Rating-Agentur ohne „Selbstverpflichtung“ eben nicht tätig werden darf. 20 Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 659. 14
§ 22 Staatliche Zulassungs- und Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen
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Recht bis heute unbekannt.21 Das U.S.-amerikanische Recht hatte immerhin Versuche zur Statuierung eines generellen Zulassungserfordernisses zu verzeichnen, die letztlich jedoch nie verwirklicht wurden.22 Dagegen verlangt das Recht der Europäischen Union seit Inkrafttreten der EG-RatingVO eine „Registrierung“ aller Rating-Agenturen und hat dadurch seit September 201023 (trotz der missverständlichen Bezeichnung) eine präventive Zulassungspflicht geschaffen, deren genauer Anwendungsbereich allerdings unklar ist.24 Nicht zuletzt in Reaktion auf diese europäische Rechtsentwicklung wurde 2011 sodann auch in Hongkong erstmals ein aufsichtsrechtliches Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen25 eingeführt.
1. Kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach U.S.-amerikanischem Recht Das U.S.-amerikanische Recht beschränkt sich traditionell auf eine bloße Anerkennung derjenigen Rating-Agenturen, deren Ratings zu regulatorischen Zwecken verwendbar sein sollen (vor allem durch die Anerkennung als „Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ (NRSRO)26), während alle sonstigen Rating-Agenturen frei von jeder präventiven Kontrolle tätig werden können.27 a) Entwurf eines Credit Rating Agency Duopoly Relief Act of 2005 und Entwürfe zum Dodd–Frank Act (2010) Allerdings ist in jüngerer Zeit auch in den U.S.A. mehrfach die Einführung eines umfassenden, an die Marktinformationsfunktion der Rating-Agenturen anknüpfenden Zulassungserfordernisses diskutiert worden. So sah der im Jahre 2005 in den Kongress eingebrachte Entwurf eines – plastisch so benannten – Credit Rating Agency Duopoly Relief Act of 200528 die Einführung eines neuen § 15E Securities Exchange Act vor, der unter der harmlosen Überschrift „Registration of Statistical Rating Organizations“ wie folgt lauten sollte:
21 Zum deutschen Recht Lemke, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 119, 127; zum Schweizer Recht Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 140. 22 Dazu sogleich unter 1. 23 Die Registrierungspflicht nach Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO trat ausweislich Art. 40 EGRatingVO zum 7. September 2010 in Kraft. 24 Unten 2. 25 Unten 5. 26 Siehe dazu bereits § 7 II 2 a) bb) (1) und noch näher in § 23 II 3 a). 27 Vgl. Johnson, 13 J. Fixed Income (2004), 25, 26: „anyone can issue credit ratings“. Unzutreffend daher Casper, in: Leible/Lehmann, Hedgefonds und Private Equity, S. 161, 172 Fn. 40; Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 76; Trigo Trindade/ Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 140. 28 Entwurf eines „Credit Rating Agency Duopoly Relief Act of 2005“ (H.R. 2990) vom 20. Juni 2005, eingebracht durch den Abgeordneten Fitzpatrick (Pennsylvania).
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„(a) Registration Required. – Except as provided in subsection (b), it shall be unlawful for any statistical rating organization, unless registered under this section, to make use of the mails or any means or instrumentality of interstate commerce in connection with its business as a statistical rating organization. (b) Exceptions. – The Commission, by rule or order, as it deems consistent with the public interest and the protection of investors, may conditionally or unconditionally exempt from subsection (a) of this section any statistical rating organization specified in such rule or order.“
Es handelte sich bei dem zitierten Vorschriftenentwurf trotz der zurückhaltenden Bezeichnung als „Registrierung“ um ein generelles Verbot mit Erlaubnisvorbehalt,29 das jede Rating-Agentur einem Zulassungserfordernis unterworfen hätte und die möglichen Versagungsgründe zudem nicht enumerativ aufführte, sondern lediglich generalklauselartig umriss und damit weitgehend dem Ermessen der SEC überlassen hätte. Da dieser Regelungsvorschlag eine präventive und fortdauernde Kontrolle sämtlicher Ratingtätigkeiten erlaubt hätte, stieß er sogleich auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken30 und wurde im Fortgang der parlamentarischen Beratungen31 alsbald durch ein bloßes Anerkennungsverfahren für (nur) diejenigen Rating-Agenturen ersetzt, deren Ratings für Zwecke regulatorischer Bezugnahmen verwendet werden.32 Trotz der beschriebenen Entwicklung sahen auch verschiedene Entwürfe zum großen Reformgesetz nach der Finanzkrise 2007–09 – dem im Jahre 2010 in Kraft getretenen Dodd–Frank Act – erneut ein allgemeines Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen vor,33 das sogar bis in ein vergleichsweise spätes Stadium der Gesetzesberatungen beibehalten wurde.34 Erst kurz vor Formulierung des endgültigen Gesetzestextes wurde es dann zugunsten des bereits zuvor bestehenden
29
Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 39. Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1689 f.; Langohr/Langohr, Rating Agencies, S. 453 f.; in diese Richtung auch Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 39. 31 Der griffige Titel des Entwurfs wurde hingegen mit „Credit Rating Agency Duopoly Relief Act of 2006“ zunächst beibehalten und verfiel erst später einer Änderung, bevor das Gesetz schließlich als „Credit Rating Agency Reform Act of 2006“ angenommen wurde. 32 Oxley, Report together with Dissenting Views (to accompany H.R. 2990) vom 7. Juli 2006, in: 109th Congress, 2d Session, House of Representatives, Report 109–546, S. 13: „Although H.R. 2990 was originally introduced as a mandatory registration system for all credit rating agencies, the Manager’s Amendment (adopted by the Committee on Financial Services on June 14, 2006) provides for a system of voluntary registration […]. Thus, only those agencies that want to be used for regulatory purposes as an NRSRO will register.“ 33 So etwa § 6002(a) des Entwurfes eines Wall Street Reform and Consumer Protection Act of 2009 vom 20. Jan. 2010: „Each credit rating agency shall register as a nationally recognized statistical rating organization for the purposes of this title …“. 34 Die U.S.-amerikanische Regierung hatte zuvor durch das Justizministerium ein Rechtsgutachten zur Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Zulassungserfordernisses erstellen lassen, das jenes – mit im Einzelnen durchaus zweifelhafter Begründung – als mit dem First Amendment vereinbar einstufte; vgl. David J. Barron (Acting Assistant Attorney General), Constitutionality of Mandatory Registration of Credit Rating Agencies: Letter Opinion for the Assistant Secretary for Financial Institutions (U.S. Department of the Treasury) vom 22. Okt. 2009. 30
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bloßen Anerkennungserfordernisses für Rating-Agenturen in ihrer Regulierungsfunktion35 fallen gelassen. b) Unvereinbarkeit von „prior restraint“ mit dem First Amendment Ansatzpunkt für die Untersuchung jedes Zulassungserfordernisses ist, wie stets im Zusammenhang mit Rating-Agenturen,36 der erste Zusatzartikel zur U.S.amerikanischen Verfassung (First Amendment) und die dadurch garantierte freie Pressetätigkeit.37 Nach st. Rspr. des U.S. Supreme Court gilt das präventive Verbot von Meinungsäußerungen und Pressetätigkeiten (prior restraint) dabei als besonders harscher und am schwierigsten zu rechtfertigender Eingriff in den Schutz des First Amendment,38 dessen verfassungsrechtliche Unzulässigkeit vermutet wird und nur unter den außergewöhnlichsten Umständen widerlegbar ist.39 Das beschriebene Verständnis der U.S.-amerikanischen Verfassung ist dabei stark historisch konnotiert: Da das englische Recht bis 1694 den Druck jeglichen Werkes von einer vorherigen staatlichen Genehmigung abhängig gemacht hatte,40 wurde der Sinn der Pressefreiheit des First Amendment lange Zeit gerade in der Sicherung der Erlaubnis- und Lizenzfreiheit gesehen, „the right to publish without any previous restraint or license“.41 Dieser Telos wirkt bis heute fort42 und führt zu einer äußerst geringen Toleranz gegenüber staatlichen Zulassungserfordernissen für Presseunternehmen, in denen man eine besonders gefährliche Form der präventiven Zensur erblickt.43
35
§ 932(a) Dodd–Frank Act. Siehe ausführlich bereits § 21 II. 37 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 619; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 349 Fn. 49; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 358. 38 Vgl. Nebraska Press Association v. Stuart, 30.6.1976, 427 U.S. 539, 559, 96 S.Ct. 2791, 2803 (1976): „prior restraints on speech and publication are the most serious and least tolerable infringement on First Amendment rights.“ 39 Lowe v. SEC, 10.6.1985, 472 U.S. 181, 234, 105 S.Ct. 2557 (1985) (White, J. concurring): „is […] presumptively invalid and may be sustained only under the most extraordinary circumstances“; Carter/Franklin/Wright, First Amendment, S. 60 f.; Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/ Karlan, First Amendment, S. 120. 40 Vgl. Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, First Amendment, S. 3 f. 41 So im Jahre 1833 Story, Commentaries on the Constitution of the United States, § 1879. 42 Prägend ist weiterhin die Leitentscheidung Lovell v. City of Griffin, 28.3.1938, 303 U.S. 444, 451, 58 S.Ct. 666 (1938): „The struggle for the freedom of the press was primarily directed against the power of the licensor. It was against that power that John Milton directed his assault by his ,Appeal for the Liberty of Unlicensed Printing.‘ And the liberty of the press became initially a right to publish ,without a license what formerly could be published only with one.‘ While this freedom from previous restraint upon publication cannot be regarded as exhausting the guaranty of liberty, the prevention of that restraint was a leading purpose in the adoption of the constitutional provision“; vgl. ebenso bereits Near v. State of Minnesota, 1.6.1931, 283 U.S. 697, 713, 51 S.Ct. 625 (1931): „The struggle in England, directed against the legislative power of the licenser, resulted in renunciation of the censorship of the press [in der U.S.-amerikanischen Verfassung]“. 43 Carter/Franklin/Wright, First Amendment, S. 57: „however well intentioned they may be“. 36
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Vor diesem Hintergrund dürfte ein allgemeines Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen kaum mit dem First Amendment und den daraus folgenden, institutionsschützenden Vorgaben in Einklang zu bringen sein,44 würde es der zuständigen Behörde doch einen Einfluss auf die freie Marktinformation erlauben, der in anderem Zusammenhang einmal als „Licensing the Word on the Street“ umschrieben worden ist.45 In der Tat ist (jedenfalls theoretisch) nicht auszuschließen, dass bei der Beurteilung von Zulassungsanträgen auch Faktoren wie unvorteilhafte Folgen negativer Ratings für die Staatsfinanzen eine Rolle spielen, weil die öffentliche Hand auch in den U.S.A. bekanntlich der größte Anleiheschuldner ist, und im politikwissenschaftlichen Schrifttum ist sogar ein Einfluss des sovereign ratings auf den Ausgang der U.S.-amerikanischen Präsidentschaftswahlen konstatiert worden.46 Namentlich die Anwendung unbestimmter Zulassungskriterien (wie etwa der „Zuverlässigkeit“ von Ratinganalysten und Leitungsorganen) könnten dabei einer mittelbaren Beeinflussung der Ratinginhalte Tür und Tor öffnen.47 Die Verwendung präziser Tatbestandsmerkmale im Gesetz gilt dabei ihrerseits als Postulat des First Amendment (Verbot des sog. „standardless licensing“),48 dem die oben berichteten Gesetzesentwürfe nicht genügt haben dürften. Aber selbst dort, wo der Gesetzgeber der zuständigen Behörde ausreichend genaue Maßstäbe vorgibt, bestünde die Gefahr, dass zulassungsbedürftige Rating-Agenturen auf die Veröffentlichung kritischer Bonitätsbeurteilungen über staatliche oder staatsnahe Emittenten in vorauseilendem Gehorsam verzichten könnten.49 Als problematisch erweisen sich Zulassungsregeln für Rating-Agenturen aber vor allem im Lichte der Entscheidung des U.S. Supreme Court in Lowe v. SEC, welche die Anwendbarkeit des Zulassungserfordernisses des Investment Advisers Act of 1940 auf Personen betraf, die an die Allgemeinheit gerichtete Investment-Newsletter publizieren und damit in den Schutzbereich des First Amendment fallen.50 Der Supreme Court entschied, dass das präventive Verlangen einer solchen Zulassung mit dem First Amendment unvereinbar ist (und zwar selbst dann, wenn die betroffene Person bereits mehrfach wegen Anlagebetruges straf44 In diesem Sinne auch Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 619; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 358. 45 So Dombalagian, Licensing the Word on the Street: The SEC’s Role in Regulating Information, 55 Buff. L. Rev. (2007), 1 ff. (der Autor verwendet den Begriff der „Lizenzierung“ dort freilich nicht im Sinne einer Zulassung, sondern eines Nutzungsrechts). 46 Rosenbaum, Der politische Einfluss von Rating-Agenturen, S. 170 ff. 47 Vgl. treffend White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 56 (zur staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen): „Further, with respect to ratings of sovereign debt, what happens if a country is unhappy with the rating (or a rating change) of its debt by an approved rating firm? Will a rating firm’s approval status […] be contingent on its delivering ,acceptable‘ ratings?“. 48 Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, First Amendment, S. 121 f. mit Nachw. aus der Rechtsprechung. 49 Vgl. Miami Herald Publishing Co. v. Tornillo, 25.6.1974, 418 U.S. 241, 257, 94 S.Ct. 2831 (1974). 50 Lowe v. SEC, 10.6.1985, 472 U.S. 181 ff., 105 S.Ct. 2557 ff. (1985).
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rechtlich verurteilt wurde).51 Zu einem Zulassungserfordernis nach dem Commodity Exchange Act52 ist ebenfalls entschieden worden, dass es einen unzulässigen prior restraint (hier: für Fachpublikationen über Warentermingeschäfte) darstelle.53 Da man diese Aussagen wird auf Rating-Agenturen übertragen können,54 scheidet ein präventives Zulassungserfordernis damit nach U.S.-amerikanischem Recht aus.
2. Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach Europäischem Unionsrecht (seit 2010) In der Europäischen Union gilt dagegen in Gestalt der EG-RatingVO seit 2010 ein unionsweit einheitliches, ratingspezifisches Regelungsregime,55 welches ein allgemeines Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen geschaffen hat. Eindeutig ist dies freilich nicht, weil die Anforderungen der EG-RatingVO insofern nicht völlig klar und daher bereits seit ihrem Erlass in ihrer Bedeutung umstritten sind: a) „Registrierung“ nach der EG-RatingVO: Zulassungserfordernis oder bloßes Anerkennungserfordernis für Zwecke der regulatorischen Bezugnahme? Die EG-RatingVO schreibt vor, dass eine Rating-Agentur „für die Zwecke von Artikel 2 Absatz 1“ eine Registrierung beantragen muss, sofern es sich bei ihr um eine Rechtspersönlichkeit mit Sitz in der Gemeinschaft handelt.56 Art. 2 Abs. 1 EG-RatingVO lautet wiederum: „Diese Verordnung gilt für Ratings, die von in der Gemeinschaft registrierten Ratingagenturen abgegeben und der Öffentlichkeit bekannt gegeben oder an Abonnenten weitergegeben werden.“ Aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt sich also, dass die „Registrierungspflicht“ für jede Rating-Agentur gilt, die ein Rating veröffentlichen möchte,57 und zwar unabhängig von dessen Nutzung für regulatorische Zwecke. Es handelt sich damit nach hiesiger Diktion um eine Zulassungspflicht, die an die Marktinformati51
Lowe v. SEC, 10.6.1985, 472 U.S. 211, 232 ff., 105 S.Ct. 2573 (1985) (White, J. concurring). § 4m Commodity Exchange Act. 53 Taucher v. Born, 21.6.1999, 53 F.Supp.2 464, 481 (D.D.C. 1999). 54 So auch In re Scott Paper Comp. Securities Litigation, 30.11.1992, 145 F.R.D. 366, 369 f. (E.D.Pa. 1992); Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 616 f.; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 358. 55 Die EG-RatingVO trat am 6. Januar 2010 in Kraft; Registrierungsanträge konnten von Seiten der Rating-Agenturen allerdings ausweislich Art. 40 EG-RatingVO „frühestens bis zum 7. Juni 2010“ gestellt werden. Erschöpfend zur Entstehungsgeschichte der EG-RatingVO Stemper, Rahmenbedingungen, S. 211 ff. 56 Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO. Mit „Sitz“ dürfte dabei der Satzungssitz gemeint sein (Dutta, WM 2013, 1729, 1732; Zimmer, in FS Hopt (2010), S. 2689, 2696). 57 Gemäß ihrem Art. 2 Abs. 2 lit. a gilt die EG-RatingVO nicht für private Ratings, die von Rating-Agenturen aufgrund eines Einzelauftrags abgegeben und ausschließlich an die Person weitergegeben werden, die den Auftrag erteilt hat, und die nicht zur öffentlichen Bekanntgabe oder zur Weitergabe an Abonnenten bestimmt sind. 52
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onsfunktion der Ratings anknüpft,58 und nicht lediglich eine Anerkennungspflicht für Zwecke der regulatorischen Indienstnahme.59 Die zuständige europäische Aufsichtsbehörde ESMA60 wird durch die EG-RatingVO somit quasi zum „Gatekeeper für Gatekeeper“ bestellt. Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte der EG-RatingVO gestützt, deren Entwurfsfassung noch grundlegend anders gelautet und eine Registrierung nur verlangt hatte, soweit ermöglicht werden soll, dass bestimmte gemeinschaftsrechtliche regulierte Investoren (wie Banken, Versicherungsunternehmen und Fonds) die betreffenden Ratings für regulatorische Zwecke verwenden können; die Registrierung sollte danach also ausdrücklich freiwillig sein.61 Dieser begrüßenswerte, zurückhaltende Regelungsansatz62 wurde im Fortgang der Beratungen sodann offenkundig fallen gelassen und durch ein pauschales Zulassungserfordernis ersetzt.63 Warum dieser Paradigmenwechsel vorgenommen und ob seine tief greifenden Auswirkungen überhaupt erkannt wurden, lässt sich den öffentlich zugänglichen Materialien nicht entnehmen.64 Möglicherweise war den Gemeinschaftsorganen aufgegangen, dass das geltende Gemeinschaftsrecht selbst nur wenige regulatorische Bezugnahmen auf Ratings verwendet65 und daher ein umfangreiches Anerkennungsregime für Zwecke einer 58 IMF, Sovereign Credit Ratings (Okt. 2010), S. 12; IOSCO, Regulatory Implementation of the Statement of Principles (Feb. 2011), S. 14; Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1928; García Alcubilla/Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 71; Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europ. Unternehmens- u. KapitalmarktR, § 17 Rn. 259; Veil/Veil/Teigelack, § 21 Rn. 42. Ebenso CESR, Technical Advice to the European Commission on the Equivalence between the US Regulatory and Supervisory Framework and the EU Regulatory Regime for Credit Rating Agencies vom 21. Mai 2010, Ref.: CESR/10–332, Tz. 329: „In contrast to the mandatory requirement for all credit rating agencies operating in the EU to get registered, the US system requires all credit rating agencies that want to be treated as an NRSRO for the purpose described in the Exchange Act to be registered with the SEC.“ 59 A.A. (ohne Begründung) Stemper, Rahmenbedingungen, S. 218; dies., WM 2011, 1740, 1745; möglicherweise ebenso, aber mit nicht zweifelsfreier Stellungnahme Dutta, IPRax 2014, 33, 34; Mülbert, JZ 2010, 834, 838; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 402; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 468; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 660; Zimmer, in FS Hopt (2010), S. 2689, 2696. 60 Die Zuständigkeit für Registrierungen nach der EG-RatingVO lag anfänglich bei den Aufsichtsbehörden der einzelnen EU-Staaten und wurde zum 1. Juli 2011 durch ÄnderungsVO Nr. 513/2011 zur EG-RatingVO auf die neu geschaffene ESMA übertragen. 61 Art. 12 Abs. 1 Kommissionsvorschlag für eine EG-RatingVO vom 12. Nov. 2008: „Eine Ratingagentur kann eine Registrierung beantragen …“ (meine Hervorhebung); Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 219. 62 Die Begründung zum Kommissionsvorschlag für eine EG-RatingVO vom 12. Nov. 2008, Tz. 2.2 betonte ausdrücklich die „Verhältnismäßigkeit“ dieser Regelung. 63 Gemäß Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 EG-RatingVO ist die Zulassung einer Rating-Agentur allerdings auch Voraussetzung für die regulatorische Verwendbarkeit ihrer Ratings in der EU – sie bezieht sich also gleichermaßen auf Marktinformations- und Regulierungsfunktion. 64 Kritisch daher Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 219 f.: „Either the drafting is merely inexpert or the draftsmen have had to struggle with an incoherent thought.“ 65 Ratingbezugnahmen finden sich vor allem in der EG-Bankenrichtlinie, die der Umsetzung der „Basel II“-Vorgaben innerhalb der EU dient (siehe schon § 6 III 5 a)) sowie punktuell in einer
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vergleichsweise begrenzten Ratingnutzung geschaffen worden wäre. Soweit Ratings innerhalb der EU in ihrer Regulierungsfunktion eingesetzt werden, geschieht dies bislang vorrangig auf Ebene des nationalen Rechts. Man hätte ein gemeinschaftsrechtliches Anerkennungserfordernis daher auch auf nationale Ratingverwendungen erstrecken müssen, um ihm eine größere praktische Relevanz zu sichern66 – dies wiederum hätte zunächst die Erfassung des aktuellen Bestandes solcher Rechtsvorschriften in allen EU-Staaten nötig gemacht, die jedenfalls komplex und zeitaufwendig gewesen wäre. Dass die vorgesehene „Registrierung“ daher im verabschiedeten Verordnungstext als Zulassung ausgestaltet wurde, wird schließlich auch durch die Sanktionsmechanismen bestätigt, welche die EG-RatingVO vorsieht: So macht sie eine Registrierung nicht lediglich von einer Anmeldung, sondern einer Fülle von Voraussetzungen abhängig, denen die Rating-Agentur auch nach erfolgter Zulassung fortlaufend („jederzeit“) gerecht zu werden hat.67 Stellt die ESMA fest, dass eine registrierte Rating-Agentur „gegen die in dieser Verordnung genannten Verpflichtungen verstößt“, so ist sie nach der EG-RatingVO nicht nur zum Widerruf der Registrierung68 und zur Aussetzung der Verwendung von Ratings dieser Rating-Agentur für aufsichtsrechtliche Zwecke69 berechtigt (was bei einer bloßen Anerkennung konsequent wäre), sondern auch zum „Erlass eines vorübergehenden Verbots für diese Ratingagentur zur Abgabe von Ratings, das unionsweit wirksam ist“.70 Die EG-RatingVO erlaubt damit ein behördliches Verbot jeder Ratingtätigkeit (und damit der Pressetätigkeit der Rating-Agenturen, in der Sache also eine Vorzensur), das ersichtlich als Gegenstück eines Zulassungserfordernisses konzipiert ist. Dieser Verbotstatbestand muss schon auf den ersten Blick erhebliche rechtsstaatliche Bedenken auslösen, zumal die potentiell verbotsauslösenden Anforderungen der EG-RatingVO vielfach sehr unbestimmt formuliert sind71 (wie etwa die Vorgabe, die Geschäfts66 Durchführungsrichtlinie zur OGAW-Richtlinie (§ 12 II 4 a)) und in der MiFID (§ 7 III 2). Die praktisch wichtigen Ratinganforderungen im Rahmen der Liquiditätssicherung durch die EZB (§ 7 II 3 a) aa)) werden durch den Rat der EZB selbst in Form von Leitlinien ausgestaltet. Vgl. auch CESR, Technical Advice to the European Commission on the Equivalence between the US Regulatory and Supervisory Framework and the EU Regulatory Regime for Credit Rating Agencies vom 21. Mai 2010, Ref.: CESR/10–332, Tz. 331: „… CESR notes that the scope of use credit ratings issued by NRSROs [gemeint ist die regulatorische Verwendung von Ratings im U.S.-amerikanischen Recht] is much broader than in the EU“. 66 Vgl. zu diesem Punkt EZB, Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag vom 21. Apr. 2009, ABl. EU vom 20. Mai 2009, Nr. C 115/3. 67 Art. 14 Abs. 3 EG-RatingVO. 68 Art. 24 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 20 Abs. 1 EG-RatingVO. 69 Art. 24 Abs. 1 lit. c EG-RatingVO. 70 Art. 24 Abs. 1 lit. b EG-RatingVO. Ein solches Verbot stellt erkennbar einen besonders schweren Eingriff in die freie Ratingtätigkeit dar, weshalb keine Rede davon sein kann, es handele sich um eine „arguably less severe“ Überwachungsmaßnahme (so aber Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1940). 71 So auch Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1931: „… formulated in anything but clear-cut terms, leaving room for interpretation and disagreement …“.
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leitung der Rating-Agentur müsse „ausreichend gut beleumundet sein“ und „eine solide und umsichtige Führung der Agentur gewährleisten“72). Nach Maßgabe der EG-RatingVO „registriert“ wurden seit Inkrafttreten des Zulassungserfordernisses diverse europäische Tochtergesellschaften der drei großen U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen Moody’s (aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Vereinigten Königreich und Zypern), Standard & Poor’s (aus Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich) und Fitch (aus Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Spanien und dem Vereinigten Königreich) sowie eine beträchtliche Anzahl kleiner und kleinster Agenturen, die über einen geringen oder keinen praktischen Anteil am Ratingmarkt verfügen.73 Sie stammen im Einzelnen aus Bulgarien (BCRA – Credit Rating Agency), Deutschland (ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur, Creditreform Rating, Euler Hermes Rating, Feri EuroRating Services, GBB-Rating und Scope Credit Rating), Frankreich (Spread Research), Griechenland (ICAP Group), Italien (CERVED, CRIF und Dagong Europe Credit Rating), Portugal (Companhia Portuguesa de Rating), der Slowakei (European Rating Agency), Spanien (Axesor), dem Vereinigten Königreich (AM Best Europe – Rating Services (AMBERS), DBRS Ratings und The Economist Intelligence Unit) sowie Zypern (Capital Intelligence (Cyprus)); die Gesamtzahl in der EU zugelassener Rating-Agenturen beläuft sich damit auf 35.74 Daneben wurden mit der Japan Credit Rating Agency und Kroll Bond Rating zwei Rating-Agenturen mit Sitz in Nicht-EU-Staaten zertifiziert, sodass deren Ratings innerhalb der EU zu regulatorischen Zwecken eingesetzt werden dürfen.75
b) Institutionsschützende Grenzen In der Tat stellt jedes präventive Zulassungserfordernis, bei dem es sich nach U.S.-amerikanischer Diktion um eine Form des prior restraint handelt, auch nach europäischem Verständnis einen besonders intensiven Eingriff in die Medienfreiheit76 sowie die Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit des Unionsprimärrechts (Art. 11 GR-Charta, Art. 10 EMRK) dar, die – wie bereits im letzten Kapitel77 festgestellt – auch Rating-Agenturen schützen. Die Gefährlichkeit entsprechender Regelungen verlangt dabei nach st. Rspr. des EGMR, dass diese an einem besonders strengen Maßstab gemessen werden.78 aa) Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK als abschließende Sonderregelung? Fraglich ist jedoch bereits, an welcher Schrankenregelung ein Zulassungserfordernis wie das des Art. 14 EG-RatingVO überhaupt zu messen ist. Ins Auge fällt 72
Anh. I Abschn. A Abs. 2 Unterabs. 2 EG-RatingVO. Vgl. für das Kalenderjahr 2012 nur die Angaben in ESMA, CRAs’ Market share calculation according to Article 8d of the CRA Regulation (16 Dec. 2013). 74 Europ. Kommission, List of registered and certified credit rating agencies (Stand: 1. Juli 2013), ABl. EU vom 13.7.2013, Nr. C 201, S. 11 f. 75 Art. 5 EG-RatingVO; siehe zur Zertifizierung noch § 23 III 4 b). 76 Diese schützt auch die freie Gründung von Medienunternehmen (Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 16). 77 Siehe § 21 III 1. 78 EGMR, 26.11.1991 – Observer and Guardian ./. Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1995, 16 Tz. 60; EGMR, 14.3.2002 – Gawęda ./. Polen, Rep. 2002-II, 105 Tz. 35. 73
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dabei zunächst Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK, der es den Staaten ausdrücklich erlaubt, „für Hörfunk-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben“: Da es sich bei dieser Vorschrift ersichtlich um eine Sonderregelung handelt, die nur für Rundfunk, Fernsehen und Film gilt,79 nicht aber für mündliche, schriftliche oder durch Zeichen übermittelte Informationen oder Meinungen,80 so erscheint der Schluss nahe liegend, dass das Vorschreiben einer Genehmigung (Lizenz, Zulassung) nur in Bezug auf die in Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK enumerativ aufgezählten Unternehmenstypen zulässig sein soll, nicht hingegen bei sonstigen Adressaten. Nur ein solches Verständnis der Norm als abschließende Sonderregelung vermeidet auch, ihr neben der allgemeinen Schrankenregelung des Art. 10 Abs. 2 EMRK jeden Sinn zu nehmen. Die Rechtsprechung des EGMR ist dieser Norminterpretation jedoch nicht gefolgt und hat den Zweck des Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK stattdessen in der Klarstellung gesehen, dass Staaten durch ein Genehmigungsverfahren die Art und Weise der Organisation des Rundfunks auf ihrem Gebiet, insbesondere hinsichtlich der technischen Aspekte, regeln dürfen.81 Dagegen soll die Vorschrift nicht bedeuten, dass ein Staat Genehmigungserfordernisse nicht auch anderen Adressaten zu einem anderen Zweck auferlegen darf; diese Einschränkungen müssen jedoch den Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 EMRK genügen.82 Nach dieser Interpretation, die in der Tat als systematisch nicht leicht erklärbar83 erscheint, aber mittlerweile ständige Rechtsprechung ist, scheidet ein präventives Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen folglich nicht schon deshalb aus, weil es sich dabei nicht um Rundfunkunternehmen handelt. bb) Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 EMRK an vorherige Publikationsbeschränkungen Nach dem Gesagten verbietet Art. 10 EMRK die Einführung vorheriger Publikationsbeschränkungen (prior restraint) für Publikationen nicht absolut, verlangt aber aufgrund der großen Gefährlichkeit entsprechender Regelungen, dass diese an einem besonders strengen Maßstab gemessen und durch den Gerichtshof äußerst sorgfältig überprüft werden.84 Der Beurteilungsspielraum (margin of appreciation), den der EGMR den Staaten insbesondere bei Beschränkungen im wirtschaftlichen Bereich generell zuerkennt,85 besteht bei prior restraint daher nicht. 79
Frowein/Peukert/Frowein, Art. 10 EMRK Rn. 2. Frowein/Peukert/Frowein, Art. 10 EMRK Rn. 5. 81 EGMR, 28.3.1990 – Groppera Radio ./. Schweiz, EuGRZ 1990, 255 Tz. 61. 82 EGMR, 28.3.1990 – Groppera Radio ./. Schweiz, EuGRZ 1990, 255 Tz. 61; EGMR, 22.5.1990 – Autronic ./. Schweiz, EuGRZ 1990, 261 Tz. 52; Meyer-Ladewig, Art. 10 EMRK Rn. 69. 83 So Frowein/Peukert/Frowein, Art. 10 EMRK Rn. 20. 84 EGMR, 26.11.1991 – Observer and Guardian ./. Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1995, 16 Tz. 60; EGMR, 14.3.2002 – Gawęda ./. Polen, Rep. 2002-II, 105 Tz. 35; Schefer, Grundrechte in der Schweiz, S. 121. 85 EGMR, 20.11.1989 – markt intern Verlag ./. Deutschland, EuGRZ 1996, 302; Meyer-Ladewig, Art. 10 EMRK Rn. 64. 80
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Nach Art. 10 Abs. 2 EMRK muss jede Einschränkung der Meinungsäußerungsund Informationsfreiheit einem der genannten zulässigen Zwecke dienen, „gesetzlich vorgesehen“ und zudem „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“, d.h. erforderlich und verhältnismäßig86 sein. (1) Zweck und Klarheit des Zulassungserfordernisses nach der EG-RatingVO Das Zulassungserfordernis der EG-RatingVO soll ausweislich ihrer Erwägungsgründe „vor allem die Stabilität der Finanzmärkte und Anleger schützen“87 und dient folglich mit der öffentlichen Sicherheit und dem Schutz der Rechte anderer zwei zulässigen Zwecken.88 Während die weitere Voraussetzung der Einschränkung durch „Gesetz“ im Regelfall als formelle Vorgabe betrachtet wird und daher unschwer erfüllbar ist, sind die Anforderungen der Rechtsprechung bei Genehmigungserfordernissen im Pressebereich insoweit deutlich strenger: Diese müssen in ihren Tatbestandsvoraussetzungen so „klar und bestimmt“ angeben, welche Kriterien die Behörden anzulegen haben, dass die Normanwendung vorhersehbar ist; andernfalls fehlt es bereits an einem ausreichenden „Gesetz“.89 Diese Anforderung dürfte die EG-RatingVO isoliert betrachtet kaum erfüllen, weil ihre Umschreibung der Registrierungsvoraussetzungen wie auch der sich anschließenden Folgepflichten von unbestimmten Rechtsbegriffen förmlich wimmelt. Es ist jedoch zusätzlich in Rechnung zu stellen, dass der (zum damaligen Zeitpunkt zuständige) CESR Leitlinien zur Konkretisierung dieser Voraussetzungen erlassen hat,90 bei deren Berücksichtigung das notwendige Maß an Klarheit und Bestimmtheit erreicht sein dürfte. (2) Fehlende Verhältnismäßigkeit des Zulassungserfordernisses nach der EG-RatingVO Entscheidend ist daher letztlich, ob die Einführung eines allgemeinen Zulassungserfordernisses für Rating-Agenturen „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ ist – dies ist zugleich die Voraussetzung, an der statistisch die größte Zahl von Beschränkungsregelungen scheitert. Die „Notwendigkeit“ meint dabei das Vorliegen eines „dringenden gesellschaftlichen Interesses“ an der betreffenden Regelung,91 die zudem in ihrer konkreten Ausgestaltung verhältnismäßig 86 Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 62 ff.; Jarass, Art. 11 GR-Charta Rn. 19 f.; Pünder, in: Ehlers, Europ. Grundrechte, § 16.2 Rn. 23; Winkler, Grundrechte der EU, S. 421. 87 Erwägungsgrund 7 Satz 2 EG-RatingVO. 88 Ohler, AfP 2010, 101 möchte der Presse generell die „ideelle“ Aufgabe zuweisen, durch aufklärerisches wie auch disziplinierendes Wirken zur Stabilität des Finanzsystems beizutragen. 89 EGMR, 22.5.1990 – Autronic ./. Schweiz, EuGRZ 1990, 261 Tz. 57; EGMR, 14.3.2002 – Gawęda ./. Polen, Rep. 2002-II, 105 Tz. 39 f. 90 Vgl. Art. 21 Abs. 2, 3 EG-RatingVO sowie CESR’s Guidance on Registration Process, Functioning of Colleges, Mediation Protocol, Information set out in Annex II, Information set for the application for Certification and for the assessment of CRAs systemic importance vom 4. Juni 2010, Ref.: CESR/10–347. 91 EGMR, 26.11.1991 – Observer and Guardian ./. Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1995, 16 Tz. 59.
§ 22 Staatliche Zulassungs- und Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen
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sein muss.92 Die Notwendigkeit der „Registrierungspflicht“ gemäß Art. 14 EGRatingVO wird man vor diesem Hintergrund im Ergebnis verneinen müssen: So mag man ein dringendes gesellschaftliches Interesse an einer aufsichtsrechtlichen Überwachung der drei großen, marktdominanten Rating-Agenturen noch bejahen können, besitzen diese Agenturen doch in ihrer kombinierten Marktinformations- und Registrierungsfunktion einen so bedeutenden Einfluss am europäischen Finanzmarkt, dass sie deren Stabilität ebenso wie Vermögensinteressen einzelner Marktteilnehmer zu beeinträchtigen vermögen. Dieses Interesse kann durch das in Rede stehende Zulassungserfordernis jedoch gar nicht befriedigt werden, weil Zulassungspflicht und –möglichkeit nach der EG-RatingVO von vornherein nur für Rating-Agenturen mit Sitz in der EU bestehen93 und mindestens zwei der drei marktdominanten Agenturen94 daher gar nicht erfassen.95 Bezüglich der zahlreichen kleineren, mit geringer oder keiner Marktrelevanz ausgestatteten Rating-Agenturen dürfte ein Überwachungsbedürfnis hingegen schon nicht mehr bestehen. Das generelle Zulassungserfordernis nach der EG-RatingVO ist daher schon deshalb unverhältnismäßig, weil es alle, auch kleinere und jüngere Rating-Agenturen erfasst, bezüglich derer eine Regulierungsnotwendigkeit nicht erkennbar ist und die zudem die umfangreichen, detaillierten Anforderungen der EG-RatingVO an Organisation und Verhalten kaum werden erfüllen können. Es besteht aus diesem Grund die reale Gefahr, dass neue RatingAgenturen – an deren Auftreten auch zum Zweck der Erhöhung des Wettbewerbs auf dem Ratingmarkt ein starkes öffentliches Interesse besteht96 – von der Aufnahme einer Tätigkeit als Presseunternehmen abgeschreckt werden. Die bestehende Möglichkeit eines Dispenses von einzelnen Registrierungsvoraussetzungen97 dürfte dieser Unverhältnismäßigkeit der Einschränkung nicht ausreichend abhelfen. Darüber hinaus ergibt sich die Unverhältnismäßigkeit einer zwingenden Zulassungspflicht für jedes Unternehmen, das öffentlich „Ratings“ i.S. des Art. 2 Abs. 1 lit. a EG-RatingVO (also Bonitätsurteile über Unternehmen oder einzelne Finanzinstrumente) verbreiten will, aber auch daraus, dass auf diese Weise eine staatliche Präventivkontrolle von Presseunternehmen ermöglicht wird, die für den Staat missliche Bonitätseinschätzungen abgeben könnten. Da die Zulassung widerrufen werden kann, wenn eine Rating-Agentur die vielfach lediglich
92
Jarass, Art. 11 GR-Charta Rn. 20; Pünder, in: Ehlers, Europ. Grundrechte, § 16.2 Rn. 23. Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO; siehe dazu schon oben unter a). 94 Nämlich Moody’s und Standard & Poor’s (präziser: deren U.S.-amerikanische Konzernmuttergesellschaften), während die Lage bei Fitch aufgrund der komplexeren Konzernstruktur mit Hauptverwaltungen in London und New York schwieriger zu beurteilen ist. 95 Vgl. zu den völkerrechtlichen Grenzen für jede Regulierung in Drittstaaten ansässiger Rating-Agenturen durch die EU A. Witte, WM 2011, 2253, 2254 ff. 96 Siehe § 20 I 2. 97 Zur – sachlich begrenzten – Möglichkeit der Aufsichtsbehörden, bei Rating-Agenturen mit weniger als 50 Beschäftigten von einzelnen Vorgaben der EG-Rating-VO abzusehen, siehe Art. 6 Abs. 3 EG-RatingVO mit Erwägungsgrund 32. 93
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
unbestimmt umschriebenen Vorgaben der EG-RatingVO nicht mehr erfüllt,98 etwa weil ihre Geschäftsleitung nicht länger eine „solide und umsichtige Führung der Agentur gewährleistet“,99 besteht die Gefahr, dass staatliche Aufsichtsbehörden bei Anwendung des Zulassungserfordernisses die Haushaltsinteressen des betreffende Staates (mit) berücksichtigen. Es dürfte sich dabei um keine lediglich theoretische Gefahr handeln, wenn man bedenkt, dass die öffentliche Hand auch in den meisten EU-Staaten der größte Anleiheemittent am Finanzmarkt ist, dem damit die Entscheidung darüber übertragen wird, welcher Dritte durch Ratings seine Bonität beurteilen (und dadurch unweigerlich seine Zinskosten beeinflussen100) darf. Ein solches präventives Kontrollrecht erscheint umso bedenklicher, wenn man sich vor Augen hält, dass die denkbare freiwillige Rücksichtnahme von „issuer pays“-Rating-Agenturen auf beauftragende Emittenten weithin als größte Gefahr für verlässliche Ratings und die Stabilität der Finanzmärkte betrachtet wird:101 Während ein durch diesen Interessenkonflikt bewirktes Unterlassen strenger Ratingeinstufungen immerhin noch eine dahingehende Entscheidung der Rating-Agentur (mit allen Folgerisiken für deren Ruf) voraussetzt, räumt ein staatliches Zulassungserfordernis dem bedeutendsten Emittenten am Markt sogar die rechtliche Möglichkeit ein, Rating-Agenturen zum Unterlassen ihm unerwünschter Ratingveröffentlichungen zu zwingen! In der Sache ähnelt dies der Eröffnung einer Vorzensur, die zu Recht als mit Art. 11 GR-Charta wie auch Art. 10 EMRK unvereinbar angesehen wird.102 Das flächendeckende Zulassungserfordernis unterscheidet sich damit maßgeblich von der Statuierung eines bloßen Anerkennungserfordernisses, welches lediglich eine Voraussetzung der regulatorischen Nutzbarkeit von Ratings darstellt und dem die Rating-Agentur folglich nur zu genügen hat, sofern sie – freiwillig – die Regulierungsfunktion ihrer Ratings eröffnen möchte. Die „Registrierungspflicht“ des Art. 14 EG-RatingVO erweist sich nach alledem als in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig103 und verletzt folglich die Kommunikationsgrundrechte des EU-Primärrechts. Gegen diese Beurteilung lässt sich nicht überzeugend einwenden, dass die Entscheidung über die Zulassung seit dem Jahre 2011 in den Händen einer EU-Behörde (nämlich der ESMA) liegt,104 die angesichts der geringeren Emissionsaktivitäten der EU auch nur einem geringen Anreiz ausgesetzt sei, auf sovereign ratings der Rating-Agenturen Einfluss auszuüben. Die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Griechenlandkrise seit 2010 deuten vielmehr an, dass die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen auch durch die EU-Organe gefährdet werden kann, wurden von deren Seite doch mehrfach energisch eine „vernünf98
Art. 20 Abs. 1 lit. c, d EG-RatingVO. Anh. I Abschn. A Abs. 2 Unterabs. 2 EG-RatingVO. 100 Siehe § 16 II 1. 101 Siehe noch ausführlich § 25 I 2. 102 Frowein/Peukert/Frowein, Art. 10 EMRK Rn. 29; Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 78. 103 Art. 10 Abs. 2 EMRK. 104 Fischer zu Cramburg, NZG 2010, 699. Zum entstehungsgeschichtlichen Hintergrund vgl. Hopt, NZG 2009, 1401 ff. 99
§ 22 Staatliche Zulassungs- und Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen
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tige“ Beurteilung der Bonität der Hellenischen Republik eingefordert und andernfalls unverhohlen regulatorische Verschärfungen in Aussicht gestellt.105 Im Übrigen ist unsicher, ob die EU nicht in Zukunft auch selbst zur Begebung von Anleihen ermächtigt werden wird, um auf diese Weise den EU-Haushalt unabhängig von den Mitgliedstaaten zu finanzieren – eine Option, die von Seiten der EU-Kommission immer wieder propagiert worden ist und die regulierende EU in diesem Falle selbst mit einer relevanten Emittentenrolle versehen würde.
c) Ergebnis: Unvereinbarkeit des Zulassungserfordernisses mit höherrangigem Unionsrecht Im Ergebnis steht die „Registrierungspflicht“ des Art. 14 EG-RatingVO daher nur insoweit mit höherrangigem Unionsrecht im Einklang, wie sie sich (in hier verwandter Diktion) auf eine „Anerkennung“ für Zwecke der regulatorischen Indienstnahme bezieht, die in Art. 4 EG-RatingVO separat angesprochen wird. Diejenigen Rating-Agenturen, die auf die Verwendbarkeit ihrer Ratings für regulatorische Zwecke verzichten, bedürfen dagegen nach hier vertretener Auffassung keiner Zulassung nach Art. 14 EG-RatingVO, weil diese Bestimmung insoweit als mit der unionsrechtlichen Pressefreiheit unvereinbar und daher unanwendbar anzusehen ist.106 Diese sachlich begrenzte Auswirkung des Primärrechtsverstoßes stimmt hinsichtlich ihres Umfangs mit der begrenzten Nichtigkeitsfolge überein, die eine Nichtigkeitsklage gegen die EG-RatingVO vor dem EuGH107 gehabt hätte: Auch hier beschränkt sich der EuGH in st. Rspr. darauf, bei einem Gemeinschaftsrechtsakt mit mehreren, voneinander abtrennbaren Teilen nur denjenigen Teil für nichtig zu erklären, der gemeinschaftsrechtswidrig ist.108
3. Kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen und Garantie der Zulassungsfreiheit der Presse nach deutschem Recht Das deutsche, autonome Gesetzesrecht kennt bis heute kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen: Obgleich im Schrifttum verschiedentlich dafür eingetreten wurde, die Veröffentlichung von Ratings von einer Zulassung (etwa durch die BaFin) abhängig zu machen,109 fanden entsprechende Vorschläge keine Umsetzung, und auch die bestehende Zulassungspflicht für Kreditinstitute (§ 32
105
Siehe bereits § 3 III 3; zur strengeren Regulierung des Ratings von sovereign ratings § 19 I 3
a). 106
Im Ergebnis wie hier (freilich am Maßstab des schwedischen Verfassungsrechts messend) Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 211 und 221. 107 Art. 263 AEUV (früher Art. 230 EG). Die Frist des Art. 230 Abs. 5 EG verstrich allerdings, ohne dass eine Nichtigkeitsklage erhoben wurde. 108 Vgl. Calliess/Ruffert/Cremer, Art. 231 EGV Rn. 1 m. Nachw. 109 In diesem Sinne etwa Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 22; Vetter, WM 2004, 1701, 1712; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1353.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
KWG) ist auf Rating-Agenturen nicht anwendbar, weil diese weder Bankgeschäfte betreiben noch Finanzdienstleistungen erbringen.110 Allerdings sähe sich ein Zulassungserfordernis vor dem Hintergrund der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), in deren Schutz die Rating-Agenturen stehen,111 auch einem deutlich prononcierterem Rechtfertigungsbedürfnis entgegen als auf Ebene des Unionsrechts. Zwar findet auch die Pressefreiheit ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG),112 als deren Schutzgut grundsätzlich auch die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte in Frage kommt;113 jedoch fordert die Rechtsprechung seit jeher in einem zweiten Schritt die Abwägung der beiden konfligierenden Rechtsgüter einschließlich der Einschränkung des begrenzenden Gesetzes im Lichte der Pressefreiheit,114 die sich insbesondere dann auswirkt, wenn dieses besonders intensiv in die Freiheit der Presse eingreift. Im Ausgangspunkt besteht dabei zunächst Einigkeit darüber, dass die Pressefreiheit die freie Gründung von Presseunternehmen schützt,115 die daher nicht von einer wie auch immer gearteten staatlichen Zulassung, Genehmigung, Kontrolle oder Prüfung abhängig gemacht werden darf.116 Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert vielmehr die Zulassungsfreiheit für Presseunternehmen, und ein allgemeines Zulassungserfordernis für gewerbliche oder berufliche Pressetätigkeit im weitesten Sinne wäre als verfassungswidrig anzusehen, selbst wenn damit nur ein Mindestmaß an Zuverlässigkeit und Sachkunde gesichert werden soll.117 Bestätigt wird dies durch die Landespressegesetze, die als konkretisiertes Verfassungsrecht ausnahmslos die Zulassungsfreiheit der Pressetätigkeit festschreiben,118 die im Schrifttum als „Eckpfeiler der Pressefreiheit“ charakterisiert wird.119 Es steht da110 Volk, ZBB 2005, 273, 280; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 99; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1349. 111 Dazu bereits ausführlich § 21 IV 1 b). 112 BVerfG, 27.2.2007, BVerfGE 117, 244 Tz. 47 („CICERO“); Leibholz/Rinck, Stand: Lfg. 56 (Mai 2011), Art. 5 Rn. 731. 113 Eichele, WM 1997, 501, 509; Kämmerer/Veil, BKR 2005, 379, 384; Ohler, AfP 2010, 101. 114 BVerfG, 15.1.1958, BVerfGE 7, 198, 208 f. („Lüth“); BVerfG, 5.8.1966, BVerfGE 20, 162, 177 („Spiegel“). 115 BVerfG, 5.8.1966, BVerfGE 20, 162, 175 f. („Spiegel“); BVerfG, 14.1.1998, BVerfGE 97, 125, 144 („Caroline von Monaco“); BVerfG, 27.2.2007, BVerfGE 117, 244 Tz. 47 („CICERO“); BK/ Degenhart, Stand: Juli 2006, Art. 5 I, II Rn. 442; Maunz/Dürig/Herzog, Stand: Lfg. 30 (Dez. 1992), Art. 5 I, II Rn. 141; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Kannengießer, Art. 5 Rn. 13; von Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 62. 116 BVerfG, 6.10.1959, BVerfGE 10, 118, 121; BK/Degenhart, Stand: Juli 2006, Art. 5 I, II Rn. 441 f.; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 132. 117 Bullinger, in: HStR VII, § 163 Rn. 25. Auf Unternehmen, die unter dem Schutz der Pressefreiheit stehen, ist daher auch das allgemeine gewerberechtliche Zuverlässigkeitserfordernis (§ 35 GewO) nicht anzuwenden (BK/Degenhart, Stand: Juli 2006, Art. 5 I, II Rn. 442; Dreier/SchulzeFielitz, Art. 5 I, II Rn. 193). 118 Vgl. etwa § 2 LPG Baden-Württemberg: „Die Pressetätigkeit einschließlich der Errichtung eines Verlagsunternehmens oder eines sonstigen Betriebes des Pressegewerbes darf von irgendeiner Zulassung nicht abhängig gemacht werden.“ 119 Löffler/Bullinger, § 2 LPG Rn. 17.
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hinter der Gedanke, dass ein Zulassungszwang die geistige Wirksamkeit der Pressetätigkeit inhaltlich beeinflussen kann, indem genehmigungslose Gründung und Betrieb von Presseunternehmen verboten und dadurch die präventive Sicherung gegen unerwünschte Druckwerke gegenüber einer (durch Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG ausdrücklich verbotenen) Zensur sogar noch vorverlagert wird.120 Wie in den U.S.A.121 erklärt sich die Betonung der Zulassungsfreiheit der Presse dabei auch in Deutschland maßgeblich vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen mit Zulassungserfordernissen, die immer wieder der direkten oder indirekten Einflussnahme des Staates auf publizistische Inhalte dienten122 und im 20. Jahrhundert namentlich unter nationalsozialistischer Herrschaft sowie in der DDR eingesetzt wurden.123
Ein allgemeines Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen wäre nach alledem auch mit deutschem Verfassungsrecht unvereinbar, weil es als besonders intensiver Eingriff in die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) mit der angestrebten Stabilisierung des Finanzsystems nicht zu rechtfertigen wäre, wenn in Gestalt eines bloßen Anerkennungserfordernisses für Zwecke regulatorischer Bezugnahmen ein deutlich milderes, aber kaum weniger effektives Mittel zur Verfügung steht.
4. Kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach Schweizer Recht Das Schweizer Recht kennt kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen,124 und ein solches ist bislang auch kaum diskutiert worden. Vor diesem Hintergrund genügt an dieser Stelle der Hinweis, dass die Medienfreiheit (Art. 17 BV) es auch nach schweizerischem Verständnis verbietet, der Presse Gründungs- bzw. Marktzugangsbeschränkungen aufzuerlegen.125 Bereits die Anordnung von Bewilligungspflichten ist als Eingriff in die Pressefreiheit (in Gestalt einer Vorzensur)126 wie auch in die Meinungsfreiheit (Art. 16 BV)127 qualifiziert worden, der allerdings durch öffentliche Interessen oder den Schutz der Grund-
120
Löffler/Bullinger, § 2 LPG Rn. 18. Dazu oben II 1. 122 Stern/Becker/Fechner, Art. 5 Rn. 136; Löffler/Bullinger, § 2 LPG Rn. 20 ff. mit historischen Nachweisen. 123 Löffler/Bullinger, § 2 LPG Rn. 24. 124 IOSCO, Regulatory Implementation of the Statement of Principles (Feb. 2011), S. 11 Fn. 22; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 140. 125 Barrelet, Libertés, Rn. 22 f.; Ehrenzeller u.a./Burkert, Art. 17 BV Rn. 30; Malinverni, in: Merten/Papier, Hdb. der Grundrechte, § 216 Rn. 45; Nobel/Weber, Medienrecht, 2. Kap. Rn. 138. 126 BGer, 24.6.1970, BGE 96 I 586, 590 („Aleinick“) zu Art. 55 BV a.F. (betraf das Verteilen von Flugblättern auf öffentlichem Grund); Nobel/Weber, Medienrecht, 2. Kap. Rn. 138 (zum Erfordernis einer vorgängigen behördlichen Bewilligung der Gründung von Presseunternehmen); Pfister, Präventiveingriffe, S. 217 ff. 127 BGer, 28.9.2009, BGE 135 I 302 E. 4.2 („Unterschriften St. Gallen“) (ebenfalls zum Verteilen von Flugblättern); Auer/Maliverni/Hottelier, Droit constitutionnel suisse II, Rn. 690 ff.; Müller/ Schefer, Grundrechte in der Schweiz, S. 427. 121
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
rechte Dritter gerechtfertigt sein kann.128 Irgendwie geartete Qualitäts- und Fähigkeitsprüfungen beschränken ebenfalls den freien Marktzugang.129 Da Bewilligungspflichten für die Berufsausübung zudem als schwerer Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) betrachtet werden,130 stünde eine Zulassungspflicht für Rating-Agenturen auch in der Schweiz jedenfalls unter hohem Rechtfertigungsdruck,131 wenngleich das Verdikt der Verfassungswidrigkeit hier nicht gleichermaßen zwingend erscheint wie nach U.S.-amerikanischem und deutschem Recht.
5. Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach Hongkonger Recht (seit 2011) Ein gesetzliches Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen besteht seit 2011 schließlich auch im Hongkonger Recht, nachdem zuvor keine Notwendigkeit einer aufsichtsrechtlichen licence132 bestanden hatte. Die Einführung dieser präventiven finanzaufsichtsbehördlichen Kontrolle geschah in Hongkong allerdings nicht primär in Reaktion auf Erfahrungen in der globalen Finanzkrise 2007–09, die am Hongkonger Finanzmarkt deutlich geringere Verwerfungen verursacht hatte als an den übrigen Finanzplätzen der Welt.133 Sie war vielmehr eine Folgewirkung der oben beschriebenen134 Einführung eines entsprechenden Zulassungserfordernisses in der Europäischen Union, wo die EG-RatingVO ab dem 1. Juni 2011 nicht nur die „Registrierung“ in der EU niedergelassener RatingAgenturen vorschrieb, sondern zudem die Übernahme von „in einem Drittland [wie Hongkong] abgegebener Ratings“ durch nach der EG-RatingVO zugelassene Rating-Agenturen davon abhängig machte, dass die der Abgabe des zu übernehmenden Ratings zugrunde liegenden Ratingtätigkeiten der Rating-Agentur des Drittlandes Anforderungen genügten, die „mindestens so streng“ sind wie die Anforderungen der EG-RatingVO135 (sog. Äquivalenzlösung136). Die erstmalige Einführung einer behördlichen Zulassung von Rating-Agenturen verfolgte daher erklärtermaßen das primäre Ziel, die Verwendbarkeit der Ratings Hongkonger Rating-Agenturen auch innerhalb der EU sicherzustellen, indem man ein dem EU-Recht äquivalentes Hongkonger Zulassungsregime schuf.137 Dieser Te128 BGer, 1.7.1981, BGE 107 Ia 45 E. 3; BGer, 28.9.2009, BGE 135 I 302 E. 4.2 („Unterschriften St. Gallen“). 129 Nobel/Weber, Medienrecht, 2. Kap. Rn. 138. 130 Ehrenzeller u.a./Vallender, Art. 27 BV Rn. 16. 131 In diesem Sinne allgemein zu Präventiveingriffen in die Pressefreiheit Pfister, Präventiveingriffe, S. 280 f. 132 So der Begriff in § 116 Abs. 1 Securities and Futures Ordinance (Cap. 571). 133 Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 364. 134 Unter II 2. 135 Art. 4 Abs. 3 lit. b EG-Rating-VO. 136 Siehe dazu noch § 23 III 4 b). 137 Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 9 f.; dies., Consultation Conclusions (29 Oct. 2010), Tz. 4, 7, 17, 50, 77, 80.
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los wirkte sich auch auf die Ausgestaltung der Zulassungsanforderungen im Einzelnen aus.138 Dabei ist bemerkenswert, dass die Äquivalenz der Ratingregulierung in Drittländern nach der EG-RatingVO nur für die Übernahme von Ratings „für aufsichtsrechtliche Zwecke“139 vorgeschrieben wird, d.h. für eine Ratingverwendung in ihrer Regulierungsfunktion. Die Statuierung eines generellen Zulassungserfordernisses für alle Rating-Agenturen wird von der EG-RatingVO daher gar nicht verlangt und kann als „überschießende“ Maßnahme zur Zweckerreichung eingestuft werden; eine bloße (freiwillig zu beantragende) Anerkennung von Rating-Agenturen in deren Regulierungsfunktion140 – wie nach U.S.-amerikanischem Recht vorgesehen141 – hätte vollkommen ausgereicht.142 Das mit der Einführung des Zulassungserfordernisses primär verfolgte Ziel wurde immerhin erreicht: Die ESMA bescheinigte im Jahre 2012, dass die Anforderungen des reformierten Hongkonger Aufsichtsrechts „mindestens so streng“ sind wie die Vorgaben in Artt. 6 ff. EG-RatingVO.143
a) Erbringung von Ratingdienstleistungen als regulierte Tätigkeit i.S.d. Securities and Futures Ordinance Die Einführung eines präventiven staatlichen Kontrollregimes für Rating-Agenturen wurde in Hongkong durch die Ausweitung des personellen Anwendungsbereichs der Securities and Futures Ordinance144 bewirkt. Dieses wohl wichtigste Hongkonger Gesetz im Bereich der Finanzmarktregulierung unterwirft seit jeher all diejenigen Marktteilnehmer einem Zulassungserfordernis, die einer „regulierten Tätigkeit“ (regulated activity) nachgehen,145 darunter etwa dem Handel mit Wertpapieren, dem Abschluss von Termingeschäften oder gehebelten Fremdwährungsgeschäften, der Beratung über Kapitalanlagen,146 Termingeschäfte oder die Unternehmensfinanzierung, der Erbringung automatisierter Handelsdienstleistungen oder der Vermögensverwaltung. Mit Wirkung zum 1. Juni 2011 wurde die Erbringung von Ratingdienstleistungen (providing credit rating services) als
138
Vgl. Securities and Futures Commission, Consultation Conclusions (29 Oct. 2010), Tz. 17, 50, 56, 61. 139 Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 EG-Rating-VO. 140 Siehe dazu noch näher § 23. 141 Siehe schon oben II 1 und näher § 23 II 3. 142 Dies zeigt sich auch daran, dass das U.S.-amerikanische Anerkennungsregime zwischenzeitlich als der EG-RatingVO äquivalent anerkannt wurde; siehe noch näher in § 23 III 4 b). 143 ESMA, Pressemitteilung vom 15. März 2012, ESMA/2012/158. 144 Securities and Futures Ordinance (Cap. 571). 145 § 114 Abs. 1, 2 Securities and Futures Ordinance i.V.m. Schedule 5, wo die regulierten Tätigkeiten aufgezählt werden. 146 Siehe dazu noch näher in § 24 III 3.
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weitere regulierte Tätigkeit definiert147 und dadurch bewirkt, dass alle in Hongkong tätigen Rating-Agenturen148 sowie – im internationalen Vergleich ganz ungewöhnlich149 – auch alle einzelnen für diese tätigen Ratinganalysten150 einer Zulassung durch die Securities and Futures Commission151 bedürfen. Die Veröffentlichung von Ratings ohne die notwendige behördliche Zulassung ist seitdem bei Strafandrohnung verboten.152 In Hongkong zugelassen wurden seit Inkrafttreten des Lizenzerfordernisses lokale Tochtergesellschaften der drei großen internationalen Rating-Agenturen (Fitch (Hong Kong) Limited, Moody’s Investors Services (Hong Kong) Limited und Standard & Poor’s Hong Kong Limited), eine Tochtergesellschaft von A.M. Best (A.M. Best Asia-Pacific Limited) sowie drei kleinere Agenturen, die bislang noch keine relevanten internationalen Marktanteile besitzen (CTRISKS Rating Limited, China Chengxin (Asia Pacific) Credit Ratings Company Limited sowie Pengyuan Credit Rating (Hong Kong) Company Limited).153 Mit Blick auf die einzelnen Ratinganalysten verfolgte die Securities and Futures Commission einen „grandfathering“-Ansatz, indem sie alle bereits bei Hongkonger Rating-Agenturen tätigen Analysten ungeachtet der neu geschaffenen Zulassungsvoraussetzungen pauschal zuließ;154 ein Ansatz, der sich in vergleichbarer Form in der U.S.-amerikanischen Praxis auch für die Anerkennung von Rating-Agenturen insgesamt nachweisen lässt.155
b) Institutionsschützende Grenzen Anders als in den U.S.A.156 stieß die Einführung eines generellen Zulassungserfordernisses in Hongkong auf keine nennenswerte Kritik und wurde während der vorausgehenden Konsultation auch durch die betroffenen Rating-Agenturen selbst nicht moniert.157 Dies mag auch damit zu erklären sein, dass das Hongkonger Presserecht seit jeher ein Registrierungserfordernis für Presseunternehmen
147 Sec. 3, 4 Securities and Futures Ordinance (Amendment of Schedule 5) Notice 2011 (made by the Financial Secretary under section 142 of the Securities and Futures Ordinance (Cap. 571)), L.N. 28 of 2011. Da es sich dabei um die zehnte durch die Ordinance regulierte Tätigkeit handelt, wird im Hongkonger Branchenjargon üblicherweise von einer „Type 10 license“ gesprochen. 148 § 114 Abs. 1, 2 i.V.m. §§ 116 f. Securities and Futures Ordinance. 149 Vgl. Securities and Futures Commission, Consultation Conclusions (29 Oct. 2010), Tz. 12 ff. 150 § 114 Abs. 3, 4 Securities and Futures Ordinance; vgl. dazu Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 13 f. 151 Ausführlich zur Securities and Futures Commission Donald, Hong Kong Stock and Futures Exchanges, Rn. 2.016 ff. Das Schrifttum hatte sich demgegenüber für eine Beaufsichtigung von Rating-Agenturen durch die Hong Kong Monetary Authority (HKMA) ausgesprochen; vgl. Arner/ Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 382 f. 152 § 114 Abs. 1 und 3, 8 und 9 Securities and Futures Ordinance. 153 Stand: 1. August 2013. 154 Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 30: „In light of the existence in Hong Kong of well established CRAs, which have been providing credit rating services for a lengthy period of time and whose rating agents invariably are highly qualified, we are proposing a ‚grandfathering‘ approach …“; dies., Consultation Conclusions (29 Oct. 2010), Tz. 9. 155 Siehe noch § 23 II 3 a) aa). 156 Dazu schon oben unter II 1. 157 Vgl. Securities and Futures Commission, Consultation Conclusions (29 Oct. 2010), Tz. 6.
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kennt,158 das in anderen Rechtsordnungen als verfassungsrechtlich zumindest nicht unproblematisch eingestuft würde – die Haltung des Hongkonger Rechts erweist sich damit generell als gegenüber Präventivbeschränkungen vergleichsweise tolerant.159 Dabei bestehen im geschriebenen Hongkonger Recht im ersten Zugriff sogar Anzeichen dafür, dass der Schutz von Presseunternehmen vor Präventiveingriffen noch strikter ausgestaltet ist als in den Vertragsstaaten der EMRK, weil der hier geltende Art. 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR)160 ein staatliches Lizenzerfordernis, das – wie oben161 diskutiert – in Art. 10 EMRK erlaubt wird, bewusst gerade nicht vorsieht.162 Die Hongkonger Rechtsprechung hat ein Zulassungserfordernis für Medienunternehmen (in concreto: eine Radiolizenz für ein „Citizens Radio“) vor kurzem gleichwohl für verfassungsrechtlich zulässig erachtet, weil eine solche Einschränkung der Medienfreiheit durch Art. 19 ICCPR zum Schutz der öffentlichen Ordnung implizit erlaubt werde.163 Vorangegangen war allerdings die gegenteilige Entscheidung eines erstinstanzlichen Gerichts, in der die betreffende Gesetzesnorm wegen Verstoßes gegen die Pressefreiheit aufgehoben worden war, weil darin weder die Voraussetzungen für eine Lizenzerteilung spezifiziert noch ein Begründungserfordernis vorgesehen war164 – eine Begründung, die an das Verbot des „standardless licensing“ des U.S.-amerikanischen Verfassungsrechts165 erinnert. Bemerkenswert ist, dass das Hongkonger erstinstanzliche Gericht zudem verlangt hatte, die zulassende Stelle müsse von der Exekutive unabhängig sein.166 Da die Berufungsinstanz die beschriebene, viel beachtete Entscheidung hingegen kassiert und lediglich das Erfordernis einer möglichst präzisen Benennung der Zulassungsvoraussetzungen bestätigt hatte,167 stößt das Zulassungserfordernis für RatingAgenturen in Hongkong auf die im Vergleich geringsten Hindernisse; es dürfte daher als mit höherrangigem Recht vereinbar einzustufen sein.
158
Dazu sogleich unter III 1. Vgl. Keller, 27 Tex. Int’l L. J. (1992), 371, 378. 160 Dazu, dass der ICCPR in Hongkong mit Verfassungsrang gilt, siehe bereits § 21 VI 1. 161 Oben II 2 b) aa). 162 Secretary for Justice v. Ocean Technology Ltd and Others, 12.12.2008, [2009] 1 HKC 271 Tz. 22: „Its omission from art. 19 was deliberate …“. 163 Secretary for Justice v. Ocean Technology Ltd and Others, 12.12.2008, [2009] 1 HKC 271 Tz. 22. 164 Secretary for Justice v. Ocean Technology Ltd and Others, 8.1.2008, Tz. 27: Verstoß gegen Artt. 27, 39 Basic Law und Art. 16 Bill of Rights Ordinance. 165 Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, First Amendment, S. 121 f. mit Nachw. aus der Rechtsprechung. Dazu schon oben unter II 1 b). 166 Secretary for Justice v. Ocean Technology Ltd and Others, 8.1.2008, Tz. 29: „under the premise of legal certainty, I would also include the requirement that the decision-making body of the grating of licenses be independent of government.“ Anders aber die Berufungsinstanz: Secretary for Justice v. Ocean Technology Ltd and Others, 12.12.2008, [2009] 1 HKC 271 Tz. 110. 167 Secretary for Justice v. Ocean Technology Ltd and Others, 12.12.2008, [2009] 1 HKC 271 Tz. 107; Leung Kwok Hung v. HKSAR, (2005) 8 HKCFAR 229. 159
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III. Staatliche Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen Als alternative Möglichkeit einer präventiven staatlichen Kontrolle der RatingAgenturen wird im deutschen,168 schweizerischen169 und U.S.-amerikanischen170 Schrifttum die Einführung einer Registrierungspflicht vorgeschlagen. In einer solchen Pflicht, die nach dem hier verwandten Sprachgebrauch eine bloße Anmeldung der Rating-Agentur bei der zuständigen Behörde verlangen, aber keine inhaltlichen Voraussetzungen für die damit durchgeführte Registrierung aufstellen würde,171 wird dabei vor allem ein milderes Mittel gegenüber einem Zulassungserfordernis gesehen,172 weil der Staat die Tätigkeit der Rating-Agentur nicht verhindern könnte, sofern diese ihren Informationspflichten im Rahmen des Registrierungsverfahrens nachkommt.173 Typologisch handelt es sich also um ein Verbot mit Anzeige- oder Mitteilungsvorbehalt.174 Über ein Anerkennungserfordernis (nur) für Zwecke der Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen, das im folgenden Kapitel175 behandelt wird, geht das Registrierungserfordernis in der hier erörterten Ausgestaltung hingegen deshalb hinaus, weil es die Rating-Agenturen auch in ihrer Marktinformationsfunktion erfasst: Es ist damit Voraussetzung für jedwede Tätigkeit der Rating-Agenturen und bietet damit, so meint man, auch einen umfassenderen Schutz.176
1. Institutionsschützende, insb. verfassungsrechtliche Grenzen Obgleich es sich bei einer Registrierungspflicht um eine bloße Verfahrensgestaltung handelt, durch die der Staat keine inhaltlichen Anforderungen an die Tätigkeit der Rating-Agenturen statuiert, muss sie sich doch an den institutionsschützenden Vorgaben der einzelnen Rechtsordnungen messen lassen, weil sie den Rating-Agenturen ihre geschützte Tätigkeit ohne vorheriges Durchlaufen des
168 Issing Committee, Recommendations (2009), S. 23: „Internationally active rating agencies should be registered with an institution entrusted with capital markets oversight, e.g. the IMF or the BIS“; Peters, Haftung und Regulierung, S. 178 f. 169 Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 10. 170 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 612; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 89. 171 Terminologisch anders etwa die EG-RatingVO, die ebenfalls von „Registrierung“ spricht, aber eine Zulassung meint. 172 Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 89; Peters, Haftung und Regulierung, S. 178 f.; ähnlich Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 10. 173 Nun ist freilich denkbar, dass die für Zwecke der Registrierung verlangten Informationen und vorzulegenden Unterlagen so bestimmt sind, dass der Aufwand für ihre Beschaffung einer inhaltlichen Voraussetzung quasi gleichkommt – wäre dies der Fall, so hätte dies regelmäßig Auswirkungen auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer so gestalteten Registrierungspflicht; vgl. zum U.S.-amerikanischen Recht Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, First Amendment, S. 109. 174 Vgl. Stober, Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 29 III 1. 175 Siehe § 23. 176 Zu Zweifeln in dieser Hinsicht siehe unten 2.
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Verfahrens eben nicht erlaubt. Das Ergebnis dieser Vereinbarkeitsprüfung fällt dabei uneinheitlich aus: Im deutschen Verfassungsrecht schützt die Pressefreiheit im Grundsatz zwar auch gegen belastende Verfahrensgestaltungen,177 die jedoch leichter zu rechtfertigen sind als ein oben behandeltes generelles Zulassungserfordernis. Als mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar wird allgemein eine öffentlich-rechtliche Verkammerung der Presseberufe angesehen,178 mit der u.a. ein Registrierungszwang einhergeht; da Kammern typischerweise zudem eine laufende Überwachung ihrer Mitglieder vornehmen, bliebe die hier diskutierte Registrierungspflicht jedoch hinter einem solchen Schritt zurück. Eine mit dieser vergleichbare Regelung findet sich im deutschen Recht allerdings in Gestalt der Anzeigepflicht für Finanzanalysten (§ 34c WpHG), also funktionell vergleichbarer Informationsintermediäre.179 Von dieser Pflicht werden Presseunternehmen jedoch ausdrücklich ausgenommen,180 um dadurch der gebotenen Staatsferne im Pressewesen Rechnung zu tragen181 – eine Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, die insbesondere deshalb aufschlussreich erscheint, weil die Anzeigepflicht des § 34c WpHG nicht als Teil eines Verbots mit Anzeigevorbehalt, sondern als bloße Begleitpflicht konzipiert ist182 und solche Anzeigepflichten ohnehin als mit Art. 5 GG vereinbar angesehen werden.183 Obgleich die Wertung des § 34c Satz 6 WpHG damit eher für die Unzulässigkeit von Anzeigepflichten im Anwendungsbereich der Pressefreiheit spricht, dürfte dies im Ergebnis nicht per se ausschließen, dass der deutsche Gesetzgeber eine Registrierungspflicht für 177 Vgl. BK/Degenhart, Stand: Juli 2006, Art. 5 I, II Rn. 441; von Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 71. 178 BK/Degenhart, Stand: Juli 2006, Art. 5 I, II Rn. 441; Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie, § 9 II 2; Sachs/Bethge, Art. 5 Rn. 72; Scheuner, VVDStRL 22 (1965), 1, 71 Fn. 209; Sturm, ZBB 2010, 20, 34: „präventive Vermeidung jeder Form von Gleichschaltung“; von Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 71. 179 Die Anzeigepflicht soll der BaFin Kenntnis von den tatbestandlich erfassten Informationsintermediären verschaffen und so deren Überwachung ermöglichen; vgl. Fuchs/Fuchs, § 34c Rn. 2; Göres, in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, KMR, Stand: Lfg. 1/06 (Feb. 2006), Kennz. 634b/3, Rn. 129; Möllers, in KK-WpHG, § 34c Rn. 2. 180 § 34c Satz 6 i.V.m. § 34b Abs. 4 WpHG nimmt „Journalisten“ von der Anzeigepflicht aus, worunter nach dem Willen des historischen Gesetzgebers jede Person zu verstehen ist, deren berufliche Tätigkeit unter den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fällt (RegE AnSVG, BT-Drs. 15/ 3174, S. 39; Ohler, AfP 2010, 101, 105; Sturm, ZBB 2010, 20, 23). Voraussetzung ist allerdings zudem, dass der Journalist einer „vergleichbaren Selbstregulierung einschließlich wirksamer Kontrollmechanismen“ unterliegt (§ 34b Abs. 4 WpHG). 181 Möllers, in KK-WpHG, § 34c Rn. 11; Sturm, ZBB 2010, 20, 25. Vgl. RegE AnSVG, BT-Drs. 15/3174, S. 39: „Mit dieser Ausnahmebestimmung wird auch das Schutzgut der Pressefreiheit nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes berücksichtigt, das an Eingriffe strenge Anforderungen stellt.“ 182 Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, hindert den Finanzanalysten aber nicht an der weiteren Ausübung seiner Analysetätigkeit; vgl. Fuchs/Fuchs, § 34c Rn. 7; Koller, in: Assmann/Schneider, § 34c Rn. 7. 183 So (zu Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG) BVerfG, 25.4.1972, BVerfGE 33, 52, 72 ff.; Maunz/Dürig/ Herzog, Stand: Lfg. 20, Art. 5 I, II Rn. 299: „zulässig, wenn auch nicht gerade verfassungspolitisch erwünscht“.
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Rating-Agenturen statuiert.184 Diese hätte in ihrer konkreten Ausgestaltung freilich dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu genügen, was neben der Zumutbarkeit des Verfahrensaufwandes vor allem die Geeignetheit der Registrierung als Mittel voraussetzt – gerade in letzterer Hinsicht bestehen jedoch erhebliche Zweifel, auf die unten im Text noch zurückzukommen sein wird.185 Im schweizerischen Recht dürfte für Registrierungserfordernisse letztlich nichts anderes gelten. Ebenso wie die Pressefreiheit des deutschen und schweizerischen Verfassungsrechts schützt auch das First Amendment des U.S.-amerikanischen Rechts gegen belastende Verfahrensgestaltungen,186 geht dabei aber im Schutzumfang weiter: So ist auch ein bloßes Registrierungserfordernis durch den Supreme Court in der Entscheidung Thomas v. Collins für verfassungswidrig erklärt worden, obgleich dieses lediglich die Identifikation der grundrechtsausübenden Person verlangte und der staatlichen Behörde bei der Erteilung der Registrierungsbescheinigung kein Ermessen einräumte.187 Begründet wurde dies mit der Erwägung, dass ein Verbot von Meinungsäußerungen unzulässig sei und der Staat dasselbe Ergebnis nicht dadurch erreichen könne, dass er Meinungsäußerungen ohne vorherige Registrierung verbiete.188 Sofern entsprechende Vorgaben für Rating-Agenturen aufgestellt würden, dürfte für diese nichts anderes gelten.189 Dass eine präventive Registrierung von Rating-Agenturen dagegen in Hongkong auf keine besonderen Bedenken stoßen würde, ergibt sich schon daraus, dass das Hongkonger Recht durch die Registration of Local Newspapers Ordinance190 ohnehin sämtliche Zeitungen einem Registrierungserfordernis unterwirft. Das insoweit vorgeschriebene Verfahren, das noch aus der britischen Kolonialzeit stammt, ist rein formeller Natur191 und bezweckt keine materielle Beschränkung der Presseunternehmensgründung – sofern die notwendigen Angaben durch den Registrierungswilligen gemacht werden, darf die Behörde die 184 Dies schon deshalb, weil auch die Anzeigepflicht des § 34c WpHG durchaus Journalisten erfassen kann, wenn diese nämlich keiner hinreichenden Selbstregulierung unterliegen (Kämmerer/Veil, BKR 2005, 379, 380). 185 Siehe unten 2. 186 Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet/Karlan, First Amendment, S. 109. 187 Thomas v. Collins, 8.1.1945, 323 U.S. 516, 539, 65 S.Ct. 315 (1945): „As a matter of principle a requirement of registration in order to make a public speech would seem generally incompatible with an exercise of the rights of free speech and free assembly.“ 188 Thomas v. Collins, 8.1.1945, 323 U.S. 516, 540, 65 S.Ct. 315 (1945): „If the exercise of the rights of free speech and free assembly cannot be made a crime, we do not think this can be accomplished by the device of requiring previous registration as a condition for exercising them and making such a condition the foundation for restraining in advance their exercise …“. 189 A.A. Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 617 mit der Begründung, dass die Belastung für die Rating-Agentur gering wäre und die Ratingpublikation nicht behindert würde – nach Thomas v. Collins (vom vorzitierten Autor übersehen) ändert dies jedoch nichts an der Unzulässigkeit dieses prior restraint. 190 Cap. 268. 191 Vgl. Cheung, Press Freedom in Hong Kong, S. 73 f.; Ghai, Freedom of Expression, S. 369, 374: „in practice, registration is virtually automatic“.
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Registrierung nicht verweigern.192 Der Sinn des überkommenen Registrierungserfordernisses besteht in der Ermittlung desjenigen, der für eine Zeitung verantwortlich ist und daher als Beklagter in presserechtlichen Verfahren in Frage kommt;193 es handelt sich damit um eine prozedurale Ergänzung zum libel law englischer Prägung.
2. Begrenzter Nutzen einer Registrierungspflicht Aus Sicht derjenigen Rechtsordnungen, die eine Registrierungspflicht für Rating-Agenturen nicht bereits aus Gründen des Institutionsschutzes ausschließen würden, ist in einem zweiten Schritt zu fragen, welchen Beitrag eine solche Pflicht zum angestrebten Schutz von Marktteilnehmern und Marktfunktionsfähigkeit leisten kann, worin also ihr Nutzen besteht. Der Antwort auf diese Frage kommt neben ihrer rechtspolitischen auch rechtliche Relevanz zu, soweit es nämlich um die Erforderlichkeit der Regelung zur Erreichung des angestrebten Zwecks geht, die sowohl im deutschen wie auch im schweizerischen und Hongkonger Verfassungsrecht Voraussetzung für die Rechtfertigung von Eingriffen in die Pressefreiheit ist.194 Sowohl rechtliche Erforderlichkeit als auch praktischer Nutzen einer Registrierungspflicht für Rating-Agenturen müssen dabei höchst zweifelhaft erscheinen: Registrierungspflichten dienen typischerweise dazu, die staatlichen Behörden über Namen und Anschrift der in dem regulierten Bereich tätigen Unternehmen zu informieren, um dadurch vorab die möglichen Adressaten späterer Verwaltungsmaßnahmen zu identifizieren.195 Derselbe Zweck wird auch einer Registrierungspflicht für Rating-Agenturen zuerkannt.196 Die Identifizierbarkeit der Akteure macht nun aber auf dem Ratingmarkt angesichts der oligopolistischen Marktstruktur ohnehin keinerlei Schwierigkeiten; die aktiven RatingAgenturen sind den Behörden – anders als die nach Tausenden zählenden, für Hunderte von Beratungsunternehmen tätigen Finanzanalysten197 – schon infolge ihrer (viel beklagten) geringen Anzahl sämtlich namentlich bekannt. Sofern sich der zuständige Behördenmitarbeiter nur Namen und Anschrift von Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch merken kann, hat er damit auf den meisten Finanzmärkten bereits 95% der in Frage kommenden Verwaltungsaktadressaten ermit192
Cheung, Press Freedom in Hong Kong, S. 66 Fn. 45; Ghai, Freedom of Expression, S. 369, 374; Yan, in: Weisenhaus, Hong Kong Media Law, S. 208. 193 Ghai, Freedom of Expression, S. 369, 374. 194 Zum deutschen Recht Maunz/Dürig/Herzog, Stand: Lfg. 20, Art. 5 I, II Rn. 275; zum Schweizer Recht Pfister, Präventiveingriffe, S. 159; zum Hongkonger Recht Ghai, Freedom of Expression, S. 369, 395 f. 195 Vgl. Stober, Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 29 III 1; Vollmöller, in: R. Schmidt/Vollmöller, Öffentl. Wirtschaftsrecht, § 8 Rn. 19. 196 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 612; Peters, Haftung und Regulierung, S. 178. 197 Vgl. treffend White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 45: „The fewness of bond rating firms contrasts sharply with the thousands of stock analysts, employed by hundreds of securities firms …“.
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telt. Vor diesem Hintergrund wird man eine Registrierungspflicht für RatingAgenturen nicht als im verfassungsrechtlichen Sinne erforderlich einstufen können. Sie wäre daher auch in Deutschland, in der Schweiz und in Hongkong verfassungswidrig, sofern man dem Gesetzgeber nicht – wie vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes vielfach judiziert198 – einen erheblichen Gestaltungsspielraum einräumt und die Pflicht daher auch ohne erkennbaren Nutzen als gerechtfertigten Eingriff einordnen will.
IV. Zusammenfassende Würdigung Ein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen, das nicht nur die Verwendbarkeit von Ratings zu regulatorischen Zwecken, sondern jegliche Ratingtätigkeit von einer voraussetzungsreichen präventiven Kontrolle durch eine Behörde abhängig macht, existiert seit 2010 in der Europäischen Union199 und seit 2011 in Hongkong,200 ist den übrigen hier untersuchten Rechtsordnungen dagegen unbekannt.201 Es stellt schon deshalb einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Rating-Agenturen, namentlich ihre Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit202 dar, weil es sich um eine präventive staatliche Kontrolle der Pressetätigkeit handelt (in U.S.-amerikanischer Diktion bezeichnet als prior restraint203), die damit das vollständige Fernhalten unerwünschter Stellungnahmen der RatingAgenturen vom Finanzmarkt und aus der allgemeinen Öffentlichkeit ermöglicht. Darüber hinaus können die umfangreichen Organisations- und Verhaltenspflichten, die (wie namentlich in der EG-RatingVO geschehen204) zur Voraussetzung für eine Zulassung gemacht werden können und von jeder zugelassenen RatingAgentur dauerhaft erfüllt werden müssen, für kleinere Agenturen so belastend und kostenträchtig sein, dass sie von der Beantragung einer Zulassung und damit der Wahrnehmung ihrer Pressefreiheit abgeschreckt werden können – ein chilling effect, der durchaus nicht nur theoretischer Natur ist, wie Erfahrungen in den U.S.A.205 mit dem (deutlich weniger weitgehenden) Anerkennungserfordernis für Zwecke der Regulierungsfunktion von Ratings206 demonstrieren. 198 Siehe zum deutschen Verfassungsrecht nur BVerfG, 27.11.1990, BVerfGE 83, 130 Rn. 35 („Josefine Mutzenbacher“). 199 Oben II 2 a). 200 Oben II 5 a). 201 Eine Zulassungspflicht für Rating-Agenturen besteht darüber hinaus etwa in Australien; vgl. IOSCO, Regulatory Implementation of the Statement of Principles (Feb. 2011), S. 15. 202 Siehe dazu bereits § 21. 203 Oben II 1 b). 204 Siehe dazu noch § 23 III 1 a) cc). 205 Siehe zu diesem noch § 23 II 3 a). 206 Vgl. Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1016 und 1056 zu kleineren U.S.-amerikanischen Agenturen, die erklärtermaßen aus Kostengründen auf eine Anerkennung als NRSRO verzichteten – sie konnten in den U.S.A. freilich weiterhin Ratings veröffentlichen, während ihnen dies bei einem bestehenden Zulassungserfordernis untersagt wäre.
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In Anbetracht dieses Gefährdungspotentials ist ein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach U.S.-amerikanischem Recht,207 dem Recht der Europäischen Union (namentlich der EU-Grundrechte-Charta und der EMRK)208 und deutschem Recht209 (wo man von einer verfassungsrechtlich geforderten „Zulassungsfreiheit der Presse“ spricht) als verfassungsrechtlich unzulässig anzusehen, während die Beurteilung nach Schweizer Recht210 in dieser Hinsicht unsicher ist; allein das Hongkonger Recht211 behandelt präventive Einschränkungen der Pressefreiheit traditionell großzügiger und lässt daher auch ein Zulassungserfordernis zu. Das in der EG-RatingVO vorgesehene „Registierungserfordernis“, welches sich (nach allerdings nicht unbestrittener Auffassung) auf jede innerhalb der EU Ratings veröffentlichende Agentur bezieht und damit rechtlich-typologisch ein Zulassungserfordernis darstellt,212 ist vor diesem Hintergrund mit höherrangigem Unionsrecht unvereinbar und daher nur insoweit wirksam, als es europäische Rating-Agenturen in ihrer Regulierungsfunktion betrifft;213 es handelt sich daher letztlich um ein Anerkennungserfordernis der Art, die im nächsten Kapitel214 noch näher zu untersuchen sein wird. Eine bloße Registrierungspflicht für Rating-Agenturen,215 die keine materiellen Voraussetzungen für die Ratingtätigkeit der Agentur beinhaltet und den staatlichen Behörden lediglich Informationen über die am Markt tätigen Agenturen verschafft, bleibt in ihrer Eingriffsintensität deutlich hinter einem Zulassungserfordernis zurück, würde nach U.S.-amerikanischem Verfassungsrecht allerdings gleichwohl – weil prior restraint darstellend – als unzulässig eingestuft.216 Da allerdings schon der Zweck einer Registrierungspflicht am Markt der RatingAgenturen angesichts der sachnotwendigen öffentlichen Bekanntheit dieser Informationsintermediäre kaum erkennbar ist, spricht manches dafür, diese auch unter den anderen Rechtsordnungen als verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt anzusehen.217
207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217
Oben II 1 b). Oben II 2 b), c). Oben II 3. Oben II 4. Oben II 5. Oben II 2 a). Oben II 2 c). Siehe § 23. Hierzu oben III. Oben III 1. Oben III 2.
§ 23 Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion I. Einleitung Im Unterschied zur staatlichen Zulassung oder Registrierung, die als Voraussetzung für jedwede Tätigkeit der Rating-Agenturen, also die Ausübung ihrer Marktinformations- wie auch ihrer Regulierungsfunktion eingesetzt werden,1 bezieht sich die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen von vornherein nur auf die Verwendbarkeit von Ratings im Rahmen ratingbasierter Rechtsvorschriften, also allein die Regulierungsfunktion der Rating-Agentur. Regelungen zur so verstandenen staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen sind international erheblich häufiger als Zulassungs- oder Registrierungserfordernisse,2 wobei die Terminologie auch hier ganz uneinheitlich ist: Während das deutsche und das schweizerische Recht von „Anerkennung“ sprechen,3 ist im U.S.-amerikanischen Recht von einer registration,4 im Hongkonger Recht hingegen von einer recognition die Rede.5 Wie noch zu zeigen sein wird, sind Anerkennungserfordernisse und daran anknüpfende Anerkennungsfolgepflichten trotz ihres originär begrenzten Regelungszwecks der Kern der geltenden Regulierung des Ratingwesens.
1. Die Notwendigkeit der staatlichen Anerkennung einer Rating-Agentur als Voraussetzung ihrer Regulierungsfunktion Die Notwendigkeit, eine staatliche Anerkennung der Rating-Agentur zur Voraussetzung der Verwendbarkeit von Ratings für regulatorische Zwecke zu machen, resultiert aus der zunehmenden Schaffung ratingbasierter Rechtsvorschriften, also der „Regulierung durch Rating“: Je mehr der Staat in gesetzlichen und untergesetzlichen Rechtsnormen auf durch Rating-Agenturen erstellte Bonitätsbeurteilungen Bezug nimmt und damit einen Teil seiner Rechtsetzungsaufgabe an private Gesellschaften delegiert, bedarf es einer prozeduralen Absicherung dieser Delegation, weil diese beträchtliche Folgen für einzelne regelungsbetroffene Marktteilnehmer wie auch für die Stabilität der Finanzmärkte insgesamt be1 2 3 4 5
Siehe § 22. Rechtsvergleichender Überblick bei Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 493 f. § 52 SolvV a.F.; § 6 ERV. § 15E(a) Securities Exchange Act of 1934. HKMA, Policy Paper, Tz. 5 ff.
§ 23 Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen
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sitzen kann.6 Es steht damit die Legitimität privat gesetzten, gesetzlich oder administrativ anerkannten Rechts in Rede,7 denn obwohl in concreto nur die Beurteilung von Bonitätsfragen in Rede steht,8 entscheiden damit die Ratingkriterien der anerkannten Rating-Agenturen doch darüber, ob eine bestimmte gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge eintritt oder nicht.9 In den U.S.A., wo man auf die längste Erfahrung mit regulatorischen Ratingverwendungen zurückblicken kann, wird die Notwendigkeit einer aufsichtsbehördlichen Kontrolle dagegen ganz pragmatisch begründet: Es gehe schlicht darum, die drohende Verwendung käuflicher Ratings auszuschließen.10 Im Ergebnis besteht heute jedenfalls im Grundsatz Einigkeit darüber, dass mit der Regulierung durch Rating – zumindest, wenn sie einen gewissen Umfang erreicht – die Erforderlichkeit einer staatlichen Überprüfung und Anerkennung tauglicher Rating-Agenturen einhergeht;11 man spricht von der „Verfahrensverantwortung“ des Staates.12 Es entspricht den Erkenntnissen der Verwaltungsrechtswissenschaft, dass die Legitimation privater Rechtsetzung vor allem durch organisations- und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu erhöhen ist, die namentlich für die Unabhängigkeit und Qualität des einbezogenen Sachverstandes sowie die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung sorgen.13 Entsprechende Vorkehrungen sind auch die Anerkennungserfordernisse für Rating-Agenturen mit ihren Anerkennungsfolgepflichten. Der unmittelbare Regelungszweck eines solchen Anerkennungserfordernisses ist folglich nicht die Steuerung von Organisation und Verhalten der Rating-Agenturen, sondern die Sicherung der Legitimität und Funktionsfähigkeit derjenigen Rechtsvorschriften, die tatbestandlich auf Ratings Bezug und damit die privaten Rating-Agenturen und ihre Ratings in Dienst nehmen. 6
Becker, ZG 2009, 123, 137. Vgl. Höfling, Gutachten F zum 68. DJT (2010), S. F 42; allgemein aus Sicht der Verwaltungsrechtswissenschaft Ruffert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 17 Rn. 93. 8 Zur problematischen regulatorischen Ratingverwendung auch in Konstellationen, in denen es tatsächlich um die Beurteilung anderer Risiken geht, vgl. schon § 17 III 2. 9 Dagegen verfolgt die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen nicht das Ziel, das Vertrauen der Marktteilnehmer in Ratings zu erhöhen; unzutreffend daher Haghshenas, 8 First Amend. L. Rev. (2010), 452, 463. 10 Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 307; White, in: Levich/ Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 53: „to prevent the establishment of bogus ,rating‘ firms that would indiscriminately offer investment grade ratings to any security at any time“. 11 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 66; Baums, ZHR 166 (2002), 375, 382; Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 610; Höfling, Gutachten F zum 68. DJT (2010), S. F 42: „unabweisbar“; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 40; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 124; Mues, ZBB 1996, 252, 256; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 307; ders., U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 4; Vetter, WM 2004, 1701, 1712; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 53. 12 Spezifisch zur Anerkennung von Rating-Agenturen Becker, ZG 2009, 123, 137; allgemein Voßkuhle, in: Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47, 70 ff. 13 Ruffert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 17 Rn. 93 m. zahlr. Nachw.; Voßkuhle, in: Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47, 70 ff. 7
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Wie noch zu zeigen sein wird, kann die Kontrolldichte, die mit einem staatlichen Anerkennungserfordernis einhergeht, allerdings erheblich variieren und sich auch darauf beschränken, die Akzeptanz der Rating-Agentur am Markt zu verlangen. Eine ausdifferenzierte Regelung von Anerkennungsvoraussetzung und -verfahren ist also zwingend erforderlich, sofern der Regelsetzer sich auf die Kontrolle durch den Markt verlassen will, und zahlreiche gesetzliche Bezugnahmen auf „anerkannte“ Rating-Agentur weisen diese bis heute nicht auf.
2. Die Freiwilligkeit der Anerkennung als Charakteristikum Aus Sicht der Rating-Agenturen besteht der entscheidende Unterschied zwischen einem generellen Zulassungserfordernis und einem Anerkennungserfordernis für Zwecke der Regulierungsfunktion darin, dass das Ersuchen um eine staatliche Anerkennung für sie freiwillig ist: Die Entscheidung, ob sie die Verwendbarkeit ihrer Ratings für regulatorische Zwecke dadurch eröffnen will, dass sie sich anerkennen lässt und folglich auch Anerkennungsvoraussetzungen und -folgepflichten zu genügen hat, bleibt jeder Rating-Agentur überlassen.14 Diese optionale Natur der Anerkennung hat zum einen zur Folge, dass sie mit dem verfassungsrechtlichen Institutionsschutz der Rating-Agenturen unschwer kompatibel ist, weil ihr schon der Charakter eines Eingriffes in geschützte Rechtspositionen fehlt. Zum anderen ermöglicht sie es kleineren Rating-Agenturen, sich nach ihrer Wahl zunächst am Markt zu etablieren, ohne sogleich detaillierten und belastenden Organisations- und Verhaltenspflichten genügen zu müssen,15 und erleichtert damit den Zugang neuer Wettbewerber zum Ratingmarkt. Im Ergebnis stellt sich die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen (nur) für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion damit als Kompromiss dar, der einem generellen Zulassungserfordernis im internationalen Vergleich bislang überwiegend vorgezogen wird.16
14
Zur EG-Bankenrichtlinie Europ. Kommission, Mitteilung über Rating-Agenturen vom 23.12.2005, S. 7: „Darüber hinaus können sich Rating-Agenturen gegen eine Anerkennung als externe Rating-Agentur im Sinne der CRD entschließen, so dass die Richtlinie möglicherweise nicht alle Agenturen abdeckt“; zum U.S.-amerikanischen Recht Curzon/Kaswell/Rosenblat, 124 Banking L.J. (2007), 438, 451; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1016 ff. 15 Vgl. Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1016 und 1056 (m. Nachw. zu kleineren U.S.amerikanischen Agenturen, die erklärtermaßen aus Kostengründen auf eine Anerkennung als NRSRO verzichtet haben). 16 Vgl. in diesem Sinne das G20 Finance Ministers’ and Central Bank Governors’ Communiqué vom 14. März 2009 (sog. „Horsham-Erklärung“), Tz. 7: „We have also agreed to: regulatory oversight, including registration, of all Credit Rating Agencies whose ratings are used for regulatory purposes …“.
§ 23 Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen
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II. Bestehende Regelungen zur staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen Regelungen zur Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion finden sich heute sowohl in Deutschland, in der Schweiz, in den U.S.A. und in Hongkong als auch auf Ebene der Europäischen Union. Sie sind fast durchgehend neueren Datums und wurden zumeist aus Anlass der Umsetzung des Basel II-Akkords eingeführt; auf eine längere Tradition kann allein das entsprechende Verfahren in den U.S.A. zurückblicken. Im Folgenden sind zunächst überblicksartig die unterschiedlichen Anerkennungsverfahren darzustellen, bevor anschließend anhand der wesentlichen Charakteristika eine rechtsvergleichende Bewertung vorgenommen wird.17
1. Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen im EU-Recht a) Zulassung von Rating-Agenturen nach der EG-RatingVO und deren Anerkennungswirkung Wie bereits erörtert,18 kennt das Recht der Europäischen Union ein Zulassungserfordernis für jedwede Rating-Agentur,19 das also an deren Marktinformationsund nicht die ggfs. zusätzlich erfüllte Regulierungsfunktion anknüpft. Da die EG-RatingVO allerdings diversen gemeinschaftsrechtlich regulierten Investorengruppen (wie etwa Banken, Versicherungsunternehmen und Fonds) zugleich vorschreibt, für aufsichtsrechtliche Zwecke nur Ratings solcher Rating-Agenturen zu verwenden, die nach der EG-RatingVO „registriert“ (d.h. zugelassen) sind,20 verleiht sie der Zulassung damit gleichzeitig die Wirkung einer Anerkennung für Zwecke der Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen. Im Ergebnis besitzt die „Registrierung“ nach der EG-RatingVO folglich eine Doppelwirkung, deren Reichweite für den Bereich regulatorischer Ratingindienstnahmen freilich einstweilen offen ist, weil der genaue Inhalt der „aufsichtsrechtlichen Zwecke“ (Art. 4 Abs. 1 EG-RatingVO) während des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsetzungsverfahrens trotz entsprechender Ermahnungen21 ungeklärt blieb.22
17
Unter III. Siehe § 22 II 2. 19 Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO. 20 Art. 4 Abs. 1 EG-RatingVO. 21 Eine Klarstellung hatte die EZB, Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag vom 21. Apr. 2009, ABl. EU vom 20. Mai 2009, Nr. C 115/3 angemahnt: „… da nicht festgelegt ist, ob er Verweise auf die Inanspruchnahme von Ratings im (in nationales Recht umgesetzten) Gemeinschaftsrecht sowie in nationalen Gesetzen umfasst, weist die EZB darauf hin, dass eine weitere Klärung erforderlich ist“. 22 Für ein sehr weites Verständnis der „aufsichtsrechtlichen Zwecke“ (nämlich sämtliche Ratingbezugnahmen in mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften erfassend) treten García Alcubilla/ Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 83 ein. 18
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Nimmt man allerdings mit der hier vertretenen Ansicht an, dass ein generelles staatliches Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen ohnehin gegen höherrangiges Unionsrecht verstößt und daher insoweit unangewandt bleiben muss,23 so stellt sich das „Registrierungserfordernis“ des Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO im rechtlichen Ergebnis (nur) als ein Anerkennungserfordernis für Zwecke der Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen dar.
b) Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke der „Basel II“/„Basel III“-Umsetzung Die EG-RatingVO trat bei ihrem Inkrafttreten neben ein schon bestehendes Anerkennungsregime für Rating-Agenturen, das auf Ebene des Unionsrechts der Umsetzung des Basel II-Akkords24 dient. Dieses bestand bis Ende 2013 aus der EG-Bankenrichtlinie25 und wurde mit Wirkung ab 2014 sodann durch die Vorgaben der EU-CRR ersetzt, welche die Neuerungen durch „Basel III“ in europäisches Recht transformieren.26 aa) Vorgaben der EG-Bankenrichtlinie für die mitgliedstaatliche Anerkennung von Rating-Agenturen (bis 2013) Die im Jahre 2006 neu gefasste EG-Bankenrichtlinie konkretisierte die in „Basel II“ nur vage umschriebenen27 Anforderungen an Rating-Agenturen, deren Ratings bei der Berechnung der Eigenmittelanforderungen an Banken eingesetzt werden dürfen (sog. External Credit Assessment Institutions (ECAI)28), und stellte zu diesem Zweck Verfahrensvorgaben sowie fünf allgemeine, schlagwortartige Kriterien auf (Objektivität, Unabhängigkeit, Transparenz, kontinuierliche Überprüfung und Zuverlässigkeit).29 Im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens wurden diese durch Leitlinien des CEBS sodann weiter ausgeformt und präzisiert.30 Das skizzierte gemeinschaftsrechtliche Anerkennungsregime – obgleich für die Behörden der EU-Staaten nicht unmittelbar verbindlich31 – schuf damit 23
Siehe § 22 II 2 b), c). Siehe schon § 6 III. 25 Dazu sogleich aa). 26 Dazu unter bb). 27 Vgl. zu den Kriterien im Basel II-Akkord Presber, in: Derleder/Knops/Bamberger, 1. Aufl., § 30 Rn. 14. Durch „Basel III“ wurden die Transparenzanforderungen an anerkannte RatingAgenturen geringfügig ausgeweitet (siehe Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 120), ohne dass dadurch der knappe, stichpunktartige Charakter der Kriterien des Basel II-Akkords geändert wurde. 28 Die englische Richtlinienfassung übernahm mit der Bezeichnung External Credit Assessment Institutions (ECAI) einen Begriff, der im Basel II-Akkord verwandt wird und auch darüber hinaus Eingang in den fachlichen Sprachgebrauch gefunden hat (wie etwa im Hongkonger Recht; dazu unten II 5 a)), während der deutschsprachige Richtlinientext blass von „Ratingagenturen“ sprach. 29 Artt. 81 ff. i.V.m. Anh. VI Teil 2 EG-Bankenrichtlinie. 30 CEBS-Anerkennungsleitlinien. 31 Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1919; Blaurock, ZGR 2007, 603, 619; Deipenbrock, WM 2006, 2237, 2240. 24
§ 23 Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen
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einen unionsweit praktisch einheitlichen Rahmen für die Regulierungsfunktion von Ratings, der sich eng an den „Basel II“-Regelungen orientierte32 und folglich auch zu einer internationalen Einheitlichkeit beitrug. Es strahlte zudem über den eigentlich allein geregelten Bereich des Bankenaufsichtsrechts hinaus auch auf andere Bereiche aus. Mit Schaffung der EG-RatingVO erfuhr es freilich eine nachträgliche Modifikation, weil auch nach Maßgabe der EG-Bankenrichtlinie bereits anerkannte Rating-Agenturen nunmehr zusätzlich nach der EG-RatingVO zugelassen werden mussten33 – eine wenig glückliche Lösung,34 die auf eine mangelnde interne Koordination der Gemeinschaftsrechtsetzung hinwies. Man behielt die separate Regelung der Zulassung von Rating-Agenturen nach der EG-RatingVO einerseits und deren Anerkennung für Zwecke der „Basel II/III“-Vorgaben andererseits gleichwohl zunächst bei.35 Die Entscheidung über die Anerkennung einzelner Rating-Agenturen wurde dabei trotz des gemeinschaftsrechtlichen Regelungsrahmens nicht auf Ebene der EU, sondern durch die Aufsichtsbehörden der einzelnen EU-Staaten nach richtlinienumsetzendem nationalem Recht36 getroffen.37 Vor dem Hintergrund der genannten Kompetenzverteilung überrascht es, dass noch im Jahre 2006 – also bevor die damaligen nationalen Umsetzungsvorschriften etwa in Deutschland überhaupt in Kraft getreten waren – ein auf EU-Ebene koordiniertes sog. „Schattenanerkennungsverfahren“ durchgeführt wurde, in welchem den drei großen internationalen Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch die (informelle) Anerkennung bestätigt wurde.38 Obgleich es sich, wie betont wird, um ein rein informelles und für die nationalen Aufsichtsbehörden nicht bindendes Verfahren handelte,39 zeigt sich darin doch eine auffällige Parallele zum vielfach kritisierten grandfathering der bereits etablierten Rating-Agenturen in den U.S.A.40 Im Ergebnis deutet dieser Vorgang an, dass letztlich – trotz zunehmend verrechtlichter Anerkennungsverfahren – die Anerkennung der Agenturen durch den Markt weiterhin die entscheidende Rolle spielte.
32
Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293, 306. Art. 2 Abs. 3 EG-RatingVO und Erwägungsgrund 44: „Diese Verordnung soll das bewährte Verfahren zur Anerkennung externer Ratingagenturen (ECAI) gemäß der Richtlinie 2006/48/EG nicht ersetzen.“ Dagegen Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401: Standards der EG-Bankenrichtlinie „have been effectively replaced now by the standards of the Regulation“. 34 Mit Blick auf die fragliche Effizienz des Systems kritisch Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1934. 35 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Dürselen, § 52 SolvV Rn. 14. 36 Siehe zum deutschen Recht noch näher unter II 2 a). 37 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Dürselen, § 52 SolvV Rn. 6; Deipenbrock, WM 2006, 2237, 2239. Stimmen im Schrifttum, die sich für eine Anerkennung auf Gemeinschaftsebene ausgesprochen hatten (so Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 136), konnten sich nicht durchsetzen. 38 CEBS, European Supervisors Agree on the Outcome of the Informal Joint Assessment Process of Three External Credit Assessment Institutions, Pressemitteilung vom 4. Aug. 2006. Im April 2007 folgte sodann ein entsprechendes Verfahren für die Rating-Agentur DBRS (vgl. Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1920). 39 CEBS, a.a.O.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Dürselen, § 52 SolvV Rn. 8. 40 Siehe unter II 3 a) aa). 33
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Die Ausstrahlungswirkung des EU-„Basel II“-Anerkennungsregimes auf andere Bereiche, die bereits oben beschrieben wurde, manifestiert sich im Übrigen auch innerhalb des Gemeinschaftsrechts selbst: So wird daran etwa in Regelungen über die Verwahrung von Kundengeldern durch Wertpapierfirmen angeknüpft41 und dadurch vermieden, für eine lediglich punktuelle Ratingbezugnahme eigene Anerkennungskriterien aufstellen zu müssen. Auch die Europäische Zentralbank nahm in ihrem Bereich nicht selten darauf Bezug.42 bb) Pauschale Anerkennung nach der EG-RatingVO zugelassener Rating-Agenturen durch die EU-CRR (seit 2014) Mit Wirkung zum 1. Januar 2014 wurde die Anerkennung von ECAI sodann im Zuge der Umsetzung des Basel III-Akkords neu geregelt. Die seitdem direkt in allen EU-Staaten anwendbare EU-CRR beschränkt sich allerdings darauf, pauschal sämtliche nach Maßgabe der EG-RatingVO von der ESMA zugelassene Rating-Agenturen auch für Zwecke der Eigenmittelanforderungen an Banken als ECAI anzuerkennen;43 das EU-Bankenaufsichtsrecht stellt heute also – anders als noch unter der EG-Bankenrichtlinie – weder inhaltliche Anerkennungskriterien auf noch ein gesondertes Anerkennungsverfahren bereit.44 Der Regelungsansatz der EU-CRR bedeutet damit eine Abkehr von einer bereichsspezifischen und daher mit bereichsspezifisch zugeschnittenen Anforderungen verbundenen Anerkennung einzelner Rating-Agenturen hin zu einer „one size fits all“-Anerkennung, die mit der Zulassung durch die ESMA einhergeht. Eine solche pauschale Anerkennungsregelung kann auf der einen Seite für sich in Anspruch nehmen, überflüssige Verfahrensverdoppelungen zu vermeiden. Sie beseitigt jedoch auf der anderen Seite die Möglichkeit, einzelne zugelassene Rating-Agenturen, die ja in Größe, Erfahrung und Spezialexpertise ganz erheblich divergieren, im Rahmen eines besonderen Anerkennungsverfahren daraufhin zu überprüfen, ob ihre Ratings auch für die konkrete regulatorische Verwendung geeignet sind. Eine solche bereichsspezifische Kontrolle dürfte schon angesichts der Vielzahl von Regelungszusammenhängen und –zwecken erforderlich sein, in und zu denen gesetzliche Ratingbezugnahmen eingesetzt werden; ein pauschales Vertrauen in alle behördlich zugelassenen Agenturen, unter denen manche mangels nennenswerter Marktanteile keiner ergänzenden Kontrolle von Seiten der Marktteilnehmer unterliegen, erscheint daher unzureichend überlegt und riskant.
41
Vgl. Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 3 MiFID-Durchführungsrichtlinie 2006/73, wo es um die Anforderungen an „erstklassige Geldmarktinstrumente“ geht. 42 So in EZB, Leitlinie vom 31. Aug. 2000 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems (EZB/2000/7) in der Fassung vom 20. Jan. 2009, Tz. 6.3.1 f. (mittlerweile anders gefasst). Siehe schon § 7 II 3 a) aa). 43 Art. 135 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 98 EU-CRR. 44 Kritisch (zum Entwurf der EU-CRR) Bauer, BB 2013, 363, 365.
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Mit gutem Grund sehen daher der Basel II-Akkord45 und die diesen umsetzenden nationalen Anerkennungsregelungen46 vor, dass die Bonitätsbeurteilungen einzelner RatingAgenturen auch nur teilweise anerkannt werden können, beispielsweise für eine bestimmte Art von Forderungen (Marktsegmente) oder für bestimmte Hoheitsgebiete – das Zulassungsverfahren nach der EG-RatingVO kennt eine solche sachlich beschränkte Zulassung demgegenüber nicht, weil es auf die Rating-Agentur als Rechtspersönlichkeit47 abstellt und diese daher nur insgesamt zulassen oder nicht zulassen kann.
Die unterschiedslose Gleichsetzung der Zulassung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Marktinformationsfunktion mit ihrer Anerkennung für Zwecke der Regulierungsfunktion, wie sie die EU-CRR vorsieht, ist nach alledem kritikwürdig. Eine Trennung zwischen der präventiven Kontrolle mit Blick auf die Marktinformationsfunktion einerseits und die Regulierungsfunktion andererseits, wie sie etwa das Hongkonger Recht48 vorsieht, verdient insoweit den Vorzug.
2. Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen im deutschen Recht a) Anerkennung für Zwecke der Eigenmittelanforderungen an Banken (2007–2013) Eine staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen war dem deutschen Recht lange unbekannt,49 was sich mit der hier noch jungen Tradition der legislativen Ratingverwendung erklärt. Erst mit der Umsetzung der EG-Bankenrichtlinie50 im Jahre 2007 wurde eine ausdrückliche Anerkennungsregelung geschaffen,51 die in den damaligen §§ 52 ff. SolvV Voraussetzungen und Verfahren der Anerkennung von Rating-Agenturen und Ratings für die Zwecke der Risikogewichtung des Eigenmittelrechts bei Banken festlegte.52 Das deutsche Recht orientierte sich dabei eng an den Mindeststandards53 der EG-Bankenrichtlinie und den dazugehörigen CEBS-Anerkennungsleitlinien.54
45
Basel II-Akkord, Tz. 90. Im schweizerischen Recht Art. 64 Abs. 1 ERV i.V.m. FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 18 ff. (dazu noch unter II 4 b)); im früeren deutschen Recht § 52 Abs. 2 Satz 5, 6 SolvV a.F. (dazu noch unter II 2 a)). Ebenso, obgleich insoweit nicht durch „Basel II“ inspiriert, das U.S.-amerikanische Aufsichtsrecht in § 3(a)(62)(A), (B) i.V.m. § 15(a)(1)(B)(vii) Securities Exchange Act of 1934; siehe dazu noch unter II 3 a) bb). 47 So Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO. 48 Siehe dazu unter II 5. 49 Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 270. 50 Dazu soeben II 1 b) aa). 51 Blaurock, ZGR 2007, 603, 620. Unzutreffend daher Claussen, in FS Hopt (2010), S. 1695, 1707: „Dem deutschen Gesetzesrecht ist der Ausdruck ‚Rating-Agentur‘ unbekannt.“ 52 § 10 Abs. 1 Satz 9 Nr. 9 KWG ermächtigt zur Regelung dieser Frage im Wege der Rechtsverordnung; s. näher Mielk, WM 2007, 621 ff. 53 Diesen Charakter der EG-rechtlichen Vorschriften betont Blaurock, ZGR 2007, 603, 623. 54 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Dürselen, § 52 SolvV Rn. 9. 46
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Zuständige Anerkennungsbehörde war in Deutschland die BaFin,55 die – wie für die Ratingverwendung nach dem Modell des Basel II-Akkords generell vorgesehen – eine Anerkennung für sämtliche Ratings einer Rating-Agentur oder aber nur für bestimmte Marktsegmente aussprechen konnte.56 Die inhaltliche Abstimmung mit dem seit 2011 bestehenden Zulassungsverfahren nach der EGRatingVO wurde in Deutschland dadurch erreicht, dass die Anerkennungsvoraussetzungen bei zugelassenen Rating-Agenturen gemäß § 52 Abs. 1 Satz 5 SolvV a.F. soweit „als erfüllt galten“, wie diese die Objektivität, Unabhängigkeit, laufende Überprüfung und Transparenz der Methodik zur Bonitätsbeurteilung betrafen – eine gesonderte Prüfung dieser Anforderungen durch die BaFin fand folglich nicht mehr statt. Ende 2013 wurde das Anerkennungsregime der SolvV sodann gestrichen, weil die Anerkennung für Zwecke der Eigenmittelanforderungen an Banken infolge des Inkrafttretens der EU-CRR57 in die alleinige Zuständigkeit der ESMA übergegangen war. b) Blankettnormen zur Anerkennungsfrage Daneben kennt das deutsche Recht auch weiterhin Anerkennungsregeln in Form von Blankettnormen, welche die Anerkennung von Rating-Agenturen erwähnen, verlangen oder voraussetzen, aber keine Angaben zu Anforderungen oder Verfahren machen. Vergleichbare Bestimmungen finden sich auch in allen anderen hier untersuchten Rechtsordnungen. In Deutschland kommen sie etwa im Versicherungsaufsichtsrecht vor, wo Rundschreiben der BaFin ein „externes Investment-Grade-Rating“ einer „anerkannten“ Rating-Agentur verlangen,58 ohne dass die Aufsichtsbehörde definiert, wodurch sich eine anerkannte Rating-Agentur nach ihrem Verständnis auszeichnet.59 Blankettnormen zur Anerkennungsfrage weisen im Vergleich zu ausdifferenzierten Anerkennungsregelungen Nachteile auf, weil sie mit einer geringeren Vorhersehbarkeit und daher auch Rechtssicherheit einhergehen. Ihre Auslegung wird nicht selten ergeben, dass auf die Anerkennung der Rating-Agentur durch den Markt Bezug genommen und damit in der Sache auf einen anerkannten Marktstandard verwiesen werden soll, es also gar nicht auf eine formelle staatli-
55
§ 6 KWG; vgl. Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293, 305. § 52 Abs. 2 Satz 6 SolvV a.F. 57 Oben 1 b) bb). 58 BaFin, Rundschreiben 4/2011 (VA) (Hinweise zur Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen) vom 15. Apr. 2011, sub. B.3.1 d) und öfter; so zuvor schon BaFin, Rundschreiben 15/2005 (VA) (Anlage des gebundenen Vermögens; Anlagemanagement und interne Kontrollverfahren) vom 20. Aug. 2005, sub. A II 1 c); BaFin, Rundschreiben 29/2002 (VA) vom 12. Dez. 2002, sub. A II 1 c) und BAV, Rundschreiben R 1/2002 vom 12. Apr. 2002. 59 Kritisch Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 270. Die BaFin verweist in ihren vorstehend genannten Rundschreiben beispielhaft auf Ratings von Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch und macht damit deutlich, dass zumindest diese Agenturen als „anerkannt“ eingestuft werden. 56
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che (d.h. vor allem aufsichtsbehördliche) Anerkennung ankommt.60 Ein solches Abstellen auf eine Marktanerkennung wäre in vielen anderen Zusammenhängen weder rechtssicher (die Maßstäbe für eine ausreichende Akzeptanz am – wie immer genau definierten – Markt sind unklar) noch effizient (die Aufsichtsbehörde müsste den Kreis der am Markt anerkannten Rating-Agenturen durch entsprechende Ermittlungen feststellen, die aufgrund der Gefahr sich ändernder Marktgegebenheiten zudem periodisch zu wiederholen wären). Bei der Regulierungsfunktion des Ratings bewirkt die Eigenschaft des globalen Ratingmarktes als natürliches Oligopol61 hingegen, dass eine hinreichende Marktanerkennung vergleichsweise zweifelsfrei ermittelt werden kann und zudem im Zeitverlauf regelmäßig konstant bleibt; die (nach hier vertretener Ansicht aufgrund der begrenzten Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität bestehende) verfestigte Marktstruktur trägt mittelbar also zur Rechtssicherheit bei. Bestätigt wird dieser Befund durch die Beobachtung, dass die Bestimmung der „Anerkennung“ im Rahmen von Blankettnormen im internationalen Vergleich fast durchgehend zum Ergebnis führt, dass die drei großen internationalen Rating-Agenturen als „anerkannt“ eingestuft werden.
3. Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen im U.S.-amerikanischen Recht Die Vereinigten Staaten gelten im Bereich der staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen allgemein als Vorreiter,62 was sich historisch auf den hier schon frühen Einsatz von Ratings in staatlichen Regulierungen und sachlich vor allem auf die Prägung des eingängigen Begriffes der „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (NRSRO) in den 1970er Jahren zurückführen lässt, der seitdem im Mittelpunkt der Wahrnehmung steht.63 Neben der Anerkennung als NRSRO finden im U.S.-amerikanischen Recht allerdings noch eine Vielzahl weiterer Anerkennungsverfahren Anwendung,64 deren kumulative Auswirkung auf die Regulierung der Rating-Agenturen nicht unterschätzt werden darf. Keine Bedeutung haben dagegen die Anerkennungskriterien des Basel II-Akkords erlangt, denen in allen anderen Rechtsordnungen hingegen eine erhebliche Vorbildwirkung zugefallen ist.65 60 So im U.S.-amerikanischen Recht bis 2006 etwa bei der Bezugnahme der net capital rule für broker-dealer auf „nationally recognized statistical rating organizations“, die auf die Anerkennung am nationalen Markt abstellte (s. dazu schon in § 7 II 2 a) bb) (1) und sogleich unter II 3 a)). 61 Dazu bereits § 20 II. 62 Vgl. Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 366: „The NRSRO system thus may be viewed as the first regulatory framework for CRAs“; Blaurock, ZGR 2007, 603, 615. 63 Dazu sogleich unter a). 64 Dazu unter b). 65 Dies deshalb, weil der Standardansatz des Basel II-Akkords in den U.S.A. bislang nur sehr eingeschränkt umgesetzt wurde (siehe § 6 III 5 c)) – soweit es in diesem Zusammenhang gleichwohl auf Ratings ankommt, stellt das U.S.-amerikanische Recht auf die Anerkennung als NRSRO
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a) Anerkennung als Nationally Recognized Statistical Rating Organizations (NRSRO) aa) Bestätigung des Anerkanntseins der Rating-Agentur am nationalen Markt: Das „no-action letter“-Verfahren der SEC (bis 2007) Wie bereits an anderer Stelle66 erläutert, verwandte die SEC den Begriff der „nationally recognized statistical rating organization“ erstmals im Jahre 1975 in einer Liquiditätsregelung für broker-dealer (der sog. „net capital rule“), um dadurch auf die Bonitätsbeurteilungen am Markt anerkannter Rating-Agenturen Bezug zu nehmen. Es sollte damit verhindert werden, dass sich regulierte broker-dealer bei der Berechnung ihrer im öffentlichen Interesse vorgeschriebenen Mindestliquidität auf die Ratings fragwürdiger und möglicherweise käuflicher Ratinganbieter stützen und die aufsichtsrechtlichen Anforderungen so auf ein Maß absenken, das bei Zugrundelegung gängiger Ratingstandards höher ausgefallen wäre. „Nationally recognized“ meinte also, dass die Rating-Agentur am nationalen Markt (also nationsweit unter Marktteilnehmern) als verlässlich anerkannt sein musste,67 und bezog sich nicht etwa auf eine formelle Anerkennungsentscheidung durch die SEC.68 Das Abstellen auf das Anerkanntsein am Markt stellte die broker-dealer nun freilich vor die Schwierigkeit, ermitteln zu müssen, welche Rating-Agenturen über eine ausreichende Marktanerkennung verfügten. Die SEC traf hierzu keine öffentliche Feststellung, sondern überließ es im Grundsatz dem einzelnen broker-dealer, individuell bei der SEC zu erfragen, ob gegen die Verwendung der Ratings einer bestimmten Rating-Agentur für die Zwecke der „net capital rule“ etwas einzuwenden sei.69 Sofern dies nicht der Fall war, antwortete das Personal der SEC70 mit einem sog. „no-action letter“, indem bestätigt wurde, dass die SEC bei einer Verwendung der genannten Ratings keine Sanktionen („no action“) erab:66Siehe (zum sog. „Ratings-Based Approach (RBA)“ für Verbriefungen) die Regelungen in § 43 der „Risk-Based Capital Standards: Advanced Capital Adequacy Framework – Basel II“ (Final Rule), 72 FR 69288, 69420 ff. (7. Dez. 2007). 66 Siehe § 7 II 2 a) bb) (1). 67 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 8; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1051; Moloney, EC Securities Regulation, S. 688; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 348: „not a form of regulation as much as a recognition of their status“; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 325. 68 Im Schrifttum wird dies nicht selten verkannt; vgl. etwa von Randow, ZBB 1995, 140, 151. 69 Nachdem dieses Verfahren mit Blick auf die drei großen Rating-Agenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch praktiziert worden war, kam es in der Folgezeit auch zu Anfragen von Seiten weiterer Rating-Agenturen, die – obwohl im Grunde systemwidrig – die gleichwohl durch die SEC beschieden wurden; vgl. SEC Release 33–7085, 34–34616, IC–20508 „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (Concept Release) vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46314 ff. (7. Sept. 1994). 70 Dass es sich um Äußerungen eines SEC-Mitarbeiters (staff) und nicht der SEC handelte, war nach U.S.-amerikanischem Verständnis ebenso bedeutsam wie problematisch (vor allem, weil ihr damit allenfalls Indizwirkung für die Normauslegung zukommen konnte und eine Bindung der SEC nicht eintrat); vgl. Hazen, Law of Securities Regulation, § 1.4[4].
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greifen werde – damit war mittelbar (und in der Sache rein deklaratorisch) bestätigt, dass die betreffende Rating-Agentur am nationalen Markt ausreichend anerkannt war. Im Fall der drei „großen“, den U.S.-amerikanischen Markt bereits damals dominierenden Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch wurde dieses Kriterium von vornherein als erfüllt angesehen,71 was in einem sog. „grandfathering“ dieser Agenturen resultierte.72 Das beschriebene, ungewöhnliche73 Bestätigungsverfahren zog allerdings alsbald Kritik auf sich, die in dem Maße zunahm, in dem sich die regulatorischen Verweise auf „nationally recognized statistical rating organizations“ oder – nunmehr bereits als rechtliche Kategorie (miss-)verstanden – „NRSROs“ ausweiteten.74 Man bemängelte zum einen die fehlende Transparenz des „no action letter“-Verfahrens75 und die unklaren Kriterien, welche die SEC ihren Anerkennungsentscheidungen zugrunde legte:76 Während Einigkeit darüber bestand, dass die Marktakzeptanz das Hauptkriterium war,77 blieb unklar, wie diese genau ermittelt wurde78 und ob zusätzlich noch andere Faktoren Berücksichtigung fanden. Vor allem wurde aber kritisiert, dass das Erfordernis der bereits bestehenden Marktakzeptanz für neue, kleinere Rating-Agenturen eine fast unüberwindliche Hürde darstellte:79 Ohne bereits in ihrer Marktinformationsfunktion weithin anerkannt zu sein, konnten diese keine Anerkennung als NRSRO erlangen, welche die Voraussetzung für ihre Regulierungsfunktion war – da eine Rating-Agentur andererseits ohne Verwendbarkeit ihrer Ratings zu regulatorischen Zwecken nicht hoffen konnte, am Markt eine ausreichende Akzeptanz zu finden,80 befand 71 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 8; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 123. 72 White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 49. 73 Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 307: „unusual conceptual approach to securities law“. 74 Siehe zur Verwendung dieser Begriffe im U.S.-amerikanischen Recht bereits § 7 II 2 a) bb) (2). 75 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 8; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 54 und 86; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 299, 359; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 50. 76 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 8; Strunz-Happe, BFuP 2005, 231, 234. 77 SEC Release 33–7085, 34–34616, IC–20508 vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46314 ff. (7. Sept. 1994): „The Division believes that the single most important criterion is that the rating agency is in fact nationally recognized by the predominant users of ratings in the United States as an issuer of credible and reliable ratings“; Blaurock, ZGR 2007, 603, 616; Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 611; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 8; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1051; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 325; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 626. 78 Shipe/Freeman, 15 Inv. Lawyer (Oct. 2008), 13, 14: „know it when we see it“-Ansatz der SEC. Eine überblicksartige Liste von Faktoren, die antragstellenden Rating-Agenturen durch die SEC übersandt wurde, um diesen die Zusammenstellung der notwendigen Unterlagen zu erleichtern, ist abgedruckt bei Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 360 f. 79 Blaurock, ZGR 2007, 603, 616; Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 38; Hurst, 30 Company L. (2009), 61; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 103; von Randow, ZBB 1995, 140, 155; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 50. 80 Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 103.
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sie sich in einem klassischen „Catch-22“-Dilemma.81 Der durch die SEC verfolgte Ansatz, der die Regulierungsfunktion von einer bereits umfassend etablierten Marktinformationsfunktion der Rating-Agentur abhängig machte, trat damit in ein Spannungsverhältnis zu der von Kritikerseite behaupteten Korrelation von Marktinformations- und Regulierungsfunktion, die sich nach deren Beobachtung nur gemeinsam entwickeln können. Fest stand jedenfalls, dass die verwandten Maßstäbe die ausländischen Rating-Agenturen vor besondere Schwierigkeiten stellte: Da es danach allein auf eine breite Marktakzeptanz und Ratingverwendung innerhalb der U.S.A. ankam, waren solche Agenturen, die bislang nur oder vor allem ausländische Emissionen beurteilt hatten, erheblich benachteiligt.82 Während der 31jährigen Praxis des „no action letter“-Verfahrens bestätigte die SEC neben den drei „großen“ Rating-Agenturen, die bereits bei Einführung der NRSRO-Kategorie grandfathered worden waren, insgesamt lediglich vier weiteren Rating-Agenturen ihre nationale Anerkennung am Markt: Neben Duff & Phelps (im Jahre 1982) und McCarthy, Cristanti and Maffei (1983) waren noch IBCA (1990) und schließlich Thomson BankWatch (1991) Gegenstand von „no action letters“, die sich in den beiden letztgenannten Fällen aber auf das Rating von Finanzinstitutionen beschränkten. Alle vier genannten NRSROs fusionierten jedoch in der Folgezeit entweder untereinander oder wurden durch die expandierende Rating-Agentur Fitch übernommen,83 sodass der Kreis der NRSROs bei Abschaffung dieses Verfahrens im Jahre 2006 wieder auf das anfängliche Triopol aus Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch zurückgegangen war.
bb) Formelle Anerkennung als NRSRO gemäß § 15E Securities Exchange Act of 1934 (seit 2007) Die SEC legte in Reaktion auf die beschriebene Kritik am „no action letter“-Verfahren mehrfach Vorschläge für eine Verfahrensreform vor,84 die jedoch nicht zur Umsetzung gelangten.85 Es war schließlich in Gestalt des Kongresses der parlamentarische Gesetzgeber, der im Jahre 2006 mit dem Credit Rating Agency Re-
81 Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1108 f.; Hill, 35 Conn. L. Rev. (2003), 1145, 1147; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 626 f.; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 54. 82 Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 326. 83 S. zum Ganzen schon § 20 II 2 a) bb). 84 Zunächst SEC Release 33–7086, 34–34617, IC–20509 „Disclosure of Security Ratings“ (Proposed Rules) vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46314 ff. (7. Sept. 1994); später SEC Release 33–8236, 34– 47972 „Rating Agencies and the Use of Credit Ratings Under the Federal Securities Laws“ (Concept Release) vom 4. Juni 2003, 68 FR 35258 ff. (12. Juni 2003); schließlich SEC Release 33–8570, 34–51572, IC–26834 „Definition of Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ (Proposed Rule) vom 19. Apr. 2005, 70 FR 21306 ff. (25. Apr. 2005). 85 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 104 weist darauf hin, dass der Regelungsentwurf aus dem Jahre 1994 vor allem aufgrund erheblicher Kritik von Seiten des U.S.-amerikanischen Justizministeriums fallen gelassen wurde, das eine Verfestigung der Marktzugangsschranken befürchtete.
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form Act of 200686 erstmals eine gesetzliche Grundlage für die formelle staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen schuf, deren Ratings für regulatorische Zwecke eingesetzt werden: Der neu in den Securities Exchange Act of 1934 aufgenommene § 15E setzt den Rahmen für ein grundlegend reformiertes Anerkennungsverfahren,87 der durch untergesetzliche Regelungen der SEC (vor allem die Rule 17g)88 näher ausgestaltet wird. Es handelt sich bei der Anerkennung nach wie vor um eine Voraussetzung nur ihrer Regulierungsfunktion, welche Rating-Agenturen freiwillig beantragen können, aber nicht müssen.89 Die Veröffentlichung von Ratings als solche bleibt in den U.S.A. also weiterhin – anders als in der EU90 und in Hongkong91 – frei von staatlichem Zwang.92 Die einschlägigen Vorschriften traten im Juni 2007 in Kraft, also etwa einen Monat, bevor die globale Finanzkrise ausbrach,93 die das Thema der Ratingregulierung sogleich wieder auf die Tagesordnung setzen sollte. Auch die Bestimmungen des Credit Rating Agency Reform Acts of 2006, die schon aus zeitlichen Gründen nicht zur Finanzkrise beigetragen haben konnten,94 waren vor diesem Grund alsbald Gegenstand erneuter Änderungsdiskussionen, bevor sie sich noch in der Praxis hatten bewähren können.95 (1) Charakteristika des reformierten Anerkennungsregimes (Credit Rating Agency Reform Act of 2006) Der Credit Rating Agency Reform Act schuf ein detailliert geregeltes, transparentes Anerkennungsverfahren,96 an deren Ende eine formelle Anerkennung der Rating-Agentur durch die SEC (und nicht lediglich eine informelle Statusbestäti86
Siehe zur Vorgeschichte dieses Gesetzes bereits § 22 II 1 a). Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 141: „marks a substantial change in the regulation of the credit rating industry“. 88 SEC Release 34–55857 „Oversight of Credit Rating Agencies Registered as Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ vom 5. Juni 2007, 72 FR 33564 ff. (18. Juni 2007). Vorausgegangen war ein Regelungsentwurf in SEC Release 34–55231 vom 2. Feb. 2007, 72 FR 6378 ff. (9. Feb. 2007); dazu Curzon/Kaswell/Rosenblat, 124 Banking L.J. (2007), 438 ff. 89 Vgl. den klaren Wortlaut des § 15E(a)(1)(A) Securities Exchange Act of 1934: „A credit rating agency that elects to be treated as a nationally recognized statistical rating organization for the purposes of this chapter“ (meine Hervorhebung); IOSCO, Regulatory Implementation of the Statement of Principles (Feb. 2011), S. 13; Curzon/Kaswell/Rosenblat, 124 Banking L.J. (2007), 438, 451; Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 805. 90 Siehe zur nach der EG-RatingVO obligatorischen staatlichen Zulassung § 22 II 2 a). 91 Zur Lizensierung nach der Hongkonger Securities and Futures Ordinance siehe § 22 II 5 a). 92 Unzutreffend daher Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 76. 93 Darauf hinweisend Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 125. 94 Deipenbrock, WM 2009, 1165, 1167; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 273. 95 Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1681: „The world never really got a chance to find out whether CRARA’s approach was misguided or not, because the financial crisis of 2007– 2009 was upon us before the Act took effect.“ Rule 17g wurde daraufhin im Jahre 2009 durch weitere Transparenzpflichten ergänzt; vgl. § 25 III 3. 96 Zu Anerkennungsverfahren und -voraussetzungen im Einzelnen Deipenbrock, WM 2007, 2217, 2220 ff. 87
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
gung durch deren staff)97 steht. Die Anerkennung am Markt bleibt zwar Voraussetzung für die regulatorische Verwendbarkeit von Ratings, wird nunmehr aber nach klaren (und deutlich weniger strengen) Kriterien ermittelt, nämlich durch den Nachweis von zehn institutionellen Investoren, die Ratings der antragstellenden Agentur während der vergangenen drei Jahre durchgehend als Marktinformation genutzt haben.98 Bewusst keine Vorgaben werden hingegen zu Ratingmodell (qualitatives, quantitatives oder gemischtes Modell der Bonitätsbeurteilung)99 und Geschäftsmodell (Bezahlung durch die Emittenten, durch Investoren, oder gemischte Formen)100 gemacht, die weiterhin vollständig in das Belieben der Rating-Agentur gestellt bleiben.101 Im Ergebnis hat die Neugestaltung des Anerkennungsregimes jedenfalls zu einer deutlich größeren Zahl von Rating-Agenturen geführt, die als NRSRO anerkannt sind: Neben Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch102 gehören mittlerweile neben einigen kleineren U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen (A.M. Best, Egan-Jones Ratings,103 Kroll Bond Ratings104 und Morningstar Credit Ratings105) auch eine kanadische (DBRS) und zwei japanische Rating-Agenturen (Japan Credit Rating Agency und R&I) dazu. Dabei darf freilich nicht übersehen werden, dass die neuen Anerkennungen sich vielfach nur auf einzelne Marktsegmente beschränken und zudem häufig nur erteilt werden konnten, nachdem die betreffenden Agenturen von einzelnen Anerkennungsvoraussetzungen dispensiert wurden.
(2) Bewertung: Das Verhältnis von staatlicher Anerkennung und Marktakzeptanz der Rating-Agenturen Die Beurteilung der Neuregelungen durch den Credit Rating Agency Reform Act of 2006 – der nach seiner Präambel zum Schutz der Anleger und im öffentlichen Interesse eine Verbesserung der Ratingqualität bezweckt, und zwar durch Förderung von Verantwortlichkeit, Transparenz und Wettbewerb im Ratingwesen106 – 97
Hurst, 30 Company L. (2009), 61. § 15E(a)(1)(C) Securities Exchange Act; vgl. auch Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1040. Ein Nachweis der Ratingqualität ist damit – entgegen Haar, JZ 2008, 964, 970 – nicht gemeint, denn diese soll nach dem Konzept des Credit Rating Agency Reform Acts durch die allgemeine Marktöffentlichkeit bewertet werden (der dazu mittels Publizitätspflichten der RatingAgentur bestimmte Daten zur Verfügung gestellt werden); vgl. hierzu unten III 3 b). 99 § 3(a)(61)(B) Securities Exchange Act of 1934. 100 § 3(a)(61)(C) Securities Exchange Act of 1934. 101 White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 51. Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 268 hält dies für eine große Schwäche des Acts. 102 Diese drei bereits zuvor als NRSRO eingestuften Agenturen profitierten nach § 15E(a)(1)(D) Securities Exchange Act wiederum von einem grandfathering. 103 Siehe zur Anerkennung der Agentur Egan-Jones Rating noch näher unter III 1 c). 104 Die neu gegründete Kroll Bond Rating Agency, Inc. übernahm im August 2010 die RatingAgentur LACE Financial Corp., die seit Februar 2008 als NRSRO anerkannt war. 105 Die Morningstar Credit Ratings, LLC übernahm im Jahre 2010 die Rating-Agentur Realpoint, die seit Juni 2008 als NRSRO anerkannt war. 106 Skeptisch hierzu White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 51: „promising too much to too many“. 98
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fällt gemischt aus: Positiv bewertet wird, dass das reformierte Regime hinsichtlich Anerkennungsvoraussetzungen und -verfahren Klarheit und Transparenz schafft,107 während das im Grundsatz fortgeführte Ankoppeln der staatlichen Anerkennung an die Marktanerkennung teilweise kritisch gesehen wird.108 Die bisherigen praktischen Erfahrungen zeigen aber, dass die SEC an die Marktakzeptanz offenkundig nur noch geringe Anforderungen stellt und auch kleinste Marktanteile sowie einen kurzen track record genügen lässt, um dadurch weiteren Rating-Agenturen mittels einer staatlichen Anerkennung den Markteinstieg zu erleichtern.109 Der darin liegende Versuch, über die staatliche Kontrolle der Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen den Markt für Rating-Agenturen zu beeinflussen und die dortige Anzahl an Wettbewerbern zu erhöhen, muss nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung höchst bedenklich erscheinen: Eine Anerkennungsregelung für Rating-Agenturen sollte entweder an deren bestehende Marktakzeptanz anknüpfen (und damit in der Sache von der Marktstruktur eines natürlichen Oligopols110 profitieren, das keinen Wettbewerb über die Ratinghöhe zulässt), oder die Anerkennungsvoraussetzungen vollständig autark bestimmen und deren Erfüllung der eigenständigen Prüfung durch die Aufsichtsbehörde überlassen. Letzteres ist seit Schaffung des Credit Rating Agency Reform Act of 2006 in dessen Anwendungsbereich faktisch der Fall, denn die Anforderungen an die Marktakzeptanz werden mittlerweile so niedrig angesetzt, dass viele der als „marktanerkannt“ eingestuften Rating-Agenturen tatsächlich keiner effektiven Kontrolle durch den Markt unterliegen dürften.111 Ob dieses Manko durch eine gleichwertige Kontrolle von Seiten der SEC ausgeglichen wird (und überhaupt verlässlich ausgeglichen werden kann), erscheint einstweilen offen. Besonders kritikwürdig erscheint es zudem, wenn eine Anerkennung zu Regulierungszwecken erteilt wird, um dadurch mittelbar den Wettbewerb unter den Rating-Agenturen zu erhöhen: Hiermit wird die Trennung zwischen Marktinformations- und Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen durchbrochen, die nach hier vertretener Ansicht112 strikt aufrecht zu erhalten ist. Es muss nämlich bereits sehr zweifelhaft erscheinen, ob der staatlichen Anerkennung zu Regulierungszwecken tatsächlich die Signalwirkung zukommt, die dieser häufig zugesprochen wird113 und die angeblich bewirken soll, dass der Markt den Ratings 107
Deipenbrock, WM 2007, 2217, 2221; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 67; Mulligan, 50 B.C. L. Rev. (2009), 1275, 1287; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 52. 108 So durch Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 350; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 52. Positivere Einschätzung bei Deipenbrock, WM 2007, 2217, 2221. 109 Dies begrüßend Möllers, JZ 2009, 861, 870. 110 Siehe § 20 II. 111 Zu Recht kritisch daher Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 25: „under the 2006 Act, the SEC no longer „gate keeps“ rating agency quality. The Act opens up NRSRO status to any firm with a three-year track record, 20 customers, and 10 letters of recommendation.“ 112 Siehe schon § 17 II 2. 113 Hierzu schon § 20 I 2 c) mit Nachw.
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der anerkannten Rating-Agenturen nunmehr ein Vertrauen entgegen bringt, das jene Ratings bislang nicht genossen. Die bisherigen Erfahrungen in den U.S.A. sprechen – wie bereits an anderer Stelle erörtert114 – gegen einen solchen Effekt, denn die Marktanteile am U.S.-amerikanischen Ratingmarkt haben sich trotz des Umstands, dass sich die Anzahl der staatlich anerkannten NRSROs seit 2007 mehr als verdreifacht hat, offenkundig in keiner Weise verschoben.115
Vor allem bringt die Anerkennung von Rating-Agenturen, die sich angesichts des natürlichen Oligopols des Ratingmarktes trotz einer verlässlichen Ausübung ihrer Marktinformationsfunktion keinen wesentlichen Marktanteil erarbeiten konnten, jedoch Risiken beim regulatorischen Ratingeinsatz mit sich: Sie schafft nämlich einen Anreiz für diese Rating-Agenturen, ihre (gelegentlich so benannte116) regulatory license durch die Abgabe besonders „auftraggeberfreundlicher“ Ratings zu nutzen, ohne sich zuvor am Markt etablieren zu müssen. Es sind damit im Ergebnis zwei Gruppen von NRSROs entstanden, unter denen die eine am Markt akzeptiert ist und daher auch durch den Markt überwacht wird, während die andere keiner effektiven Marktkontrolle unterliegt. Gerade die erstmalige staatliche Schaffung des letztgenannten Typs von Rating-Agenturen, die im Ergebnis allein in einer Regulierungsfunktion agieren, stellt eine latente Gefahr für die Funktionsfähigkeit derjenigen ratingbasierten Regelungen dar, welche an Ratings von NRSROs anknüpfen und fast durchgehend noch zu Zeiten geschaffen wurden, in denen dieses Kürzel noch für einen am Markt akzeptierten Informationsintermediär stand. Die Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion sollte nach alledem also von Sekundärzwecken (wie der Belebung des Wettbewerbs am Ratingmarkt) freigehalten werden, zu deren Erfüllung sie nicht geeignet sind. b) Anerkennung durch sonstige U.S.-amerikanische Regulierungsbehörden Neben der Anerkennung als NRSRO, auf die durchgehend in Regelungen der SEC, aber darüber hinaus auch in Gesetzen sowie in Regelungen anderer Regulierungsbehörden abgestellt wird,117 kennt das U.S.-amerikanische Recht noch eine Vielzahl anderer Anerkennungsmechanismen. Da diesen von den verschiedensten Regelsetzern auf Bundes-, Gliedstaaten- und Gemeindeebene als Bestandteil ratingbasierter Rechtsvorschriften geschaffen wurden, sind sie im Einzelnen uneinheitlich ausgestaltet, bleiben in Anforderungen und Prozeduralisierung aber durchgehend hinter dem geltenden NRSRO-Verfahren zurück. Es lassen sich aber drei Typen von Anerkennungsregelungen unterscheiden: Der erste Typ zeichnet sich dadurch aus, dass schlicht auf „anerkannte“ Rating-Agen114
Siehe § 20 I 2 c). Vgl. SEC, Annual Report on NRSROs (Dez. 2012), S. 8: auf dem U.S.-amerikanischen Markt erstellen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch weiterhin 96% aller Ratings. 116 Zum Schlagwort der regulatory license bereits oben in § 5 III 1 a) bb). 117 Dazu bereits in § 7 II 2 a) bb) (2). 115
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turen verwiesen wird, womit regelmäßig die Anerkennung durch den Markt gemeint ist. In diese Gruppe fallen etwa die Anlagevorschriften im U.S.-amerikanischen Bankenrecht in ihrer ursprünglichen Fassung.118 Der zweite Typ verlangt die Anerkennung durch die jeweilige Regulierungsbehörde, für die typischerweise keine näheren Vorgaben gemacht werden,119 und der dritte Typ unter den Anerkennungsregeln nennt die anerkannten Rating-Agenturen namentlich im Wortlaut der Rechtsvorschrift.120 Das praktische Ergebnis der verschiedenen Regelungstypen ist dabei weit überwiegend dasselbe: In ihrer Regulierungsfunktion anerkannt werden durchgehend die beiden großen Rating-Agenturen Moody’s und Standard & Poor’s sowie überwiegend auch Fitch, während sonstige RatingAgenturen nur äußerst selten Berücksichtigung finden. Die Anerkennung am Markt bestimmt also auch in diesem Zusammenhang faktisch über die Anerkennung zu Regulierungszwecken.
4. Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen nach Schweizer Recht Auch im Schweizer Recht lässt sich, insoweit vergleichbar dem U.S.-amerikanischen Recht, im Laufe der Zeit eine zunehmende Verrechtlichung der staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen feststellen: Während traditionell schlichte Behördenentscheidungen maßgeblich waren, die sich vor allem an der Marktanerkennung der einzelnen Agenturen orientierten, besteht seit Umsetzung des Basel II-Akkords ein formeller rechtlicher Anerkennungsrahmen. Da am Schweizer Finanzmarkt zudem die Selbstregulierung eine große Rolle spielt, kommt daneben der Anerkennung von Rating-Agenturen durch private Regelsetzer eine erhebliche Bedeutung zu.121
118 S. bereits § 7 I 1 a) etwa zur anfänglichen Bezugnahme auf „recognized rating manuals“. Heute verlangen zahlreiche dieser Anlagevorschriften (aber nicht alle) hingegen eine Anerkennung als NRSRO. 119 So aus dem Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht der einzelnen U.S.-Gliedstaaten (dazu jeweils § 7) etwa § 235(12-a)(a), (21-a) New York Banking Law („… rating of an independent rating service designated by the banking board“); § 36a-275(b)(1), (c) Connecticut General Statutes („… rated […] by a rating service of such securities recognized by the commissioner“). 120 So in 40 C.F.R. § 280.104 (dem sog. „local government bond rating test“ im U.S.-amerikanischen Umweltrecht): „with a Moody’s rating of […], or a Standard & Poor’s rating of […]“. Auch das Board of Federal Reserve stellte im Rahmen der „Term Asset-Backed Securities Loan Facility (TALF)“, die 2009 als Liquiditätsfazilität zur Bekämpfung der globalen Finanzkrise geschaffen wurde, zunächst unmittelbar auf Ratings von Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch ab, bevor später durch Änderung der Regulation A Ratings jeder NRSRO akzeptiert wurden; vgl. Board of Governors of the Federal Reserve System, „Extension of Credit by Federal Reserve Banks“ (Final Rule) vom 4. Dez. 2009, 74 FR 65014, 65015 (9. Dez. 2009). 121 So etwa im Rahmen der schweizerischen Börsenzulassungsvoraussetzungen für Asset Backed Securities, die ein Rating einer „anerkannten“ Rating-Agenturen verlangen (§ 10 II 1 b)) und durch die privatrechtlich verfasste Börse (die SIX Group AG) erlassen wurden.
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a) Die „pragmatische“ Anerkennung am Markt beachteter Rating-Agenturen Eine staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen wird in der Schweiz schon seit längerem praktiziert, da sich im schweizerischen Finanzaufsichtsrecht bereits vor dem Basel II-Akkord zahlreiche Bezugnahmen auf Ratings einer (oder mehrerer) „von der EBK anerkannter Rating-Agenturen“ fanden.122 Die Zuständigkeit für die Anerkennung lag damit bei der damaligen Eidgenössischen Bankenkommission (EBK), deren Aufgaben zum 1. Januar 2009 auf die FINMA übergegangen sind. Sie erfolgte aufgrund eines „pragmatischen Entscheides“ der Bankenkommission;123 anerkannt wurden die gängigen, im Markt beachteten Rating-Agenturen,124 ohne dass dieser Auswahlentscheidung klar definierte und für die Zukunft bindende Kriterien zu Grunde gelegen hätten.125 Anders als im NRSRO-Verfahren in den U.S.A. und den heute in der Schweiz geltenden Verfahrensregeln wurde die Anerkennung weder auf Antrag der Rating-Agentur noch sonstiger Marktteilnehmer, sondern von Amts wegen ausgesprochen (und ggfs. später widerrufen126); die Rating-Agenturen waren am Verfahren nicht beteiligt, wurden von ihrer Anerkennung nicht formell in Kenntnis gesetzt127 und erlangten durch diese auch keinen gesicherten rechtlichen Status,128 da die Anerkennungsentscheidung jederzeit frei reversibel war.129 Prägend war nach alledem die Ankoppelung der staatlichen Anerkennung an die Marktanerkennung: Obgleich die EBK auf Grundlage unterschiedlicher Ermächtigungsgrundlagen und in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen tätig wurde, war der Kreis der anerkannten Rating-Agenturen daher im Ergebnis stets derselbe.130 b) Anerkennung seit „Basel II“ (Art. 6 ERV) Im Zuge der Umsetzung des Basel II-Akkords in der Schweiz haben die Kriterien, welche die FINMA bei der Anerkennung von Rating-Agenturen zugrunde 122 So etwa in Art. 14 lit. f, g BankV a.F. bei der Eigenmittelregulierung von Banken (dazu § 6 II 3 b)) und in Artt. 7, 28 und 35 AFV-EBK bei der Anlagefondsregulierung (dazu § 12 II 4). 123 So Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 122; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 135; ähnlich Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 143: „practical approach“. 124 Vgl. EBK, Erläuterungen zum Rundschreiben Ratingagenturen (Juli 2006), S. 17: „Die EBK will bei der Anerkennung von Ratingagenturen für Aufsichtszwecke pragmatisch vorgehen. Insbesondere will sie den Praktiken und Usanzen der Finanzmärkte sowie den Gewohnheiten der Marktteilnehmer Rechnung tragen. Die EBK glaubt, dass im Kontext der Ratings der Markt, obschon nicht perfekt, der bestmögliche Aufseher bleibt.“ 125 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 122; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 135. 126 Vgl. hierzu Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 122. 127 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 122; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 143. 128 Blaurock, ZGR 2007, 603, 618: „bemerkenswert“. 129 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 122; Blaurock, ZGR 2007, 603, 618; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 143. 130 Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 144.
§ 23 Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen
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zu legen hat, in Art. 6 Abs. 1 Eigenmittelverordnung (ERV)131 eine ausdrückliche (wenn auch knappe) Regelung erfahren: Man verlangt Objektivität, Unabhängigkeit, Transparenz, Offenlegung, ausreichende Ressourcen und Glaubwürdigkeit.132 Da diese sechs schlagwortartigen Kriterien auf „Basel II“ zurückgehen, ähneln sie insoweit dem Recht der EU vor Einführung der EG-RatingVO. Präzisiert werden die Vorgaben der ERV durch ein Rundschreiben der FINMA,133 welches sich inhaltlich an den Mindeststandards von „Basel II“ sowie dem IOSCO-Kodex orientiert.134 Auch das Anerkennungsverfahren ist formalisiert und mündet in die Veröffentlichung einer Liste aller anerkannten Rating-Agenturen.135 Die Regelungsdichte des schweizerischen Aufsichtsrechts bleibt insgesamt jedoch weiterhin deutlich hinter derjenigen des U.S.-amerikanischen Rechts wie auch des EU-Rechts zurück; insbesondere gelten Rating-Agenturen trotz einer etwaigen Anerkennung in ihrer Regulierungsfunktion nicht als Beaufsichtigte i.S.d. Art. 3 FINMAG. Auf der beschriebenen Grundlage hat die FINMA die internationalen Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s, Fitch und DBRS sowie die Schweizer Agentur Fedafin AG anerkannt, letztere jedoch nur für das Marktsegment „Public Finance“ (zuvor „Öffentlichrechtliche Körperschaften“).
Die Anerkennung durch die FINMA erhält eine zusätzliche Bedeutung durch den Umstand, dass auch andere schweizerische Regelsetzer formell an sie anknüpfen, wie etwa die Schweizerische Nationalbank (SNB) bei der ratingbasierten Definition zentralbankfähiger Sicherheiten.136 Ihre Ausstrahlungswirkung ist damit im Ansatz derjenigen der NRSRO-Einstufung in den U.S.A. vergleichbar,137 bleibt aber in ihrem Umfang wohl dahinter zurück: So lässt die SNB letztlich doch nur Ratings der Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch genügen,138 was sich möglicherweise damit erklären lässt, dass sie der Anerkennung am Markt doch eine größere Bedeutung zumisst als den Anerkennungsentscheidungen der FINMA.
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Die Regelung fand sich zuvor in Art. 52 ERV a.F. Vgl. EBK, Erläuterungen zum Rundschreiben Ratingagenturen (Juli 2006), S. 12; Haltiner, ST 2007, 802, 803 f.: „hohe Anforderungen“. 133 FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen vom 29. Juni 2011, in Kraft seit dem 1. Januar 2012. Dieses baut auf dem FINMA-Rundschreiben 2008/26 Ratingagenturen vom 20. November 2008 (in Kraft vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2011) und dem EBK-Rundschreiben 06/7 Ratingagenturen vom 25. Oktober 2006 (in Kraft vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2008) auf und stimmt inhaltlich weitgehend mit diesen überein. 134 FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 24; Nobel, ZBB 2008, 129, 132. 135 Art. 6 Abs. 2 ERV. 136 Richtlinien der Schweizerischen Nationalbank (SNB) über das geldpolitische Instrumentarium vom 25. März 2004 (Stand am 1. Jan. 2013), Tz. 3. 137 Vgl. Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 121. 138 Schweizerische Nationalbank, Merkblatt zu den SNB-repofähigen Effekten vom 5. Okt. 2009, Tz. 4. 132
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
5. Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen in Hongkong Hongkong hat schließlich eine wahrhaft frappierende Vielzahl unterschiedlicher Anerkennungsregelungen entwickelt,139 die umso bemerkenswerter erscheint, als das Territorium – anders als etwa die EU und die U.S.A. – kein regulatorisches Mehrebenensystem besitzt, das zwangsläufig zu einer gewissen Uneinheitlichkeit der Regelungsansätze führen muss. Sie bestehen seit 2011 neben dem zu diesem Zeitpunkt neu eingeführten generellen Zulassungserfordernis,140 das für alle in Hongkong tätigen Rating-Agenturen gilt – eine danach zugelassene und durch die Securities and Futures Commission beaufsichtigte Agentur muss also zusätzlich in ihrer Regulierungsfunktion anerkannt werden, damit ihre Ratings zu spezifischen Regulierungszwecken verwandt werden können. a) Anerkennung als External Credit Assessment Institution (ECAI) durch die HKMA Die Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke des Basel II-Akkords erfolgt in Hongkong unmittelbar durch die untergesetzlichen Regelungen der Banking (Capital) Rules, durch welche die gesamten „Basel II“-Vorgaben umgesetzt wurden.141 § 2(1) Banking (Capital) Rules legt dabei als Teil der einleitenden Legaldefinitionen fest, dass von dem Begriff der External Credit Assessment Institution (ECAI) bestimmte namentlich benannte Rating-Agenturen erfasst werden;142 bis zum Jahre 2011 waren dies Standard & Poor’s Ratings Services, Moody’s Investors Service, Fitch Ratings sowie Rating and Investment Information, Inc.143 Die Auswahl dieser Rating-Agenturen, deren formelle Anerkennung somit im Wege einer Rechtsverordnung geschah, hatte die zuständige Hong Kong Monetary Authority (HKMA) vor Erlass der Banking (Capital) Rules auf der Grundlage von Kriterien vorgenommen, die die Behörde während der „Basel II“-Umsetzungsarbeiten in einem (rechtlich nicht verbindlichen) „Policy Paper“144 niedergelegt hatte. Bei der Entwicklung dieser Kriterien hatte sich die HKMA erklärtermaßen u.a. vom IOSCO-Kodex145 leiten lassen.146 Naturgemäß orien139 Kritisch Arner/Hsu/Da Roza/Da Roza/Johnstone/Lejot, AIIFL Working Paper Nr. 4 (Feb. 2009), S. 85; Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 381 ff. 140 Siehe zu diesem bereits § 22 II 5. 141 Siehe dazu bereits oben § 6 III 5 d). 142 In weiteren Legaldefinitionen wird sodann spezifiziert, welche Tochter- bzw. Schwestergesellschaften von den verwandten Bezeichnungen für diese Rating-Agenturen erfasst werden. Die Anerkennung gilt dabei gleichermaßen für die Kreditrisiko- und die Marktrisikounterlegung nach „Basel II“; vgl. dazu § 6 II und III. 143 Siehe zur Ergänzung des Kreises anerkannter Agenturen im Jahre 2011 sogleich im Text. 144 HKMA, Policy Paper „Recognition of External Credit Assessment Institutions“ vom 26. Juni 2006; mittlerweile aktualisiert durch ein gleichnamiges und auch inhaltlich weitgehend ähnliches Paper vom 30. Sept. 2013. 145 Zu diesem Instrument näher § 24 IV 1 a). 146 HKMA, Policy Paper, Tz. 4.
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tierte sich das „Policy Paper“ aber vorrangig an den Anerkennungsvoraussetzungen, die im Basel II-Akkord genannt werden, und übernahm diese ohne erkennbare Abweichungen und mit nur sehr wenigen Ergänzungen. Die regulatorischen Ansätze Hongkongs zeichnen sich daher in diesem Bereich durch eine starke Übereinstimmung mit den entsprechenden Vorgaben in der ehemaligen EG-Bankenrichtlinie und dem deutschen wie auch schweizerischen Aufsichtsrecht aus. Irgendwie geartete Vorgaben für eine spätere Anerkennung weiterer RatingAgenturen durch die HKMA und die dabei zugrunde zu legenden Kriterien waren und sind in den Banking (Capital) Rules nicht enthalten.147 Nach der Hongkonger Verwaltungspraxis kann eine solche Anerkennung – und dies ist im internationalen Vergleich ungewöhnlich – nicht nur durch die Marktteilnehmer und/ oder die Rating-Agentur initiiert werden, sondern auch durch die HKMA selbst.148 Jede Modifikation des Kreises der für „Basel II“-Zwecke anerkannten Rating-Agenturen muss allerdings im (aufwendigen) Wege der Änderung der Banking (Capital) Rules erfolgen; ein Umstand, der während der Schaffung der Rules zwar erkannt und kritisiert wurde, aber aufgrund der Rechtsgrundlage dieses untergesetzlichen Regelwerkes unvermeidbar ist149 und in vergleichbarer Form auch in anderen Rechtsordnungen vorkommt.150 Eine entsprechende Änderung erfolgte erstmalig im Jahre 2011, als vier weitere RatingAgenturen (Japan Credit Rating Agency, Ltd., Credit Analysis and Research Limited, CRISIL Limited und ICRA Limited) gesetzlich als External Credit Assessment Institution eingestuft wurden.151 Die Auswahl dieser Agenturen durch die HKMA geschah dabei spezifisch mit Blick auf deren Geeignetheit für Zwecke der konkreten Regulierungsfunktion, was sich etwa daran zeigt, dass der Kreis der in den Banking (Capital) Rules genannten und dadurch anerkannten Rating-Agenturen nicht alle von der Securities and Futures Commission zugelassenen152 Agenturen umfasst – das Hongkonger Aufsichtsrecht trennt also streng zwischen der Zulassung für Zwecke der Marktinformationsfunktion und der Anerkennung für Zwecke der Regulierungsfunktion im Bereich des Eigenmittelrechts.153
147 Kritisch Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 387; Arner/Hsu/Da Roza/ Da Roza/Johnstone/Lejot, AIIFL Working Paper Nr. 4 (Feb. 2009), S. 86. 148 HKMA, Policy Paper, Tz. 25. 149 Da der Erlass der Banking (Capital) Rules durch die HKMA auf Grundlage von § 98A der Banking Ordinance nur unter Beteiligung des Hongkonger Parlaments (Legislative Council) erfolgen kann, wurde die Aufnahme einer Vorschrift in die Rules für unzulässig erachtet, aufgrund derer eine Änderung der Legaldefinition in § 2(1) der Rules ohne Beteiligung des Parlaments möglich geworden wäre; vgl. HKMA/Financial Services and the Treasury Bureau, Legislative Council Brief „Banking (Capital) Rules – Banking (Disclosure) Rules“ vom 27. Oktober 2006, Anhang, S. 5 f. 150 Vgl. The Joint Forum, Stocktaking on the use of credit ratings (June 2009), S. 3. 151 § 2(1) Banking (Capital) Rules, Stichwort external credit assessment institution (e)–(h). 152 Siehe zur Zulassung durch die Securities and Futures Commission schon § 22 II 5 a). 153 Der Hongkonger Regelungsansatz unterscheidet sich insoweit vom denjenigen des EURechts (zu diesem bereits oben unter II 1 b) bb)).
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
b) Anerkennung durch die HKMA für den Bereich der Pensionsgeschäfte mit dem „Lender of Last Resort“ Eine separate, informelle Anerkennung nimmt die HKMA für ihre Tätigkeit als „Lender of Last Resort“ vor, die sie in Hongkong anstelle der nicht existenten Notenbank ausübt154 und bei der sie in regulatorischer Hinsicht den (in diesem Bereich nur in Verwaltungsschreiben der HKMA155 verwandten) Begriff des „investment grade“ auszufüllen hat. Die HKMA tut dies in Form einer öffentlich zugänglichen Liste von Rating-Agenturen und dazugehöriger Mindestratings, die periodisch überprüft und ggfs. revidiert wird – beides geschieht in diesem Bereich weit häufiger als in den oben genannten Regelungszusammenhängen,156 weil die HKMA bei den Voraussetzungen der anlassbezogenen Liquiditätsversorgung der Kreditinstitute flexibler auf wechselnde Marktgegebenheiten reagieren muss. c) Gemischte Anerkennung für Zwecke der Gewinnbesteuerung Eine gemischte Anerkennungszuständigkeit besteht sodann im Bereich des Hongkonger Steuerrechts, das als „investment grade“ geratete Anleihen bekanntlich von der Gewinnbesteuerung (profit tax) ganz oder hälftig freistellt:157 Vorausgesetzt wird hierzu grundsätzlich das Rating einer Rating-Agentur, die von der HKMA anerkannt wurde,158 wobei hier die für die ECAI-Anerkennung maßgeblichen Kriterien zugrunde gelegt werden.159 Allerdings hat der Finanzminister (Financial Secretary) der Sonderverwaltungsregion die Möglichkeit, das Ratingerfordernis und damit auch das Anerkennungserfordernis wieder einzuschränken,160 von der er für Anleihen bestimmter staatsnaher Unternehmen in Hongkong auch Gebrauch gemacht hat.161 Die Zuständigkeit eines Regierungsmitglieds (und nicht des Commissioners of Inland Revenue, der im Regelfall für steuerverwaltungsrechtliche Angelegenheiten zuständig ist) erklärt sich dabei
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Zum „Lender of Last Resort“ in Hongkong bereits oben § 7 II 3 a) bb). HKMA, Policy statement on the Role of the Hong Kong Monetary Authority as Lender of Last Resort (March 2009), Tz. 12(b)(iii). 156 Vgl. HKMA, Policy statement (March 2009), Annex I (Moody’s: mind. Baa3; Standard & Poor’s: mind. BBB–; Fitch: mind. BBB–, R&I: mind. BBB+). Vorausgegangen waren ein gleichnamiges Policy statement vom 30. Juni 1999, das später durch HKMA, List of recognized ECAIs and the respective minimum acceptable ratings vom 23. Juni 2006 geändert wurde. 157 Hierzu schon § 8 II 5. 158 § 14A(4)(b) Inland Revenue Ordinance (Cap. 112). 159 HKMA, Policy Paper, Annex 3–5. Siehe zum Kreis der anerkannten Rating-Agenturen HKMA, Credit rating requirement for debt issues to qualify for profits tax concession (20. Aug. 2012), wo Standard & Poor’s Ratings Services, Moody’s Investors Service, Fitch Ratings sowie Rating and Investment Information, Inc. als anerkannt gelistet werden. 160 § 14A(5) Inland Revenue Ordinance. Kritisch zur Betreuung des Finanzministers mit dieser Aufgabe Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 382: „may not have the ability to assess whether a credit rating is reliable and credible“. 161 § 1 Inland Revenue (Qualifying Debt Instruments) Order (Cap. 112M). 155
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durch den Umstand, dass mit der steuerlichen Privilegierung primär wirtschaftspolitische Zwecke verfolgt werden.162 d) Anerkennung durch die Securities and Futures Commission Für Zwecke der Liquiditätsanforderungen an Finanzintermediäre163 erkennt die einschlägige, von der zuständigen Securities and Futures Commission erlassene Rechtsverordnung die Rating-Agenturen Moody’s und Standard & Poor’s bereits im Verordnungstext an.164 Die Securities and Futures Commission kann daneben noch weitere Rating-Agenturen per Verwaltungsentscheidung als approved credit rating agency anerkennen.165 Tut sie dies, so muss sie die Anerkennungsentscheidungen veröffentlichen und die Ratings der nachträglich anerkannten RatingAgenturen sodann in einem zweiten Schritt den einzelnen Ratingstufen auf den Skalen von Moody’s und Standard & Poor’s zuordnen166 – es wird damit also unverhohlen bestätigt, dass diese beiden Rating-Agenturen den Marktstandard setzen und die Kenntnis ihrer Ratingkürzel unter den Hongkonger Marktteilnehmern unterstellt werden kann. e) Anerkennung im Trust- und im Versicherungsrecht: Gleichwertigkeit mit den beiden großen Rating-Agenturen als Voraussetzung Ein sehr ähnlicher Regelungsansatz findet sich im Hongkonger Recht auch auf anderen Sachgebieten, nämlich zum einen bei den Vorgaben für Anlageentscheidungen von trustees, die im Gesetz von bestimmten Mindestratings abhängig gemacht werden:167 Auch hier werden unmittelbar im Gesetzestext die Ratings von Moody’s und Standard & Poor’s als maßgeblich anerkannt und daneben der Secretary for Financial Services and the Treasury ermächtigt, ggfs. noch weitere Rating-Agenturen anzuerkennen, sofern deren Ratings „äquivalent“ sind.168 Eine praktisch identische Regelung findet sich auch im Versicherungsaufsichtsrecht, wo die Zuständigkeit für die ergänzende Anerkennung und vorausgesetzte Gleichwertigkeitsprüfung bei der Insurance Authority liegt.169 f) Anerkennung durch die Mandatory Provident Fund Scheme Authority Die Anerkennung (approval) von Rating-Agenturen im gesetzlichen Altersvorsorgesystem Hongkongs170 liegt in den Händen der Mandatory Provident Fund 162
Willoughby/Halkyard, Hong Kong Taxation, Stand: Issue 10 (Nov. 2003), Anm. II 6888.17. Dazu schon § 7 II 2 b). 164 So in § 2(1) Securities and Futures (Financial Resources) Rules (Cap. 571N). 165 § 58(1)(b) Securities and Futures (Financial Resources) Rules. 166 § 58(2)(a), (b) Securities and Futures (Financial Resources) Rules. 167 Vgl. dazu schon § 12 II 2 b). 168 § 4(1)(a) Trustee Ordinance (Cap. 29) i.V.m. Schedule 2; vgl. Arner/Hsu/Da Roza/Da Roza/ Johnstone/Lejot, AIIFL Working Paper Nr. 4 (Feb. 2009), S. 85. 169 § 4(1)(b)(ii), (2)(b) Insurance Companies (General Business) (Valuation) Regulation. 170 Sog. Mandatory Provident Fund Schemes; dazu Abate, Mandatory Provident Fund, S. 18; Ngan/Cheung, Mandatory Provident Funds Scheme, S. 245. 163
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Scheme Authority.171 Es handelt sich daher nicht im strikten, sondern lediglich im funktionalen Sinne um eine staatliche Anerkennung, weil die Authority keine Behörde, sondern eine gesetzlich vorgesehene nicht-staatliche Einrichtung ist.172 Obgleich die einschlägige Anerkennungsregelung keine irgendwie gearteten Vorgaben zu Anerkennungskriterien und -verfahren enthält, hat dies wiederum zur üblichen Anerkennung der drei großen internationalen Agenturen geführt; hinzu treten hier allerdings mit der Rating & Investment Information, Inc. eine weitere Rating-Agentur japanischer Provenienz sowie die U.S.-amerikanische Agentur A.M. Best, die beide in Hongkong lokale Niederlassungen unterhalten.173 g) Anerkennung durch die Hongkonger Börse für Zwecke der Börsenzulassungsvoraussetzungen Schließlich wird eine Anerkennung durch die Hongkonger Börse durchgeführt, die (ebenso wie die Schweizer Börse) privatrechtlich verfasst ist, der aber insoweit ausdrücklich die Regulierungszuständigkeit übertragen wurde:174 Das nach den Börsenbedingungen für die Zulassung komplexer Finanzinstrumente erforderliche Mindestrating175 muss dabei nach bisherigem Stand zwingend von Moody’s oder Standard & Poor’s stammen; eine Anerkennung anderer RatingAgenturen – für die keine irgendwie gearteten Kriterien aufgestellt werden – hat die Börse bislang nicht vorgenommen. h) Fazit zur Anerkennungsregelung in Hongkong Das vielgestaltige Anerkennungsregime im Hongkonger Recht weicht im Ergebnis auffällig von der Rechtslage in den übrigen Rechtsordnungen ab, in denen sich jeweils eine „Ankerregelung“ herausgebildet hat, an die durch andere Regelsetzer des betreffenden Staates angeknüpft wird: In Deutschland und der Schweiz ist dies die Anerkennung für die Eigenmittelregelung der Banken im Gefolge des Basel II-Akkords, in den U.S.A. die SEC-Anerkennung als NRSRO. In Hongkong konnte die Anerkennung als ECAI, die als einzige auf einem ausdifferenziertem Kriterienkatalog beruht,176 hingegen keine vergleichbare Vorbildwirkung erreichen; die zahlreichen sonstigen, von anderen Behörden als der HKMA anzuwendenden Anerkennungsnormen zeichnen sich auch weiterhin durch das Fehlen inhaltlicher Maßstäbe aus177 und bleiben damit bloße Blankettnormen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht muss die Vielzahl paralleler Anerken171
§ 2 Mandatory Provident Fund Schemes (General) Regulation. Ngan/Cheung, Mandatory Provident Funds Scheme, S. 244. 173 Mandatory Provident Fund Schemes Authority (MPFA), Guidelines on Approved Credit Rating Agencies, Version 1 (July 2005), Tz. 4. 174 Vgl. Kwan/Chiu/Shen, Stand: Release 0 (June 2007), Rn. 10.010: Delegation durch die SFC an die Stock Exchange of Hong Kong Limited. 175 § 15A.13(1) Hong Kong Listing Rules; dazu schon § 10 II 1 a). 176 Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 381. 177 Kritisch Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 388: „also leave[s] space for corruption“. 172
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nungen dabei ineffizient erscheinen, zumal auch für eine sich daran anschließende Überwachung der Rating-Agenturen in zahlreichen Behörden gleichzeitig Expertise vorgehalten werden müsste178 – die bisherigen Erfahrungen mit der multipolaren Anerkennungsstruktur wirft freilich die Frage auf, ob die fortdauernde Geeignetheit bestimmter Ratings für deren Regulierungsfunktion in Hongkong überhaupt geprüft wird oder man nicht faktisch doch die Marktanerkennung der Agentur genügen lässt. Insgesamt bedürfen die Anerkennungsregime des Hongkonger Rechts nach alledem dringend einer Vereinheitlichung und inhaltlichen Präzisierung.179
III. Die Charakteristika der staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen im Rechtsvergleich 1. Die Voraussetzungen für die staatliche Anerkennung Die staatliche Anerkennung einer Rating-Agentur in ihrer Regulierungsfunktion ist in allen oben behandelten Regelungen als voraussetzungsreiche Entscheidung konzipiert und muss dies (anders als bei einem bloßen Registrierungserfordernis180) auch sein, weil ihr Zweck ja in der Sicherung eines bestimmten Standards auf Seiten der Agenturen besteht.181 Die diesbezüglichen aufsichtsrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen und -folgepflichten reichen in ihrer praktischen Bedeutung jedoch weit über diesen Zweck hinaus, weil sie die wichtigste Quelle für Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen darstellen. Ihre Befolgung durch anerkannte Agenturen sichert dabei schon deshalb einen quasi marktweiten Standard, weil diese infolge der oligopolistischen Struktur des Ratingmarktes182 auch in ihrer Marktinformationsfunktion führend sind.183 a) Anforderungen an die Governance der Rating-Agentur als Anerkennungsvoraussetzung In sämtlichen hier untersuchten nationalen Rechtsordnungen und auch im EURecht werden als zentraler Bestandteil der Anerkennungsvoraussetzungen materielle Anforderungen an die Organisation und/oder die Tätigkeit der Rating178
Ein vorteilhafterer Regelungsansatz könnte demgegenüber in der Anerkennung der RatingAgenturen durch eine Behörde (etwa die HKMA) bestehen, die sodann auch die fortdauernde Erfüllung der Anerkennungsvoraussetzungen zu prüfen hätte, während die übrigen Regelsetzer die für ihren jeweiligen Regulierungszweck passende Ratingschwelle festlegen. 179 So auch Arner/Hsu/Da Roza/Da Roza/Johnstone/Lejot, AIIFL Working Paper Nr. 4 (Feb. 2009), S. 86: „… should and must be harmonised and rationalised“; Arner/Chau/Hsu/Pretorius/ Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 381 f. 180 Dazu § 22 III. 181 Bei den sog. Blankettanerkennungsnormen besteht die einzige (und implizite) Anforderung freilich in der Marktakzeptanz der Rating-Agentur. 182 Siehe § 20 II. 183 Blaurock, ZGR 2007, 603, 623; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 21.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Agenturen gestellt.184 Entsprechende Vorgaben finden sich im Unionsrecht in Artt. 6 ff. EG-RatingVO nebst dem detailreichen Anhang I,185 im Schweizer Recht in § 6 Abs. 1 ERV,186 im U.S.-amerikanischen Recht in § 15E Securities Exchange Act of 1934 und zahlreichen Durchführungsbestimmungen (Rules) der SEC187 sowie im früheren deutschen Recht in § 53 Satz 1 SolvV a.F. Im Hongkonger Recht haben die einschlägigen Anerkennungsvoraussetzungen hingegen keine ausdrückliche gesetzliche oder untergesetzliche Normierung erfahren, sondern ergeben sich lediglich aus der Behördenpraxis, die allerdings durch entsprechende Veröffentlichungen188 vereinheitlicht und den Marktteilnehmern zugänglich gemacht wurde. Obwohl alle genannten Anerkennungsvoraussetzungen binnen eines Zeitraums von drei Jahren,189 mithin also fast zeitgleich erstmals formuliert wurden, folgen sie doch ganz verschiedenen Regelungsphilosophien.190 Es lassen sich dabei drei Ansätze unterscheiden: aa) Vorgabe allgemeiner Grundsätze für die Ratingmethode (Schweizer und Hongkonger Anerkennungsrecht) Eine erste Gruppe von Rechtsordnungen beschränkt sich auf die Statuierung allgemein gehaltener Grundsätze für die Ratingtätigkeit, die inhaltlich ersichtlich auf den Basel II-Akkord191 zurückgehen und infolge dieses gemeinsamen Vorbilds sehr ähnlich formuliert wurden. Dieser Ansatz, der im Vergleich die geringste Regelungsintensität aufweist, wird im Anerkennungsrecht der Schweiz und Hongkongs192 befolgt, das sich jeweils auf die Ratingverwendung bei der Berechnung der Eigenmittelanforderungen an Banken bezieht; er fand bis Ende 2013 zudem in Deutschland Anwendung, dessen Anerkennungsregelungen insoweit auf die frühere EG-Bankenrichtlinie und die zugehörigen CEBS-Leitlinien zurückgingen.
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Blaurock, ZGR 2007, 603, 623. Daneben trat bis Ende 2013 Art. 81 Abs. 2 Satz 1 EG-Bankenrichtlinie mit ihrem – inhaltlich nicht immer völlig deckungsgleichen – Anhang VI. 186 Näher konkretisiert durch FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 26 ff. 187 Rule 17g–1 ff. unter dem Securities Exchange Act of 1934. 188 So namentlich durch HKMA, Policy Paper. 189 Die vormalige EG-Bankenrichtlinie wurde am 14. Juni 2006 erlassen, die EG-RatingVO am 16. Sept. 2009; alle übrigen Anerkennungsregeln ergingen zwischen diesen Zeitpunkten. Seit 2009 sind (vor allem in den U.S.A.) einzelne zusätzliche Anforderungen geschaffen worden, die jedoch an dem jeweils verfolgten Grundansatz nichts ändern. 190 Der Vorschlag, weltweit einheitlich lediglich die Befolgung des IOSCO-Kodex zu verlangen (so Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 198), hat sich nicht durchsetzen können. In der Schweiz wird seit 2012 immerhin zusätzlich zur Beachtung der aufsichtsrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen die dauernde Einhaltung der Vorgaben des IOSCO-Kodex verlangt (FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 24). 191 Basel II-Akkord, Tz. 91. 192 Siehe zum zusätzlich zu beachtenden, wenngleich nicht mit formeller Rechtsqualität ausgestatteten CRA Code of Conduct noch im Text im cc). 185
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Die als Anerkennungsvoraussetzung normierten Meta-Kriterien gleichen sich dabei überwiegend. Sie lassen sich unterteilen in Anforderungen an die Ratingmethode und solche an die individuellen Ratings: So werden hinsichtlich der Ratingmethode Objektivität,193 Unabhängigkeit194 und Transparenz195 ebenso vorausgesetzt wie eine kontinuierliche Überprüfung (die allerdings nur zum Teil auf die Ratingmethode,196 überwiegend hingegen auf die erteilten Ratings197 bezogen wird). In Bezug auf die erteilten Ratings verlangt man hingegen deren Zuverlässigkeit198 oder Glaubwürdigkeit199 bzw. – überzeugender – deren Anerkennung durch die Marktteilnehmer als glaubwürdig und zuverlässig,200 sowie Transparenz201 bzw. Offenlegung,202 wobei die beiden letztgenannten Begriffe insoweit wohl identisch, nämlich im Sinne einer öffentlichen Zugänglichkeit203 verstanden werden. Diese allgemeinen, schlagwortartig formulierten Anforderungen werden nur punktuell näher konkretisiert, nämlich hinsichtlich einzelner Aspekte der angewandten Ratingme-
193 In der Hongkonger Aufsichtspraxis: HKMA, Policy Paper, Tz. 6.1; im Schweizer Recht: § 6 Abs. 1 lit. a ERV (wonach allerdings nicht nur die Ratingmethode, sondern auch die Ratings objektiv sein müssen). Ebenso im früheren EG-Recht Art. 81 Abs. 2 Satz 1 EG-Bankenrichtlinie mit Anhang VI, Teil 2, Tz. 1; CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 79 ff.; im früheren deutschen Recht § 53 Satz 1 Nr. 1 SolvV a.F. 194 In der Hongkonger Aufsichtspraxis: HKMA, Policy Paper, Tz. 6.2; im Schweizer Recht: § 6 Abs. 1 lit. b ERV (sowohl für die Ratingmethode als auch die Rating-Agentur selbst). Ebenso im früheren EG-Recht Art. 81 Abs. 2 Satz 1 EG-Bankenrichtlinie mit Anhang VI, Teil 2, Tz. 2 f.; CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 94 ff.; im früheren deutschen Recht § 53 Satz 1 Nr. 2, 3 SolvV a.F. 195 Im Schweizer Recht: § 6 Abs. 1 lit. d ERV; in der Hongkonger Aufsichtspraxis: HKMA, Policy Paper, Tz. 6.3.4. Ebenso im früheren EG-Recht Art. 81 Abs. 2 Satz 1 EG-Bankenrichtlinie mit Anhang VI, Teil 2, Tz. 7; CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 108 ff.; im früheren deutschen Recht § 53 Satz 1 Nr. 6 SolvV a.F. 196 So HKMA, Policy Paper, Tz. 6.3.4, 6.4.1; ebenso im früheren EG-Recht Art. 81 Abs. 2 Satz 1 EG-Bankenrichtlinie. 197 So im früheren EG-Recht EG-Bankenrichtlinie, Anhang VI, Teil 2, Tz. 4; CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 99 ff.; ebenso im früheren deutschen Recht § 53 Satz 1 Nr. 4 SolvV a.F. 198 Im früheren EG-Recht Art. 81 Abs. 2 Satz 1 EG-Bankenrichtlinie. 199 Im Schweizer Recht: § 6 Abs. 1 lit. f ERV (für die Ratings und die Rating-Agentur selbst); dazu FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 49 f. 200 So zum Schweizer Recht FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 50; die Hongkonger Aufsichtspraxis: HKMA, Policy Paper, Tz. 6.6.1. Ebenso im früheren EG-Recht: EG-Bankenrichtlinie, Anhang VI, Teil 2, Tz. 8 f.; CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 112 ff.; im früheren deutschen Recht § 53 Satz 1 Nr. 7 SolvV a.F. 201 Im früheren EG-Recht Art. 81 Abs. 2 Satz 1 EG-Bankenrichtlinie; CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 117 ff. 202 Im Schweizer Recht § 6 Abs. 1 lit. d ERV (Offenlegung der wesentlichen Eigenschaften der Ratings); ebenso im früheren EG-Recht CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 117 ff. 203 So das Schweizer Recht in § 6 Abs. 1 lit. c ERV mit FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 38 ff. und die Hongkonger Aufsichtspraxis nach HKMA, Policy Paper, Tz. 6.3.1 f. Ebenso das frühere EG-Recht in der EG-Bankenrichtlinie, Anhang VI, Teil 2, Tz. 10 f.; das frühere deutsche Recht in § 53 Satz 1 Nr. 8 SolvV a.F.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
thode204 sowie in organisatorischer Hinsicht durch das Verlangen ausreichender Ressourcen der Rating-Agentur205 und die Einrichtung einer internen Überwachungsstelle (audit function).206
Im Schrifttum werden die beschriebenen Regelungen als im Ergebnis zu lückenhaft angesehen, um als echte materielle Regulierung gelten zu können.207 bb) Publizitätsvorgaben nebst einzelnen spezifischen Verbotstatbeständen (U.S.-amerikanische NRSRO-Anerkennung) Dem U.S.-amerikanischen Verfahren zur Anerkennung als NRSRO ist die Aufstellung allgemeiner Prinzipien zur Ratingmethode dagegen fremd; man beschränkt sich fast durchgehend auf Publizitätsvorgaben, die nur durch wenige, pragmatisch ausgestaltete materielle Vorgaben ergänzt werden. So verpflichten die NRSRO-Anerkennungsvoraussetzungen die Rating-Agentur vorrangig zur Offenlegung ihrer Ratingmethoden und -verfahren208 und ihrer organisatorischen Struktur209 sowie zur Annahme, Anwendung und Offenlegung interner Grundsätze (written policies and procedures reasonably designed) zum Umgang mit vertraulichen Informationen210 und mit Interessenskonflikten,211 ohne jedoch irgendwelche Vorgaben für deren Inhalt aufzustellen. Das Gesetz verbietet der SEC sogar ausdrücklich, die „Substanz“ der Ratings oder die Ratingverfahren und -methoden der Rating-Agenturen in irgendeiner Form zu regeln.212 Als NRSRO anerkannten Rating-Agenturen wird lediglich vorgeschrieben, einen Compliance-Beauftragten zur Überwachung ihrer internen Verfahren zu benennen213 und ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen vorzuhalten, die 204 So das frühere EG-Recht in der EG-Bankenrichtlinie, Anhang VI, Teil 2, Tz. 5 und das frühere deutsche Recht in § 53 Satz 1 Nr. 5 SolvV a.F. (jeweils zum Verfahren zum Rückvergleich, der Regelmäßigkeit des Überprüfungsprozesses sowie dem Ausmaß der Kontakte der Rating-Agentur zur Geschäftsleitung der Emittenten). 205 So das Schweizer Recht in § 6 Abs. 1 lit. e ERV und die Hongkonger Anerkennungspraxis in HKMA, Policy Paper, Tz. 6.5.1. 206 So die Hongkonger Anerkennungspraxis: HKMA, Policy Paper, Tz. 6.1.1(d). 207 Blaurock, ZGR 2007, 603, 623. 208 § 15E(a)(1)(B)(ii) Securities Exchange Act of 1934. 209 § 15E(a)(1)(B)(iv) Securities Exchange Act of 1934. 210 § 15E(g)(1) Securities Exchange Act of 1934 i.V.m. Rule 17g–4. 211 § 15E(h)(1) Securities Exchange Act of 1934. 212 § 15E(c)(2) Securities Exchange Act of 1934: „Notwithstanding any other provision of law, neither the Commission nor any State (or political subdivision thereof) may regulate the substance of credit ratings or the procedures and methodologies by which any nationally recognized statistical rating organization determines credit ratings.“ Dass dieses Verbot ausdrücklich auch an die U.S.-Gliedstaaten richtet, wirft die Frage auf, ob die Rating-Agenturen durch diese bundesgesetzliche Norm von der Anwendung des einzelstaatlichen Deliktsrechts (tort) ausgenommen werden sollen; vgl. dazu noch § 28 III 1. Siehe allgemein Sullivan, 94 Minn. L. Rev. (2010), 2136, 2151 f.: bewusste Entscheidung des U.S.-amerikanischen Bundesgesetzgebers gegen eine Regulierung von Ratingmethoden. Daran hat sich auch durch den Dodd–Frank Act nichts geändert (Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 247). 213 § 15E(j) Securities Exchange Act of 1934.
§ 23 Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen
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eine konsistente Anwendung der eigenen Ratingmethoden erlauben.214 Darüber hinaus erklären die Anerkennungsregeln bestimmte spezifische Verhaltensweisen für unzulässig,215 die man als missbräuchlich oder als mit unauflösbaren Interessenskonflikten behaftet einstuft und die durch eine bloße Offenlegung nicht adäquat zu bewältigen sind; sie könnten daher die Tauglichkeit der Ratings für regulatorische Zwecke beeinträchtigen.216 Insgesamt wird die Entscheidung von Governancefragen damit weitgehend den Rating-Agenturen selbst überlassen, deren selbst gewähltes System nur einzelnen materiellrechtlichen Vorgaben genügen muss. cc) Detaillierte Organisations- und Verhaltensregeln (EG-RatingVO) Ungleich dichtere Vorgaben zu Tätigkeit und Organisation von Rating-Agenturen sieht dagegen die EG-RatingVO vor, deren Zulassungsvoraussetzungen innerhalb der EU217 zugleich als Voraussetzung für eine Anerkennung zu regulatorischen Zwecken wirken.218 Sie umreißt ihre Aufgabe einleitend dahin, „die Voraussetzungen für die Abgabe von Ratings sowie Organisations- und Verhaltensregeln für Ratingagenturen“ festzulegen,219 und verfolgt dieses Ziel sodann mit Konsequenz und Detailgenauigkeit: So wird eine Rating-Agentur nach der EG-RatingVO überhaupt nur zugelassen, sofern ihre Geschäftsleitung nach Ansicht der zulassenden Behörde ausreichend gut beleumundet ist, über ausreichende Qualifikationen und Erfahrungen verfügt sowie eine solide und umsichtige Führung der Agentur gewährleistet.220 In organisatorischer Hinsicht werden sodann präzise Vorgaben zu einer Reihe unterschiedlicher Fragen gemacht, nämlich zur Besetzung des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans der Agentur (mindestens ein Drittel, jedoch nicht weniger als zwei der Mitglieder müssen unabhängige Mitglieder sein, die nicht in die Ratingtätigkeiten eingebunden sind und mehrheitlich über ausreichende Fachkenntnisse im Bereich Finanzdienstleistungen bzw., sofern die Rating-Agentur Ratings für strukturierte Finanzinstrumente erstellt, über weitreichende Kenntnisse und Erfahrungen mit den Märkten für strukturierte Finanzinstrumente auf leitender Ebene verfügen),221 der Mandatsdauer der unabhängigen Mitglieder (im Voraus zu bestimmen, höchstens fünf Jahre, nicht erneuerbar) und ihre Vergütung (nicht vom geschäftlichen Erfolg der 214
§ 15E(a)(2)(C)(ii)(I), (d)(5) Securities Exchange Act of 1934. § 15E(h), (i) Securities Exchange Act of 1934 i.V.m. Rule 17g–5 f. 216 Curzon/Kaswell/Rosenblat, 124 Banking L.J. (2007), 438, 450. 217 Zu deren „extraterritorialer“ Erstreckung auch auf Rating-Agenturen mit Sitz außerhalb der EU siehe unten III 4 b). 218 Siehe zur teilweisen Übernahme der im Folgenden zu nennenden Regelungsinhalte der EGRatingVO in den CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011) noch näher unten im Text. 219 So programmsatzartig Art. 1 Unterabs. 1 Satz 2 EG-RatingVO. 220 Anh. I Abschn. A Abs. 2 Unterabs. 2 EG-RatingVO. 221 Anh. I Abschn. A Abs. 2 Unterabs. 3, 5 EG-RatingVO. Diese Vorgaben können freilich mit gesellschaftsrechtlichen Anforderungen in Konflikt geraten; kritisch daher St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399, 428 ff. 215
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Rating-Agentur abhängig und so festzulegen, dass die Unabhängigkeit ihres Urteils gewährleistet ist),222 der zu schaffenden Compliance-Funktion223 sowie schließlich der zu schaffenden Überprüfungsstelle und deren Berichtsempfänger (die unabhängigen Mitglieder des Verwaltungsorgans)224. Neben Verboten von Ratingabgaben in bestimmten Interessenskonfliktsituationen, die den Regelungen des U.S.-amerikanischen Anerkennungsrechts ähneln,225 stellt die EG-RatingVO weitere detaillierte Vorgaben für ein „graduelles Rotationssystem“ für Ratinganalysten auf226 (führende Ratinganalysten dürfen nicht länger als vier Jahre an Ratingtätigkeiten für ein und dasselbe bewertete Unternehmen beteiligt sein, sonstige Ratinganalysten nicht länger als fünf Jahre und Personen, die Ratings genehmigen, nicht länger als sieben Jahre; zudem unterliegen alle dieser Personen nach Ende jeder Phase einer zweijährigen „cooling off“-Sperrfrist). Mit Blick auf die Ratingmethoden setzt die EG-RatingVO sodann (ebenso wie die ehemalige EG-Bankenrichtlinie und das deutsche Anerkennungsrecht) voraus, dass diese streng, systematisch und beständig sind und einer Validierung auf Grundlage historischer Erfahrungswerte unterliegen,227 bleibt dabei aber nicht stehen: Es wird vielmehr zudem festgeschrieben, was bei einer Änderung der Ratingmethode wie öffentlich bekannt gegeben werden muss und wie mit den bisherigen Ratings zu verfahren ist,228 wie und mit welchen begleitenden Angaben Ratings zu präsentieren sind (nämlich unter Angabe aller Quellen von wesentlicher Bedeutung, die für die Erstellung des Ratings herangezogen wurden, der Hauptmethode oder einer Version der Methode, die bei der Bestimmung des Rating verwendet wurde, eines Hinweises darauf, ob das Rating dem bewerteten Unternehmen mitgeteilt wurde und infolge der Mitteilung vor seiner Abgabe geändert wurde,229 sowie eines weiteren Hinweises darauf, dass es sich bei dem Rating nur um eine Meinung der Rating-Agentur handelt, auf die nur in begrenztem Umfang Verlass ist230) und wann bewertete Unternehmen über anstehende Ratingveröffentlichungen zu informieren sind (spätestens einen vollen Arbeitstag vor der Veröffentlichung).231 Wenn die EG-RatingVO in ihrem Art. 23 ausspricht, dass diese Anforderungen den zuständigen Unions- und mitgliedstaatlichen Behörden jedoch keinesfalls Anlass bieten sollten, Einfluss auf den Inhalt der Ratings und die verwende-
222 223 224 225 226 227
Anh. I Abschn. A Abs. 2 Unterabs. 4 EG-RatingVO. Anh. I Abschn. A Abs. 5, 6 EG-RatingVO. Anh. I Abschn. A Abs. 9 EG-RatingVO. Anh. I Abschn. B EG-RatingVO. Art. 7 Abs. 4 EG-RatingVO i.V.m. Anh. I Abschn. C Abs. 8. Art. 8 Abs. 3 EG-RatingVO. Ebenso CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011),
Tz. 5. 228
Art. 8 Abs. 6 EG-RatingVO. Art. 10 Abs. 2 EG-RatingVO i.V.m. Anh. I Abschn. D I Abs. 2. 230 Art. 8 Abs. 2 EG-RatingVO in der Fassung der ÄnderungsVO Nr. 462/2013. 231 Anh. I Abschn. D I Abs. 3 EG-RatingVO; siehe dazu noch § 25 VI 1. (Bis zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 hatte noch eine Frist von zwölf Stunden genügt.). 229
§ 23 Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen
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ten Methoden zu nehmen,232 so steht dies in einem erkennbaren Spannungsfeld zur Regelungsdichte der Zulassungsvoraussetzungen, die durch die Verordnung aufgestellt werden.233 Der Regelungsansatz der EG-RatingVO unterscheidet sich damit tief greifend von den Ansätzen des U.S.-amerikanischen NRSRO-Verfahrens234 und auch des Schweizer sowie Hongkonger Anerkennungsrechts und zeugt von einem großen Vertrauen in die Sicherung der Rating„qualität“235 durch aufsichtsrechtliche Vorgaben.236 Problematisch dürfte dies vor allem für neu gegründete und kleinere Rating-Agenturen sein, die den umfangreichen organisatorischen Vorgaben kaum gerecht werden können237 und sich daher einer weiteren Markteintrittshürde gegenübersehen.238 Bedenklich ist zudem, dass die Anwendung der Kriterien der EG-RatingVO es den Aufsichtsbehörden angesichts der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe in der Tat potentiell erlauben dürfte, mittels eines chilling effect auf den Inhalt von Bonitätseinstufungen einzuwirken.239 Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Institutionsschutzes der Rating-Agenturen erscheint dies nur dann hinnehmbar, wenn sich die Agentur den betreffenden Regelungen freiwillig unterworfen hat, um die Verwendbarkeit ihrer Ratings zu regulatorischen Zwecken zu eröffnen – hält man die Vorgaben der EG-RatingVO hingegen mit der hier vertretenen Ansicht für ein Zulassungserfordernis,240 so wird dessen Beurteilung anders ausfallen müssen. Das seit 2011 neu gestaltete Hongkonger Aufsichtsrecht für Rating-Agenturen hat manche der genannten Regelungsinhalte der EG-RatingVO in der Sache übernommen, bleibt dabei jedoch im Grundsatz wie im Detail hinter seinem europäischen Vorbild zurück: Im Grundsatz deshalb, weil die nachgebildeten Regeln lediglich in den „Code of Conduct 232 Diese Aussage hatte sich zunächst nur in Erwägungsgrund 23 zur EG-RatingVO gefunden, wurde mit der (ersten) ÄnderungsVO Nr. 513/2011 zur EG-RatingVO aber dann als eigenständige Norm im verfügenden Teil der Verordnung verankert. 233 Vgl. Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1, 9: „The [EG-RatingVO-] proposal interferes with the agencies’ business model, also providing standards for their methodology“; Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 215 f. Dies gilt umso mehr, als die Befugnis zur Änderung (und damit auch Verschärfung) der Anforderungen in Art. 37 EG-RatingVO der Europäischen Kommission übertragen wurde. 234 St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399, 448: „many of the requirements in the EU CRA Regulation would not be deemed legal in the United States.“ 235 Erwägungsgrund 11 zur EG-RatingVO. 236 Die Beurteilung der Kriterien der EG-RatingVO fällt im Schrifttum gemischt aus: Eher skeptisch etwa Möschel, ZRP 2009, 129, 132; Urlesberger, wbl 2009, 279, 280; positiver Deipenbrock, WM 2009, 1165, 1173. 237 Art. 6 Abs. 3 EG-RatingVO sieht deshalb die Möglichkeit begrenzter Ausnahmen vor. 238 Kritisch daher Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1, 9. 239 Vgl. Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 215 f.; St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399, 434; in diesem Sinne (nicht spezifisch zur EG-RatingVO) auch Cantor, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 27, 29: „More problematic still, the environment could be viewed as penalising independent rating opinions because rating agencies can reasonably expect that their rating processes will draw additional regulatory scrutiny if they issue politically controversial rating opinions.“ 240 Siehe § 22 II 2 a).
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
for Persons Providing Credit Rating Services“ aufgenommen wurden, dem erklärtermaßen keinerlei rechtliche Bindungswirkung zukommt,241 und im Detail, weil dieser Verhaltenskodex sich inhaltlich überwiegend auf die Umschreibung allgemeiner Prinzipien beschränkt.242 Diese Unterschiede rechtfertigen es, das Hongkonger Recht ungeachtet seiner beabsichtigten Ausgestaltung als „mindestens so streng“ wie die EG-RatingVO243 auch weiterhin der oben behandelten244 zurückhaltenderen Regelungsphilosophie zuzuordnen, die vorrangig auf die Vorgabe allgemeiner Grundsätze für die Ratingmethode setzt.
b) Die Erstellung beauftragter oder unbeauftragter Ratings als Kriterium Eine vor allem in Deutschland höchst umstrittene Frage war, wie bei der Gestaltung der Anerkennungsvoraussetzungen mit unbeauftragten Ratingerstellungen umgegangen werden sollte. Hier hatten sich manche Stimmen energisch gegen eine Anerkennung unbeauftragter Ratings ausgesprochen,245 weil man diesen aufgrund des fehlenden Zugangs zu unternehmensinternen Informationen eine geringere Qualität zusprach;246 daneben befürchtete man aber wohl auch die „offizielle Anerkennung“ der kritisierten Praxis der unbeauftragten Ratingerstellung. Nach geltendem Recht ist es in allen hier untersuchten Rechtsordnungen für die Anerkennung der Rating-Agentur bedeutungslos, ob diese nur beauftragte oder (auch) unbeauftragte Ratings erstellt.247 Man trägt den sachlichen Unterschieden zwischen beauftragten und unbeauftragten Bonitätsbeurteilungen allerdings dadurch Rechnung, dass man die Verwendung unbeauftragter, von einer anerkannten Rating-Agentur erstellter Ratings von einer zusätzlichen behördlichen Genehmigung abhängig macht248 und/oder den Widerruf dieser Genehmi241 CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 2: „… does not have the force of law and does not replace any legislative provisions …“. Siehe noch näher § 24 I. 242 Der CRA Code of Conduct Hong Kong enthält insbesondere kein Gegenstück zu Anhang I der EG-RatingVO, in dem einzelne Organisations- und Verhaltensvorgaben spezifiziert sind. 243 Siehe dazu bereits § 22 II 5. 244 Siehe oben unter aa). 245 So namentlich Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 7 f. 246 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 7 f. 247 Zum EU-Recht Art. 10 Abs. 4, 5 EG-RatingVO (wo die Veröffentlichung unbeauftragter Ratings lediglich zusätzlichen Informationspflichten unterworfen wird) und früher Art. 83 Abs. 2 EG-Bankenrichtlinie; zum früheren deutschen Recht § 46 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und § 237 Abs. 2 Nr. 1 SolvV a.F.; zum schweizerischen Recht EBK, Erläuterungen zum Rundschreiben Ratingagenturen (Juli 2006), S. 18; zum U.S.-amerikanischen Recht § 3(a)(61)(C), (62) Securities Exchange Act of 1934 (die Zulässigkeit der unbeauftragten Ratingerstellung ergibt sich hier mittelbar daraus, dass das Gesetz eine Vergütung von Emittenten- oder Investorenseite gleichermaßen zulässt); zum Hongkonger Recht HKMA, Policy Paper, Tz. 6.3.3. 248 Basel II-Akkord, Tz. 108 (in der durch „Basel III“ geänderten Fassung); Art. 83 Abs. 2 Satz 2 EG-Bankenrichtlinie, § 46 Satz 2, 3 SolvV a.F. In der deutschen Anerkennungspraxis wurde die Beurteilung der Verwendungsfähigkeit unbeauftragter Ratings hingegen – in gewisser Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben – als Bestandteil des Anerkennungsprozesses behandelt und die Anerkennung als solche entweder nur für beauftragte oder (wie bislang stets) für beauftragte
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gung249 oder gar der Anerkennung der Rating-Agentur insgesamt250 vorsieht, sofern die unbeauftragte Ratingerstellung als Druckmittel zur Erlangung zusätzlicher Ratingaufträge eingesetzt werden sollte.251 Im Ergebnis wird damit durchgehend zumindest die Möglichkeit einer Gleichbehandlung beauftragter und unbeauftragter Ratingerstellungen für Zwecke der Regulierungsfunktion eröffnet, obgleich der Ausgangspunkt der verschiedenen Rechtsordnungen zwischen der Vermutung der Gleichwertigkeit beider Ratingtypen (so die Schweiz, die U.S.A. und Hongkong) und der Gleichwertigkeit unbeauftragter Ratings als begründungsbedürftige Ausnahme (so die EU und Deutschland) divergiert. Dieser Offenheit der staatlichen Anerkennungsregime kommt eine entscheidende Bedeutung zu, weil nur durch sie eine Diskriminierung sowohl zahlreicher kleinerer Rating-Agenturen als auch des „investor pays“-Geschäftsmodells insgesamt vermieden wird, in dem viele eine förderungswürdige Alternative zum bislang vorherrschenden „issuer pays“-Modell erkennen.252 Die Anerkennung nicht beauftragter Ratings für regulatorische Zwecke ermöglicht damit zugleich den Einstieg neuer Agenturen253 und fördert den Wettbewerb am oligopolistischen Ratingmarkt – ein Desiderat, das bereits an anderer Stelle254 erörtert wurde. c) Die Marktakzeptanz der Rating-Agentur als Anerkennungsvoraussetzung Das Abstellen auf die Akzeptanz der jeweiligen Rating-Agentur am Markt ist der historisch älteste Ansatz, der in Regeln zur staatlichen Anerkennung von RatingAgenturen nachweisbar ist.255 Er bewirkt, dass die Anerkennung von RatingAgenturen in ihrer originären Marktinformation mit deren staatlicher Anerkennung für Zwecke ihrer derivativen Regulierungsfunktion übereinstimmt256 – nur die Ratings derjenigen Rating-Agenturen, die das Vertrauen der Marktteilnehmer genießen, können auch zur Erfüllung regulatorischer Vorgaben eingesetzt werden. Damit wird zugleich eine Beurteilung der Verlässlichkeit der Rating-Agenund249unbeauftragte Ratings der betreffenden Agentur ausgesprochen. Nach Emmenegger, SZW/ RSDA 2006, 32, 40 wird dadurch das am Vertragsrating orientierte Geschäftsmodell „als Normalfall deklariert“. 249 § 46 Satz 2, 3 SolvV a.F. 250 So das U.S.-amerikanische Recht in § 15E(d)(1), (i)(1) Securities Exchange Act of 1934 und die Hongkonger Anerkennungspraxis, vgl. HKMA, Policy Paper, Tz. 6.3.3. 251 Dazu Strunz-Happe, WM 2004, 115, 119; Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293, 308. 252 Siehe dazu noch § 25 I 2 b) bb) (2). 253 So ausdrücklich EBK, Erläuterungen zum Rundschreiben Ratingagenturen (Juli 2006), S. 18: „Um insbesondere den Einstieg neuer Agenturen in den Bereich der externen Ratingerstellung zu Aufsichtszwecken zu fördern, …“. 254 Siehe § 20 I 2. 255 Er fand sich schon in der ältesten ratingbasierten Anlagevorschrift des U.S.-amerikanischen Bankenrechts (Treasury Department, Comptroller of the Currency, Regulations Governing the Purchase of Investment Securities, and Further Defining the Term „Investment Securities“ as Used in Section 5136 of the Revised Statutes as Amended by the Banking Act of 1935 vom 15. Februar 1936, Sec. II) mit ihrer Bezugnahme auf „recognized rating manuals“; vgl. dazu bereits § 7 I 1 a). 256 Dies befürwortend Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 13.
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turen und der Qualität ihrer Ratings von Seiten der staatlichen Behörde überflüssig, weil diese sich dem Urteil des Marktes anschließt. Die Marktakzeptanz wurde als alleinige Anerkennungsvoraussetzung im bis 2006 praktizierten NRSRO-Anerkennungsverfahren der SEC (no-action letter)257 verwandt, war bis zur internationalen Umsetzung des Basel II-Akkords aber auch in den meisten anderen Rechtsordnungen das wichtigste Anerkennungskriterium.258 Sie findet sich zudem weiterhin in all denjenigen Blankettnormen des deutschen, schweizerischen, U.S.-amerikanischen und Hongkonger Rechts, die ohne nähere Details auf Ratings „anerkannter“ Rating-Agenturen verweisen: Entsprechende Vorschriften werden rechtsvergleichend nämlich ganz einheitlich so ausgelegt, dass mit dieser Bezeichnung die drei großen, am Markt anerkannten Agenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch gemeint sind. Der Hauptkritikpunkt am Kriterium der Marktakzeptanz war und ist, dass es angesichts des bestehenden Oligopols am globalen Ratingmarkt von neuen und kleineren Rating-Agenturen nur schwierig erfüllt werden kann, diese folglich auch in ihrer Regulierungsfunktion nicht anerkannt werden können und sich damit – so wird behauptet – einer kaum überwindbaren Markteintrittsschranke gegenüber sehen.259 Nach hier vertretener Ansicht ist hingegen sehr zweifelhaft, ob tatsächlich die fehlende Anerkennung in ihrer Regulierungsfunktion oder nicht vielmehr das Bestehen eines natürlichen Oligopols der Grund dafür ist, dass neue Rating-Agenturen kaum Marktanteile erlangen; im Text260 wurde dies bereits näher ausgeführt. Die geltenden Anerkennungsregime verwenden das Kriterium der Marktakzeptanz in Reaktion auf die beschriebene Kritik teilweise gar nicht mehr (so die EG-RatingVO261 und, jedenfalls dem Wortlaut nach, die U.S.-amerikanischen Bestimmungen zur NRSRO-Anerkennung), behalten es teilweise dagegen in formeller Hinsicht bei, senken die materiellen Anforderungen aber ab: So verlangte das bisherige deutsche Recht in Übereinstimmung mit der EGBankenrichtlinie,262 dass die Ratings der anzuerkennenden Rating-Agentur „am Markt als glaubwürdig und verlässlich angesehen und verbreitet“ sind, und nannte dabei den Marktanteil der Rating-Agentur als eines der zu berücksichtigenden Kriterien,263 und auch in der Schweiz und in Hongkong werden „Markt257
Oben II 3 a). Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 45; IOSCO, Report on the Activities of Credit Rating Agencies (Sept. 2003), S. 8. 259 Blaurock, ZGR 2007, 603, 620 u. 651; Gerke/Mager, BFuP 2005, 203; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 224; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 6. Dazu schon oben II 3 a) aa). 260 Oben II 3 a) bb) (2). 261 Dies begrüßend Lerch, BKR 2010, 402, 406. 262 EG-Bankenrichtlinie, Anhang VI, Teil 2, Tz. 8. Vgl. auch CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 76: „Competent authorities will also take account of market indications of the ECAI’s standing. For example, strong market acceptance and the existence of a long track record may be viewed as indications that the market has a favourable opinion of the ECAI’s methodology and credit assessments.“ 263 § 53 Satz 1 Nr. 7 lit. a SolvV a.F. 258
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durchdringung“ bzw. Marktanteil der Rating-Agentur im Rahmen der Anerkennung berücksichtigt, weil diese als Indiz für deren generelle Glaubwürdigkeit, Objektivität und Unabhängigkeit angesehen werden.264 Die Schweizer Regelungen sahen früher jedoch explizit vor, dass eine Rating-Agentur aufsichtsrechtlich ausnahmsweise bereits anerkannt werden darf, wenn sie und ihre Ratings im Markt noch nicht anerkannt sind,265 während im Übrigen die Anforderung an die Marktanerkennung entweder gering angesetzt oder bereits als erfüllt betrachtet werden, wenn die Marktakzeptanz durch einzelne institutionelle Investoren bestätigt wird. Letzteren Ansatz verwendet auch das U.S.-amerikanische Recht, das als formelle Anerkennungsvoraussetzung eine Erklärung von zehn Qualified Institutional Buyers verlangt, nach welcher diese die Ratings der betreffenden Rating-Agentur während der vergangenen drei Jahre im Rahmen ihrer Investitionsentscheidungen verwandt haben266 – in der Sache ist dies nichts anderes als ein (freilich geringer) Marktakzeptanznachweis. Im Ergebnis wurde die Koppelung der staatlichen Anerkennung an die Marktanerkennung somit zwar nicht überall aufgegeben, aber doch durchgehend gelockert. Dies erleichtert die Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion, bedeutet jedoch gleichzeitig, dass nicht jede staatlich anerkannte Agentur durch den Markt kontrolliert wird – letztere Aufgabe müssen die anerkennenden Behörden daher selbst leisten.267 Die behördliche Kontrolltätigkeit der SEC führte im Jahre 2012 zu einem Verwaltungsverfahren gegen die U.S.-amerikanische „investor pays“-Rating-Agentur Egan-Jones Ratings und deren Gründer, Präsidenten und hauptsächlichen Ratinganalysten Sean Egan,268 weil die Rating-Agentur bei Beantragung ihrer NRSRO-Anerkennung für die Marktsegmente Asset-Backed Securities und Staatsanleihen im Jahre 2008 vorsätzlich vorgetäuscht hatte, sie publiziere bereits seit 1995 Ratings auf diesen Marktsegmenten, obgleich sie tatsächlich in keiner Weise in diesen Bereichen tätig gewesen war.269 Egan-Jones Ratings hatte 264 EBK, Erläuterungen zum Rundschreiben Ratingagenturen (Juli 2006), S. 19; HKMA, Policy Paper, Tz. 6.6.1; kritisch Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 389. 265 FINMA, Rundschreiben 2008/26 Ratingagenturen, Rn. 9: In diesem Fall befriste die FINMA die Anerkennung, knüpfe sie an Bedingungen und mache Auflagen. (Im aktuellen FINMA-Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen findet sich diese ausdrückliche Aussage allerdings nicht mehr.). 266 § 15E(a)(1)(C) Securities Exchange Act of 1934. Nach SEC Release 34–55231 vom 2. Feb. 2007, 72 FR 6378, 6386 (9. Feb. 2007) ist damit gemeint, dass diese Investoren „seriously considered the credit ratings of [the credit rating agency] in the course of making investment decisions for at least the past three years“. 267 Die Erfahrungen mit nach der EG-RatingVO registrierten Rating-Agenturen an den „Mittelstandssegmenten“ der deutschen Börsen (dazu § 8 II 3 c) bb)) indizieren, dass eine behördliche Überwachung insofern weniger wirksam sein kann als die Kontrolle durch den Markt. 268 SEC Release 34–66854 „In the Matter of Egan-Jones Ratings Company and Sean Egan“ (Order Instituting Administrative and Cease-and-Desist Proceedings Pursuant to Sections 15E(d) and 21C of the Securities and Exchange Act of 1934) vom 24. April 2012. 269 SEC Release 34–68703 „In the Matter of Egan-Jones Ratings Company and Sean Egan“ (Order Making Findings and Imposing Remedial Sanctions and Cease-and-Desist Orders Pursuant to Sections 15E(d) and 21C of the Securities and Exchange Act of 1934) vom 22. Jan. 2013,
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zu diesem Zweck unzutreffende Erklärungen von Qualified Institutional Buyers vorgelegt und wiederholte seine vorsätzlichen Falschangaben auch in den Folgejahren 2009–2012.270 Das Verwaltungsverfahren wurde 2013 durch einen Vergleich beendet, in dem der RatingAgentur die NRSRO-Anerkennung für die betroffenen Marktsegmente entzogen und ihr Recht zu deren Neubeantragung für 18 Monate suspendiert wurde; zudem verpflichteten Egan-Jones Ratings und deren Präsident sich zur Zahlung einer Geldbuße.271 Das Beispiel des Verfahrens272 indiziert zum einen, dass die behördliche Kontrolle von Rating-Agenturen weniger effektiv sein kann als deren Überwachung durch den Markt, denn EganJones’ Fehlangaben blieben immerhin über vier Jahre hinweg unbemerkt. Darüber hinaus lassen die Ermittlungsergebnisse auch die nicht selten scharfen Äußerungen des Sean Egan zur Überlegenheit des von ihm propagierten Geschäftsmodells unter Governance-Gesichtspunkten,273 die im Schrifttum häufig als objektive Beurteilung der Sachfrage eingestuft und übernommen werden,274 in anderem Licht erscheinen.
2. Die Wirkungen einer staatlichen Anerkennung a) Rechtliche Relevanz der Anerkennung allein für Zwecke der Anlass gebenden regulatorischen Ratingverwendung Einigkeit besteht darüber, dass die erfolgte staatliche Anerkennung einer Rating-Agentur auf Grundlage einer der bestehenden Anerkennungsregelungen ausschließlich bedeutet, dass die Ratings der betreffenden Agentur für diejenigen regulatorischen Zwecke verwandt werden können, deren Sicherung das konkrete Anerkennungserfordernis dient.275 Je nach Ausgestaltung der Anerkennungsregelung kann sich eine Anerkennung daher auf die Anwendung nur einer einzelnen ratingbasierten Rechtsnorm (so etwa bei den „zersplitterten“ Anerkennungsregeln des Hongkonger Rechts) oder einer großen Anzahl von Rechtsnormen auf ganz unterschiedlichen Rechtsgebieten (so die Anerkennung als NRSRO) auswirken.276 Dagegen ist eine Anerkennung zu bestimmten regulatorischen Zwecken weder allgemeine Zertifizierung der Qualität und Verlässlichkeit einer Rating-Agentur noch die aufsichtsrechtliche Empfehlung, ihre
Tz.27020, 22: „In fact, at the time of its July 2008 Application and 2008 Annual Certification, EJR had never issued credit ratings on issuers of ABS or government securities on the internet or through another readily accessible means.“ 270 SEC Release 34–68703 vom 22. Jan. 2013, Tz. 15, 21, 30 f. 271 SEC Release 34–68703 vom 22. Jan. 2013, sub. IV; vgl. zum Verfahren auch SEC, 2013 Summary NRSRO Report, S. 7. 272 Vgl. Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 780: „The SEC’s most significant enforcement action …“. 273 Vgl. zur Diskussion um Vor- und Nachteile des „investor pays“- gegenüber dem „issuer pays“-Geschäftsmodell am Ratingmarkt noch § 25 I 2. 274 Vgl. etwa Darbellay, Regulating Ratings, S. 206 Fn. 1210: „In this regard, Egan-Jones stands out due to its policy that minimizes conflicts of interest“; Mulligan, 50 B.C. L. Rev. (2009), 1275, 1298. 275 FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 4; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 4. 276 Blaurock, ZGR 2007, 603, 622 f.
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Ratings auch in anderem Zusammenhang einzusetzen.277 Ebenso wenig handelt es sich um eine Voraussetzung dafür, dass Rating-Agenturen überhaupt Ratings veröffentlichen, also ihrer Marktinformationsfunktion nachkommen dürfen,278 wie in den CEBS-Anerkennungsleitlinien ausdrücklich betont wird.279 Darin unterscheidet sie sich von der Zulassung, die der präventiven Kontrolle von Regulierungs- und Marktinformationsfunktion der Rating-Agenturen dient und bislang nur in der EG-RatingVO und im Hongkonger Aufsichtsrecht vorgesehen ist.280 b) Ausstrahlungswirkungen der Anerkennung Damit ist freilich nicht ausgeschlossen, dass eine staatliche Anerkennungsentscheidung doch Folgen für die faktische Wahrnehmung der anerkannten RatingAgentur und ihrer Ratings zeitigt. So ist eine häufig geäußerte Befürchtung, dass Investoren eine Anerkennung für regulatorische Zwecke als staatliche Zertifizierung der Rating-Agentur missverstehen281 und deshalb ihren Ratings größere Beachtung schenken als den Ratings anderer Agenturen282 oder sich gar blind darauf verlassen283 – ein denkbarer „staatliches Gütesiegel“-Effekt, dessen empirischer Nachweis freilich noch aussteht.284 Die Gesetzgeber versuchen, einer solchen 277
So aus Sicht des schweizerischen Rechts Meier, ST 2009, 945, 947. Für Deutschland Deipenbrock, WM 2009, 1165, 1168; für die „Basel II“-Umsetzung innerhalb der EU Moloney, EC Securities Regulation, S. 716; für die USA: Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 4; rechtsvergleichend Blaurock, ZGR 2007, 603, 623. Unklar (zum U.S.-amerikanischen Recht) Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 1. 279 CEBS-Anerkennungsleitlinien, Executive Summary, Tz. 2: „ECAI recognition for capital purposes does not in any way constitute a form of regulation of ECAIs or a form of licensing of rating agencies to do business in Europe. Its sole purpose is to provide a basis for capital requirement calculations in the Standardised Approach and the Securitisation Ratings Based Approaches.“ 280 Siehe § 22 II 2 a) und 5 a). 281 EBK, Erläuterungen zum Rundschreiben Ratingagenturen (Juli 2006), S. 21: „Die erste Gefahr besteht darin, der Öffentlichkeit nicht ausreichend zu vermitteln, dass die Anerkennung einer Ratingagentur zu Aufsichtszwecken kein absolutes Gütesiegel darstellt“; ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 22; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1037 f.; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 358; vgl. auch Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1092: „Den von der BaFin und der Bundesbank anerkannten Ratingagenturen wird damit ein gewisses Qualitätssiegel und damit ein hoher Vertrauenswert ausgestellt.“ 282 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 38: „Issuers prefer to obtain, and investors prefer to use, the opinions of CRAs that public authorities also use.“ So auch Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 17: „… da hiermit Ratingagenturen quasi ein Qualitätssiegel und somit ein hoher Vertrauenswert von Seiten des Gesetzgebers zugesprochen wurde“; Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 219. 283 Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1946; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 403. 284 Es erscheint ebenso denkbar, dass ein übermäßiges Sich-verlassen auf Ratings – sofern man es nicht, wie hier vertreten, auf die verständliche Codierung der Bonitätsinformation zurückführen will (§ 5 IV) – auf der Akzeptanz der Rating-Agentur am Markt und weniger auf ihrer Anerkennung durch staatliche Behörden beruht, zumal letzterer Umstand vielen Marktteilnehmern kaum bekannt sein dürfte. In diese Richtung etwa Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1054: „The seal of approval benefit may always have been illusory.“ 278
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Ausstrahlungswirkung durch ein an die Rating-Agenturen gerichtetes Verbot zu begegnen, ihre Anerkennung direkt oder implizit als staatliche Empfehlung oder Qualitätsaussage darzustellen285 oder die behördliche Billigung oder Genehmigung ihrer Ratings zu suggerieren.286 Unsicher ist, ob der staatlichen Anerkennung einer Rating-Agentur für Zwecke einer bestimmten Regulierungsfunktion über diese hinaus auch in anderen Zusammenhängen rechtliche Bedeutung zukommen kann. Diskutiert wird etwa, ob Geschäftsleiter von Banken und anderen Unternehmen bei Investitionen schon deshalb auf Ratings vertrauen durften, weil die betreffenden Rating-Agenturen durch die BaFin oder die SEC anerkannt waren,287 oder ob Rating-Agenturen deshalb von Emittenten oder Investoren auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden können, weil sie bei der Ratingerstellung gegen aufsichtsrechtliche Anerkennungsvoraussetzungen oder -folgepflichten288 verstoßen haben.289 Sicher ist, dass ein entsprechendes Vertrauendürfen oder eine private Haftung nicht auf die hier erörterten Anerkennungsregelungen selbst gestützt werden kann, aus denen sich eine diesbezügliche Rechtsfolge nicht ableiten lässt;290 diese kann ihren Grund daher allenfalls in einer anderen Rechtsgrundlage finden, die einer staatlichen Anerkennung entweder rechtliche Bedeutung zumisst oder es ermöglicht, das Anerkanntsein bei ihrer Anwendung als tatsächlichen Umstand zu berücksichtigen. Die Haltung, die die einzelnen Anerkennungsregime gegenüber privaten Haftungsanordnungen einnehmen, die ganz oder teilweise mit einem Verstoß gegen Anerkennungsregeln begründet werden, ist dabei uneinheitlich: Während das deutsche, Schweizer und Hongkonger Anerkennungsrecht insoweit keine Aussage treffen, stellt das U.S.-amerikanische Recht gesetzlich klar, dass weder NRSRO-Anerkennungsverfahren oder -vorgang noch durch eine NRSRO zu Anerkennungszwecken abgegebene Erklärung als Grundlage privater Ansprüche dienen können.291 In den U.S.A. wird damit im Ratingkontext eine strikte Trennung von öffentlichem Aufsichtsrecht und privatem Haftungsrecht festgeschrieben. Die EG-RatingVO ordnet demgegenüber seit 2013 selbst privatrechtliche Haftungsfolgen an, sofern eine Rating-Agentur gegen bestimmte aufsichts-
285 So das U.S.-amerikanische Recht in § 15E(f)(1) Securities Exchange Act of 1934; ebenso aus Sicht der schweizerischen FINMA Meier, ST 2009, 945, 946. 286 So Art. 10 Abs. 6 EG-RatingVO. 287 Dafür im Rahmen der Geschäftsleiterhaftung Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 592; Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089, 1092; Florstedt, AG 2010, 315, 318. Dazu bereits § 14 I 2 b) bb). 288 Dazu sogleich unter 3. 289 Dafür möglicherweise Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 70 (zu den nationalen Anerkennungsvoraussetzungen nach „Basel II“); a.A. Blaurock, ZGR 2007, 603, 623. 290 Vgl. zum U.S.-amerikanischen Credit Rating Agency Reform Act of 2006 von Schweinitz, WM 2008, 953, 954: weder Anspruchsgrundlage für Ratingauftraggeber noch für etwaige Dritte; zu den „Basel II“-inspirierten Regeln ebenso Blaurock, ZGR 2007, 603, 623. 291 § 15E(m)(2) Securities Exchange Act of 1934.
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rechtliche Pflichten verstoßen hat,292 und schließt daneben auch eine zivilrechtliche Haftung nach nationalem Recht nicht aus293 – das europäische Recht setzt also explizit auf ein private enforcement seiner Zulassungsfolgepflichten.
3. Die Regulierung der Rating-Agenturen durch aufsichtsrechtliche Anerkennungsfolgepflichten und das Paradoxon zusätzlicher Transparenz Mit einer einmal ausgesprochenen staatlichen Anerkennung ist das aufsichtsrechtliche Pflichtenprogramm der Rating-Agentur nicht abgearbeitet; es setzt sich vielmehr in Gestalt von Anerkennungsfolgepflichten fort.294 Diese zerfallen in zwei Gruppen: Zum einen verlangen alle hier erörterten Anerkennungsregime, dass die von ihnen statuierten Anerkennungsvoraussetzungen dauerhaft erfüllt werden, indem sie dies entweder ausdrücklich festschreiben295 oder aber vorsehen, dass andernfalls ein Entzug der Anerkennung erfolgt.296 Zum anderen werden im U.S.-amerikanischen Recht und in der EG-RatingVO zusätzliche Anerkennungsfolgepflichten aufgestellt, die vor allem eine Ausweitung der Transparenz bezwecken und im Folgenden noch kritisch zu hinterfragen sind.297 Gemeinsam formen sie ein Pflichtenprogramm, dem anerkannte Rating-Agenturen laufend zu genügen haben und dessen Einhaltung durch die Aufsichtsbehörden überwacht wird. Obwohl originär allein der Sicherung ihrer Regulierungsfunktion dienend, stellt es damit in der Sache den Kernbestand der geltenden Organisations- und Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen dar:298 Eine Beachtung von Anerkennungsfolgepflichten nur bei der Erstellung solcher Ratings, die zur Erfüllung ratingbasierter Rechtsvorschriften (also in ihrer Regulierungsfunktion) eingesetzt werden sollen, ist nämlich faktisch kaum möglich, weil organisatorische Vorgaben ohnehin nur für die gesamte Organisation des Ratinggeschäfts umgesetzt und auch Verhaltenspflichten in der Praxis nur einheitlich befolgt werden können.299 Sie steuern die Tätigkeit der Rating-Agenturen daher im Ergebnis nicht nur in deren Regulierungs-, sondern auch in deren Marktinformationsfunktion.
292 Siehe zur diesbezüglichen Haftungsnorm in Art. 35a EG-RatingVO noch § 27 IV (zur Haftung gegenüber Emittenten) sowie § 30 VII (zur Haftung gegenüber Anlegern). 293 So Erwägungsgrund 69 zur EG-RatingVO sowie Erwägungsgrund 33 zur (zweiten) ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 294 Zum U.S.-amerikanischen Recht Deipenbrock, WM 2007, 2217, 2222; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 68. 295 Art. 14 Abs. 3 Unterabs. 1 EG-RatingVO. 296 So im Schweizer Recht Art. 6 Abs. 3 ERV; im U.S.-amerikanischen Recht § 15E(d) Securities Exchange Act of 1934; im Hongkonger Recht § 116 Abs. 6 Securities and Futures Ordinance. 297 Sogleich unter b). 298 Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 21: „indirect form of merit regulation“; von Schweinitz, WM 2008, 953. 299 So auch Blaurock, ZGR 2007, 603, 623.
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a) Keine inhaltliche Regulierung und Überwachung der Ratingtätigkeit durch staatliche Stellen Die Überwachung der Rating-Agenturen durch die Aufsichtsbehörden reicht dabei freilich von vornherein nicht weiter als das Pflichtenprogramm, das den Agenturen aufsichtsrechtlich vorgegeben wird,300 und bezieht sich daher insbesondere nicht auf die Ratingerstellung selbst.301 Trotz der ganz unterschiedlichen Regelungsdichte im Bereich der Anerkennungsvoraussetzungen besteht insoweit (jedenfalls formell) Übereinstimmung zwischen dem U.S.-amerikanischen Recht302 und der EG-RatingVO,303 wenngleich die europäischen Regelungen hier faktisch deutlich größere Einflussnahmemöglichkeiten eröffnen dürften.304 Die Beaufsichtigung der Rating-Agenturen bleibt damit bewusst hinter der staatlichen Aufsicht über Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen zurück,305 um so die Rolle der Rating-Agenturen als auch vom Staat unabhängige Informationsintermediäre nicht übermäßig zu beeinträchtigen. Eine inhaltliche Überwachung der Ratingtätigkeit findet aber auch in der Schweiz nicht statt, wo man insbesondere das Fehlen einer ständigen Überwachung oder periodischen Kontrolle der anerkannten Rating-Agenturen betont,306 die bei anderen regulierten Finanzmarktteilnehmern dagegen in Art. 3 FINMAG vorgesehen und üblich ist.307 Die CEBS-Anerkennungsleitlinien gaben dieselbe zurückhaltende Position vor.308 b) Die Ausweitung der „Transparenz“ als Kern der Ratingregulierung Die beschriebene Zurückhaltung versuchen sowohl das U.S.-amerikanische Recht als auch die EG-RatingVO teilweise dadurch zu kompensieren, dass sie als weiteren Bestandteil der Anerkennungsfolgepflichten umfangreiche Transparenzpflichten309 vorsehen.310 In der Sache verpflichten diese Transparenzvorga300 § 15E(c)(2) Securities Exchange Act of 1934 betont insoweit, dass auch untergesetzliche Durchführungsregelungen der SEC stets „narrowly tailored“ sein sollen. 301 Dies begrüßend Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 87 f. Dagegen de lege ferenda eine inhaltliche Überprüfung von Ratings durch die SEC vorschlagend Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 613. 302 Das ausdrückliche Verbot in § 15E(c)(2) Securities Exchange Act of 1934, die „Substanz“ von Ratings, das Ratingverfahren oder die -methoden zu regeln (siehe den Normwortlaut im Text unter III 1 a) bb)), macht dies ganz deutlich; vgl. Blaurock, ZGR 2007, 603, 617; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 52. 303 Art. 23 EG-RatingVO. 304 Siehe dazu bereits oben im Text unter III 1 a) cc); wie hier Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1, 9; Voorhees, 44 Case W. Res. J. Int’l L. (2012), 875, 887. 305 Aus rechtspolitischer Sicht zustimmend Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 194. 306 FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 8; Haltiner, ST 2007, 802, 804; Meier, ST 2009, 945, 947; Nobel, ZBB 2008, 129, 132. 307 Haltiner, ST 2007, 802, 804. 308 CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 63 ff. 309 Zur begrifflichen Unterscheidung von Transparenz und Publizität Merkt, Unternehmenspublizität, S. 11 ff. 310 Positiv zu diesem Regelungsansatz Deipenbrock, WM 2009, 1165, 1172; Haar, JZ 2008, 964, 970.
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ben, deren Inhalt an anderer Stelle311 noch im Einzelnen zu behandeln sein wird, die Rating-Agenturen zur Offenlegung im Einzelnen unterschiedlicher Informationen gegenüber den Aufsichtsbehörden, gegenüber konkurrierenden RatingAgenturen und – vor allem – gegenüber der Öffentlichkeit. Die Transparenzpflichten der letztgenannten Gruppe, die eine Information des Marktes und auf diesem agierender Marktteilnehmer bezwecken und daher dogmatisch der Marktpublizität312 zuzuordnen sind, haben in jüngster Zeit eine starke Ausweitung erfahren, mittels derer vor allem die „Transparenz“ beim Rating strukturierter Finanzprodukte verbessert werden soll; sie werden mittlerweile durch Transparenzpflichten auch anderer Beteiligter (Emittenten, Originatoren und Sponsoren313) ergänzt. Diese Entwicklung bedarf deshalb der kritischen Hinterfragung, weil sie das Gebot des adressatengerechten Einsatzes von Publizitätspflichten314 in besonders deutlicher Weise missachtet. aa) Ermöglichung der Ratingkontrolle durch den Markt als Zweck der Transparenzpflichten Die Aufsichtsrechte aller hier untersuchten Rechtsordnungen sehen vor, dass die Grundsätze der von der jeweiligen Rating-Agentur angewandten Ratingmethode(n) auch nach erfolgter Anerkennung dauerhaft öffentlich zugänglich sein müssen.315 Durch die so bewirkte Methodentransparenz soll erreicht werden, dass die potenziellen Nutzer der Ratings sich ein eigenes Urteil über dessen Angemessenheit bilden können,316 was durch eine einfach verständliche Darstellung der Methodengrundsätze erleichtert werden soll.317 Nachdem aus Anlass der globalen Finanzkrise vielfach vorgetragen wurde, dass gerade zu den Beurteilungsprinzipien für komplexe Finanzinstrumente keine hinreichenden Informationen veröffentlicht worden seien und die Rating-Agenturen damit zum Entstehen der Krise beigetragen hätten,318 wurden im Jahre 2009 weitere Anerkennungsfolge311
Siehe § 25 III. Dazu Merkt, Unternehmenspublizität, S. 332 ff. 313 So nach Art. 8b EG-RatingVO (eingefügt durch ÄnderungsVO Nr. 462/2013). 314 Siehe § 18. 315 Im EU-Recht Art. 8 Abs. 1 EG-RatingVO; im schweizerischen Recht § 6 Abs. 1 lit. d ERV mit FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 40; zur Hongkonger Anerkennungspraxis HKMA, Policy Paper, Tz. 6.3.4, 6.4.1; CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 50. Ebenso früher EG-Bankenrichtlinie, Anhang VI, Teil 2, Tz. 7 und im deutschen Recht § 53 Satz 1 Nr. 6 SolvV a.F. 316 HKMA, Policy Paper, Tz. 6.4.1; CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 50; früher EG-Bankenrichtlinie, Anhang VI, Teil 2, Tz. 7 und § 53 Satz 1 Nr. 6 SolvV a.F.; Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 483; Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1084 f.; Curzon/Kaswell/Rosenblat, 124 Banking L.J. (2007), 438, 439; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 392. 317 Vgl. CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 109; CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 50. 318 In diesem Sinne ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 12; Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 35 f.; SEC, Summary Report (July 2008), S. 13; Deipenbrock, WM 2009, 1165. 312
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pflichten in das europäische und das U.S.-amerikanische Recht aufgenommen, um die Transparenz gerade bezüglich des Ratings von strukturierten Finanzinstrumenten zu sichern. Die geforderten Angaben319 sind hier nicht im Einzelnen zu berichten, sind sie doch ebenso umfangreich wie technisch. Es soll daher genügen, beispielhaft und verkürzt auf Vorgaben der EG-RatingVO zu verweisen: Nach dieser muss die Rating-Agentur alle Ratinginformationen über Verluste sowie eine von ihr durchgeführte Cashflow-Analyse oder eine Cashflow-Analyse, auf die sie sich stützt, sowie Angaben zu einer erwarteten Änderung des Ratings offen legen,320 muss angeben, welches Niveau an Bewertung sie bei der vertieften Prüfung der Unterlagen im Hinblick auf die Basisfinanzinstrumente oder sonstigen Werte der strukturierten Finanzinstrumente zugrunde gelegt und ob sie die Bewertung der vertieften Prüfung der Unterlagen selbst durchgeführt oder sich auf die Bewertung eines Dritten verlassen hat321 und hat der Bekanntgabe angewandter Methoden, Modelle322 und grundlegender Annahmen Erläuterungen beizufügen, die die bei solchen Ratings verwendeten Annahmen, Parameter, Limits und Unsicherheiten im Zusammenhang mit ihren Modellen und Ratingmethoden darlegen, einschließlich Simulationen von Stresstests, die von der Agentur bei der Erstellung von Ratings durchgeführt werden, wobei diese Erläuterungen „eindeutig und leicht verständlich“ sein müssen.323 Zusätzlich hat die Rating-Agentur regelmäßig Informationen über Unternehmen und Schuldinstrumente offen zu legen, die ihr für eine Erstkontrolle oder Vorabbewertung vorgelegt wurden. Diese Offenlegung muss unabhängig davon erfolgen, ob die Emittenten die betreffende Rating-Agentur auch mit dem endgültigen Rating beauftragen.324
Auch diese Transparenzpflichten mit ihren höchst komplexen Offenlegungsgegenständen bezwecken wiederum, den Investoren die eigene Überprüfung von Ratings zu ermöglichen,325 und dienen insoweit in dogmatischer Hinsicht der 319 Im U.S.-amerikanischen Recht Rule 17g–1(i) i.V.m. Form NRSRO sowie Rule 17g–2(a)(8), (d)(2) unter dem Securities Exchange Act; zum europäischen Recht sogleich im Text. Die Hongkonger Aufsichtspraxis, die sich ansonsten eng am Modell der EG-RatingVO orientiert, beschränkt sich hier auf eine deutlich weicher formulierte bloße Bemühensvorgabe; vgl. CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 35: „CRAs should encourage issuers and originators of structured finance products to publicly disclose all relevant information regarding these products so that investors and other CRAs can conduct their own analyses …“. 320 Anh. I Abschn. D II Abs. 1 EG-RatingVO. 321 Anh. I Abschn. D II Abs. 2 EG-RatingVO. 322 Ob damit auch die Offenlegung der konkreten Bewertungsformel verlangt wird, ist umstritten; dagegen Bauer, BB 2013, 363 (weil damit das Betriebsgeheimnis der modellverwendenden Rating-Agentur unterlaufen würde). 323 Anh. I Abschn. D I Abs. 2a EG-RatingVO. 324 Anh. I Abschn. D I Abs. 6 EG-RatingVO (diese Transparenzpflicht galt zunächst nur in Bezug auf strukturierte Finanzinstrumente, wurde sodann aber auf jeden Ratinggegenstand ausgedehnt). Weitere Offenlegungspflichten finden sich etwa in Art. 8b EG-RatingVO. 325 Art. 8b Abs. 1 EG-RatingVO: „… um umfassende und fundierte Stresstests in Bezug auf die Cashflows und Besicherungswerte, die hinter den zugrunde liegenden Forderungen stehen, durchführen zu können“; ebenso Erwägungsgrund 25 zur EG-RatingVO; SEC Release 34–61050 vom 23. Nov. 2009, 74 FR 63832, 63834 (4. Dez. 2009); Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 33; Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 480; Curzon/Kaswell/Rosenblat, 124 Banking L.J. (2007), 438, 439; Lamberth, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 251, 258; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 392.
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Kontrollfunktion der Publizität.326 Während die Kontrollfunktion als solche zu den etablierten Grundlagen des Informationsmodells zählt, darf aber nicht übersehen werden, dass die hier behandelten Transparenzpflichten systematisch als Bestandteil aufsichtsrechtlicher Anerkennungsfolgepflichten statuiert werden, die selbst der staatlichen Überwachung der anerkannten Rating-Agenturen in ihrer Regulierungsfunktion dienen und nicht der Information der Marktöffentlichkeit. Die Kontrolle von Ratings durch die Investoren verfolgt daher im vorliegenden Zusammenhang einen zweifachen Zweck, denn sie soll anscheinend nicht nur zum Schutz des Investors selbst, sondern zugleich zur Überwachung der Rating-Agentur im öffentlichen Interesse stattfinden. Auf diese Weise soll möglicherweise das Fehlen einer inhaltlichen Überwachung der Ratingtätigkeit durch staatliche Stellen ausgeglichen werden, die nach den geltenden Anerkennungsregelungen untersagt ist327 und im Übrigen laut einer aufsichtsbehördlichen Einlassung auch gar nicht erfolgen könnte, weil es den Aufsichtsbehörden hierzu an der notwendigen Kompetenz mangelt.328 Es bräuchte hierzu freilich eines Mechanismus, mittels dessen ein nachlassendes Vertrauen der Investoren in die Verlässlichkeit von Ratings überhaupt auf die Regulierungsfunktion der betreffenden Rating-Agentur durchschlagen könnte, weil Letztere eben auf einem staatlichen Anerkennungsakt beruht, der – anders als die Reputation der Agentur als Grundlage ihrer Marktakzeptanz – als solches unberührt bleibt, wenn die Überprüfung der Ratings von Seiten der Marktteilnehmer zunehmend Zweifel an der „Ratingqualität“ offenbaren sollte. An dieser Stelle wirkt sich die zunehmende Entkoppelung der Anerkennung für Regulierungszwecke von dem Kriterium der Marktakzeptanz329 aus, aufgrund derer die Überwachung der Rating-Agenturen durch den Markt für die Regulierungsfunktion der Agenturen kaum noch von Bedeutung ist: Die regulatorische Verwendbarkeit ihrer Ratings beruht auf dem Vertrauen der Aufsichtsbehörden, nicht dem Vertrauen des Marktes. Die künftige Beachtung der Marktakzeptanz durch die Aufsichtsbehörden ist daher die erste Voraussetzung dafür, dass die Ausweitung der Transparenzpflichten ihren Kontrollzweck überhaupt erfüllen kann. bb) Die Marktkontrolle komplexitätsreduzierender Informationsintermediäre mittels komplexitätserhöhender Transparenzpflichten als Paradoxon Vor allem erscheint aber zweifelhaft, ob die beschriebenen Transparenzpflichten so gestaltet sind, dass sie eine verbesserte Beurteilung der Ratingqualität durch die Investoren ermöglichen. Bereits die Ausgangsprämisse, nach der der Mangel 326
Vgl. zu dieser Merkt, Unternehmenspublizität, S. 340 f. Oben a). 328 So der bereits an anderer Stelle zitierte Ausspruch des damaligen Präsidenten der BaFin Jochen Sanio auf der Jahrespressekonferenz der BaFin am 28. Mai 2008 (zitiert nach Höfling, Gutachten F zum 68. DJT (2010), S. F 41): „Der Gedanke, wir sollten uns in Konkurrenz zu den Ratingagenturen ein eigenes Urteil über diese Risiken bilden, ist absurd. Wir hätten keine Chance, die Ratings der Agenturen zu hinterfragen oder gar zu widerlegen.“ 329 Oben III 1 c). 327
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an verfügbaren Informationen über angewandte Ratingmethoden der Grund dafür war, dass Ratings von Investorenseite nicht ausreichend „hinterfragt“ wurden, ist zumindest fraglich,330 weil die Rating-Agenturen ihre Ratingmethoden und -kriterien sowie historische Ratingentwicklungen schon in der Vergangenheit allgemein öffentlich zugänglich machten,331 und zwar einschließlich der mathematischen Ratingmodelle, die bei der Beurteilung komplexer Finanzinstrumente eine entscheidende Rolle spielen.332 Es handelte sich hierbei um freiwillige Publizität, die ohne diesbezügliche Rechtspflichten erfolgte.333 Dass von Investorenseite gleichwohl keine selbstständige Überprüfung und Kontrolle der erstellten Ratings stattfand, lässt sich tatsächlich hingegen auf denselben Grund zurückführen, auf dem die Bedeutung von Ratings als Marktinformation beruht: Die Ratings der Rating-Agenturen werden gerade deshalb durch Marktteilnehmer berücksichtigt, weil sie die unüberschaubare Menge verfügbarer Informationen mit Bonitätsrelevanz in einem einzigen, leicht verständlich codierten Ratingsymbol zusammenfassen;334 der entscheidende Grund für die Existenz von Ratings liegt also in der Komplexitätsreduktion. Bei Bonitätsbeurteilungen für strukturierte Finanzinstrumente gilt dies noch mehr als bei Ratings für traditionelle Anleihen, weil hier die Aufnahme und Verarbeitung relevanter Informationen für die Investoren ungleich aufwändiger und schwieriger ist.335 Die Schaffung zusätzlicher Transparenzpflichten in der Erwartung, Investoren in strukturierte Finanzinstrumente würden die offen gelegten, hoch komplexen Angaben zu Ratingmethoden und verarbeiteten Daten dazu benutzen, zu Kontrollzwecken eigene Bonitätsbeurteilungen durchzuführen, läuft demgegenüber auf eine Komplexitätserhöhung hinaus. Sie verkennt damit, dass reale Marktteilnehmer weder die notwendige Informationsverarbeitungskapazität (im Sinne der erforderlichen fachlichen Expertise)336 noch einen ökonomischen Anreiz besitzen, eine solche aufwändige und kostenträchtige eigene Überprüfung vorzuneh-
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Wie hier Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 139. IOSCO, Report on the Activities of Credit Rating Agencies (Sept. 2003), S. 10: „Nonetheless, the larger CRAs typically publish the methodologies they use when rating specific industries, industry sectors and regional subsectors. These CRAs also publish default studies that describe the correlation between rating categories and default rates over a given period“; ebenso Richter, WM 2008, 960, 964 mit der Bemerkung, dass die Rating-Agenturen ihre Beurteilungskriterien bislang in mehr als 200 000 umfassenden und ausführlichen Rechercheberichten sowie Presseerklärungen offen gelegt haben; Scholz, BFuP 2005, 259, 260. 332 Committee on the Global Financial System, Ratings in structured finance (July 2008), Tz. 4.2: „the models on which their ratings are based are available to investors, along with defaults and transition studies“; Morkötter/Westerfeld, ZKredW 2008, 393; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 403: „CRAs set out clearly what their rating methodologies and approaches are“. 333 Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 638. 334 Siehe § 5 IV. 335 Siehe § 10 I 2 b). 336 Vgl. in diesem Sinne GAO, Report 10–782 (Sept. 2010), S. 96: „users will likely experience challenges when seeking to construct ratings histories and develop comparable performance statistics.“ 331
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men.337 Die Offenlegung umfangreicher zusätzlicher Informationen, um damit die Kontrolle eines Informationsintermediärs zu ermöglichen, derer sich die Marktöffentlichkeit gerade deshalb bedient, um keine umfangreichen Informationen auswerten zu müssen, stellt deshalb ein Paradoxon dar. Sie dürfte zur Kontrolle der Tätigkeit anerkannter Rating-Agentur schon aus diesem Grunde nichts beitragen können.338
4. Global tätige Rating-Agenturen als Adressaten nationaler und regionaler Anerkennungsregelungen Schließlich wirkt sich bei der Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion die ausgeprägte Internationalität des Ratings aus, welche die Regulierung des Ratingwesens generell erschwert: Während die jeweiligen Anerkennungsregelungen durch nationale oder (im Falle der EG-RatingVO) regionale Regelsetzer geschaffen werden, sind Ratings als Informationen international verständlich und zudem die wichtigsten anerkannten RatingAgenturen weltweit tätig.339 Es bedarf aus diesem Grund der Bestimmung des internationalen Anwendungsbereichs der einzelnen Anerkennungsregime, für die sich rechtsvergleichend zwei unterschiedliche Ansätze identifizieren lassen: a) Koordination durch anerkannte Rating-Agentur und „race to the top“ Die in Umsetzung des Basel II-Akkords geschaffenen Anerkennungsregime sowie das U.S.-amerikanische NRSRO-Anerkennungsrecht machen ihre Anwendbarkeit von der Entscheidung der Rating-Agentur abhängig, die Verwendbarkeit ihrer Ratings für Zwecke ratingbasierter Rechtsvorschriften im Kompetenzbereich des jeweiligen Regelsetzers zu ermöglichen. Hat eine Rating-Agentur sich freiwillig entschieden, einen Antrag auf Anerkennung nach einem oder mehreren dieser nationalen Anerkennungsregime zu stellen,340 so unterwirft sie sich für den Fall ihrer Anerkennung damit den dort vorgesehenen Anerkennungsfolgepflichten. Im Ergebnis führt dies dazu, dass jede Rating-Agentur kumulativ die Anerkennungsvoraussetzungen und -folgepflichten aller Anerkennungsregime befol-
337
Ähnlich Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 225. Vgl. zu den U.S.-amerikanischen Transparenzpflichten auch Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 565: „the disclosure requirements will create a hodgepodge of information for market participants to digest“; Möllers, JZ 2009, 861, 869: Gefahr einer Informationsflut und eines vom durchschnittlichen Investor nicht zu verarbeitenden „information overkill“; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 355. Optimistischere Einschätzung bei Stemper, Rahmenbedingungen, S. 392 f. 339 Auf dieses Spannungsfeld hinweisend Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 309; ders., U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 25, der de lege ferenda auch die Möglichkeit einer Anerkennung als „globally recognized statistical rating organizsation“ („GRSRO“) diskutiert; auch Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 129. 340 Etwas anderes mag in gewissem Umfang im Hongkonger Aufsichtsrecht gelten, wo – im internationalen Vergleich ungewöhnlich – die Möglichkeit vorgesehen ist, eine Anerkennung auf Initiative der Aufsichtsbehörde hin auszusprechen; vgl. HKMA, Policy Paper, Tz. 25. 338
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gen muss, unter denen sie sich hat anerkennen lassen.341 Ihr aufsichtsrechtliches Pflichtenprogramm wird letztlich also durch eine Kombination der jeweils strengsten Pflichten bestimmt („race to the top“), weil sich die Beachtung einzelner Pflichten auch hier typischerweise nicht auf die Erstellung bestimmter Ratings beschränken, sondern nur für die gesamte Agentur einheitlich umsetzen lässt. Zur Vermeidung konfligierender Anerkennungsfolgepflichten wäre rechtspolitisch eine internationale Abstimmung der Regelsetzer (etwa durch Einrichtung von „Supervisory Colleges“342) wünschenswert,343 die freilich bislang nur unzureichend stattgefunden hat.344 Die Koordinationsaufgabe verbleibt damit letztlich in den Händen der einzelnen Rating-Agentur, die ggfs. auf die – freiwillige – Anerkennung in einem bestimmten Land verzichten kann, sofern sie den dort vorgesehenen Pflichten nicht gerecht werden kann oder will. b) Äquivalenzlösung der EG-RatingVO Eine Alternative bildet die Möglichkeit, den Aufsichtsbehörden eines Staates die Übernahme der bestehenden Anerkennung einer Rating-Agentur durch eine ausländische Aufsichtsbehörde zu gestatten, in der Sache also eine „Anerkennung der Anerkennung“. Eine solche Option ist bei den oben erörterten, optionalen Formen der Anerkennungsregelungen nicht zwingend notwendig,345 sondern lediglich sinnvoll. Sie ist in den bisherigen europäischen CEBS-Anerkennungsleitlinien sowie im deutschen und im schweizerischen Recht ausdrücklich vorgesehen (sog. „indirekte Anerkennung“).346
Erforderlich ist sie hingegen dann, wenn man – wie die EG-RatingVO – anstelle eines optionalen Anerkennungserfordernisses eine zwingende, aber territorial begrenzte Zulassungspflicht für Rating-Agenturen „mit Sitz in der Gemein-
341 Vgl. Securities and Futures Commission, Consultation Conclusions (29 Oct. 2010), Tz. 26; Moloney, EC Securities Regulation, S. 688; St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399, 418 f. 342 So jüngst der Vorschlag der IOSCO, Supervisory Colleges for Credit Rating Agencies – Final Report (July 2013). 343 Vgl. allgemein in diesem Sinne Becker, ZG 2009, 123, 129; St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399, 449; zur Schaffung eines „International Oversight and Accountability Boards“ Voorhees, 44 Case W. Res. J. Int’l L. (2012), 875, 887 f. Zur deutlich weiter reichenden Vereinheitlichung von Anerkennungsfolgepflichten mittels eines mehrseitigen Staatsvertrags Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 129: „Und schließlich kann man gänzlich vom Boden der Realität abheben …“. 344 Siehe zu den unterschiedlichen Regelungsansätzen zur Frage der Governance anerkannter Rating-Agenturen oben III 1 a). 345 Zutreffend Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 310; ders., U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 25. 346 CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 2, 28; ebenso § 52 Abs. 1 Satz 4 SolvV a.F. Voraussetzung war die „Gleichwertigkeit“ des ausländischen Anerkennungsverfahrens. FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 60 f. verlangt eine „grundsätzlich ausreichende Regulierung und staatliche Überwachung“ der Rating-Agentur im ausländischen Staat, die im Falle von Australien, den EU-Staaten, Japans und den U.S.A. pauschal angenommen wird.
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schaft“ statuiert347 und daher beantworten muss, wie mit den Ratings sonstiger, namentlich U.S.-amerikanischer Rating-Agenturen – die nach den gängigen Zahlen die große Mehrheit aller in der EU verwandten Ratings erstellen348 – für regulatorische Zwecke umgegangen werden soll. Nachdem anfänglich erwogen worden war, Rating-Agenturen aus Drittstaaten pauschal zur Gründung einer Tochtergesellschaft innerhalb der EU zu verpflichten und damit faktisch in den territorialen Geltungsbereich des EU-Rechts zu zwingen,349 sieht die EG-RatingVO nunmehr ein kompliziertes zweispuriges System zur Anerkennung in Drittländern abgegebener Ratings für regulatorische Zwecke vor: So können entsprechende Ratings einerseits durch in der EU zugelassene Rating-Agenturen übernommen werden, sofern die ratingerstellende Agentur in einem Drittland zugelassen oder registriert ist und dort einer Aufsicht unterliegt, die „mindestens so streng“ ist wie diejenige nach der EG-RatingVO.350 Alternativ können RatingAgenturen aus einem Drittland sich unter der Voraussetzung in der EU zertifizieren lassen, dass der im Drittland geltende Regelungs- und Kontrollrahmen den Vorgaben der EG-RatingVO „gleichwertig“ ist351 – in diesem Fall können ihre Ratings in der EU ohne zusätzliche „Übernahme“ für aufsichtsrechtliche Zwecke verwendet werden.352 Während die optionalen Anerkennungsregelungen also ganz vom freiwilligen Antrag her denken, ist die regulatorische Anerkennung der EG-RatingVO als Teil der dortigen zwingenden Zulassungsregelung konzipiert und daher vom Gesetz her gedacht. Sie verlangt folglich die Äquivalenz der ausländischen Anerkennungsregime, um die Nutzung von Ratings dort ansässiger Rating-Agenturen in der EU zuzulassen – ein Regelungsansatz, der ihr den Vorwurf des „regulatorischen Imperialismus“ eingebracht hat, weil sich damit jedes Anerkennungsregime der Welt am europäischen Maßstab messen lassen 347
Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO. Dass nach den bereits mehrfach genannten Statistiken 95% aller weltweiten Ratings auf die U.S.-amerikanischen Agenturen Standard & Poor’s und Moody’s sowie die U.S.-amerikanischbritische Agentur Fitch entfallen, ist dabei nicht mehr als ein Anhaltspunkt, weil alle drei RatingAgenturen Tochtergesellschaften innerhalb der EU unterhalten. Die Schwierigkeit besteht darin, dass veröffentlichte Ratings nicht erkennen lassen, ob sie durch die Mutter- oder eine der Tochtergesellschaften erstellt wurden, da alle Ratings global einheitlich unter derselben Marke publiziert werden – es existiert folglich keine Statistik, die Ratings dem Ort ihrer Erstellung zuordnet. 349 Dieser Ansatz klingt noch in Erwägungsgrund 55 zur EG-RatingVO an, wo es heißt: „Um das Vertrauen der Anleger und Verbraucher auf hohem Stand zu halten und die kontinuierliche Aufsicht über die in der Gemeinschaft abgegebenen Ratings zu ermöglichen, sollten Ratingagenturen mit Sitz außerhalb der Gemeinschaft zur Gründung einer Tochtergesellschaft in der Gemeinschaft verpflichtet werden, damit deren Tätigkeiten in der Gemeinschaft wirkungsvoll beaufsichtigt werden können und die wirksame Anwendung der Vorschriften für die Übernahme von Ratings gewährleistet ist.“ 350 Art. 4 Abs. 3 lit. b, f EG-RatingVO. Ein auf diese Weise übernommenes Rating wird so angesehen, als sei es von einer nach der EG-RatingVO zugelassenen (innergemeinschaftlichen) Rating-Agentur abgeben worden; Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 EG-RatingVO. 351 Art. 5 Abs. 1 lit. a, b, Abs. 6 EG-RatingVO. 352 Art. 5 Abs. 1 EG-RatingVO. 348
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
muss.353 Im Ergebnis wurde bislang (in chronologischer Reihenfolge) den Aufsichtsregimen Japans,354 der U.S.A.,355 Kanadas356 und Australiens357 sowie jüngst Argentiniens, Brasiliens, Mexikos, Hongkongs358 und Singapurs359 die Gleichwertigkeit bescheinigt, und zwar trotz der im Text beschriebenen Unterschiede (namentlich des U.S.-amerikanischen Rechts360) zur Regelungsdichte der EGRatingVO. Da eine „Äquivalenzlösung“ nach dem Muster der EG-RatingVO sich sachlich nur auf die Verwendung drittstaatlicher Ratings in ihrer Regulierungsfunktion bezieht, wirkt sich der dogmatisch durchgreifende Unterschied zwischen einem Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen (bezogen auf deren Marktinformations- und Regulierungsfunktion)361 und einem bloßen Anerkennungserfordernis (bezogen allein auf ihre Regulierungsfunktion) in diesem Zusammenhang nicht aus: Selbst wenn das anzuerkennende Regulierungsregime des Drittstaates „nur“ ein Anerkennungserfordernis vorsieht, unterwirft es Agenturen damit jedenfalls für regulatorische Zwecke bestimmten Regeln, und allein auf deren Äquivalenz kommt es an.
353 So jüngst St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399 ff. Das EU-Recht verwendet einen entsprechenden, auf die „Gleichwertigkeit“ der Regulierung in Drittstaaten abstellenden Regelungsansatz jedoch auch in anderen Zusammenhängen, wie etwa bei der Eigenmittelregulierung von Banken in Art. 114 Abs. 7 EU-CRR (siehe dazu schon § 6 IV 2). 354 Art. 1 des Beschlusses 2010/578/EU der Kommission vom 28. September 2010 zur Anerkennung der Gleichwertigkeit des Regelungs- und Kontrollrahmens Japans mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über Ratingagenturen, ABl. EU vom 29.9.2010, Nr. L 254/46. Vorausgegangen war CESR, Technical Advice to the European Commission on the Equivalence between the Japanese Regulatory and Supervisory Framework and the EU Regulatory Regime for Credit Rating Agencies vom 9. Juni 2010, Ref.: CESR/10–333. 355 Art. 1 des Durchführungsbeschlusses 2012/628/EU der Kommission vom 5. Oktober 2012 zur Anerkennung der Gleichwertigkeit des Regelungs- und Kontrollrahmens der Vereinigten Staaten von Amerika mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über Ratingagenturen, ABl. EU vom 9.10.2012, Nr. L 274/32. Vorausgegangen war CESR, Technical Advice to the European Commission on the Equivalence between the US Regulatory and Supervisory Framework and the EU Regulatory Regime for Credit Rating Agencies vom 21. Mai 2010, Ref.: CESR/10–332. 356 Art. 1 des Durchführungsbeschlusses 2012/630/EU der Kommission vom 5. Oktober 2012 zur Anerkennung der Gleichwertigkeit des Regelungs- und Kontrollrahmens Kanadas mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über Ratingagenturen, ABl. EU vom 12.10.2012, Nr. L 278/17. 357 Art. 1 des Durchführungsbeschlusses 2012/627/EU der Kommission vom 5. Oktober 2012 zur Anerkennung der Gleichwertigkeit des Regelungs- und Kontrollrahmens Australiens mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über Ratingagenturen, ABl. EU vom 9.10.2012, Nr. L 274/30. 358 Siehe dazu bereits in § 22 II 5. 359 Vgl. ESMA, Final report: Technical advice on CRA regulatory equivalence – on Argentina, Brazil, Mexico, Hong Kong and Singapore (30 May 2013), ESMA/2013/626. 360 Die Äquivalenz mit dem europäischen Recht sah die ESMA erst nach Inkrafttreten des Dodd–Frank Acts gegeben. 361 Siehe dazu umfassend § 22.
Dritter Abschnitt: Pflichten der Rating-Agenturen
§ 24 Begründung von Organisationsund Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen I. Einleitung Im letzten Kapitel konnte herausgearbeitet werden, dass die bestehenden Anerkennungsregelungen, die sich auf die regulatorische Verwendung von Ratings beziehen, durchgehend Anerkennungsfolgepflichten vorsehen, die durch anerkannte Rating-Agenturen dauerhaft erfüllt werden müssen.1 Diese Anerkennungsfolgepflichten richten sich dabei jedoch nur an die Rating-Agenturen in ihrer konkret betroffenen Regulierungsfunktion und müssen bei der Erstellung anderer, nicht für den jeweiligen rechtlichen Zweck verwandter Ratings folglich nicht beachtet werden, wenngleich eine entsprechende Unterscheidung in der Praxis (insbesondere bei organisatorischen Vorgaben) schwierig oder unmöglich sein mag. Ihre Relevanz für Ratings in ihrer originären Marktinformationsfunktion ist daher selbst bei anerkannten Rating-Agenturen allein faktischer Natur; sie fehlt bei nicht zu Regulierungszwecken anerkannten Rating-Agenturen völlig. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach solchen Organisations- und Verhaltenspflichten, die Rating-Agenturen in ihrer Marktinformationsfunktion treffen und daher unterschiedslos von ihnen zu befolgen sind. Entsprechende gesetzliche Spezialregelungen für Rating-Agenturen (im Sinne eines „Ratingwesengesetzes“2) existieren bislang in keiner der hier untersuchten Rechtsordnungen.3 Sie finden sich allerdings in der EG-RatingVO, die ihrem Wortlaut nach – wie bereits erörtert4 – jede in der EU ansässige Rating-Agentur einem Zulassungserfordernis unterwirft und Zulassungsfolgepflichten an dieses knüpft, die sich folglich an sämtliche Rating-Agenturen (auch) in ihrer Marktinformationsfunktion richten. Da das allgemeine Zulassungserfordernis des Art. 14 EG-RatingVO nach hier vertretener Ansicht jedoch teilweise mit höherrangigem europäischen Recht unvereinbar und daher insoweit unanwendbar ist,5 muss dasselbe auch für die Organisations- und Verhaltenspflichten der EG-RatingVO gelten, die von 1
Siehe § 23 III 3. So Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 23. 3 Kritisch daher Blaurock, ZGR 2007, 603, 624; Däubler, BB 2003, 429, 431; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 192; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 96; mit positiverer Bewertung Baums, ZHR 166 (2002), 375, 382; Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 214; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 437 f.; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 20. 4 Siehe § 22 II 1. 5 Siehe § 22 II 2 b). 2
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
den Rating-Agenturen somit richtigerweise nur im Rahmen ihrer Regulierungsfunktion gemäß Art. 4 EG-RatingVO beachtet werden müssen. In Hongkong ist die dort bestehende Zulassungspflicht für jegliche RatingAgentur dagegen wohl mit höherrangigem Recht vereinbar6 und trifft daher in rechtmäßiger Weise sämtliche Rating-Agenturen sowohl in ihrer Regulierungsals auch Marktinformationsfunktion. Dass es auch in Hongkong gleichwohl an spezialgesetzlichen Organisations- und Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen fehlt, hat seinen Grund in der Regelungsphilosophie des Hongkonger Finanzmarktaufsichtsrechts, das Marktteilnehmer (einschließlich Rating-Agenturen) primär mittels nicht bindender Verhaltenskodizes reguliert: Der von der Aufsichtsbehörde veröffentlichte7 „Code of Conduct for Persons Providing Credit Rating Services“8, dessen Inhalt weitgehend dem im Fortgang dieses Kapitels noch näher zu behandelnden IOSCO-Kodex9 nachgebildet ist,10 besitzt erklärtermaßen keine Rechtssatzqualität11 und kann daher formell nicht als „gesetzliche“ Regelung ratingbezogener Pflichten eingestuft werden. Da eine etwaige Nichtbefolgung des Code of Conduct von der Aufsichtsbehörde jedoch bei der Beurteilung der „fitness and properness“12 der beaufsichtigten Rating-Agentur berücksichtigt wird und daher (mittelbar) zum Entzug der Zulassung führen kann,13 kommt dem Verhaltenskodex im praktischen Ergebnis doch nahezu dieselbe Ordnungsmacht zu wie einem formellen Gesetz. Daneben können Pflichten der Rating-Agenturen noch aus anderen Rechtsgrundlagen erwachsen, nämlich zum einen aus gesetzlichen Vorgaben des Finanzmarktrechts, die – obgleich nicht spezifisch auf diese zugeschnitten – auch auf Rating-Agenturen Anwendung finden mögen,14 und zum anderen in Gestalt der Selbstregulierung der Rating-Agenturen auf Grundlage des IOSCOKodex.15
6
Siehe § 22 II 5 b). Die Kompetenzgrundlage ist § 169(1) Securities and Futures Ordinance (Cap. 571): „… the Commission may publish, in the Gazette and in any other manner it considers appropriate, codes of conduct for the purpose of giving guidance relating to the practices and standards with which intermediaries and their representatives are ordinarily expected to comply in carrying on the regulated activities for which the intermediaries are licensed or registered.“ 8 Securities and Futures Commission (Hong Kong), Code of Conduct for Persons Providing Credit Rating Services (June 2011). 9 Siehe unten IV 1 a). 10 CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz2; vgl. aber auch Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 26: „… to the extent possible within the Hong Kong context.“ 11 CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 2: „… does not have the force of law and does not replace any legislative provisions …“. 12 Verlangt als allgemeine Zulassungsvoraussetzung für jegliche zulassungspflichtige regulated activity durch § 116(3)(a) Securities and Futures Ordinance. 13 Securities and Futures Commission, Consultation Conclusions (29 Oct. 2010), Tz. 53. 14 Unter II, III. 15 Unter IV. 7
§ 24 Begründung von Organisations- und Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen
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II. Anwendbarkeit gesetzlicher Organisationsund Verhaltenspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Rating-Agenturen Als nahe liegender Ansatzpunkt drängen sich zunächst die EU-weit harmonisierten, umfangreichen Wohlverhaltensregeln und Organisationspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (investment firms16) auf,17 die im deutschen Recht in §§ 31 ff. WpHG normiert worden sind. Ihre Beachtung und staatliche Überwachung ist nach Auffassung des europäischen wie des deutschen Gesetzgebers von überragender Bedeutung für das Vertrauen der Anleger in das ordnungsgemäße Funktionieren der Wertpapiermärkte.18 Die §§ 31 ff. WpHG finden jedoch nach allgemeiner Ansicht auf Rating-Agenturen keine Anwendung, weil die Agenturen zwar typologisch als Kapitalmarktteilnehmer zu qualifizieren sein mögen, aber jedenfalls keine „Wertpapierdienstleistungsunternehmen“ im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 WpHG sind.19 Dies ergibt sich daraus, dass Rating-Agenturen – anders, als in § 2 Abs. 4 WpHG vorausgesetzt – keine „Wertpapierdienst- und Wertpapiernebendienstleistungen“ i.S. des § 2 Abs. 3, 3a WpHG erbringen.20 In dieser Hinsicht könnte allerdings zunächst erwogen werden, die Ratingtätigkeit als „Anlageberatung“21 einzuordnen. Diese Qualifikation scheidet jedoch aus, weil das Rating zum einen allein eine Bonitätsbeurteilung darstellt, ohne eine Aussage über die Investition in ein Finanzinstrument zu treffen,22 und § 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG zum anderen erkennbar allein individuell zugeschnittene Beratungsleistungen im Auge hat,23 16 So die Begriffsverwendung in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID (die deutsche Textfassung der Richtlinie spricht nicht von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, sondern „Wertpapierfirmen“). 17 Zur Vorgeschichte dieser Regeln auf EG-Ebene Schwark/Zimmer/Schwark, Vorb. vor § 31 WpHG Rn. 3 f. 18 So schon Erwägungsgründe 2, 37, 38 und 39 zur EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie 93/22/EG; ebenso BT-Drs. 12/7918, S. 87. Aus der Literatur Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.411. 19 Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 215; Blaurock, ZGR 2007, 603, 614; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850; dies., WM 2005, 261, 262; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 69; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 191; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 24; Niedostadek, Rating, Rn. 256; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 350; Rotter/Kremer, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 327, 338; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 200; Vetter, WM 2004, 1701, 1704; von Schweinitz, WM 2008, 953. Zum Anwendungsbereich der MiFID ebenso Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 191; Moloney, EC Securities Regulation, S. 715. 20 Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 350 (zu § 2 Abs. 3, 3a WpHG a.F.); a.A. Knops, BB 2008, 2535, 2539 Fn. 56 (ohne Begründung). 21 Wertpapierdienstleistung nach § 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG. 22 Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 96; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1349. 23 Göres, BKR 2007, 85, 89; Schwark/Zimmer/Kumpan, § 2 WpHG Rn. 95. Ebenso bereits zu § 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG a.F. – wo noch von der „Beratung bei der Anlage in Finanzinstrumenten“ die Rede war – Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 2 Rn. 74a; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, § 2 WpHG Rn. 94; Versteegen, in KK-WpHG, § 2 Rn. 164. Vgl. zu Art. 52 MiFID-Durchführungsrichtlinie 2006/73 ebenso EuGH, 30.5.2013, Rs. C-604/11 – Genil 48, ZIP 2013, 1417 Tz. 52.
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während sich ein Rating gleichförmig an die allgemeine Investorenöffentlichkeit richtet. In Frage kommen daneben verschiedene Alternativen aus dem Katalog der „Wertpapiernebendienstleistungen“, wie namentlich die Erstellung von Finanzanalysen oder anderen Informationen über Finanzinstrumente oder deren Emittenten, die direkt oder indirekt eine Empfehlungen für eine bestimmte Anlageentscheidung enthalten,24 die Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft stehen,25 weil Erstratings typischerweise im Zusammenhang mit einer anstehenden Emission erstellt werden, sowie schließlich die Beratung von Unternehmen über die Kapitalstruktur,26 wenn man an den Bereich des „Rating Advisory“ denkt. Die Erfassung der Dienstleistungen der Rating-Agenturen durch die genannten Tatbestände des § 2 Abs. 3a WpHG kann an dieser Stelle jedoch schon deshalb offen bleiben,27 weil die Erbringung von Wertpapiernebendienstleistungen überhaupt nur dann zur hier relevanten Eigenschaft als „Wertpapierdienstleistungsunternehmen“ führt, wenn daneben auch Wertpapierdienstleistungen i.S. des § 2 Abs. 3 WpHG erbracht werden28 – für Letzteres ist aber auf Seiten der Rating-Agenturen, wie oben ausgeführt, nichts ersichtlich. Rating-Agenturen sind folglich nicht an §§ 31 ff. WpHG gebunden.
III. Anwendbarkeit gesetzlicher Organisations- und Verhaltenspflichten für Finanzanalysten auf Rating-Agenturen Fragt man nach der bestehenden rechtlichen Regulierung anderer Informationsintermediäre, die sich aufgrund einer funktionellen Vergleichbarkeit der Regelungsadressaten direkt oder entsprechend auf Rating-Agenturen anwenden lassen, so dürfte die am nächsten liegende Gruppe der „Gatekeeper“ insoweit diejenige der Finanzanalysten sein.29 Eine rechtsvergleichende Umschau macht dabei sogleich deutlich, dass Finanzanalysten in vielen Rechtsordnungen vergleichsweise detaillierten Organisations- und Verhaltenspflichten unterworfen werden,30 deren Übertragbarkeit auf Rating-Agenturen sich daher zu einer viel erörterten Frage entwickelt hat.31 24 § 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG, dessen Anwendungsbereich mit demjenigen des § 34b WpHG übereinstimmt. 25 § 2 Abs. 3a Nr. 6 WpHG. Dafür Knops, BB 2008, 2535, 2539 Fn. 56. 26 § 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG. 27 Zur Erfassung der Rating-Agenturen durch § 34b WpHG (und damit auch § 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG) sogleich unter III 1. 28 BGH, 19.1.2006, BGHZ 166, 29, 32; Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 2 Rn. 85; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, § 2 WpHG Rn. 101; Versteegen, in KKWpHG, § 2 Rn. 170. 29 In diesem Sinne Baums, ZHR 166 (2002), 375, 381; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 69; Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423, 447; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 192. 30 Zu diesem Unterschied Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 192. 31 Im australischen Recht wird diese Frage seit 2008 bejaht; vgl. IOSCO, Regulatory Implementation of the Statement of Principles (Feb. 2011), S. 9.
§ 24 Begründung von Organisations- und Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen
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1. Deutsches und europäisches Recht: Umstrittene Nichtanwendbarkeit des § 34b WpHG und der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie auf Rating-Agenturen Das deutsche Finanzmarktrecht unterwirft die Erstellung und Veröffentlichung von Finanzanalysen in § 34b WpHG32 einem dichten Netz von Organisationsund Verhaltenspflichten,33 deren Anwendbarkeit auf Rating-Agenturen höchst umstritten ist. Ihre praktische Brisanz bezieht die Frage aus dem Umstand, dass einzelne dieser Pflichten – wie etwa das grundsätzliche Verbot, Entwürfe für Finanzanalysen vor deren Veröffentlichung dem Emittenten zugänglich zu machen34 – mit bei der Ratingerstellung allgemein üblichen Vorgehensweisen unvereinbar sind. Da die betreffenden Regelungen in ihrer aktuellen Fassung auf die EG-Marktmissbrauchsrichtlinie zurückgehen, gelten sie in ähnlicher Form auch in allen anderen Staaten der EU. a) Ratings als „indirekte“ Empfehlungen? § 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG beschränkt sich in seinem Anwendungsbereich dabei auf „Personen, die im Rahmen ihrer Berufs- oder Geschäftstätigkeit eine Information über Finanzinstrumente oder deren Emittenten erstellen, die direkt oder indirekt eine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung enthält und einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden soll (Finanzanalyse)“. Da Ratings zweifelsohne Informationen über Finanzinstrumente (Emissionsratings)35 oder Emittenten (Emittentenratings) darstellen und üblicherweise veröffentlicht, d.h. einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden, hängt ihre Qualifikation als „Finanzanalyse“ entscheidend davon ab, ob sie eine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung enthalten.36 Dagegen spricht zunächst, dass Ratings keine Anlageempfehlung ausdrücken37 und dies im Wortlaut der Ratingberichte sowie zahlreichen sonstigen Veröffentlichungen der Rating-Agenturen auch erschöpfend deutlich gemacht wird.38 Sie enthalten insbesondere keine kurze und konkrete Handlungsanweisung (Strong Buy, Buy, Accumulate, Hold, Reduce, Sell, Strong Sell), durch die sich direkte Empfehlungen39 32
Die Vorgaben des § 34b WpHG werden durch die FinAnV näher konkretisiert. Kämmerer/Veil, BKR 2005, 379; Veil, ZBB 2006, 162, 165. 34 § 5a Abs. 2 Nr. 4 FinAnV. 35 Erfasst werden auch Anleihen und andere Festzinsinstrumente; Moloney, EC Securities Regulation, S. 667 (zur EG-Marktmissbrauchsrichtlinie). 36 § 34b WpHG a.F. war in seiner bis zum 30.10.2004 geltenden Fassung dagegen noch auf Analysen beschränkt, die durch „Wertpapierdienstleistungsunternehmen“ durchgeführt wurden, und hatte Rating-Agenturen nach dem im Text unter II. Gesagten schon deshalb nicht erfasst; vgl. Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 97: „bisher weitgehend unstreitiges Ergebnis“. 37 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 386; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1955; Rotter/ Kremer, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 327, 338. 38 Vgl. bereits oben § 2 I 1 d). 39 § 1 Abs. 2 FinAnV. 33
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nach der Begriffskonkretisierung durch die BaFin auszeichnen.40 Nach überwiegender Ansicht im Schrifttum stellen Ratings schon deshalb keine „Finanzanalysen“ i.S. des § 34b WpHG dar.41 Die Gegenauffassung verweist hingegen darauf, dass § 34b Abs. 1 WpHG auch „indirekte“ Empfehlungen genügen lässt42 und meint, dass Ratings ein eben solcher indirekter Empfehlungscharakter innewohnt,43 weil ihnen – empirisch nachweisbar – ein faktischer Einfluss auf Anlageentscheidungen zukomme.44 Ob Letzteres genügt, um Ratings einen (wenngleich nur indirekten) Empfehlungscharakter zu verleihen, erscheint freilich zweifelhaft, weil deren beträchtlicher Einfluss auf Investitionsentscheidungen nicht auf dem Aussagegehalt der Ratinginformation selbst (an die § 34b WpHG anknüpft), sondern vielmehr auf deren Überbewertung (over reliance) beruht, die nach hier vertretener Ansicht vor allem auf die verständliche „Codierung“ dieser Marktinformation zurückzuführen ist.45 Da vor dem Hintergrund des Normwortlauts aber letztlich beide Interpretationen vertretbar erscheinen (und ja auch – wie am Streitstand erkennbar – vertreten werden), ist in einem weiteren Schritt nach etwaigen gemeinschaftsrechtlichen Einflüssen auf die Auslegung des § 34b WpHG zu fragen. b) Widersprüchlichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben Die geltende Fassung des § 34b WpHG dient der Umsetzung von Art. 6 Abs. 5 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie, der einen ähnlichen (wenngleich nicht identischen) Wortlaut aufweist. Problematisch ist, dass die Anwendbarkeit letzterer Vorschrift auf Rating-Agenturen nicht nur unklar, sondern sogar unter den Organen der (nunmehr) Europäischen Union selbst umstritten ist, sodass mit gutem Grund von einer „von europäischen Gremien gestiftete Verwirrung“46 gesprochen werden kann: So wird zum einen in der Durchführungsrichtlinie der EU-Kommission zur EG-Marktmissbrauchsrichtlinie ausdrücklich bestimmt, dass Ratings als bloße 40
Schreiben der BaFin vom 21.12.2007 zur Begriffsauslegung nach § 34b WpHG i.V.m. der FinAnV, Tz. 2 lit. b; zustimmend Sturm, ZBB 2010, 20, 21. 41 Berger/Stemper, WM 2010, 2289 Fn. 6; Blaurock, ZGR 2007, 603, 614; Deipenbrock, WM 2009, 1165, 1168; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 12; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 67; Koller, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 34b Rn. 6; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 204; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 98; wohl auch Möllers, in KK-WpHG, § 34b Rn. 104 („in der Regel“). 42 Bürgers, BKR 2004, 424, 430; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1955. 43 Bürgers, BKR 2004, 424, 430; Deipenbrock, BB 2005, 2085, 2088; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 109 Rn. 79; Hartmann, Rechtsstellung der Finanzanalysten, S. 182; Spindler, NJW 2004, 3449, 3453; Volk, ZBB 2005, 273, 279; wohl auch Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 24 Rn. 41. 44 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 386; Hartmann, Rechtsstellung der Finanzanalysten, S. 182; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1955; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 97. 45 Siehe § 5 IV. 46 Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 350.
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Kreditwürdigkeitsbeurteilungen „keine Empfehlungen im Sinne dieser Richtlinie“ darstellen, ergänzt um den an die Rating-Agenturen gerichteten Wunsch („sollten“),47 durch interne Politiken und Verfahren eine sachgerechte Darbietung ihrer Ratings sowie eine Offenlegung nennenswerter Interessenkonflikte sicherzustellen.48 Diese Festlegung hat die EU-Kommission später in einer Mitteilung bestätigt.49 Auch im europäischen Schrifttum werden Ratings folglich mehrheitlich nicht als „Empfehlungen“ i.S. der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie eingestuft.50 Auf der anderen Seite ließ die EU-Kommission in der bereits erwähnten Mitteilung verlautbaren, die Marktmissbrauchsrichtlinie liefere „den Rating-Agenturen einen umfassenden rechtlichen Rahmen“ und trage „gleichzeitig ihrer speziellen Funktion sowie den Unterschieden zwischen Ratings und Anlageempfehlungen Rechnung.“51 Möglicherweise im Anschluss daran stufte auch der CESR in seinem Technical Advice zur EG-Marktmissbrauchsrichtlinie, der im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens52 erging, Rating-Agenturen als erfasste Informationsintermediäre ein und stellte spezifische Maßgaben etwa zur Erläuterung von Ratingkategorien („e.g. Aaa etc.“) auf.53 Vereinzelte Stimmen im Schrifttum haben sich dieser Ansicht angeschlossen.54 Das beschriebene Vorliegen gegensätzlicher und jeweils veröffentlichter Auffassungen von EU-Kommission und CESR zu derselben Auslegungsfrage ist eine Quelle der Rechtsunsicherheit und hat daher zu Recht scharfe Kritik erfahren.55 Die Auflösung des Dilemmas muss (und kann in concreto auch) nach formellen Kriterien erfolgen und führt zu dem Befund, dass Rating-Agenturen – wie in Durchführungsrichtlinie 2003/125/EG der EU-Kommission festgelegt – nicht von den Regelungen der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie zu Finanzanalysen erfasst werden: Die betreffende Aussage in der Kommissionsrichtlinie, obgleich nur in ihren Erwägungsgründen und nicht im verfügenden Teil enthalten, besitzt nämlich als einzige rechtliche Bindungswirkung, die sowohl Mitteilungen der EU-Kommission als auch Einlassungen des vormaligen CESR auf Ebene 2 des Lamfalussy-Verfahrens hingegen fehlt.56 In der EG-RatingVO wird dieses Verständnis nunmehr bestätigt.57 Wenn damit also feststeht, dass die 47 In diesem Sinne auch ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 6: „no requirement“. 48 Erwägungsgrund 10 der Durchführungs-Richtlinie 2003/125/EG. 49 Europ. Kommission, Mitteilung über Rating-Agenturen v. 23.12.2005, S. 5. 50 Avgouleas, 18 Transnat’l Law. (2005), 179, 215; Deipenbrock, BB 2005, 2085, 2088; dies., WM 2009, 1165, 1168; Moloney, EC Securities Regulation, S. 715. 51 Europ. Kommission, Mitteilung über Rating-Agenturen v. 23.12.2005, S. 5. 52 Dazu Hupka, WM 2009, 1351, 1352 ff. 53 CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the Market Abuse Directive (CESR/ 02–089d), Ziff. 77, 88, wo ausdrücklich von „rating or recommendation“ die Rede ist. 54 Coffey/Somnier, 9 J.I.B.L.R. (2003), 370, 374. 55 Siehe Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 350. 56 Zu Mitteilungen der Kommission vgl. Calliess/Ruffert/Ruffert, Art. 288 AEUV Rn. 135; zu CESR-Texten der Ebene 2 Hupka, WM 2009, 1351, 1353. 57 Art. 3 Abs. 2 lit. a EG-RatingVO.
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EG-Marktmissbrauchsrichtlinie keine Rating-Agenturen regelt, heißt dies freilich nicht notwendig, dass umsetzende nationale Bestimmungen (wie in Deutschland § 34b WpHG) ebenfalls keine Rating-Agenturen erfassen.58 Letzteres wäre nur dann zwingend, wenn die Richtlinie nicht nur maximalharmonisierend ausgestaltet wäre, sondern zudem keine Umsetzung ihrer Regelungen über den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie hinaus verbieten wollte. Im konkreten Fall bedarf diese Frage allerdings schon deshalb keiner Klärung, weil der deutsche Gesetzgeber eindeutig klargestellt hat, dass er keine „überschießende“ Umsetzung des Art. 6 Abs. 5 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie beabsichtigte.59 Der Aussagegehalt der Richtlinienvorschrift bestimmt daher über die richtlinienkonforme Auslegung auch den Anwendungsbereich des § 34b WpHG.60 c) Ergebnis: Keine Anwendung von § 34b WpHG und EG-Marktmissbrauchsrichtlinie auf Rating-Agenturen Eine Erfassung von Rating-Agenturen durch § 34b WpHG scheidet daher im Ergebnis aus,61 und auch eine analoge Anwendung der Norm ist in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke abzulehnen.62 Dasselbe gilt, wie im Text erläutert, nach zutreffender Ansicht auch für die EG-Marktmissbrauchsrichtlinie.
58 So aber Deipenbrock, BB 2005, 2085, 2088 f.; wie hier Blaurock, ZGR 2007, 603, 615 (anders aber ders., a.a.O., 624). 59 Vgl. zum Entwurf des § 34a Abs. 1 Satz 1 WpHG ausdrücklich RegE AnSVG, BT-Drs. 15/ 3174, S. 38: „Übereinstimmung mit den Vorgaben des Art. 6 Abs. 5 der Marktmissbrauchsrichtlinie“. 60 Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 24 Rn. 41; ders., in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, KMR, Stand: Lfg. 1/06 (Feb. 2006), Kennz. 634b/3, Rn. 35; unter Verweis auf die histoische Auslegung auch Volk, ZBB 2005, 273, 280 Fn. 58. Ebenso zum österreichischen § 48f BörseG Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, § 8 Rn. 10. 61 Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 215; Berger/Stemper, WM 2010, 2289 Fn. 6; Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 491 f.; ders., ZGR 2007, 603, 615 u. 624; Deipenbrock, BB 2005, 2085, 2089; Fiala/Kohrs/Leuschner, VersR 2005, 742, 747; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 67; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 24 Rn. 41; ders., in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, KMR, Stand: Lfg. 1/06 (Feb. 2006), Kennz. 634b/3, Rn. 35; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 131; Moloney, EC Securities Regulation, S. 681; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 350; Rotter/Kremer, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 327, 338; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 200; Siebel, BKR 2002, 795 Fn. 10; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 117; Volk, ZBB 2005, 273, 280 Fn. 58; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 98. A.A. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 386; Bürgers, BKR 2004, 424, 430; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1955; Knops, BB 2008, 2535, 2539 Fn. 56; Spindler, NJW 2004, 3449, 3453. 62 Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 215 f.; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 67; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 131; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 379. A.A. Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 98; Krämer, in: Hadding/Hopt/Schimansky, Bankrechtstag 2004, S. 3, 15 (zu § 34b WpHG a.F.).
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2. U.S.-amerikanisches Recht: Anwendbarkeit der Regulierung für „Investment Adviser“ infolge freiwilliger Registrierung der Rating-Agenturen In den U.S.A. stellt der Securities Exchange Act of 1934 Verhaltensregeln für Finanzanalysten (Securities Analysts) auf, will damit aber ausweislich des Gesetzeswortlauts allein die Empfehlung von Eigenkapitaltiteln (equity securities, also vor allem Aktien) erfassen.63 Da Rating-Agenturen hingegen nur Fremdkapitaltitel (debt securities) behandeln, scheidet die Anwendung dieses Regelungsregimes somit aus.64 Bedeutung kommen dagegen Bestimmungen zu, deren Anwendbarkeit auf Rating-Agenturen auf den ersten Blick ferner zu liegen scheint, nämlich den Verhaltens- und Organisationsregeln des Investment Advisers Act of 1940.65 a) Die „freiwillige“ Registrierung nach dem Investment Advisers Act Dabei ist im Ausgangspunkt sehr fraglich, ob Rating-Agenturen überhaupt in den Anwendungsbereich des Investment Advisers Act fallen:66 Der Supreme Court hat bekanntermaßen in der an anderer Stelle67 bereits erwähnten Entscheidung Lowe v. SEC festgestellt, dass der Begriff des Investment Advisers denjenigen nicht erfasst, der Kunden nicht direkt und personalisiert berät,68 und Anlageberatungsleistungen werden durch Rating-Agenturen nicht erbracht. Im Schrifttum wird daher auch ganz überwiegend davon ausgegangen, dass RatingAgenturen generell nicht unter den Investment Advisers Act fallen,69 und auch ein U.S.-amerikanisches Gericht hat (freilich obiter) so entschieden.70 Im Jahre 2007 fügte der Kongress durch den Credit Rating Agency Reform Act sodann eine ausdrückliche Vorschrift in den Investment Advisers Act ein, die als NRSRO aner63 § 15D(a), (c)(1), (2) Securities Exchange Act of 1934. Die Bestimmungen sind noch neueren Datums; sie wurden erst durch den Sarbanes-Oxley Act of 2002 eingeführt. 64 Interessant ist, dass die untergesetzliche Regulation AC, welche die Vorgaben des Gesetzes insoweit näher ausformt, sich ihrem Wortlaut nach nicht auf die Empfehlung von equity securities beschränkt – eine Gestaltung, welche die Frage nach der Kompetenzgrundlage für diese „überschießende“ Regelung aufwirft. Für ihre Anwendbarkeit auf Rating-Agenturen wird gleichwohl, soweit ersichtlich, nirgends eingetreten, und Rule 505(a) Regulation AC enthält zudem eine ausdrückliche Ausnahme für news media – eine Vorschrift, die auch Rating-Agenturen angesichts ihres Schutzes durch das First Amendment von der Regelung ausnehmen muss. 65 Siehe zum Investment Advisers Act of 1940 bereits oben § 15 II 4. 66 Vgl. Millon, 60 Wash. & Lee L. Rev. (2003), 309, 324 f.: „is unclear at best“. 67 Siehe § 22 II 1 b). 68 Lowe v. SEC, 10.6.1985, 472 U.S. 181, 208, 105 S.Ct. 2557, 86 L.Ed.2d 130 (1985); „… offer individualized advice attuned to any specific portfolio or to any client’s particular needs“, sowie: „The mere fact that a publication contains advice and comment about specific securities does not give it the personalized character that identifies a professional investment adviser.“ 69 Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 67; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1039; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 348; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 330 f. 70 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.7.2002, 273 F.Supp.2d 914, 916 (E.D.Mich. 2002): „[Moody’s] was not engaged in the investment-advisory profession, and thus is not subject to suit under the Investment Advisers Act.“
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kannte Rating-Agenturen vom Begriff des Investment Advisers ausnimmt.71 Ihr Beitrag zur Klarstellung ist freilich deshalb begrenzt, weil sie sich zum einen nur auf NRSROs (nicht aber auf alle sonstigen Rating-Agenturen) bezieht und zudem eine Rückausnahme für den Fall vorsieht, dass eine NRSRO doch Beratungsleistungen erbringt. Sie ist daher wohl als Versuch zur Abgrenzung der Regelungsregime für NRSROs und Investment Adviser gemeint, der eine Auslegung des Investment Advisers Acts jedoch nicht entbehrlich macht.
Es muss vor diesem Hintergrund gleichwohl überraschen, dass die großen U.S.amerikanischen Rating-Agenturen bis heute sämtlich nach dem Investment Advisers Act registriert sind,72 und zwar „freiwillig“, wenn auch auf offenkundiges Betreiben der SEC: Die SEC hatte zu diesem Zweck zunächst eine Ausnahme von den Registrierungsvoraussetzungen des Acts geschaffen, der im Allgemeinen nämlich voraussetzt, dass der registrierungswillige Finanzdienstleister ein Mindestanlagevolumen von 25 Mio. USD verwaltet (andernfalls fällt er unter die Zuständigkeit der einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden).73 Von dieser Anforderung werden als NRSROs anerkannte Rating-Agenturen jedoch durch eine spezielle untergesetzliche Regelung74 freigestellt, was es diesen Rating-Agenturen überhaupt erst ermöglicht, sich registrieren zu lassen.75 Die „freiwillige“ Nutzung dieser Möglichkeit wurde von der SEC nun dem Vernehmen nach dadurch gefördert, dass sie im Rahmen des informellen „no-action letter“-Verfahrens, das bis 2007 zur Anerkennung als NRSRO führte,76 eine Registrierung nach dem Investment Advisers Act zumindest nahe legte.77 Obgleich die Rechtmäßigkeit eines solchen implizit-administrativen Registrierungserfordernisses mit guten Grün-
71 § 202(a)(11)(F) Investment Advisers Act of 1940: „‚Investment adviser‘ means […]; but does not include […] any nationally recognized statistical rating organization, as that term is defined in section 3(a)(62) of the Securities Exchange Act of 1934, unless such organization engages in issuing recommendations as to purchasing, selling, or holding securities or in managing assets, consisting in whole or in part of securities, on behalf of others“. 72 Vgl. SEC Release 33–7085, 34–34616, IC–20508 „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (Concept Release) vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46314 ff. (7. Sept. 1994): „the Commission notes that all of the existing rating agencies that have received no-action assurances are registered as investment advisers under the Investment Advisers Act of 1940 …“. 73 § 203A(a) Investment Advisers Act of 1940. 74 Nämlich durch Rule 203A-2(a) zum Investment Advisers Act of 1940: „The prohibition of section 203A(a) of the Act does not apply to [… a]n investment adviser that is a nationally recognized statistical rating organization, as that term is used in paragraphs (c)(2)(vi)(E), (F), and (H) of Rule 15c3–1.“ 75 Kirsch, Investment Adviser Regulation, Stand: Release 7 (7/2003), § 2A:2.2. Dass RatingAgenturen gar nicht unter den Begriff des Investment Advisers fallen, wird durch diese Regelung freilich nicht geändert. 76 Siehe § 23 II 3 a) aa). 77 Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 329 f. Vgl. auch SEC Release 33–9071, 34–60798 „Concept Release on Possible Rescission of Rule 436(g) Under the Securities Act of 1933“ (Concept release) vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53114, 53116 Fn. 23 (15. Okt. 2009): „At the time Rule 436(g) was proposed [d.h. im Jahre 1981], NRSROs were generally required to register as investment advisers.“
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den bezweifelt wird,78 hatte es im Ergebnis zur Folge, dass die großen RatingAgenturen sich sämtlich registrieren ließen. b) Die unklaren Rechtsfolgen der Registrierung Unklar ist sodann, welche Rechtsfolgen eine Registrierung für die betreffenden Rating-Agenturen nach sich zieht:79 Einerseits wird im Schrifttum angenommen, dass dieser Schritt eine freiwillige Unterwerfung unter das Regelungsregime des Investment Advisers Act darstellt, dessen Vorgaben die registrierten NRSROs folglich zu beachten haben.80 Auch die SEC hat sich – kaum überraschend – dahingehend geäußert81 und zudem betont, dass die Kompetenzzuweisungen des Acts sie auch zur spezifischen Regulierung des Ratingwesens berechtigen würden.82 Die genannten Einlassungen stammen allerdings aus den 1980er Jahren und damit einer Zeit, zu der in den U.S.A. noch keinerlei ratingspezifische Regelungsakte existierten. Es darf daher bezweifelt werden, ob die SEC an dieser Auffassung auch heute noch festhält,83 zumal NRSROs seit 2007 per Gesetz ausdrücklich von der Registrierungspflicht des Investment Advisers Acts ausgenommen werden und das Aufsichtsrecht des Acts auf Rating-Agenturen mit ihrer parallelen Marktinformations- und Regulierungsfunktion auch kaum passt.84 In der Rechtsprechung ist in jüngerer Zeit jedenfalls festgestellt worden, dass auch registrierte NRSROs den Regelungen des Investment Advisers Act nicht unterliegen, weil sie sachlich eben keine Anlageberatung erbringen, und folglich auch nicht nach seinen Bestimmungen haften.85 (Alle sonstigen RatingAgenturen müssten zudem ohnehin anders behandelt werden, was in rechtspolitischer Hinsicht kaum einleuchtet.) Im Ergebnis dürfte dieser Streitpunkt im Übrigen deshalb offen bleiben können, weil auch der Investment Advisers Act eine Vorschrift enthält, die Presseun78
Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 616; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293,
329. 79 Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 349: „nicht einmal im Ansatz geklärt …“. 80 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 612 und 616; Gellis, 13 J. Corp. L. (1987), 65, 72 Fn. 29; Langevoort, 98 Harv. L. Rev. (1985), 747, 776 Fn. 125; Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 15; wohl auch Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1079. 81 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 414; zustimmend Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 15. 82 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 414: „The Commission believes that [§ 206 Investment Advisers Act] gives it ample authority to regulate the improper issuance of security ratings should abuses develop which necessitate such action.“ 83 Die SEC ist jedenfalls bislang noch nie auf dieser Grundlage gegen Rating-Agenturen vorgegangen; Millon, 60 Wash. & Lee L. Rev. (2003), 309, 325. 84 So unter Hinweis auf die „quasi-public nature“ der Rating-Agenturen und ihrer Ratings Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 330, 358: „ill-suited“; auch Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1079: „the Advisers Act was almost completely ineffective in terms of regulating the NRSROs“. 85 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.7.2002, 273 F.Supp.2d 914, 916 (E.D.Mich. 2002).
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
ternehmen von seinen Vorgaben freistellt86 – eben jene Vorschrift, deren Auslegung auch im Fall Lowe v. SEC in Rede stand. Sie hat zur Folge, dass das Regelungsregime des Acts selbst unter der Annahme, dass es sachlich einschlägig wäre, keine Anwendung auf Rating-Agenturen beansprucht,87 weil diese nach dem First Amendment unter den Schutz der Pressefreiheit88 fallen. Auch nach U.S.-amerikanischem Recht bleiben Rating-Agenturen daher letztlich von Verhaltens- und Organisationspflichten unberührt, die originär für andere Informationsintermediäre geschaffen wurden.
3. Schweizer und Hongkonger Recht: Nicht bindende Verhaltensstandards für Finanzanalysten ohne Anwendbarkeit auf Rating-Agenturen In der Schweiz und in Hongkong fehlt es dagegen an gesetzlichen Verhaltenspflichten für Finanzanalysten;89 die Tätigkeit dieser Informationsintermediäre ist vielmehr nicht nur in Hongkong (mit seiner allgemein geringen Regulierungsdichte), sondern auch in der Schweiz im Vergleich zum sonstigen Banken- und Effektenhandelrecht nur schwach reguliert.90 Beide Rechtsordnungen setzen zu diesem Zweck auf außergesetzliche Maßnahmen, nämlich im Falle der Schweiz auf die Selbstregulierung durch Richtlinien der Schweizerischen Bankiervereinigung,91 die allerdings zusätzlich durch die FINMA als zuständige staatliche Aufsichtsbehörde anerkannt92 und damit deren Überwachung unterstellt wurden,93 während in Hongkong die Securities and Futures Commission als Aufsichtsbehörde selbst einen – ausdrücklich rechtlich nicht bindenden94 – Verhaltenskodex95 veröffentlicht hat, der auch Maßgaben für Analysten enthält.96 Auf Rating-Agenturen finden dabei weder die Schweizer noch die Hongkonger Verhaltensstandards Anwendung, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen: Die in der Schweiz maßgeblichen Richtlinien der SBVg erfassen in persönli86 So § 202(a)(11)(D) Investment Advisers Act of 1940 für „the publisher of any bona fide newspaper, news magazine, or business or financial publication of general and regular circulation“. 87 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 125; Hazen, Law of Securities Regulation, § 21.1. 88 Dazu schon § 21 II 1. 89 Zum Schweizer Recht Möllers, in KK-WpHG, § 34b Rn. 49; zum Hongkonger Recht Loh/ Da Silva, 23 Int’l Fin. L. Rev. (Juni 2004), 24. 90 Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 13 Rn. 3. 91 Schweizerische Bankiervereinigung, Richtlinien zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Finanzanalyse vom 2. Dez. 2002 (die geltende, revidierte Fassung trat am 1. Juli 2008 in Kraft). 92 FINMA, Rundschreiben 2008/10 Selbstregulierung als Mindeststandard vom 20. Nov. 2008, Anh. I. 93 Es handelt sich damit um eine Form der regulierten Selbstregulierung; siehe dazu noch unten IV. 94 Vgl. Loh, Financial Intermediaries Guide, § A1.01300: „administrative quasi-regulation“. 95 Securities and Futures Commission, Code of Conduct for Persons Licensed by or Registered with the Securities and Futures Commission (May 2006). 96 Securities and Futures Commission, Code of Conduct, Tz. 16 ff.; dazu Loh/Da Silva, 23 Int’l Fin. L. Rev. (Juni 2004), 24.
§ 24 Begründung von Organisations- und Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen
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cher Hinsicht zwar – in Abweichung von dem verbreiteten engeren Begriffsverständnis – auch Finanzanalysten, die den „Fixed Income“-Bereich (also Zinspapiere) abdecken,97 setzen aber zudem voraus, dass diese Mitarbeiter einer Bank oder eines Effektenhändlers sind.98 Schon weil alle sonstigen Analysten nicht erfasst werden,99 scheidet eine Anwendung der Richtlinien auf RatingAgenturen aus, die im Übrigen auch daran scheitern würde, dass Ratings nach Schweizer Verständnis ebenfalls der notwendige Empfehlungscharakter fehlt.100 In Hongkong scheint der persönliche Anwendungsbereich der Verhaltensregeln dagegen auf den ersten Blick weiter gefasst zu sein, weil man als erfasste „Analyse“ bzw. „Bericht“ jede Veröffentlichung ausreichen lässt, die dem Adressaten eine Investitionsentscheidung „erleichtern“ soll101 – darunter ließen sich möglicherweise auch Ratingveröffentlichungen fassen.102 Im Schrifttum wird jedoch auch im Hongkonger Recht ein individualisierter Empfehlungscharakter verlangt,103 der Ratings fehlt. Zudem nimmt das Gesetz seit jeher ausdrücklich solche Analysen von seinen Vorgaben aus, die gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit publiziert werden,104 und schützt damit Presseunternehmen vor aufsichtsrechtlicher Beeinflussung. Der Anwendungsbereich dieser Ausnahme ist in Hongkong freilich nicht geklärt: Während eine Ansicht nur solche Publikationen davon erfasst sehen will, die nicht primär der Information über Wertpapiere dienen105 (und damit nur allgemeine Zeitungen, nicht aber investment letters106 und folglich wohl auch keine Ratingpublikationen privilegieren möchte), verweist die zutreffende Gegenansicht auf die Entscheidung des U.S. Supreme Courts in Lowe v. SEC,107 der als persuasive foreign judicial authority zu folgen sei108 – ein vor dem Hintergrund von Wortlaut und Zweck der Norm überzeugender Ansatz, der somit nur individualisierte Finanzanalysen den aufsichtsrechtlichen Verhaltensstandards unterwirft.109 Um etwaig verbleibenden Zweifeln vorzubeugen,110 wurde 97
Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 7 Rn. 7. Tz. 1 der Richtlinien zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Finanzanalyse. 99 Hartmann, Rechtsstellung der Finanzanalysten, S. 51; aus diesem Grund kritisch Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 15 Rn. 8. 100 Lombardini, Droit bancaire suisse, S. 413; Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 3 Rn. 26 f. 101 Schedule 5 zur Securities and Futures Ordinance (Cap. 571), Legaldefinition „advising on securities“, (b): „… facilitating the recipients of the analyses or reports to make decisions on …“. 102 Vgl. dazu Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 16 f. 103 Loh, Financial Intermediaries Guide, § B2.08700. 104 Schedule 5 zur Securities and Futures Ordinance, Legaldefinition „advising on securities“, (ix). 105 Kwok/Armour, Securities Law, Stand: Issue 22 (Nov. 2008), Kap. IV Rn. 102–103. 106 Kwok/Armour, Securities Law, Stand: Issue 22 (Nov. 2008), Kap. IV Rn. 102–103: „It is clear …“. 107 Lowe v. SEC, 10.6.1985, 472 U.S. 181 ff., 105 S.Ct. 2557 ff. (1985); zu dieser bereits oben in § 22 II 1 b). 108 So Loh, Financial Intermediaries Guide, § B2.09000. 109 Loh, Financial Intermediaries Guide, § B2.08900. 110 Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 17: „… for the avoidance of doubt …“. 98
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
im Jahre 2011 schließlich gesetzlich klargestellt, dass die seitdem zulassungspflichtigen111 Ratingtätigkeiten nicht von dem maßgeblichen Oberbegriff des „advising on securities“ erfasst werden.112 Im Ergebnis bleiben Rating-Agenturen daher auch in Hongkong von den genannten Vorgaben für Finanzanalysten unberührt.
IV. Selbstregulierung der Rating-Agenturen durch freiwillige Verhaltenskodizes Nach dem Gesagten kann also festgehalten werden, dass sich jede materiellrechtliche Regulierung der global tätigen Rating-Agenturen mit erheblichen strukturellen Schwierigkeiten konfrontiert sieht,113 während die bestehenden gesetzlichen Pflichtenregime für sonstige Finanzmarktintermediäre auf Rating-Agenturen nicht anwendbar sind.114 Vor diesem Hintergrund geriet ab der Jahrtausendwende die Möglichkeit in den Fokus, es bei einer Selbstregulierung der Rating-Agenturen durch freiwillige Verhaltenskodizes (Codes of Conduct) zu belassen.115 Eine Selbstregulierung ist unabhängig von den räumlichen Grenzen staatlicher Zuständigkeiten und erlaubt daher einheitliche Problemlösungen über die Grenzen eines Staates hinaus,116 besitzt zugleich aber eine größere Flexibilität als staatliches Recht oder gar internationales Einheitsrecht117 und ermöglicht damit eine zügige Anpassung an neue Gegebenheiten, die gerade in der Materie des Finanzmarktrechts häufig notwendig ist.118 Einige Rechtsordnungen, wie namentlich die Schweiz119 und
111
Siehe oben § 22 II 5. Schedule 5 zur Securities and Futures Ordinance, Legaldefinition „advising on securities“ in der seit dem 1. Juni 2011 geltenden Fassung: „… but does not include the giving of such advice that falls within the meaning of advising on corporate finance or providing credit rating services“. 113 Oben I. 114 Unter II., III. 115 Becker, DB 2010, 941, 942; Meister, BFuP 2005, 269; Mulligan, 50 B.C. L. Rev. (2009), 1275, 1302 ff.; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 655. Aus der ökonomischen Literatur Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 214. Monographisch Bauer, Ein Organisationsmodell zur Regulierung der Rating-Agenturen: Ein Beitrag zur regulierten Selbstregulierung am Kapitalmarkt (2009). 116 So allgemein zur Selbstregulierung Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 19 Rn. 59. 117 Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 19 Rn. 59; Kloepfer, Informationsrecht, § 4 Rn. 57. 118 So zu den Codes of Conduct der Rating-Agenturen Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 655; allgemein zur Selbstregulierung am Kapitalmarkt Watter, in Basler Komm., Art. 1 BEHG Rn. 15. 119 So wird etwa die Grundnorm des Art. 1 Satz 2 BEHG dahingehend verstanden, dass das schweizerische Börsengesetz primär den Rahmen für die Selbstregulierung schaffen soll (Watter, in Basler Komm., Art. 1 BEHG Rn. 15), und Art. 7 Abs. 3 FINMAG bestimmt als „Regulierungsgrundsatz“ explizit, dass die FINMA die Selbstregulierung unterstützt und diese im Rahmen ihrer Aufsichtsbefugnisse als Mindeststandard anerkennen und durchsetzen kann (vgl. dazu Nobel, ZBB 2008, 128, 129: „bemerkenswert“). 112
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Hongkong,120 räumen der Selbstregulierung daher generell breiten Raum ein und sind bestrebt, die paternalistische Regulierung finanzmarktnaher Materien auf das notwendige Mindestmaß zu beschränken – ein Grundansatz, der die Erstreckung dieses Ansatzes auch auf die Rating-Agenturen als nahe liegend erscheinen ließ.
1. Globale Vorbereitung und Koordination der Selbstregulierung durch die IOSCO Das Fundament für eine koordinierte Selbstregulierung wurde durch die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (International Organization of Securities Commissions – IOSCO) gelegt, die zunächst im Jahre 2003 die sog. IOSCO-Grundsätze121 verabschiedete, die sehr allgemein gehaltene und rechtlich unverbindliche Zielvorgaben für die Tätigkeit von Rating-Agenturen formulierten.122 Anlass für diesen Schritt war wiederum die Enron-Insolvenz gewesen,123 die auch in den U.S.A. aufsichtsrechtliche Aktivitäten zur verstärkten Regulierung der Rating-Agenturen ausgelöst hatte. a) Der IOSCO-Kodex als Muster für freiwillige Verhaltenskodizes der Rating-Agenturen Ende 2004 wurden sodann die üblicherweise als „IOSCO-Kodex“ bezeichneten Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies124 veröffentlicht, die auf den IOSCO-Grundsätzen aufbauten und diese weiter entwickelten.125 Der IOSCO-Kodex stellt seiner missverständlichen Kurzbezeichnung entgegen allerdings nicht etwa selbst einen Verhaltenskodex für Rating-Agenturen auf, sondern enthält vielmehr Mindestanforderungen an individuelle Verhaltenskodizes der einzelnen Rating-Agenturen, ist also als bloßer Mustertext konzipiert.126 Der Inhalt der im IOSCO-Kodex zusammengestellten Wohlverhaltensregeln stieß
120 Gemäß § 5(1)(c) Securities and Futures Ordinance zählt es zu den Aufgaben der Securities and Futures Commission, „to promote and develop an appropriate degree of self-regulation in the securities and futures industry“. Vgl. aus dem Schrifttum Gunningham, 15 Law & Soc. Inquiry (1990), 1, 13: „Hong Kong is an ideal place to study self-regulation in its extreme form.“ 121 The Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Statement of Principles for the Activities of Rating Agencies vom September 2003, IOSCO Public Document Nr. 151. Zur Umsetzung in nationalen Rechtsordnungen siehe IOSCO, Regulatory Implementation of the Statement of Principles (Feb. 2011). 122 Blaurock, ZGR 2007, 603, 638; Deipenbrock, WM 2005, 261, 265. 123 Vgl. zum Hintergrund Strunz-Happe, BFuP 2005, 231, 233. 124 The Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies vom Dezember 2004, IOSCO Public Document Nr. 180. 125 Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 210. 126 Deipenbrock, WM 2005, 261, 265; dies., BB 2005, 2085, 2086; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 66.
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nach seiner Veröffentlichung auf breite Zustimmung;127 man sprach von einem „Meilenstein“128 und stufte den Kodex als Basis für jedes weitere regulatorische Vorgehen im Ratingbereich129 ein. Kritische Stimmen bemängelten hingegen, dass die Kodexregeln erkennbar Kompromisscharakter trügen130 – die RatingAgenturen waren bei ihrer Abfassung konsultiert worden – und vor allem höchst unbestimmt formuliert seien.131 Unter den Rating-Agenturen fand der IOSCO-Kodex jedenfalls insoweit Akzeptanz, als die international tätigen Agenturen durchgehend eigene Codes of Conduct in Anlehnung an die Kodexregeln aufstellten bzw. bereits bestehende Verhaltenskodizes inhaltlich anpassten. Sie orientierten sich dabei zwar weitgehend an dem IOSCO-Kodex, wichen aber in einzelnen Punkten auch – vergleichbar mit den Erfahrungen unter dem Deutschen Corporate Governance Kodex – von dessen Musterregeln ab.132 Schon aufgrund der oligopolistischen Struktur des Ratingmarktes waren damit über 95% des Marktes zumindest vergleichbar selbstreguliert, worin zugleich ein weiteres Argument gegen die gesetzliche Verankerung von Verhaltensregeln gesehen wurde.133
b) Das Durchsetzungsproblem: Die Überwachung der freiwilligen Kodexkonformität durch die Kapitalmarktöffentlichkeit Der wesentliche Schwachpunkt, der der koordinierten Selbstregulierung durch den IOSCO-Kodex vorgeworfen wurde, ist jeder Selbstregulierung immanent:134 Die Regelungen des IOSCO-Kodex besitzen keinerlei rechtliche Bindungswirkung135 und können auch durch nationale Regulierungsbehörden nicht zwangsweise durchgesetzt werden;136 mit anderen Worten: „the code has no teeth“.137 Im Schrifttum wurde daher schon früh befürchtet, die Annahme an dem Kodex aus127 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 884; Blaurock, ZGR 2007, 603, 643; Eichel, BFuP 2005, 257, 258; Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 37; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 193; StrunzHappe, BFuP 2005, 231, 241. Zurückhaltender Deipenbrock, WM 2005, 261, 266; kritisch Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 213. 128 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 193. 129 Blaurock, ZGR 2007, 603, 643. 130 Deipenbrock, BB 2005, 2085, 2086. 131 Deipenbrock, BB 2005, 2085, 2087; dies., WM 2009, 1165. 132 Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1533 (mit einem Vergleich zwischen Standard & Poor’s Code of Conduct und dem IOSCO-Kodex). 133 So Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 201 (Ablehnung einer gesetzlichen Pflichtenregelung im WpHG). 134 Kloepfer, Informationsrecht, § 4 Rn. 63. 135 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 884; Blaurock, ZGR 2007, 603, 638; Deipenbrock, BB 2005, 2085, 2087; Eichel, BFuP 2005, 268, 269; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 66; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 193; Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1533; Niedostadek, Rating, Rn. 250; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 656; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 155 f.; Theilacker, ZKredW 2005, 177, 180; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 141; von Schweinitz, WM 2008, 953. 136 Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1533; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 463; Trigo Trindade/ Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 141; Voorhees, 44 Case W. Res. J. Int’l L. (2012), 875, 884. 137 Portes, Rating agency reform, S. 145, 147.
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gerichteter Codes of Conduct durch die Rating-Agenturen könne sich als reines window dressing erweisen.138 Die Verfasser des IOSCO-Kodex setzten dagegen auf die Überwachung des freiwillig kodexkonformen Verhaltens der einzelnen Rating-Agenturen durch die Kapitalmarktöffentlichkeit,139 also darauf, dass Abweichungen der jeweiligen Verhaltenskodizes von dem Muster des IOSCO-Kodex wie auch die praktische Nichtbefolgung des Verhaltenskodex bei der Ratingtätigkeit von den Marktteilnehmern registriert und durch einen Vertrauensentzug „bestraft“ werde. Die Funktionsfähigkeit eines solchen Sanktionsmechanismus, der ersichtlich auf dem überkommenen theoretischen Modell eines informationseffizienten Kapitalmarktes mit Marktteilnehmern beruht, die ihrerseits über eine unbegrenzte Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität verfügen, muss jedoch – wie bereits an anderer Stelle dargelegt140 – auch hier skeptisch eingeschätzt werden.141 Es erscheint nämlich schon zweifelhaft, ob „reale“ Marktteilnehmer überhaupt in der Lage sind, die Folgen der Nichtbeachtung einzelner IOSCO-Regeln für die Verlässlichkeit der erstellten Ratings der betreffenden Agentur zu beurteilen. Vorschläge im internationalen Schrifttum, zumindest die Feststellung eines kodexkonformen Verhaltens durch eine gesetzliche comply or explain-Vorgabe nach Muster des § 161 AktG effektiver zu gestalten,142 liefen auf eine lediglich formelle Verstärkung des comply or explain-Mechanismus hinaus, weil schon der IOSCO-Kodex selbst eine entsprechende Offenlegung forderte.143 Nachdem sie zunächst keinen Anklang gefunden hatten, wurden 2011 in Hongkong144 und 2012 in der Schweiz145 schließlich entsprechende aufsichtsrechtliche Vorgaben eingeführt. Wie die Erfahrungen mit § 161 AktG146 andeuten, dürfte auf diesem Wege allein jedoch wohl keine Aufnehmbarkeit der Informationen gesichert werden können. Und selbst wenn diese im Einzelfall gegeben sein sollte, bleiben dem Investor infolge des bestehenden Ratingoligopols nur sehr begrenzte Möglichkeiten, zu einer anderen Rating-Agentur zu wech-
138
Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 656. Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 194; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 661. 140 Siehe § 5 IV. 141 So auch Blaurock, ZGR 2007, 603, 641 f.; Chirico, ECMI Commentary No. 17 (Jan. 2008), S. 4; Meier, ST 2009, 945, 946; zweifelnd auch Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423, 449. 142 Deipenbrock, BB 2005, 2085, 2087; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 194; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 660 f.; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 202. In jüngerer Zeit ebenso Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1920; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 70. 143 IOSCO-Kodex, Tz. 4.1. 144 CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 68 ff. 145 FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 31. 146 Die empirischen Befunde von Nowak/Rott/Mahr, ZGR 2005, 252, 274 ff. belegen eindrucksvoll, dass eine Nichtbeachtung des Deutschen Corporate Governance Kodex durch börsennotierte Gesellschaften von Seiten des Kapitalmarkts – entgegen verbreiteten Annahmen im juristischen Schrifttum – keineswegs sanktioniert („abgestraft“) wird (ebenso Bernhardt, BB 2008, 1686, 1690: „eher ist das Gegenteil richtig“; Casper, in: Leible/Lehmann, Hedgefonds und Private Equity, S. 161, 170). 139
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
seln147 – einer schlichten Nichtbeachtung von Ratings steht aber wiederum deren verbreitete Regulierungsfunktion entgegen, die zahlreiche institutionelle Investoren zur Ratingverwendung zwingt. Es überrascht vor diesem Hintergrund nicht, dass während der Erarbeitung des IOSCOKodex verschiedene Durchsetzungsmöglichkeiten diskutiert wurden, die zwar ohne staatliche Überwachung ausgekommen, aber doch über eine reine Publizitätslösung hinausgegangen wären. Sie fanden jedoch keine mehrheitliche Zustimmung: So wurde innerhalb der IOSCO die Einrichtung von Schiedsgerichten148 erörtert, die Streitigkeiten über den ordnungsgemäßen Ablauf von Ratingverfahren (nicht hingegen über Ratingmethodik oder -ergebnis) zu entscheiden gehabt hätten – ein Vorschlag, der unter den Mitgliedern der IOSCO-Task Force keine Mehrheit fand und auch von den Rating-Agenturen sowie weiteren Marktteilnehmern abgelehnt wurde.149 Die im Schrifttum vorgeschlagene Einrichtung einer sonstigen Schlichtungsinstanz150 fand ebenfalls keinen Anklang, weil man den Anschein eines „ausgehandelten Ratings“ befürchtete, das am Markt nicht akzeptiert werde.151 Auch die weitergehende institutionelle Überwachung durch einen Ombudsmann wurde verworfen.152
2. Regionale Regulierung der Selbstregulierung in der Europäischen Union Der Schritt zu einer „regulierten Selbstregulierung“153 der Rating-Agenturen, der im globalen Gremium der IOSCO noch abgelehnt worden war, wurde jedoch Ende 2005 auf Ebene der EU im Rahmen des Ausschusses der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR) vollzogen. Die bestehende Marktstruktur eines globalen Oligopols ermöglichte es der EU dabei, mit ihrem im Ausgangspunkt regional beschränkten Regelungsansatz faktisch das globale Verhalten der großen Rating-Agenturen zu steuern – ein Ausdruck des bereits erwähnten „race to the top“-Phänomens.154 Der CESR entwickelte zu diesem Zweck nach vorheriger Absprache mit Standard & Poor’s und Moody’s ein auf freiwilliger Kooperation beruhendes Verfahren zur Überwachung der Rating-Agenturen,155 welches in seiner Ausgestaltung 147
Vgl. auch Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1853; Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423,
449. 148 Vorgeschlagen wurden etwa Schiedsgerichte bei der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris. 149 Strunz-Happe, BFuP 2005, 231, 236; aus Sicht einer Rating-Agentur Scholz, BFuP 2005, 271, 272. 150 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 194; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1353 f. 151 Blaurock, ZGR 2007, 603, 652; ebenso der Diskussionsbericht bei Kersting, ZHR 169 (2005), 242, 243. Aus Sicht einer Rating-Agentur Scholz, BFuP 2005, 271, 272, der eine Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen befürchtet. 152 Boos, BFuP 2005, 267; Meister, BFuP 2005, 269. 153 Der Begriff stammt aus der Verwaltungsrechtswissenschaft; vgl. Eifert, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 19 Rn. 58 ff. 154 Siehe § 20 IV 3. 155 Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 37: „freiwillige Vereinbarung“. Moloney, EC Securities Regulation, S. 716 spricht von der „most striking innovation“.
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an das Prozedere des § 161 AktG erinnert156 und im Einzelnen drei Bestandteile umfasst: Zum einen verpflichten sich die teilnehmenden Rating-Agenturen, jährlich in einem Schreiben an den CESR zu erklären, ob sie dem IOSCO-Kodex entsprochen haben und inwiefern sie ggfs. von dessen Anforderungen abgewichen sind (comply or explain);157 der CESR macht die entsprechende Erklärung sodann durch Veröffentlichung den Marktteilnehmern zugänglich. Des Weiteren sind jährliche Treffen zwischen dem CESR und den Rating-Agenturen vorgesehen, auf denen relevante Fragen zur Umsetzung des IOSCO-Kodex diskutiert werden, und schließlich gibt in Fällen, in denen es bezüglich eines bestimmten Emittenten zu einem „besonderen Vorfall“ (substantial incident) gekommen ist, die betreffende Rating-Agentur gegenüber dem für den betreffenden Markt zuständigen nationalen Mitglied des CESR eine erläuternde Erklärung ab.158 Zur Teilnahme an dieser freiwilligen Beaufsichtigung159 wurden alle Rating-Agenturen eingeladen, die in den Anwendungsbereich des IOSCO-Kodex fallen und auf dem Kapitalmarkt der EU tätig sind.160 Neben Standard & Poor’s und Moody’s,161 die schon an der Aushandlung des Beaufsichtigungsverfahrens beteiligt gewesen waren, sagten in der Folgezeit auch Fitch und Dominion Bond Rating ihre Teilnahme zu.162
Der CESR (und später an seiner Stelle die ESMA) publizieren seit 2006 jährliche Berichte, in denen die Compliance in der EU niedergelassener Rating-Agenturen mit dem IOSCO-Kodex zusammengefasst werden.163 Obgleich dabei mit Blick auf die großen Rating-Agenturen durchgehend eine weitgehende Umsetzung der Kodexvorgaben konstatiert werden konnte,164 wurde der Beitrag der selbstregulierten Agenturen zur globalen Finanzkrise 2007–09 dadurch ersichtlich nicht verhindert.165 Die IOSCO reagierte hierauf im Jahre 2008 mit verschiedenen Än156
In diesem Sinne auch Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 202. Europ. Kommission, Mitteilung über Rating-Agenturen v. 23.12.2005, S. 5. 158 CESR, Erklärung vom 13. Dezember 2005, Ref. 05–751. 159 Moloney, EC Securities Regulation, S. 717: „quasi-supervisory capacity without imposing regulation“. 160 CESR, Erklärung vom 13. Dezember 2005, Ref. 05–751. 161 Schreiben von Kathleen A. Corbet, President von Standard & Poor’s, an den Vorsitzenden des CESR vom 29. September 2005; Schreiben von Raymond W. McDaniel, Jr., Chairman und Chief Executive Officer der Moody’s Corp., an den Vorsitzenden des CESR vom 11. Oktober 2005. 162 Schreiben von Paul Taylor, Group Managing Director von Fitch Ratings, an den Generalsekretär des CESR vom 24. Februar 2006; Schreiben von David Schroeder, Chief Operating Officer der Dominion Bond Rating Service Ltd., an den Vorsitzenden des CESR vom 3. März 2006. 163 Siehe zuletzt CESR, Report on compliance of EU based Credit Rating Agencies with the 2008 IOSCO Code of Conduct, May 2009, Ref. CESR/09–417. 164 CESR, Report (vorstehende Fn.), Tz. 4; ebenso IOSCO, Review of Implementation of the IOSCO Fundamentals of a Code of Conduct for Credit Rating Agencies – Consultation Report (Feb. 2007), S. 8. Zahlreiche kleinere Rating-Agenturen (darunter nicht weniger als zehn deutsche Agenturen) verfügten dagegen über keinerlei Verhaltenskodex oder einen Kodex, der erheblich vom IOSCO-Muster abwich; IOSCO, a.a.O., S. 18. 165 Auf die Schwächen des CESR-Überwachungsverfahrens hinweisend Moloney, EC Securities Regulation, S. 719. 157
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
derungen des IOSCO-Kodex, um dadurch der besonderen Rolle der RatingAgenturen im Bereich der strukturierten Finanzinstrumente besser Rechnung zu tragen.166
3. Bewertung Die Erfahrungen mit der auf inhaltlicher Ebene durch die IOSCO, auf prozeduraler Ebene hingegen durch den CESR koordinierten Selbstregulierung der Rating-Agenturen machen deutlich, dass diese Regulierungsform allein nicht geeignet ist, einen hinreichenden Schutz von Marktteilnehmern und Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte vor einem etwaigen Fehlverhalten der Rating-Agenturen zu sichern. Als wesentliche Gründe lassen sich zum einen die unbestimmten inhaltlichen Vorgaben des IOSCO-Kodex und zum anderen die Untauglichkeit der Überwachung durch die Marktöffentlichkeit benennen, die auch durch die koordinierende Mitwirkung des CESR kaum gestärkt wurde. Die EU-Kommission gelangte zu derselben Einschätzung167 und optierte daher für den Erlass der EG-RatingVO.168 Das freiwillige comply or explain-Verfahren nach den Vorgaben des CESR wurde jedoch gleichwohl beibehalten;169 es findet folglich auch künftig (nunmehr unter Beteiligung der ESMA) Anwendung. Die freiwilligen Verhaltenskodizes der Rating-Agenturen dürften ihre entscheidende Bedeutung allerdings im Rahmen der privaten Rechtsdurchsetzung entfalten, weil die darin übernommenen Organisations- und Verhaltenspflichten haftungsbegründend wirken können.170 Auf die hierzu im Einzelnen erforderlichen Voraussetzungen, die zur Begründung von Ansprüchen des beauftragenden Emittenten171 sowie möglicherweise auch auf das Rating vertrauender Investoren172 erfüllt sein müssen, wird noch im Fortgang des Textes einzugehen sein.
V. Ergebnis: Pluralität einschlägiger Rechtsquellen Im Ergebnis ist festzuhalten, dass Organisations- und Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen aus einer Reihe unterschiedlicher Rechtsquellen fließen: So fehlt es zwar in sämtlichen hier untersuchten Rechtsordnungen weiterhin an ei166
IOSCO-Kodex (revised May 2008); dazu Moloney, EC Securities Regulation, S. 722 ff. Europ. Kommission, Impact Assessment (2008), S. 44 f.: „Self regulation has been tested since 2006 and the outcome is not acceptable.“ 168 Deipenbrock, RIW 2010, 612, 613: „Damit erteilt die EU dem Prinzip der Selbstregulierung des Ratingmarktes eine Absage.“ 169 So Erwägungsgrund 8 zur EG-RatingVO. 170 Vgl. Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 70; Göres, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 39; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 882; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 656; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 149. 171 Siehe § 27 I 2 b) bb) (2) (c). 172 Siehe § 30 VI 2. 167
§ 24 Begründung von Organisations- und Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen
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ner umfassenden gesetzlichen Regelung entsprechender Pflichten für Ratingunternehmen, aber die Zulassungsfolgepflichten nach der EG-RatingVO,173 der aufsichtsbehördlich erlassene Verhaltenskodex für in Hongkong zugelassene Rating-Agenturen174 sowie die Anerkennungsfolgepflichten, die in diversen nationalen Anerkennungsregimen für Zwecke der Regulierungsfunktion der RatingAgenturen angeordnet werden,175 führen bereits zu einem nicht unbedeutenden aufsichtsrechtlichen Pflichtenprogramm. Hinzu treten die freiwilligen Verhaltenskodizes (Codes of Conduct) der Rating-Agenturen, die sich in ihren Inhalten weitgehend an dem IOSCO-Kodex ausrichten176 und daher ein nahezu einheitliches, im Wege der Selbstregulierung übernommenes Pflichtengerüst hinzufügen. Eine Anwendung der gesetzlich normierten Wohlverhaltenspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen177 und Finanzanalysten178 scheidet dagegen aus. In ihrer Anwendung auf das bestehende Oligopol von Rating-Agenturen179 bewirken die diversen Pflichtenregelungen, dass die drei großen internationalen Rating-Agenturen einer erheblichen Anzahl zwar ähnlicher, aber doch nicht identischer Vorgaben gerecht werden müssen; es kommt daher zu einem „race to the top“.180 Die Herkunft der verschiedenen Organisations- und Verhaltenspflichten verliert durch dieses Zusammenwirken nicht an Bedeutung, sondern bestimmt weiterhin die Art ihrer Durchsetzung. Die Existenz eines zunehmend dichter werdenden Pflichtengerüstes der Rating-Agenturen, das im nächsten Kapitel im Einzelnen aufzufächern sein wird, besagt daher insbesondere noch wenig über die Frage, ob die Agenturen für Pflichtverletzungen privatrechtlich in Haftung genommen werden können.181
173 Zum Registrierungserfordernis nach Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO und seiner hier vertretenen Unvereinbarkeit mit höherrangigem Unionsrecht § 22 II 2; zu dessen Wirkung als Anerkennungsvoraussetzung § 23 II 1. 174 Dazu oben I. 175 Siehe § 23 III 3. 176 Oben IV. 177 Oben II. 178 Oben III 1–3. 179 Siehe § 20 II. 180 Dazu schon § 20 IV 3. 181 Vgl. dazu §§ 26–30.
§ 25 Einzelne Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen Wie im letzten Kapitel1 aufgezeigt, fließen Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen aus ganz unterschiedlichen Rechtsquellen: So findet sich der rechtsordnungsübergreifend ähnlichste Bestand an Pflichtvorgaben in den Voraussetzungen, welche die nationalen Aufsichtsrechte für die (freiwillige) Anerkennung von Rating-Agenturen in ihrer Regulierungsfunktion aufstellen und die über Anerkennungsfolgepflichten zu durchgehenden Verhaltenspflichten erstarken. Daneben besteht in der Europäischen Union ein dichtes Netz an Zulassungsfolgepflichten, denen die EG-RatingVO (in nach hier vertretener Ansicht unwirksamer Form) sämtliche Rating-Agenturen unterwirft,2 sowie in Hongkong eine Reihe inhaltlich ähnlicher, aber weniger detaillierter aufsichtsrechtlicher Vorgaben, die im behördlich veröffentlichten, rechtlich jedoch nicht bindenden Code of Conduct für Rating-Agenturen3 niedergelegt sind.4 In allen Staaten existieren zudem Verhaltens- und Organisationspflichten vertrags- und deliktsrechtlicher Provenienz; hinzu treten die freiwilligen Verhaltenskodizes der Rating-Agenturen. Die Herkunft der jeweiligen Pflichten wirkt sich dabei vor allem auf ihre Durchsetzung aus, die zum Teil durch die zuständigen Aufsichtsbehörden, zum Teil dagegen im Wege der privaten Haftung erfolgt, auf die in §§ 26–30 noch einzugehen sein wird. Ergänzt werden die im Folgenden zu behandelnden rechtlichen Pflichten durch das freiwillige Bemühen der Rating-Agenturen, sich aus wohlverstandenem Eigeninteresse so zu verhalten, dass ihre Reputation als verlässliche Informationsintermediäre möglichst unbeschädigt bleibt.5
I. Pflicht der Rating-Agenturen zur Unabhängigkeit Diejenige Pflicht, über deren Bestand im Grundsatz die größte Einigkeit besteht, dürfte die Pflicht der Rating-Agenturen zur Unabhängigkeit sein.6 Ihre zentrale 1
Siehe § 24 V. Vgl. zur umstrittenen Reichweite der „Registrierungspflicht“ des Art. 14 EG-RatingVO und ihrer Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht § 22 II 2. 3 CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011). 4 Siehe dazu schon § 24 I. 5 Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 638. Zur Reputationserhaltung als Grundlage des Geschäftsmodells jedes Informationsintermediärs schon § 4. 6 Aus dem deutschen Schrifttum Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 513; ders., ZGR 2007, 603, 643; Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 77; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 2
§ 25 Einzelne Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen
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Bedeutung ergibt sich daraus, dass sie die Stellung der Rating-Agenturen im Informationssystem der Finanzmärkte bestimmt und zugleich sichert; das Postulat der Unabhängigkeit bildet damit Grundlage und Grenze jeder Ratingtätigkeit. Jenseits dieses konsentierten Ausgangsbefundes werden die Anforderungen an die Unabhängigkeit von Rating-Agenturen im internationalen Vergleich allerdings keineswegs einheitlich definiert, weshalb das diesbezügliche Pflichtenprogramm der global tätigen Agenturen durch eine verwirrende Vielgestaltigkeit gekennzeichnet ist.
1. Die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen als Grundvoraussetzung für die Erfüllung ihrer Marktinformations- und Regulierungsfunktion Im Kern soll die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen sicherstellen, dass diese bei der Vornahme ihrer Bonitätsbeurteilungen ausschließlich von ihrer subjektiven Einschätzung der Kreditwürdigkeit geleitet werden, ohne durch irgendwie geartete dritte Interessen beeinflusst zu sein. Entscheidend ist also letztlich die verhaltensbezogene Unabhängigkeit der Ratingtätigkeit, die als Grundvoraussetzung für die Erfüllung sowohl der Marktinformations- als auch der Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen eingeordnet werden kann;7 vielfach ist gleichbedeutend von der „Neutralität“ der Rating-Agenturen die Rede.8 Da die Faktoren, die innerhalb der internen Beurteilungsvorgänge der Ratinganalysten und -komitees Berücksichtigung finden, jedoch letztlich weder einseh- noch kontrollierbar sind,9 wird der verhaltensbezogenen Unabhängigkeit üblicherweise die organisatorische Unabhängigkeit der Rating-Agentur zur Seite gestellt, die sich nach außen hin manifestiert und daher überprüfbar ist. Sie ist damit in der Sache nicht mehr als ein (freilich notwendiges) Mittel zum Zweck, weil auch eine organisatorische Abhängigkeit einer Rating-Agentur von Dritten sich so lange nicht auf die Erfüllung ihrer Marktinformations- und Regulierungsfunktion auswirken würde, wie die Agentur ihre Ratingtätigkeit unbeeinflusst vornimmt. Die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen sieht man dabei vorrangig von Seiten anderer Marktteilnehmer gefährdet, nämlich einerseits der Emittenten und 7 195; Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423; Stürner, ZHR 173 (2009), 363, 377; aus dem Schweizer Schrifttum Pfenninger/Bürgi, ST 2004, 290, 293; aus dem U.S.-amerikanischen Schrifttum Wilmarth, U. Ill. L. Rev. 2002, 215, 466; aus dem Hongkonger Schrifttum Arner/Hsu/Da Roza/Da Roza/Johnstone/Lejot, AIIFL Working Paper Nr. 4 (Feb. 2009), S. 86. 7 Vgl. Anh. I Abschn. A Abs. 1 lit. a EG-RatingVO („muss gewährleisten, dass Ratingtätigkeiten unabhängig sind“). Im U.S.-amerikanischen Aufsichtsrecht wurde die Unabhängigkeit seit jeher als implizit im Begriff der anerkannten Rating-Agentur enthalten angesehen; vgl. SEC Release IC–14607 „Acquisition and Valuation of Certain Portfolio Instruments by Registered Investment Companies“ (Proposed Rule) vom 1. Juli 1985, 50 FR 27982, 27987 (9. Juli 1985): „… the concept of independence is implicit in the term NRSRO …“. 8 Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 286; Stürner, ZHR 173 (2009), 363, 377; Vetter, WM 2004, 1701, 1705. 9 Stürner, in FS Canaris I (2007), 1489, 1496.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
andererseits der Investoren, die jeweils ein eigenes (und tendenziell gegenläufiges) Interesse am Ergebnis der Bonitätsbeurteilungen besitzen.10 In dem so beschriebenen Gefährdungspotential spiegelt sich die Stellung der Rating-Agentur als Informationsintermediärin wider.11 Soweit die Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen in Rede steht, wird darüber hinaus die politische Unabhängigkeit, also die Freiheit der Rating-Agentur von staatlicher Einflussnahme betont.12 Das Sachproblem der Unabhängigkeit wird im Schrifttum häufig alternativ unter dem Begriff des „Interessenskonflikts“ diskutiert,13 ohne dass bislang eine allgemein anerkannte Definition dieses Begriffes gelungen wäre.14 Er wird im Folgenden unter der Maßgabe verwandt, dass das Interesse der Rating-Agentur an Bonitätsbeurteilungsvorgängen, die ausschließlich nach ihrer subjektiven Einschätzung der betroffenen Kreditwürdigkeit durchgeführt werden, als gesondertes Interesse der Rating-Agentur einzustufen ist, mit dem andere Interessen Dritter oder auch der Rating-Agentur selbst in Konflikt geraten können.
Die Frage, wie die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen oder die Bewältigung der allfälligen Interessenskonflikte rechtlich gesichert werden soll, wird durch die bestehenden Regelungen in diesem Bereich ganz unterschiedlich beantwortet. Die Anerkennungsvoraussetzungen des schweizerischen und Hongkonger wie auch des bisherigen europäischen und deutschen Rechts für Zwecke der Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen, die durchweg auf den Basel II-Akkord zurückgehen, schreiben jeweils pauschal die Unabhängigkeit vor, beziehen dieses Erfordernis aber zum Teil auf die Ratingmethode,15 zum Teil auf die Rating-Agentur als Institution16 und zum Teil auf beides.17 Das U.S.-amerikanische NRSRO-Anerkennungsregime definiert hingegen eine Reihe spezifischer Interessenskonflikte, unter denen eine Gruppe (die „graue Liste“) im Falle ihres Bestehens von der Rating-Agentur offen gelegt und nach Maßgabe interner Grundsätze (written policies and procedures reasonably designed) bewältigt werden muss,18 während die zweite Gruppe von Interessenskonflikten (die „schwarze Liste“) anerkannten Rating-Agenturen pauschal verboten wird.19 Die EG-RatingVO setzt wiederum auf eine Fülle detaillierter organisatorischer Vorgaben,
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Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 629. Vgl. Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72, 96. Basel II-Akkord, Tz. 91; Anh. I Abschn. A Abs. 1 lit. a EG-RatingVO; Meier, ST 2009, 945,
946. 13 Bai, 13 N.Y.U. J. Legis. & Pub. Pol’y (2010), 253, 260 ff.; Moloney, EC Securities Regulation, S. 691; Wilmarth, U. Ill. L. Rev. 2002, 215, 466. 14 Vgl. Cuyler v. Sullivan, 12.5.1980, 446 U.S. 335, 356 Fn. 3, 100 S.Ct. 1708 (1980): „… ,Conflict of interest‘ is a term that is often used and seldom defined.“ Siehe auch den Definitionsvorschlag bei Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72, 84. 15 So das frühere europäische (EG-Bankenrichtlinie, Anhang VI, Teil 2, Tz. 2 f.) und deutsche Recht (§ 53 Satz 1 Nr. 2, 3 SolvV a.F.). 16 So die Hongkonger Aufsichtspraxis (HKMA, Policy Paper, Tz. 6.2). 17 So das Schweizer Recht (§ 6 Abs. 1 lit. b ERV). 18 § 15E(h)(1) Securities Exchange Act i.V.m. Rule 17g–5(b). 19 § 15E(h)(1) Securities Exchange Act i.V.m. Rule 17g–5(c).
§ 25 Einzelne Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen
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durch welche die allgemein vorgeschriebene Freiheit der Ratingerstellung von Interessenskonflikten20 gesichert werden soll.21 Für den Fortgang der Untersuchung empfiehlt sich vor diesem Hintergrund keine gesonderte Behandlung der einzelnen Regelungsmodelle, sondern eine Orientierung an spezifischen Gefährdungslagen, denen die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen ausgesetzt ist.22 Anhand dieser werden sodann die Regelungsansätze der unterschiedlichen Rechtsordnungen dargestellt und kritisch hinterfragt.
2. Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch ihre Beauftragung und Bezahlung durch die Emittenten Als bei weitem wichtigste Gefahr für die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen wird allgemein das „issuer pays“-Geschäftsmodell angesehen, unter dem der Emittent, dessen Unternehmens- oder Emissionsbonität beurteilt wird, die ihn beurteilende Rating-Agentur beauftragt und bezahlt.23 Diese Gefährdungslage stellt dabei keine Besonderheit des Ratinggeschäfts dar, sondern besteht in ähnlicher Form auch bei anderen Informationsintermediären wie Abschlussprüfern und Finanzanalysten.24 Da sie bei unbeauftragten (oder unsolicited) Ratings logisch ausgeschlossen ist,25 kann sie bei denjenigen Rating-Agenturen, die ein reines „investor pays“-Modell betreiben, allerdings von vornherein nicht auftreten – sie betrifft aber jedenfalls die drei großen internationalen Rating-Agenturen und besitzt daher nach gängigen Zahlen für 95% des globalen Ratingmarktes Relevanz. a) Interessenskonflikte aufgrund des „issuer pays“-Modells als Gefährdungsgrund Im internationalen Schrifttum wird die Grundlage eines Interessenskonflikts der Rating-Agenturen zum einen in ihrer Beauftragung,26 vor allem aber in der Bezahlung durch den Emittenten gesehen;27 gelegentlich werden beide Faktoren 20
Art. 6 Abs. 1 EG-RatingVO. Vgl. im Einzelnen Anh. I Abschn. A Abs. 2, Abschn. B Abs. 3, Abschn. C Abs. 2, 7 EG-RatingVO. 22 Unten 2.–4. 23 Siehe zur historischen Entstehung dieses Geschäftsmodells bereits § 3 II 2. 24 Vgl. Choi, 1 Berkeley Bus. L. J. (2004), 45, 51. 25 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 199. 26 Blaurock, ZGR 2007, 603, 643; Chirico, ECMI Commentary No. 17 (Jan. 2008), S. 2; Diomande/Heintz/Pollin, The Economists’ Voice 6 (June 2009), Art. 6, 1, 2; Frey, zitiert nach Pixley, Emotions in Finance, S. 150: „major structural handicap“; Hurst, 30 Company L. (2009), 61, 62: „… creating an obvious incentive not to displease one’s employer“; Nagy, 94 Minn. L. Rev. (2009), 140, 158; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 544. 27 Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 461; Amort, EuR 2013, 272, 273; Avgouleas, ECFR 2009, 440, 456; Coffee, 70 Va. L. Rev. (1984), 717, 745; ders., in: Fuchita/Litan, Financial Gatekeepers, S. 177, 189; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 622 ff.; Diomande/ 21
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
zusammen genannt.28 Man befürchtet, dass die Rating-Agentur auf diese Weise einem Anreiz ausgesetzt sei, eine zu positive Bonitätsbeurteilung abzugeben, um eine Abwanderung des Emittenten und damit den Verlust künftiger Ratingaufträge zu verhindern,29 zumal die von Emittentenseite gezahlten Ratinghonorare für die drei internationalen Rating-Agenturen insgesamt den größten Teil ihrer Einkünfte bedeuten.30 Daneben schwingt wohl häufig auch das allgemeine Gefühl einer implizierten Käuflichkeit mit,31 ganz nach dem Motto: „wes Brot ich ess’, des Lied ich sing“.32 Das Bestehen eines Interessenskonflikts ist dabei sowohl in einschlägigen Untersuchungen offizieller Stellen33 und Urteilen U.S.amerikanischer34 als in jüngster Zeit auch deutscher35 Gerichte übereinstimmend konstatiert worden. Im U.S.-amerikanischen Recht wird die Bezahlung durch 28 Heintz/Pollin, The Economists’ Voice 6 (June 2009), Art. 6, 1, 2; Dombalagian, 55 Buff. L. Rev. (2007), 1, 86; Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 35; Fiala/Kohrs/Leuschner, VersR 2005, 742, 743; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 65; Frankel, Securitization, § 9.19; Haar, NZG 2010, 1281, 1282; Hill, 15 Chapman L. Rev. (2011), 133, 136; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 548 f.; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 152; Hurst, 30 Company L. (2009), 61, 62; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 662; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 247; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1052 f.; Meier, ST 2009, 945; Merkt, in FS Hopt (2010), S. 2207, 2237; Millon, 60 Wash. & Lee L. Rev. (2003), 309, 315; Möllers, JZ 2009, 861, 865; Nagy, 94 Minn. L. Rev. (2009), 140, 158; Pfenninger/Bürgi, ST 2004, 290, 293; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 629; Spindler, AG 2010, 601, 610: „Sollbruchstelle des gesamten Rating-Modells“; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 109 ff.; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 537; Stürner, Markt und Wettbewerb, S. 96; Theilacker, ZKredW 2009, 643; Volk, ZBB 2005, 273, 274; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 7; Witte/Henke, DB 2013, 2257, 2258. 28 Becker, DB 2010, 941, 942; Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1072; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850; dies., WM 2005, 261, 263; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 133; Kindler, NJW 2010, 2465, 2469; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 122; Mues, ZBB 1996, 252, 256; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 345; Stürner, in FS Canaris I (2007), 1489, 1497 f.; Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT (2010), S. G 73; ders., in FS Hopt (2010), S. 2689, 2694. 29 Erwägungsgrund 10 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO: „Nach diesem Modell besteht für die Ratingagenturen ein Anreiz, einen Emittenten mit Gefälligkeitsratings zu bewerten …“; Hurst, 30 Company L. (2009), 61, 62; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 662; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 104; Weber/ Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 7; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 95; Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT (2010), S. G 73. 30 Vgl. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 652: 95%; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 220: 85%. 31 So Merkt, Unternehmenspublizität, S. 486; ders., RabelsZ 64 (2000), 517, 534: „per se heikel“. 32 So Casper, in: Leible/Lehmann, Hedgefonds und Private Equity, S. 161, 173; Möllers, JZ 2009, 861, 865. 33 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 68. 34 In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 823 Fn. 81 (S.D.Tex. 2005): „This Court observes that there is a potential conflict of interest created by compensation of credit rating agencies.“ 35 OLG Düsseldorf, 9.12.2009, ZIP 2010, 28, 32 („IKB“): „Die Rating-Agenturen befanden sich zudem in einem für den Vorstand erkennbaren Interessenkonflikt: Denn die Antragsgegnerin hatte ein unmittelbares Interesse daran, dass die von Rhineland emittierten Papiere ein gutes Rating erhielten, gleichzeitig bezahlte sie die Rating-Agenturen für ihre Dienstleistungen.“ Zurückhaltender Spindler, NZG 2010, 281, 284.
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den Emittenten in den Anerkennungsregelungen für NRSROs mittlerweile ausdrücklich als Interessenskonflikt eingestuft.36 b) Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen In der Tat ist nicht zu bestreiten, dass das „issuer pays“-Modell die Rating-Agenturen einem Interessenskonflikt aussetzt; dieser besteht zweifelsohne. Das Bestehen eines Interessenskonflikts ist allerdings nicht ohne weiteres mit einer mangelnden Unabhängigkeit der Rating-Agenturen gleichzusetzen: Interessenskonflikte sind in einer arbeitsteiligen Wirtschaft allgegenwärtig und treten insbesondere in der Person jedes Informationsintermediärs auf, dessen Position ihn zwangsläufig zwischen einen Informationsanbieter und einen (oder, typischerweise, mehrere) Informationsempfänger platziert.37 Die interessante Frage ist daher nicht diejenige nach dem Vorliegen eines Interessenskonflikts und der theoretisch möglichen Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agentur, sondern vielmehr, ob dieser Interessenskonflikt deren Bonitätsbeurteilungstätigkeit und damit ihre Unabhängigkeit tatsächlich zu beeinflussen droht.38 Letzteres ist dann nicht der Fall, wenn tatsächliche Umstände oder rechtliche Regelungen sicherstellen, dass weder das Interesse des Emittenten an einer ungerechtfertigt hohen Ratingeinstufung noch das gegenläufige (und stets mit zu bedenkende) Interesse der Investoren an einer übermäßig niedrigen Ratingeinstufung zur Folge haben, dass die Rating-Agentur ein anderes als das nach ihrer subjektiven Einschätzung zutreffende Rating erteilt, ihre Unabhängigkeit also unbeeinträchtigt bleibt.39 Man spricht dann üblicherweise von der Bewältigung oder dem management des Interessenskonflikts.40 Keinerlei Einigkeit besteht allerdings darüber, ob und ggfs. auf welche Weise sich die durch das „issuer pays“Geschäftsmodell hervorgerufenen Interessenskonflikte bewältigen lassen: Während bislang wohl überwiegend angenommen wurde, dass der Anreiz der RatingAgenturen zur Erhaltung ihres guten Rufes bereits eine ausreichende Sicherung darstellt,41 wird in jüngerer Zeit zunehmend eine vollständige Abschaffung der Bezahlung durch die Emittenten zugunsten alternativer Geschäftsmodelle gefor-
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Rule 17g–5(b)(1), (2) unter dem Securities Exchange Act. Zutreffend Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 373; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14, 15: „The problem of ,biting the hand that feeds‘ is one that dogs all professional advisers with gatekeeping duties.“ 38 Zutreffend Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 293; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 479. 39 Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 178 f. (S.D.N.Y. 2009): „There is no question that companies can conduct business legally, even in the face of conflicts of interest, provided that proper safeguards are in place.“ 40 So im EG-Recht Anh. I Abschn. B Abs. 1 EG-RatingVO; im U.S.-amerikanischen Recht § 15E(h)(1) Securities Exchange Act und Rule 17g–5(a)(2); im Hongkonger Recht HKMA, Policy Paper, Tz. 6.2.1(c). Das Schweizer Recht spricht hingegen – weniger präzise – vom „Verhindern“ der Interessenskonflikte (FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 34). 41 Dazu sogleich unter aa). 37
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
dert.42 Richtigerweise ist die Lösung in einem Ausgleich spezifischer Fehlanreize unter dem „issuer pays“-Modell mittels spezifischer gesetzlicher Verbote zu sehen.43 aa) Der Anreiz der Rating-Agenturen zur Ruferhaltung als ausreichende Sicherung? Traditionell geht die herrschende Ansicht im juristischen wie auch ökonomischen Schrifttum allerdings davon aus, dass eine inhaltliche Beeinflussung der Ratingtätigkeit bereits durch Marktkräfte effektiv verhindert wird:44 Da die Rating-Agenturen in ihrer Marktinformationsfunktion bei jeder Ratingerstellung ihr reputational capital aufs Spiel setzen, ohne welches sie keine Abnehmer für ihre Bonitätsbeurteilungen finden würden,45 gilt ihr Wunsch nach Ruferhaltung als ausreichende Sicherung.46 Die Rücksichtnahme auf das Interesse eines Emittenten hieße vor diesem Hintergrund nämlich, die Reputation der Rating-Agentur am gesamten Markt zu riskieren, um das Abwandern eines einzelnen Kunden zu verhindern,47 der jeweils nur einen geringen Anteil zum Gesamteinkommen beiträgt (typischerweise weniger als 1%)48 – da ein Reputationsverlust aber ein existenzgefährdendes Risiko bedeuten würde, muss dies die Erteilung von Gefälligkeitsratings danach als fern liegend erscheinen lassen.49
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Unter bb). Unter cc). 44 Vgl. in diesem Sinne auch den U.S. Supreme Court in Dun & Bradstreet, Inc. v. Greenmoss Builders, Inc., 26.6.1985, 472 U.S. 749, 762 f., 105 S.Ct. 2939 (1985) (zu Kreditauskünften): „In any case, the market provides a powerful incentive to a credit reporting agency to be accurate, since false credit reporting is of no use to creditors.“ 45 Deipenbrock, WM 2005, 261, 262; Frankel, Securitization, § 9.19; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 74 f.; Millon, 60 Wash. & Lee L. Rev. (2003), 309, 312; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 226; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 638. 46 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 9: „kein vordringliches Regelungsproblem“; Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 106; Amihud/Garbade/Kahan, 51 Stan. L. Rev. (1999), 447, 481; Cantor, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 27, 28; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 4; Choi, 92 Nw. U. L. Rev. (1998), 916, 918; Heindl, wbl 2007, 221, 222; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 421; Lemke, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 119, 128; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 486; ders., RabelsZ 64 (2000), 517, 534; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 336 f.; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 309; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 303; ders., Structured Finance, Stand: Release 5 (11/2008), § 13:6.1; Stigum/Crescenzi, Stigum’s Money Market, S. 981; von Randow, ZBB 1995, 140, 147 ff.; Wiegel, Prospektrichtlinie, S. 73 Fn. 350. 47 Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 226; Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 290. 48 SEC, Role and Function of Credit Rating Agencies (Jan. 2003), S. 23. 49 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 883; Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 106; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 287; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 486 f.; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 51; Millon, 60 Wash. & Lee L. Rev. (2003), 309, 324; Stigum/Crescenzi, Stigum’s Money Market, S. 981. 43
§ 25 Einzelne Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen
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Dieser theoretische, auf klassischem informationsökonomischem Fundament50 beruhende Erklärungsansatz wurde lange Zeit durch empirische Befunde bestätigt, welche spezifisch die Wirksamkeit des Ruferhaltungsanreizes belegten51 oder – allgemeiner – eine große Genauigkeit der Prognosen der Rating-Agenturen unter dem „issuer pays“-Modell (und damit das Fehlen „überhöhter“ Ratings) bestätigten.52 Beispiele für Gefälligkeitsratings sind demgegenüber nicht bekannt geworden,53 und sogar im Fall Enron – in dem den RatingAgenturen verbreitet vorgeworfen wurde, das Rating des Unternehmens verspätet gesenkt zu haben54 – konnten keine Anzeichen für eine Beeinträchtigung ihrer Unabhängigkeit festgestellt werden.55
Die vorherrschende These einer ausreichenden Sicherung durch den Ruferhaltungsanreiz wurde allerdings mit Blick auf das Rating „traditioneller“ Anleihen entwickelt und auch nur insoweit empirisch bestätigt. Sie sieht sich daher in jüngerer Zeit vermehrt Kritik ausgesetzt, welche die Vernachlässigung verhaltensökonomischer Erkenntnisse bemängelt56 und namentlich ihre Übertragbarkeit auf das Rating komplexer Finanzinstrumente bezweifelt,57 weil dieses vor dem Hintergrund einer gänzlich anderen Marktstruktur stattfinde58 und auch sonst tief greifende Unterschiede aufweise.59 Infolge dessen stehen zunehmend solche Vorschläge im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion, welche die Schwächen des „issuer pays“-Geschäftsmodells durch ein gesetzgeberisches Eingreifen ausgleichen wollen.
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Vgl. dazu bereits § 5 III 1 a). Covitz/Harrison, Testing Conflicts of Interest at Bond Rating Agencies with Market Anticipation: Evidence that Reputation Incentives Dominate, S. 23; Baker/Mansi, 29 J. Bus. Fin. & Acct. (2002), 1367, 1383 f.: 97,3% der befragten U.S.-amerikanischen Emittenten gaben an, dass der Anreiz der Rating-Agenturen zur akkuraten Ratingerstellung überwiegt. 52 Vgl. Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 7; Hill, 15 Chapman L. Rev. (2011), 133, 137; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 303. 53 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8. 2003, S. 9; SEC, Role and Function of Credit Rating Agencies (Jan. 2003), S. 23; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 4; Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 40; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 75; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 638; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 50. 54 Dazu schon in § 3 III 2 und § 17 II 2. 55 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 106; SEC, Role and Function of Credit Rating Agencies (Jan. 2003), S. 23: „most hearing participants agreed that, for the most part, the rating agencies had effectively managed this potential conflict“. 56 Allgemein zur Marktdisziplin bei Informationsintermediären Choi, 1 Berkeley Bus. L. J. (2004), 45, 53 ff. 57 Grundsätzliche Zweifel an der Kontrolle durch den Markt äußern Däubler, BB 2003, 429, 430; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1048 ff.; Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 73; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 95. 58 SEC, Annual Report on NRSROs (June 2008), S. 28; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 19; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 636 ff. Siehe zur Bedeutung der Marktstruktur noch unter cc). 59 Diomande/Heintz/Pollin, The Economists’ Voice 6 (June 2009), Art. 6, 1; Mathis/McAndrews/Rochet, 56 J. Monet. Econ. (2009), 657, 669. 51
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bb) Spektrum der Lösungsansätze (1) Gesetzliche Offenlegungspflichten der Rating-Agenturen als Lösung Die staatlichen Regelsetzer in den hier untersuchten Rechtsordnungen vertrauen bislang weiterhin auf die Kontrolle durch den Markt, die sie teilweise durch die Statuierung erweiterter gesetzlicher Publizitätspflichten der Rating-Agenturen zu unterstützen versuchen.60 Dahinter steht der Gedanke, dass die Schaffung einer ausreichenden Transparenz bezüglich bestehender Interessenskonflikte es den Marktteilnehmern erst ermöglicht (oder jedenfalls erleichtert), die gleichwohl gewahrte Unabhängigkeit der Rating-Agentur zu überprüfen.61 Zu diesem Zweck wurden zwei Typen von Offenlegungspflichten eingeführt: Der erste Typus bezieht sich auf die Offenlegung des aus dem „issuer pays“Modell resultierenden Interessenskonflikts selbst und verlangt entweder allgemein die „klare und unmissverständliche“ Offenlegung aller tatsächlicher und potentieller Interessenskonflikte62 oder spezifisch die Angabe des Interessenskonflikts, der aus der Bezahlung durch den Emittenten resultiert.63 Eine Verbesserung der Transparenz bewirken solche Pflichten jedoch wohl nur dann, wenn sie die Offenlegung des Interessenskonflikts im Internet und damit gegenüber der allgemeinen Marktöffentlichkeit verlangen,64 weil die Abonnementpublikationen der Rating-Agenturen einen solchen Hinweis traditionell ohnehin enthalten65 – die institutionellen Investoren, denen die Überwachungsaufgabe am Markt nach allgemeiner Meinung vorrangig zufällt,66 wurden dadurch schon seit jeher freiwillig von der Bezahlung des Ratings durch die Emittenten in Kenntnis gesetzt. Es erscheint daher sehr fraglich, ob eine (erweiterte) Offenlegung dieses allgemein bekannten Umstandes die Kontrolle der Rating-Agenturen durch den Markt tatsächlich verbessert:67 Die Schwierigkeit liegt nicht in der Erkennbarkeit 60 Keine Transparenz bezüglich der Beauftragung und Bezahlung durch die Emittenten verlangen das Hongkonger Recht, die frühere EG-Bankenrichtlinie und die ehemalige deutsche SolvV. 61 Diesen Regelungsansatz befürwortend etwa Bai, 13 N.Y.U. J. Legis. & Pub. Pol’y (2010), 253, 296 ff. 62 So im EU-Recht Anh. I Abschn. B Abs. 1 EG-RatingVO und im Schweizer Recht FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 34. Ebenso der IOSCO-Kodex, Tz. 2.6 f. 63 So im U.S.-amerikanischen Recht § 15E(h)(2)(A) Securities Exchange Act i.V.m. Rule 17g– 5(a)(1), (b)(1), (2), (9). 64 Dies wird allerdings bislang allein im U.S.-amerikanischen Recht vorgeschrieben (Rule 17g– 5(a)(1) i.V.m. 17g–1(i)), während die übrigen Rechtsordnungen allenfalls unspezifiziert eine Offenlegung verlangen. 65 Vgl. die Wiedergabe des entsprechenden Hinweises in In re Scott Paper Comp. Sec. Litig., 30.11.1992, 145 F.R.D. 366, 369 Fn. 3 (E.D.Pa. 1992): „S&P receives compensation for rating obligations. Such compensation is based on the time and effort to determine the rating and is normally paid either by the issuers of such securities or by the underwriters participating in the distribution thereof. The fees generally vary from $2,500 to $50,000.“ 66 Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 286; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1030; von Randow, ZBB 1995, 140, 147. 67 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 153 bezeichnet die U.S.-amerikanische Regelung als „quite modest“; ähnlich Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1701: „very unexacting requirement“.
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des Interessenskonflikts,68 sondern in der Erkennbarkeit der daraus möglicherweise resultierenden Unabhängigkeitsbeeinträchtigung, also dessen Auswirkung im konkreten Fall. Die beschriebenen Offenlegungspflichten beziehen sich daher auf den falschen Gegenstand und dürften die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen allein kaum sicherstellen. Diese Erkenntnis mag der Grund dafür gewesen sein, dass im EU-Recht und im U.S.-amerikanischen Recht in jüngerer Zeit ein zweiter Typus von Offenlegungspflichten eingeführt wurde: Diese verlangen die Offenlegung der Ratingmethoden69 und umfangreicher historischer Rating- und Ausfalldaten,70 um den Investoren so die Einschätzung der Ratingqualität der einzelnen Agenturen71 und damit auch – gleichsam mittelbar – die Beurteilung zu erlauben, ob die einzelne Rating-Agentur durch das „issuer pays“-Modell in ihrer Unabhängigkeit beeinträchtigt wurde. Der beschriebene Regelungsansatz fußt dabei in informationstheoretischer Hinsicht auf der Efficient Market Hypothesis72 und deren überkommenem Bild des Investoren mit unbegrenzter Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität, der folglich aus den offen gelegten, vielfach mathematisch hochkomplexen Ratingmodellen und den historischen Datenreihen die Präzision der Bonitätsbeurteilungen sowie die darin zum Ausdruck kommende Wahrscheinlichkeit einer sachwidrigen Beeinflussung der Rating-Agentur berechnen kann. Da diese Modellfigur mit den realen, am tatsächlichen Markt agierenden Investoren nichts zu tun hat,73 wird im Schrifttum zu Recht davon ausgegangen, dass die Herbeiführung umfassender Transparenz allein zur Unabhängigkeitssicherung nicht ausreichen wird.74 Dass der gewählte Regelungsansatz zum Erreichen des verfolgten Ziels – der Information der allgemeinen Marktöffentlichkeit75 – kaum taugt, wird anhand der Transparenzvorga68 Aus diesem Grund wurde etwa in In re Lehman Brothers Sec. & ERISA Litig., 17.2.2010, 2010 WL 545992 *4 (S.D.N.Y.) eine prospekthaftungsrechtliche Pflicht zur Offenlegung dieses potentiellen Interessenskonflikts verneint: „The Securities Act does not require disclosure of that which is publicly known, and the risk that the ratings agencies operated under a conflict of interest because they were paid by the issuers had been known publicly for years“; ebenso In re IndyMac Mortgage-Backed Sec. Litig., 21.6.2010, 718 F.Supp.2d 495, 512 (S.D.N.Y. 2010); New Jersey Carpenters Vacation Fund v. Royal Bank of Scotland Group, PLC, 26.3.2010, 720 F.Supp.2d 254, 272 (S.D.N.Y. 2010). 69 Art. 8 Abs. 1 EG-RatingVO; § 15E(a)(1)(B)(ii) Securities Exchange Act i.V.m. Rule 17g– 2(a)(6); IOSCO-Kodex, Tz. 3.5 f. 70 Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Anh. I Abschn. D II, E II Abs. 1 EG-RatingVO; § 15E(a)(1)(B)(i) Securities Exchange Act i.V.m. Rule 17g–2(a)(8), (d)(2), (3); IOSCO-Kodex, Tz. 3.8. 71 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 33; Bai, 13 N.Y.U. J. Legis. & Pub. Pol’y (2010), 253, 296; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 269. 72 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 652 f. 73 Möllers, JZ 2009, 861, 869. 74 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 653 ff.; Möllers, JZ 2009, 861, 869: „information overkill“; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1067; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 545. Bai, 13 N.Y.U. J. Legis. & Pub. Pol’y (2010), 253, 296 ff. regt daher eine verständlichere Formatierung der Ratingstatistiken an. 75 Erwägungsgrund 25 zur EG-RatingVO.
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ben deutlich, welche die EG-RatingVO für das Rating strukturierter Finanzinstrumente aufstellt: So gibt sie der Rating-Agentur u.a. auf, „der Bekanntgabe angewandter Methoden, Modelle und grundlegender Annahmen“ Erläuterungen beizufügen, „die die bei solchen Ratings verwendeten Annahmen, Parameter, Limits und Unsicherheiten im Zusammenhang mit ihren Modellen und Ratingmethoden darlegen, einschließlich Simulationen von Stresstests, die von der Agentur bei der Erstellung von Ratings durchgeführt werden“, und schließt sodann mit dem lapidaren Satz: „Diese Erläuterungen müssen eindeutig und leicht verständlich sein.“76
(2) Die Ersetzung des „issuer pays“-Modells durch ein alternatives Beauftragungs- oder Bezahlungsmodell als Lösung Vor diesem Hintergrund wird in jüngerer Zeit vermehrt angeregt oder gefordert,77 das überkommene „issuer pays“-Geschäftsmodell mittels eines gesetzgeberischen Eingriffs schlicht abzuschaffen und durch ein alternatives Beauftragungs- oder Bezahlungsmodell zu ersetzen. Die insoweit im Schrifttum vorgeschlagenen Modelle lassen sich typisierend in zwei Gruppen zusammenfassen: (a) Einführung einer Bezahlung durch die Investoren Vor allem im U.S.-amerikanischen Schrifttum78 wird für einen Übergang auf ein „investor pays“-Modell eingetreten, von dem man sich geringere Interessenskonflikte erhofft. Vergleichbare Vorschläge werden auch in Deutschland79 und in der Schweiz80 gemacht. (aa) Vorgeschlagene „investor pays“-Modelle Die diskutierten Ansätze weisen im Detail zahlreiche Unterschiede auf, sehen sich aber übereinstimmend vor allem mit zwei Problemfeldern konfrontiert: Zum einen wirft der Umstand, dass die Auswahl, Beauftragung und Bezahlung der Rating-Agentur(en) nicht mehr durch den Emittenten erfolgt, die Frage auf, wer diese Aufgaben ersatzweise übernehmen soll. Da es sich bei den Investoren um eine große Anzahl einzelner, untereinander unverbundener und unbekannter Individuen handelt, stellt sich hier ein klassisches „collective action“-Problem, 76
Anh. I Abschn. D I Abs. 2a EG-RatingVO. So etwa im Volcker-Report (Jan. 2009), S. 51 (Recommendation 14): „Regulators should encourage the development of payment models that improve the alignment of incentives among the providers of risk ratings and their clients and users …“; ebenso, wenngleich vorsichtiger de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 68: „a switch from the current ,issuer pays‘ model to a ,buyer pays‘ model should be considered …“; Bonewitz, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 391, 425 f.; Darbellay, Regulating Ratings, S. 203 ff.; Kindler, NJW 2010, 2465, 2469: „Ein Systemwechsel hin zu einem investorenfinanzierten Rating erscheint alternativlos“; Spindler, AG 2010, 601, 610. 78 Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1059 ff.; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 304. In der ökonomischen Literatur Bolton/Freixas/Shapiro, Credit Ratings Game (Jan. 2009), 29 f. 79 Kindler, NJW 2010, 2465, 2469. 80 Vgl. Curti, Für eine Umkehr des Rating-Geschäftsmodells: Die Investoren sollten die Bonitätsbewertungen bezahlen, NZZ vom 1. Juli 2008. 77
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das zudem dadurch kompliziert wird, dass der Kreis der die konkrete Anleihe schließlich erwerbenden Investoren zum Zeitpunkt der Ratingbeauftragung noch gar nicht feststeht.81 Man will sich hier etwa durch Einschaltung einer staatlichen Stelle behelfen, welche den Abschluss der Ratingverträge vornehmen und die Bezahlung vorstrecken soll,82 die sodann über einen Aufschlag beim Ersterwerb der gerateten Papiere83 oder eine staatliche Transaktionssteuer84 von den Investoren erstattet werden soll. Zum anderen muss entschieden werden, ob die Ratingvergütung durch „die Investoren“ bedeutet, dass künftig nur die tatsächlich zahlenden Investoren Zugang zu den erstellten Ratings haben85 oder aber, wie bisher, die allgemeine Öffentlichkeit – im erstgenannten Fall würde die Eigenschaft des Ratings als Marktinformation grundlegend verändert, während sich im letztgenannten Fall ein schwieriges Trittbrettfahrerproblem stellt. (bb) Kritik Die anvisierten „investor pays“-Modelle besitzen auf abstrakter Ebene in der Tat einen gewissen Reiz, sind jedoch mit den vielgestaltigen Funktionen der RatingAgenturen an den Finanzmärkten wie im Finanzmarktrecht letztlich unvereinbar und sollten daher nicht eingeführt werden.86 Dies gilt zunächst für die Modellvariante, nach der Ratings künftig allein zahlenden Investoren zugänglich wären, weil damit ihre Marktinformationsfunktion abgeschafft oder doch entscheidend eingeschränkt würde – es entstünden auf diese Weise zwei Investorenklassen mit stark divergentem Zugang zu Bonitätsbeurteilungen (im Schrifttum plastisch bezeichnet als „the haves and the have-nots of financial information“87), durch den gerade Klein- und Privatanlegern diejenige Bonitätsinformation genommen würde, die sie aufgrund von deren Codierung als einzige verstehen können. Während dies bis in die 1970er Jahre eine gangbare Beschränkung privater Publizität gewesen sein mag, stellte eine Beseitigung der etablierten Ratingeigenschaft als öffentliches Gut (public good)88 vor dem Hintergrund des heutigen Informationsmodells an den entwickelten Kapitalmärkten eine so wesentliche Reduktion der Markttransparenz dar,89 dass sie kaum ohne gleichzeitige Schaffung anderer Informationsquellen erfolgen könnte. Würde den Rating-Agenturen in diesem Zuge zudem eine allgemein zugängliche Ratingveröffentlichung gesetzlich unter81
Choi, 92 Nw. U. L. Rev. (1998), 916, 943; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 304. 82 Curti, NZZ v. 1.7.2008: eine neu zu schaffende „Rating-FDA“; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1032 u. 1061: die SEC. 83 Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1062. 84 Bolton/Freixas/Shapiro, Credit Ratings Game (Jan. 2009), 29. 85 So Kindler, NJW 2010, 2465, 2469; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1060 f. 86 So auch Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 452 f. 87 Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1061. 88 Siehe dazu schon § 2 IV 3 a). 89 Morkötter/Westerfeld, ZKredW 2008, 393, 396. Dies gesteht auch Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1060 f. ein.
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sagt (und dies wäre wohl erforderlich, will man einen Modellwechsel erreichen), so läge zudem ein schwerer Eingriff in die Pressefreiheit vor,90 dessen Rechtfertigung äußerst fraglich erscheinen muss. Die alternative Modellvariante, nach der die weiterhin öffentlich zugänglichen Ratings durch einen lediglich begrenzten Investorenkreis finanziert werden sollen, sieht sich mit einem offenkundigen Trittbrettfahrer- (oder „free rider“-)Problem konfrontiert,91 für das keine überzeugende und zugleich praktisch umsetzbare Lösung ersichtlich ist.92 So ist die Auswahl der zahlungspflichtigen Investoren notwendig arbiträr, weil das veröffentlichte Rating eben für alle nutzbar ist und daher etwa Emissionserwerber am Sekundärmarkt gratis davon profitieren würden. Dieser Befund wird etwa dadurch bestätigt, dass auch Abschlussprüfer bis heute durch das geprüfte Unternehmen bezahlt werden.93 Bei Ratings stellt sich die „free rider“-Problematik sogar in deutlich verschärftem Maße, weil es sich um eine global verständliche und damit weltweit nutzbare Finanzinformation94 handelt: Solange keine international wirkende Vergütungspflicht geschaffen würde, finanzierten die zahlenden Investoren eines Landes folglich alle internationalen Wettbewerber mit. Dies dürfte kaum akzeptabel sein. Soweit gelegentlich zudem kritisiert wird, dass durch eine Bezahlung von Investorenseite schlicht ein umgekehrter Interessenskonflikt begründet werde (nämlich in Gestalt eines Anreizes, ein möglichst niedriges Rating abzugeben),95 erscheint dies hingegen kein schlagendes Argument zu sein:96 Zum einen ist bereits das einheitliche Investoreninteresse an niedrigen Ratings fraglich, weil als Agenten handelnde Investitionsentscheider (etwa Fondsmanager) ein Interesse an hohen Ratings haben können, um ihre rechtlich beschränkten Investitionsmöglichkeiten zu erweitern,97 und zum anderen könnten die heterogenen Investoreninteressen
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Vgl. zum Institutionsschutz der Rating-Agenturen schon § 21. Curti, NZZ v. 1.7.2008; Mathis/McAndrews/Rochet, 56 J. Monet. Econ. (2009), 657, 669; Portes, Rating agency reform, S. 145, 147; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 108; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 546; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 469. Vgl. auch Sicht der Ökonomik Baßeler/Heinrich/Utecht, Volkswirtschaft, S. 51. 92 IMF, Sovereign Credit Ratings (Okt. 2010), S. 13; Mathis/McAndrews/Rochet, 56 J. Monet. Econ. (2009), 657, 669; Portes, Rating agency reform, S. 145, 147; Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT (2010), S. G 76. 93 Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 546. 94 Siehe § 2 II, § 5 IV. 95 Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14, 20; Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 12; Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 5 (11/2008), § 13:6.1. Das geltende U.S.-amerikanische Aufsichtsrecht stuft die Bezahlung der Rating-Agenturen durch die Abonnenten der Ratingpublikationen ausdrücklich als Interessenskonflikt ein (Rule 17g–5(b)(4), (5) zum Securities Exchange Act of 1934). 96 In diese Richtung auch Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT (2010), S. G 74. 97 Vgl. Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 13: „A regulated investor might prefer that a credit rating on a bond simply be high enough so that it can be included in its portfolio, rather than accurately reflect the issuer’s default risk. Under such a scenario, it is at least conceivable that an unprincipled rating agency would implicitly collude with a risky issuer and investors wishing to skirt portfolio restrictions by providing an inflated rating“; Coffee, 1 Harv. Bus. 91
§ 25 Einzelne Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen
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zumindest nicht ebenso effektiv geltend gemacht werden wie das Interesse eines einzelnen Emittenten. Daneben wird man noch eine weitere Folge einer Umstellung des Ratinggeschäftsmodells zu beachten haben, die bislang – soweit ersichtlich – völlig übersehen wird: Ein Übergang auf ein „investor pays“-Modell hätte nämlich tief greifende Auswirkungen auch auf die Regulierungsfunktion des Ratings, die stets mitbedacht werden müssen. Nun besitzt die Regulierungsfunktion des Ratings zwar derivativen Charakter,98 macht sich also die eigentlich zu Marktinformationszwecken geschaffenen Bonitätsbeurteilungen zunutze und kann daher nicht beanspruchen, dass diese in Inhalt, Form und Verfahren unverändert bleiben. Aber es ist doch unverkennbar, dass eine fehlende öffentliche Zugänglichkeit oder, wenngleich in geringerer Intensität, auch eine Vergütungspflicht bestimmter Investoren die regulatorische Funktion des Ratings grundlegend umgestalten würde: So macht es einen entscheidenden Unterschied, ob ein Unternehmen die Gesetzeskonformität des eigenen Verhaltens durch die Heranziehung kostenfrei zugänglicher Ratings feststellen kann oder das Rating kostenpflichtig abonnieren muss, um die Vorgabe eines ratingbasierten Gesetzes im konkreten Fall ermitteln zu können, und die Bestimmung des zahlungspflichtigen Investorenkreises hätte wohl auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit die Ratingbeauftragung erfolgt, um einer spezifischen rechtlichen Vorgabe zur Ratingbeachtung gerecht zu werden. Jede (hier abgelehnte) Umstellung auf ein „investor pays“-Modell müsste den diversen nationalen und internationalen Regelsetzern daher zumindest ausreichend Zeit geben, um eine Änderung ihrer ratingbasierten Rechtsvorschriften prüfen zu können.
(b) Einführung einer Beauftragung durch staatliche Behörden oder private Plattform Vor allem vor dem Hintergrund der wohl unvermeidlichen Trittbrettfahrerproblematik wird als alternativer Reformansatz vorgeschlagen, die Bezahlung der Rating-Agenturen durch den Emittenten zwar beizubehalten, die Auswahl und Beauftragung der Agentur aber einer staatlichen Behörde99 oder einer privat organisierten, von Investoren und Emittenten gemeinsam betriebenen „Plattform“100 zu übertragen. Diesen Gedanken nahm auch das im Entwurfsstadium des U.S.-amerikanischen Dodd–Frank Acts vorgeschlagene Franken Amendment101 auf, dem zufolge ein durch die SEC überwachtes „Credit Agency Review 98 L. Rev. (2011), 231, 234: „a dirty little secret about credit ratings“; Jobst/Kapoor, WM 2013, 680, 683; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14, 15; eingehend Lucas/Goodman/ Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 23. 98 Dazu bereits § 1 II 2. 99 Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 24; Möllers, JZ 2009, 861, 866; ders./Wecker, ZRP 2012, 106, 107; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 108 f. Kritisch Zimmer, in FS Hopt (2010), S. 2689, 2703. 100 Mathis/McAndrews/Rochet, 56 J. Monet. Econ. (2009), 657, 669; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 547; Unterman, 5 Hastings Bus. L.J. (2009), 53, 102 f.; auch Hill, 15 Chapman L. Rev. (2011), 133, 147. 101 Der Änderungsvorschlag ist benannt nach einem seiner Initiatoren, dem Senator Al Franken (Minnesota).
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Board“ im Bereich strukturierter Finanzinstrumente die Rating-Agenturen beauftragen sollte.102 Auf diese Weise werde der Interessenskonflikt beseitigt, weil die beauftragende Stelle an keiner bestimmten Ratinghöhe interessiert sei, sondern die Auswahl nach rein objektiven Gesichtspunkten (etwa anhand der Übereinstimmung vergangener Ratings mit tatsächlichen Ausfallquoten) vornehmen könne.103 Wenngleich dieses Modell geeigneter erscheint als die oben referierten Ansätze, sprechen die besseren Gründe im Ergebnis doch gegen seine Umsetzung. Eine wesentliche Schwierigkeit stellt der Exklusivanspruch dar, den dieses Beauftragungsmodell hat104 und wohl auch haben muss, wenn es die durchgehend unabhängige Auswahl der Rating-Agentur sicherstellen will – es müsste Emittenten (und Investoren) daher verboten sein, eigenständig Ratings in Auftrag zu geben,105 und dies würfe Fragen der Vereinbarkeit mit der Pressefreiheit auf, weil damit in der Sache ein Verbot von Presseveröffentlichungen mit Erlaubnisvorbehalt eingeführt würde. Dass ein solcher „prior restraint“ mit dem U.S.-amerikanischen First Amendment vereinbar wäre, erscheint kaum denkbar, und auch die Pressefreiheit des deutschen Rechts (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) richtet insoweit erhebliche Hürden auf.106 Zudem wirkt sich in diesem Zusammenhang wiederum die Eigenschaft des Ratings als globale Marktinformation aus, die zum einen die Frage aufwirft, die Behörden welchen Landes für die Agenturauswahl zuständig sein sollen, und zum anderen unklar erscheinen lässt, wie die Veröffentlichung sonstiger Ratings in anderen Staaten verhindert werden könnte – möglich wäre dies nur auf Grundlage eines international einheitlichen Regulierungsansatzes, der kaum realistisch erscheint. In jedem Fall setzt das vorgeschlagene Modell ein erhebliches Vertrauen in auswählende Stelle voraus,107 die völlige Freiheit in der Auswahl der Rating-Agentur (oder Agenturen?) besäße oder dabei nach bestimmten Kriterien (welchen?108) 102 Der Vorschlag wurde nicht Teil des angenommenen Gesetzes (vgl. dazu Voorhees, 44 Case W. Res. J. Int’l L. (2012), 875, 886: „many speculate that rating-agency lobbyists had a hand in this decision“); § 939F Dodd–Frank Act beauftragt die SEC lediglich mit einer näheren Untersuchung zu Vor- und Nachteilen einer solchen Regelung. 103 Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 24; Mathis/McAndrews/Rochet, 56 J. Monet. Econ. (2009), 657, 669; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 109. 104 Anders wohl nur der Vorschlag von Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 24, der eine „unabhängige“ Auswahl anscheinend nur für die regulatorische Ratingverwendung vorschreibt – dies läuft faktisch auf eine Änderung der Anerkennungsvoraussetzungen (§ 23) hinaus. 105 A.A. Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 484 (zum gescheiterten Franken Amendment zum Dodd–Frank Act; Hill, 15 Chapman L. Rev. (2011), 133, 147; Möllers/ Wecker, ZRP 2012, 106, 109. 106 Vgl. § 22 II 3. 107 Choi, 1 Berkeley Bus. L. J. (2004), 45, 76; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 109. 108 Auf diese Unsicherheit hinweisend Jaffee, 56 J. Monet. Econ. (2009), 675, 677; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14, 20.
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vorgehen müsste – es stünde zu erwarten, dass bei der Auswahlentscheidung, die ja nicht lediglich über die bonitätsgestützte Regulierung des Emittenten, sondern die am Markt überhaupt verfügbaren Bonitätsinformationen bestimmen würde, auch Faktoren wie die aus behördlicher Perspektive wünschenswerte Ausweitung von Marktanteilen „kleiner“ Rating-Agenturen eine Rolle spielen könnten. Da zweifelhaft erscheinen muss, ob die so getroffene Agenturauswahl mit dem Interesse des zahlenden Emittenten übereinstimmen wird, kann diese zu einer Zurückhaltung vertraulicher Emittenteninformationen109 während des Ratingverfahrens110 und damit zu einer (mittelbaren) Informationsverknappung am Markt führen.111 Jedenfalls müsste die auswählende Stelle – wie dies auch gefordert wird112 – wohl für Auswahlfehler haften, und dass ein Staat eine solche Haftung für seine Behörden übernehmen würde, darf vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen in der Kapitalmarktregulierung113 als ausgeschlossen gelten. Im Ergebnis stellt das vorgeschlagene Modell nach alledem keine empfehlenswerte Alternative dar.114 cc) Eigener Ansatz: Ausgleich spezifischer Fehlanreize durch spezifische gesetzliche Verbote Der vorzugswürdige Lösungsansatz liegt nach hier vertretener Ansicht in einer Kombination aus der Überwachung der Rating-Agenturen, die zulässigerweise ganz oder teilweise ein „issuer pays“-Geschäftsmodell verwenden, durch den Markt,115 und deren Ergänzung durch einzelne gesetzliche Verbotstatbestände.116 Verbote sollten dabei dort (und nur dort) zur Abwendung spezifischer Gefahren für die Unabhängigkeit der Rating-Agentur eingesetzt werden, wo der Markt aufgrund bestehender Fehlanreize nicht adäquat zu reagieren vermag.117 (1) Die Bedeutung von Marktstruktur und -usancen für die Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch Marktmechanismen Ob die Überwachung der Rating-Agenturen durch den Markt eine ausreichende Sicherung ihrer Unabhängigkeit gewährleistet, hängt nach hier vertretener An109 Zur Bedeutung der Rating-Agenturen als Übermittler nicht-öffentlicher Informationen siehe § 5 III 1 a) cc) (1), § 11 III. 110 In diese Richtung auch Jaffee, 56 J. Monet. Econ. (2009), 675, 677. 111 Vgl. etwa Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 566: „the issuer-agency dialogue is presumably vital to the continued accuracy and reliability of the ratings“; vgl. auch Tönningsen, ZBB 2011, 460, 469. 112 Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 25; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 548. 113 Vgl. für das deutsche Recht nur § 4 Abs. 4 FinDAG. 114 Wie hier auch Tönningsen, ZBB 2011, 460, 469; Zimmer, in FS Hopt (2010), S. 2689, 2703. 115 Dazu sogleich unter (1). 116 Siehe dazu (2)–(4). 117 Vergleichbarer Grundansatz bei Choi, 1 Berkeley Bus. L. J. (2004), 45, 71 ff.; Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72, 79 u. 99.
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sicht vor allem von der Marktstruktur sowie den Gepflogenheiten ab, die am konkreten Markt bezüglich der Beauftragung von Rating-Agenturen durch den Emittenten herrschen. (a) Marktsegmente mit „Zwei-plus-Ratings“-Usance Als Ausgangspunkt ist dabei festzuhalten, dass ein relevanter Anreiz zur Rücksichtnahme auf die Interessen beauftragender Emittenten für eine Rating-Agentur überhaupt nur unter der Voraussetzung bestehen kann, dass der Emittent die Möglichkeit des „Abwanderns“ zu konkurrierenden Agenturen („rating shopping“) besitzt, sofern seinem Interesse an einer vorteilhaften Bonitätseinstufung nicht Rechnung getragen wird.118 Die effektivste Absicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen besteht daher auf solchen Teilmärkten, auf denen – wie auf den meisten Märkten für traditionelle Anleihen – infolge der vorherrschenden „Zwei-plus-Ratings“-Usance119 Bonitätsbeurteilungen von zwei oder gar allen drei der großen Rating-Agenturen erforderlich sind, um eine Anleihe am Markt platzieren zu können. Im Zusammenspiel mit der natürlich-oligopolistischen Marktstruktur auf Seiten der Ratinganbieter120 bewirkt diese Marktusance, dass die großen Rating-Agenturen keinen wirtschaftlichen Anreiz haben, auf Interessen der Emittenten Rücksicht zu nehmen, weil diese entweder gar nicht abwandern können121 oder, sofern sie „nur“ zwei Ratings benötigen, durch die Wahl der beiden anderen Rating-Agenturen keine entscheidenden Umsatzeinbußen verursachen würden, weil der Markt auf Seiten der Ratingnachfrager (d.h. der Emittenten) stark zersplittert ist.122 Das Interesse der Rating-Agenturen an der Reputationserhaltung reicht unter den beschriebenen Umständen folglich aus, um die notwendige Unabhängigkeit von den beauftragenden Emittenten zu sichern.123
118 Zutreffend Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 104: „The potential conflict of interest in the ,issuer pays‘ model typically arises whenever an issuer has alternative NRSROs to which it can turn.“ 119 Siehe § 20 II 2 b) bb) (2). 120 Siehe § 20 II, III. 121 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 106: „… it is unclear how great an impact any such conflict has, given that issuers have no choice but to obtain a rating from one of the limited number of firms offering the service. In other words, the credit rating agencies probably do not feel pressure to please issuers to get their business“; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 74; Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 488. 122 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 639 f.; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 662. 123 Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 107: „In the context of the ,issuer pays‘ model, it would appear that a monopoly rating structure would be better than a competitive structure, since it is the availability of competitive alternatives that allows the issuer to play off one rater against another.“ Bestimmte Fehlanreize dürften allerdings auch an einem Markt mit den beschriebenen Eigenschaften nur durch spezifische Verbote abgefedert werden können; vgl. zu diesen sogleich unter (2) ff.
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(b) Marktsegmente, auf denen ein Rating ausreicht Dies ist demgegenüber dort nicht der Fall, wo Emissionen – wie etwa am Markt für strukturierte Finanzinstrumente vor der globalen Finanzkrise 2007–09124 – aufgrund abweichender Marktusancen lediglich ein einziges Rating benötigen, um einen ausreichenden Investorenkreis zu finden.125 In einem solchen Fall besteht eine evidente Möglichkeit des Ratingauftraggebers, zu einer konkurrierenden Rating-Agentur abzuwandern, sofern seinen Interessen bei Vornahme der Bonitätsbeurteilung nicht entgegen gekommen wird,126 womit ein entsprechender Fehlanreiz auf Seiten der Rating-Agentur aktualisiert wird. Diesem wird die Rating-Agentur um so eher nachgeben, je größer die Nachfragemacht des Ratingauftraggebers (und damit der drohende Umsatzverlust) ist. In dieser Hinsicht wirkt sich am Markt für strukturierte Finanzinstrumente wiederum aus, dass die Ratingaufträge regelmäßig nicht durch die Emittenten (diese waren typischerweise bloße Zweckgesellschaften), sondern durch beratende Investmentbanken vergeben werden,127 die jeweils einen signifikanten Marktanteil abdeckten:128 Am Vorabend der globalen Finanzkrise 2007–09 entfielen nicht weniger als 92% des U.S.-amerikanischen Marktes für Collateral Debt Obligations auf Basis von RMBS129 auf lediglich zwölf Investmentbanken, die insoweit als underwriter auftraten130 und damit auch über die Beauftragung der Rating-Agenturen entschieden.131 Hier erwies sich die Gefahr eines Abwanderns von Ratingauftraggebern also als ebenso real wie wirtschaftlich folgenreich,132 womit eine Beeinflussung der Ratingtätigkeit durch das andernfalls drohende „rating shopping“ ermöglicht wurde.133 Marktstruktur und -usancen an einem solchen Markt
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Siehe bereits § 10 IV 3 b). Adelson, Rating Shopping, S. 1. 126 Adelson, Rating Shopping, S. 1; Benmelech/Dlugosz, NBER Macro Annual 2009, 161, 191: „Unless investors demand multiple ratings on deals, issuers will tend to use only ratings from the agency with the most lenient standards.“ 127 Vgl. etwa Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 17.8.2012, 888 F.Supp.2d 431, 441 (S.D.N.Y. 2012). 128 SEC, Annual Report on NRSROs (June 2008), S. 28; Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 18. 129 Vgl. zu den unterschiedlichen Spielarten komplexer Finanzinstrumente bereits § 10 I 1 a). 130 SEC, Summary Report (July 2008), S. 32; Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 238 (mit Auflistung der jeweiligen Marktanteile); Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 640; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 552. 131 Freeman, 33 Vt. L. Rev. (2009), 585, 601: „troubling“. Bei traditionellen Industrieanleihen wählt hingegen in 50,5% der Fälle der Emittent selbst und nur in 40,2% der Fälle der underwriter die Rating-Agentur aus (Baker/Mansi, 29 J. Bus. Fin. & Acct. (2002), 1367, 1378). 132 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 640; Hatchett, 63 Ala. L. Rev. (2012), 407, 421; Hill, 15 Chapman L. Rev. (2011), 133, 138; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 552. 133 Bolton/Freixas/Shapiro, Credit Ratings Game (Jan. 2009), 4; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 19; Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 239; Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 18; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 641; Freeman, 33 Vt. L. Rev. (2009), 585, 601 f.; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 552; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1026; Spindler, AG 2010, 601, 610. 125
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verhindern daher, dass die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen bereits durch Marktmechanismen ausreichend gesichert wird. Der beschriebenen, auf Investorenpräferenzen zurückgehenden Marktstruktur wirkt die EG-RatingVO seit ihrer Teilreform im Jahre 2013 dadurch entgegen, dass sie Emittenten strukturierter Finanzinstrumente zur Beauftragung von mindestens zwei Rating-Agenturen verpflichtet („doppeltes Rating“).134 Dass diese Regel mittelbar die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen stärkt, war allerdings wohl unbeabsichtigt, weil der EU-Gesetzgeber mit der Vorgabe ein ganz anderes Ziel – nämlich die Wiederherstellung des Marktvertrauens in Ratings für strukturierte Finanzinstrumente135 – verfolgte. Der regulatorische Zufallstreffer dürfte gleichwohl bewirken, dass ein einzelnes Rating jedenfalls am europäischen Markt für komplexe Finanzinstrumente künftig nicht mehr ausreicht und die Gefahr des „rating shopping“ mit einem Gegeneinanderausspielen mehrerer Rating-Agenturen daher sinkt.
Neben der Unabhängigkeitsgefährdung, die aus dem latenten Anreiz zur Vermeidung des „Abwanderns“ von Ratingkunden und des damit drohenden Verlustes von Folgeaufträgen resultieren kann, sind allerdings noch verschiedene andere Fehlanreize feststellbar, die durch das Interesse der Rating-Agentur an Reputationserhaltung nicht oder nicht ausreichend ausgeglichen werden. Ihnen muss daher, wie im Folgenden darzulegen ist, durch rechtliche Verbote begegnet werden. (2) Verbot der Abhängigkeit der Ratingeinstufung von der Bezahlung Unabhängig von der bestehenden Marktstruktur ist zunächst offenkundig, dass die Bezahlung der Rating-Agentur136 oder einzelner Ratinganalysten137 nicht von der in concreto erteilten Ratinghöhe abhängig gemacht werden darf: Der spezifische Anreiz zum Verdienen der (höheren) Vergütung wäre in diesem Fall stärker als der allgemeine Anreiz zur Reputationswahrung,138 und selbst eine (theoretisch denkbare) Offenlegung dieses Bezahlungsmodus würde daran vermutlich nichts ändern können. Die Unzulässigkeit einer solchen Vereinbarung wird an134 Art. 8c Abs. 1 EG-RatingVO; siehe dazu bereits § 10 III 2 b) bb), IV 3 b). Die Vorschrift greift freilich nur ein, sofern der Emittent überhaupt beabsichtigt, ein Rating in Auftrag zu geben, und lässt es ihm daher unbenommen, auf Ratings gänzlich zu verzichten – allerdings können komplexe Finanzinstrumente aus diversen Gründen faktisch nicht ohne Rating platziert werden (vgl. schon § 10 I 2). 135 So Erwägungsgrund 28 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. Warum gerade ein Zwang zum doppelten Rating dieses Vertrauen wieder herstellen soll, ist allerdings ein Geheimnis geblieben. 136 Haar, JZ 2008, 964, 970; Theilacker, ZKredW 2005, 177, 180; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 304; ders., Structured Finance, Stand: Release 5 (11/ 2008), § 13:6.1. 137 Boos, BFuP 2005, 267, 268; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 92; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 76; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 336. 138 Vgl. hierzu das spieltheoretische Verhandlungsszenario bei Bieta/Schmalzhaf, WiSt 2008, 512 ff.
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scheinend als so klar eingestuft, dass ein ausdrückliches Verbot überwiegend für überflüssig gehalten wird; allein die Hongkonger Aufsichtspraxis erklärt eine ergebnisabhängige Ratingvergütung explizit für unzulässig.139 Verboten wird hingegen die Annahme von Geschenken durch die Ratinganalysten, weil diese in der Sache wie eine zusätzliche Vergütung wirken, wobei man in der EU jegliches Geschenk ausschließt,140 in den U.S.A. hingegen Geschenkwerte bis 25 USD zulässt.141 Ergänzende Verbotstatbestände betreffen mittelbare Gefährdungen und richten sich etwa gegen die Abhängigkeit der Vergütung der Ratinganalysten von den Einkünften, die der Rating-Agentur von dem jeweiligen Emittenten zufließen,142 weil es sich andernfalls für den Analysten auszahlen würde, einen „guten“ Agenturkunden nicht durch eine schlechte Ratingeinstufung zu brüskieren. Nach der EG-RatingVO143 und U.S.-amerikanischem Recht144 dürfen an Ratingtätigkeiten beteiligte Ratinganalysten zudem nicht an Verhandlungen mit Auftraggebern über Entgelte und Zahlungen teilnehmen – ein organisatorisches Trennungspostulat, das in der Praxis durch „chinese walls“ innerhalb der Rating-Agentur umgesetzt wird.145 (3) Verbot der lediglich nachträglichen Beauftragung und Bezahlung der Rating-Agentur nach Wahl des Emittenten (sog. Provisionsmodell) Eine weitaus größere Gefahr für die Unabhängigkeit der Rating-Agentur stellt eine Abwandlung des „issuer pays“-Modells dar, die in jüngerer Zeit im Markt für komplexe Finanzinstrumente Verbreitung gefunden hat und wesentlich zum Ausbruch der globalen Finanzkrise beigetragen haben dürfte. Dieses als „Provisionsmodell“ (commission model) bezeichnete146 Vergütungsarrangement ist deshalb so prekär, weil es zum einen höchst bedenkliche Fehlanreize setzt und zum anderen von staatlichen Regelsetzern bislang weitgehend vernachlässigt wurde. (a) Das „Provisionsmodell“ (commission model) Das sog. „Provisionsmodell“ zeichnet sich dadurch aus, dass der Emittent eines zu begebenden komplexen Finanzinstruments – oder, häufiger, sein Berater (in der Praxis vor allem Investmentbanken) – nach Abschluss der Strukturierung des zu ratenden Finanzinstruments bei mehreren Rating-Agenturen zunächst ein 139
CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 31 zu contingent fee arrangements. Anh. I Abschn. C Abs. 4 EG-RatingVO. 141 Rule 17g–5(c)(7) unter dem Securities Exchange Act. 142 Art. 7 Abs. 5 EG-RatingVO. 143 Art. 7 Abs. 2 EG-RatingVO. 144 Rule 17g–5(c)(6) unter dem Securities Exchange Act. 145 Hitselberger/Lynch, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2009 Supplement, § 7.02[C]. Skeptisch zu deren Effektivität Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 255. 146 Diese Bezeichnung geht auf den sog. Cuomo-Vergleich aus dem Jahre 2008 zurück (zu diesem im Text). 140
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sog. vorläufiges Rating (prospective assessment) einholt.147 Für die Erstellung eines solchen vorläufigen Ratings wird dabei kein formeller Ratingauftrag erteilt mit der Folge, dass der Emittent für die Beurteilungstätigkeit der Rating-Agentur keine Vergütung schuldet148 – die Agentur leistet ihre Analysearbeit also auf eigene Rechnung. Darin liegt ein tief greifender Unterschied zum überkommenen „issuer pays“-Modell im traditionellen Anleihegeschäft, bei dem die Beauftragung der Rating-Agentur Voraussetzung der Ratingtätigkeit ist und die Vergütung daher unabhängig von Ausgang und Ergebnis des Beurteilungsprozesses fällig wird149 – ein Unterschied, der noch bedeutsamer ist, weil die Rating-Agentur alle wesentlichen, aufwändigen Analyseschritte bereits zur Erstellung des „vorläufigen“ Ratings durchführen muss und damit in der Sache fast vollumfänglich in Vorleistung geht. Im Rahmen des „Provisionsmodells“ wählt der Berater des Emittenten nun erst in einem zweiten Schritt diejenige Rating-Agentur aus, die er mit der „endgültigen“ Ratingerstellung beauftragt und damit bezahlt – da diese Beauftragung typischerweise erst (und nur) dann erfolgt, wenn das Finanzinstrument tatsächlich am Markt platziert wird, gleicht die Ratingvergütung damit wirtschaftlich einer Provision, die aus Anlass der erfolgreichen Transaktion gezahlt wird. Die nicht beauftragten Rating-Agenturen erhalten hingegen keinerlei Vergütung150 und haben ihre Ratingtätigkeit daher vergeblich geleistet. (b) Fehlanreize und Unabhängigkeitsgefährdung Das „Provisionsmodell“ setzt im Ergebnis hoch problematische Fehlanreize, die sich – ebenso wie das Entstehen dieses Vergütungsmodells überhaupt – wiederum nur mit der besonderen Struktur des Marktes für komplexe Finanzinstrumente erklären lassen.151 So wirkt sich maßgeblich aus, dass an diesem Markt die Beurteilung des jeweiligen Finanzinstruments durch nur eine Rating-Agentur für ausreichend gehalten wird,152 während auf dem allgemeinen Anleihemarkt eine „Zwei-plus-Ratings“-Usance153 gilt – der Emittent kann sich daher auf die Beauftragung nur einer Rating-Agentur beschränken und erhält so erst die Möglichkeit einer Auswahl, die er in anderen Marktsegmenten in dieser Form nicht hätte. Bei dieser Auswahl wird er sich nun natürlich an dem „vorläufigen“ Rating der einzelnen Agenturen orientieren und (nur) diejenige auswählen und mit einer Ver147
IOSCO, Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets (May 2008), S. 14; CESR, Second Report (May 2008), Tz. 203 f. 148 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 32; SEC, Summary Report (July 2008), S. 9. 149 Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 226. 150 Nach Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 32 kommt nur vereinzelt die Vereinbarung einer „break-up fee“ vor; ebenso SEC, Summary Report (July 2008), S. 9. 151 Zur Bedeutung der Marktstruktur bereits oben unter I 2 b) bb) (1); zum Markt für komplexe Finanzinstrumente § 10 IV 3. 152 Siehe schon § 10 IV 3 b). 153 Siehe dazu § 20 II 2 b) bb) (2).
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gütung belohnen, die die höchste Ratingeinschätzung abgegeben hat. Es findet damit im Rahmen des „Provisionsmodells“ mittelbar doch eine Produktdifferenzierung anhand der Ratinghöhe (also ein „rating shopping“ des Emittenten154) statt, deren generelle Unvereinbarkeit mit der Funktion des Ratings bereits an anderer Stelle155 begründet wurde. Für die Rating-Agentur schafft diese einen massiven Anreiz, eine hohe Ratingeinstufung in Aussicht zu stellen, da sie nur in diesem Fall auf eine Bezahlung hoffen kann156 – ein Fehlanreiz, der in seiner Intensität deutlich über die bereits angesprochenen Fehlanreizlagen hinausgeht, in denen ein Anreiz zu einer „überhöhten“ Ratingeinstufung lediglich aus dem Risiko einer in Zukunft möglicherweise unterbleibenden Wiederbeauftragung (also einem per se unsicheren und zudem infolge der oligopolistischen Marktstruktur unwahrscheinlichen) Nachteil resultiert, während die Gefahr einer Nichtbeauftragung und -bezahlung hier förmlich greifbar ist.157 Dass überhaupt eine Bereitschaft der Rating-Agenturen besteht, sich auf eine lediglich vorläufige (und damit aus ökonomischer Sicht für sie möglicherweise vergebene) Ratingerstellung einzulassen, erklärt sich zum anderen ebenfalls durch eine Besonderheit des Marktes für komplexe Finanzinstrumente, nämlich die Höhe der hier potentiell zu verdienenden Ratinggebühren: Da die Vergütung in diesem Bereich erheblich über der Vergütung für traditionelle Anleiheratings liegt,158 ist auch die Erwerbsaussicht besonders groß, wodurch sich die Fehlanreizwirkung nochmals erhöht. Im Ergebnis dürfte das noch junge „Provisionsmodell“ damit die wichtigste Gefahr für die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen darstellen. Letzteres gilt auch deshalb, weil es sich bei dem „Provisionsmodell“ um ein Vergütungsmodell handelt, welches vor der Finanzkrise anscheinend marktweit Verwendung fand, während sonstige (versuchte) Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit von Rating-Agenturen allenfalls Einzelfälle oder Fehlverhalten einzelner Agenturen darstellen dürften. Wenn eine endgültige Beauftragung von Rating-Agenturen hingegen üblicherweise erst nachträglich auf Grundlage der „vorläufigen“ Ratinghöhe erfolgt, so wirkt sich dies flächendeckend auf die Ratingunabhängigkeit aus und belastet damit den Kapitalmarkt und die Investoren ungleich stärker. Am U.S.-amerikanischen Markt für Commercial Mort154 CESR, Second Report (May 2008), Tz. 204; IOSCO, Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets (May 2008), S. 14: „arguably“; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1026; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 111: „rating picking“; Zimmer, in FS Hopt (2010), S. 2689, 2694. 155 Siehe § 20 III 3. 156 Casper, in: Leible/Lehmann, Hedgefonds und Private Equity, S. 161, 167; Hurst, 30 Company L. (2009), 61, 62: „obvious incentive to please the issuer“. 157 Vgl. Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 462; Arner/Chau/Hsu/ Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 376: „… caused people to suspect that CRAs may have underestimated risks, possibly by omission, but more crucially by commission“; Zimmer, in FS Hopt (2010), S. 2689, 2694. 158 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 32; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 662. Zur besonderen wirtschaftlichen Bedeutung des Ratingmarktes für strukturierte Finanzinstrumente für die Rating-Agenturen § 10 I 1 a).
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gage Backed Securities (CMBSs) zeigte sich dies mittelbar, als eine der Rating-Agenturen ihre Beurteilungsgrundlagen für diesen Instrumententyp verschärfte159 – ihr Marktanteil ging sogleich rapide zurück, weil künftige Beauftragungen schlicht ausblieben.160
(c) Regelungsbedarf und -ansätze Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass das Provisionsmodell bislang kaum Gegenstand gesetzgeberischer oder aufsichtsbehördlicher Reaktionen gewesen ist. Die EG-RatingVO spricht es in einem Erwägungsgrund lediglich beiläufig in Form eines rechtlich unverbindlichen Appells an,161 während es darüber hinaus weder im deutschen, schweizerischen, U.S.-amerikanischen noch Hongkonger Aufsichtsrecht Erwähnung findet. In den U.S.A. hatte das „Provisionsmodell“ allerdings durch den sog. CuomoVergleich162 aus dem Jahre 2008 eine (freilich sachlich und zeitlich begrenzte) Regelung erfahren: Dieser Vergleich wurde zwischen dem damaligen New Yorker Generalstaatsanwalt (Attorney General) Andrew M. Cuomo und den drei großen Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch abgeschlossen und beendete ein Ermittlungsverfahren, das die New Yorker Behörde zur Untersuchung der Ratingvorgänge auf dem „subprime mortgages“-Markt eingeleitet hatte.163 Im Cuomo-Vergleich verpflichteten sich die Rating-Agenturen zum einen zur Offenlegung aller Verbriefungstransaktionen, bezüglich derer sie um ein „vorläufiges“ Rating gebeten wurden, um der Investorenöffentlichkeit die Feststellung eines „rating shoppings“ durch Emittenten zu ermöglichen164 – insoweit wurde also, wie häufig, auf Publizität gesetzt. Eine vergleichbare Transparenzvorgabe wurde später auch in die EG-RatingVO aufgenommen165 in der Hoffnung, dass Investoren durch die Offenlegung abgebrochener Ratingverfahren bei der Nutzung erstellter Ratings zur Vorsicht gemahnt werden.166 Der Cuomo159 Zur modellabhängigen Bonitätsbeurteilung strukturierter Finanzinstrumente schon § 10 IV 2 a) aa). 160 IOSCO, Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets (May 2008), S. 14. 161 Erwägungsgrund 41 zur EG-RatingVO: „Ratingagenturen sollten Maßnahmen treffen, um zu verhindern, dass Emittenten bei mehreren Ratingagenturen eine Vorabbewertung für ein strukturiertes Finanzinstrument beantragen, um festzustellen, welche von ihnen für die vorgeschlagene Struktur das beste Rating bietet. Auch Emittenten sollten derartige Praktiken vermeiden.“ 162 Presseerklärung vom 5. Juni 2008 unter dem Titel „Attorney General Cuomo announces Landmark Reform Agreements with the Nation’s three Principal Credit Rating Agencies“. (Der vollständige Wortlaut des Vergleichs wurde nie öffentlich zugänglich gemacht.). 163 Es hat eine gewisse Tradition, dass der Staat New York durch seinen Attorney General aggressiver gegen empfundene Missstände auf dem Finanzsektor vorgeht als die SEC (vgl. Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 154). So kam es im Jahre 2002 zu einem ähnlichen Vergleich zwischen dem damaligen Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer und einer Reihe von Finanzanalysefirmen; vgl. Choi, 1 Berkeley Bus. L. J. (2004), 45, 66 ff. 164 Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 669; Shipe/Freeman, 15 Inv. Lawyer (Oct. 2008), 13, 15. 165 Art. 10 Abs. 1 EG-RatingVO. Siehe zu Transparenzpflichten der Rating-Agenturen noch unter III. 166 Positive Beurteilung bei Zimmer, in FS Hopt (2010), S. 2689, 2699 f.
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Vergleich führte jedoch zusätzlich eine zwingende „fee for service“-Vergütung ein, aufgrund derer eine Bezahlung auch dann zu erfolgen hatte, wenn die betreffende Rating-Agentur letztlich nicht mit der Ratingerstellung beauftragt wurde.167 In der Sache handelte es sich hierbei also um ein Verbot, das „Provisionsmodell“ weiterhin anzuwenden, welches die daraus erwachsenen Fehlanreize weitgehend, aber eben nicht vollständig beseitigte:168 Eine lediglich teilweise Lösung konnte der Cuomo-Vergleich schon deshalb nur sein, weil er persönlich auf die drei genannten Rating-Agenturen, sachlich auf den U.S.-amerikanischen Markt für Residential Mortgage-Backed Securities (unter Vernachlässigung anderer Ratingsektoren) und vor allem zeitlich auf drei Jahre (also bis 2011) beschränkt war. Zudem hob er die Verknüpfung von Transaktionsdurchführung und Ratingvergütung nicht völlig auf, weil er lediglich die Zahlung der Vorprüfungsgebühren von der Platzierung des Finanzinstruments abkoppelte und die Höhe der Vorprüfungsgebühren vergleichsweise gering ausfällt, weshalb sich der eigentliche finanzielle Reiz nach wie vor aus dem Abschluss des Ratingauftrages ergab.169 Es empfiehlt sich vor diesem Hintergrund daher, ein gesetzliches Verbot des „Provisionsmodells“ einzuführen, welches als Voraussetzung für die Anerkennung der Rating-Agenturen für regulatorische Zwecke170 verankert werden könnte.171 Eine funktional vergleichbare Regelung ist in Deutschland172 in Gestalt des Verbots von Erfolgshonoraren für Rechtsanwälte173 bekannt, dessen Zweck in der Sicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit und namentlich der „gebotenen kritischen Distanz des Rechtsanwalts zum Anliegen des Auftraggebers“ gesehen wird – diese Eigenschaft, die aufgrund der Stellung des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege174 auch im öffentlichen Interesse besteht, drohe Schaden zu nehmen, wenn mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung für unredliche Berufsträger ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden könne, den Erfolg „um jeden Preis“ auch unter Missachtung ihrer prozessualen Wahrheits167 Ellsworth/Porapaiboon, 18 Bus. L. Today (March/April 2009), 35, 36; Hurst, 30 Company L. (2009), 61, 63; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 669. 168 Aus Sicht der Ökonomie die Cuomo-Regelung begrüßend Bolton/Freixas/Shapiro, Credit Ratings Game (Jan. 2009), 27 f.; vgl. auch Hurst, 30 Company L. (2009), 61, 64: „may be as good as one can realistically expect“. 169 Vgl. Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423, 448. 170 Siehe § 23. 171 Im U.S.-amerikanischen Recht sieht § 15E(h)(2)(A) Securities Exchange Act eine entsprechende Regelungskompetenz der SEC vor. 172 Zu verweisen ist auch auf die von der deutschen Rechtsprechung entwickelte Pflicht anlageberatender Banken, auf durch Dritte versprochene Rückvergütungen („kick-backs“) hinzuweisen, weil diese nach BGH, 19.12.2006, BGHZ 170, 226 Tz. 23 „die konkrete Gefahr“ begründen, „dass die Bank Anlageempfehlungen nicht allein im Kundeninteresse nach den Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung abgibt, sondern zumindest auch in ihrem eigenen Interesse“ – es handelt sich auch hierbei in der Sache um ein Provisionsmodell, dessen Risiken die Rechtsprechung allerdings im Wege der Offenlegung zu begegnen sucht. 173 § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO. 174 § 1 BRAO.
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pflicht anzustreben.175 Dieser Telos lässt sich in vergleichbarer Form auch für die Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen in ihrer quasi-öffentlichen Regulierungsfunktion anführen und spricht dafür, auch diese mit einem entsprechenden Verbotstatbestand zu belegen. Man mag zudem auf die gesetzliche Wertung des § 649 BGB verweisen, die dem Werkunternehmer176 bei Kündigung des Bestellers vor Werksvollendung einen anteiligen Vergütungsanspruch sichern soll – sie passt freilich auf das „Provisionsmodell“ im Ratingbereich nur unvollkommen, weil die Rating-Agentur hier eben die Herstellung eines vorläufigen Ratings als Werk vergütungsfrei versprochen hat177 und § 649 BGB zudem die Interessen des Werkunternehmer an seiner Vergütung, nicht hingegen die hier in Rede stehenden Interessen des Kapitalmarkts an einer interessenskonfliktfreien Vergütungsregelung schützen soll.
Es bleibt daher die Schaffung einer spezialgesetzlichen Regelung aufgegeben. (4) Umsatzbezogener Ausschlussgrund für Rating-Agenturen Schließlich ist die Statuierung einer umsatzbezogenen Höchstgrenze zu erwägen, ab deren Erreichen der Rating-Agentur die Erstellung weiterer Ratings im Auftrag des betreffenden Unternehmens verboten ist. Ein entsprechender „absoluter“ Ausschlussgrund, der im deutschen Recht etwa für Abschlussprüfer besteht,178 vermag eine übermäßige wirtschaftliche Abhängigkeit von einzelnen Auftraggebern zu verhindern, durch die der Anreiz des Informationsintermediärs zur Ruferhaltung neutralisiert werden kann.179 Dieses Phänomen hat beim Rating „traditioneller“ Anleihen nie Bedeutung erlangt, wird aufgrund der abweichenden Marktstruktur aber beim Rating komplexer Finanzinstrumente virulent, weil dort ein Großteil des Gesamtumsatzes auf eine kleine Zahl beauftragender Investmentbanken zurückgeht.180 Einen umsatzbezogenen Ausschlussgrund für die Ratingtätigkeit kennt bislang allein das U.S.-amerikanische Recht, das die Grenze bei 10% der Jahresnettoeinkünfte der (in ihrer Regulierungsfunktion anerkannten) Rating-Agentur zieht.181 Obwohl das Konsultationspapier zur EG-RatingVO sogar schon ab 5%
175
BVerfG, 12.12.2006, BVerfGE 117, 163 Tz. 66. Zur Einordnung des Ratingvertrages zwischen Emittent und Rating-Agentur in das Vertragstypensystem des deutschen Rechts s. noch § 27 I 1. 177 Aufgabe des § 649 Satz 2 BGB ist es lediglich, den Unternehmer schadlos zu stellen und die Kündigung für ihn wirtschaftlich zu neutralisieren, sodass ihm aus ihr weder Vor- noch Nachteile erwachsen; vgl. in diesem Sinne Mot. II, S. 503; RG, 27.9.1910, RGZ 74, 197, 199; Staudinger/ Peters/Jacoby, § 649 Rn. 31. 178 §§ 319 Abs. 3 Nr. 5, 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB. 179 Vgl. BeckBilanzKomm/Förschle/Schmidt, § 319 HGB Rn. 70. 180 SEC, Annual Report on NRSROs (June 2008), S. 28; Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 18; Fender/Mitchell, Fin. Stab. Rev. 2005, 127, 130. 181 Rule 17g–5(c)(1) unter dem Securities Exchange Act; dazu Hatchett, 63 Ala. L. Rev. (2012), 407, 423: „makes sense“. 176
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des Umsatzerlöses ein absolutes Ratingverbot vorgesehen hatte,182 beschränkt sich die Verordnung in ihrer verabschiedeten Fassung nunmehr auf eine bloße Transparenzpflicht, die jenseits der 5%-Grenze eine Offenlegung der Kundennamen verlangt.183 Mit einer Offenlegung lassen es auch der Hongkonger Code of Conduct (ebenfalls ab einer 5%-Schwelle)184 und der IOSCO-Kodex (ab einer 10%-Schwelle) bewenden.185 Nach hier vertretener Ansicht empfiehlt sich die Schaffung eines gesetzlichen umsatzbezogenen Ausschlussgrundes, der es der Rating-Agentur ab Erreichen des statuierten Höchstumsatzanteils verbietet, weitere Ratingaufträge von Seiten des betreffenden Auftraggebers anzunehmen.186 Ein solcher Ausschlussgrund sollte dabei nicht nur für in ihrer Regulierungsfunktion anerkannte RatingAgenturen, sondern für jede Agentur gelten, weil eine übermäßige wirtschaftliche Abhängigkeit von einzelnen Auftraggebern auch die unabhängige Wahrnehmung der Marktinformationsfunktion ernsthaft bedroht. Effektiv verhindern lassen dürfte sich eine solche Gefahr dabei nur durch ein materielles Tätigkeitsverbot, das man in Anlehnung an das Konsultationspapier zur EG-RatingVO ab 5% des jährlichen Umsatzerlöses eingreifen lassen mag. Es handelt sich notwendigerweise um eine gegriffene Größe, die sich zwar an den bislang im Bereich der Rating- und Abschlussprüferregulierung diskutierten Zahlen orientiert,187 ggfs. aber nach Auswertung der praktischen Erfahrungen am Ratingmarkt anzupassen wäre. In personeller Hinsicht sollte dabei auf Emittentenseite auf diejenigen Personen abgestellt werden, die tatsächlich über die Erteilung von Ratingaufträgen entscheiden und denen gegenüber daher ein Anreiz zur Rücksichtnahme besteht, um den Wegfall künftiger Aufträge zu verhindern; dies mag der jeweilige Emittent, wird häufiger aber eine beratende Investmentbank sein, die für zahlreiche verschiedene Emittenten (als welche am Markt für strukturierte Finanzinstrumente nur Zweckgesellschaften auftreten) tätig wird.188 Die bloße Offenlegung der Umsatzquoten der wichtigsten Auftraggeber, die in manchen der geltenden 182
Art. 9 Abs. 3 lit. a Konsultationspapier (undatiert); vgl. Möllers, JZ 2009, 861, 864. Anh. I Abschn. B Abs. 2 sowie Anh. I Abschn. E II Abs. 2 EG-RatingVO (wo zudem die Nennung all derjenigen Kunden verlangt wird, deren Beitrag zur Wachstumsrate der Umsatzerlöse der Rating-Agentur im letzten Geschäftsjahr die Wachstumsrate der Gesamtumsatzerlöse um mehr als das 1,5fache überstieg). 184 CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 34(a). Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 395 hatten sich dagegen für einen umsatzbezogenen Ausschlussgrund (analog dem U.S.-amerikanischen Recht) auch für das Hongkonger Recht ausgesprochen. 185 IOSCO-Kodex, Tz. 2.08(b). 186 Wie hier Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 136; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 196; Strunz-Happe, WM 2004, 115, 120; zurückhaltender Blaurock, ZGR 2007, 603, 644. 187 Die bezüglich Abschlussprüfern international erörterten Schwellenwerte variieren zwischen 5% und 15% (Peemöller/Oehler, BB 2004, 538, 543). Vgl. zu Rating-Agenturen Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 196: wegen des Massencharakters des Ratings müsse bereits unterhalb eines Umsatzanteils von 15% angesetzt werden. 188 Es ist evident, dass es insofern einer sorgfältigen rechtstechnischen Gestaltung des Ausschlussgrundes bedarf, um dessen Umgehung zu vermeiden. 183
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Regelungen und von Teilen des Schrifttums189 bevorzugt wird, dürfte den Markt dagegen lediglich mit einer weiteren Information versorgen, aus der „reale“ Investoren schon mangels Kenntnis der sonstigen Kundenstruktur, der wirtschaftlichen Situation und anderer Interna des Ratinggeschäfts kaum auf das Bestehen (oder Fehlen) einer Unabhängigkeitsgefährdung schließen können. Da die hier vorgeschlagene 5%-Grenze bedeuten würde, dass auch neue Rating-Agenturen bei Einsatz des „issuer pays“-Geschäftsmodells bereits vom ersten Tag an mehr als 20 Kunden haben müssten,190 wären zudem Ausnahmetatbestände für neue und kleine Rating-Agenturen vorzusehen,191 die in der geltenden Regulierung des Ratings bereits Verwendung finden.192 Für die Rating-Agenturen würde sich ein umsatzbezogener Ausschlussgrund als erheblicher Eingriff in ihre Geschäftstätigkeit darstellen, der an den Vorgaben der Pressefreiheit zu messen wäre, die jedenfalls nach deutschem Verfassungsrecht auch die Finanzierung geschützter Presseunternehmen durch beauftragte Publikationen schützt.193 Der Eingriff ist in Anbetracht der zentralen Bedeutung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen aber als gerechtfertigt einzustufen, weil ein anderes, ebenso wirksames Mittel nicht ersichtlich ist.194
3. Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch gesellschaftsrechtliche Verflechtung mit anderen Unternehmen Ein Interessenskonflikt und damit eine mögliche Unabhängigkeitsbeeinträchtigung kann auch dadurch entstehen, dass die Rating-Agentur mit einem anderen Unternehmen verflochten ist, und zwar entweder in Form ihrer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an einem gerateten Emittenten oder, gleichsam umgekehrt, der Beteiligung eines beurteilten Unternehmens an der Rating-Agentur.195 Während die erstgenannte Gefährdungslage in der Praxis bislang keine Rolle spielte,196 weil die bestehenden Rating-Agenturen – soweit ersichtlich – keinerlei 189 Möllers, JZ 2009, 861, 865; ebenso Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 10. 190 Möllers, JZ 2009, 861, 865. 191 Blaurock, ZGR 2007, 603, 644. 192 Vgl. etwa Art. 6 Abs. 3 lit. a EG-RatingVO: Freistellungsmöglichkeit für Rating-Agenturen mit weniger als 50 Mitarbeitern. 193 Vgl. nur BVerfG, 10.5.1983, BVerfGE 64, 108, 114 zur „Erhaltung [der] wirtschaftlichen Grundlagen [der Presse] als wesentlicher Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit“. 194 Kein ebenso wirksames Mittel dürfte die durch Art. 6b EG-RatingVO vorgeschriebene Höchstlaufzeit von Ratingverträgen über die Bewertung von Wiederverbriefungen („Rotationssystem“) sein, weil die Unabhängigkeitsgefährdung weniger aus der Dauer der Zusammenarbeit mit einem bestimmten Emittenten bzw. Originator resultiert, sondern aus der kumulativen wirtschaftlichen Bedeutung aller Ratingkontrakte mit ein und demselben Auftraggeber; skeptisch auch Arntz, ZBB 2013, 318, 327. 195 Basel II-Akkord, Tz. 91: „Aktionärsstruktur der Ratingagentur als Auslöser eines Interessenkonflikts“; Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 101; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Meier, ST 2009, 945, 946. 196 Däubler, BB 2003, 429, 433; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 425; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 344 Fn. 18.
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Kapitalbeteiligungen an anderen, branchenfremden Unternehmen vornehmen,197 kommen Beteiligungen anderer Unternehmen an Rating-Agenturen durchaus vor: So hielt die Investmentholding Berkshire Hathaway unter ihrem Chairman Warren Buffet jahrelang nahezu 20% der Anteile an Moody’s (und ist heute immerhin noch mit 11% an der Agentur beteiligt), obgleich Moody’s mit der Ratingerstellung für eigene Emissionen von Berkshire Hathaway beauftragt wird. Die Rating-Agentur Bankwatch (später Thomson Bankwatch) gehörte bis 1989 zur Brokerfirma Keefe, Bruyette and Woods,198 und die Gesellschaftsanteile zweier japanischer Rating-Agenturen (Japan Credit Rating Agency und R&I) werden durch Konsortien japanischer Finanzunternehmen gehalten, zu denen auch Unternehmen gehören, die durch die betreffende Agentur geratet werden.199 Interessenskonflikte aufgrund kapitalmäßiger Beteiligungen sind daneben auch auf der Ebene der Ratinganalysten und sonstiger Entscheidungsträger der Rating-Agenturen denkbar, wenn diese etwa Eigen- oder Fremdkapitaltitel gerateter Unternehmen halten. Wirft man das gedankliche Netz noch weiter, so können schließlich auch Beteiligungen an das Rating verwendenden Investoren,200 mittelbare Beteiligungen (wie durch die Investition in Gesellschaften, die ihrerseits in ein geratetes Unternehmen investieren) oder Verflechtungen auf Konzernebene als Grund für Interessenskonflikte erscheinen. Ein Interessenskonflikt ist aber auch hier nicht per se problematisch, sondern nur dann, wenn er nicht adäquat zu bewältigen ist und daher die Unabhängigkeit der Rating-Agentur beeinträchtigt. Die rechtliche Grenze wird hier im internationalen Vergleich nicht einheitlich gezogen: Während im EU-Recht bislang interne Regelungen201 oder, wie etwa im Recht der Finanzanalysten,202 die Offenlegung von wesentlichen Beteiligungen als ausreichend angesehen wurden,203 setzt die EG-RatingVO204 nunmehr ebenso wie das Hongkonger205 und das U.S.-amerikanische Recht206 auf spezifische Ratingverbote,207 deren Voraussetzungen freilich ganz unterschiedlich klar gefasst sind. Im Schweizer Recht greift neben einem generellen aufsichtsrechtlichen Unabhängigkeitsge-
197 Soweit sich Rating-Agenturen an anderen (regelmäßig ausländischen) Rating-Agenturen beteiligen, stellt sich die Problematik nicht. 198 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 3. 199 Vgl. Guideline No. 6.2.2B der HKMA vom 9. Apr. 1998; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 3 sowie im Folgenden im Text. 200 FINMA, Rundschreiben 2008/26 Ratingagenturen, Rn. 15. 201 So CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 98. 202 Art. 6 Abs. 1 lit. a Durchführungsrichtlinie 2003/125/EG verlangt die Offenlegung „wesentlicher Beteiligungen“ zwischen Finanzanalyst und Emittent und ordnet Beteiligungen jenseits von 5% des gesamten Aktienkapitals des Emittenten als „wesentlich“ ein. 203 Transparenz wird ebenfalls für genügend gehalten von Göres, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 80; Niedostadek, Rating, Rn. 227. 204 Anh. I Abschn. B Abs. 3 EG-RatingVO. Dazu Stemper, Rahmenbedingungen, S. 237 ff. 205 Mit freilich sehr unbestimmter Formulierung HKMA, Policy Paper, Tz. 6.2(c). 206 Rule 17g–5(c)(2) unter dem Securities Exchange Act. 207 Hierfür im Schrifttum Boos, BFuP 2005, 267, 268; Stürner, ZHR 173 (2009), 363, 377.
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bot208 eine vertragsrechtliche, auf die Treuepflicht aus dem Ratingvertrag gestützte Pflicht zur Unabhängigkeit ein,209 die daher allerdings wohl nur zugunsten des auftraggebenden Emittenten (und nicht der Investorenöffentlichkeit) wirken kann. Hinzu treten verschiedentlich Regelungen, die nicht auf die RatingAgenturen, sondern deren einzelne Mitarbeiter abzielen und die Investition in ein Unternehmen mit dessen Bonitätsbeurteilung für inkompatibel erklären,210 während im Schrifttum auch auf dieser Ebene eine bloße Offenlegung als ausreichend erachtet wird.211 Aufschlussreicher als die aufgezeigten, disparaten Rechtsregeln erscheint die bisherige Praxis auf diesem Gebiet, die ein abgewogenes Vorgehen der Aufsichtsbehörden gegen greifbare Unabhängigkeitsgefährdungen erkennen lässt: So schritt in den U.S.A. das Federal Reserve Board als zuständige Bankenaufsichtsbehörde ein, als die Rating-Agentur Duff & Phelps212 im Jahre 1984 durch die Security Pacific Bank übernommen werden sollte, und entschied, dass Duff & Phelps in diesem Fall keine Ratings mehr veröffentlichen dürfe, weil die Eignerbank andernfalls (mittelbar) die Ratingeinstufung ihrer eigenen Kreditnehmer hätte bestimmen können.213 Die geplante Übernahme wurde daraufhin nicht durchgeführt. In Hongkong sah sich die Aufsichtsbehörde hingegen mit dem Umstand konfrontiert, dass unter den Aktionären der japanischen Rating-Agentur R&I auch verschiedene japanische Banken waren, die zugleich von dieser geratet wurden – die HKMA entschied daraufhin, Ratings der R&I nicht mehr für regulatorische Zwecke anzuerkennen, soweit sie Aktionäre der Rating-Agentur betreffen.214
4. Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch ihre Konsultation bereits im Rahmen der Strukturierung später zu ratender Finanzinstrumente Ein weiterer Interessenskonflikt liegt nach allgemeiner Ansicht dann vor, wenn Rating-Agenturen bereits während der Strukturierung komplexer Finanzinstrumente konsultiert werden, um über die Voraussetzungen für eine angestrebte Ratingeinstufung Auskunft zu geben, und das betreffende Instrument später dann
208 FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 32. Hierin liegt bereits eine Verschärfung gegenüber FINMA, Rundschreiben 2008/26 Ratingagenturen, Rn. 15, wo noch eine bloße „soll“-Vorgabe aufgestellt worden war. 209 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 100. 210 Anh. I Abschn. C Abs. 1, 2 lit. a EG-RatingVO; Rule 17g–5(c)(2) unter dem Securities Exchange Act (für am Ratingverfahren nicht direkt beteiligte Mitarbeiter besteht dagegen gemäß Rule 17g–5(b)(6) nur eine Offenlegungspflicht). Zu diesbezüglichen Organisationspflichten knapp Kumpan/Leyens, ECFR 2008, 72, 85. 211 So Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 11; Boos, BFuP 2005, 267, 268. 212 Duff & Phelps wurde im Jahre 2000 schließlich von Fitch übernommen. 213 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 2 Fn. 1; Ederington/Yawitz, in: Altman, Handbook of Financial Markets and Institutions, Kap. 23. 214 HKMA, Guideline No. 6.2.2B (Recognized Credit Rating Agencies for Regulatory Purposes) vom 9. Apr. 1998.
§ 25 Einzelne Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen
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selbst beurteilen:215 In dieser Kombination aus „Beratung“ und anschließender Bonitätsbeurteilung erblickt man nahezu einheitlich eine erhebliche Gefahr für die Unabhängigkeit der Rating-Agentur.216 Es handelt sich bei diesem Phänomen grundsätzlich um eine Besonderheit des Geschäfts mit komplexen Finanzinstrumenten, die beim Rating „traditioneller“ Anleihen so nicht vorkommt. Etwas anderes gilt in gewissem Umfang nur in der Schweiz, weil hier Ratings auch durch die Schweizer Großbanken veröffentlicht werden,217 die zuvor bei der gerateten Emission mitgewirkt haben können – in einem solchen Fall tritt ein ähnlicher Interessenskonflikt auf.218
a) Kombination aus „Beratung“ und späterem Rating als Gefährdungsgrund Die Unabhängigkeit der Rating-Agentur sieht man durch ihre Einbindung in den Strukturierungsprozess dabei deshalb bedroht, weil diese es erschwere, bei dem späteren Ratingvorgang ein aus objektiver Sicht angemessenes, niedriges Rating zu erteilen,219 zumal die Rating-Agentur dadurch künftige Erträge aus der lukrativen Beratung riskieren würde.220 Mit dieser Einschätzung wird – gelegentlich ausdrücklich,221 aber häufig wohl unausgesprochen – eine Parallele zur Beratung durch Abschlussprüfer gezogen, die auf den ersten Blick vergleichbar zu liegen scheint und auf die sowohl in den U.S.A.222 als auch in der EU223 in jüngerer Zeit mit einem Selbstprüfungsverbot reagiert wurde. Ein vergleichbares Verbot von 215
Siehe dazu bereits oben § 10 IV 2 b). de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 21; Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 33; Amort, EuR 2013, 272, 273; Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1921; Becker, DB 2010, 941, 942; Behr, Wirtschaftsdienst 2008, 628; Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1093; Chirico, ECMI Commentary No. 17 (Jan. 2008), S. 3 mit Fn. 6; Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1126; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 66; Hatchett, 63 Ala. L. Rev. (2012), 407, 414; Hurst, 30 Company L. (2009), 61, 62; Jobst/Kapoor, WM 2013, 680, 682; Kübler, in FS Schwark (2009), S. 499, 506; Lannoo, Intereconomics 2008, 265; Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423, 447: „schwerwiegende Gefahren“; Möllers, JZ 2009, 861, 863 f.; ders./Wecker, ZRP 2012, 106, 107; Nagy, 94 Minn. L. Rev. (2009), 140, 158; Portes, Rating agency reform, S. 145, 146; Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 16; Spindler, AG 2010, 601, 602; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 537; Stürner, ZHR 173 (2009), 363, 377; Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 789; Veil/Veil/Teigelack, § 21 Rn. 28; Zimmer, in FS Hopt (2010), S. 2689, 2698. 217 S. zu dieser Besonderheit des schweizerischen Ratingmarktes bereits § 1 III 1 b). 218 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 90. 219 Hurst, 30 Company L. (2009), 61, 62; Kübler, in FS Schwark (2009), S. 499, 506. 220 Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423, 447; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 537. 221 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 10; Chirico, ECMI Commentary No. 17 (Jan. 2008), S. 3 mit Fn. 6; Donahue, 27 Am. Bankr. Inst. J. (Oct. 2008), 67; Hatchett, 63 Ala. L. Rev. (2012), 407, 419 ff.; Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423, 447; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 663; Möllers, JZ 2009, 861, 864 f.; Spindler, AG 2010, 601, 609; Zimmer, in FS Hopt (2010), S. 2689, 2698. 222 Durch den Sarbanes-Oxley Act of 2002, Pub. L. Nr. 107–204, 116 Stat. 745, erlassen im Nachgang zum Enron-Skandal. 223 Durch Art. 22 Abs. 2 EG-Abschlussprüferrichtlinie 2006/43; in Deutschland bereits vorab umgesetzt durch §§ 319 Abs. 2, 3 Nr. 3, 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 HGB. Dazu Peemöller/Oehler, BB 2004, 538, 541: „international unumstrittener Grundsatz“. 216
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Strukturierungsempfehlungen/-beratungen und späterem Rating („no-advise rule“) war erstmals in den Musterregelungen des reformierten IOSCO-Kodex vorgesehen;224 es gehörte jedoch zu den wenigen Bestimmungen, die durch die großen Rating-Agenturen nicht in ihre freiwilligen Verhaltenskodizes übernommen wurden.225 Seit 2009 ist es nun nach und nach in aufsichtsrechtlicher Gestalt in das U.S.-amerikanische Recht,226 die EG-RatingVO227 und die Hongkonger Aufsichtspraxis228 aufgenommen worden, während in der Schweiz weiterhin allenfalls allgemeine Offenlegungspflichten eingreifen.229 Die bloße Herstellung von Transparenz wird dabei im vorliegenden Zusammenhang vielfach nicht als ausreichend erachtet, weil die Investorenöffentlichkeit das Gefährdungspotential der offen gelegten Zusammenarbeit zwischen Emittent und Rating-Agentur kaum richtig einschätzen könne.230 b) Bewertung Wenngleich die beschriebene Skepsis gegenüber bloßen Transparenzpflichten vor dem Hintergrund der begrenzten Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität der Investoren berechtigt erscheint, muss die Erforderlichkeit eines Ratingverbots differenzierend betrachtet werden: Die instinktive Gleichsetzung von Rating-Agenturen und Abschlussprüfern droht nämlich die Unterschiede zwischen beiden Informationsintermediären zu verdecken, die auch einen unterschiedlichen Regelungsansatz nahe legen. So ist zunächst zu beachten, dass Abschlussprüfer in Gestalt des Jahresabschlusses zur Beurteilung eines Gegenstands aufgerufen sind, dessen Ausgestaltung nicht im freien Belieben des Kunden liegt, sondern in Gestalt des „den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ des Unternehmens231 gesetzlich vorgegeben ist. Der Abschlussprüfer misst das „Produkt“ seines Auftraggebers also nicht an eigenen, sondern an fremden (nämlich gesetzlichen) Vorgaben und wird aus diesem Grund mit einem beschränkten Mitwirkungsverbot belegt, das – jedenfalls nach deutschem Recht – lediglich konkrete Gestaltungsvorschläge und -empfehlungen hinsichtlich des später zu prüfenden Jahresabschlusses verhindern soll.232 Die Rating-Agentur bewertet hingegen ein Finanzinstrument ihres Kunden, das von diesem nach dem Grundsatz der Privatautonomie frei gestaltet 224
IOSCO-Kodex, Tz. 1.14–1 in der Neufassung vom Mai 2008. CESR, Report on compliance of EU based Credit Rating Agencies with the 2008 IOSCO Code of Conduct, May 2009, Ref. CESR/09–417, Tz. 61, 128. 226 Rule 17g–5(c)(5) unter dem Securities Exchange Act. 227 Anh. I Abschn. B Abs. 4 Unterabs. 1, Abs. 5 EG-RatingVO; positive Einschätzung bei Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT (2010), S. G 73: „im Grundsatz zielführend“. 228 CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 23. 229 Zu diesen noch unter III. Hingegen war in den U.S.A. schon 1994 eine spezifische Offenlegungspflicht erwogen (aber nie umgesetzt) worden; vgl. SEC Release 33–7086, 34–34617, IC– 20509 vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46304 ff.: „comment is requested as to whether the extent of the rating organization involvement in the structuring of the security should be disclosed“. 230 So Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 654; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 547. 231 § 264 Abs. 2 HGB. 225
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werden kann, und legt dabei ihre eigenen qualitativen und quantitativen Maßstäbe an. Da diese jedoch – trotz zunehmender Methodentransparenz233 – aus Emittentensicht nicht immer klar erkennen lassen, wie eine bestimmte Instrumentenstruktur beurteilt würde, kann es sich bei Einschätzungen von Seiten der Rating-Agentur während des Strukturierungsprozesses auch um die bloße Erläuterung ihres internen Beurteilungsmaßstabs handeln, dessen genaue Vorgaben der Emittent (insofern anders als bei gesetzlichen Bilanzierungsgrundsätzen) nicht anhand anderer Quellen ermitteln kann. Die verständliche Erläuterung ihrer Beurteilungsmaßstäbe durch die Rating-Agentur stellt zudem eine überkommene Forderung dar, mittels derer die viel beklagte „black box“ des Ratingvorgangs erhellt werden soll.234 Gegen eine diesbezügliche Kommunikation zwischen Emittent und Rating-Agentur während des Strukturierungsvorgangs sollte daher nichts zu erinnern sein,235 sofern die Rating-Agentur dabei ihre üblicherweise verwandten Maßstäbe kommuniziert236 und diese später dann auch anwendet (tut sie dies nicht, so sieht sie sich einem andersartigen Vorwurf ausgesetzt, nämlich demjenigen der fehlenden Methodentreue237). Es handelt sich bei einer Diskussion bestimmter Strukturierungsvarianten mit nachfolgendem Rating eben nicht um die „Beurteilung des eigenen Werkes“238 anhand eines gesetzlichen Maßstabes, sondern um die Beurteilung eines fremden Werks anhand eines eigenen, aber zuvor offen gelegten Maßstabes – hierin liegt ein entscheidender Unterschied zwischen Abschlussprüfer und Rating-Agentur. In der jüngsten U.S.-amerikanischen Rechtsprechung wurde eine diesbezügliche Tätigkeit der Rating-Agentur daher im Ergebnis zu Recht für haftungsrechtlich unerheblich gehalten.239 232 BGH, 21.4.1997, BGHZ 135, 260, 264 („Allweiler“); Ebke, in MünchKomm-HGB, 2. Aufl., § 319a Rn. 18; Hülsmann, DStR 2005, 166, 171. Peemöller/Oehler, BB 2004, 538, 541: eine generelle Trennung von Abschlussprüfung und Beratung erfolge nicht. 233 Siehe hierzu noch unten III. 234 Siehe dazu noch näher III. 235 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 649. Aus ökonomischer Sicht ebenso Morkötter/Westerfeld, ZKredW 2008, 393, 396, die zusätzlich auf die daraus resultierende, verbesserte Kenntnis des Ratinganalysten über die konkrete Transaktion verweisen. 236 Eine ganz andere Frage ist, ob die Maßstäbe, welche die Rating-Agenturen bei der (vielfach modellgestützten) Bonitätsbeurteilung strukturierter Finanzinstrumente anwenden und angewandt haben, sachlich geeignet sind oder nicht; vgl. hierzu bereits § 10 IV 2 a) aa). 237 Dazu noch V 2 b) bb). 238 So aber SEC Release 34–59342 vom 2. Feb. 2009, 74 FR 6456, 6466 zu Rule 17g–5(c)(5): „In simple terms, the rule prohibits an NRSRO from rating its own work“. 239 In re Lehman Brothers Sec. & ERISA Litig., 17.2.2010, 2010 WL 545992*4 (S.D.N.Y.): „Second, the rating agencies’ role in structuring the Certificates is not material as a matter of law. A reasonable investor would have known that the ratings agencies were paid by the issuers. If the fee arrangement undermined an investor’s confidence in the ratings agencies’ independence, a disclosure that a rating agency was involved in structuring the Certificates prior to rating them would have added nothing important to the ,total mix‘ of information available. If, on the other hand, an investor trusted the ratings agencies to give an honest opinion notwithstanding the fact that they were paid by the issuer, the fact that they were involved in structuring the Certificates, assuming that they were, likewise would have been unimportant“; In re IndyMac Mortgage-Backed Sec. Litig., 21.6.2010, 718 F.Supp.2d 495, 512 (S.D.N.Y. 2010).
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Anders stellt sich die Gefährdungslage hingegen dort dar, wo die RatingAgenturen für ihre „Beratungsleistungen“ separat entlohnt werden und diese Entlohnung unmittelbar oder mittelbar (etwa aufgrund der Aussicht, ggfs. keine Folgeaufträge zu erhalten) von einer „erfolgreichen“, d.h. ein bestimmtes Rating sichernden Beratungstätigkeit abhängt: Hier besteht in der Tat das Risiko, dass die Rating-Agentur die fehlende Erreichbarkeit der gewünschten Bonität im Wege der Strukturierung nicht wird zugeben wollen und sich daher bei der späteren Ratingerstellung „kulant“ zeigt. Nach den bisherigen Erfahrungen ist aber jedenfalls unklar, ob eine solche separate Vergütung der Strukturierungsberatung überhaupt erfolgt – dies wird zwar gelegentlich behauptet,240 aber weder Stellungnahmen der Rating-Agenturen noch sonstige Quellen scheinen diese Praxis zu bestätigen. Die bestehenden Verbotstatbestände im Recht der EU und der U.S.A. erscheinen daher insgesamt als überschießend.241
5. Zusammenfassung Die Pflicht zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit kann nach alledem als „Königspflicht“ der Rating-Agenturen eingestuft werden, die in allen Rechtsordnungen Gegenstand rechtlicher Vorgaben ist, die inhaltlich freilich ganz unterschiedlich ausfallen. Setzt man bei den drohenden Gefährdungslagen an, so gilt die Beauftragung und Bezahlung von Rating-Agenturen durch den Emittenten242 als wichtigster Grund für eine Beeinträchtigung ihrer unabhängigen Ratingerstellung, der in der Literatur zu vielfältigen Vorschlägen für alternative Vergütungsmodelle geführt243 und mehrere Gesetzgeber immerhin dazu veranlasst hat, dahingehende Untersuchungsaufträge an ihre Aufsichtsbehörden zu richten.244 Nach hier vertretener Ansicht245 wird die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen dagegen vorrangig durch Marktkräfte gesichert, die allerdings durch spezifische gesetzliche Verbote flankiert werden sollten. Entscheidend ist danach die Marktstruktur, die insbesondere am Anleihemarkt infolge des natürlichen Oligopols auf der Ratinganbieterseite sowie der „Zwei-plus-Ratings“-Usance246 bewirkt, dass Emittenten kaum die Möglichkeit zu einem „rating shopping“ besitzen, während der Markt für strukturierte Finanzinstrumente insoweit ein höheres Gefährdungspotential aufweist.247 Insbesondere durch ein Verbot des sog.
240 So durch Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 374 f.; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 537. 241 Kritisch auch Kübler, in FS Schwark (2009), S. 499, 509. 242 Oben 2 a). 243 Oben 2 b) bb) (2). 244 So der U.S.-amerikanische Kongress in § 939D(a) Dodd–Frank Act und der Unionsgesetzgeber in Art. 39 Abs. 5 lit. d EG-RatingVO. 245 Oben 2 b) cc). 246 Oben 2 b) cc) (1) (a). 247 Oben 2 b) cc) (1) (b).
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Provisionsmodells248 sowie die Schaffung eines umsatzbezogenen Ausschlussgrunds249 sollte daher verhindert werden, dass marktimmanente Fehlanreize die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen gefährden können.
II. Pflicht der Rating-Agenturen zur Vorhaltung einer ausreichenden Kapitalausstattung Als weitere grundlegende Organisationspflicht verlangen alle hier untersuchten Rechtsordnungen eine ausreichende Kapitalausstattung von Rating-Agenturen, wobei die Spezifizität der diesbezüglichen Vorgaben unterschiedlich ausfällt.
1. Schweizer, U.S.-amerikanisches und Europäisches Recht: Unspezifische Vorgabe einer hinreichenden Kapitalisierung Die meisten Aufsichtsrechte beschränken sich auf eine vergleichsweise pauschale Anforderung, indem sie „ausreichende“ Ressourcen fordern, um qualitativ hochstehende Ratings durchführen zu können (so in der Schweiz250) oder „adäquate“ finanzielle Ressourcen verlangen, um eine konsistente Anwendung der eigenen Ratingmethoden zu erlauben (so im Rahmen der NRSRO-Anerkennung in den U.S.A.251). Das Zulassungsregime der EU fällt seit Inkrafttreten der EG-RatingVO wohl ebenfalls in diese Kategorie,252 obgleich die in der Verordnung vorgesehenen Vorgaben insoweit seltsam unentschieden wirken: So „sollen“ Rating-Agenturen zwar ausweislich eines der Erwägungsgründe sicherstellen, dass ihnen für die Abgabe, Überwachung und Aktualisierung von Ratings „angemessene“ personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen,253 und die finanziellen Ressourcen für die Durchführung von Ratingtätigkeiten zählen auch zum Pflichtbestandteil der Registrierungsangaben.254 Ein Maßstab der für die nötige Kapitalisierung von Rating-Agenturen wird im verfügenden Teil der EG-RatingVO jedoch nirgends ausdrücklich genannt.255 Man wird allenfalls annehmen können, dass die Kapitalausstattung im Rahmen der generalklauselartigen Pflicht eine Rolle spielen kann, zweckmäßige Systeme, Ressourcen und Verfahren zu verwenden, um die Kontinuität und Regelmäßigkeit des Er-
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Oben 2 b) cc) (3). Oben 2 b) cc) (4). 250 Art. 6 Abs. 1 lit. e ERV i.V.m. FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 48. 251 § 15E(a)(2)(C)(ii)(I) Securities Exchange Act of 1934 i.V.m. Rule 17g–3(a) (Letztere mit Details zur Rechnungslegungspflicht gegenüber der SEC). 252 A.A. wohl CESR, Technical Advice to the European Commission on the Equivalence between the US Regulatory and Supervisory Framework and the EU Regulatory Regime for Credit Rating Agencies vom 21. Mai 2010, Ref.: CESR/10–332, Tz. 321 f. 253 Erwägungsgrund 31 zur EG-RatingVO. 254 Anh. II Tz. 7 EG-RatingVO. 255 Dutta, IPRax 2014, 33, 34. 249
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
gebnisses der Ratingtätigkeiten zu gewährleisten256 – angesichts der vorgenannten Spuren im Verordnungswortlaut erscheint dies vertretbar, obgleich die ESMA keine über den Verordnungsinhalt hinausgehenden Registrierungsanforderungen festlegen darf.257
2. Hongkonger Recht: Spezifische Vorgaben zur Kapitalisierung Das Hongkonger Aufsichtsrecht stellt demgegenüber zwei ungleich spezifischere Organisationspflichten zur Kapitalausstattung zugelassener Rating-Agenturen auf: So müssen Rating-Agenturen zum einen über ein eingezahltes Eigenkapital (paid-up share capital) von mindestens 5 Mio. HKD verfügen258 und zum anderen stets liquides Vermögen (liquid capital) in Höhe von mindestens 100 000 HKD vorhalten.259 Die fortlaufende Einhaltung dieser Kapitalisierungsanforderungen ist durch halbjährliche Einreichung von Nachweisen an die Securities and Futures Commission als zuständige Aufsichtsbehörde zu belegen.260 Aus rechtsvergleichender Perspektive handelt es sich hierbei angesichts ihrer Spezifizität um „exotische“ Pflichteninhalte, denen Rating-Agenturen außer in Hongkong so in keiner anderen der hier untersuchten Rechtsordnung unterworfen werden.261 Sie sind letztlich eine Folge der im Text262 bereits behandelten Einordnung von Rating-Agenturen als zulassungsbedürftige Finanzmarktteilnehmer, die in Hongkong im Jahre 2011 durch entsprechende Ausweitung der Securities and Futures Ordinance erfolgte: Da alle anderen durch dieses Gesetz regulierten Marktteilnehmer Anforderungen an Mindestkapital und liquides Vermögen zu genügen haben, erstreckte man die diesbezüglichen Vorgaben schon aus Gründen der internen Systemkonformität auch auf Rating-Agenturen.263 Dabei ist freilich nicht zu übersehen, dass die sonstigen regulierten Marktakteure fast durchweg Finanzintermediäre sind, die (wie etwa Wertpapierhandelsunternehmen oder Verwögensverwalter264) Kundengelder verwalten und
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Anh. I Abschn. A Abs. 8 EG-RatingVO. Art. 14 Abs. 5 EG-RatingVO. 258 §§ 4, 5(e) Securities and Futures (Financial Resources) Rules (Cap. 571N) i.V.m. Table 1. 259 §§ 4, 6 Securities and Futures (Financial Resources) Rules i.V.m. Table 2. Siehe zu diesen Anforderungen bereits oben § 7 II 2 b). 260 § 56(3) Securities and Futures (Financial Resources) Rules. 261 Euphemistisch daher die Einschätzung in Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 24, wonach die Hongkonger Anforderungen „broadly consistent“ seien mit dem Rechtszustand in der EU und den U.S.A., wo zugestandenermaßen gerade keine detaillierten Vorgaben bestehen („… not currently …“). 262 Siehe § 22 II 5. 263 Securities and Futures Commission, Consultation Conclusions (29 Oct. 2010), Tz. 7: „Since the proposed regime is an extension of the existing regulatory model created under the SFO, there is limited scope for departure from aspects of the existing Hong Kong regulatory model in relation to areas such as the licensing of individuals and minimum financial resources requirements“; auch Tz. 44. 264 Siehe Schedule 5 zur Securities and Futures Ordinance (Cap. 571). 257
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deshalb Kapitalisierungsregeln unterworfen werden.265 Rating-Agenturen als reine Informationsintermediäre266 tun dies hingegen nicht, sodass man an der Sinnhaftigkeit ihrer diesbezüglichen Regulierung zweifeln muss; der rechtsvergleichende Befund spricht insofern eine deutliche Sprache. Im Zuge der Einführung der entsprechenden Vorgaben in Hongkong wurde dieses Monitum auch vorgebracht,267 aber vom Hongkonger Regelsetzer zugunsten der Einheitlichkeit des Regulierungssystems für alle in der Sonderverwaltungsregion regulierten Finanzmarktteilnehmer zurückgewiesen.268 Man nahm auf die Besonderheiten von Rating-Agenturen – namentlich ihren fehlenden Umgang mit Kundengeldern – aber immerhin dadurch Rücksicht, dass die Strenge der Kapitalisierungsanforderungen derjenigen für insoweit vergleichbare Anlageberater (die ebenfalls keine Vermögenswerte von Kunden kontrollieren) nachgebildet269 und damit vergleichsweise lax ausgestaltet wurde. Die spezifischen kapitalisierungsbezogenen Organisationspflichten der Rating-Agenturen nach Hongkonger Aufsichtsrecht stellen sich damit letztlich als hingenommene „Nebenwirkung“ der Entscheidung dar, Ratingdienstleistungen in das querschnittsartige Regulierungsregime der Securities and Futures Ordinance einzubeziehen – ein Vorbild für andere Rechtsordnungen sind sie damit nicht.
III. Pflicht der Rating-Agenturen zur Transparenz Rating-Agenturen müssen nach allen hier untersuchten Rechtsordnungen zahlreichen Transparenzpflichten gerecht werden, die überwiegend aufsichtsrechtlichen Ursprungs sind270 und in jüngerer Zeit zunehmend ausgeweitet wurden.271 Sie sollen vor allem dem häufig geäußerten Vorwurf abhelfen, es handele sich bei dem Ratingvorgang um ein Geheimverfahren272 oder eine „black box“,273 wes265
Dies kommt im deutschen Recht etwa in § 10 Abs. 1 Satz 1 KWG zum Ausdruck, dem zufolge Kreditinstitute „im Interesse der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere im Interesse der Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte“ angemessene Eigenmittel haben müssen. 266 Siehe schon oben § 2 IV 3. 267 Securities and Futures Commission, Consultation Conclusions (29 Oct. 2010), Tz. 43. 268 Securities and Futures Commission, Consultation Conclusions (29 Oct. 2010), Tz. 44: „… in the interest of consistency …“. 269 Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 24. 270 Siehe § 23 III 3. 271 So im (insoweit nur sehr kursorische Vorgaben enthaltenden) Basel II-Akkord durch Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 120; in der EU zuletzt durch die (zweite) ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO; vgl. dazu Witte/Henke, DB 2013, 2257, 2259. 272 So schon sehr früh Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 81: „the rating manuals are extremely secretive about the technique by which they arrive at their judgment“; ebenso Däubler, NJW 2003, 1096, 1097; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 651. 273 Blaurock, ZGR 2007, 603, 645.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
halb eine verbesserte Transparenz des Beurteilungsprozesses nötig sei.274 Nicht selten wird die Forderung nach mehr Transparenz aber wohl auch als bloße schlagwortartige Leerformel verwandt.275 Ordnet man den Bestand bestehender Transparenzpflichten nach ihren jeweiligen Adressaten, so lassen sich drei Gruppen unterscheiden.
1. Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit Die weit überwiegende Anzahl an Transparenzpflichten zielt auf eine Information der allgemeinen Öffentlichkeit mit dem Ziel, allen Nutzern der Ratings eine Überprüfung der jeweiligen Bonitätsbeurteilung zu erleichtern.276 Emittenten und abonnierende Investoren, die jeweils in vertraglichen Beziehungen zur Rating-Agentur stehen und daher auch die Möglichkeit hätten, spezifische Transparenzpflichten zu vereinbaren, werden dabei als Teil der allgemeinen Marktöffentlichkeit mitgeschützt. a) Transparenzgegenstände Wie bereits an anderer Stelle277 erörtert, kommt dabei vor allem der Transparenz der Ratingmethode Bedeutung zu, deren Grundsätze nach den Aufsichtsrechten aller hier untersuchten Rechtsordnungen öffentlich zugänglich sein müssen.278 In der Schweiz und Hongkong wird in diesem Zusammenhang auch die Offenlegung eines etwaig befolgten Code of Conduct verlangt.279 Daneben treten in der EU und den U.S.A. Transparenzpflichten bezüglich der historischen Ausfallquoten bei gerateten Instrumenten sowie vorgenommener Ratingänderungen, auf die bereits bei Erörterung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen eingegan-
274 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 8; Blaurock, ZGR 2007, 603, 645; Chirico, ECMI Commentary No. 17 (Jan. 2008), S. 4; Däubler, NJW 2003, 1096, 1097; Eichel, BFuP 2005, 274; Göres, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 24 ff.; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 197; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 670 f.; Meister, BFuP 2005, 258; Schipporeit, BFuP 2005, 270. 275 So zum Schweizer Recht etwa von Loser, Vertrauenshaftung, Rn. 805, der ohne jede Begründung die „Missachtung der gebotenen Transparenz“ als Haftungsgrund einordnet. 276 So etwa die Zweckbeschreibung in Erwägungsgrund 25 zur EG-RatingVO; Arner/Chau/ Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 390. 277 Siehe § 23 III 3 b). 278 Im EG-Recht Art. 8 Abs. 1 EG-RatingVO; im schweizerischen Recht § 6 Abs. 1 lit. d ERV mit FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 38, 40; im U.S.-amerikanischen Recht § 15E(a)(1)(B)(ii) Securities Exchange Act of 1934 i.V.m. Rule 17g–1(i); zur Hongkonger Anerkennungspraxis HKMA, Policy Paper, Tz. 6.3.4, 6.4.1; CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 50. Ebenso früher die EG-Bankenrichtlinie, Anhang VI, Teil 2, Tz. 7, und das deutschen Recht in § 53 Satz 1 Nr. 6 SolvV a.F. 279 Im Schweizer Aufsichtsrecht Art. 6 Abs. 1 lit. d ERV; im Hongkonger Aufsichtsrecht HKMA, Policy Paper, Tz. 6.4.1(g); CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 68.
§ 25 Einzelne Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen
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gen wurde.280 Verlangt wird in der EU zudem die Veröffentlichung eines jährlichen Transparenzberichtes, in dem die Rating-Agentur u.a. ihre internen Kontrollmechanismen, ihre Archivierungspolitik, das Ergebnis ihrer internen Überprüfung ihrer unabhängigen Compliance-Funktion sowie ihre aufgeschlüsselten Einnahmen beschreibt sowie eine Erklärung zur Unternehmensführung abgibt,281 während die Ratingberichte in den U.S.A. eine vergleichende Beschreibung der investorenschützenden Mechanismen der gerateten ABS enthalten müssen.282 Auch diese Informationen bezwecken – wie schon die Angaben zur Ratingmethode – die verbesserte Beurteilung der jeweiligen Ratingqualität durch die Investoren.283 Das Schweizer Recht verlangt zwar ebenfalls eine Offenlegung von Ratingmethoden und historischen Ratingdaten, bestimmte aber bis 2011 als Publizitätsadressaten interessanterweise nicht die Finanzmarktöffentlichkeit, sondern die Emittenten und Ratingauftraggeber.284 Erst seit 2012 müssen die genannten Informationen allen Interessierten zu gleichartigen Bedingungen zugänglich gemacht werden.285
Die aufsichtsrechtlich geforderte Transparenz auf Seiten der Rating-Agenturen bleibt jedoch – und dies wird vielfach übersehen – notwendigerweise unvollständig, weil sie einen Gegenstand ausspart, der an anderer Stelle als wesentlicher Grund für den Informationswert von Ratings identifiziert wurde:286 Sie verpflichten die Rating-Agentur nämlich nicht zur Offenlegung der vertraulichen Informationen, die ihr während des Ratingprozesses von Seiten des Emittenten zugänglich gemacht wurden. Schon weil die Öffentlichkeit also nicht weiß, ob und in welcher Weise die Ratingeinstufung durch vertrauliche Informationen beeinflusst wurde, besitzt sie keine Möglichkeit, die „Richtigkeit“ des Ratings eigenständig nachzuvollziehen – ein Befund, der größte Zweifel an der transparenzbasierten Regulierung der Rating-Agenturen aufwerfen muss.
280 Siehe oben I 4 a). Der Umfang der Transparenzpflicht bezüglich der ratings action histories beschränkte sich im U.S.-amerikanischen Recht zunächst auf 10% der Ratings, wurde 2010 sodann aber auf alle Ratings ausgedehnt (das sog. „100% requirement“); vgl. SEC Release 34–61050 vom 23. Nov. 2009 „Amendments to Rules for NRSROs“ (Final Rules), 74 FR 63832, 63834 (4. Dez. 2009). Die jeweiligen Ratingänderungen müssen allerdings erst mit zeitlicher Verzögerung offen gelegt werden (12 Monate nach Ratingänderung bei durch den Emittenten beauftragten, 24 Monate nach Ratingänderung bei anderen Ratings), um die Möglichkeit der Rating-Agenturen zum Vertrieb von ratings histories an zahlende Abonnementen nicht übermäßig zu beeinträchtigen. 281 Art. 12 i.V.m. Anh. I Abschnitt E III EG-RatingVO. 282 So seit 2011 nach Rule 17g–7 unter dem Securities Exchange Act. 283 SEC Release 34–61050 vom 23. Nov. 2009, 74 FR 63832, 63834; Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 33. 284 FINMA, Rundschreiben 2008/26 Ratingagenturen, Rn. 23–26. 285 § 6 Abs. 1 lit. d ERV i.V.m. FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 40. 286 Siehe § 5 III 1 a) cc) (1).
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b) Spezifische Gefahren der Transparenz von Ratingmodellen und -methoden für strukturierte Finanzinstrumente Bereits eingegangen wurde schließlich auf die zusätzlichen Transparenzpflichten zum Ratingverfahren bei strukturierten Finanzinstrumenten, die in Reaktion auf die globale Finanzkrise in der EU und in den U.S.A. eingeführten wurden.287 Entsprechende Rechtspflichten zur Offenlegung hatten zuvor nicht bestanden, wie die U.S.-amerikanische Rechtsprechung mittlerweile klargestellt hat; sie ergaben sich insbesondere nicht aus allgemeinen publizitätsrechtlichen Grundsätzen, wie etwa der Pflicht zur Vermeidung missverständlicher Aussagen in Prospekten.288 Auf dieses angebliche Manko reagierte zunächst der bereits erwähnte Cuomo-Vergleich,289 bevor im Jahre 2009 sodann die europäischen und U.S.amerikanischen Regelsetzer erweiterte Offenlegungspflichten schafften. Dass diese Offenlegungspflichten, die sich inhaltlich auf hoch komplexe Informationen von großem Umfang beziehen, eine eigene Überprüfung der Ratings komplexer Finanzinstrumente durch die Investoren nicht bewirken werden, wurde im Text290 bereits ausgeführt. Sie sind damit schon deshalb kritikwürdig, weil sie die Rating-Agenturen mit Offenlegungskosten belasten,291 ohne zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet zu sein. Soweit sich Transparenzpflichten auf die Ratingmethoden und -modelle im Bereich der strukturierten Finanzinstrumente beziehen, wohnt ihnen jedoch darüber hinaus noch ein eigenes Gefährdungspotential für die Stabilität der Finanzmärkte inne: Sie bewirken nämlich, dass als Teil der allgemeinen Marktöffentlichkeit auch die Emittenten strukturierter Finanzinstrumente und ihre Arranger auf die Ratingmodelle Zugriff haben, wodurch diese die Möglichkeit besitzen, Finanzprodukte „passgenau“ auf die Beurteilungskriterien der Rating-Agentur zuzuschneiden.292 Ein systemisches Risiko erwächst daraus deshalb, weil auf diese Weise eine große Anzahl von Finanzinstrumenten, obgleich von unterschiedlichen Emittenten stammend, gleich oder sehr ähnlich strukturiert sind und daher auf veränderte Markt287
Siehe § 23 III 3 b). Tsereteli v. Residential Asset Securitization Trust 2006-A8, 11.3.2010, 692 F.Supp.2d 387, 395 (S.D.N.Y. 2010): „Plaintiffs have not established any affirmative legal obligation that required this disclosure. They argue only that the alleged omission was necessary because once the Ratings Agencies ‚spoke of their ratings process, they had a duty not to mislead‘ […] Plaintiffs’ argument that the Offering Documents were required to disclose the particulars about the Ratings Agencies models merely because they disclosed some of the factors that were considered misconstrues the nature of defendants’ disclosure obligations.“ 289 Zum Cuomo-Vergleich bereits oben unter I 2 b) cc) (3) (c); zu den darin enthaltenen Transparenzpflichten Ellsworth/Porapaiboon, 18 Bus. L. Today (March/April 2009), 35, 36; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 669. 290 Siehe § 23 III 3 b). 291 Vgl. Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 476. 292 CESR, Second Report (May 2008), Tz. 203; Avgouleas, ECFR 2009, 440, 455; Covington/ Hutchinson, Metr. Corp. C. (March 2008), 17; Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 757; Partnoy/Skeel, 75 U. Cin. L. Rev. (2007), 1019, 1042 ff.; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 394 f.; vgl. auch Benmelech/Dlugosz, NBER Macro Annual 2009, 161, 200. 288
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umstände gleich reagieren. Dies hatte in der globalen Finanzkrise zur Folge, dass eine große Anzahl von Finanzinstrumenten gleichzeitig in ihrem Rating herabgestuft wurden, woraus erhebliche Marktverwerfungen resultierten – eine unbeabsichtigte Folge der Ratingmodelltransparenz.293 Diese Gefahr wird durch die Festlegung aufsichtsrechtlicher Transparenzpflichten nun perpetuiert.294 Da die ausgeweitete Transparenz in diesem Bereich also das Gegenteil von dem bewirkt, was sie bewirken soll, gilt es sie baldmöglichst wieder einzuschränken.295
2. Transparenz gegenüber staatlichen Aufsichtsbehörden Daneben existieren Transparenzpflichten, die die Rating-Agenturen zur Offenlegung bestimmter Informationen (nur) den zuständigen Aufsichtsbehörden, nicht aber der Öffentlichkeit gegenüber verpflichten.296 Solche Pflichten, die insbesondere das U.S.-amerikanische Recht kennt, beziehen sich typischerweise auf Informationen, die das Geheimhaltungsinteresse der Rating-Agenturen in besonderem Maße berühren, wie etwa die Vergütung der Ratinganalysten, die Namen der größten Kunden der Rating-Agentur nebst zugehöriger Vergütungsbeträge oder detaillierte Finanzzahlen der Agentur297 (die allerdings aus einem anderen Rechtsgrund doch wieder publizitätspflichtig sein können, sofern die RatingAgentur nämlich als Unternehmen kapitalmarktrechtlichen Publizitätsvorgaben unterliegt298). Die Transparenz gegenüber Aufsichtsbehörden bezweckt regelmäßig, der Behörde die Wahrnehmung ihrer Überwachungsaufgabe zu erleichtern, und fungiert damit als Hilfspflicht zur Durchsetzung materieller Verhaltensanforderungen in den Fällen, in denen das Recht nicht auf die Publizität gegenüber der Öffentlichkeit und die Überwachung durch den Markt setzt.299 Ihre Verwendung ist im internationalen Vergleich folglich ebenso uneinheitlich wie das Vertrauen in das Informationsmodell, und führt damit auch zu uneinheitlichen Transparenzvorgaben bezüglich desselben Informationsgegenstandes: So begnügt sich das 293
Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 403: „Paradoxically, this is the consequence of transparency on the part of CRAs […] in itself a cause of systemic instability …“. 294 Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 403: „Could this happen again? There is no conceptual reason why it could not.“ 295 Zutreffend Issing Committee, Recommendations (2009), S. 22: „We dismiss this proposal [zur vollständigen Methodentransparenz] as dangerous“; vorsichtig gegenüber „total transparency“ auch ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 12. 296 Dass regulierte Marktteilnehmer gegenüber der Regulierungsbehörde weiter gehende Informationen offen zu legen haben als gegenüber der Öffentlichkeit, entspricht einem allgemeinen Phänomen der Finanzmarktregulierung; vgl. allgemein Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Transparenz im Bankwesen (Sept. 1998), S. 16. 297 § 15E(a)(1)(B)(viii) Securities Exchange Act („on a confidential basis“); Form NRSRO, Exh. 10–13. 298 Die ist unter den großen Rating-Agenturen z.Zt. allein bei der Moody’s Corp. der Fall. 299 Die Ökonomie ordnet Transparenzpflichten dieser Art folglich nicht als Form der Publizität ein, weil sie nicht der Unterrichtung des Marktes dienen; vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 227.
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U.S.-amerikanische Recht etwa mit einer behördengerichteten Offenlegung der größten Agenturkunden, um damit die behördliche Durchsetzung des Verbots der Ratingerteilung jenseits der 10%-Jahreseinkunftsgrenze300 zu ermöglichen, während dieselbe Information nach der EG-RatingVO301 ohne weiteres öffentlich zugänglich zu machen ist, weil dort der Markt die Kontrolle wahrnehmen soll. Da die Nutzung von Informationen aufgrund ihrer Eigenschaft als „öffentliches Gut“ nicht kontrolliert werden kann, nachdem sie einmal öffentlich zugänglich gemacht worden sind, zeitigt auch die Beschränkung der Publizitätspflicht in einem Staat keine Wirkung, wenn derselbe Publizitätspflichtige gleichzeitig den weiterreichenden Transparenzpflichten eines anderen Staates unterliegt.
3. Transparenz gegenüber konkurrierenden Rating-Agenturen In Reaktion auf die globale Finanzkrise ist in das U.S.-amerikanische Recht schließlich eine weitere, ungewöhnliche Transparenzpflicht aufgenommen worden, welche als NRSRO anerkannte Rating-Agenturen zur Transparenz gegenüber anderen (also konkurrierenden) Rating-Agenturen verpflichtet: So ist jede Rating-Agentur, die Ratings für strukturierte Finanzinstrumente erstellt, seit Juni 2010 zum einen verpflichtet, allen anderen durch die SEC zu diesem Zweck zertifizierten Rating-Agenturen gegenüber offen zu legen, für welche Finanzinstrumente sie augenblicklich ein Rating erstellt.302 Zum anderen muss sie sicherstellen, dass der Emittent auch allen anderen Rating-Agenturen dieselben Daten über das geplante Finanzinstrument zur Verfügung stellt, welche er der beauftragten Rating-Agentur zugänglich gemacht hat303 (sog. „Equal Access Rule“) – es handelt sich also um eine quasi mittelbare Transparenzpflicht dieser beauftragten Rating-Agentur, weil sie die Herstellung von Transparenz durch den Emittenten sicherstellen muss. In der Europäischen Union ist die Kommission mit der Prüfung beauftragt worden, ob sich die Einführung einer entsprechenden Transparenzpflicht empfiehlt,304 die jedoch bislang nicht zu Regelungsvorschlägen geführt hat. Auch in Hongkong wurde die Einführung vergleichbarer Pflichten erwogen,305 aber letztlich nicht umgesetzt.306 300
Siehe dazu bereits vorstehend I 2 b) cc) (4). Anh. I Abschn. B Abs. 2 sowie Anh. I Abschn. E II Abs. 2 EG-RatingVO. 302 Rule 17g–5(a)(3)(i), (ii) unter dem Securities Exchange Act in der Fassung der SEC Release 34–61050 vom 23. Nov. 2009, 74 FR 63832 ff. Die Zugänglichkeit dieser Information nur für andere NRSROs wird durch den Einsatz einer passwortgeschützten Website sichergestellt. 303 Rule 17g–5(a)(3)(iii) unter dem Securities Exchange Act verlangt eine diesbezügliche Bestätigung (written representation that can reasonable be relied upon) des Emittenten. 304 Vgl. Erwägungsgrund 7 zur (ersten) ÄnderungsVO Nr. 513/2011 zur EG-RatingVO. 305 So im Entwurf eines Code of Conduct vom Juni 2011, Tz. 38 ff., abgedruckt in Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Anhang. 306 Securities and Futures Commission, Consultation Conclusions (29 Oct. 2010), Tz. 59: „In view of the uncertainty in this area, the SFC prefers to adopt a ‚wait and see‘ approach until the regulatory landscape in both the US and the EU becomes clearer.“ 301
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Das beschriebene, nicht unkomplizierte Transparenzpflichtensystem des U.S.amerikanischen Aufsichtsrechts verfolgt den Zweck, im Bereich strukturierter Finanzinstrumente die Erstellung unbeauftragter Ratings durch weitere, d.h. nicht vom Emittenten ausgewählte und bezahlte Rating-Agenturen zu ermöglichen.307 Auf diese Weise soll auf diesem durch besondere Interessenskonflikte belasteten308 Marktsegment eine größere Anzahl von Ratingeinstufungen herbeigeführt werden, die frei von jedem befürchteten Interessenskonflikt erstellt wurden und den Marktteilnehmern damit einen Vergleich zu den beauftragten Ratings erlauben.309 Die SEC beseitigt damit ein bislang bestehendes Wettbewerbshindernis am Ratingmarkt für komplexe Finanzinstrumente, da Rating-Agenturen ohne Informationen über collateral und credit enhancements eines geplanten Produkts, die öffentlich nicht zugänglich und nur vom Emittenten zu erlangen sind, schlicht keine unsolicited ratings erstellen können.310 Trotz dieses im Grundsatz begrüßenswerten Ansatzes, welcher durch eine adressatengerecht gestaltete Transparenzpflicht den Grund für ein spezifisches Marktversagen zu beseitigen versucht,311 muss seine Erfolgsaussicht zweifelhaft erscheinen:312 Eine nennenswerte Konkurrenz durch unbeauftragte Ratings setzt nämlich voraus, dass Rating-Agenturen einen wirtschaftlichen Anreiz haben, in erheblichem Umfang ohne Bezahlung komplizierte Bonitätsbeurteilungen vorzunehmen. Dies wird man jedoch kaum annehmen können313 – eine Belebung des Wettbewerbs, die ja vor allem im Interesse der Investoren und des Kapitalmarkts insgesamt liegt, dürfte über ein unbeauftragtes Tätigwerden von Rating-Agenturen nur dann zu erreichen sein, wenn sich die Ratingerstellung für diese auch wirtschaftlich auszahlt. Die verbesserte, adressatengerechte Transparenz wirkt insoweit nur ermöglichend, wird den notwendigen Anreiz aber nicht ersetzen können.314 307 SEC Release 34–61050 vom 23. Nov. 2009, 74 FR 63832, 63844. Unbeauftragte Ratings waren bei komplexen Finanzinstrumenten zuvor selten; vgl. ausführl. Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 469 ff.; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 220. 308 Siehe schon § 20 III 2. 309 Shipe/Freeman, 15 Inv. Lawyer (Oct. 2008), 13, 16; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 470. 310 Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 18. 311 Kritisch hingegen Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 272 mit der These, die in der Entwurfsfassung der Transparenzregel vorgesehene Offenlegung gegenüber der allgemeinen Marktöffentlichkeit hätte zu einer stärkeren Kontrolle geführt – nach hier vertretener Ansicht kann davon kaum ausgegangen werden, weil eine solche Publizität nicht adressatengerecht gewesen wäre. Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 12 tritt dagegen – weitergehend als hier – für das Aufstellen genauer Formatierungsvorgaben für die Offenlegung ein, um die Nutzung der Daten durch die Rating-Agenturen zu erleichtern. 312 Skeptisch auch Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 651; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 287 f.; Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 12. Positiver hingegen Tönningsen, ZBB 2011, 460, 470. 313 Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 287 ff. 314 Diese skeptische Einschätzung wird durch die Beobachtung bestätigt, dass auf Grundlage der beschriebenen „Equal Access Rule“ bislang anscheinend keinerlei (!) unbeauftragte Ratings publiziert worden sind; vgl. Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1048 m.Nachw.
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IV. Pflicht der Rating-Agenturen zur Geheimhaltung von Unternehmensdaten Die Pflicht der Rating-Agenturen zur Geheimhaltung von Unternehmensdaten und sonstiger Interna, die ihr vom Emittenten im Zuge des Ratingprozesses zugänglich gemacht worden sind,315 ist im EU-Recht,316 U.S.-amerikanischen317 und Hongkonger Recht318 auf aufsichtsrechtlicher Ebene verankert und wird im schweizerischen319 wie im deutschen Recht (§ 241 Abs. 2 BGB)320 als vertragliche Nebenpflicht eingeordnet. Häufig zählt sie zu den wenigen Pflichteninhalten, die ausdrücklich im Ratingvertrag festgeschrieben werden.321 Die Geheimhaltungspflicht wirkt nur auf den ersten Blick in eine Richtung, die den oben beschriebenen Transparenzpflichten entgegen läuft, denn sie bezieht sich auf andersartige Informationen und besitzt zudem auch eine andere Schutzrichtung, weil sie den Interessen des Emittenten322 und nicht der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts insgesamt dient. Der Schutz der Marktöffentlichkeit wird hingegen durch das Insiderrecht (namentlich dessen Weitergabeverbot) verwirklicht,323 welches damit durch einen Vertraulichkeitsbruch der Rating-Agentur – der in der Praxis selten oder nie vorkommt324 – ebenfalls verletzt würde.
315 Die erhebliche Bedeutung dieser Pflicht aus Sicht deutscher Emittenten betont Strauch, in: Eilers u.a., Unternehmensfinanzierung, Kap. C Rn. 181. 316 Anh. I Abschn. C Abs. 3 lit. d EG-RatingVO. Ebenso IOSCO-Kodex, Tz. 3.11 ff. 317 § 15E(g) Securities Exchange Act of 1934 i.V.m. Rule 17g–4(a). 318 CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 60 ff. 319 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 71; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 150. Vgl. zur auftragsrechtlichen Diskretions- und Geheimhaltungspflicht (Art. 398 Abs. 2 OR) allgemein Weber, in Basler Komm., Art. 398 OR Rn. 11 ff. 320 Däubler, BB 2003, 429, 433; Hennrichs, ZGR 2006, 563, 573; Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 415; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 17. Eine „berufsspezifische Verschwiegenheit“ der Rating-Agenturen konstatieren Franken/Heinsius, in FS Budde (1995), S. 213, 221, während Blaurock, ZGR 2007, 603, 624 die Anwendbarkeit der allgemeinen Regelungen zum Schutz von Betriebsgeheimnissen bzw. vertraulichen Informationen betont, wie sie sich aus dem jeweils anwendbaren öffentlichen Recht und Vertragsrecht ergeben. 321 Vgl. das Confidentiality Undertaking im Ratingvertragmuster der Rating-Agentur Fitch bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 190 f. 322 Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 132. 323 S. dazu bereits § 11 III 1 a). 324 Nayar/Rozeff, 49 J. Fin. (1994), 1431, 1434; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 311; skeptischer hingegen Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1110. Ganz vereinzelt ist ein angeblicher Verstoß gegen die Vertraulichkeitspflicht kolportiert worden, der sogleich fatale wirtschaftliche Folgen für die betreffende Agentur hatte: So soll die in den Jahren 1987–89 aktive britische Rating-Agentur EuroRatings von einem Emittenten vertraulich bereitgestellte Unterlagen an einen Konkurrenten weitergegeben haben – sie musste wenig später den Geschäftsbetrieb einstellen (so berichtet von Everling, Die Bank 1991, 308, 313; Lemke, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 119, 129).
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V. Sorgfaltspflichten der Rating-Agenturen bei der Ratingerstellung Wenn Rating-Agenturen auf Interessen und ggfs. Rechtsgüter anderer Marktteilnehmer einwirken, so geschieht dies fast immer durch die Veröffentlichung ihrer Ratings, d.h. vor allem ihrer Bonitätsbeurteilungen in Form von Ratingsymbolen sowie, obwohl deutlich weniger wirkmächtig,325 der begleitenden Ratingberichte. Als stoßend und regelungsbedürftig werden Ratingveröffentlichungen vor allem dann empfunden, wenn die konkrete Bonitätsbeurteilung als „unzutreffend“ oder „falsch“ erachtet wird – eine Einschätzung, die von Emittentenseite häufig sogleich nach ihrer Veröffentlichung geäußert wird (weil man die eigene Bonität als deutlich besser einschätzt), während sie von Seite der Investoren typischerweise erst erfolgt, nachdem eine geratete Emission ausgefallen ist und das Rating sich damit nachträglich „als falsch herausgestellt“ hat. Allfällige Versuche, die Erstellung von Bonitätsbeurteilungen bestimmten Sorgfaltspflichten zu unterwerfen und damit rechtlich überprüfbar zu machen, lassen sich vor diesem Hintergrund fast stets auf den Wunsch zurückführen, nur „richtige“ oder „qualitativ hochwertige“ Ratings an den Markt gelangen zu lassen326 und „falsche“ Ratings zu verhindern. Eine gesetzliche Regelung des Pflichtenprogramms, das Rating-Agenturen bei der Ratingerstellung zu beachten haben, existiert gleichwohl in keiner der hier untersuchten Rechtsordnungen, und auch einen anerkannten oder gar rechtlich normierten „Stand der Ratingwissenschaft und -technik“ gibt es nirgends.327 Soweit in der rechtspolitischen Diskussion und im wissenschaftlichen Schrifttum eine Tendenz nachweisbar ist, die auf die Entwicklung verbindlicher Sorgfaltspflichten für Rating-Agenturen drängt,328 steht diese in einem unauflösbaren Spannungsverhältnis sowohl zu dem gegenläufigen Desiderat, die „Substanz“ des Ratingvorganges regelungsfrei zu halten,329 als auch dem Umstand, dass Ratings als subjektive Meinungen über ein künftiges Geschehen schlicht keiner ex ante-Qualifikation als „richtig“ oder „falsch“ zugänglich sind.330 Die Diskussion um Sorgfaltspflichten für die Ratingerstellung berührt damit zwangsläufig die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen,331 die namentlich dann beeinträchtigt zu 325
Vgl. zum Einfluss der Informations“codierung“ auf den Markteinfluss schon § 5 IV. IOSCO-Kodex, S. 1: „… to improve the quality of credit ratings“; dazu Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 647. Erwägungsgrund 1 zur EG-RatingVO spricht zurückhaltender von „angemessener Qualität“. 327 Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 37; Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 44: „at this point […] uniform professional standards do not exist that might provide insight into the amount of due care and due diligence that CRAs will have to exercise“; Ulfbeck, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 309, 319; Vetter, WM 2004, 1701, 1703. 328 Vgl. etwa Däubler, BB 2003, 429, 433; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 15, der die Anwendung „festgelegter wissenschaftlich fundierter und objektiver Bewertungsmaßstäbe“ fordert; Oellinger, Haftung für Ratings, S. 137 f. 329 Dazu im Zusammenhang mit der Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion bereits § 23 III 3 a). 330 Dazu unter bb). 331 Dazu schon unter I. 326
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
werden droht, wenn staatliche Gesetzgeber Vorgaben für Bonitätsbeurteilungsvorgänge oder -ergebnisse aufstellen: Die Sicherung der Ratingqualität kann hier gleichzeitig als Mittel dazu missbraucht werden, unerwünschte Ratingeinstufungen staatlicher Emissionen einer Kontrolle zu unterwerfen. Der damit stets erforderliche Ausgleich zwischen dem Interesse der Rating-Agenturen, unbeeinflusst ihrer Informationstätigkeit nachgehen zu können, und dem Interesse der übrigen Marktteilnehmer an einer Mindestqualität ihrer Ratings stellt sich als schwierige Aufgabe dar.
1. Deutsches und Schweizer Recht: Übertragbarkeit prozedural-materieller Sorgfaltsstandards für Warentests auf die Ratingerstellung? Das konstatierte Dilemma versucht die heute herrschende Ansicht im deutschen Schrifttum dadurch zu bewältigen, dass sie diejenigen Kriterien auf RatingAgenturen überträgt, die der Bundesgerichtshof seit den 1970er Jahren in seiner Rechtsprechung zur Haftung der „Stiftung Warentest“ entwickelt hat.332 Die deutsche Rechtsprechung333 und auch die schweizerische Literatur334 sind dem gefolgt. Der beschriebene Ansatz dürfte seinen Reiz vor allem aus dem Umstand beziehen, dass damit ein fest definiertes Anforderungsprofil an die sorgfaltsgemäße Ratingerstellung zur Verfügung zu stehen scheint. Er bedarf jedoch der kritischen Hinterfragung, weil zwar gegen die Ableitung eines präventiven Sorgfaltsmaßstabs aus einem repressiven Haftungsregime methodisch nichts einzuwenden ist – entsprechende Ansätze sind etwa auch aus dem deutschen Prospektrecht bekannt335 – es aber diskussionsbedürftig erscheint, ob die vergleichende Bewertung der Qualität einer Sache tatsächlich mit einer Bonitätsbeurteilung gleichgesetzt werden kann.336 a) Die „Stiftung Warentest“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und deren Rezeption im schweizerischen Schrifttum Die genannte Rechtsprechung des BGH entwickelte sich im Zusammenhang mit Klagen gegen die „Stiftung Warentest“, einer 1964 auf Beschluss des Deutschen Bundestages gegründeten Stiftung des privaten Rechts, deren Aufgabe die unabhängige und objektive Unterrichtung der deutschen Verbraucher mittels vergleichender Tests von Waren und Dienstleistungen ist. Als Produzenten negativ bewerteter Waren zunehmend versuchten, die Stiftung Warentest auf Grundlage 332 Die Übertragung der „Stiftung Warentest“-Kriterien auf Rating-Agenturen wurde, soweit ersichtlich, erstmals von Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9 vorgeschlagen; siehe zum heutigen Meinungsstand im deutschen Schrifttum die Nachw. unter b). 333 KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“). 334 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 79; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 323. 335 Siehe schon § 9 I 1 a). Die Prävention als Normzweck der Prospekthaftungsregeln betont etwa Holzborn/Wackerbarth, §§ 44, 45 BörsG Rn. 11. 336 Unter b).
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von § 823 Abs. 1 BGB (Eingriff in das Recht des Produzenten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) und § 824 BGB auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, ergab sich die Notwendigkeit einer Abwägung der gegenläufigen Interessen, für die der BGH die sog. „Stiftung Warentest“-Formel entwickelt und seitdem in ständiger Rechtsprechung praktisch unverändert beibehalten hat. Dieser Formel zufolge ist die Veröffentlichung eines vergleichenden Warentests, sofern sie nicht zu Wettbewerbszwecken (d.h. durch einen Wettbewerber des betroffenen Produzenten) erfolgt, zulässig, sofern die dem Bericht zugrunde liegenden Untersuchungen neutral, objektiv und sachkundig durchgeführt worden sind und sowohl die Art des Vorgehens bei der Prüfung als auch die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse vertretbar, das heißt diskutabel, erscheinen.337 Dabei sei dem Tester bezüglich der Angemessenheit der Prüfungsmethoden, der Auswahl der Testobjekte und schließlich der Darstellung der Untersuchungsergebnisse ein erheblicher Spielraum einzuräumen, wie dies dem Einfluss des Rechts der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) auf die rechtliche Beurteilung einer nachteiligen Äußerung im Wertungsbereich entspreche.338 Die „Stiftung Warentest“-Rechtsprechung nimmt nicht primär das Bewertungsergebnis, sondern – vor allem durch die Kriterientrias der Neutralität, Objektivität und Sachkunde – das Bewertungsverfahren in den Blick und ist daher als prozeduraler Sorgfaltsstandard339 umschrieben worden (bei der Objektivität der Untersuchung soll deshalb auch nicht die objektive Richtigkeit des gewonnenen Ergebnisses, sondern das Bemühen um diese Richtigkeit im Vordergrund stehen340). Sie enthält sich einer Überprüfung der Testergebnisse freilich nicht völlig, weil die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse „vertretbar, das heißt diskutabel“ erscheinen müssen;341 man mag daher eher von einem prozedural-materiellen Sorgfaltsstandard sprechen. Die Herleitung der etablierten „Formel“ ist im Einzelnen im Übrigen unklar geblieben; der BGH stellt erläuternd lediglich fest, dass nur die aufgestellten Anforderungen der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG für derartige Veröffentlichungen auch in Ansehung ihrer volkswirtschaftlichen Funktion für Markttransparenz und Verbraucheraufklärung entsprächen und nur so der Gefahr entgegengewirkt werden könne, dass vergleichende Warentests wegen der Angriffspunkte, die solche Entscheidungen der 337
BGH, 9.12.1975, BGHZ 65, 325, 334 f. („Stiftung Warentest II“); BGH, 10.3.1987, NJW 1987, 2222, 2223 („Stiftung Warentest IV“); BGH, 21.2.1989, NJW 1989, 1923 („Stiftung Warentest V“); BGH, 17.6.1997, NJW 1997, 2593, 2594 („Stiftung Warentest VI“). 338 BGH, 9.12.1975, BGHZ 65, 325, 328 f., 334 („Stiftung Warentest II“); BGH, 10.3.1987, NJW 1987, 2222, 2223 („Stiftung Warentest IV“); BGH, 21.2.1989, NJW 1989, 1923 („Stiftung Warentest V“); BGH, 17.6.1997, NJW 1997, 2593, 2594 („Stiftung Warentest VI“). 339 So Wagner, in MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 275. 340 BGH, 9.12.1975, BGHZ 65, 325, 334 („Stiftung Warentest II“); BGH, 10.3.1987, NJW 1987, 2222, 2223 („Stiftung Warentest IV“). 341 Nach BGH, 10.3.1987, NJW 1987, 2222, 2224 („Stiftung Warentest IV“) unterliegt das Testergebnis einer „eingeschränkten, das Wertungsermessen des Prüfers grundsätzlich respektierenden Richtigkeitskontrolle; es darf nur nicht offensichtlich unrichtig sein“.
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Tester in Bezug auf Verfahren und Art der Darstellung den Herstellern von schlechter beurteilten Produkten immer bieten werden, von vornherein unterbleiben.342 Die „Stiftung Warentest“-Formel lässt sich daher als konkretisiertes Verfassungsrecht verstehen, welches die gegenläufigen Interessen des Beurteilenden und des Beurteilten im Lichte ihrer Grundrechte zum Ausgleich bringen soll.343 Die vom deutschen Bundesgerichtshof entwickelten Kriterien sind darüber hinaus auch im schweizerischen Schrifttum übernommen worden, soweit die – in der Schweiz lauterkeitsrechtlich geregelte344 – Zulässigkeit von Warentests durch Dritte in Rede steht.345 Da zu diesem Zweck ausdrücklich auf die einschlägigen Entscheidungen des BGH verwiesen wird, haben sich die Sachkriterien in beiden Rechtsordnungen insoweit im Wege der grenzüberschreitenden Rezeption punktuell angeglichen. b) Übertragbarkeit der „Stiftung Warentest“-Formel auf Rating-Agenturen? Die herrschende Ansicht in deutscher Rechtsprechung und Schrifttum346 wie auch Stimmen in der schweizerischen Literatur347 sprechen sich nun dafür aus, die Kriterien der „Stiftung Warentest“-Rechtsprechung auf die Bonitätsbeurteilung durch Rating-Agenturen entsprechend anzuwenden und als Definition des von den Agenturen einzuhaltenden Sorgfaltsstandards zu verstehen. Zur Begründung führt man die angebliche Vergleichbarkeit von Warentests und Ratings an,348 die beide die Anleger- bzw. Verbraucheraufklärung durch eine unabhängige Institution bezwecken und im Wege der Reduzierung von Informationsasymme342
BGH, 21.2.1989, NJW 1989, 1923 („Stiftung Warentest V“). Boecken, Haftung der Stiftung Warentest, S. 64 erkennt deren „sachliche [aber anscheinend nicht rechtliche] Begründung“ vor allem im „Interesse der Verbraucher an Markttransparenz“. 344 Das Schweizer UWG setzt – anders als sein deutsches Pendant – kein Wettbewerbsverhältnis zwischen beurteilender Testorganisation und dem Produzent der beurteilten Ware voraus (vgl. schon § 20 III 2) und enthält zudem in Art. 3 lit. e UWG einen Sondertatbestand, der auf Warentest zugeschnitten ist; vgl. Stauder, Warentests, S. 281, 285. 345 In diesem Sinne Hügi, Veröffentlichung vergleichender Warentests, S. 34 ff.; Stauder, Warentests, S. 281, 294 f. 346 KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“): „(mit) an den Maßstäben auszurichten“; Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 41; Blaurock, ZGR 2007, 603, 631; Däubler, NJW 2003, 1096, 1097; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 80; Haar, ZBB 2009, 177, 184; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 15, 23; Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie, § 36 III 2; Niedostadek, Rating, Rn. 232; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 129; Oellinger, Haftung für Ratings, S. 137; Peters, Haftung und Regulierung, S. 73 ff.; PWW/Schaub, § 823 Rn. 101; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 204; Vetter, WM 2004, 1701, 1704; von Schweinitz, WM 2008, 953, 957; Wagner, in MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 277, § 826 Rn. 84; ders., in FS Blaurock (2013), S. 467, 474; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1350. 347 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 79. 348 Zum deutschen Recht Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 286; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 129; Wagner, in MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 277; zum schweizerischen Recht Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 79 f. 343
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trien sowie der Erhöhung der Markttransparenz der gesamten Volkswirtschaft dienen.349 Daran ist richtig, dass Bewertungen der Stiftung Warentest in der Tat gewisse Ähnlichkeiten mit Ratings aufweisen, weil sie sich ebenfalls einer verständlichen Codierung ihrer Aussage bedienen, und die „Stiftung Warentest“Formel auch sachlich nicht zwingend nur für Waren passen muss, ist sie doch in jüngerer Zeit bereits auf den Test von Finanzdienstleistungen übertragen worden.350 Weniger klar ist bereits, ob deren Anwendung auf private Rating-Agenturen nicht schon deshalb ausscheidet, weil die Stiftung Warentest als Organisation schließlich in öffentlicher Trägerschaft steht351 und ihr deshalb bei der Interessenabwägung ein geringerer Grundrechtsschutz zukommt als privaten Unternehmen. Obgleich Letzteres von manchen verneint352 und eine Übertragung der „Stiftung Warentest“-Formel auf private Stellen deshalb für möglich gehalten wird,353 erscheint es doch mit der Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG kaum vereinbar, eine private Organisation pauschal zur Äußerung nur sachkundiger, objektiv begründeter und neutraler Meinungen zu verpflichten, weil das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG in seiner originären Zielrichtung eben gerade auch subjektive und einseitige Stellungnahmen schützen soll – die formelhafte Einschränkung des Schutzes der Meinungsfreiheit354 ist damit allenfalls dort vereinbar, wo es um Äußerungen einer vom Staat selbst initiierten und subventionierten Stiftung geht.355 Bereits aus diesem Grunde verbietet sich ihre Übertragung auf die privaten Rating-Agenturen, mag diesen auch eine erhebliche Marktmacht (privaten Ursprungs) zukommen.356 Darüber hinaus weisen ein vergleichender Test von Waren auf der einen und die Beurteilung der Bonität eines Emittenten oder einer Emission auf der anderen Seite noch weitere durchgreifende Unterschiede auf, die gegen eine Anwendung
349 KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“); Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 22 f. Skeptisch Däubler, NJW 2003, 1096, 1097. 350 OLG Frankfurt a.M., 25.4.2002, NJW-RR 2002, 1697, 1698 („FINANZtest“); zustimmend Palandt/Sprau, § 823 Rn. 129; PWW/Schaub, § 823 Rn. 101. 351 In diesem Sinne Assmann/Kübler, ZHR 142 (1978), 413, 416 f.: „staatliche Verbraucherinformation“; Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie, § 36 III 2. 352 So hat das BVerwG, 18.4.1985, BVerwGE 71, 183, 196 (freilich beiläufig) festgestellt, dass die Stiftung Warentest sich „unmittelbar“ auf Art. 5 GG berufen kann; mit ausführl. Begründung auch Boecken, Haftung der Stiftung Warentest, S. 53 ff.: keine Anwendung des Verwaltungsprivatrechts auf die Tätigkeit der Stiftung. 353 Allgemein in diesem Sinne Soergel/Beater, § 823 Anh. V Rn. 88; für Rating-Agenturen Peters, Haftung und Regulierung, S. 67; Vetter, WM 2004, 1701, 1704. 354 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 81 II 2 b charakterisieren die Anforderungen der „Stiftung Warentest“-Rechtsprechung zu Recht als „verhältnismäßig streng“. 355 Zutreffend Assmann/Kübler, ZHR 142 (1978), 413, 426 f.; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 129. 356 Wie hier Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie, § 36 III 2; ders., in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 129; Oellinger, Haftung für Ratings, S. 136.
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der „Stiftung Warentest“-Kriterien streiten:357 So geht es bei einem Warentest vor allem um die Beurteilung technischer Eigenschaften des Produkts, für die ein Maßstab für die notwendige „Sachkunde“ und den einschlägigen Stand von Wissenschaft und Technik noch zu ermitteln sein mag, während ein Rating die deutlich komplexere und vielschichtigere Beurteilung der Bonität eines Wertpapiers oder eines gesamten Unternehmens ist,358 für die kaum Maßstäbe der „Sachkunde“ und „Objektivität“ ermittelbar sind. Entscheidend ist aber vor allem, dass ein Rating eine Prognose der Zahlungsfähigkeit und damit eine subjektive Meinung über die Zukunft darstellt, die sich anhand der „Stiftung Warentest“Formel schlicht nicht bewerten lässt: Wenn diese verlangt, dass die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse „vertretbar, das heißt diskutabel“ erscheinen müssen,359 so passt dies für Ratings nicht, denn die Zukunft ist immer diskutabel. c) Ergebnis Im Ergebnis erweist sich die „Stiftung Warentest“-Formel damit entgegen der ganz h.M. im deutschen Schrifttum und Stimmen in der schweizerischen Literatur als nicht auf Rating-Agenturen übertragbar, sodass die Agenturen nicht schon aus diesem Grund bei der Ratingerstellung den Grundsätzen der Neutralität, Objektivität und Sachkunde zu genügen und ein „vertretbares, d.h. diskutables“ Ratingergebnis vorzulegen haben.360 Damit ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, dass vergleichbare Verhaltens- und Organisationspflichten der RatingAgenturen aus anderen Rechtsgrundlagen abgeleitet werden können – bezüglich der Pflicht zur „Neutralität“, die in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein im Sinne der Unabhängigkeit der Rating-Agentur verstanden wird,361 wurde dies im Text362 bereits aufgezeigt. Im Übrigen bedarf es aber der Entwicklung ratingspezifischer, d.h. den Besonderheiten dieser Informationsintermediäre Rechnung tragender Sorgfaltspflichten, auf die sogleich einzugehen ist.
2. Ratingspezifische Sorgfaltspflichten Spezifisch auf Rating-Agenturen und deren Tätigkeit anwendbare Sorgfaltspflichten können wiederum, wie bereits an anderer Stelle festgestellt,363 aus den unterschiedlichsten Quellen fließen und daher im Falle ihrer Missachtung auch 357
Däubler, BB 2003, 429, 432; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 191; Heindl, wbl 2007, 221,
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Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 191; auch Däubler, BB 2003, 429, 432. St. Rspr. seit BGH, 9.12.1975, BGHZ 65, 325, 334 f. („Stiftung Warentest II“). 360 Wieder anders Spindler, AG 2010, 601, 611, der Ratings anscheinend strengeren Maßstäben als Warentests unterwerfen will – ein Ansatz, der mit der Presse- und Meinungsfreiheit unvereinbar sein dürfte. 361 KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“); Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 70. 362 Siehe unter I. 363 Siehe § 24 V. 359
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unterschiedliche Rechtsfolgen zeitigen; insbesondere begründet nicht jede Sorgfaltspflichtverletzung eine privatrechtliche Haftung der Rating-Agentur. Nur wenige Sorgfaltspflichten sind dabei in Existenz und Inhalt so unbestritten wie etwa die Pflicht der Rating-Agenturen, in ihren Ratingberichten die Anleihebedingungen und ähnliche Tatsachenangaben über Emittenten und beurteilte Emission korrekt wiederzugeben, obgleich diesbezügliche Mängel in der Praxis überraschend häufig auftreten.364 Probleme bereiten die Pflichteninhalte, die sich auf die Bonitätsbeurteilung selbst beziehen. Insoweit kann zwischen solchen Pflichten unterschieden werden, die auf Sorgfalt bei der Erhebung der Tatsachengrundlage der Ratings zielen,365 und solchen, die die Sorgfalt bei der Vornahme der eigentlichen Bonitätsbeurteilung (der Einstufung auf der Ratingskala) betreffen.366 a) Sorgfalt bei der Erhebung der Tatsachengrundlage der Ratings Dass ein sorgfältiges Vorgehen bei der Erhebung der Daten und Informationen, auf deren Grundlage die Rating-Agentur ihre Bonitätseinschätzung trifft, jedenfalls ein rechtspolitisches Desiderat darstellt, ist als solches unbestritten: Ein Rating kann, so wird gesagt, nicht verlässlicher sein als die Informationen, auf die es gestützt wird,367 oder mit den Worten von Coffee: „garbage in, garbage out.“368 Die Hauptschwierigkeit liegt nun darin, dass die Rating-Agenturen diejenigen Informationen, die den Emittenten und die Emission betreffen – und um diese wird vor allem gestritten, während die Erhebung allgemeiner, etwa volkswirtschaftlicher Daten als unproblematisch gilt – von dem beauftragenden Emittenten erhalten, und zwar einschließlich der Daten, die sich bei Verbriefungen auf die verbrieften Forderungen (und ihre Qualität) beziehen.369 Man streitet daher, ob die Rating-Agentur eine Rechtspflicht zur eigenständigen Überprüfung der erhaltenen Informationen und ggfs. die selbständige Datenerhebung trifft, oder ob sie sich auf die mitgeteilten Daten verlassen darf. aa) Grundsatz: Keine Rechtspflicht zur Datenüberprüfung Vor allem im deutschen Schrifttum ist die Spannbreite des Meinungsspektrums insoweit erheblich: Während die eine Extremposition es den Rating-Agenturen versagt, sich auf die vom Emittenten vorgelegten Unterlagen zu verlassen, und sie 364 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 601 berichtet von einer Studie aus den 1990er Jahren, der zufolge Moody’s in 21% der Fälle den Inhalt der Anleihebedingungen falsch oder unvollständig wiedergab. Vgl. als Beispielsfall etwa Durning v. First Boston Corp., 7.1.1986, 627 F.Supp. 393, 397 (W.D. Wash. 1986). 365 Dazu sogleich unter a). 366 Dazu unter b). 367 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 617; Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 1 (2004), § 8:9 Fn. 85; ders., in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 299. 368 Coffee, 70 Va. L. Rev. (1984), 717, 746: „The bottom line, however, is that if ratings are based on poor data, they will not protect investors who desire to avoid high risk: garbage in, garbage out“; ebenso ders., 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 244. 369 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 36; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 640.
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zu einer eigenständigen Verifikation der wesentlichen Forderungsbestände verpflichten will,370 lässt die Gegenposition den Wertpapierprospekt als alleinige Grundlage der Ratingerstellung genügen, weil dieser ja jedem Marktteilnehmer eine Beurteilung des Papiers ermöglichen solle.371 Tatsächlich ist eine Pflicht der Rating-Agenturen zur Datenüberprüfung bislang sowohl in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung372 als auch im deutschen,373 schweizerischen374 und U.S.amerikanischen Schrifttum375 überwiegend abgelehnt worden, und zwar zu Recht, weil in den genannten Rechtsordnungen schlicht keine Grundlage für eine solche Rechtspflicht ersichtlich ist. Sie folgt auch nicht etwa aus dem generalklauselartigen Verbot der Veröffentlichung irreführender Informationen am Kapitalmarkt, wie es in den U.S.A. besteht.376 Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn die Rating-Agenturen behaupten würden, eine eigene Datenerhebung oder -überprüfung durchzuführen – dies ist aber gerade nicht der Fall, weil die Agenturen im Gegenteil stets unzweifelhaft offen gelegt haben, dass sie sich bei der Ratingerstellung auf die Emittentendaten verlassen.377 Die Diskussion über eine Datenverifikationspflicht der Rating-Agenturen entstand dabei nicht erst im Zusammenhang mit dem Rating verbriefter „subprime mortgages“, deren nachträgliche Korrektur zum Entstehen der globalen Finanzkrise der Jahre 2007–09 beitrug, sondern nahm ihren Ausgang schon in der Aufarbeitung der Enron- und WorldCom-Krisen: Sie zielte insoweit auf eine Überprüfung der Finanzzahlen von Emittenten mit dem Ziel, Betrugsfälle künftig schneller aufzudecken. Der damit bezweckte Einsatz der Rating-Agenturen übersieht jedoch, dass es sich bei diesen weiterhin um private Informationsintermediäre handelt, denen keinerlei Eingriffs- und Untersuchungsbefugnisse gegenüber den Emittenten zustehen378 und deren Bonitätsbeurteilung vor allem nicht be370 Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 33; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 882. 371 Heindl, wbl 2007, 221, 223. 372 In re Republic Nat’l Life Ins. Co., 14.1.1975, 387 F.Supp. 902, 905 (S.D.N.Y. 1975); In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 822 (S.D.Tex. 2005): „there is as yet no clearly established obligation defining the extent to which [die RatingAgenturen] should investigate or should pressure a debt-issuing entity for further information or verify information“. Anders in den frühen 1980er Jahren möglicherweise noch die SEC auf Grundlage der Registrierung von Rating-Agenturen nach dem Investment Advisers Act of 1940 (siehe § 24 III 2): „As fiduciaries, investment advisers have a special duty to base their opinions and recommendations upon current and adequate information“ (SEC Release 33–6336, 34–18012, IC– 11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 414). 373 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 201; Kersting, Dritthaftung, S. 544. KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“) lässt offen. 374 Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 147. 375 Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 249. 376 So zu § 10(b) Securities Exchange Act of 1934 und der darauf beruhenden Rule 10b–5 In re Republic Nat’l Life Ins. Co., 14.1.1975, 387 F.Supp. 902, 905 (S.D.N.Y. 1975) in einem Verfahren gegen Standard & Poor’s und A.M. Best. Dasselbe gilt für Kreditauskunfteien (credit reporting agencies): Mallinckrodt Chemical Works v. Goldman, Sachs & Co., 13.9.1976, 420 F.Supp. 231, 243 (D.C.N.Y. 1976); kritisch Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 806. 377 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 570; Kersting, Dritthaftung, S. 544. 378 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 570.
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zweckt, betrügerisches Verhalten von Kapitalmarktunternehmen aufzudecken:379 Die Annahme diesbezüglicher stillschweigender Sorgfaltspflichten überdehnt die Rolle und Funktion der Rating-Agenturen ganz erheblich und ist daher abzulehnen.380
bb) Aufsichtsrechtliche Organisationspflichten zur Sicherung der Datenqualität bei komplexen Finanzinstrumenten Im Nachgang zur globalen Finanzkrise sind allerdings erstmals Pflichten der Rating-Agenturen geschaffen worden, die auf die Sicherung der Qualität derjenigen Daten zielen, die bei dem Rating komplexer Finanzinstrumente verwandt werden. Pflichten dieser Art sind also in ihrem sachlichen Anwendungsbereich beschränkt und zwingen nicht zu einer soeben angesprochenen Überprüfung von Finanzzahlen jeglicher Anleiheemittenten mit dem Ziel der Betrugsaufdeckung. Im Gegensatz zu einigen Vorschlägen, die eine Pflicht zur eigenständigen Datenüberprüfung angeregt hatten,381 verpflichten die entsprechenden Vorgaben im U.S.-amerikanischen382 und europäischen Recht383 sowie der Hongkonger Aufsichtspraxis384 die Rating-Agenturen lediglich dazu, die Sicherstellung der Datenqualität zu organisieren; sie können dieser Pflicht also dadurch nachkommen, dass sie die Verlässlichkeit ihrer Datenquellen kontrollieren385 und den Emittenten bzw. Arrangern eine Pflicht zur Sicherung der Datenqualität auferlegen.386 Das Schweizer Recht kennt diesbezügliche Anforderungen hingegen auch weiterhin nicht. b) Sorgfalt bei der Vornahme der Bonitätsbeurteilung Als besonders problematisch erweist sich die Frage, ob die Rating-Agenturen auch bei der Vornahme der Bonitätsbeurteilung, also dem Beurteilungsvorgang selbst, Sorgfaltspflichten unterliegen, und welchen Inhalt diese ggfs. haben. Ihr kommt deshalb entscheidende Bedeutung zu, weil hinsichtlich der Tatsachen379 Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 1 (2004), § 8:9 Fn. 85; ders., in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 299; ders., 8 Duke J. Comp. & Int’l L. (1998), 235, 252. 380 So mit ökonomischer Argumentation auch Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 71; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 640 f. 381 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 37. 382 Aufgestellt durch den Cuomo-Vergleich aus dem Jahre 2008 (dazu schon oben im Text) und zeitlich bis zum Jahre 2011 begrenzt; vgl. Ellsworth/Porapaiboon, 18 Bus. L. Today (March/April 2009), 35, 36. 383 Art. 8 Abs. 2 EG-RatingVO: „Sie trifft alle erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die ihren Ratings und Ratingausblicken zugrunde liegenden Informationen von ausreichend guter Qualität sind und aus zuverlässigen Quellen stammen.“ Kritisch zu dieser Regelung St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399, 437; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 467. 384 CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 10. 385 Chirico, ECMI Commentary No. 17 (Jan. 2008), S. 4. 386 So in den U.S.A. der Cuomo-Vergleich, dem zufolge die drei großen Rating-Agenturen von den Investmentbanken und weiteren beteiligten Parteien eine Reihe von „representation and warranties“ zu den zu verbriefenden loans zu verlangen hatten; vgl. Ellsworth/Porapaiboon, 18 Bus. L. Today (March/April 2009), 35, 36.
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grundlagen bei vielen Ratings Einigkeit zwischen Emittent und Agentur besteht, und die Tatsachen auch der Investorenöffentlichkeit infolge einschlägiger Publizitätsvorgaben weitgehend bekannt und zugänglich sind387 – letztlich ausschlaggebend ist daher, welche Schlüsse die Rating-Agentur daraus zieht und wo sie die Emission oder den Emittenten auf der Ratingskala einstuft, weil es – wie bereits eingangs gezeigt388 – empirisch nachweisbar diese „codierte“ Bonitätsbeurteilung ist, die als Information den Markt erreicht. aa) Die „Objektivität“ der Ratingmethode Wohl im Bewusstsein der im Text bereits umschriebenen Gefahren, die mit einer Regelung der „Ratingsubstanz“ einhergehen, setzen die Anerkennungsvoraussetzungen des Schweizer Rechts,389 des früheren EG-Rechts390 und des umsetzenden deutschen Rechts391 wie auch der Hongkonger Anerkennungspraxis392 nicht beim Ratingergebnis, sondern der Ratingmethode393 an und verlangen, dass diese „Objektivität“ gewährleistet. Diese schlagwortartige Anforderung wird dabei ganz einheitlich (weil durchgehend auf den Basel II-Akkord394 zurückgehend) so verstanden, dass eine objektive Methode zur Vergabe von Ratings streng, systematisch und beständig zu sein hat und einer Validierung unterliegen muss, die auf historischen Erfahrungswerten beruht.395 Diese Kriterien wurden inhaltsgleich auch in die Zulassungsvoraussetzungen der EG-RatingVO übernommen396 und gelten in der EU damit für sämtliche Rating-Agenturen. Das U.S.-amerikanische Recht stellt entsprechende Objektivitätsvorgaben hinsichtlich der Ratingmethode dagegen nicht auf, weil die diesbezüglichen Regeln des Basel II-Akkords nicht umgesetzt wurden und der Gesetzgeber ausdrücklich die Regulierungsfreiheit der Verfahren und Methoden der Ratingerstellung angeordnet hat,397 was von den Aufsichtsbehörden sehr ernst genommen wird.
387 Letzteres gilt freilich nicht für die vertraulichen Informationen, die der Rating-Agentur von Seiten des Emittenten mitgeteilt wurden. 388 Siehe § 5 II, IV. 389 Art. 6 Abs. 1 lit. a ERV. 390 Art. 81 Abs. 2 EG-Bankenrichtlinie. 391 § 52 Abs. 1 Satz 1 SolvV a.F. 392 HKMA, Policy Paper, Tz. 6.1.1. 393 Die EG-Bankenrichtlinie und die deutsche SolvV sprachen dabei infolge eines terminologischen Missgriffes von „Methodik“, obgleich erkennbar die Methode – also das planmäßige Verfahren bei der Untersuchung und Herstellung, nicht aber die Methodenlehre – gemeint war; richtig insoweit der Sprachgebrauch in Art. 8 EG-RatingVO. 394 Basel II-Akkord, Tz. 91. Die Anforderungen wurden durch „Basel III“ nicht geändert. 395 FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 27; HKMA, Policy Paper, Tz. 6.1.1. Ebenso IOSCO-Kodex, Tz. 1.1 sowie früher EG-Bankenrichtlinie, Anhang VI, Teil 2, Tz. 1; § 53 Satz 1 Nr. 1 SolvV a.F. 396 Art. 8 Abs. 3 EG-RatingVO. Den Oberbegriff der „Objektivität“ verwendet die EG-RatingVO dagegen nur mit Blick auf das Ratingergebnis; dazu sogleich im Text. 397 § 15E(c)(2) Securities Exchange Act of 1934 (zu den „procedures and methodologies by which any [NRSRO] determines credit ratings“).
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Die Schwierigkeit, welche die beschriebene Anforderung aufweist, liegt vor allem in ihrer Unbestimmtheit – es ist objektiv kaum bestimmbar, was mit einer „objektiven“ Ratingmethode gemeint sein soll. Versuche, diesen vagen Begriff zu konkretisieren, fallen nicht selten auf andere, ebenso vage Begriffe zurück, wenn etwa im EG-Bankenaufsichtsrecht die „Objektivität“ der Ratingmethode als Ziel der Erstellung einer informierten und begründeten Bonitätsbeurteilung sowie als vollständige Auswertung aller relevanten Daten durch die Rating-Agentur398 erläutert wird; andere setzen die Objektivität dagegen mit der Pflicht der RatingAgenturen zur Unabhängigkeit gleich.399 Nach hier vertretener Auffassung lassen sich aus dem „Objektivitäts“-Erfordernis jedenfalls keine inhaltlichen Vorgaben an die Erstellung von Bonitätsbeurteilungen ableiten. Man wird ihm aber die Pflicht zur konsistenten Anwendung einer praktizierten Ratingmethode entnehmen können, also das Verbot, ohne objektiven Grund in concreto eine abweichende Verfahrensweise zu praktizieren oder abweichende Maßstäbe anzulegen.400 So verstanden bezieht sich die verlangte Objektivität nicht auf die Entwicklung und den Inhalt der Ratingmethode, die in der Entscheidungsfreiheit der Rating-Agentur stehen und stehen müssen,401 sondern auf deren Anwendung, die nicht von der Methode nicht immanenten Faktoren abhängen darf. bb) Pflichten bei der Vornahme der Bonitätsbeurteilung als einer subjektiven Meinung über ein künftiges Ereignis Soweit schließlich die Vornahme der Bonitätsbeurteilung selbst – also die Einstufung auf der Ratingskala, mittels derer aufgrund einer Auswertung der erhobenen Tatsachengrundlagen ein wertender Schluss gezogen wird – in Rede steht, so unterliegt diese keinen rechtlichen Vorgaben.402 Dies kann deshalb auch nicht anders sein, weil die Ratingeinstufung die subjektive Meinung der Rating-Agentur bezüglich des Eintritts eines künftiges Ereignisses (nämlich der versprechensgemäßen Erfüllung der betroffenen Zahlungsverpflichtungen) darstellt, die zum Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht an einem irgendwie gearteten Pflichtenmaßstab gemessen werden kann403 – niemand kann ex ante wissen, ob ein Rating zutreffend oder unzutreffend ist.404 Eben weil es sich bei jedem Rating um eine subjektive Einschätzung handelt, erscheint es im Übrigen ebenso unsinnig wie irrefüh398
CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 79. So Chirico, ECMI Commentary No. 17 (Jan. 2008), S. 4; Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 341. 400 In der Sache ebenso, aber ohne Anknüpfung an das Kriterium der „Objektivität“ IOSCOKodex, Tz. 1.3; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 202. 401 Gegen eine aufsichtsrechtliche Regelung der Ratingmethode auch Blaurock, ZGR 2007, 603, 645; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 194; Meister, BFuP 2005, 275. 402 Blaurock, ZGR 2007, 603, 645 (zu IOSCO-Kodex und U.S.-amerikanischem Recht). 403 Denkbar ist lediglich die Aufstellung eines Pflichtenprogramms bezüglich der Ratingerstellung, also des vorangegangenen Verfahrens; dazu bereits soeben im Text unter a). 404 Zutreffend etwa Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 5 (11/2008), § 13:6.2: „the exercise of judgment involves an inherent risk of error“. 399
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rend, wenn die EG-RatingVO nach eigenem Bekunden sicherzustellen versucht, dass „die in der Gemeinschaft verwendeten Ratings objektiv sind.“405 Auch sofern sich ex post herausstellt, dass die Bonitätsbeurteilung und Rückzahlungsprognose einer Rating-Agentur von dem tatsächlich eingetretenen Zahlungsverhalten des Emittenten abweicht, liegt damit nach dem Gesagten also keine Pflichtverletzung der Rating-Agentur vor. Die Aufsichtsbehörden können (und sollten) jedoch die Anerkennung einer Rating-Agentur für Zwecke der regulatorischen Indienstnahme ihrer Ratings widerrufen, wenn letztere die spätere Zahlungsfähigkeit häufig unzutreffend prognostiziert haben;406 auch hierdurch wird jedoch kein pflichtwidriger Sorgfaltsmangel der Rating-Agentur konstatiert, sondern der mangelnden Eignung ihrer Ratings zur Erreichung des verfolgten Regelungszwecks Rechnung getragen. Es handelt sich daher lediglich um eine künftige Einschränkung der derivativen Regulierungsfunktion der Rating-Agentur, ohne dass damit ein Unwerturteil bezüglich der Wahrnehmung ihrer Marktinformationsfunktion verbunden wäre.
Lediglich einer Verhaltenspflicht wird man die Rating-Agenturen bei der Vornahme ihrer Bonitätsbeurteilungen unterwerfen zu haben, nämlich der Pflicht, keine Ratingeinstufung vorzunehmen, die von der eigenen subjektiven Prognose der betroffenen Zahlungsfähigkeit abweicht. Es handelt sich dabei um eine Folge der allgemeinen Rechtspflicht, sich bei einer Auskunftserteilung nicht widersprüchlich zu verhalten (nicht dagegen um ein Verbot, die Unwahrheit zu sagen, weil ein Rating sich nicht als „wahr“ oder „unwahr“ qualifizieren lässt407). Eine solche Pflicht ist den meisten Rechtsordnungen bekannt; sie wird im deutschen Recht aus der Pflicht zur Leistung nach Treu und Glauben nach § 242 BGB, im schweizerischen Recht wohl aus dem funktional äquivalenten Art. 2 ZGB408 und im U.S.-amerikanischen Recht aus § 10(b) Securities Exchange Act of 1934409 abgeleitet. Für Rating-Agenturen muss sie ebenfalls gelten.410 405
Erwägungsgrund 1 zur EG-RatingVO. So etwa § 15E(d)(F)(2) Securities Exchange Act of 1934 für den Fall, dass die Rating-Agentur „… has failed over a sustained period of time, as determined by the Commission, to produce ratings that are accurate for that class or subclass of securities“. 407 Siehe dazu noch § 27 I 2 a). 408 Vgl. BGer, 26.11.1985, BGE 111 II, 471, 474 E. 3: „Wer über Verhältnisse befragt wird, in die er kraft seiner Stellung besonderen Einblick besitzt, hat – wenn er sich überhaupt auf eine Antwort einlässt – wahrheitsgetreu Auskunft zu geben […]; er darf nicht absichtlich falsche Tatsachen behaupten oder leichtfertig Angaben machen, deren Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit ihm ohne lange Prüfung in die Augen springen muss. [Der Informationsempfänger darf damit rechnen], dass die Auskunft in guten Treuen und nicht leichtfertig erteilt wird und die Bank ihm das, was sie weiss, loyal, ohne Rückhalt mitteilt“. 409 Vgl. Kline v. First Western Government Sec., 2.5.1994, 24 F.3d 480, 491 (3rd Cir. 1994), cert. denied, 513 U.S. 1032. Dies bedeutet freilich nicht, dass eine Verletzung dieser Pflicht stets haftungsbegründend ist; vgl. Jaillet v. Cashman, May 1921, 189 N.Y.S. 743 (Sup.Ct. 1921): „There is moral obligation upon everyone to say nothing that is not true, but the law does not attempt to impose liability for a violation of that duty unless it constitutes a breach of contract obligation or trust, or amounts to a deceit, libel or slander.“ 410 In diesem Sinne zum U.S.-amerikanischen Recht Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799, 824 (N.D.Cal. 2011); In re IndyMac Mortgage-Backed Sec. Li406
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Ersichtlich verletzt wurde die beschriebene Pflicht etwa in einem bekannt gewordenen Fall, in dem der Rating-Agentur Moody’s bei der Codierung der Software eines Ratingmodells ein Fehler unterlaufen war, der in einer überhöhten Bonitätseinstufung strukturierter Finanzinstrumente resultierte: Nachdem diese Fehlfunktion entdeckt worden war, wurden die betroffenen Ratings gleichwohl wider besseren Wissens zunächst beibehalten und erst später auf die nach Ansicht der Agentur eigentlich angemessene Stufe gesenkt.411
VI. Mitwirkungs- und Widerspruchsrechte der Emittenten vor Veröffentlichung des Ratings Die Frage, ob dem Emittenten vor Veröffentlichung eines Ratings durch die Rating-Agentur ein Mitwirkungs- oder gar Widerspruchsrecht zusteht, mittels dessen er auf den Ratinginhalt Einfluss nehmen und ggfs. dessen Veröffentlichung verhindern kann, wird im Schrifttum streitig diskutiert. Aus der Perspektive beurteilter Unternehmen kommt ihr erhebliche, ja überragende Bedeutung zu. Da sie in Gestalt des Zeitabschnittes vor Veröffentlichung des Ratings aber einen Bereich betrifft, in dem die betroffene Bonitätsbeurteilung einstweilen weder Marktinformations- noch Regulierungsfunktion besitzt, enthält das Aufsichtsrecht der hier untersuchten Rechtsordnung nur ganz vereinzelt einschlägige Vorgaben412 – es handelt sich damit überwiegend um eine rein vertragsrechtliche Thematik.
1. Stellungnahmerecht des Emittenten Vorrangiger Ansatzpunkt ist daher beim beauftragten Rating der Ratingvertrag zwischen Rating-Agentur und Emittent, der üblicherweise ein Recht des Emittenten zur Stellungnahme vorsieht,413 das gelegentlich als „appeal“ bezeichnet tig.,41121.6.2010, 718 F.Supp.2d 495, 512 (S.D.N.Y. 2010); Geringfügig anders dagegen King County, Wash. v. IKB Deutsche Industriebank, 3.1.2013, 916 F.Supp.2d 442, 449 (S.D.N.Y. 2013); Plumbers’ Union Local No. 12 Pension Fund v. Nomura Asset Acceptance Corp., 20.1.2011, 632 F.3d 762, 775 (1st Cir. 2011); Ohio Police & Fire Pension Fund v. Standard & Poor’s Financial, 26.9.2011, 813 F.Supp.2d 871, 883 (S.D.Ohio 2011). 411 SEC, Summary Report (July 2008), S. 26: „Another rating agency reported to the Staff that one of its foreign ratings surveillance committees had knowledge that the rating agency had issued ratings on almost a dozen securities using a model that contained an error. The rating agency reported to the Staff that, as a result, the committee was aware that the ratings were higher than they should have been. Nonetheless, the committee agreed to continue to maintain the ratings for several months, until the securities were downgraded for other reasons. Members of the committee, all analysts or analytical managers, considered the rating agency’s reputational interest in not making its error public, according to the rating agency.“ Siehe auch Hill, 15 Chapman L. Rev. (2011), 133, 138 ff.: „notorious incident“. 412 Nämlich in der EG-RatingVO (dazu sogleich im Text). 413 Vgl. etwa den Fitch-Ratingvertrag bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 191. Nach Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879, 2882 teilt Moody’s dem Emittenten das Rating hingegen erst mit Veröffentlichung mit.
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wird.414 Es dient dabei einerseits zur Richtigstellung faktischer Angaben im Ratingbericht sowie zur Sicherstellung, dass darin keine vertraulichen Emittenteninformationen offen gelegt werden;415 diese Funktion steht aus Sicht der RatingAgenturen im Vordergrund. Aus Perspektive des Emittenten spielt das Stellungnahmerecht andererseits deshalb eine Rolle, weil es ihm die Möglichkeit verschafft, ggfs. weitere Informationen vorzutragen, um die Rating-Agentur doch noch zu einer Anpassung (also einer Anhebung) der geplanten Ratingeinstufung zu bewegen.416 Die praktische Bedeutung solcher inhaltlichen Änderungswünsche ist international ganz uneinheitlich: In den U.S.A. sind sie überraschend selten (dort suchen statistisch nur 5% um eine Änderung der angekündigten Ratingeinstufung nach, von denen wiederum nur etwa ein Viertel Erfolg hat417), während ihnen in Deutschland eine weit größere Bedeutung zukommen soll.418
Ein Stellungnahmerecht wird man dabei auch dort anzunehmen haben, wo es im Ratingvertrag nicht ausdrücklich vorgesehen, aber auch nicht explizit ausgeschlossen ist;419 es lässt sich im deutschen Recht in diesem Fall auf § 242 BGB stützen.420 Auch der IOSCO-Kodex421 und, diesem folgend, die Hongkonger Aufsichtspraxis422 sehen ein solches Recht vor. Es wird vor allem bei der Änderung laufender Ratings relevant (weniger bei Erstratings, weil hier üblicherweise ohnehin ein Widerspruchsrecht besteht423), und wirft dabei die Frage auf, wie großzügig es in zeitlicher Hinsicht bemessen sein muss – eine Problematik, die im deutschen Schrifttum vor allem aus Anlass der überraschenden Herabstufung des Ratings von ThyssenKrupp im Jahre 2003424 Aufmerksamkeit fand. Obgleich damals argumentiert wurde, dass es insoweit nicht mit einer in Stunden bemessenen Äußerungsfrist getan sei,425 begnügte die EG-RatingVO sich anfänglich mit eben einer solchen Frist: Danach hatte die Rating-Agentur das bewertete Unternehmen spätestens zwölf Stunden vor der Veröffentlichung über das Rating und die wichtigsten Gründe, die für dieses Rating ausschlaggebend waren, zu informieren, damit das Unternehmen die Möglichkeit hat, auf sachliche Fehler der Ra-
414 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 107; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 5; Schipporeit, BFuP 2005, 270. 415 Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 314; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 625. 416 Krämer, StB 2004, 60, 63. 417 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 652 Fn. 156 mit Zahlen von Standard & Poor’s. 418 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 882. 419 Blaurock, ZGR 2007, 603, 645; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 197; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 202: „grundlegendes Verfahrensgebot“. 420 Ausführlich Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 18. 421 IOSCO-Kodex, Tz. 3.7; dazu Deipenbrock, BB 2005, 2085, 2087. 422 CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 56: „where feasible and appropriate“. 423 Dazu sogleich im Text unter 2. 424 Dazu bereits in § 5 III 2 b) bb). 425 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 197.
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tingagentur hinzuweisen;426 im Jahre 2013 wurde die Frist sodann auf einen vollen Arbeitstag ausgedehnt.427 Wünschenswert ist freilich eine auf den Einzelfall abgestellte, ggfs. auch großzügigere Fristeinräumung, die in der U.S.-amerikanischen Praxis auch praktiziert wird.428 Ein Anspruch auf Ratingänderung folgt aus der Stellungnahmemöglichkeit selbstverständlich nicht,429 und in der Praxis kommt es auch nur ausnahmsweise zu einer Revidierung des Bonitätsurteils.430 Ein Stellungnahmerecht des Emittenten lässt sich bei unbeauftragten Ratings in Ermangelung eines vertraglichen Pflichtenbandes hingegen kaum überzeugend konstruieren, denn wer sich am Kapitalmarkt finanziert, der muss erdulden, dass Dritte sich ohne Rücksprache ein Urteil über seine Bonität bilden und dies auch veröffentlichen.431 Innerhalb der EU und in Hongkong folgt es nunmehr aber aus den Zulassungsfolgepflichten der Rating-Agenturen.432
2. Widerspruchsrecht des Emittenten Im Gegensatz zum bloßen Stellungnahmerecht gibt ein Widerspruchsrecht dem Emittenten die Möglichkeit, die Veröffentlichung des Ratings zu verhindern. Entsprechende Widerrufsrechte kommen nur bei der Erstellung von Erstratings vor, nicht hingegen bei Folgeratings.433 Dies kann vor dem Hintergrund der Marktinformationsfunktion des Ratings anders auch nicht sein, weil der Emittent sonst die Bekanntgabe von Ratingherabstufungen verhindern könnte – bei Einräumung eines solchen Rechts wäre ein Rating aber keine Bonitätsbeurteilung durch einen unabhängigen Dritten mehr, sondern eine durch den Emittenten autorisierte Bonitätseinstufung. 426
Anh. I Abschn. D I Abs. 3 EG-RatingVO a.F. Anh. I Abschn. D I Abs. 3 EG-RatingVO, neu gefasst durch ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO; kritisch dazu Cantor, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 27, 32. Interessant ist, dass die Festlegung eines bestimmten Zeitfensters bei Schaffung des IOSCO-Kodizes hingegen als „inakzeptabel“ verworfen worden war; vgl. Strunz-Happe, BFuP 2005, 231, 240. 428 Vgl. Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 523 f. (6th Cir. 2007): CFO des Emittenten war bei Zuleitung des Ratingberichtes über anstehende Herabstufung vom „investment grade-“ in den „non-investment grade“-Bereich nicht in der Stadt – Veröffentlichung um drei Tage verschoben. 429 Ein solcher Anspruch – genauer: ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des nicht abgeänderten Ratings – könnte hingegen aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Ratingvertrag oder der Verletzung eines deliktsrechtlich geschützten Rechtsgut resultieren; vgl. dazu noch § 27. 430 Krämer, StB 2004, 60, 63; Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 493. 431 Offen gelassen in KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“); ebenso Heindl, wbl 2007, 221, 223; a.A. jedoch Blaurock, ZGR 2007, 603, 648; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 34; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 199. 432 Anh. I Abschn. D I Abs. 3 EG-RatingVO; CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 56. (Beide Vorschriften sind in ihrem Anwendungsbereich nicht auf beauftragte Ratings beschränkt.). 433 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 8; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 313. Anders (aber unzutreffend) Krämer, StB 2004, 60, 63. 427
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Das Bestehen eines Widerspruchsrechts bei anstehenden Erstratings hängt ebenfalls vom Inhalt der Ratingverträge ab, die insoweit nicht einheitlich ausgestaltet sind:434 Während der Emittent gegenüber manchen Rating-Agenturen bereits mit Ratingbeauftragung auch dessen Publikation unwiderruflich zustimmt,435 liegt die Letztentscheidung über die Veröffentlichung nach den meisten Ratingverträgen bei ihm.436 Sofern der Emittent das Widerspruchsrecht ausübt, bleibt das Rating danach vertraulich; die Rating-Agentur muss er in diesem Fall jedoch gleichwohl (ggfs. mittels einer cancellation fee) für ihre Ratingtätigkeit vergüten.437 Auch bei Fehlen einer vertraglichen Regelung steht dem Emittenten sowohl nach deutschem,438 schweizerischem439 wie auch U.S.-amerikanischem440 Vertragsrecht ein Widerspruchsrecht zu. Hierfür spricht, dass das erstellte Rating als vertraglich geschuldetes Werk441 bis zu seiner Veröffentlichung allein der Verfügungsgewalt des beauftragenden Emittenten unterliegt; erst mit der Publikation werden nach den Ratingverträgen sowie subsidiär dem Vertragszweck Rechte und schutzbedürftige Erwartungen der Rating-Agentur und der Kapitalmarktöffentlichkeit begründet.442 Bei der unbeauftragten Ratingerstellung ist die Rechtslage insoweit entscheidend anders; hier liegt die Entscheidung über die Ratingpublikation allein bei der Rating-Agentur.443
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Blaurock, ZGR 2007, 603, 604; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 314. Vgl. den bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 188 abgedruckten Ratingantrag: „The undersigned hereby applies for a Moody’s Bank Deposit Rating and by doing so acknowledges that Moody’s may publish its final conclusion.“ Auch bei Thomson BankWatch konnten Emittenten die Publikation unvorteilhafter Erstratings nicht verhindern (Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 315). 436 Baker/Mansi, 29 J. Bus. Fin. & Acct. (2002), 1367, 1373; Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 93; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 71; Jewell/ Livingston, 8:4 Fin. Markets, Inst. & Instruments (1999), 1, 5; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 131; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 29: „nahezu stets“. Aus Emittentensicht die Aufnahme einer entsprechenden Vertragsklauseln empfehlend Krämer, StB 2004, 60, 63. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 EG-RatingVO; verkannt von Tönningsen, ZBB 2011, 460, 466. 437 So der Fitch-Ratingvertrag bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 190. 438 Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 493; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 203; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 30; a.A. Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/ 1992, S. 1, 8; Peters, Haftung und Regulierung, S. 79. 439 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 99; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 150; zurückhaltender Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 71: zweifelhaft. 440 Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 299. 441 Zur Einordnung des Ratingvertrages in das Vertragstypensystem des deutschen Rechts noch § 27 I 1; nach schweizerischem Recht greift insoweit eine Treuepflicht ein (Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 99). 442 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 99. 443 Zum Schweizer Recht Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 145. 435
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VII. Pflichten der Rating-Agenturen bezüglich der Publikation des Ratings Erst mit der Publikation des Ratings erfüllen die Rating-Agentur wie auch ihr jeweiliges Rating ihre originäre Marktinformationsfunktion; zugleich ist die Publikation nicht selten Voraussetzung für die Wahrnehmung der Regulierungsfunktion, weil lediglich „private“ Ratings zur Erfüllung mancher Rechtsregeln nicht genügen. Damit ist noch nichts dazu gesagt, auf welche Weise die Rating-Agentur die Ratingveröffentlichung vorzunehmen hat – während es im vorstehenden Abschnitt also um das „ob“ der Publikation ging, geht es hier um das „wie“.
1. Art und Weise der Ratingpublikation Die Art und Weise der Publikation einschließlich der Frage, ob eine öffentlich zugängliche Bekanntmachung, eine Bekanntgabe nur in Abonnentenpublikationen oder beides (in unterschiedlicher Ausführlichkeit) vorgenommen wird, war lange Zeit ungeregelt und blieb vollständig der jeweiligen Rating-Agentur überlassen.444 Erst seit jüngerer Zeit verlangen die zur Umsetzung des Basel II-Akkords eingeführten Anerkennungsvoraussetzungen, dass die Ratings anerkannter Rating-Agenturen allen in- und ausländischen Kreditinstituten, die ein „berechtigtes Interesse“ an diesen Einzelratings haben, „zu gleichen Bedingungen zugänglich sind“.445 Diese spezifische Anerkennungsvoraussetzung soll aber lediglich ein „level playing field“ unter Ratingnutzern sicherstellen446 und schreibt daher deren Gleichbehandlung vor, nicht aber den Übergang zu einer allgemeinen Ratingveröffentlichung, der für reine „investor pays“-Agenturen wirtschaftlich auch nicht darstellbar wäre.447 Detaillierte Vorgaben für den Inhalt der Ratingveröffentlichungen stellen nunmehr die EG-RatingVO und (dieser folgend448) die 444
Eine Pflicht zur Erläuterung des Ratings bestand daher nicht; Vetter, WM 2004, 1701, 1706. Früher die EG-Bankenrichtlinie, Anhang VI, Teil 2, Tz. 10 f. und das deutsche Recht in § 53 Satz 1 Nr. 8 SolvV a.F.; zur Hongkonger Anerkennungspraxis HKMA, Policy Paper, Tz. 6.3.1 f. Weitergehend das Schweizer Recht in Art. 6 Abs. 1 lit. c ERV i.V.m. FINMA, Rundschreiben 2012/ 1 Ratingagenturen, Rn. 38, 40, wonach die Ratings selbst öffentlich zugänglich gemacht und auch ergänzende Informationen zum Verfahren, zur Methodologie und zu den zugrundeliegenden Annahmen „allen Interessierten zu gleichen Bedingungen“ eröffnet werden. 446 CEBS-Anerkennungsleitlinien, Tz. 117. 447 Nichts anderes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 EG-RatingVO, weil dessen Vorgabe zur „unterschiedslosen und rechtzeitigen“ Bekanntgabe an Abonnenten weitergegebener Ratings nicht bedeutet, dass „investor pays“-Rating-Agenturen – wie in Art. 2 Abs. 1 EG-RatingVO ausdrücklich vorgesehen – ihre Ratings nicht nur Abonnenten zugänglich machen dürfen; zutreffend Mülbert, JZ 2010, 834, 836; a.A. Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT (2010), S. G 76; ders., in FS Hopt (2010), S. 2689, 2706; Kindler, NJW 2010, 2465, 2469. Durch „Basel III“ wurde nunmehr in diesem Sinne klargestellt, dass die Zugänglichkeitsvorgabe des Basel II-Akkords sich nicht auf private Ratings bezieht; vgl. Basel II-Akkord n.F., Tz. 91 („es sei denn, es handelt sich um private Ratings“). 448 Zum historischen Anlass der Einführung der Hongkonger Zulassungspflicht für RatingAgenturen siehe schon § 22 II 5 a). 445
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Hongkonger Aufsichtspraxis auf, die etwa die Nennung des verantwortlichen Ratinganalysten449 und eine Erläuterung des Ratings „einschließlich einer Sensitivitätsanalyse der einschlägigen grundlegenden Annahmen wie mathematische Annahmen oder Korrelationsannahmen“450 verlangen – Anforderungen, die sich wohl nur auf den Ratingbericht beziehen können.451 Aus dem europäischen und deutschen Recht der Ad hoc-Publizität ergibt sich mittelbar zudem, dass beauftragte Ratings gegenüber Abonnenten und der Kapitalmarktöffentlichkeit zeitgleich publiziert werden müssen,452 wohingegen die Aufsichtspraxis in Hongkong453 dies ausdrücklich nicht verlangt.
2. Besonderheiten bei unbeauftragten Ratings a) Pflicht zur Kennzeichnung unbeauftragter Ratings Eine viel diskutierte Frage ist, ob eine Rating-Agentur unbeauftragt erstellte (unsolicited) Ratings bei deren Veröffentlichung als solche kennzeichnen muss.454 Im deutschen Schrifttum wird dies seit längerem gefordert,455 um der Investorenöffentlichkeit auf diese Weise zu signalisieren, dass die Bonitätsbeurteilung auf einer schmaleren Informationsbasis beruht, und auch von Emittentenseite wird hierfür eingetreten.456 Die Haltung der verschiedenen Rechtsordnungen zu einer solchen Kennzeichnungspflicht ist ganz unterschiedlich: Sie besteht auf aufsichtsrechtlicher Ebene nach der EG-RatingVO457 und im Hongkonger Recht,458 nicht aber in der Schweiz oder den U.S.A. Ob auch privatrechtliche Grundsätze zu einer diesbezüglichen Rechtspflicht (also nicht lediglich einem rechtspoliti449 Anh. I Abschn. D I Abs. 1 EG-RatingVO; CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 49. 450 Anh. I Abschn. D I Abs. 2 lit. c EG-RatingVO; ähnlich, aber mit deutlich einfacherer Formulierung CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 52. 451 Für Pressemitteilungen schreiben Anh. I Abschn. D I Abs. 5 EG-RatingVO und CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 55 die Erläuterung der „wesentlichen Faktoren“ vor, auf die sich das Rating stützt. 452 Siehe § 11 II 2. Dies entspricht auch in den U.S.A. der Praxis; vgl. Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 630. Nach Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT (2010), S. G 76 soll eine solche Pflicht zur gleichzeitigen Offenlegung auch aus Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 EG-RatingVO folgen, was fraglich erscheint. 453 CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 47. 454 Die diesbezügliche Praxis der großen Rating-Agenturen ist uneinheitlich und hat sich zudem im Laufe der Zeit mehrfach geändert; vgl. Poon/Firth, 32 J. Bus. Fin. & Acct. (2005), 1741, 1747 f. sowie die Nachweise im Text. 455 Blaurock, ZGR 2007, 603, 648; Boos, BFuP 2005, 267, 268; Däubler, BB 2003, 429, 434; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 35; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 26; Meister, BFuP 2005, 258, 259. In der U.S.-amerikanischen Literatur ebenso Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 17. 456 In einer Befragung U.S.-amerikanischer Emittenten sprachen sich 75% für eine klare Kennzeichnung unbeauftragter Ratings aus; vgl. Baker/Mansi, 29 J. Bus. Fin. & Acct. (2002), 1367, 1383. 457 Art. 10 Abs. 5 EG-RatingVO (diese Regelung begrüßend Tönningsen, ZBB 2011, 460, 467). Ebenso der IOSCO-Kodex, Tz. 3.9. 458 HKMA, Policy Paper, Tz. 6.3.3.
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schen Desiderat) führen können, ist im deutschen459 wie im Schweizer Recht460 umstritten, wird unter dem U.S.-amerikanischen Recht hingegen ohne weiteres verneint.461 Richtigerweise kann eine Kennzeichnungspflicht ihren systematischen Standort nur im Aufsichtsrecht haben, denn sie soll primär nicht einzelne Marktteilnehmer schützen, sondern die Marktöffentlichkeit insgesamt. Ob eine spezifische Kennzeichnung unbeauftragter Ratings erforderlich ist, lässt sich allerdings aus einer Reihe von Gründen bezweifeln: Zum einen will nicht recht einleuchten, warum gerade bei unbeauftragten Ratings ein Bedürfnis für einen „Warnhinweis“ gesehen wird, während sich beauftragte Ratings durch eine Eigenschaft auszeichnen, die man für erheblich hinweisbedürftiger halten kann als die schmalere Datenbasis unbeauftragter Ratings, nämlich die Beauftragung und Bezahlung durch den Emittenten und den daraus resultierenden Interessenskonflikt.462 Der Umstand, dass eine Kennzeichnungspflicht bedeutet, dass die generell nach dem „investor pays“-Modell operierenden (kleineren) Rating-Agenturen ihre sämtlichen Ratings kennzeichnen müssen, weist darauf hin, dass Literatur wie Regelsetzer hier ganz mit Blick auf die großen Rating-Agenturen argumentieren – entscheidend dürfte hingegen nicht die Eigenschaft als beauftragtes oder unbeauftragtes Rating sein, sondern das Ziel, nicht beide Ratingtypen ununterscheidbar in derselben Codierung veröffentlicht zu sehen.463 Hält man eine Kennzeichnungspflicht danach für wünschenswert, so sind Anerkennungsvoraussetzungen (wie im Hongkonger Recht) hierfür allerdings kaum der passende Standort: Will man für Regulierungszwecke differenzieren, so kann man dies systemgerecht nicht durch eine Offenlegung, sondern nur durch die Nichtanerkennung unbeauftragter Ratings tun,464 während die Kennzeichnungspflicht offensichtlich die allgemeine Marktöffentlichkeit unabhängig von Regulierungszusammenhängen zu erreichen sucht. Es geht mit anderen Worten also um die Regelung der Marktinformationsfunktion des Ratings, nicht seiner Regulierungsfunktion. Schließlich ist bei der Ausgestaltung einer Offenlegungspflicht wiederum auf ihre Adressatengerechtheit zu achten, die dafür spricht, eine Kennzeichnung des Ratingkürzels unbeauftragter Ratings465 und nicht lediglich eine Angabe im be459 Die Stellungnahmen im deutschen Schrifttum beschränken sich auf pauschale Forderungen, ohne eine taugliche Rechtsgrundlage zu benennen. 460 Dafür Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 81 (auf Grundlage des Objektivitätsgebots); dagegen Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 159. 461 Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 639; Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 311. 462 Dazu bereits oben unter I 2. 463 Vgl. Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 81. 464 Im geltenden Recht sind unbeauftragte Ratings in allen hier untersuchten Rechtsordnungen für Regulierungszwecke anerkannt; s. bereits § 23 III 1 b). 465 So verfährt Standard & Poor’s durch Hinzufügen des Kürzels „pi“. Von 2001 bis 2005 fügte Fitch seinen unbeauftragten Ratings das Kürzel „s“ bei; seit 2005 kennzeichnet diese Agentur unbeauftragte Ratings hingegen nicht mehr.
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gleitenden Ratingbericht zu fordern. Unter den bestehenden Kennzeichnungspflichten schreibt allein die EG-RatingVO die Kennzeichnung der Ratingkategorie durch eine „deutlich unterscheidbare andere Farbe“ vor,466 während andernorts insoweit keine Vorgabe gemacht und daher wohl beides zugelassen wird – sofern die Rating-Agenturen sich hier zulässigerweise für einen Hinweis außerhalb des aufnehmbar „codierten“ Ratingkürzels entscheiden,467 dürfte dies die tatsächliche Informationswirkung am Markt entscheidend einschränken. b) Zeitpunkt der Ratingpublikation Schließlich wird im deutschsprachigen Schrifttum behauptet, unbeauftragte Ratings dürften nicht „zur Unzeit“ veröffentlicht werden, wobei als Beispiel typischerweise eine Publikation während oder kurz vor einer Hauptversammlung des Emittenten genannt wird.468 Für eine so geartete Pflicht ist im deutschen Recht jedoch keinerlei Rechtsgrundlage ersichtlich, zumal die Presse- und Meinungsfreiheit der Rating-Agenturen im Grundsatz auch die freie Wahl des Zeitpunkts ihrer Meinungsäußerung einschließt.469 Diese Freiheit wird schließlich auch durch keinen gegenläufigen Anspruch des Emittenten (oder seiner Leitungsorgane) eingeschränkt, in zeitlicher Nähe zu einer Hauptversammlung „in Ruhe gelassen zu werden“, zumal die Aktionäre – als Teil der Investorenöffentlichkeit, an die sich unbeauftragte Ratings in ihrer Marktinformationsfunktion wenden – ihrerseits ein erkennbares Interesse an unabhängigen Bonitätsbeurteilungen gerade in zeitlicher Nähe zur Hauptversammlung haben.470
466 Art. 10 Abs. 5 Unterabs. 1 EG-RatingVO, neu gefasst durch ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 467 So verfährt etwa die Rating-Agentur Moody’s, die ihren unbeauftragten Erstratings seit dem Jahre 1999 folgenden Satz beifügt: „This rating was initiated by Moody’s. The issuer did not participate in the assignment process.“ Diese freiwillige Kennzeichnung wurde in Reaktion auf das Gerichtsverfahren in der Sache Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services (dazu schon § 5 III 1 a) cc) (1)) eingeführt, die ein unsolicited rating betraf; vgl. zum Ganzen Moody’s Investors Service, Designation of Unsolicited Ratings in Which the Issuer Has Not Participated (Nov. 1999), S. 1 ff. 468 Arntz, BKR 2012, 89, 94; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 10; Strunz-Happe, BFuP 2005, 231, 232. Historischer Anlass für die Annahme einer solchen „Pflicht“ dürften u.U. die Erfahrungen mit der Ratingherabstufung am Tag der Hauptversammlung der ThyssenKrupp AG im Jahre 2003 gewesen sein; siehe dazu schon in § 5 III 2 b) bb). 469 BVerfG, 14.10.1969, BVerfGE 27, 89, 98 f.; BVerfG, 13.1.1988, BVerfGE 77, 346, 358 („Presse-Grosso“); BVerfG, 29.8.2007, BVerfGK 12, 85, 94; BVerwG, 14.1.1989, BVerwGE 84, 86, 92 f.; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 126; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 5 Rn. 19; Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, § 141 Rn. 34. 470 Dabei ist keineswegs ausgemacht, dass eine Ratingherabstufung aus Sicht der Aktionäre Anlass zur Kritik gegenüber der Unternehmensleitung ist, denn nach ökonomischen Maßstäben kann eine schlechte Nachricht für Fremdkapitalgeber (d.h. Anleiheinhaber) sehr wohl eine gute Nachricht für Eigenkapitalgeber (d.h. Aktionäre) sein; siehe dazu schon § 5 II 1 c).
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3. Besonderheiten bei Ratings für komplexe Finanzinstrumente Die soeben beschriebene Diskussion wird in jüngerer Zeit auch für das Rating komplexer Finanzinstrumente in ähnlicher Form geführt. Der Ansatzpunkt ist hier freilich ein etwas anderer, weil es nicht um die Signalisierung einer geringeren Datenbasis (also des „input“), sondern eines anderen Aussagegehalts der betreffenden Ratings („output“) geht: Man verspricht sich von einer speziellen Ratingkennzeichnung, dass sie die Investoren auf die besonderen Risiken aufmerksam macht, die strukturierte Finanzinstrumente im Vergleich zu anderen Fremdkapitaltiteln innewohnen.471 Die Einführung einer dahingehenden aufsichtsrechtlichen Vorgabe ist in den U.S.A. durch die SEC vorgeschlagen worden,472 ohne dort jedoch zur Umsetzung zu gelangen.473 In der EU wurde sie hingegen durch die EG-RatingVO eingeführt, die beim Rating strukturierter Finanzinstrumente nunmehr die Verwendung eines „zusätzlichen Symbols“ vorschreibt.474 Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat damit zugleich Position in der Frage bezogen, ob eine Kennzeichnung in Form eines besonderen Ratingkürzels bzw. einer gesonderten Ratingskala erfolgen sollte475 oder ein Hinweis im begleitenden Ratingbericht ausreicht,476 und hat sich – unter dem Gesichtspunkt der Adressatengerechtheit der Publizitätspflicht zu Recht – für erstere Lösung entschieden. Die Hongkonger Aufsichtspraxis477 hat sich dem angeschlossen. Ob ein besonderes Ratingkürzel für strukturierte Finanzinstrumente notwendig und sinnvoll ist, wird im internationalen Schrifttum allerdings bestritten.478 Man merkt an, dass es nicht notwendig sein sollte, den Investor darauf hinzuweisen, dass er die Beurteilung eines strukturierten Finanzinstruments (und keiner 471 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 71; Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 35; Möllers, JZ 2009, 861, 868; Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 17. 472 SEC Release 34–57967 vom 16. Juni 2008 „Proposed Rules for NRSROs“, 73 FR 36212, 36235 ff. (25. Juni 2008). 473 SEC Release 34–61051 vom 23. Nov. 2009 „Proposed Rules for NRSROs“, 74 FR 63866 (4. Dez. 2009): „at this time, the Commission is announcing that it is deferring consideration of action …“. 474 Art. 10 Abs. 3 EG-RatingVO. Dazu Wittig, in: Bankrechtstag 2009, S. 129, 145: „besonders bemerkenswert“. 475 Dafür de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 71: „a new, distinct code“; Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 34 f.; Möllers, JZ 2009, 861, 868. Der IOSCO-Kodex, Tz. 3.5(b) regt dies an („preferably“), ohne es strikt vorzuschreiben. 476 So der (einstweilen nicht weiter verfolgte) Vorschlag in SEC Release 34–57967 vom 16. Juni 2008, 73 FR 36212, 36235 ff. 477 CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 53. 478 Mit Blick auf die Regulierungsfunktion des Ratings hätte sich eine zusätzliche Schwierigkeit ergeben, sofern – wie im Regelungsvorschlag der SEC angedacht – eine vollständig neue Ratingkategorie vorgeschrieben worden wäre, da in diesem Fall die Kompatibilität mit bestehenden ratingbasierten Rechtsregeln fraglich gewesen wäre; vgl. daher kritisch Shipe/Freeman, 15 Inv. Lawyer (Oct. 2008), 13, 17.
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Anleihe oder sonstigen Wertpapiers) vor sich hat479 – und dies wäre in der Tat bedenklich, würde es doch heißen, dass Investoren sich nicht einmal des Gegenstandes ihrer geplanten Investition bewusst sind, sondern auch insoweit nur auf das Rating blicken. Das wird man selbst bei Unterstellung einer höchst begrenzten Informationsaufnahmekapazität nicht annehmen können. Ein besonderes Ratingkürzel kann daher nur die Aufgabe haben, den Investoren auf die Besonderheiten der Bonitätsbeurteilung strukturierter Finanzinstrumente hinzuweisen,480 namentlich die größere Wahrscheinlichkeit einer Ratingänderung über mehrere Ratingstufen. Zu diesem Zweck kann es eine sinnvolle Präzisierung der Informationscodierung darstellen. Es ist dabei freilich stets zu bedenken, dass auch ein speziell codiertes Rating weiterhin eine (bloße) Bonitätsbeurteilung bleibt und daher nichts über sonstige Risiken wie etwa das Markt-, Volatilitätsund Liquiditätsrisiko aussagt,481 denen bei komplexen Finanzinstrumenten eine große Bedeutung zukommt: Die Gefahr eines diesbezüglichen Missverständnisses kann nicht ausgeschlossen werden und mag die Vorteile eines besonderen Ratingkürzels damit teilweise wieder aufheben.
4. Besonderheiten bei Ratings von EU-Staatsanleihen Die mit Abstand strengsten Vorgaben zu Ratingveröffentlichungen finden sich sodann seit Mitte 2013 im Recht der Europäischen Union, das die Publikation von Länderratings (sovereign ratings) seitdem einer ganzen Reihe von Beschränkungen unterwirft. Dass die diesbezüglichen Regelungen in der Sache vorrangig dem Schutz der EU-Staaten als Kapitalnachfrager dienen und aus diesem Grund rechtspolitisch zu kritisieren sind, wurde an anderer Stelle482 bereits thematisiert. Da diese sich in Gestalt von Länderratings sachlich auf Meinungsäußerungen über Staaten beziehen und diese mit bestimmten Verboten belegen, müssen sie sich jedoch vor allem an höherrangigem europäischen Recht messen lassen; es steht hier also der Schutz der europäischen Rating-Agenturen durch die Meinungsäußerungs-, Informations- und Medienfreiheit nach Art. 11 GR-Charta und Art. 10 EMRK483 in deren klassischer Funktion als Abwehrrechte in Rede. Die im Folgenden im Einzelnen zu erörternden Vorgaben beziehen sich – wie alle Vorgaben der EG-RatingVO – allerdings von vornherein nur auf Rating-Agenturen, die Rechtspersönlichkeiten mit Sitz in der EU484 und nach Maßgabe der EG-RatingVO zugelassen 479 Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 25: „makes little sense“; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 402: „the additional symbol serves only to highlight that the particular security is a structured security – something which should be apparent anyway.“ 480 Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1939. 481 Zutreffend Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 402. Fraglich daher de LarosièreGruppe, Report (2009), Rn. 71, wo das Kürzel als Hinweis auf „the complexity of the instrument“ gesehen wird; unklar ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 13. 482 Siehe § 19 I 3. 483 Siehe dazu schon § 21 III. 484 Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO.
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(„registriert“)485 sind. Sie finden daher insbesondere nicht auf die großen Rating-Agenturen mit alleinigem Sitz in den U.S.A. (wie namentlich Moody’s und Standard & Poor’s) Anwendung,486 obwohl gerade deren downgrades der sovereign ratings einzelner EU-Krisenstaaten der Anlass für die Schaffung der Regelungen gewesen sein dürften. Darüber hinaus stellt die EG-RatingVO auch Länderratings drittstaatlicher Rating-Agenturen, die durch europäische Agenturen formell übernommen (endorsed) und dadurch „europäisiert“ wurden,487 explizit von der Einhaltung der EU-Vorgaben zu Länderratings frei488 – wohl in Anerkennung des Umstandes, dass Letztere vor den Schranken des U.S.-amerikanischen First Amendment489 keinesfalls bestehen würden.
a) Zeitpunkt der Ratingpublikation Ein strenges Vorgabengerüst wird in Art. 8a Abs. 3, 4 EG-RatingVO zum einen mit Blick auf die Zeitpunkte geschaffen, zu denen Länderratings zulässigerweise veröffentlicht werden dürfen. aa) Vorgaben der EG-RatingVO: Jahreszeitplan und Freitagsregel So dürfen Rating-Agenturen Länderratings oder diesbezügliche Ratingausblicke nicht einfach unangekündigt in Übereinstimmung mit ihrer aktuellen Bonitätseinschätzung publizieren, sondern unterliegen dabei einem vorab festgelegten Jahresplan: Jede europäische Rating-Agentur hat nämlich Ende Dezember jedes Kalenderjahres auf ihrer Website einen Zeitplan bereitzustellen, in dem für die folgenden zwölf Monate bereits vorab sämtliche Veröffentlichungszeitpunkte für Länderratings und damit zusammenhängende Ratingausblicke angegeben werden; bei unbeauftragten Länderratings wird zudem die Anzahl zulässiger Ratingveröffentlichungen auf drei pro Jahr begrenzt.490 Die Publikationszeitpunkte müssen zudem so festgelegt werden, dass sie auf einen Freitag fallen (sog. „Freitagsregel“);491 an anderen Wochentagen sind Länderratingveröffentlichungen dagegen untersagt. Durch das nachfolgende Wochenende492 soll den betroffenen EU-Staaten so wohl zusätzliche Zeit verschafft 485
Art. 2 Abs. 1 EG-RatingVO: „Diese Verordnung gilt für Ratings, die von in der Gemeinschaft registrierten Ratingagenturen abgegeben […] werden.“ Siehe zur Registrierung nach Maßgabe der EG-RatingVO bereits § 22 II 2. 486 Arntz, ZBB 2013, 318, 328. 487 Vgl. hierzu schon § 23 III 4 b). 488 Dies deshalb, weil Art. 4 Abs. 3 lit. b EG-RatingVO ausdrücklich nicht verlangt, dass das Regelungsregime des Drittstaates (in praktischer Hinsicht vor allem: der U.S.A.) auch hinsichtlich der Anforderungen des Art. 8a EG-RatingVO an Länderratings „mindestens so streng“ ist wie das europäische Recht. 489 Zu diesen § 21 II. 490 Art. 8a Abs. 3 Satz 1 EG-RatingVO. Beauftragte Länderratings unterliegen dagegen keiner Höchstanzahl (Blaurock, EuZW 2013, 608, 609). 491 Art. 8a Abs. 3 Satz 2 EG-RatingVO. 492 Da Anh. I Abschn. D III Nr. 3 EG-RatingVO zudem vorschreibt, dass Rating-Agenturen Länderratings oder damit zusammenhängende Ratingausblicke nur „nach Handelsschluss und mindestens eine Stunde vor Öffnung der geregelten Märkte in der Union“ veröffentlichen dürfen, kommen Ratingpublikationen im Ergebnis erst Freitag nach Börsenschluss in Frage.
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werden, um die Bewertung durch die Rating-Agentur zu kommentieren und übereilte Verkäufe ihrer Schuldtitel möglicherweise zu verhindern.493 bb) Vereinbarkeit mit höherrangigem europäischem Recht Nicht zweifelhaft ist, dass die beschriebenen Vorgaben in die Kommunikationsgrundrechte der europäischen Rating-Agenturen aus Art. 11 GR-Charta und Art. 10 Abs. 1 EMRK494 eingreifen, weil mit dem Zwang zur Vorabbekanntgabe bestimmter Publikationszeitpunkte das grundsätzliche Verbot einhergeht, an sonstigen Tagen Ratingänderungen bekanntzugeben; Art. 8a Abs. 3 EG-RatingVO belegt die Rating-Agenturen folglich im Falle unbeauftragter Länderratings an 362 Tagen pro Jahr mit einem Ratingpublikationsverbot. Der „Freitagsregel“ wohnt ein vergleichbarer Verbotscharakter inne, indem sie die Veröffentlichung von Länderratings an sechs von sieben Wochentagen untersagt. Schon weil Art. 11 GR-Charta, Art. 10 Abs. 1 EMRK auch Form und Art der Darstellung sowie Art und Weise der Kommunikationsübermittlung schützen495 und dem Sichäußernden gleichfalls die Freiheit sichern, über den Zeitpunkt seiner Äußerung zu bestimmen,496 greifen diese Vorgaben der EG-RatingVO in die Grundrechte der Rating-Agenturen ein. Ob dieser gesetzliche Eingriff gerechtfertigt ist, hängt wiederum davon ab, ob die beschriebenen Vorgaben zu einem der in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten Ziele „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind“; da es sich um Formen des prior restraint handelt, sind bei dieser Prüfung nach ständiger Rechtsprechung des EGMR strenge Maßstäbe anzulegen.497 Danach fehlt es in concreto schon an einem tauglichen Eingriffsziel i.S.d. Art. 10 Abs. 2 EMRK, weil das Interesse kapitalmarktfinanzierter EU-Staaten an langfristig vorhersehbaren Ratingänderungsterminen kein Recht eines „anderen“ ist498 und sich weder die (angeblichen und nicht näher spezfizierten) „Besonderheiten von Länderratings“ noch die Verringerung des Volatilitätsrisikos, die in den einschlägigen Erwägungsgründen499 angeführt werden, unter eines der sonstigen Ziele (wie etwa den Schutz der öffentlichen Sicherheit) fassen lassen. Es bestätigt sich damit die be493
Arntz, ZBB 2013, 318, 328. Siehe zu diesen schon § 21 III. 495 EGMR, 21.2.2006 – Odabasi und Koçak ./. Türkei, NVwZ 2007, 313 Tz. 19; Jarass, Art. 11 GR-Charta Rn. 10. Ebenso zu Art. 5 Abs. 1 GG BVerfG, 27.2.2007, BVerfGE 117, 244 Tz. 43 („CICERO“): der Schutz durch die Pressefreiheit reiche von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung. 496 Zu Art. 10 Abs. 1 EMRK EGMR, 26.11.1991 – Observer and Guardian ./. Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1995, 16 Tz. 60; EGMR, 19.2.1998 – Bowman ./. Vereinigtes Königreich, Rep. 1998-I, 175 Tz. 45; EGMR, 17.7.2001 – Association Ekin ./. Frankreich, Rep. 2001-VIII, Tz. 56; EGMR, 29.3.2005 – Alinak ./. Türkei, Tz. 37. Selbiges gilt auch unter Art. 5 Abs. 1 GG; siehe die Nachw. oben in 2 b). 497 Siehe dazu schon § 21 III 2 a) und § 22 II 2 b). 498 Mit „anderen“ i.S.d. Art. 10 Abs. 2 EMRK sind nur andere (Privat-)Personen gemeint, nicht jedoch der Staat. 499 Erwägungsgrund 42 zur (zweiten) ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 494
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reits an anderer Stelle500 dargelegte Erkenntnis, dass die Sonderregeln der EG-RatingVO zu sovereign ratings nicht dem öffentlichen Interesse, sondern lediglich den wirtschaftlichen Interessen der in der EU zusammengeschlossenen Staaten dienen. Deutlich wird dies insbesondere daran, dass unbeauftragte Länderratings durch die EGRatingVO strenger reguliert werden als Länderratings, die durch staatliche Emittenten beauftragt wurden, obgleich downgrades bei beiden Ratingarten dieselben Marktreaktionen nach sich ziehen501 und daher auch dasselbe Volatilitätsrisiko beinhalten:502 In der Sache geht es erkennbar um den Schutz souveräner Kapitalnachfrager in der EU vor solchen Bonitätsbeurteilungen, die ohne ihre vorherige Zustimmung veröffentlicht werden.503 Diese Sonderbehandlung von sovereign ratings steht zudem in auffälligem Kontrast zum sonstigen Bestreben des Unionsgesetzgebers, die unbeauftragte Ratingerstellung als Mittel der Wettbewerbserhöhung unter den Rating-Agenturen gerade zu fördern:504 Während man darin „einen großen potenziellen zusätzlichen Nutzen für das Funktionieren des Binnenmarkts und den Anlegerschutz“505 erkennt, soweit die ungefragte Beurteilung privater Emittenten betroffen ist, soll anscheinend das Gegenteil gelten, sofern eine staatliche Leistungspflicht den Gegenstand des Ratings bildet. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass diese inkonsistente Bewertung sich nicht mit einem „dringenden gesellschaftlichen Interesse“,506 sondern nur mit dem Eigeninteresse kapitalmarktfinanzierender Regierungsstellen erklären lässt.
Da die EU-Kommunikationsgrundrechte aber gerade solche öffentlichen Äußerungen über den Staat vor staatlichem Zwang schützen sollen, die ohne (oder ggfs. gegen) den Willen staatlicher Organe getätigt werden, sind die Vorgaben des Art. 8a Abs. 3 EG-RatingVO zur zeitlichen Zulässigkeit von Länderratingveröffentlichungen – isoliert betrachtet – mit Art. 11 GR-Charta, Art. 10 Abs. 1, 2 EMRK unvereinbar. Dem Verdikt der Grundrechtswidrigkeit entgehen sie daher nur durch die Ausweichklausel im folgenden Absatz der Norm, die Abweichungen vom Jahreszeitplan (nur) dann gestattet, wenn dies zur Einhaltung der Verpflichtungen 500
Siehe § 19 I 3 b). Zu den diesbezüglichen Befunden der empirischen Kapitalmarktforschung bereits § 5 II 2 d). 502 Vgl. zu den Gründen des Volatilitätsrisikos bei Staatsanleihen aus ökonomischer Sicht näher Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50 ff. 503 Siehe dazu bereits § 19 I 3 b). 504 Vgl. Erwägungsgrund 7 zur (ersten) ÄnderungsVO Nr. 513/2011 zur EG-RatingVO: „… würde die Offenlegung dieser Informationen gegenüber anderen registrierten oder zertifizierten Ratingagenturen wahrscheinlich den Wettbewerb zwischen den Ratingagenturen stärken, da dies insbesondere zu einer steigenden Anzahl unbeauftragter Ratings führen würde. Die Abgabe solcher unbeauftragter Ratings sollte die Verwendung von mehr als einem Rating pro Finanzinstrument fördern. Dies wird wahrscheinlich auch mögliche Interessenkonflikte, insbesondere aufgrund des ‚Modells des zahlenden Emittenten‘, vermeiden helfen und dürfte die Qualität der Ratings erhöhen“; kritisch dazu Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 217. 505 So Erwägungsgrund 7 zur (ersten) ÄnderungsVO Nr. 513/2011 zur EG-RatingVO. 506 Vgl. zu diesem Erfordernis im Rahmen des Art. 10 Abs. 2 EMRK EGMR, 26.11.1991 – Observer and Guardian ./. Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1995, 16 Tz. 59 sowie bereits oben in § 22 II 2 b) bb) (2). 501
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aus Art. 8 Abs. 2, Art. 10 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 1 EG-RatingVO erforderlich ist.507 Voraussetzung hierfür ist freilich, dass man diese Bezugnahme korrigierend auch auf Art. 8 Abs. 5 EG-RatingVO (also die Pflicht zur zeitnahen Aktualisierung von Ratingeinstufungen) erstreckt,508 zumal den Rating-Agenturen in der Vergangenheit häufig gerade die verzögerte Anpassung ihrer Ratings an neue Erkenntnisse vorgeworfen wurde.509 So gelesen, dürfen und müssen Länderratings daher trotz Jahreszeitplans immer dann öffentlich zugänglich angepasst werden, wenn neue Erkenntnisse nach den Ratingmethoden der Rating-Agentur eine Anpassung erforderlich machen510 – dem vorab publizierten Jahreszeitplan kommt daher letztlich nur die Funktion einer Auffangplanung zu, die bei Fehlen bonitätsrelevanter Entwicklungen eingreift. Dass die Rating-Agenturen für jede Abweichung vom veröffentlichten Zeitplan eine detaillierte Begründung abgeben müssen,511 dürfte dabei allein keine Unvereinbarkeit mit höherrangigem Unionsrecht begründen, sondern sich noch im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Unionsgesetzgebers „in einer demokratischen Gesellschaft“512 halten.
b) Inhalt der Ratingpublikation Darüber hinaus regelt die EG-RatingVO seit ihrer Änderung im Jahre 2013 in verschiedener Hinsicht auch den Inhalt von Ratingpublikationen, soweit sie Länderratings betreffen. Sie tut dies zum einen durch eine sonderbare Vorschrift zu Informationen aus der Sphäre des bewerteten Staates,513 deren Verwendung Rating-Agenturen bei fehlender Zustimmung des Staates untersagt wird – eine durchaus grundrechtsrelevante Regelung,514 die hier jedoch deshalb außer Betracht bleiben kann, weil sie sich ausdrücklich nicht auf Ratings, Ratingausblicke, 507
Art. 8a Abs. 4 erster Halbsatz EG-RatingVO. Dem entspricht anscheinend das Verständnis der ESMA; vgl. ESMA, Q&A: Implementation of the Regulation (EU) No 462/2013 on Credit Rating Agencies (17 Dec. 2013), S. 6 f. (Answer 3(b)): „CRAs have to follow the announced calendar of sovereign ratings and outlooks as a general rule. However, CRAs have also to comply with the overarching principle of timely issuing credit rating [sic] of adequate quality. In order to combine both principles, the Regulation allows CRAs to deviate from the announced calendar where necessary to comply with the obligation to disclose credit ratings based on all available and relevant information in a timely manner (Article 8(2), Article 10(1) and Article 11(1))“ (meine Hervorhebungen). 509 Vgl. nur Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 794: „Rating agencies have repeatedly received heaps of scorn for downgrading ratings too slowly.“ 510 Einer vorherigen Anzeige bei oder gar Erlaubnis durch die ESMA bedarf es nicht; so ESMA, Q&A: Implementation of the Regulation (EU) No 462/2013 on Credit Rating Agencies (17 Dec. 2013), S. 6 (Answer 3(a)). 511 Art. 8a Abs. 4 zweiter Halbsatz EG-RatingVO. 512 So das zentrale Tatbestandsmerkmal des Art. 10 Abs. 2 EMRK; dazu schon in § 21 III 2 a) und § 22 II 2 b). 513 Nämlich Art. 8a Abs. 2 EG-RatingVO. 514 Vgl. nur EGMR, 26.11.1991 – Observer and Guardian ./. Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1995, 16 Tz. 59: „Not only does the press have the task of imparting such information and ideas: the public also has a right to receive them. Were it otherwise, the press would be unable to play its vital role of ‚public watchdog‘“; EGMR, 14.3.2002 – Gawęda ./. Polen, Rep. 2002-II, 105 Tz. 34; Meyer-Ladewig, Art. 10 EMRK Rn. 17. 508
§ 25 Einzelne Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen
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die sie begleitenden Pressemitteilungen oder -berichte bezieht.515 Zum anderen schreibt sie die begleitende Veröffentlichung eines ausführlichen Prüfungsberichts vor, dessen erforderlicher Mindestinhalt detailliert aufgelistet wird.516 Darüber hinaus belegt sie den Inhalt von Ratingpublikationen zu sovereign ratings mit zwei spezifischen Verbotstatbeständen: aa) Verbot der pauschalen Ankündigung von Ratingüberprüfungen bezüglich einer Ländergruppe (1) Vorgaben der EG-RatingVO zum zulässigen Inhalt von Ratingüberprüfungsankündigungen Nach der EG-RatingVO müssen Länderratings in einer Weise abgegeben werden, die sicherstellt, dass die Eigenheiten des betreffenden Mitgliedstaats untersucht wurden517 – ein als solches unmittelbar einleuchtendes Postulat, das sich auch aus dem allgemeiner gefassten, für Unternehmensratings geltenden Art. 8 EG-RatingVO ergeben dürfte. Für Länderratings wird diese Grundregel sodann jedoch noch durch ein spezifisches Verbot flankiert: „Die Überprüfung einer bestimmten Ländergruppe mit einer entsprechenden Erklärung anzukündigen, ist untersagt, wenn ihr keine länderspezifischen Einzelberichte beigefügt werden. Derartige Berichte werden öffentlich zugänglich gemacht.“518 (2) Unvereinbarkeit mit höherrangigem europäischen Recht Das Verbot der Ankündigung von Ratingüberprüfungen bezüglich einer Ländergruppe muss sich ebenfalls an Art. 11 GR-Charta, Art. 10 Abs. 1 EMRK messen lassen und greift dadurch ersichtlich in den Schutzbereich dieser Grundrechte ein, dass eine solche öffentliche Ankündigung nur dann nicht verboten wird, wenn sie unter Beifügung länderspezifischer Einzelberichte erfolgt. Durch das Untersagen von Ankündigungen, die sich auf die Überprüfung der sovereign ratings mehrerer Länder ohne ergänzende Einzelberichte beziehen, wird somit der zulässige Inhalt öffentlicher Äußerungen beschränkt; mit der Vorgabe der zwingenden Beifügung öffentlich zugänglich zu machender Einzelberichte regelt die 515
In diesem Sinne der Satzanfang des Art. 8a Abs. 2 EG-RatingVO. Anh. I Abschn. D III Nr. 1, 2 EG-RatingVO. Es führte in Fachkreisen zu einigem Amüsement, als sich herausstellte, dass die Detailvorgaben für die vorgeschriebene ausführliche Bewertung der Änderung der quantitativen Annahme unter Angabe der Gründe für die Ratingänderung in Anh. I Abschn. D III Nr. 2 lit. a EG-RatingVO (in der englischsprachigen Verordnungsfassung „per capita income, GDP Growth, inflation, fiscal balance, external balance, external debt, an indicator for economic development, an indicator for default“) dabei anscheinend buchstabengenau aus dem Aufsatz von Cantor/Packer, 2 FRBNY Econ. Pol. Rev. (Oct. 1996), 37, 40 abgeschrieben wurden. Vgl. dazu Cantor, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 27, 32: „Thus, EU regulation now requires all rating agencies to give explicit public consideration for a backward-looking framework, presented in a 15-year-old research paper by two economists who, at the time, knew virtually nothing about sovereign credit risk.“ 517 Art. 8a Abs. 1 Satz 1 EG-RatingVO. 518 Art. 8a Abs. 1 Satz 2, 3 EG-RatingVO. 516
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
EG-RatingVO zudem die von Art. 10 EMRK ebenfalls geschützte Form, in der Ideen vermittelt werden.519 Da Art. 8a Abs. 1 Satz 2, 3 EG-RatingVO eine bereits im Vorfeld wirkende Einschränkung von Veröffentlichungen (prior restraint) darstellt, muss ihre etwaige Rechtfertigung wiederum besonders strengen Anforderungen gerecht werden.520 Art. 10 Abs. 2 EMRK lässt dabei im Bereich der Diskussion über Fragen öffentlichen Interesses nach st. Rechtsprechung nur wenig Raum für Einschränkungen;521 die Darlegungslast für die Notwendigkeit einer Einschränkung und deren Verhältnismäßigkeit trifft die staatliche Behörde (hier also: den Unionsgesetzgeber), der insofern einen „überzeugenden Nachweis“ zu führen hat.522 Hierzu dürfte der bereits erörterte, kryptische Verweis auf die „Besonderheiten von Länderratings“523 und die angebliche „Gefahr von Ansteckungseffekten innerhalb der Union“524 nicht genügen.525 Denn es mag zwar sein, dass die Ankündigung einer gruppenweisen Bonitätsüberprüfung aus Sicht der Regierungen der betroffenen Staaten als untunlich oder nicht sachgerecht erscheint, aber darauf kommt es im Anwendungsbereich von Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit schlicht nicht an: Sofern der Staat bestimmte Reaktionen der Öffentlichkeit (einschließlich der Finanzmarktöffentlichkeit) auf private Publikationen befürchtet, so kann er diesen seine Sicht der Dinge durch Informationsveröffentlichungen entgegensetzen. Demgegenüber ist es mit der durch Art. 10 EMRK geschützten Freiheit der politischen Diskussion als „Herzstück einer demokratischen Gesellschaft“526 kaum zu vereinbaren und daher unverhältnismäßig, wenn der Staat ihm lästige Äußerungen der Presse stattdessen einfach verbietet. Da der Unionsgesetzgeber bislang keine stichhaltigen und ausreichenden Gründe zur Rechtfertigung dieses Eingriffs527 angeführt und die Notwendigkeit einer solchen Einschränkung nicht – wie nach der EGMR-Rechtsprechung erforderlich – „überzeugend nachgewiesen“ hat, sind die Vorgaben des Art. 8a 519 Vgl. EGMR, 24.2.1997 – De Haes und Gijsels ./. Belgien, Rep. 1997-I, 236 Tz. 48; EGMR, 8.7.1999 – Kartaș ./. Türkei, Tz. 49; Meyer-Ladewig, Art. 10 EMRK Rn. 20. 520 Siehe dazu schon oben unter 4 a) bb). 521 EGMR, 8.7.1995 – Baskaya und Okcuoglu ./. Türkei, NJW 2001, 1995 Tz. 62; Meyer-Ladewig, Art. 10 EMRK Rn. 44. 522 EGMR, 22.5.1999 – Rekvényi ./. Ungarn, NVwZ 2000, 421 Tz. 42; EGMR, 28.9.2000 – Lopes Gomes da Silva ./. Portugal, Tz. 33; EGMR, 21.2.2006 – Odabasi und Koçak ./. Türkei, NVwZ 2007, 313 Tz. 19. 523 Siehe hierzu schon § 19 I 3 b). 524 Erwägungsgrund 44 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO; zustimmend Blaurock, EuZW 2013, 608, 609. 525 In diesem Sinne auch Cantor, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 27, 31: „The interplay between sovereign credit ratings and credit markets therein described probably reflects more the heated emotions around the topic than cold science.“ 526 EGMR, 8.7.1986 – Lingens ./. Österreich, EuGRZ 1986, 424 Tz. 42; EGMR, 22.5.1999 – Rekvényi ./. Ungarn, NVwZ 2000, 421 Tz. 26; Meyer-Ladewig, Art. 10 EMRK Rn. 14. 527 Vgl. zu diesen Anforderungen EGMR, 22.5.1999 – Rekvényi ./. Ungarn, NVwZ 2000, 421 Tz. 42.
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Abs. 1 Satz 2, 3 EG-RatingVO als mit Art. 11 GR-Charta, Art. 10 Abs. 1 EMRK unvereinbar und daher nichtig anzusehen. bb) Verbot von Empfehlungen zur staatlichen Politik durch Rating-Agenturen Noch eindeutiger fällt das Unwirksamkeitsurteil mit Blick auf das explizite Verbot der Abgabe „politischer Empfehlungen, Auflagen oder Leitlinien“ aus, mit dem die EG-RatingVO europäische Rating-Agenturen seit ihrer Reform im Jahre 2013 belegt. (1) Vorgaben der EG-RatingVO zum zulässigen Inhalt von Ratingberichten und -ausblicken Der diesbezügliche Verbotstatbestand findet sich in Anhang I zur EG-RatingVO und lautet: „Unbeschadet des Anhangs I Abschnitt D Teil I Nummer 5, wonach eine Ratingagentur bei der Ankündigung eines Länderratings in ihren Pressemitteilungen oder Berichten die wichtigsten Faktoren, auf die sich das Rating stützt, erläutern muss, und obwohl nationale politische Maßnahmen zu den Faktoren gehören können, auf die sich ein Länderrating stützt, sind an bewertete Einheiten – auch an Staaten oder regionale oder lokale Gebietskörperschaften von Staaten – gerichtete politische Empfehlungen, Auflagen oder Leitlinien nicht Teil des Länderratings oder Ratingausblicks.“528 Verstöße gegen dieses Verbot sind mit einer durch die ESMA zu verhängenden Geldbuße von mindestens 500 000 € bewehrt.529 Der Hintergrund für diesen in einem demokratischen Gemeinwesen wahrhaft bemerkenswerten Verbotstatbestand wird in den einschlägigen Erwägungsgründen mit den Worten erläutert, die (als solches gewünschte) Transparenz bei Länderratings „sollte aber nicht zu Vorgaben in Bezug auf die Richtung der nationalen Politik (etwa in den Bereichen Wirtschaft, Beschäftigung oder in sonstigen Politikbereichen) führen. Daraus folgt, dass die jeweilige Politik zwar von der Ratingagentur als Faktor für die Bewertung der Bonität eines öffentlichen Emittenten oder der von diesem begebenen Finanzinstrumente berücksichtigt und zur Erläuterung der Hauptgründe eines Länderratings verwendet werden darf, es den Ratingagenturen aber nicht gestattet sein sollte, öffentlichen Emittenten unmittelbare oder ausdrückliche Vorgaben oder Empfehlungen in Bezug auf eine bestimmte Politik zu machen. Ratingagenturen sollten davon Abstand nehmen, unmittelbare oder ausdrückliche Empfehlungen zur Politik staatlicher Akteure abzugeben.“530
528 529 530
Anh. I Abschn. D III Nr. 4 EG-RatingVO. Art. 36a Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a i.V.m. Anh. III Abschn. 1 Nr. 58 EG-RatingVO. Erwägungsgrund 45 zur (zweiten) ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
(2) Unvereinbarkeit mit höherrangigem europäischen Recht Der Maßstab, dem das Verbot politischer Empfehlungen in Anhang I zur EGRatingVO hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit höherrangigem Unionsrecht zu genügen hat, ist derselbe, der soeben zum Verbot von Ratingüberprüfungsankündigungen bezüglich Ländergruppen531 beschrieben wurde. Ein gewisser Unterschied liegt darin, dass der hier in Rede stehende Verbotstatbestand ungleich weniger technische, sondern im engeren Sinne „politische“ Äußerungsinhalte betrifft und damit noch eindeutiger in den Schutzbereich von Art. 11 GR-Charta, Art. 10 EMRK fällt (obgleich dieser keineswegs auf Meinungsäußerungen mit originär politischem Bezugspunkt beschränkt ist532). Der in dem unionsrechtlichen Verbot der Veröffentlichung an Staaten gerichteter politischer Empfehlungen, Auflagen oder Leitlinien liegende Eingriff, der in Gestalt einer angedrohten Geldbuße in Mindesthöhe von 500 000 € – eines Betrages, der kleinere und mittlere Rating-Agenturen wirtschaftlich ruinieren könnte – von einem weiteren Eingriff flankiert wird, wird durch die bislang angegebenen Gründe533 keineswegs gerechtfertigt und dürfte auch nicht zu rechtfertigen sein: Dies ergibt sich schon daraus, dass die europäische Freiheit der Meinungsäußerung nicht nur für „Informationen“ oder „Ideen“ gilt, die günstig aufgenommen oder als unschädlich oder unwichtig angesehen werden, sondern sogar für Meinungsäußerungen, die verletzen, schockieren oder beunruhigen. So wollen es Pluralismus, Toleranz und offene Geisteshaltung, ohne die es eine demokratische Gesellschaft nicht gibt.534 Ein demokratischer Staat – gleichgültig, ob über den Finanzmarkt finanziert oder nicht – hat es aus diesem Grund hinzunehmen, wenn eine Rating-Agentur politische Empfehlungen gleich welcher Art an ihn richtet, denn ein diesbezügliches Grundrecht besitzen Rating-Agenturen ebenso wie jede andere natürliche oder juristische Person535 mit Sitz in der EU oder aber einem dritten Staat (wie etwa den U.S.A.).536 Dieses Recht verwirklicht zugleich das korrespondierende Recht der Öffentlichkeit, über andere Betrachtungsweisen zu Fragen des öffentliches Interesses informiert zu werden, „so unliebsam dies auch für die Behörden sein mag“537 – ein in keiner Weise begrenztes Publikationsverbot für jegliche politischen Empfehlungen, Auflagen und Leitlinien greift daher in so dramatischer Weise in den Kernbereich der europäischen Kommunikationsgrundrechte ein, dass seine Rechtfertigung ausgeschlossen erscheint. 531
Soeben unter aa) (2). EGMR, 20.11.1989 – markt intern Verlag ./. Deutschland, EuGRZ 1996, 302 Tz. 26; MeyerLadewig, Art. 10 EMRK Rn. 4. Dazu auch schon § 21 III 1 b). 533 Siehe zu diesen schon § 19 I 3 b). 534 EGMR, 22.5.1999 – Rekvényi ./. Ungarn, NVwZ 2000, 421 Tz. 42; EGMR, 21.2.2006 – Odabasi und Koçak ./. Türkei, NVwZ 2007, 313 Tz. 19. 535 Zur Erfassung juristischer Personen durch Art. 10 EMRK und Art. 11 GR-Charta Feise, Medienfreiheit, S. 105; Jarass, Art. 11 GR-Charta Rn. 35; Pünder, in: Ehlers, Europ. Grundrechte, § 16.2 Rn. 9; Winkler, Grundrechte der EU, S. 415 sowie schon oben § 21 III 1 a). 536 Vgl. zum Geltungsbereich von Art. 10 EMRK und Art. 11 GR-Charta auch für in Drittstaaten ansässige Personen Heselhaus/Nowak/Kühling, § 24 Rn. 26; Jarass, Art. 11 GR-Charta Rn. 35. 537 EGMR, 8.7.1995 – Baskaya und Okcuoglu ./. Türkei, NJW 2001, 1995 Tz. 65. 532
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Der genannte Verbotstatbestand der EG-RatingVO538 ist nach alledem ebenso wie der daran anknüpfende Bußgeldtatbestand539 evident mit höherrangigem Unionsrecht unvereinbar und damit nichtig.
VIII. Ratingspezifische Folgepflichten Nachdem sie ein Erstrating veröffentlicht hat, nimmt die Rating-Agentur in der Folgezeit üblicherweise eine weitere Beobachtung der Bonität des Emittenten bzw. der Emission vor und passt das Rating, sofern erforderlich, der geänderten Bonität an.540 Eine rechtliche Pflicht zur Überwachung und Erstellung von Folgeratings besteht allerdings nur, wenn sich diese aus dem Ratingvertrag mit dem Emittenten ergibt.541 Dies ist bei Ratings für öffentliche Emissionen etwa dann der Fall, wenn der Rating-Agentur nach dem Vertrag eine jährliche Überwachungsgebühr (surveillance fee) zusteht,542 während andere Ratingverträge die Fortführung des Ratings zwar gestatten, aber in das Ermessen der Agentur stellen. Bei privat zu platzierenden strukturierten Finanzinstrumenten wird hingegen häufig nur die Erstellung eines einmaligen point in time-Ratings vereinbart.543 Entscheidend ist jeweils der Inhalt der Vereinbarung mit dem Emittenten. Bei der laufenden Überwachung und den ggfs. erforderlichen Ratinganpassungen hat die Rating-Agentur im Grundsatz denselben Maßstäben zu genügen, die auch für die erstmalige Ratingerstellung gelten.544 In Haftungskonstellationen spielen diese sogar vorrangig dort eine Rolle, wo es um Ratinganpassungen geht, weil Schadensersatzansprüche gegen Rating-Agenturen weit häufiger auf angeblich pflichtwidrig unterlassene oder aber überhöht vorgenommene Anpassungen gestützt werden als auf fehlerhafte Erstratings. In der Praxis entstehen besondere Schwierigkeiten, wenn die Rating-Agentur seit dem Erstrating ihre internen Beurteilungskriterien geändert hat545 und dies (wie im Fall ThyssenKrupp546) zu einer Ratingherabstufung führt; hier gewinnt das Stellungnahmerecht des Emittenten eine zentrale Bedeutung.547 EG-Recht und Hongkonger Recht verlangen in zeitlicher Hinsicht, dass eine Überprüfung der ausstehenden Ratings mindestens ein538
Anh. I Abschn. D III Nr. 4 EG-RatingVO. Art. 36a Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a i.V.m. Anh. III Abschn. 1 Nr. 58 EG-RatingVO. 540 Hoffmann/Baron, ZBB 2005, 317, 318; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 315; Röh, BKR 2008, 174, 175: „Monitoring“. 541 Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 415. 542 So etwa das Ratingvertragsmuster der Rating-Agentur Fitch bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 190. Eine Folgeratingpflicht kann aber auch bei Vereinbarung einer „one time fee“ bestehen; so Howe, in: Fabozzi, Handbook of Fixed Income Securities, 3. Aufl., S. 343, 369. 543 Richards, 16 Real Est. L.J. (1987), 99, 121 (zu U.S.-amerikanischen mortgage-backed securities-Emissionen). 544 S. zu diesen oben V. 545 Art. 8 Abs. 6 EG-RatingVO verlangt in diesem Fall eine unverzügliche Überprüfung ausstehender Ratings. 546 Siehe § 5 III 2 b) bb). 547 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 198. 539
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
mal im Jahr erfolgt,548 was schon zuvor der Praxis entsprach.549 Entscheidend ist letztlich, ob im konkreten Fall Anzeichen für eine veränderte Bonität bestehen.550 Die ratingspezifischen Folgepflichten der Rating-Agentur enden, wenn die diesbezügliche ratingvertragliche Pflicht ausläuft oder die Rating-Agentur die laufende Bonitätsbeurteilung einstellt, indem sie den Ratingvertrag kündigt bzw. die auf eigene Initiative vorgenommene Bewertung einstellt. Anlass für einen solchen Schritt ist typischerweise, dass der Emittent (oder, im Bereich komplexer Finanzinstrumente, der Servicer) keine ausreichenden Informationen mehr zur Verfügung stellt, um eine Bonitätsüberwachung zu erlauben.551 Die RatingAgentur muss die Fortführung eines beauftragten Ratings auch dann einstellen, wenn der Emittent von einem Kündigungs- oder Widerrufsrecht Gebrauch macht, das nach Schweizer Auftragsrecht durch die Parteien nicht abbedungen werden kann.552 Sie kann die Bonitätsbeurteilung in diesem Fall aber in Gestalt eines unbeauftragten Ratings fortsetzen553 und wird dies häufig auch tun,554 weil es der Emittent andernfalls in der Hand hätte, die Veröffentlichung unerwünschter Ratingeinstufungen durch schlichte Vertragsbeendigung zu unterbinden. Stellt eine Rating-Agentur die fortlaufende Aktualisierung eines bestimmten Ratings ein, so verpflichten aufsichtsrechtliche Vorgaben sie zur rechtzeitigen Bekanntgabe dieses Schrittes,555 weil damit auch die Regulierungsfunktion dieses Ratings endet und den davon Betroffenen rechtzeitig Gelegenheit zur Disposition gegeben werden muss.
548 Art. 8 Abs. 5 EG-RatingVO (für Länderratings dagegen mindestens alle sechs Monate); ebenso zuvor EG-Bankenrichtlinie, Anhang VI, Teil 2, Tz. 4; CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 15. Bei Schaffung des IOSCO-Kodizes war eine Aktualisierungspflicht nach bestimmten Zeiträumen hingegen explizit abgelehnt worden, weil die Rating-Agenturen flexibel sollten reagieren können; Strunz-Happe, BFuP 2005, 231, 239. 549 Blaurock, ZGR 2007, 603, 605; Howe, in: Fabozzi, Handbook of Fixed Income Securities, 3. Aufl., S. 343, 369; Krämer, StB 2004, 60, 64. 550 Dies entspricht der Rechtslage in der Schweiz, wo eine Überprüfung „periodisch und bei Bedarf“ verlangt wird (FINMA, Rundschreiben 2012/1 Ratingagenturen, Rn. 27); so auch IOSCOKodex, Tz. 1.10. 551 Hitselberger/Lynch, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2009 Supplement, § 7.02[D]. 552 So die ganz herrschende Rspr. zu Art. 404 Abs. 1 OR; vgl. nur BGer, 3.10.1972, BGE 98 II 305, 307 E. 2a. Für deren Anwendung auch auf Ratingverträge Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 149. Die vordringende Ansicht in der schweizerischen Lehre hält das Widerrufs- und Kündigungsrecht des Art. 404 Abs. 1 OR allerdings mit überzeugenden Gründen nur bei typischen Aufträgen für zwingend (vgl. Weber, in Basler Komm., Art. 404 OR Rn. 10 m.w. Nachw.) – beim Ratingvertrag spricht für die Einordnung als atypischer Auftrag, dass die Tätigkeit der Rating-Agentur von vornherein auf die Information der Öffentlichkeit gerichtet ist und daher nicht allein das andauernde Vertrauen des Auftraggebers Schutz verdient, sondern ebenfalls das Informationsinteresse der Marktöffentlichkeit. 553 Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 92. 554 Vgl. Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 8; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 313. 555 Art. 10 Abs. 1 EG-RatingVO; CRA Code of Conduct Hong Kong (June 2011), Tz. 18. In diesem Sinne auch der IOSCO-Kodex, Tz. 1.10; Blaurock, ZGR 2007, 603, 645.
Vierter Abschnitt: Haftung der Rating-Agenturen
§ 26 Grundfragen der zivilrechtlichen Haftung im Ratingkontext Die im letzten Kapitel1 behandelten Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen werden primär durch staatliche Aufsichtsbehörden durchgesetzt, sofern die jeweilige Pflicht als Folgepflicht an die staatliche Zulassung oder Anerkennung der Agentur anknüpft. Diejenigen Pflichten, die auf einer vertraglichen Grundlage oder auf Gesetzesnormen des Privatrechts beruhen, unterliegen dagegen der privaten Rechtsdurchsetzung (privat law enforcement) durch Vertragspartner der Rating-Agenturen oder sonstige Marktteilnehmer.2 Sie kann theoretisch die Form präventiver Unterlassungsansprüche annehmen, erfolgt in der Praxis aber fast ausschließlich durch die Geltendmachung repressiver Schadensersatzansprüche gegen die Rating-Agenturen.3 Die damit angesprochene zivilrechtliche Haftung der Rating-Agenturen bildet den Gegenstand der nun folgenden Kapitel der vorliegenden Untersuchung, der zunächst einige Vorbemerkungen zu Grundfragen der Thematik voranzustellen sind.
I. Funktionen der zivilrechtlichen Haftung Im System der Regulierung des Ratings lassen sich der zivilrechtlichen Haftung dabei zwei zu unterscheidende Funktionen zuordnen:
1. Haftung als individueller Ausgleichsmechanismus Zuvörderst fungiert die Haftung der Rating-Agenturen auf Schadensersatz dabei als individueller Ausgleichsmechanismus, mittels dessen geschädigten Emittenten, Investoren sowie möglicherweise weiteren Marktteilnehmern eine Kompensation für rechtswidrige Folgen einer Ratingveröffentlichung zugesprochen wird. Wie zu zeigen sein wird, sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche zivilrechtliche Haftung in den unterschiedlichen Rechtsordnungen nur strukturell vergleichbar ausgestaltet, weisen im Detail jedoch eine Fülle von Un-
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Siehe § 25. Blaurock, ZGR 2007, 603, 627. Die Rolle des private law enforcement als die dem Informationsmodell adäquate Sanktion betont Stürner, in FS Canaris I (2007), S. 1489, 1499; ebenso (speziell zum Kapitalmarktrecht) Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rn. 76. 3 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 62. 2
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
terschieden auf, die nicht selten auch auf divergierende Grundwertungen zurückgehen. Einigkeit besteht immerhin darüber, dass weder die häufig diffus empfundene allgemeine Autoritätsfunktion der Rating-Agenturen4 noch der empirisch nachweisbare Einfluss von Ratingveröffentlichungen auf die Börsenkurse dazu führen darf, vorschnell eine Haftung der Agenturen für daraus resultierende finanzielle Verluste anzunehmen, denn Ratings sind (unabhängig vom anwendbaren Haftungsrecht) keine Garantien5 oder Versicherungspolicen,6 sondern lediglich Prognosen.7
2. Haftung als präventiver Schutz- und Steuerungsmechanismus Darüber hinaus wird die zivilrechtliche Haftung der Rating-Agenturen allgemein als präventiver Schutz- und Steuerungsmechanismus eingeordnet, weil eine Haftung für fehlerhaftes Verhalten zugleich dazu beiträgt, dieses Verhalten für die Zukunft zurückzudrängen. Die Haftung der Rating-Agenturen gilt deshalb verbreitet als wichtige Form ihrer Kontrolle,8 die potentiell die Erstellung präziser Ratings9 wie auch die Vermeidung allfälliger Interessenskonflikte10 bewirken kann. Dogmatisch umstritten ist in diesem Zusammenhang lediglich, ob diese Präventionsfunktion eine primäre Funktion des Haftungsrechts ist (so die überwiegende Ansicht im U.S.-amerikanischen Recht11 sowie – spezifisch zur Rating-
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So die Umschreibung bei Vetter, WM 2004, 1701, 1709. Rinze/Klüwer, BB 1998, 1697, 1701. 6 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 105. Aus der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung plastisch Plumbers’ Union Local No. 12 Pension Fund v. Nomura Asset Acceptance Corp., 20.1.2011, 632 F.3d 762, 776 (1st Cir. 2011): „If the purchaser wants absolute protection against errors of opinion, the answer is insurance rather than lawsuits.“ 7 Kritisch daher Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1692: „liability to disappointed investors is too blunt an instrument with which to chastise rating agencies for their inaccurate prophesies“. 8 Im deutschen Schrifttum Arntz, BKR 2012, 89; Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 36; Blaurock, ZGR 2007, 603, 642; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 189; Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413: „einflussreicher Kontroll- bzw. Sanktionsfaktor“; Möllers/Wecker, ZRP 2012, 106, 19; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 202; Spindler, AG 2010, 601, 610; im schweizerischen Schrifttum Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 98; im U.S.-amerikanischen Schrifttum Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 18; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 430; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 351; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 642. Skeptischer hingegen Gudzowski, Colum. Bus. L. Rev. 2010, 245, 279; Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1692; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 161 ff.; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 472; im Hongkonger Schrifttum Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 401. 9 Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 430; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 642. 10 Spindler, AG 2010, 601, 610. 11 Vgl. schon früh den U.S. Supreme Court in San Diego Bldg. Trades Council v. Garmon, 20.4.1959, 359 U.S. 236, 247, 79 S.Ct. 773 (1959): „regulation can be as effectively exerted through an award of damages as through some form of preventive relief. The obligation to pay compensation can be, indeed is designed to be, a potent method for governing conduct and controlling policy“; aus jüngerer Zeit Riegel v. Medtronic, Inc., 20.2.2008, 128 S.Ct. 999, 1008 (2008). 5
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haftung – im neueren Sekundärrecht der EU12) oder sich lediglich als Reflex der Ausgleichsfunktion darstellt (so die noch vorherrschende Meinung in Deutschland13 und in der Schweiz14). In Hongkong ist die allgemeine Haltung gegenüber einem private enforcement dagegen deutlich skeptischer, weil im öffentlichen Interesse bestehende Verhaltensstandards hier traditionell durch Behörden überwacht werden.15 Eine private Rechtsdurchsetzung im Wege der Haftung birgt darüber hinaus stets die Gefahr, dass die drohende Schadensersatzpflicht die Rating-Agenturen in „vorauseilendem Gehorsam“ zu konservativeren Bonitätsbeurteilungen (einem sog. defensive rating)16 oder gar zur Verweigerung schwieriger Bonitätsprognosen17 zwingen kann. Dieses Risiko materialisiert sich insbesondere, wenn die Rating-Agenturen in Haftungsprozessen mit Rückschaufehlern rechnen müssen. Es bleibt daher unverzichtbar, stets den Prognosecharakter von Ratings zu beachten, weil andernfalls eine Beschädigung der im Interesse des gesamten Finanzmarkts liegenden Marktinformationsfunktion des Ratings droht.
II. Haftungskonstellationen im Ratingkontext 1. Haftung der Rating-Agenturen und Gang der Darstellung In Übereinstimmung mit der vorstehend beschriebenen Zielsetzung beschränkt sich der folgende Abschnitt der Untersuchung auf die Erörterung der Haftung, die Rating-Agenturen gegenüber anderen Marktteilnehmern treffen kann. Insoweit kann zwischen der Haftung gegenüber Emittenten, die selbst oder deren Emissionen durch die Rating-Agentur beurteilt wurden, und der Haftung gegenüber Investoren unterschieden werden, die sich auf Ratings oder sonstige Veröffentlichungen der Rating-Agenturen verlassen haben und dadurch geschädigt 12 Siehe zur 2013 neu geschaffenen Haftungsnorm des Art. 35a EG-RatingVO, deren vorrangiger Zweck im private enforcement aufsichtsrechtlicher Pflichten gesehen wird, noch § 27 IV sowie § 30 VII. 13 Looschelders, SchuldR AT, Rn. 873; vgl. aber Wagner, AcP 206 (2006), 352, 469. 14 CHK/Ch. Müller, Art. 41 OR Anm. 4. 15 Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 4.197. Spezifisch mit Blick auf Rating-Agenturen offener Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 401. 16 Blaurock, ZGR 2007, 603, 634; Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 19; Lindebäck Brandt, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 223, 228 (aus Emittentensicht); Sack/Juris, 238 NY L.J. (5. Nov. 2007); Scholz, BFuP 2005, 271, 272; Sullivan, 94 Minn. L. Rev. (2010), 2136, 2163; von Randow, ZBB 1995, 140, 150; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 488. Da potentiell eine Haftung sowohl gegenüber dem Emittenten als auch gegenüber den Investoren drohen kann, dürfte die Frage, in welche Richtung sich eine Risiko vermeidende Beurteilungstendenz auswirkt, letztlich von der Wahrscheinlichkeit der jeweiligen Inanspruchnahme abhängen. Skeptisch zur Gefahr eines defensive ratings dagegen Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 207; Kersting, Dritthaftung, S. 542. 17 Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 355; auch Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 44.
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wurden. Im Rahmen der zunächst zu behandelnden Haftung gegenüber Emittenten wird in § 27 der praktische Regelfall, nämlich die Haftung für durch den beauftragte Ratings, erörtert, bevor sodann auf die Haftung für unbeauftragte (unsolicited) Ratings eingegangen wird (§ 28). Die sich anschließenden zwei Kapitel zur Haftung gegenüber Investoren widmen sich zunächst der Haftung der Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren (§ 29), bevor sie sich dem rechtlich komplexeren Thema der Haftung gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit (also der vielfach so bezeichneten „Dritthaftung“18 der Rating-Agenturen) zuwenden (§ 30).
2. Weitere Haftungskonstellationen Daneben existieren noch eine Reihe weiterer Haftungskonstellationen mit Ratingbezug, die hier nicht näher untersucht werden sollen,19 wie etwa die Haftung anlageberatender Banken gegenüber Anlegern wegen einer Verletzung der Pflicht zum Ratinghinweis,20 die Haftung von Darlehensgebern gegenüber ihren Darlehensnehmern im Zusammenhang mit „rating triggern“, die in die Darlehensverträge Eingang gefunden haben,21 die Prospekthaftung von Emittenten und emissionsbegleitenden Kreditinstituten aufgrund mangelnder Angabe von Ratings im Prospekt22 oder deren missverständlichen bzw. „falschen“ Inhalts,23 sowie die Haftung staatlicher Stellen für die regulatorische Verwendung von Ratings oder die unzureichende Beaufsichtigung von Rating-Agenturen.24 Ihre Behandlung bleibt durchweg anderen Untersuchungen vorbehalten. Dasselbe gilt für die Haftung von Mitgliedern der Leitungsorgane der RatingAgenturen gegenüber deren Aktionären, die im Nachgang zur globalen Finanzkrise 2007–09 vor U.S.-amerikanischen Gerichten im Wege der Aktionärsklage (shareholder derivative suit)25 geltend gemacht worden ist: In Klagen dieser Art wird den directors der Rating-Agenturen die Verletzung von Treupflichten (fiduciary duties) gegenüber der Rating-Agentur sowie betrügerisches Verhalten vor18 So etwa der Titel der monographischen Untersuchung von Korth, Dritthaftung der Ratingagenturen (2010). 19 Vgl. auch Ulfbeck, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 309, 310. 20 Dazu Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 104 ff. Zur Rolle von Ratings in der Anlageberatung schon oben § 15. 21 Vgl. Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 112 ff. Zu „rating triggern“ bereits ausführlich § 16. 22 Zur Prospekthaftung von Emissionsbegleitern Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 110 f.; zur Pflicht zur Ratingangabe in Prospekten oben § 9. 23 So in Plumbers’ Union Local No. 12 Pension Fund v. Nomura Asset Acceptance Corp., 20.1.2011, 632 F.3d 762, 774 ff. (1st Cir. 2011), wo die Haftung verneint wurde. 24 Vgl. mit deutlichen Worten Höfling, Gutachten F zum 68. DJT (2010), S. F 41, der eine „Selbstauslieferung der Finanzmarktaufsicht“ gegenüber den Rating-Agenturen konstatiert und die Frage aufwirft, ob das bisherige Verhalten der deutschen Bankenaufsicht „Minimalanforderungen gewährleistungsstaatlicher Aufsicht wirklich noch gerecht wird“. 25 Vgl. hierzu Merkt/Göthel, U.S.-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 1031 ff.
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geworfen, weil sie Ratings unter Verwendung des „issuer pays“-Geschäftsmodells (und damit beeinträchtigt durch Interessenskonflikte) haben erstellen und namentlich für strukturierte Finanzinstrumente vorsätzlich übermäßig hohe Ratings haben erteilen lassen;26 die Folge sei ein herber Reputationsverlust und damit ein wirtschaftlicher Schaden der Rating-Agenturen.27 Gehüllt in das Kleid einer binnengesellschaftlichen Treuepflicht machen die Aktionäre damit in der Sache eine Verletzung derjenigen Organisations- und Verhaltenspflichten geltend, die bereits in § 25 dargestellt wurden. Eine interessante, bislang noch ungeklärte Frage ist, ob sich dabei die institutionsschützenden Regelungen des U.S.-amerikanischen Rechts auswirken, die sich bekanntlich auch auf die Geltendmachung privatrechtlicher Haftungsansprüche erstrecken:28 Obgleich die Ableitung entsprechender Schutzwirkungen aus der Informationstätigkeit der Rating-Agenturen gegenüber der Öffentlichkeit29 dafür spricht, sie nicht auf das binnengesellschaftliche Verhältnis zwischen der Rating-Agentur und ihren directors anzuwenden, stellt die U.S.-amerikanische Rechtsprechung doch vorrangig auf einen möglichen chilling effect ab, der auch derivativen Aktionärsklagen gegen Geschäftsleitungsmitglieder zukommen dürfte. Eine Drittwirkung des First Amendment auch in diesem Verhältnis erscheint deshalb nicht notwendig ausgeschlossen.
3. Haftung der Rating-Agenturen nach dem U.S.-amerikanischen FIRREA Eine ungewöhnliche und daher gesondert anzusprechende Haftungsgrundlage stellen schließlich die Vorschriften des U.S.-amerikanischen Financial Institutions Reform, Recovery, and Enforcement Act of 1989 (FIRREA) dar: Dieses im Nachgang zur U.S.-amerikanischen Sparkassenkrise in den 1980er Jahren erlassene Gesetz ermächtigt den Attorney General der Vereinigten Staaten, vor den Zivilgerichten eine Klage auf civil penalty gegen jeden zu erheben, der gegen bestimmte strafbewehrte Verbotsbestimmungen des FIRREA (betreffend etwa mail fraud,30 wire fraud31 oder financial institution fraud32) verstoßen hat.33 Es
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Ellsworth/Porapaiboon, 18 Bus. L. Today (March/April 2009), 35 f. Vgl. etwa Flynn ex rel. Moody’s Corp. v. McDaniel, 23.2.2010, 689 F.Supp.2d 686, 688 (S.D.N.Y. 2010): „as the complaint alleges in vivid, arguably purple, prose, because ,Moody’s [was] directly complicit in the greatest scam Wall Street has yet perpetrated on the world’s financial markets,‘ its reputation has been ,tarnished … for the foreseeable future (if not irreparably)‘“; ähnlich Boca Raton Firefighters and Police Pension Fund v. Bahash, 20.12.2012, 506 Fed.Appx. 32, 36 (2nd Cir. 2012). 28 Siehe § 21 II 2 c). 29 Dazu § 21 II 1 b). 30 18 U.S.C. § 1341. 31 18 U.S.C. § 1343. 32 18 U.S.C. § 1344. 33 12 U.S.C. § 1833a. 27
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wird damit durch eine staatliche Behörde in einem zivilrechtlichen Verfahren eine „Zivilstrafe“ geltend gemacht, die zwar einen schadensersatzähnlichen Charakter aufweist, im Falle des Obsiegens jedoch in die Staatskasse (und nicht an private Geschädigte) fließt.34 Die beschriebene Haftungsgrundlage im FIRREA, die in der Vergangenheit keine praktische Bedeutung erlangt hatte,35 wurde im Nachgang zur subprimeKrise erstmals gegen die Rating-Agenturen nutzbar gemacht. Der Attorney General wirft der Rating-Agentur Standard & Poor’s in einem ersten Zivilverfahren vor, bei dem Rating komplexer Finanzinstrumente (auf Residential MortgageBacked Securities basierenden Collateral Debt Obligations36) seit 2006 vorsätzlich und wider besseren Wissens zu positive Bonitätseinstufungen vorgenommen und damit die Investorenöffentlichkeit getäuscht zu haben, obgleich die Ratings von Standard & Poor’s ausweislich ihres Code of Conduct unabhängig und unbeeinflusst von Interessenskonflikten hätten vorgenommen werden müssen.37 Diese (anscheinend als „Versuchsballon“ gedachte und aus diesem Grund einstweilen nur gegen eine der großen Agenturen angestrengte) Klage ist weiterhin anhängig; der beantragten Abweisung bereits in einem frühen Verfahrensstadium konnte sie wohl auch deshalb entgehen, weil auf FIRREA gestützte Klageanträge geringeren Substantiierungsanforderungen unterliegen als solche in Zivilverfahren zwischen zwei privaten Parteien.38 Im Fortgang des Verfahrens dürfte auch die Frage eine Rolle spielen, ob die beklagte Rating-Agentur in concreto von dem Schutz des First Amendment profitiert – sollten die streitgegenständlichen Ratings nicht veröffentlicht, sondern (wie häufig bei strukturierten Finanzinstrumenten) von vornherein nur einem begrenzten Investorenkreis zugänglich gemacht worden sein, so schiede ein solcher Schutz nach hier vertretener Ansicht39 aus.
34 Vgl. OLG Frankfurt a.M., 3.12.2009 – 20 VA 12/09, unveröff., wo von dem „überwiegend öffentlich-rechtlichen bzw. strafrechtlichen Charakter“ einer civil penalty nach U.S.-amerikanischem Recht die Rede ist. 35 Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 781: „a novel and untested approach“. 36 Siehe überblicksartig zu den diversen Spielarten komplexer Finanzinstrumente § 10 I 1 a). 37 United States v. McGraw-Hill Companies, Inc., 16.7.2013, 2013 WL 3762259 *1 ff. (C.D.Cal.). 38 Vgl. United States v. McGraw-Hill Companies, Inc., 16.7.2013, 2013 WL 3762259 *8 (C.D.Cal.): „accordingly, the Court agrees with the government that intent need not be pleaded with particularity.“ 39 Siehe schon § 21 II 1 b) bb).
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III. Die Haftung global agierender Informationsintermediäre nach nationalem Haftungsrecht und die Sonderrolle des U.S.-amerikanischen Rechts für die Ratinghaftung 1. Kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren Haftungsrechts im Erkenntnisverfahren Die Ermittlung des in den einzelnen Haftungskonstellationen anwendbaren materiellen Rechts erfolgt nach allgemeinen Grundsätzen nach dem Kollisionsrecht der jeweiligen lex fori;40 auf die insoweit einschlägigen Regelungen wird in den folgenden Kapiteln noch näher eingegangen.41 Eine Fragestellung, die infolge struktureller Eigenheiten des globalen Ratinggeschäfts unabhängig vom Ort der Klageerhebung auftritt, ist allerdings vorab zu behandeln. a) Der U.S.-Staat New York als Sitz und Ort der Hauptverwaltung der größten Rating-Agenturen Die Kollisionsrechte aller hier untersuchten Rechtsordnungen weisen im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Beklagten eine (freilich nicht einheitliche) Rolle zu. Dabei ist Ort des gewöhnlichen Aufenthalts von Gesellschaften und juristischen Personen – wie der großen Rating-Agenturen, die durchgehend in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft verfasst sind – nach unionsrechtlich vereinheitlichtem Kollisionsrecht grundsätzlich der Ort ihrer Hauptverwaltung,42 während das IPR der anderen Rechtsordnungen teilweise auf den Sitz der Gesellschaft abstellt.43 Obgleich als Anknüp40 Die Zuständigkeit deutscher Gerichte für Klagen deutscher Investoren gegen U.S.-amerikanische Rating-Agenturen kann sich dabei nach Ansicht des BGH, 13.12.2012, NJW 2013, 386 Tz. 16 aus § 23 ZPO ergeben. 41 Siehe im Einzelnen § 27 I 1 b) (Bestimmung des auf die Haftung gegenüber Emittenten wegen Verletzung des Ratingvertrags anwendbaren Rechts nach europäischem, Schweizer, U.S.-amerikanischem und Hongkonger IPR); § 27 III vor 1 (Bestimmung des auf die Haftung wegen fahrlässiger Ruf- oder Vermögensschädigung anwendbaren Rechts nach europäischem, Schweizer, U.S.-amerikanischem und Hongkonger IPR); § 27 IV 1 b) (Bestimmung des lückenfüllend auf die Haftung gegenüber Emittenten nach Art. 35a EG-RatingVO anwendbaren nationalen Rechts nach der Rom II-VO); § 28 vor I (Bestimmung des auf die Haftung für unbeauftragte Ratings gegenüber Emittenten anwendbaren Rechts nach deutschem, europäischem, Schweizer, U.S.-amerikanischem und Hongkonger IPR); § 29 II 2 a) (Bestimmung des auf die Haftung gegenüber Investoren wegen Verletzung des Abonnementvertrags anwendbaren Rechts nach europäischem, Schweizer, U.S.amerikanischem und Hongkonger IPR); § 30 IV 3 (Bestimmung des auf die deliktische Haftung für fahrlässig verursachte Vermögensschäden anwendbaren Rechts nach U.S.-amerikanischem IPR); § 30 V vor 1 (Bestimmung des auf die rechtsgeschäftsähnliche Informationsdritthaftung anwendbaren Rechts nach europäischem und Schweizer IPR); § 30 VI 1 (Bestimmung des auf die Haftung wegen Schutzwirkung des Ratingvertrages anwendbaren Rechts nach europäischem und Schweizer IPR); § 30 VII 1 (Bestimmung des lückenfüllend auf die Haftung gegenüber Anlegern nach Art. 35a EG-RatingVO anwendbaren nationalen Rechts nach der Rom II-VO). 42 Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 Rom I-VO; Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 Rom II-VO. 43 Vgl. im schweizerischen Recht Art. 21 Abs. 1 IPRG, wo auf den Sitz der Gesellschaft abgestellt wird.
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fungspunkt folglich teilweise der Satzungssitz der Gesellschaft,44 teilweise hingegen der faktisch-tatsächliche (Verwaltungs-)Sitz fungiert, an dem die zentralen Leitungs- und Organisationsentscheidungen getroffen werden,45 ist das Ergebnis im Falle der beiden großen Rating-Agenturen Standard & Poor’s und Moody’s dasselbe: Da diese Gesellschaften jeweils in New York registriert und in New York auch ihre zentralen Leitungsfunktionen angesiedelt sind, gelangt als anwendbare Teilrechtsordnung46 das Recht des U.S.-Gliedstaates New York zur Anwendung. Bei der dritten Agentur, nämlich Fitch, ist die Situation komplizierter, da sie unter dem Dach einer Holding (Fitch Group) parallel zwei operativ tätige Gesellschaften betreibt (die in New York registrierte Fitch Inc. und die in London registrierte Fitch Ltd.) und auch faktisch Hauptverwaltungen sowohl in New York als auch in London unterhält.47 Hier hängt der örtliche Anknüpfungspunkt folglich davon ab, welche der beiden Hauptverwaltungen in concreto tätig geworden ist. b) Begrenzte kollisionsrechtliche Relevanz nicht-amerikanischer „Niederlassungen“ der größten Rating-Agenturen Eine Ausnahme von der Anknüpfung an den Ort der Hauptverwaltung machen Rom I- und Rom II-VO wie auch das schweizerische IPRG allerdings für Konstellationen, in denen der streitgegenständliche Vertrag im Rahmen des Betriebs einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung geschlossen wurde oder das schadensbegründende Ereignis oder der Schaden bei außervertraglichen Ansprüchen aus dem Betrieb einer Niederlassung herrührt: In diesen Fällen wird auf den Ort abgestellt, an dem sich die Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung befindet.48 Relevanz könnte dieser kollisionsrechtlichen Anknüpfung auf den ersten Blick vor allem in Konstellationen zukommen, in denen Ansprüche von Emittenten oder Investoren in Rede stehen, die außerhalb der U.S.A. ansässig sind, weil der geschäftliche Kontakt in diesen Fällen nicht immer mit der New Yorker Hauptverwaltung, sondern mit sonstigen lokalen Untergliederungen der Rating-Agenturen bestehen mag. Im deutschen Schrifttum wird deshalb in der Tat vielfach behauptet, dass auf Klagen deutscher Emittenten gegen die großen Rating-Agenturen deutsches Recht anzuwenden 44
So explizit Art. 21 Abs. 2 Satz 1 IPRG. So zu Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 Rom I-VO Bamberger/Roth/Spickhoff, Art. 19 Rom I-VO Rn. 2; Martiny, in MünchKomm-BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 6; Palandt/Thorn, Art. 19 Rom I (IPR) Rn. 3; zu Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Rom II-VO Junker, in MünchKomm-BGB, Art. 23 Rom IIVO Rn. 10; zu Art. 28 Abs. 2 EGBGB Staudinger/Magnus, Art. 28 EGBGB Rn. 86. 46 Vgl. Martiny, in MünchKomm-BGB, Art. 22 Rom I-VO Rn. 5. 47 Fitch beschreibt sich selbst als „dual-headquartered“. 48 Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO; Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 Rom II-VO; Art. 117 Abs. 2 IPRG (dazu Amstutz/Vogt/Wang, in Basler Komm., Art. 117 IPRG Rn. 22). Die sonstige Niederlassung tritt in diesen Fällen also an die Stelle der Hauptverwaltung und begründet nicht lediglich eine alternative Anknüpfungsmöglichkeit; so zu Recht Junker, in MünchKomm-BGB, Art. 23 Rom IIVO Rn. 15. 45
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sei, weil die Agenturen regelmäßig durch Niederlassungen in Deutschland handelten, die das lokale Ratinggeschäft koordinieren.49 Im Ergebnis kommt den nicht-amerikanischen „Niederlassungen“ der großen, global tätigen Rating-Agenturen jedoch eine nur sehr begrenzte kollisionsrechtliche Relevanz zu. Dies hat seinen Grund zunächst darin, dass haftungsbegründender Umstand sowohl bei Ansprüchen von Emittenten- als auch von Investorenseite typischerweise die in einer oder anderer Form irreguläre Veröffentlichung eines bestimmten Ratings ist. Die einzelnen Ratingveröffentlichungen erfolgen jedoch in der Praxis der großen Rating-Agenturen nicht durch eine bestimmte Niederlassung und werden auch keinem lokalen Standort zugeordnet, sondern unter der einheitlichen Marke unter Angabe der Hauptverwaltung publiziert.50 Dies reflektiert auch die interne Aufgabenzuweisung innerhalb der Agenturen, die nicht primär am Standort des jeweiligen Emittenten, sondern an fachlichen Gesichtspunkten orientiert ist; die Bonitätsbeurteilung eines italienischen Unternehmens kann daher durch Analysten in Frankfurt und London erstellt und durch ein Ratingkommittee in New York beschlossen worden sein.51 Es gibt also kein „deutsches“ und „U.S.-amerikanisches“ Moody’s-Rating, sondern nur ein einheitliches Rating im Sinne einer globalen Marktinformation.52 Dies hat wiederum Folgen für die Verwendbarkeit nicht-amerikanischer Agenturen-„Niederlassungen“ als kollisionsrechtliches Anknüpfungsmerkmal:53 So kommt es nach unionsrechtlichem IPR bei Bestimmung des Vertragsstatuts nur dann auf eine „andere Niederlassung“ anstelle der Hauptverwaltung an, wenn der Vertrag die andere Niederlassung dazu verpflichtet, die charakteristische Leistung zu erbringen; es genügt nicht, dass sie nachträglich zur Vertragserfüllung eingeschaltet wird.54 Die gängigen Ratingverträge weisen einzelnen Niederlassungen jedoch keine Aufgaben zu, sondern überlassen die interne Organisation der Ratingerstellung der Agentur. Auch sofern die Leistung ausweislich eines Ratingvertrages einmal explizit durch mehrere Niederlassungen zu erbringen sein sollte, bleibt aus Sicht des IPR die Hauptverwaltung maßgeblich,55 und rechtlich selbstständige Tochtergesellschaften sind schließlich von vornherein
49 Däubler, BB 2003, 429, 432; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 11; ders., Diskussionsbeitrag, zitiert bei Balzer, ZBB 2004, 329, 330; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 76. 50 So aus Hongkonger Sicht Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 2: „the three largest CRAs have offices in this jurisdiction, alongside several smaller multinational CRAs. Generally, these offices are engaged in the preparation of credit ratings for issue under each CRA’s global brand.“ 51 Nach Everling, Die Bank 1991, 308, 311 wird die Entscheidung über die Ratingeinstufung bei den beiden großen Rating-Agenturen regelmäßig in der Zentrale in New York getroffen. 52 Vgl. zu den daraus resultierenden Zuordnungsschwierigkeiten etwa Anschutz Corp. v. Merrill Lynch and Co. Inc., 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799, 831 ff. (N.D.Cal. 2011). 53 Skeptisch insofern auch Däubler, NJW 2013, 282. 54 Staudinger/Magnus, Art. 28 EGBGB Rn. 89; wohl auch Bamberger/Roth/Spickhoff, Art. 4 Rom I-VO Rn. 55. 55 Staudinger/Magnus, Art. 28 EGBGB Rn. 90.
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keine Niederlassungen im Sinne der Rom I- und Rom II-VO.56 In kollisionsrechtlicher Hinsicht kommt es folglich nur dann nicht auf die Hauptverwaltung der Rating-Agentur an, wenn ein Ratingvertrag ausnahmsweise einmal mit einer ausländischen Tochtergesellschaft abgeschlossen werden sollte oder ein deliktisches Ratingverhalten einer solchen Tochtergesellschaft zugeordnet werden kann.
2. Der Institutionsschutzstandard des U.S.-amerikanischen Rechts als indirekter globaler Mindeststandard Freilich werden stets Haftungskonstellationen verbleiben, in denen Ansprüche gegen Rating-Agenturen kollisionsrechtlich einem anderen als dem U.S.-amerikanischen Recht unterliegen, wie etwa bei einer abweichenden Rechtswahl.57 Kommt es in solchen Fällen zu einer gerichtlichen Klage, die vor einem Gericht außerhalb der U.S.A. verhandelt und entschieden wird, so können die institutionsschützenden Regeln des U.S.-amerikanischen Rechts58 zum einen dann Beachtung finden, wenn man sie in kollisionsrechtlicher Hinsicht als international zwingende Bestimmungen (Eingriffsnormen) einstuft. Ein entsprechender internationaler Geltungswille59 dürfte der Pressefreiheit des First Amendment zukommen, wie sich namentlich an neueren gesetzlichen Vorschriften zu deren Absicherung60 ablesen lässt. Eine verlässlicher und global einheitlicher Schutz der großen internationalen Rating-Agenturen wird auf diesem Wege freilich schon deshalb nicht erreicht, weil alle hier untersuchten Rechtsordnungen die Anwendung ausländischer Eingriffsnormen – sofern sie sie in concreto überhaupt zulassen – nicht zwingend vorschreiben, sondern in das Ermessen des erkennenden Gerichts stellen.61 Vor allem wird sich das U.S.-amerikanische Recht vor diesem Hintergrund daher im Rahmen der Urteilsvollstreckung auswirken – die Sonderrolle des Rechts der U.S.A. im Ratingkontext materialisiert sich hier also lediglich in einem anderen Verfahrensstadium.
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Martiny, in MünchKomm-BGB, Art. 19 Rom I-VO Rn. 13; Staudinger/Magnus, Art. 28 EGBGB Rn. 89. 57 Zum IPR in der EU Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO; Art. 14 Abs. 1 Rom II-VO; zum Schweizer IPR Art. 116 Abs. 1 IPRG; zum U.S.-amerikanischen IPR § 187 Restatement (Second) of Conflict of Laws (1971); zur Rechtswahlfreiheit nach Hongkonger IPR nur Wolff, 6 J. Priv. Int. L. (2010), 465, 468 f. 58 Siehe § 21 II. 59 Vgl. zu dieser Voraussetzung nur die Umschreibung in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO. 60 Siehe dazu noch näher unter b). 61 Vgl. zum IPR in der EU Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO; zum Schweizer IPR Art. 19 IPRG; zum U.S.-amerikanischen IPR § 187(2)(b) Restatement (Second) of Conflict of Laws (1971); zum Hongkonger IPR Johnston, Conflict of Laws in Hong Kong, Rn. 4.037.
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a) Das Recht des U.S.-Staates New York als regelmäßige lex fori executionis Soweit die beklagte Rating-Agentur – wie bislang in nahezu allen Gerichtsverfahren der Vergangenheit62 – zu den Mitgliedern des globalen Ratingoligopols zählt, wird ein gegen sie ergangenes Urteil regelmäßig im U.S.-Staat New York zu vollstrecken sein, weil sich die Hauptverwaltungen von Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch sowie, so steht zu vermuten, auch ihr wesentliches Vermögen dort befinden. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile bestimmt sich in den U.S.A. nicht nach Bundesrecht, sondern nach einzelstaatlichem Recht;63 lex fori executionis ist damit im Regelfall das Recht des Staates New York. Die Voraussetzungen für die Anerkennung ausländischer Urteile bestimmen sich in New York (wie auch in zahlreichen anderen U.S.-Gliedstaaten) nach den Regeln des Uniform Foreign Money Judgments Recognition Act, der in New Yorker Gesetzesrecht übernommen wurde;64 im Übrigen finden die ungeschriebenen Grundsätze der comity-Doktrin65 Anwendung. Die Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung kann danach abgelehnt werden, wenn der zugrunde liegende Anspruch nach der öffentlichen Ordnung des Forums als „abstoßend“ (repugnant) anzusehen ist.66 Dies haben U.S.-amerikanische Gerichte verschiedentlich dort angenommen, wo es um die Verurteilung amerikanischer Presseunternehmen für rufschädigende Publikationen ging, die regelmäßig von englischen Gerichten auf Grundlage des englischen libel laws ausgesprochen worden waren67 – da die Pressefreiheit im englischen Recht erheblich weniger weitgehend geschützt ist als durch das U.S.-amerikanische First Amendment,68 stufte man entsprechende Urteile als repugnant ein und lehnte ihre Anerkennung ab.69 Dies müsste konsequenterweise auch für Urteile gegen die Rating-Agenturen gelten, sofern diese in ausländischen Haftungsprozessen von einem weniger ausgeprägten Institutionsschutz profitieren als in den U.S.A., wo das First Amendment im prozessualen wie materiellen Recht weit reichende Schutzwirkungen zugunsten der Rating-Agenturen70 zeitigt. 62 In den hier untersuchten Rechtsordnungen kam es, soweit ersichtlich, bislang allein in einem Verfahren vor dem deutschen KG (Urteil vom 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433) zu einer Klage gegen eine kleinere Rating-Agentur (die deutsche Agentur Scope), bei der es zudem um ein FondsRating ging; die Frage einer Urteilsvollstreckung im Ausland stand hier von vornherein nicht in Rede. 63 Dies gilt nach der Erie-Doktrin (benannt nach Erie v. Thompkins, 25.4.1938, 304 U.S. 64, 78 (1938)) auch dann, wenn ein Bundesgericht zuständig ist. 64 Der durch die National Conference of Commissioners on Uniform State Laws erarbeitete Mustertext aus dem Jahre 1962 wird in New York durch §§ 5300 ff. Civil Practice Law and Rules umgesetzt. Den moderneren Nachfolgetext (den Uniform Foreign-Country Money Judgments Recognition Act von 2005) hat der Staat New York bislang nicht übernommen. 65 Die Leitentscheidung ist Hilton v. Guyot, 3.6.1895, 159 U.S. 113, 116 f. (1895); siehe auch § 98 Restatement (Second) of Conflict of Laws (1971). 66 § 4(b)(3) Uniform Foreign Money Judgments Recognition Act. 67 Rendleman, 67 Wash. & Lee L. Rev. (2010), 467, 480 f. m. Nachw. 68 Statt vieler Sturtevant, 22 Pace Int’l L. Rev. (2010), 269, 275. 69 Sturtevant, 22 Pace Int’l L. Rev. (2010), 269, 284: „a general repugnance“. 70 Siehe § 21 II 2.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
b) Der New Yorker Libel Terrorism Protection Act of 2008 und der SPEECH Act Während die Verweigerung der Urteilsanerkennung auf der oben beschriebenen Basis stets eine richterliche Bewertung des konkreten Urteils als repugnant voraussetzte, die von den Umständen des Einzelfalls abhing und daher unterschiedlich ausfallen konnte, ist die Schutzhöhe des First Amendment seit 2008 nunmehr gesetzlich als Maßstab festgeschrieben, dem jedes ausländische Urteil vollständig zu entsprechen hat, um im U.S.-Staat New York vollstreckbar zu sein. Grund sind zwei neuere Gesetze, die dem Schutz vor dem Phänomen des sog. „libel tourism“ dienen, d.h. der Erwirkung von Urteilen wegen rufschädigender Äußerungen (libel) vor ausländischen (regelmäßig englischen) Gerichten und deren späterer Vollstreckung gegen Autoren und Presseunternehmen in den U.S.A., wo ein entsprechendes Urteil infolge der Pressefreiheit des First Amendment nicht hätte erwirkt werden können. Den Anfang machte 2008 der im Staat New York in Kraft gesetzte Libel Terrorism Protection Act,71 dem 2010 auf bundesgesetzlicher Ebene der Securing the Protection of our Enduring and Established Constitutional Heritage Act folgte,72 dessen umständliche Benennung sich mit dem angestrebten Akronym („SPEECH Act“) erklären lässt. Beide Gesetze73 ordnen nahezu wortgleich an, dass U.S.-amerikanische (bzw. New Yorker) Vollstreckungsgerichte ausländische Urteile „for defamation“ nicht anerkennen, sofern das Recht, das von dem ausländischen Erkenntnisgericht angewandt wurde, der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit nicht mindestens ebenso viel Schutz (at least as much protection) gewährt hat, wie die U.S.-amerikanische Bundesverfassung und die Verfassung des U.S.-Gliedstaates, in dem um Anerkennung nachgesucht wird, es getan hätten.74 Der New Yorker Libel Terrorism Protection Act und der SPEECH Act verhindern nach alledem die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile 71 Der Titel des Gesetzes lautet tatsächlich Libel Terrorism (nicht etwa: Tourism) Protection Act of 2008, vgl. Sturtevant, 22 Pace Int’l L. Rev. (2010), 269, 291 („no mistake“); zweifelnd Taylor, 99 Geo. L.J. (2010), 189, 203 Fn. 80 („It is not clear whether using ‚Libel Terrorism‘ instead of ‚Libel Tourism‘ in the title of the act was intentional or unintentional“). Hintergrund dürfte der konkrete Anlass für die Schaffung des Gesetzes gewesen sein, nämlich die Verurteilung der New Yorker Buchautorin Rachel Ehrenfeld durch ein englisches Gericht, vor dem sie durch den saudi-arabischen Geschäftsmann Bin Mahfouz, dem sie in ihrem Buch Finanzierung des Terrorismus vorwarf, wegen libel verklagt worden war; vgl. Ehrenfeld v. Bin Mahfouz, 20.12.2007, 881 N.E.2d 830, 834 (N.Y. 2007): „a libel tourist“. Das Gesetz, das verbreitet als „Rachel’s Law“ tituliert wird, trat am 29. April 2008 in Kraft. 72 H.R. 2765. Der SPEECH Act wurde am 10. Aug. 2010 durch Präsident Obama unterzeichnet und trat damit in Kraft. Zur Entstehungsgeschichte vgl. Sturtevant, 22 Pace Int’l L. Rev. (2010), 269, 288 ff. 73 Dem New Yorker Gesetz ähnelnde Gesetze wurden in der Folgezeit auch in zahlreichen anderen U.S.-Gliedstaaten erlassen; vgl. dazu die Nachw. bei Taylor, 99 Geo. L.J. (2010), 189, 204. 74 28 U.S.C. § 4102(a)(1)(A) (in der Fassung des § 3(a) SPEECH Act); § 5304(b)(8) New York Civil Practice Law and Rules (in der Fassung des § 2 Libel Terrorism Protection Act). Während das New Yorker Gesetz die Nichtanerkennung dabei lediglich gestattet („need not …“), schreibt der SPEECH Act sie zwingend vor; kritisch deshalb Taylor, 99 Geo. L.J. (2010), 189, 210 ff.
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schon immer dann, wenn das angewandte ausländische Recht Presse- und Meinungsäußerungen in irgendeiner Form weniger weitgehend als das U.S.-amerikanische Recht schützt,75 und nicht erst, wenn – wie allgemein bei ordre public-Vorbehalten – ein nicht hinnehmbarer Gegensatz zur Rechtsordnung des Anerkennungsstaates76 besteht. Das First Amendment wird damit indirekt als globaler Mindestinstitutionsschutzstandard festgeschrieben, sofern ein Urteil in den U.S.A. vollstreckbar sein soll.77 Für ausländische Urteile gegen Rating-Agenturen dürfte sich dieses Anerkennungsregime schon deshalb auswirken, weil es – soweit ersichtlich – keine andere Rechtsordnung gibt, welche die Kommunikationsfreiheit ebenso weitgehend schützt wie das U.S.-amerikanische Recht.78 Unter den hier untersuchten Rechtsordnungen ist dies namentlich für das Hongkonger Recht evident, wo das defamation law weiterhin dem englischen Vorbild folgt;79 es gilt aber auch für das deutsche Recht, das ausländische juristische Personen (wie etwa die großen, in New York domizilierten Rating-Agenturen) von vornherein als nicht durch die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt80 einstuft. Fraglich ist allein, wieweit der Mindeststandard in sachlicher Hinsicht reicht, welche Haftungsgrundlagen er also erfasst. Der Begriff der defamation wird schon dem Gesetzeswortlaut nach weit verstanden und erfasst auch „any similar claim alleging that forms of speech are false“,81 womit jedenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass neben Klagen aufgrund von Rufschädigung auch vertragliche und quasi-vertragliche Haftungsansprüche wegen „unrichtiger“ Ratings abgedeckt sind. Hierfür spricht auch der Gesetzeszweck, der im Schutz der Pressefreiheit in ihrer gewachsenen Reichweite liegt82 – da das First Amendment seine Schutzwirkungen auch auf vertragliche Haftungszusammenhänge erstreckt,83 mag eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzesrechts für eine sachlich ebenso umfassende Anerkennungskontrolle sprechen.84 Dies 75 Rosen, 53 Va. J. Int’l L. (2012), 99, 105: „without exception“. Taylor, 99 Geo. L.J. (2010), 189, 207 f. weist ergänzend darauf hin, dass innerhalb des Kongresses durchaus auch schärfere Abwehrmechanismen Aussicht auf Annahme gehabt hätten und u.U. künftig haben werden. 76 So zum europäischen ordre public-Vorbehalt in Art. 34 Nr. 1 EuGVVO etwa Rauscher/ Leible, Art. 34 Brüssel I-VO Rn. 10. Aus der deutschen Rechtsprechung zum Grundrechtsschutz vor ausländischen Gerichten BGH, 24.2.1999, BGHZ 140, 395, 398 f.: es könne „nicht als Kriterium gelten, ob die Beurteilung der ausländischen Gerichte den inländischen Vorstellungen voll entspricht, ob also deutsche Gerichte genauso entscheiden würden“. 77 Der SPEECH Act schützt in personeller Hinsicht nicht nur U.S.-amerikanische, sondern auch ausländische Vollstreckungsschuldner; vgl. Rosen, 53 Va. J. Int’l L. (2012), 99, 102 f. 78 Rendleman, 67 Wash. & Lee L. Rev. (2010), 467, 481. 79 Davis, in: Glasser, Int. Libel and Privacy Hdb., S. 112, 113. Vgl. näher § 28 IV. 80 BVerfG, 1.3.1967, BVerfGE 21, 207, 209; sowie weitere Angaben in § 21 IV 1 b). 81 28 U.S.C. § 4101(1) (in der Fassung des § 3(a) SPEECH Act); dazu Rosen, 53 Va. J. Int’l L. (2012), 99, 104: „expansive definition of defamation“. 82 Vgl. nur den vollständigen Titel des SPEECH Act. 83 § 21 II 2 c) sowie § 27 I 2 b) bb) (1). 84 Vgl. in diesem Sinne Mondora, 36 Hofstra L. Rev. (2008), 1139, 1170. Siehe zur potentiellen Anwendung der beiden Presseschutzgesetze auf die Haftung von Rating-Agenturen nach Art. 35a EG-RatingVO noch § 27 IV 5.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
könnte zudem bedeuten, dass neben Klagen von Emittenten- auch Haftungsklagen von Investorenseite unter den Libel Terrorism Protection Act und den SPEECH Act fallen – ein Schluss, der freilich unsicher ist, weil letztere Haftungskonstellation noch ungleich weiter vom Fall einer defamation im ursprünglichen Wortsinn entfernt ist.
3. Ergebnis Dem U.S.-amerikanischen Recht kommt nach alledem aus faktischen wie rechtlichen Gründen eine Sonderrolle zu, soweit die Haftung der Rating-Agenturen betroffen ist: Schon weil die größten Rating-Agenturen ihren rechtlichen Sitz und ihre tatsächliche Hauptverwaltung in New York haben, führen die gängigen kollisionsrechtlichen Regelungen häufig zur Anwendbarkeit New Yorker Rechts.85 Dies gilt vielfach selbst dann, wenn in tatsächlicher Hinsicht Ratinganalysten in die Ratingerstellung involviert waren, die in ausländischen Niederlassungen oder Tochtergesellschaften der großen Rating-Agenturen tätig sind.86 Schließlich wirkt sich das U.S.-amerikanische Recht in Gestalt der weit reichenden institutionsschützenden Wirkungen, die dem First Amendment zukommen, auch bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in den U.S.A. (namentlich im Staat New York) aus, weil neuere Gesetze die Beachtung dieses Schutzniveaus als Anerkennungsvoraussetzung festschreiben.87 Die U.S.amerikanische Pressefreiheit statuiert in diesem Zusammenhang folglich einen globalen Mindestschutzstandard zugunsten der amerikanischen Rating-Agenturen.
85 86 87
Siehe III 1 a). Siehe III 1 b). Siehe III 2.
§ 27 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dem Emittenten beim beauftragten Rating Hat der Emittent die Rating-Agentur in Übereinstimmung mit dem vorherrschenden „issuer pays“-Geschäftsmodell1 mit der Erstellung und Veröffentlichung einer Bonitätsbeurteilung beauftragt,2 so werden Haftungsansprüche des Emittenten üblicherweise auf den Vorwurf gestützt, die Rating-Agentur habe ein „zu negatives“ Erst- oder – häufiger – Folgerating veröffentlicht und dadurch gegen Pflichten aus dem Ratingvertrag3 oder außervertragliche Pflichten4 verstoßen. Deutlich seltener ist das Monitum, (Tatsachen-)Angaben im begleitenden Ratingbericht seien unzutreffend gewesen, zumal entsprechende Angaben auf Investorenseite nachweislich keine ebenso große Beachtung finden wie das Ratingkürzel.5 Emittentenklagen gegen beauftragte Rating-Agenturen sind in den U.S.A. bereits verschiedentlich vorgekommen, während sie in den übrigen hier untersuchten Rechtsordnungen bislang nur im Schrifttum behandelt werden. Aufgrund der einschneidenden wirtschaftlichen Folgen, die eine Ratingherabstufung für ein Unternehmen haben kann, stand diese Haftungskonstellation lange Zeit ganz im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit;6 erst mit der globalen Finanzkrise 2007–09 geriet dann verstärkt auch die Haftung der Rating-Agenturen gegenüber Investoren7 in den Fokus.
1
Dazu bereits in § 2 IV 3 a) sowie § 25 I 2. Zur vertragstypologischen Einordnung des Ratingvertrages – der eine Vergütung zugunsten der Rating-Agentur vorsieht und daher keinen Auftrag i.S. des deutschen Vertragsrechts (§ 662 BGB) darstellt – siehe sogleich unter I 1. 3 Dazu unter I. 4 Dazu unter II.–IV. 5 Vgl. die empirischen Befunde in § 5 II 1 c); zur informationstheoretischen Begründung § 5 IV 1 b). 6 Vgl. nur die eingangs (§ 1 I) referierten Zitate zur „Macht“ der Rating-Agenturen, die fast durchgehend die Perspektive beurteilter Emittenten widerspiegeln; statt vieler etwa Friedman (zitiert nach Gerke/Mager, BFuP 2005, 203): „… and Moody’s can destroy you by downgrading your bonds …“. Vgl. zu frühen Emittentenklagen in der Geschichte der Kreditauskunfteien und RatingAgenturen Berghoff, VSWG 92 (2005), 141, 149. 7 Siehe dazu im Folgenden §§ 29, 30. 2
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
I. Haftung der Rating-Agentur wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Ratingvertrag 1. Der Ratingvertrag Bei den Verträgen zwischen einer Rating-Agentur und den Emittenten, die sie mit einer Ratingerstellung beauftragen, handelt es sich typischerweise um standardisierte Verträge, die von der betreffenden Agentur weltweit (oder, bei kleineren Rating-Agenturen, in ihrem gesamten territorialen Tätigkeitsbereich) einheitlich verwandt werden. Da regelmäßig in der Hauptverwaltung der jeweiligen Rating-Agentur entworfen, sind sie in Inhalt und Stil durch die in dem betreffenden Staat geltenden Usancen geprägt,8 werden aber – soweit ersichtlich – durchgehend vergleichsweise knapp abgefasst.9 a) Vertragstypologische Einordnung Steht die Funktion des Ratingvertrages als Quelle vertraglicher Pflichten der Rating-Agentur in Rede, werden bereits im ersten Zugriff tief greifende Unterschiede zwischen der Herangehensweise in den hier untersuchten Rechtsordnungen deutlich: Während man sich in den U.S.A. und in Hongkong in Rechtsprechung wie auch Schrifttum unmittelbar der Auslegung des konkreten Vertragswerkes zuwendet,10 widmet man sich im deutschen und schweizerischen Schrifttum mit einem beeindruckenden Untersuchungs- und Begründungsaufwand zunächst der Einordnung des Ratingvertrages in die vertragstypologischen Kategorien des jeweiligen Rechts. Der Sinn letzteren Vorgehens wird dabei nicht ohne weiteres deutlich, weil offenkundig ist, dass die Pflichtenbeziehung zwischen einer Rating-Agentur und einem Emittenten von keinem der überkommenen, im deutschen wie im Schweizer Recht vor über einem Jahrhundert normierten Vertragstypen abgebildet wird. Mit einer entsprechenden Zuordnung des Ratingvertrages ist daher für die Rechtsanwendung wenig oder gar nichts gewonnen,11 weil die gewählten gesetzlichen Vorschriften unweigerlich erheblich angepasst oder neu interpretiert werden müssen, um nicht mit dem Zweck des Ratingvertrages, den Eigenheiten der Ratingerstellung und den erkennbaren Parteiinteressen in Konflikt zu geraten. Eine vertragstypologische Einordnung des 8
Siehe zum anwendbaren Recht noch unter b). Den Wortlaut ihrer Ratingverträge haben die Rating-Agenturen nur vereinzelt öffentlich zugänglich gemacht (siehe das Ratingvertragmuster der Rating-Agentur Fitch IBCA bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 190), weshalb schon die Frage umstritten ist, ob die Verträge der unterschiedlichen Agenturen „praktisch identisch“ sind (so Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 28) oder aber „teilweise massiv voneinander abweichen“ (so Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 75). 10 Vgl. beispielhaft Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 531 (6th Cir. 2007). 11 Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 880; Krämer, zitiert bei Balzer, ZBB 2004, 329, 330; a.A. Niedostadek, Rating, Rn. 220, der die Qualifikation des Ratingvertrages gerade in haftungsrechtlicher Hinsicht für „entscheidend“ hält. 9
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Ratingvertrages erscheint nach alledem verzichtbar; alternativ mag man von einem Vertrag sui generis (§ 311 Abs. 1 BGB) sprechen.12 Es genügt daher an dieser Stelle, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Diskussion um den passenden Vertragstyp knapp zusammenzufassen: Nach deutschem Recht handelt es sich – trotz der gängigen (allerdings aus der englischsprachigen Terminologie abgeleiteten) Bezeichnung als „beauftragtes“ Rating – infolge der fehlenden Unentgeltlichkeit nicht um einen Auftrag (§ 662 BGB). Das gesetzliche Modell des Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 BGB) wird ebenfalls für unpassend erachtet,13 weil für diesen Vertragstyp die Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers14 prägend sei, die Rating-Agentur aber gerade unabhängig und selbständig verfahren soll.15 Im Ergebnis wird daher überwiegend für eine Einordnung als Werkvertrag (§ 631 BGB) plädiert,16 zugunsten derer man vor allem die Qualifizierung der ähnlich gelagerten Gutachterverträge anführt.17 Nach Schweizer Recht wird der Ratingvertrag dagegen typologisch als einfacher Auftrag (Art. 394 Abs. 2 OR) behandelt,18 weil es sich beim Rating um eine besondere Art der Gutachtertätigkeit handele,19 die nach überwiegender Ansicht ebenfalls unter diese Norm fällt,20 und sich die RatingAgentur üblicherweise zu einer ständigen Überwachung und ggfs. Korrektur des einmal vergebenen Ratings verpflichtet, was gegen eine Einordnung als Werkvertrag spreche.21
b) Kollisionsrechtliche Behandlung Für die kollisionsrechtliche Bestimmung des materiellen Rechts, das bei grenzüberschreitenden Bezügen auf Ansprüche aus dem Ratingvertrag anwendbar ist, ist in allen hier untersuchten Rechtsordnungen vorrangig eine etwaige Rechts12 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 7; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 880; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 79. 13 Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 878; a.A. Palandt/Sprau, § 675 Rn. 30; von Schweinitz, WM 2008, 953, 956. 14 § 675 Abs. 1 i.V.m. § 665 BGB. 15 Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 879; a.A. (allerdings mit Blick auf die Anweisung nach § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB) Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 29. 16 Arntz, BKR 2012, 89, 90 f.; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 51; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 203; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 13; Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 414; Niedostadek, Rating, Rn. 222; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 203; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 146; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 31; Vetter, WM 2004, 1701, 1705; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1349; a.A. Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 879. 17 Niedostadek, Rating, Rn. 222; Vetter, WM 2004, 1701, 1705; Witte/Bultmann, in: Achleitner/ Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 101. 18 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 97; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 69; Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 7 Rn. 20; Trigo Trindade/ Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 145; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 262, 609. 19 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 70; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 609. 20 Vgl. BGer, 23.12.2003, BGE 130 III 345, 352 E. 3.2 („Liegenschaftenschätzer“); Weber, in Basler Komm., Art. 394 OR Rn. 30 m.w.N.; siehe auch Fellmann, in Berner Komm., Art. 394 OR Rn. 164 (zu Verträgen mit Sachverständigen). 21 Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 7 Rn. 20.
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wahl der Parteien maßgeblich.22 Soweit diese getroffen wird, beruft sie typischerweise das am Ort der Hauptniederlassung der Rating-Agentur geltende Recht, im Falle der drei großen Rating-Agenturen also New Yorker oder englisches Recht.23 Fehlt eine Rechtswahl hingegen,24 so führt eine objektive Anknüpfung25 zu demselben Ergebnis, weil Zweigniederlassungen der Rating-Agenturen aufgrund der Besonderheiten des Ratinggeschäfts regelmäßig keine eigenständige kollisionsrechtliche Bedeutung zukommt.26 Deutsches, schweizerisches oder Hongkonger Vertragsrecht wird daher nur in den Fällen maßgeblich sein, in denen eine der kleineren, in diesen Staaten ansässigen Rating-Agenturen beauftragt wird oder sich ausnahmsweise doch eine diesbezügliche Rechtswahl, Maßgeblichkeit einer lokalen Niederlassung oder sonstige engere Verbindung27 nachweisen lässt.
2. Haftungsbegründende Pflichtverletzung der Rating-Agentur Probleme macht die Bestimmung der Pflichtverletzung der Rating-Agentur, die nach allen hier untersuchten Rechtsordnungen Voraussetzung für eine vertragli22 Im Kollisionsrecht der EU Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO; im schweizerischen Kollisionsrecht Art. 116 Abs. 1 IPRG; im U.S.-amerikanischen Kollisionsrecht § 187 Restatement (Second) of Conflict of Laws (1971); im Hongkonger Kollisionsrecht die überkommenen Grundsätze der englischen Rechtsprechung zum IPR, vgl. Johnston/Holt/Mason, in Chitty on Contracts – Hong Kong Specific Contracts, Rn. 15–003 ff.; Wolff, 6 J. Priv. Int. L. (2010), 465, 468 f. 23 Siehe OLG Frankfurt a.M., 28.11.2011, ZIP 2012, 293: Ratingvertrag zwischen Standard & Poor’s und niederländischer Emittentin mit Rechtswahlklausel zugunsten New Yorker Recht; de Savornin Lohman/van’t Westeinde, EJCL Vol. 11.1 (May 2007), sub. 3.2; Dutta, IPRax 2014, 33, 37; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 577. Dementsprechend enthielt auch das Ratingvertragmuster der damaligen englischen Rating-Agentur Fitch IBCA (bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 190) eine Rechtswahlklausel zugunsten englischen Rechts. 24 Dies soll nach Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 370 häufig der Fall sein. 25 Nach dem Kollisionsrecht der EU dürfte der Ratingvertrag als Dienstleistungsvertrag i.S. des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO zu qualifizieren sein, da dieser Begriff gemeinschaftsrechtlich wesentlich weiter gefasst wird als im deutschen Vertragsrecht und alle auf eine Tätigkeit gerichtete Verträge erfassen soll, darunter auch Werkverträge i.S. des deutschen Rechts (allg. Palandt/Thorn, Art. 4 Rom I Rn. 8; zum Ratinggeschäft Dutta, IPRax 2014, 33, 37; zum Rating aus Sicht des EUPrimärrechts Ohler, Europ. Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, Art. 56 EGV Rn. 187: „reines Dienstleistungsgeschäft“ (zu Artt. 49 ff. EG; heute Artt. 56 ff. AEUV)). Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO führt im Übrigen zum selben Ergebnis (zu Ratingverträgen unter dem Römischen Schuldvertragsübereinkommen von 1980 ebenso de Savornin Lohman/van’t Westeinde, EJCL Vol. 11.1 (May 2007), sub. 3.2). Nach schweizerischem Kollisionsrecht Art. 117 Abs. 3 lit. c IPRG (im Ergebnis ebenso Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 583: Art. 117 Abs. 2 IPRG); nach U.S.-amerikanischem Kollisionsrecht § 188 Restatement (Second) of Conflict of Laws (1971). Das Hongkonger Kollisionsrecht wendet vertragstypübergreifend das Recht mit der closest and most real connection zum streitgegenständlichen Vertrag an; vgl. Johnston/Holt/Mason, in Chitty on Contracts – Hong Kong Specific Contracts, Rn. 15–006 ff.; Wolff, 6 J. Priv. Int. L. (2010), 465, 472 f. 26 Siehe dazu bereits im Einzelnen § 26 III 1. 27 Im Kollisionsrecht der EU Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO; im schweizerischen Kollisionsrecht Art. 117 Abs. 1 IPRG; im U.S.-amerikanischen Kollisionsrecht § 188 i.V.m. § 6 Restatement (Second) of Conflict of Laws (1971). Das Hongkonger Kollisionsrecht stellt dagegen von vornherein generalklauselartig auf die closest and most real connection ab.
§ 27 Haftung der Rating-Agenturen beim beauftragten Rating
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che Haftung der Agentur ist.28 Während sie bei falschen Tatsachenangaben im Ratingbericht noch leicht zu benennen ist,29 wird den Rating-Agenturen in den praktisch häufigeren Fällen vorgeworfen, die im Ratingkürzel ausgedrückte Bonitätsbeurteilung selbst sei fehlerhaft. Worin in einem solchen Fall die Pflichtverletzung liegen kann, wird dabei ganz unterschiedlich beurteilt: a) Die Veröffentlichung eines „falschen“ Ratings als Pflichtverletzung Nicht selten wird insoweit schlicht vorgetragen, die durch die Agentur vorgenommene Ratingeinstufung, also das Bonitätsbeurteilungsergebnis sei „falsch“.30 In rechtlicher Hinsicht müsste die Istbeschaffenheit des Ratings mithin von seiner rechtlich geschuldeten Sollbeschaffenheit abweichen, um als „falsch“ qualifizierbar zu sein. aa) Denkbare Ansatzpunkte für die Einordnung eines Ratings als „falsch“ Die Schwierigkeit liegt sodann in der Definition der Sollbeschaffenheit, die eine Bonitätsbeurteilung nach der Vereinbarung mit dem Emittenten aufzuweisen hat. Sicher ist zunächst, dass Rating-Agenturen nach den gängigen Ratingverträgen nicht die Vergabe eines bestimmten Ratings versprechen;31 es wird darin vielmehr durchgehend die Eigenschaft des zu erstellenden Ratings als bloße Meinung der Rating-Agentur betont, um Erwartungen der Adressaten von vornherein zu begrenzen.32 Aus diesem Grund kann allenfalls das Abweichen des Ratings von einem im Ratingvertrag nicht ausdrücklich bestimmten Maßstab zu dessen Bewertung als „falsch“ führen. In der Tat findet sich im Schrifttum – neben Aussagen wie „Es gibt Lügen, große Lügen und Ratings“,33 die regelmäßig von emittentennahen Autoren stammen34 – die Feststellung, ein falsches,35 fehlerhaftes,36 zu negatives,37 objektiv unrichtiges38 oder unangemesse28
Siehe im deutschen Recht nur § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Peters, Haftung und Regulierung, S. 55. 30 Siehe dazu sogleich die Nachweise im Text. 31 Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 111 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004); Mühl, Haftung für Ratings, Rn. 108; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 145. 32 Blaurock, ZGR 2007, 603, 627 f. 33 Theilacker, ZKredW 2005, 177, 178. 34 Vgl. nur die weiteren Ausführungen von Theilacker, ZKredW 2009, 643, 644: die RatingAgenturen würden „weiter aktiv Strukturpolitik betreiben – wie heute im Landesbankensektor –, eine Rolle, die ihnen nicht zusteht.“ 35 Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 36; Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 414; Mühl, Haftung für Ratings, Rn. 108 ff.; Sullivan, 94 Minn. L. Rev. (2010), 2136, 2139; Vetter, WM 2004, 1701, 1706; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 102. 36 Amort, EuR 2013, 272, 274. 37 Dutta, IPRax 2014, 33, 35. 38 Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 8; Mühl, Haftung für Ratings, Rn. 116. 29
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
nes Rating39 könne (nach deutschem Recht) einen Sachmangel i.S. des § 633 BGB40 oder (nach schweizerischem Recht) eine Schlechterfüllung des Auftrages41 darstellen. Wie die damit implizit in Bezug genommene Sollbeschaffenheit der Bonitätsbeurteilung zu bestimmen sein soll, bleibt dabei aber durchgehend offen. Eine Abweichung des erteilten Ratings von der „objektiv richtigen“ Einstufung auf der Ratingskala – sofern man diese einmal als feststellbar unterstellt – kann dabei in zwei unterschiedliche Richtungen erfolgen. Aus Emittentensicht stellt sich naturgemäß vor allem die negative Abweichung, also die „objektiv zu niedrige“ Ratingeinstufung als Pflichtverletzung der Rating-Agentur dar.42 Allerdings lässt sich auch das zu positive Rating bestimmter Verbindlichkeiten als Pflichtverletzung einordnen, wenn man als geschuldete Leistung die objektiv richtige Bewertung und jede Abweichung hiervon als pflichtwidrig ansieht;43 in diesem Fall sollte es freilich an einem ersatzfähigen Schaden des Emittenten fehlen. In den U.S.A. hat dieser Umstand einzelne Emittenten gleichwohl nicht davon abgehalten, Rating-Agenturen auch wegen der Erstellung zu positiver Bonitätsbeurteilungen zu verklagen, und zwar mit der Begründung, bei einem schlechteren Rating wären bestimmte Finanzierungsinstrumente von ihnen nicht begeben worden (und hätten am Markt faktisch auch gar nicht platziert werden können44) mit der Folge, dass der Emittent nicht insolvent geworden wäre.45
bb) Die Unmöglichkeit der Ermittlung der „Richtigkeit“ eines Ratings Nach vorzugswürdiger Ansicht sind Ratings hingegen einer Überprüfung auf ihre „Richtigkeit“ letztlich entzogen.46 Diese Position ist auch in der U.S.-ameri-
39 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 99; ähnlich Casper, in: Leible/Lehmann, Hedgefonds und Private Equity, S. 161, 174 (für „unvertretbare Schlussfolgerungen“ durch Rating-Agenturen). 40 Mühl, Haftung für Ratings, Rn. 112; Vetter, WM 2004, 1701, 1706; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 102; ähnlich Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852: § 633 BGB analog. 41 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 99. 42 Blaurock, ZGR 2007, 603, 629; Vetter, WM 2004, 1701, 1706; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 102. 43 Aus dem Schrifttum zum deutschen Recht in diesem Sinne Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 131; Mühl, Haftung für Ratings, Rn. 107; zum schweizerischen Recht Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 99; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 153 f. („no doubt“). 44 Zum Rating als faktische Voraussetzung für den Zugang zum Kapitalmarkt siehe § 8 III. 45 So die Argumentation des gegen Standard & Poor’s klagenden kalifornischen Bezirks in County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 153 f. (C.D.Cal. 1999). Die Klage wurde abgewiesen. 46 Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 498 f.; Cantor, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 27, 28; Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 54 ff.; Gudzowski, Colum. Bus. L. Rev. 2010, 245, 279; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 195; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 881; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 192; Kersting, Dritthaftung, S. 544; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 129; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 470; Vetter, WM 2004, 1701, 1704; von Randow, ZBB 1995, 140, 150. A.A. Mühl, Haftung für Ratings, Rn. 114; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 33.
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kanischen Rechtsprechung eingenommen worden.47 Ihre Begründung findet sie zum einen in dem Prognosecharakter jedes Ratings,48 vor allem aber in den Eigenschaften eines Ratings als lediglich relatives Wahrscheinlichkeitsurteil49 und Meinung der Rating-Agentur.50 (1) Prognosecharakter des Ratings und für die Beurteilung der „Richtigkeit“ maßgeblicher Zeitpunkt Wie bereits eingangs51 erwähnt, besitzt jedes Rating den Charakter einer Prognose,52 trifft es doch jetzt eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit der künftigen versprechensgemäßen Erfüllung von Zins- und Tilgungsverpflichtungen. Für die Überprüfung der „Richtigkeit“ des Ratings hat dieser Umstand zunächst zur Folge, dass für deren rechtliche Beurteilung allein der Zeitpunkt der Abgabe maßgebend sein kann,53 genauer also der Veröffentlichung eines Erstratings oder einer Ratingänderung bzw. der Unterlassung einer Ratingänderung, sofern sich die Rating-Agentur für eine unveränderte Beibehaltung des erteilten Ratings entscheidet. Ohne jede Bedeutung ist hingegen, ob sich eine Bonitätsbeurteilung ex post als „falsch“ erweist,54 etwa weil der betreffende Emittent die Bedienung der gerateten Anleihe eingestellt hat. Andernfalls würde der ausdrückliche Prognosecharakter des Ratings ignoriert und dieses als Garantie des vorhergesagten Er47 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 529 (6th Cir. 2007): „We find no basis upon which we could conclude that the credit rating itself communicates any provably false factual connotation.“ 48 Sogleich unter (1). 49 Dazu unter (2). 50 Dazu unter (3). 51 Siehe oben § 2 I 2. 52 KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“): „prognostische Einschätzung“; Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 40; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 7; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 286; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 881; Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1691: „inherently forward-looking“; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 128; Niedostadek, Rating, Rn. 218; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1022; Peters, Haftung und Regulierung, S. 53; Scholz, BFuP 2005, 276 (der Ratings mit Wettervorhersagen vergleicht); Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 32; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 292 ff. 53 Zum deutschen Recht Amort, EuR 2013, 272, 278; Arntz, BKR 2012, 89, 94; Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 55; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 43; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 881; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 128 f.; Mühl, Haftung für Ratings, Rn. 107; Niedostadek, Rating, Rn. 218; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1024; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 34; von Schweinitz, WM 2008, 953, 957; ebenso (zu Prognosen im Prospekt) BGH, 27.10.2009, ZIP 2009, 2377, 2378. Zum schweizerischen Recht Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 105. Zum U.S.-amerikanischen Recht Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 42. 54 Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 499; ders., Blaurock, ZGR 2007, 603, 628; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 881; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1022; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 661. So auch BGH, 27.10.2009, ZIP 2009, 2377, 2378 (zu Prognosen im Prospekt).
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folges behandelt,55 die ein Rating jedoch seinem erkennbaren Aussagegehalt nach nicht ist.56 Insoweit kann ergänzend auf die Bemerkung eines U.S.-amerikanischen Richters in einem ratingbezogenen Gerichtsverfahren aus dem Jahre 1931 verwiesen werden: „If foresight were generally as good as hindsight, it would be a far more pleasant world in which to live.“57
Eine Bonitätsprognose könnte folglich nur dann als „falsch“ qualifiziert werden, wenn zum Zeitpunkt ihrer Abgabe bereits objektiv feststellbar wäre, wie die prognostizierte, künftige Rückzahlungsfähigkeit sich entwickeln wird. Dies ist aber erkennbar unmöglich, weil kein Mensch in die Zukunft zu blicken vermag. Es fehlt damit bereits an einer geschuldeten Sollbeschaffenheit des Ratingergebnisses, weshalb es eine „falsche“ Ratingeinstufung schon aus diesem Grund rechtlich nicht gibt. Die einzige punktuelle Ausnahme stellt ein „SD“- oder „D“-Rating (auf der Standard & Poor’s-Skala) dar, weil dieses in Gestalt eines bereits eingetretenen Teil- (Selective Default) oder Komplettausfalls (Default) einen aktuellen Zustand signalisiert58 – sofern hier tatsächlich kein Zahlungsausfall vorliegen sollte, wäre das Rating in der Tat falsch.59 Gleichzeitig ist unverkennbar, dass das Potential für Irrtümer in diesem Bereich vergleichsweise gering ist und nur selten zu einer Haftung führen dürfte.
(2) Das Rating als relatives Wahrscheinlichkeitsurteil Hinzu tritt, dass die Prognose der Rating-Agentur von vornherein keine absolute Vorhersage der Ausfallwahrscheinlichkeit des konkreten Emittenten oder der konkreten Emission darstellt, sondern lediglich ein relatives, anhand von vergleichsweise groben Bonitätskategorien ausgedrücktes Wahrscheinlichkeitsurteil:60 Selbst ein „AAA“-Höchstrating sagt nicht aus, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit des Ratinggegenstandes bei Null liegt, weil auch innerhalb der Ratingstufe „AAA“ Zahlungsausfälle eintreten und die Rating-Agentur etwas Gegenteiliges auch nicht verspricht.61 Der Aussagegehalt einer Ratingeinstufung beschränkt sich vielmehr auf die Einschätzung, dass die gesamten zu erwarten55
Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 128 f. Vgl. Plumbers’ Union Local No. 12 Pension Fund v. Nomura Asset Acceptance Corp., 20.1.2011, 632 F.3d 762, 775 (1st Cir. 2011): Ratings seien „inherently opinions and not warranties against error“; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 130; Niedostadek, Rating, Rn. 218; Rinze/ Klüwer, BB 1998, 1697, 1701; Vetter, WM 2004, 1701, 1704. 57 In re Winburn’s Will, 28.4.1931, 249 N.Y.S. 758, 765, per Slater, S. In dem betreffenden Verfahren wurden Ersatzansprüche gegen Testamentsvollstrecker mit dem Vorwurf geltend gemacht, sie hätten (mit guten Ratings versehene) Anleihen während der einsetzenden Weltwirtschaftskrise 1929 nicht rechtzeitig abgestoßen. 58 In diesem Sinne auch Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 59, 80. 59 Ansatzweise ähnlich Peters, Haftung und Regulierung, S. 54. 60 Dazu bereits § 2 I 3. 61 Zutreffend Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 611. 56
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den Zahlungsausfälle innerhalb der „AAA“-Kategorie in Anzahl oder Umfang62 unterhalb derjenigen innerhalb der nächst tieferen Ratingstufe („AA+“) liegen werden, ohne sich insoweit auf absolute Zahlen festzulegen oder gar einer einzelnen Emission eine bezifferte Ausfallwahrscheinlichkeit zuzuweisen.63 Diese relative, lediglich nach Kategorien erfolgende Bonitätsbeurteilung („bucket system“) macht die Benennung einer konkreten und nachprüfbaren Bonitätsprognose für den einzelnen Ratinggegenstand praktisch unmöglich.64 (3) Das Rating als Meinung der Rating-Agentur Schließlich scheitert die Einstufung einer Bonitätsbeurteilung als „falsch“ auch daran, dass es sich dabei um eine Meinung der Rating-Agentur handelt65 und keine Beschreibung einer (künftigen) Tatsache.66 Dieser Umstand wirkt sich entscheidend auf die Ermittlung der vertraglichen Sollbeschaffenheit des Ratings aus: Da die Rating-Agentur nach dem Ratingvertrag die Äußerung ihrer eigenen Meinung schuldet, steht fest, dass das Rating durch subjektive Wertungen geprägt sein wird und sein soll.67 Die vertragliche Pflicht der Rating-Agentur ist daher gerade nicht auf die Ermittlung eines „objektiven“ Ratingergebnisses,68 sondern vielmehr auf die Abgabe einer subjektiven Bonitätsbeurteilung gerichtet, die auf einer subjektiven Bewertung quantitativer und qualitativer Faktoren beruht69 und der infolge der Reputation des Beurteilenden am Finanzmarkt Vertrauen entgegen gebracht zu werden verspricht. Vertraglich geschuldet (und, sofern die 62 Insoweit unterscheiden sich die Herangehensweisen der großen Rating-Agenturen: Während Standard & Poor’s nur die Wahrscheinlichkeit irgendeinen Ausfalls beurteilt, bezieht Moody’s den Umfang des zu erwartenden Ausfalls mit in seinen Bewertungsvorgang ein. 63 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 611; Serfling/Pries, Die Bank 1990, 381, 383: die Rating-Agenturen bilden lediglich ordinale Gruppenintervalle. 64 Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1070 f. 65 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 105 f.; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 7; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 286; Hunt, 60 S. C. L. Rev. (2009), 749, 763; Peters, Haftung und Regulierung, S. 53; Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 7 Rn. 20; Scholz, BFuP 2005, 276; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 145; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 293; Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293. 66 Niedostadek, Rating, Rn. 218; Vetter, WM 2004, 1701, 1704. 67 Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 286; Rieg, BC 2004, 57, 58; Vetter, WM 2004, 1701, 1703; kritisch Däubler, NJW 2003, 1096, 1097. 68 Wie hier zum deutschen Recht Rieg, BC 2004, 57, 58: „Ein objektives Rating kann es aus diesen Gründen nicht geben“; zum schweizerischen Recht Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 105 f.; Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 7 Rn. 20. A.A. aber Arendts, WM 1993, 229, 230; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 131, dem zufolge die Rating-Agentur nach Sinn und Zweck des Ratings eine „objektive Beurteilung“ verspricht. 69 In In re Lehman Brothers Sec. & ERISA Litig., 17.2.2010, 2010 WL 545992*6 (S.D.N.Y.) umschrieben als „a statement of opinion by each ratings agency that it believed, based on the methods and models it used …“; Ellsworth/Porapaiboon, 18 Bus. L. Today (March/April 2009), 35, 38: „Ratings are judgment calls“; Haltiner, ST 2007, 802, 804; Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1691: „inherently subjective“; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 311; Vetter, WM 2004, 1701, 1703; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1348.
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Rating-Agentur nicht untätig bleibt, auch erbracht) ist daher eine Meinungsäußerung über die Bonität des betroffenen Ratinggegenstandes, deren Inhalt gerade der Beurteilung durch die Rating-Agentur überlassen bleibt, denn Rating „is an art and not a science“.70 Die Veröffentlichung dieser Meinung kann daher nur dann eine vertragliche Pflichtverletzung darstellen, wenn die Rating-Agentur tatsächlich subjektiv von einer abweichenden Kreditwürdigkeit überzeugt sein sollte.71 Einer Beurteilung als „falsch“ oder „richtig“ ist sie im Übrigen nicht zugänglich.72 In der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung klingt neben den beschriebenen, rein vertragsrechtlichen Folgen der Meinungseigenschaft von Ratings gelegentlich auch die institutionsschützende Wirkung des First Amendment an, die in Gestalt des „actual malice“Standards auch auf die vertragliche Haftung der Rating-Agentur ausstrahlen und diese auf nachweisbar falsche Tatsachenäußerungen beschränken kann.73 Da diese Form der Drittwirkung der Pressefreiheit vorrangig dort praktisch geworden ist, wo es um Pflichtverletzungen bei der Ratingerstellung (und nicht um ein „falsches“ Ratingergebnis) ging, soll dieser Problemkreis dort abgehandelt werden.74
b) Pflichtverletzung der Rating-Agentur bei der Ratingerstellung In Anbetracht des beschriebenen Dilemmas erblickt eine starke Auffassung im deutschen und schweizerischen Schrifttum die haftungsauslösende Pflichtverletzung nicht in der Veröffentlichung eines „falschen“ Ratings, sondern in der Verletzung von Sorgfalts- und Verfahrenspflichten während der Ratingerstellung:75 Nicht das Beurteilungsergebnis wird als vertragswidrig angesehen, sondern die Art und Weise seiner Erstellung. Obgleich dieser Grundansatz überzeugt, verlagert sich die Problematik damit auf die Bestimmung der Sorgfalts- und Verfah70 Siebel, BFuP 2005, 278; ebenso In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 822 (S.D.Tex. 2005): „This Court further finds as significant here that rating creditworthiness is far from an exact science (as the disclaimers explicitly warn) …“. 71 Ohio Police & Fire Pension Fund v. Standard & Poor’s Financial, 26.9.2011, 813 F.Supp.2d 871, 883 (S.D.Ohio 2011); Tsereteli v. Residential Asset Securitization Trust 2006-A8, 11.3.2010, 692 F.Supp.2d 387, 394 f. (S.D.N.Y. 2010). Dazu bereits § 25 V 2 b) bb). 72 So Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 129; Niedostadek, Rating, Rn. 218; Peters, Haftung und Regulierung, S. 53; Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 7 Rn. 20; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 296; Vetter, WM 2004, 1701, 1704; ähnlich Siebel, BFuP 2005, 279. A.A. allein County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 161 (C.D.Cal. 1999): „Finally, S & P again attempts to persuade the Court its ratings are opinions which are not provably false. The Court has rejected this argument in the past and does again today.“ 73 So ansatzweise Tsereteli v. Residential Asset Securitization Trust 2006-A8, 11.3.2010, 692 F.Supp.2d 387, 394 f. (S.D.N.Y. 2010) (wo es allerdings um die Beurteilung der Kreditqualität verbriefter Forderungen als Grundlage des erteilten Ratings ging); ähnlich (aber ebenfalls nicht eindeutig) In re Lehman Brothers Sec. & ERISA Litig., 17.2.2010, 2010 WL 545992*6 (S.D.N.Y.). 74 Siehe sogleich unter b) bb) (1). 75 Im deutschen Schrifttum statt vieler Blaurock, ZGR 2007, 603, 628; Däubler, BB 2003, 429, 432; Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 415; Niedostadek, Rating, Rn. 226; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 660; im schweizerischen Schrifttum Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 105 f.; Loser, Vertrauenshaftung, Rn. 805.
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rensmaßstäbe, deren Beachtung die Rating-Agentur gegenüber dem Emittenten vertraglich schuldet. Auch deren Herleitung ist im Grundsatz wie im Detail umstritten. aa) Ausdrückliche vertragliche Sorgfalts- und Verfahrenspflichten Keine Schwierigkeiten würfe die Ermittlung der bei Ratingerstellung zu befolgenden Pflichten nur dann auf, wenn diese im Ratingvertrag im Einzelnen fixiert wären.76 Eine ausdrückliche Pflichtenregelung dieser Art ist aber, soweit feststellbar, unüblich77 – ein Befund, der sich möglicherweise mit dem Interesse der Rating-Agenturen erklären lässt, keine Details zum Ratingverfahren und zur Gewichtung der einbezogenen Kriterien offen zu legen, die bekanntlich als streng gehütetes Betriebsgeheimnis behandelt werden.78 Die Ratingverträge der großen Agenturen scheinen daher nur Vertraulichkeitspflichten in Form von Confidentiality Agreements ausführlich festzuschreiben.79 bb) Stillschweigend vertraglich vereinbarte Sorgfaltsund Verfahrenspflichten In Ermangelung eines ausdrücklichen vertraglichen Pflichtenprogramms bleibt daher nur die Möglichkeit, auf „stillschweigend vereinbarte“ Sorgfalts- und Verhaltenspflichten der Rating-Agentur zu rekurrieren. In methodischer Hinsicht geht es dabei regelmäßig um eine ergänzende Vertragsauslegung,80 ohne dass diese immer so benannt würde. Ein entsprechender Begründungsansatz läuft freilich stets Gefahr, erst im Nachgang zu einer erfolgten Ratingerstellung auf einen externen Pflichtenmaßstab zurückzugreifen und dessen Vereinbarung schlicht zu unterstellen, also mit einer reinen Einigungsfiktion zu arbeiten. Das U.S.-amerikanische Recht auf der einen und das deutsche und schweizerische Recht auf der anderen Seite nehmen gegenüber einer so begründeten Pflichtengenese ganz unterschiedliche Haltungen ein:81
76
Blaurock, ZGR 2007, 603, 628; Ulfbeck, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 309,
315. 77 Arntz, BKR 2012, 89, 91 f.; Blaurock, ZGR 2007, 603, 628; Mühl, Haftung für Ratings, Rn. 108; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 131. Das Ratingvertragmuster der Rating-Agentur Fitch IBCA (bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 190) legt zwar fest, dass die Ratingerstellung „will broadly follow“ der „Bank Rating Methodology“ der Agentur (abgedruckt a.a.O., S. 193 ff.) – bei dieser handelt es sich jedoch (entgegen der missverständlichen Bezeichnung) lediglich um einen an den Emittenten gerichteten Fragenkatalog, der zur Verarbeitung der erlangten Informationen keinerlei Aussagen macht. 78 Vgl. Niedostadek, Rating, Rn. 198; Vetter, WM 2004, 1701, 1703. 79 S. dazu bereits § 25 IV sowie das Confidentiality Undertaking der Rating-Agentur Fitch IBCA bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 191. 80 Vgl. Larenz/Wolf, BGB AT, § 28 Rn. 113. 81 Unter dem Hongkonger Recht ist die Fragestellung, soweit ersichtlich, bislang unbehandelt geblieben.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
(1) U.S.-amerikanisches Recht: Stillschweigende Sorgfaltsund Verfahrenspflichten als Umgehung des institutionsschützenden „actual malice“-Standards U.S.-amerikanische Gerichte haben die Annahme stillschweigender, angeblich konkludent vereinbarter Sorgfaltspflichten verschiedentlich mit der Begründung abgelehnt, dass auf diese Weise der Schutz der Rating-Agentur durch das First Amendment82 umgangen würde. Logischer Ausgangspunkt ist dabei zunächst die Feststellung, dass die Pressefreiheit ihre Schutzwirkungen grundsätzlich auch dort entfaltet, wo das Presseunternehmen mit einem privaten Dritten in einer vertraglichen Beziehung steht83 – dies ist in der Sache konsequent, weil das First Amendment den Schutz der ungehinderten Versorgung des „Marktplatzes der Ideen“ mit Informationen bezweckt und seine schützende Wirkung daher allein daran anknüpft, dass die betreffende Person (wie eben die RatingAgenturen) Informationen öffentlich zugänglich macht.84 Ergänzend wird angeführt, dass die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche mit Hilfe staatlicher Gerichte geschehe und darin ein staatlicher Eingriff liege, vor dem die Pressefreiheit zweifelsfrei schützen will.85 Einigkeit besteht auf der anderen Seite aber auch darüber, dass die Rating-Agentur ihren Institutionsschutz, der im Verhältnis zu privaten Dritten vor allem durch den „actual malice“-Standard gesichert wird,86 durch vertragliche Abreden einschränken oder sogar völlig abbedingen kann.87 Die Rechtsprechung verlangt hierfür allerdings eine ausdrückliche und klare Vertragsabrede, der sich ein bewusst getroffener Grundrechtsverzicht entnehmen lässt,88 wohingegen eine implizite (und häufig durch den Auslegenden lediglich implizierte) Einigung nicht ausreichen soll.89 Ein insoweit nicht ein82
Siehe zu diesem bereits in § 21 II sowie oben im Text unter I 2 a) bb) (3). Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 531 (6th Cir. 2007); County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 155 (C.D.Cal. 1999); a.A. Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 112 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004). 84 Die drohende Gefahr einer Beeinflussung der Ratingtätigkeit auch durch vertragliche Haftungsklagen (den „chilling effect“) betont Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 112 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004). 85 Philadelphia Newspapers, Inc. v. Hepps, 21.4.1986, 475 U.S. 767, 777, 106 S.Ct. 1558 (1986); Cohen v. Cowles Media Co., 24.6.1991, 501 U.S. 663, 668, 111 S.Ct. 2513 (1991). Dieser Punkt hat vor allem im Zusammenhang mit Klagen vor gliedstaatlichen Gerichten nach gliedstaatlichem Recht eine Rolle gespielt, weil das insoweit einschlägige Fourteenth Amendment nur auf state action bezogen wird und damit theoretisch auch die Anwendbarkeit des First Amendment beschränken könnte. 86 Im Einzelnen § 21 II 2 c). Zum prozessualen Institutionsschutz im Rahmen von pre-trial discoveries a.a.O., II 2 b). 87 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 533 f. (6th Cir. 2007); County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 155 (C.D.Cal. 1999): „S&P had the right and ability to contract away its First Amendment protection“; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 425. 88 St. Rspr., statt vieler Marilyn Manson, Inc. v. New Jersey Sports & Exp., 7.5.1997, 971 F.Supp. 875, 889 (D.N.J. 1997). 83
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deutiger Vertragsinhalt spreche im Zweifel gegen eine Einschränkung des First Amendment-Schutzes.90 Ratingverträge legen nun aber typischerweise91 gerade keine expliziten Sorgfalts- oder Verfahrenspflichten der Rating-Agentur fest,92 wie ein U.S.-amerikanisches Gericht betonte: „Moody’s agreed only to publish a credit rating; it did not agree to publish a favorable, thoroughly investigated, or correctly appraised rating. It did not even agree to publish a rating acceptable to Compuware“ (den Emittenten).93 In der Tat wird die typische oder hypothetische Vereinbarung entsprechender Pflichten, so sie denn behauptet wird, ersichtlich auf Billigkeitserwägungen gestützt, ohne dass jemals gezeigt worden wäre, dass Rating-Agenturen einen Ratingvertrag mit einem solchen Pflichtenprogramm überhaupt abschließen würden – das bestehende natürliche Oligopol auf dem globalen Ratingmarkt94 spricht sicherlich gegen eine solche Annahme. Implizite (oder in Anlehnung an das anwendbare Vertragsrecht95 als Vertragsinhalt implizierte) Sorgfaltspflichten dieser Art, die von Emittentenseite häufig behauptet werden, genügen daher nicht, um den „actual malice“-Standard einzuschränken.96 Ein so vorgetragener vertraglicher Haftungsanspruch zeichnet sich zudem durch eine unverkennbare Ähnlichkeit mit einem Deliktsanspruch wegen defamation aus, 89 Gete v. I.N.S., 4.8.1997, 121 F.3d 1285, 1293 (9th Cir. 1997): „a waiver of a constitutional right is not to be implied“; County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 156 (C.D.Cal. 1999): „The MOA [Memorandum of Understanding – d.h. der Vertrag zwischen Emittent und Rating-Agentur] contains no express waiver of constitutional rights.“ 90 Wildmon v. Berwick Universal Pictures, 8.9.1992, 803 F.Supp. 1167, 1178 (N.D.Miss. 1992); County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 156 (C.D.Cal. 1999). Ein ausreichend klarer Verzicht auf die Meinungsäußerungsfreiheit ist etwa in einer expliziten Vertraulichkeitsvereinbarung gesehen worden (vgl. Cohen v. Cowles Media Co., 24.6.1991, 501 U.S. 663, 670, 111 S.Ct. 2513 (1991)). 91 Etwas anderes mag beim Rating komplexer Finanzinstrumente (insbesondere im Rahmen von Conduit-Konstruktionen) gelten, sofern die Rating-Agentur etwa eine dauerhafte Überwachung des Servicers übernommen hat; vgl. hierzu § 10 IV 2 a). 92 County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 155 (C.D.Cal. 1999). 93 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 531 f. (6th Cir. 2007). Ebenso County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 156 (C.D.Cal. 1999): „Since there is no claim or showing S & P undertook a separate duty to provide a competent rating, the only element of the County’s breach of contract claim is the providing of the rating itself.“ 94 Siehe § 20 II. 95 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 533 (6th Cir. 2007): „Compuware was forced to invoke the duty implied under Michigan law to perform contractual obligations ,skillfully, carefully, diligently, and in a workmanlike manner‘“; County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 156 (C.D.Cal. 1999): „an implicit duty to perform its services in a competent manner, a duty which [der Kläger] claims is inherent in all California contracts“. 96 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 533 (6th Cir. 2007) zu „vague implied contractual duties“; County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 156 (C.D.Cal. 1999). A.A. Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 111 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004): „it is implicit in the parties’ business relationship that the rating would be made in a non-negligent way.“
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der uneingeschränkt dem „actual malice“-Standard genügen muss97 – es droht damit ein Wertungswiderspruch und eine Umgehungsgefahr, die nach Ansicht der Rechtsprechung ebenfalls zur Ablehnung von Emittentenansprüchen aufgrund von Verfahrenspflichtverletzungen zwingt.98 Die beschriebene Drittwirkung der Pressefreiheit im Verhältnis zwischen Vertragsparteien mag aus kontinental-europäischer Sicht auf den ersten Blick erstaunen,99 findet jedoch bei genauerem Hinsehen durchaus Parallelen etwa im deutschen Recht. Sie führt nämlich auch nach U.S.-amerikanischem Recht nicht dazu, dass Presseunternehmen ihren Vertragspartnern gegenüber keinerlei Sorgfalt schulden,100 sondern hat lediglich zur Folge, dass entsprechende Pflichten vertraglich ausreichend klar vereinbart sein müssen: Es werden in der Sache also erhöhte Anforderungen an die richterliche Feststellung solcher Vertragspflichten gestellt, die einen Grundrechtsverzicht des Presseunternehmens bedeuten, um dadurch die vorschnelle Unterstellung einer entsprechenden Parteienabrede zu verhindern. Entsprechende, aus der Verfassung abgeleitete Darlegungs- und Beweisanforderungen sind aber auch dem deutschen Recht bekannt.101
Da auch vertragliche Ansprüche gegen Rating-Agenturen nach alledem infolge des „actual malice“-Standards nur auf nachweisbar falsche Aussagen gestützt werden können,102 scheidet eine Haftung aufgrund von Sorgfalts- oder Verfahrenspflichtverletzungen nach U.S.-amerikanischem Recht fast immer aus.103
97 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 532 (6th Cir. 2007). Siehe zur Haftung von Rating-Agenturen wegen defamation noch unter III 1 a). 98 County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 156 (C.D.Cal. 1999); Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 531 (6th Cir. 2007): „While ostensibly presenting a breach of contract claim, this argument is grounded in negligence, and amounts to nothing more than a backdoor attempt to recover damages for the harm allegedly caused by Moody’s protected expression of its opinion of Compuware’s financial condition“; vgl. auch (zu einem unbeauftragten Rating) Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.5.1999, 175 F.3d. 848, 857 (10th Cir. 1999): „The School District attempts to distinguish Hustler Magazine and these lower court decisions by arguing that its allegations against Moody’s are directed at conduct rather than speech. […] In our view, the School District’s contention is inconsistent with applicable First Amendment principles.“ 99 In diesem Sinne Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 67. 100 Dies wird verkannt in Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 110 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004). 101 Vgl. etwa BVerfG, 26.2.2008, NJW 2008, 1793 Tz. 70 („Caroline von Hannover“) zur Vereinbarkeit einer zivilprozessualen Darlegungs- und Beweislastverteilung mit der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG); BVerfG, 25.10.2004, NJW 2005, 1036 Tz. 40 zur „zusätzlichen Eingriffsqualität“ einer Beweislastverteilung im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). 102 Siehe zu diesem Kriterium bereits § 21 II 2 c) bb). Der „actual malice“-Standard wirkt sich zudem auf den Verschuldensmaßstab aus; siehe dazu unten 3 b). 103 Etwas anderes gilt nach dem Gesagten natürlich dann, wenn entsprechende Pflichteninhalte ausdrücklich vereinbart wurden, sowie per se bei solchen Pflichteninhalten, die sich nicht auf die Veröffentlichung einer Information beziehen und daher sachlich nicht mit dem First Amendment kollidieren.
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(2) Deutsches und schweizerisches Recht: Ansätze für umfangreiches, stillschweigend vereinbartes Sorgfalts- und Verfahrenspflichtenprogramm In der deutschen und schweizerischen Literatur werden stillschweigend vereinbarte Pflichten der Rating-Agentur hingegen deutlich schneller angenommen und vielfach wohl auch lediglich unterstellt.104 Bedenklich erscheint, dass man in diesem Zusammenhang die Folgen für den Institutionsschutz der Rating-Agenturen gänzlich zu vernachlässigen pflegt: Obgleich der Schutz durch die Presseund Meinungsfreiheit nach deutschem wie schweizerischem Verständnis der Grundrechtswirkungen einer vertraglichen Einschränkung zugänglich ist,105 weil in einer rechtsgeschäftlichen Selbstbindung zugleich die Ausübung individueller Freiheit liegt,106 setzt diese eben doch eine nachweisbare Willenseinigung über einen bestimmten Pflichteninhalt voraus. Der Ausstrahlungswirkung des Art. 5 Abs. 1 GG muss daher auch im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung oder – anders gewendet – der Anwendung der §§ 157, 242 BGB107 Rechnung getragen werden.108 Als Folge ist zwar nach deutschem wie schweizerischem Recht nicht zwingend eine ausdrückliche Pflichtenabrede zu verlangen (wie es das U.S.amerikanische Recht tut), aber doch im Wege der verfassungskonformen Auslegung des Ratingvertrages109 sicherzustellen, dass Rating-Agenturen nicht aufgrund einer reinen Fiktion haftungsbegründenden Sorgfalts- und Verfahrenspflichten unterworfen werden.110 (a) Ableitung des Pflichtenprogramms aus dem Ratingvertrag selbst? Nicht gerecht werden dürfte diesen Anforderungen etwa die bloße Behauptung, Pflichten über die Qualität, Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Ratingprozess und -methoden sowie Anforderungen an die Unabhängigkeit der Rating-Agentur ließen „sich unschwer aus dem Ratingvertrag herleiten“.111 Da die 104 So etwa bei Niedostadek, Rating, Rn. 226, der ohne nähere Begründung oder Konkretisierung einen „Anspruch des Auftraggebers auf Erstellung eines fehlerfreien Ratings unter Beachtung gewisser Mindeststandards“ konstatiert; zweifelhaft auch die These von Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 304 ff., dem zufolge Rating-Agenturen bei Publikation von Ratings eine „implizite Professionalitätsgarantie“ abgeben, die als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren sei. 105 Vgl. BGH, 24.1.2006, BGHZ 166, 84, 95, 115 („Kirch ./. Deutsche Bank AG und Breuer“). 106 BVerfG, 7.2.1990, BVerfGE 81, 242, 254 („Handelsvertreter“) (zur Berufsfreiheit). 107 Zu §§ 157, 242 BGB als normativer Grundlage der ergänzenden Vertragsauslegung Larenz/ Wolf, BGB AT, § 28 Rn. 113. 108 In diesem Sinne auch Busche, in MünchKomm-BGB, § 157 Rn. 13: „Nicht unmittelbar anwendbar, aber in ihren Rechtsgedanken die Auslegung steuernd“. 109 Ablehnend zum Begriff der „verfassungskonformen Vertragsauslegung“ Fikentscher/ Heinemann, SchuldR, Rn. 120. 110 Dieses Postulat gilt freilich bei der ergänzenden Vertragsauslegung ganz allgemein; vgl. Larenz/Wolf, BGB AT, § 28 Rn. 113. 111 So Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 201 (ihm folgend Grundmann/Renner, JZ 2013, 379, 383); Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 881 f.; ähnlich Arntz, BKR 2012, 89, 92; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 131: Ableitung vertraglicher Kernpflichten „aus dem allgemeinen Sinn und Zweck jeden Ratings“.
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gängigen Ratingverträge in ihrem Wortlaut nämlich keinerlei Aussage zu Pflichten dieser Art treffen und es auch an festen Regeln und anerkannten Grundsätzen für Ratingverfahren fehlt,112 bedürfte es einer Begründung, warum entsprechende Pflichten implizit Vertragsbestandteil geworden und, vor allem, mit welchem Inhalt sie vereinbart sein sollen. Als aussichtsreicher erscheint daher die Prüfung, ob von einer stillschweigenden Einbeziehung externer Pflichtenkataloge in den Ratingvertrag ausgegangen werden kann: (b) Aufsichtsrechtliche Folgepflichten in ihrer Regulierungsfunktion anerkannter Rating-Agenturen als vertragliche Pflichten Zu denken ist zunächst an Anerkennungsfolgepflichten, denen Rating-Agenturen nach diversen nationalen und (in Gestalt der EG-RatingVO) supranationalen Aufsichtsrechtsregimen unterworfen werden, sobald sie sich für Zwecke der regulatorischen Indienstnahme ihrer Ratings haben staatlich anerkennen lassen.113 Trotz ihrer aufsichtsrechtlichen Natur werden diese Pflichten auch für haftungsrechtlich maßgeblich gehalten,114 wobei man zur dogmatischen Begründung – sofern eine solche erfolgt – auf eine ergänzende Vertragsauslegung verweist.115 Ein vergleichbarer Ansatz wird auch zu den Wohlverhaltenspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen im deutschen Recht116 und Effektenhändler im schweizerischen Recht117 vertreten, die zwar auf Rating-Agenturen jeweils nicht anwendbar sind,118 aber einer (umstrittenen) Ansicht zufolge immerhin automatisch als vertragliche Nebenabreden in die Verträge zwischen Kunden und Wertpapierunternehmen inkorporiert werden sollen.119 112 Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 37; Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 44: „at this point […] uniform professional standards do not exist that might provide insight into the amount of due care and due diligence that CRAs will have to exercise“; Ulfbeck, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 309, 319; Vetter, WM 2004, 1701, 1703. 113 Siehe zu diesen Anerkennungsfolgepflichten § 23 III 3. 114 Im deutschen Schrifttum Blaurock, ZGR 2007, 603, 628; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 660; wohl auch Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 203; im schweizerischen Schrifttum Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 70; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 324 ff. Ähnlich St. Weber, in FS Ress (2005), S. 1599, 1605, der die Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht generell als Maßstab für die verkehrserforderliche Sorgfalt i.S. des § 276 Abs. 2 BGB einordnen will. 115 Blaurock, ZGR 2007, 603, 628. Dass die EG-RatingVO seit 2013 in ihrem Art. 35a selbst gesetzliche Haftungsfolgen an die Verletzung ihrer aufsichtsrechtlichen Pflichtvorgaben knüpft (siehe dazu noch unter IV.), steht diesem Argumentationsansatz ausweislich Erwägungsgrund 35 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO nicht entgegen. 116 §§ 31 ff. WpHG. 117 Art. 11 BEHG. 118 Siehe § 24 II. 119 Zu §§ 31 ff. WpHG OLG Frankfurt a.M., 17.2.2010, ZIP 2010, 567, 568 („Lehman Brothers-Schmetterlingszertifikate“); Möllers, in KK-WpHG, § 31 Rn. 6 ff.; Veil, WM 2007, 1821, 1826; a.A. aber die wohl h.M., vgl. nur BGH, 17.9.2013, ZIP 2013, 2001 Tz. 15 ff. („Lehman Brothers IV“) m.w.Nachw.; differenzierend Forschner, Wechselwirkungen, S. 140 ff. Zu Art. 11 BEHG BGer, 4.1.2007, BGE 133 III 97, 99 E. 5.2; Dietzi/Latour, Schweizerisches Börsenrecht, S. 63; Her-
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Auf die vertragliche Haftung von Rating-Agenturen lässt sich der beschriebene Ansatz jedoch nicht übertragen, weil sich Wohlverhaltenspflichten für Wertpapierunternehmen maßgeblich von den Anerkennungsfolgepflichten der Rating-Agenturen unterscheiden: Während Erstere nach überwiegender Ansicht auch den Schutz der Anleger bezwecken,120 fehlt es bei den Anerkennungsregeln, die lediglich die Nutzbarkeit von Ratings für eine bestimmte regulatorische Nutzung sicherstellen sollen,121 von vornherein an einer entsprechenden Schutzwirkung.122 Das U.S.-amerikanische Recht stellt sogar durch eine ausdrückliche Gesetzesvorschrift klar, dass weder das NRSRO-Anerkennungsverfahren noch durch Rating-Agenturen im Verfahren abgegebene Erklärungen zur Grundlage privater Ansprüche gemacht werden können,123 weshalb sich ersichtlich auch Ratingauftraggeber nicht auf die Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten sollen berufen können.124 Aber selbst, wenn man die originäre Schutzrichtung des Anerkennungsrechts ignoriert, weil die Parteien eines Ratingvertrages sich theoretisch auch unabhängig von dieser auf die dort geregelten Sorgfalts- und Verhaltenspflichten beziehen können, sprechen die besseren Gründe gegen einen solchen „stillschweigenden“ Parteiwillen, weil dieselben Rating-Agenturen typischerweise nach einer Vielzahl unterschiedlicher Anerkennungsregime anerkannt sind. Sie unterliegen daher gleichzeitig unterschiedlichen Anerkennungsfolgepflichten, deren Inhalte sich an der jeweiligen Regulierungsfunktion des Ratings ausrichten. Aus diesem Grund ist nicht erkennbar, welche aufsichtsrechtlichen Pflichteninhalte in den konkreten Ratingvertrag hineinzulesen sein sollen, will man dem Emittenten nicht ex post die Auswahl der ihm günstigsten Anerkennungsfolgepflicht und damit die nachträgliche Umgestaltung des vertraglichen Pflichtenprogramms gestatten – eine Annahme, die auf keine ergänzende Vertragsauslegung zu stützen wäre. Es bleibt daher im Ergebnis festzuhalten, dass aufsichtsrechtliche Folgepflichten nicht stillschweigend als privatautonome Sorgfalts- und Verhaltenspflichten in den Ratingvertrag einbezogen werden.125
120 tig/Schupisser, in: Vogt/Watter, Art. 11 BEHG Rn. 8 ff.; U. Roth, in: Hertig u.a., BEHG, Stand: Lfg. 1 (Jan. 2000), Art. 11 BEHG Rn. 29; Stupp/Dubs, in Basler Komm., Art. 11 BEHG Rn. 7; a.A. Wegmann/von der Crone, SZW/RSDA 2006, 308, 316. 120 Zu §§ 31 ff. WpHG BGH, 17.9.2013, ZIP 2013, 2001 Tz. 23 („Lehman Brothers IV“) (auch zur weiteren, überwiegend verneinten Frage, ob diese aufsichtsrechtlichen Vorschriften Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB sind); Fuchs/Fuchs, § 31 Rn. 9; zu Art. 11 BEHG Stupp/Dubs, in Basler Komm., Art. 11 BEHG Rn. 6. 121 Siehe § 23 III 2 a). 122 In diesem Sinne zu Verhaltensregeln für Finanzanalysten (§ 34b WpHG) auch Veil, ZBB 2006, 162, 166: nur der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte dienend. 123 § 15E(m)(2) Securities Exchange Act of 1934. 124 von Schweinitz, WM 2008, 953, 954. 125 Wie hier von Schweinitz, WM 2008, 953, 954.
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(c) Pflichtenregelungen in freiwilligen Verhaltenskodizes der RatingAgenturen als vertragliche Pflichten Fraglich ist schließlich, ob sich die Verhaltenspflichten in den Verhaltenskodizes (Codes of Conduct), die sämtliche großen Rating-Agenturen sowie zahlreiche kleinere Agenturen in jüngerer Zeit freiwillig angenommen haben,126 im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung als vereinbarte Pflichten qualifizieren lassen. Dagegen spricht nicht, dass die betreffenden Codes of Conduct fast ausnahmslos dem Muster des IOSCO-Kodex nachgebildet wurden, aus dem sich nach allgemeiner Ansicht keine Ansprüche zugunsten des Emittenten ableiten lassen,127 denn es geht hier um die Berücksichtigung des Verhaltenskodex der konkret betroffenen Rating-Agentur im Rahmen der Auslegung eines von ihr abgeschlossenen Ratingvertrages, nicht um eine Anwendung des IOSCO-Kodex selbst. Da die Rating-Agenturen öffentlich bekannt geben, sich (einschließlich ihrer Mitarbeiter) in ihrem Verhalten an dem publizierten Verhaltenskodex auszurichten, darf der Emittent erwarten, dass die Kodexbestimmungen auch bei der Erstellung des von ihm beauftragten Ratings beachtet werden. Trotz des Fehlens eines ausdrücklichen Verweises auf Verhaltenskodizes in den gängigen Ratingverträgen128 ist die darin enthaltene Pflicht der Agentur zur Erstellung einer Bonitätsbeurteilung daher so auszulegen, dass diese Beurteilung unter Beachtung ihres bei Vertragsschlusses publizierten Verhaltenskodex erstellt wird – mit der Folge, dass die Nichtbeachtung darin übernommener Verhaltenspflichten nach deutschem wie auch schweizerischem Recht eine Pflichtverletzung gegenüber dem Emittenten darstellt.129 Dies entspricht der Dogmatik des deutschen wie des schweizerischen Vertragsrechts, die auch an anderer Stelle eine Bestimmung von Pflichteninhalten anhand von Standards kennen, die sich der Schuldner durch öffentliche Äußerungen zu Eigen gemacht hat.130 Der potentiell haftungsbegründenden Wirkung des Verhaltenskodexinhalts steht von vornherein nicht entgegen, dass die gängigen Codes of Conduct eine Pflichtenbegrün-
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Siehe dazu schon § 24 IV. Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 884; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 96; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 882; Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 414; Theilacker, ZKredW 2005, 177, 180. A.A. Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 149; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 344 (als „indirekt verbindliche Konkretisierung“ der angeblichen Professionalitätsgarantie der Rating-Agenturen). 128 Sofern ein ausdrücklicher Verweis auf den Code of Conduct besteht, ist dessen Inhalt unproblematisch Teil des Ratingvertrages; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 201. 129 So zum deutschen Recht Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 39; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 882; Niedostadek, Rating, Rn. 226; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 658; zum schweizerischen Recht Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 62 u. 70. 130 Zum deutschen Werkvertragsrecht Busche, in MünchKomm-BGB, § 633 Rn. 24; Palandt/ Sprau, § 633 Rn. 2. Zum Schweizer Werkvertragsrecht Gauch, Werkvertrag, Rn. 843 zu „anerkannten Regeln der Technik“, die bereits „auf der Verhaltensebene“ eine Rolle spielen. 127
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dung gegenüber third parties ausdrücklich auszuschließen versuchen,131 weil diese Klauseln schon ihrem Wortlaut nach auf den beauftragenden Emittenten gar keine Anwendung finden: Der Sprachgebrauch des U.S.-amerikanischen Rechts, vor dessen Hintergrund die Verhaltenskodizes zumindest von Standard & Poor’s und Moody’s ersichtlich formuliert wurden und das daher auch auf deren Interpretation ausstrahlen muss, versteht unter third party nämlich gerade solche Personen, die nicht Parteien einer Vertragsbeziehung sind.132 Auf die Frage der Berücksichtigung entsprechender Klauseln im Rahmen der Ratingvertragauslegung sowie ggfs. deren rechtliche Wirksamkeit kommt es mithin gar nicht an.
Dass Verfahrenspflichten der Verhaltenskodizes Bestandteil des vertraglichen Pflichtenprogramms der Rating-Agentur werden, ändert freilich nichts an deren Inhalt. Hier wirkt sich aus, dass die Codes of Conduct – wie auch der IOSCOKodex – kaum detaillierte und präzise Vorgaben für das Verfahren der Ratingermittlung selbst aufstellen,133 sondern sich weitgehend auf die Benennung allgemeiner Prinzipien sowie die Regelung organisatorischer Rahmenbedingungen beschränken.134 Schon die Feststellung einer Pflichtverletzung ist daher auch unter Geltung des deutschen und schweizerischen Rechts schwierig, zumal es dem Emittenten regelmäßig an einem Einblick in die internen Verfahrensabläufe der Rating-Agentur fehlen wird. Dies darf gleichwohl nicht zu Rückschaufehlern verleiten, d.h. der Einordnung eines eingetretenen Zahlungsausfalls als „Indiz“ eines Verfahrensfehlers bei der vorangegangenen Erstellung der Bonitätsbeurteilung. cc) Kausalität der Verfahrenspflichtverletzung für das Ratingergebnis Die Verletzung einer vertraglichen Verfahrenspflicht führt zudem nur dann zu einer Haftung der Rating-Agentur, wenn sie sich in dem veröffentlichten Rating oder Ratingbericht niedergeschlagen hat, die also ohne Verfahrenspflichtverletzung hätten anders (typischerweise positiver135) ausfallen müssen.136 Dass dies so131
Vgl. etwa Standard & Poor’s, Ratings Services Code Of Conduct (Dec. 2008), S. 3: „By making this Code available to the public, Ratings Services does not assume any responsibility or liability to any third party arising out of or relating to this Code. This Code shall not form a part of any contract with any third party, and no third party shall have any right (contractual or otherwise) to enforce any of this Code’s provisions, either directly or indirectly.“ Fast wortlautgleich Moody’s Investors Service, Code of Professional Conduct (Aug. 2010), S. 4 Fn. 2. 132 Siehe dazu noch § 30 VI 3 c). 133 Deipenbrock, BB 2005, 2085, 2087; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 658. 134 Diese wurden in § 24 IV bereits erörtert. 135 Vgl. plastisch Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 533 (6th Cir. 2007): „In other words, Compuware was harmed by Moody’s opinion, which included negative statements about Compuware. Had Moody’s allegedly inadequate preparation and investigation produced a glowingly positive assessment of Compuware’s financial situation, Moody’s opinion would certainly have been inaccurate, but we suspect that Compuware would not be complaining about the way Moody’s arrived at that opinion.“ 136 Soweit eine Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Ratingpublikation betroffen ist, hätte diese bei pflichtgemäßem Verhalten früher oder später erfolgt sein müssen.
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wohl nach deutschem137 und schweizerischem138 wie auch nach U.S.-amerikanischem Recht139 verlangt wird, überrascht nicht, handelt es sich doch um ein allgemeines Kausalitätserfordernis: Da die Rating-Agentur nach dem Ratingvertrag in Gestalt der Bonitätsbeurteilung einen Erfolg schuldet,140 kann sich eine Haftung aus der Verletzung vorgelagerter Verfahrenspflichten nur dann ergeben, wenn diese sich auf den geschuldeten Erfolg ausgewirkt und zu einem abweichenden Ratingergebnis geführt hat. Allein ein solcher, in Gestalt des veröffentlichten Ratings „sichtbarer“ Pflichtverletzungserfolg ist im Übrigen geeignet, zu einem Schaden des Emittenten zu führen. Ob eine einzelne Pflichtverletzung innerhalb des Ratingprozesses das Ratingergebnis zum einen überhaupt und zum anderen in negativer Weise beeinflusst hat, wird freilich für den Emittenten schwer festzustellen sein, schon weil die Rating-Agenturen keine Einzelheiten des Ratingvorgangs offen legen.141 Die bereits im Zusammenhang mit dem Kriterium der Pflichtverletzung behandelte Unmöglichkeit der Bestimmung der „Richtigkeit“ einer Bonitätsbeurteilung142 kehrt hier im Mantel der Kausalität wieder und steht einer Haftung der Rating-Agentur erneut entgegen. Das beschriebene Kausalitätserfordernis muss allein dort nicht erfüllt sein, wo es um die Pflicht zum Unterlassen einer Erstratingpublikation bei fehlender Zustimmung des Emittenten143 oder um die Verschwiegenheitspflicht geht, weil diese Pflichteninhalte nicht auf den Inhalt der Ratingpublikation ausgerichtet sind.
c) Beweislast für die Pflichtverletzung Im Streitfall ist es Sache des klagenden Emittenten, die Pflichtverletzung der Rating-Agentur – also die Mangelhaftigkeit des Ratingergebnisses144 oder die Verletzung von ratingspezifischen Verhaltenspflichten einschließlich deren Kausalität für das konkrete Ratingergebnis145 – darzulegen und zu beweisen. Dies verlangt das deutsche Recht146 ebenso wie das schweizerische147 und U.S.-ameri137 Blaurock, ZGR 2007, 603, 629; Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 76; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 201; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 882. 138 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 101; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 412. 139 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 533 (6th Cir. 2007). 140 Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 110 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004): „What it [d.h. der Emittent] was paying for was their [der Rating-Agenturen] opinion as to the bonds’ worthiness.“ 141 Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 883; Volk, ZBB 2005, 273, 281. 142 Siehe oben I 2 a). 143 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 102; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 154. 144 Siehe oben I 2 a). 145 Siehe oben I 2 b). 146 Arntz, BKR 2012, 89, 94; Blaurock, ZGR 2007, 603, 629; Göres, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 32 Rn. 50; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 204 f.; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 102. 147 Art. 8 ZGB.
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kanische Recht.148 Die hierzu erforderliche Beweisführung wird dem Emittenten jedoch regelmäßig unmöglich sein,149 weil die „Unrichtigkeit“ einer Ratingeinstufung zum Zeitpunkt ihrer Vornahme schon aufgrund der Natur einer subjektiven Bonitätsbeurteilung praktisch unbeweisbar ist – insbesondere der Nachweis einer später andauernden Zahlungsfähigkeit sagt nichts über die Lage zum Ratingzeitpunkt aus150 – und das konkrete Beurteilungsverfahren von ihm nicht eingesehen werden kann.151 Eine Beweiserleichterung oder gar Beweislastumkehr kommt hier gleichwohl nicht in Frage,152 weil die Rating-Agenturen in diesem Fall auf den bloßen Verdacht einer Pflichtverletzung hin ihre Ratingmethoden offen legen müssten, die als wesentliche Betriebsgeheimnisse schützenswert sind. Hierin läge ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundlagen ihres Geschäftsmodells, das dem Emittenten bei Vertragsschluss ja bekannt war.153 d) Kenntnisnahme des Emittenten vom Erstrating vor dessen Veröffentlichung und Folgen für die Haftung (volenti non fit iniuria) Selbst in den Fällen, in denen dem Emittenten der Beweis einer Pflichtverletzung gelingt, wird eine Haftung regelmäßig scheitern, sofern die geltend gemachten Schäden durch die Veröffentlichung eines Erstratings verursacht wurden: In diesem Fall sehen die gängigen Ratingverträge nämlich ein Widerspruchsrecht des Emittenten vor,154 durch dessen Ausübung er die Publikation des Ratings hätte verhindern können. Entsprechendes gilt auch für Schäden durch unzutreffende Tatsachenangaben in Ratingberichten zu Erst- und auch Folgeratings, weil dem Emittenten insoweit eine Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt wird, mittels derer er die Rating-Agentur vor der Veröffentlichung auf die Falschangaben aufmerksam machen kann. Entsprechende Abreden in Ratingverträgen stellen den Marktstandard dar; sie werden in der Praxis anscheinend aber auch dort angewandt, wo sie nicht ausdrücklich vereinbart wurden.155 Macht der Emittent von seinem Widerspruchs- oder Stellungnahmerecht insoweit keinen Gebrauch und lässt er die Publikation des seiner Meinung nach vertragswidrigen Ratings zu, so scheidet eine vertragsrechtliche Schadensersatzpflicht der Rating-Agentur aus. Dies ergibt sich im deutschen Recht aus 148 Diese Beweislastverteilung folgt hier wiederum unmittelbar aus dem „actual malice“-Standard, der nur vom Kläger als falsch bewiesene Tatsachenäußerungen zur Haftungsbegründung ausreichen lässt; vgl. dazu bereits oben I 2 b) bb) (1). 149 Arntz, BKR 2012, 89, 94 f.; Blaurock, ZGR 2007, 603, 628 f. 150 Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 102. 151 Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 102. 152 Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 204 f.; Vetter, WM 2004, 1701, 1706; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 102. A.A. zum deutschen Recht Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 414; zum schweizerischen Recht Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 432 (für Anwendung des § 13a Abs. 1 UWG). 153 Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 204 f. 154 Siehe § 25 VI 2 (dort auch zur Rechtslage nach den Vertragsrechten der hier untersuchten Rechtsordnungen). 155 Siehe schon § 25 VI 1.
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§ 640 Abs. 2 BGB, weil der Emittent in diesem Fall den Werkmangel kennt,156 im schweizerischen Recht aus § 370 Abs. 1 OR und im U.S.-amerikanischen Recht aus dem allgemeinen Grundsatz volenti non fit iniuria,157 der auch den vorstehend genannten Gesetzesnormen zugrunde liegt. Ohne Folgen bleibt der angesprochene Aspekt freilich bei der (praktisch bedeutsameren) Haftung für Schäden, die durch Folgeratings verursacht werden,158 weil hier ein Widerspruchsrecht des Emittenten nicht besteht.159
3. Verschulden der Rating-Agentur Eine vertragliche Haftung setzt in allen hier untersuchten Rechtsordnungen zudem ein Verschulden der Rating-Agentur voraus. Zwar steht es der Rating-Agentur theoretisch offen, eine vertragliche Garantie für die „Richtigkeit“ ihres Ratings zu übernehmen und damit verschuldensunabhängig für diese einzustehen; in der Praxis kommt dies jedoch aus nahe liegenden Gründen nicht vor.160 Gesetzlicher Verschuldensmaßstab und diesbezügliche Beweisanforderungen sind dann allerdings ganz unterschiedlich ausgestaltet: a) Deutsches und Schweizer Recht: Vermutete Fahrlässigkeit Vergleichsweise geringe Anforderungen stellen das deutsche und das schweizerische Recht, die einfache Fahrlässigkeit der Rating-Agentur genügen lassen161 und zudem eine Verschuldensvermutung kennen,162 durch welche andernfalls drohende Beweisschwierigkeiten163 entschärft werden. Die praktische Spitze liegt hier ganz auf Zulässigkeit und Folgen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -beschränkungen, die häufig die Verschuldensanforderungen privatautonom anzuheben versuchen.164 In den Fällen, in denen der Emittent durch Vorlage unzutreffender oder unvollständiger Unterlagen zum fehlerhaften Ratingergebnis beigetragen hat, muss er sich im Übrigen ein Mitverschulden anlasten lassen.165 156 A.A. Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 37; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 7 f.; Mühl, Haftung für Ratings, Rn. 119. 157 Siehe dazu noch unter III 3. 158 Insoweit zutreffend Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 8. 159 Siehe § 25 VI 2. 160 Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 425; anders, aber abwegig Fiala/Kohrs/Leuschner, VersR 2005, 742, 745. 161 Zum deutschen Recht (§ 276 Abs. 1 BGB) Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 8; zum schweizerischen Recht (Art. 99 Abs. 1 OR) Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 73. 162 Im deutschen Recht § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB (zum Rating etwa Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 48); im schweizerischen Recht Art. 97 Abs. 1 OR. 163 Rechtsvergleichend Blaurock, ZGR 2007, 603, 629. 164 Siehe noch unter 4 a), b). 165 Zum deutschen Recht (§ 254 Abs. 1 BGB) Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 11; Mühl, Haftung für Ratings, Rn. 129; zum schweizerischen Recht (Artt. 99 Abs. 3, 44 Abs. 1 OR) Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 153.
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b) U.S.-amerikanisches Recht: „Actual malice“-Verschuldensmaßstab auch bei vertraglicher Haftung Demgegenüber ist das U.S.-amerikanische Recht deutlich strenger: Da, wie im Text166 ausgeführt, der „actual malice“-Standard nach überwiegender Ansicht auch auf vertragliche Haftungsansprüche Anwendung findet und damit ein erhöhter Verschuldensmaßstab einschlägig ist,167 muss der Emittent nicht nur ein vorsätzliches oder in gröbster Weise fahrlässiges Handeln der Rating-Agentur darlegen (einfache oder grobe Fahrlässigkeit genügen nicht168), sondern dies auch beweisen.169
4. Vertragliche Haftungsbeschränkungen zugunsten der Rating-Agentur Finden sich im Ratingvertrag ein vertraglicher Haftungsausschluss oder Haftungsbeschränkungen zugunsten der Rating-Agentur,170 so stellt sich schließlich die Frage nach deren Wirksamkeit. a) Deutsches Recht Ist – wie allerdings wohl nur selten – deutsches Recht anwendbar, so ist eine Haftungsbeschränkungs- oder ausschlussklausel dann gemäß § 276 Abs. 3 BGB171 und § 307 Abs. 1 BGB172 unwirksam, wenn sie auch die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit erfassen soll. Infolge des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion173 bezieht sich die Unwirksamkeit in diesem Fall auf die gesamte Klausel, also auch einen darin etwaig enthaltenen Haftungsausschluss für fahrlässiges Handeln.174 Im deutschen Schrifttum wird die Unwirksamkeit von Haftungsausschlüssen für bloße Fahrlässigkeit zudem dann angenommen, wenn diese sich inhaltlich auch auf Kardinalpflichten175 der Rating-Agenturen erstre166
Oben I 2 b) bb) (1). Nach Hustler Magazine v. Falwell, 24.2.1988, 485 U.S. 46, 52, 108 S.Ct. 876 (1988) definiert der „actual malice“-Standard insoweit „the requisite level of culpability“; ebenso Dobbs, Law of Torts, § 417: „constitutional fault requirement“. 168 County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 158 (C.D.Cal. 1999); Dobbs, Law of Torts, § 419; Teeter/Loving, Law of Mass Communications, S. 272. 169 Siehe zu den diesbezüglichen Anforderungen § 21 II 2 c). 170 Entsprechende Freizeichnungsklauseln werden im Schrifttum verbreitet als gängig eingestuft; vgl. Eisen, Haftung und Regulierung, S. 258 f.; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 882. 171 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 10; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 49; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 203; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 883; Niedostadek, Rating, Rn. 229; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 203; Vetter, WM 2004, 1701, 1707, Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 102. 172 Däubler, BB 2003, 429, 434; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 203 f. 173 BGH, 21.1.1999, NJW 1999, 1031, 1032; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 53. 174 Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 884. 175 Vgl. zur Kardinalpflichten-Rechtsprechung des BGH statt aller Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 35. 167
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cken (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).176 Bei der danach entscheidenden Bestimmung der Kardinalpflichten, deren Kreis wegen der Experten- und Vertrauensstellung der Rating-Agenturen tendenziell weit zu ziehen sein soll,177 kehren sodann in anderem Gewand die Unsicherheiten wieder, die im Text178 schon bei Herausarbeitung der haftungsbegründenden Pflichtverletzungen aufgezeigt wurden. Dementsprechend wird in der Literatur vergleichsweise unbestimmt auf die sorgfältige Erstellung der Bonitätsbewertung179 oder die wesentlichen Verfahrensgrundsätze180 verwiesen, während es nach hier vertretener Auffassung nur um die Auslegung des Verhaltenskodex gehen kann, der in concreto (im Wege der ergänzenden Vertragsinterpretation) als Bestandteil des Ratingvertrages angesehen wird. Folgt man dem referierten Ansatz, so sind Haftungsausschlüsse nach deutschem Recht an vergleichsweise strengen Maßstäben zu messen. b) Schweizerisches und Hongkonger Recht Nach schweizerischem Recht ist eine Abbedingung der Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ebenfalls unzulässig (Art. 100 Abs. 1 OR), ohne dass die Unwirksamkeit einer dagegen verstoßenden Haftungsbeschränkung sich jedoch auf die gesamte Klausel erstreckt;181 ein Haftungsausschluss für Fahrlässigkeit der Rating-Agentur bliebe daher erhalten und ist aus schweizerischer Sicht wirksam.182 Ob eine Freizeichnung auch deshalb unwirksam sein kann, weil ein Haftungsausschluss für unsorgfältiges Tätigwerden der Rating-Agentur der Natur des (Auftragsrecht183 unterliegenden) Geschäftes widerspricht,184 wird in der Schweiz bislang streitig diskutiert und ist unsicher.185 Das Hongkonger Recht unterwirft vertragliche Haftungsausschlussklauseln in der Control of Exemption Clauses Ordinance186 einer tendenziell strengeren 176 Arntz, BKR 2012, 89, 92 f.; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 69; Fiala/Kohrs/Leuschner, VersR 2005, 742, 744 f.; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 49; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 204; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 884; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 21; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 203; Vetter, WM 2004, 1701, 1707. 177 Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 203. 178 Oben I 2 b). 179 So Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 69; Mühl, Haftung für Ratings, Rn. 124; ähnlich Fiala/Kohrs/Leuschner, VersR 2005, 742, 744 f. 180 So Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 204¸ Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 884. 181 Bucher, OR AT, S. 348; CHK/Furrer/Wey, Art. 100 OR Anm. 18; Weber, in Berner Komm., Art. 100 OR Rn. 156: bloße Teilnichtigkeit; Wiegand, in Basler Komm., Art. 100 OR Rn. 4; a.A. Schwenzer, OR AT, Rn. 24.08. 182 Darbellay, Regulating Ratings, S. 73; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 154; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 641. 183 Siehe dazu bereits oben unter I 1 a). 184 Vgl. zu entsprechenden Ansätzen im schweizerischen Schrifttum Gautschi, in Berner Komm., Art. 395 OR Rn. 73; Schwenzer, OR AT, Rn. 24.07; Wiegand, in Basler Komm., Art. 100 OR Rn. 6. 185 Vgl. Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 69; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 642 ff. 186 Cap. 71. Siehe zu diesem Kontrollgesetz Hall, Law of Contract in Hong Kong, S. 550 ff.
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Kontrolle als das Schweizer Recht, weil nach diesem Gesetz auch die Fahrlässigkeitshaftung nur eingeschränkt werden kann, soweit dies „angemessen“ (reasonable) ist187 – ein Maßstab, bei dessen Konkretisierung den Hongkonger Gerichten sodann ein erheblicher Spielraum verbleibt,188 dessen Nutzung mit Blick auf Ratingverträge noch nicht diskutiert worden ist. c) U.S.-amerikanisches (New Yorker) Recht Unter dem U.S.-amerikanischen Recht – dem Ratingverträge, wie bereits festgestellt,189 in Gestalt des New Yorker Rechts im praktischen Regelfall unterliegen werden – hat die rechtliche Wirksamkeit von Haftungsausschlüssen in Ratingverträgen bislang keine nachweisbare Rolle gespielt. Dieser auf den ersten Blick überraschende Befund dürfte seinen Grund darin finden, dass im U.S.-amerikanischen Recht der Institutionsschutz durch das First Amendment die Haftung der Rating-Agenturen schon von Verfassungs wegen entscheidend einschränkt.190 Da die Schutzwirkung des First Amendment dabei die aus einem Ratingvertrag erwachsende Haftung durch hohe Anforderungen an die Annahme stillschweigend vereinbarter Pflichteninhalte191 und das subjektive Fehlverhalten der Rating-Agentur (actual malice-Erfordernis)192 von vornherein erheblich begrenzt, kommt es auf vertragliche Haftungsbeschränkungen schlicht nicht mehr an; deren aus anderen Rechtsordnungen bekannte Rolle wird hier funktional bereits durch zwingendes Verfassungsrecht wahrgenommen. Einfachgesetzliche Grenzen für die Wirksamkeit von Haftungsausschlüssen könnten daher theoretisch Relevanz erlangen, wenn der Anwendungsbereich des First Amendment in concreto nicht eröffnet ist, wie dies vor allem bei Ratingverträgen über die Erstellung „privater“ Ratings der Fall sein kann.193 Daneben mag die einfachrechtliche Wirksamkeitsfrage zu klären sein, sofern ein klagender Emittent die Erfüllung der durch das First Amendment beeinflussten Haftungsvoraussetzungen ausnahmsweise einmal dargelegt und bewiesen hat, sodass der zusätzliche Haftungsschild einer Freizeichnungsklausel ins Blickfeld rückt. Jedenfalls in letzterem Fall würde deren Wirksamkeit nach New Yorker Recht jedoch scheitern, weil dieses eine Freizeichnung für durch willful misconduct oder gross negligence verursachte Schäden nicht zulässt194 und diese Hürde unterhalb 187
§ 7(2) Control of Exemption Clauses Ordinance. Fisher/Greenwood, Contract Law in Hong Kong, S. 203; Hall, Law of Contract in Hong Kong, S. 556. 189 Siehe oben I 1 b) sowie § 26 III. 190 Siehe dazu § 21 II 2 c). 191 Oben unter I 2 b) bb) (1). 192 Oben unter I 3 b). 193 Dazu § 21 II 1 b) bb). 194 Kalisch-Jarcho, Inc. v. City of New York, 29.3.1983, 448 N.E.2d 413, 416 (N.Y. 1983); Metropolitan Life Ins. v. Noble Lowndes Intern., 25.10.1994, 643 N.E.2d 504, 509 (N.Y. 1994); § 195(1) Restatement (Second) of Contracts (1981): „A term exempting a party from tort liability for harm caused intentionally or recklessly is unenforceable on grounds of public policy.“ 188
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der actual malice-Schwelle liegt, die in einer solchen Konstellation ja überschritten sein müsste. An der Wirksamkeit eines Haftungsausschlusses für einfache Fahrlässigkeit besteht demgegenüber nach New Yorker Recht kein Zweifel,195 weil die Rechtsprechung die darin zum Ausdruck kommende Verteilung des wirtschaftlichen Risikos respektiert;196 die vertragliche Haftung für „private“ Ratings kann folglich entsprechend eingeschränkt werden.
5. Ergebnis Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine vertragliche Haftung von RatingAgenturen gegenüber beauftragenden Emittenten nur in seltenen Ausnahmefällen herzuleiten sein wird.197 Dies hat seinen Grund zunächst unabhängig vom anwendbaren Recht darin, dass eine Haftung nicht auf die Veröffentlichung eines „falschen“ Ratings gestützt werden kann, weil sich Ratings zum relevanten Zeitpunkt ihrer Publikation nicht als richtig oder falsch einordnen lassen.198 Darüber hinaus differieren die Rechtsordnungen in ihren entscheidenden Weichenstellungen ganz erheblich: Nach deutschem oder schweizerischem Recht kommt als haftungsbegründende Pflichtverletzung allenfalls ein Verstoß gegen den Verhaltenskodex der einzelnen Rating-Agentur in Frage, dessen Inhalt unter dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung als Inhalt des Ratingvertrages anzusehen ist.199 Erhebliche Schwierigkeiten werfen hier sodann die erforderliche Kausalität der Verfahrenspflichtverletzung für das Ratingergebnis200 sowie Beweislastfragen201 auf. Nach U.S.-amerikanischem (genauer: New Yorker) Recht, das in der Praxis im Regelfall das anwendbare Sachrecht sein wird,202 dürfte einem Rückgriff auf Codes of Conduct im Wege der Vertragsinterpretation hingegen die institutionsschützende Wirkung des First Amendment im Wege stehen,203 sodass es hier bereits an einem tauglichen Ansatzpunkt für eine Vertragshaftung fehlt; in Gestalt seines actual malice-Erfordernisses errichtet der Institutionsschutz schließlich auch auf der Verschuldensebene entscheidende Hürden.204 Im Ergebnis führt in Deutschland und der Schweiz somit das einfache Vertragsrecht,
195 Kalisch-Jarcho, Inc. v. City of New York, 29.3.1983, 448 N.E.2d 413, 416 (N.Y. 1983); Metropolitan Life Ins. v. Noble Lowndes Intern., 25.10.1994, 643 N.E.2d 504, 507 (N.Y. 1994); Sommer v. Federal Signal Corp., 12.5.1992, 593 N.E.2d 1365, 1370 (N.Y. 1992). 196 Metropolitan Life Ins. v. Noble Lowndes Intern., 25.10.1994, 643 N.E.2d 504, 507 (N.Y. 1994). 197 A.A. Dutta, IPRax 2014, 33, 35, der hinsichtlich einer Haftung in dieser Konstellation kaum grundsätzliche Probleme erkennen will. 198 Dazu I 2 a) bb). 199 Oben I 2 b) bb) (2) (c). 200 Oben I 2 b) cc). 201 Oben I 2 c). 202 Siehe zur kollisionsrechtlichen Anknüpfung oben I 1 b). 203 Siehe oben I 2 b) bb) (1). 204 Dazu I 3 b).
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in den U.S.A. dagegen der Einfluss des Verfassungsrechts dazu, dass die Inanspruchnahme einer beauftragten Rating-Agentur auf vertraglicher Grundlage als kaum aussichtsreich erscheint.
II. Haftung der Rating-Agentur wegen fraudulösen Verhaltens Unabhängig von dem Ratingvertrag und dessen Inhalt ist eine Haftung der Rating-Agentur dann zu bejahen, wenn ihr fraudulöses Verhalten vorgeworfen werden kann, sie also vorsätzlich ein Rating oder einen Ratingbericht veröffentlicht hat, dessen Inhalt von der ihrer Ansicht nach zutreffenden Bonitätseinstufung abweicht.205 In allen hier untersuchten Rechtsordnungen kann ein solches Verhalten als Grundlage eines deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruches des Emittenten dienen.206 Freilich ist ebenso klar, dass Rating-Agenturen in der Praxis selten oder nie Anlass zu einem solchen vorsätzlich emittentenschädigenden Verhalten haben werden,207 obgleich im Schrifttum colorandi causa die bewusste Schädigung eines unangenehmen Kritikers oder des Konkurrenten einer „befreundeten“ Firma208 genannt wird. Sollte ein solch ungewöhnlicher Fall tatsächlich einmal vorkommen, so hätte der Emittent zudem nach deutschem,209 schweizerischem,210 U.S.-amerikanischem211 und Hongkonger212 Recht übereinstimmend sowohl das objektive Fehlverhalten als auch den Vorsatz bzw. eine diesem nahe kommende, subjektive Nachlässigkeit zu beweisen – eine Voraussetzung, die zur praktischen Entwertung dieser Haftungskategorie führt, wie im deutschen Recht etwa die Erfahrungen zu § 826 BGB in Informationshaftungskonstellationen belegen.213
205 Däubler, BB 2003, 429, 431; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 10; Frankel, Securitization, § 9.19; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 32 Rn. 53; Niedostadek, Rating, Rn. 234. 206 Nach deutschem Recht gemäß § 826 BGB; nach schweizerischem Recht gemäß Art. 41 Abs. 2 OR; nach U.S.-amerikanischem Recht gemäß § 10(b) Securities Exchange Act of 1934 i.V.m. Rule 10b-5 oder als common law fraud (§ 525 Restatement (Second) of Torts); nach Hongkonger Recht wegen malicious falsehood (vgl. Hong Kong Wing On Travel Service Ltd v. Hong Thai Citizens Travel Services Ltd, 25.5.2001, [2001] 2 HKLRD 481). 207 Frankel, Securitization, § 9.19; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 415 Fn. 21; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 353. Deutlich niedrigere Anforderungen an ein vorsätzliches Handeln von Rating-Agenturen formuliert dagegen Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 477 f. 208 So Däubler, BB 2003, 429, 431. 209 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 10; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 51; allgemein Palandt/Sprau, § 826 Rn. 18. 210 Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 156. 211 Ellsworth/Porapaiboon, 18 Bus. L. Today (March/April 2009), 35, 38. Siehe zur durch den Dodd–Frank Act erfolgten Senkung der Substantiierungsanforderungen bei Klagen gegen RatingAgenturen nach Rule 10b–5 unter dem Securities Exchance Act noch § 30 III 2 b). 212 Clark, in: Bokhary, Tort Law and Practice in Hong Kong, Rn. 21.009. 213 Statt vieler Ott, in FS H.-B. Schäfer (2008), S. 171, 185 ff.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
III. Haftung der Rating-Agentur aufgrund fahrlässiger Ruf- oder Vermögensschädigung Von vornherein aussichtsreicher ist daher ein (bloßer) Fahrlässigkeitsvorwurf und die Geltendmachung einer darauf beruhenden außervertraglichen Haftung der Rating-Agentur. Eine Haftung nach Deliktsrecht (oder, nach schweizerischer Diktion: außervertraglichem Haftpflichtrecht214) kommt dabei jedenfalls im Grundsatz sowohl nach deutschem,215 schweizerischem216 U.S.-amerikanischem wie auch Hongkonger217 Recht trotz der zwischen Rating-Agentur und beauftragendem Emittent bestehenden vertraglichen Sonderverbindung in Frage; alle hier untersuchten Rechtsordnungen folgen also dem Prinzip der materiellrechtlichen Anspruchskonkurrenz zwischen vertraglicher und außervertraglicher Haftung.218 In kollisionsrechtlicher Hinsicht werden deliktische Ansprüche bei Bestehen eines konkurrierenden Vertragsverhältnisses dabei fast einheitlich im Wege einer „akzessorischen“ Anknüpfung der lex causae unterstellt,219 hier also dem auf den Ratingvertrag anwendbaren Recht. Eine deliktsrechtliche Fahrlässigkeitshaftung der Rating-Agentur kann dabei im Wesentlichen an zwei unterschiedlichen haftungsbegründenden Tatbeständen ansetzen, nämlich zum einen einer durch die Ratingveröffentlichung verursachten Schädigung des Rufes des Emittenten220 und zum anderen der Beeinträchtigung des Emittentenvermögens, namentlich durch erhöhte Finanzierungskosten.221 Unabhängig von ihrem rechtlichen Ansatzpunkt wird sich jede Schadensersatzforderung des Emittenten dabei dem Einwand ausgesetzt sehen, er selbst 214
Vgl. zu den terminologischen Unterschieden CHK/Ch. Müller, Art. 41 OR Anm. 2. Allgemein BGH, 24.11.1976, BGHZ 67, 359, 362 f. („Schwimmschalter“); spezifisch zur Ratinghaftung Oellinger, Haftung für Ratings, S. 96. 216 BGer, 28.4.1987, BGE 113 II 246, 247 E. 3; CHK/Ch. Müller, Art. 41 OR Anm. 3; Gauch/ Schluep/Emmenegger, OR AT, Rn. 2938; Heierli/Schnyder, in Basler Komm., Art. 41 OR Rn. 2. 217 Thomsen v. Johnson Burglar Alarms Co Ltd, 12.10.2001, [2001] HKLRD 571 Tz. 17; Tung, in: Bokhary, Tort Law and Practice in Hong Kong, Rn. 7.013. Dasselbe gilt nach englischem Recht; vgl. nur Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 11–21. 218 Die gegenteilige Haltung nimmt heute etwa noch das französische Recht mit seinem Grundsatz des non-cumul ein; vgl. Cass. Civ. 2e, 9.6.1993, Bull. civ., II, Nr. 204: „L’article 1382 du Code civil est inapplicable à la réparation d’un dommage se rattachant à l’exécution d’un engagement contractuel.“ Grundlegend zu diesem Fragenkreis Schlechtriem, Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, S. 437 ff. Gerade in Bezug auf die Haftung von Rating-Agenturen sieht das neueste französische Recht allerdings eine Ausnahme vom Prinzip des non-cumul vor; siehe näher dazu sogleich im Text. 219 So nach EU-Kollisionsrecht Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Rom II-VO; für (gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom II-VO unionskollisionsrechtlich nicht geregelte) Ansprüche aus Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts „including defamation“ ebenso das deutsche IPR in Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB; nach schweizerischem Kollisionsrecht Art. 133 Abs. 3 IPRG; nach U.S.-amerikanischem IPR § 149 a.E. Restatement (Second) of Conflict of Laws (1971). In der Hongkonger Rechtsprechung kommt eine akzessorische Anknüpfung ebenfalls häufig vor; vgl. Johnston/Holt/Mason, in Chitty on Contracts – Hong Kong Specific Contracts, Rn. 15–010. 220 Sogleich unter 1. 221 Sogleich unter 2. 215
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habe der Ratingpublikation durch Erteilung des Ratingauftrages zugestimmt (volenti non fit iniuria).222 Das französische Recht sieht seit 2011 zudem eine ungewöhnliche spezialgesetzliche Haftungsnorm vor, die Rating-Agenturen einer „deliktischen und quasi-deliktischen“ Verantwortlichkeit für Schäden unterwirft, die deren Kunden oder Dritten infolge der Nichterfüllung von in der EG-RatingVO angeordneten aufsichtsrechtlichen Pflichten entstanden sind.223 Eine ganz ähnliche Haftungsgrundlage enthält seit ihrer Änderung im Jahre 2013 auch die EG-RatingVO selbst; auf sie wird im Text224 noch näher einzugehen sein.
1. Grundlagen einer deliktischen Haftung der Rating-Agentur aufgrund fahrlässiger Rufschädigung Die Haftung für eine unerlaubte Schädigung des Rufes des Emittenten ist Ausdruck des Schutzes seiner sozialen Wertgeltung, und nicht lediglich seines Vermögens. Entsprechende Haftungstatbestände, die nahezu jede Rechtsordnung vorsieht,225 bezwecken vorrangig den Schutz der Ehre oder der Persönlichkeit oder stehen diesbezüglichen Normzwecken zumindest nahe, weil ein Ehr- und Persönlichkeitsschutz historisch zunächst allein natürlichen Personen zukam und auf Wirtschaftsunternehmen erst später sowie häufig nur in bestimmten Ausprägungen erstreckt wurde.226 Ein (beweisbarer) Vermögensschaden wird daher nicht notwendigerweise vorausgesetzt; vielfach spielen vor allem Unterlassungsansprüche227 eine maßgebliche Rolle. Dass ein negatives Rating, welches eine schlechte (oder verschlechterte) Kreditwürdigkeit signalisiert, den Ruf des beurteilten Unternehmens beeinträchtigen kann,228 ist als tatsächlicher Befund wohl unstreitig. Es entspricht dabei dem vielfach zu verzeichnenden Missverständnis von Ratings als „allgemeinen Gütesiegeln“,229 dass in einer Ratingherabstufung nicht nur eine veränderte Bonitätseinschätzung, sondern ein negatives Werturteil über das Unternehmen im Allgemeinen erblickt wird. Einen plastischen Ausdruck findet dies etwa darin, dass 222
Siehe unter 3. Art. L. 544–5 Abs. 1 Code monétaire et financier lautet: „Les agences de notation de crédit mentionnées à l’article L. 544–4 engagent leur responsabilité délictuelle et quasi délictuelle, tant à l’égard de leurs clients que des tiers, des conséquences dommageables des fautes et manquements par elles commis dans la mise en œuvre des obligations définies dans le règlement (CE) n° 1060/ 2009 du Parlement européen et du Conseil, du 16 septembre 2009, précité.“ Die Vorschrift ist seit dem 1. Januar 2011 in Kraft. 224 Siehe unter IV. 225 Vgl. Carter/Franklin/Wright, First Amendment, S. 85: „Harm to reputation is one of the earliest injuries recognized by virtually every legal system.“ 226 Vgl. zum deutschen Recht BGH, 26.6.1981, BGHZ 81, 75, 78 („Carrera“); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 80 IV 1 a. 227 Vgl. Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 32 Rn. 55. 228 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 71; Niedostadek, Rating, Rn. 232. 229 Siehe § 17 III 1. 223
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vom „investment grade“- in den „non-investment grade“-Bereich herabgestufte Emittenten verbreitet als „gefallene Engel“ (fallen angels) bezeichnet werden.230 a) U.S.-amerikanisches Recht: Haftung der Rating-Agentur nach dem law of defamation Nach U.S.-amerikanischem Recht kommt eine Inanspruchnahme der RatingAgentur auf Grundlage des law of defamation in Frage, sofern der Ruf des Emittenten durch eine Ratingveröffentlichung beeinträchtigt wurde. Das öffentliche Anzweifeln der Zahlungsfähigkeit von Bürgern oder Unternehmen231 ist sogar eine der klassischen Fallgruppen, in denen Äußerungen rufschädigend (defamatory) sein können.232 Die insoweit einschlägigen Haftungsregeln sind nicht Bestandteil des Bundesrechts, sondern des Rechts der einzelnen U.S.-Gliedstaaten und daher unterschiedlich ausgestaltet; die Entstehung des law of defamation als Teil des hergebrachten Common Law (mit seiner Dichotomie von libel und slander)233 bewirkt aber eine gewisse Einheitlichkeit. Im Übrigen wird das einfachgesetzliche Recht in diesem Bereich in besonderem Maße durch die Vorgaben des Verfassungsrechts seit der Entscheidung des Supreme Court in New York Times v. Sullivan überlagert, deren institutionsschützende Wirkung für Presseunternehmen bereits dargestellt wurde.234 Obgleich die hierbei herausgearbeiteten Vorgaben des First Amendment unabhängig von dem geltend gemachten Anspruchsgrund eingreifen,235 wirken sie sich nämlich bei Zivilklagen wegen defamation am weitaus häufigsten aus.236 Nichts anderes gilt für Ansprüche gegen Rating-Agenturen, deren Haftung für Rufschädigungen daher durch ein Zusammenspiel von Delikts- und Verfassungsrecht bestimmt wird. Dieses Zusammenspiel zeigt sich schon bei der ersten Haftungsvoraussetzung, nämlich dem Vorliegen einer falschen Tatsachenäußerung: So eröffnet das law of defamation eine Haftung zwar vorrangig bei unrichtigen und ehrverletzenden (false and defamatory) Tatsachenäußerungen,237 lässt eine solche jedoch daneben 230
Leuering, Praxisprobleme der Ad-hoc-Mitteilungspflicht, S. 171, 186; Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 48. 231 Es ist anerkannt, dass das U.S.-amerikanische law of defamation nicht nur den Ruf natürlicher Personen, sondern auch von Unternehmen (corporations) schützt; vgl. Carter/Franklin/ Wright, First Amendment, S. 88; Dobbs, Law of Torts, § 407. 232 Woodling v. Knickerbocker, 28.11.1883, 17 N.W. 387 (Minn. 1883); Thompson v. Adelberg & Berman, Inc., 1.10.1918, 205 S.W. 558 (Ky. 1918). Siehe Harper, James & Gray on Torts, § 5.2 m. zahlr. Nachw. aus der älteren Rechtsprechung. 233 Vgl. Harper, James & Gray on Torts, § 5.0. 234 Siehe § 21 II. 235 Dazu allgemein § 21 II 2 c) ee); zur Auswirkung des verfassungsrechtlichen Institutionsschutzes auf die vertragliche Haftung der Rating-Agentur bereits oben unter I 2 b) bb) (1). 236 Nach Harper, James & Gray on Torts, § 5.0 hat das tort of defamation infolge der Vorgaben des First Amendment „revolutionary changes“ erfahren; Prosser, Wade & Schwartz’s Torts, S. 830: „the decisions under the First Amendment have produced numerous changes in the law of defamation, some of them very far ranging in effect.“ 237 § 558, 565 Restatement (Second) of Torts.
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auch bei bestimmten rufschädigenden Meinungsäußerungen (expressions of opinion) zu,238 obgleich diese einem Beweis der Unrichtigkeit nicht zugänglich sind. Die institutionsschützenden Vorgaben des First Amendment beschränken jede Haftung hingegen von vornherein auf nachweisbar falsche Äußerungen239 und bewirken damit, dass eine bloße Meinung auch dann nicht zu Schadensersatzansprüchen wegen defamation führen kann, wenn ihr Inhalt im konkreten Fall rufbeeinträchtigend sein mag.240 Ratings sind in der Rechtsprechung insoweit als subjektive Meinungen qualifiziert worden, die zudem Prognosecharakter besitzen und folglich nicht als falsch bewiesen werden können.241 Eine Haftung für Ratings nach dem law of defamation scheidet daher aus. Dies heißt freilich nicht, dass Rating-Agenturen auf dieser Grundlage nie haftbar sein können: Ein Schadensersatzanspruch des Emittenten ist nicht per se ausgeschlossen, sofern die Rufschädigung ausnahmsweise doch aus einer falschen Tatsachenäußerung der Agentur und nicht dem Ratingkürzel resultiert. In der Vergangenheit ist dies bei Klagen relevant geworden, die auf Presseerklärungen zu Ratingänderungen gestützt wurden, in denen die Rating-Agentur Angaben zur finanziellen Situation des Emittenten (Gesamthöhe der ausstehenden Verbindlichkeiten und bestehender Liquiditätsfazilitäten) gemacht hatte.242 Die praktische Bedeutung entsprechender Konstellationen ist aber vergleichsweise gering, weil Nachteile für Emittenten fast immer aus der Bonitätsbeurteilung im engeren Sinne, also dem Rating selbst resultieren. Selbst wo dies einmal anders liegt, wird eine Haftung der Rating-Agentur dadurch erschwert, dass auch hier das institutionsschützende „actual malice“-Erfordernis eingreift: Obgleich eine defamation nach dem Common Law nämlich keinerlei Verschulden voraussetzt,243 wird das Deliktsrecht insoweit von den Vorgaben des First Amendment überlagert und damit um den „actual malice“-Verschuldensmaßstab ergänzt.244 Rating-Agenturen haften dem Emittenten gegenüber daher nur für falsche, rufschädigende Tatsachenangaben, deren Unrichtigkeit ihr nachweislich bekannt
238
§ 566 Restatement (Second) of Torts. Siehe § 21 II 2 c) bb). 240 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 529 (6th Cir. 2007): „a viable defamation claim exists only where a reasonable factfinder could conclude that the challenged statement connotes actual, objectively verifiable facts“. 241 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 529 (6th Cir. 2007): „A Moody’s credit rating is a predictive opinion, dependent on a subjective and discretionary weighing of complex factors. We find no basis upon which we could conclude that the credit rating itself communicates any provably false factual connotation. Even if we could draw any factbased inferences from this rating, such inferences could not be proven false because of the inherently subjective nature of Moody’s ratings calculation.“ 242 So in Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 26.5.2005, 371 F.Supp.2d 898, 900 (E.D.Mich. 2005). 243 Dobbs, Law of Torts, § 401; Harper, James & Gray on Torts, § 5.5. 244 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 525 ff. (6th Cir. 2007); Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.4.1997, 988 F.Supp 1341, 1345 (D.Colo. 1997). 239
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war oder der sie sich bewusst verschlossen hat.245 Eine bloße Fahrlässigkeitshaftung scheidet nach U.S.-amerikanischem Recht dagegen aus. b) Deutsches und Schweizer Recht Auch in Deutschland und in der Schweiz wird der Ruf von Unternehmen deliktsrechtlich geschützt; im deutschen Recht primär durch die richterrechtlichen Figuren des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) sowie – gegen kreditgefährdende Tatsachenäußerungen – durch § 824 BGB, im Schweizer Recht vor allem durch den allgemeinen Schutz der Persönlichkeit nach Art. 28 ZGB, der auch juristischen Personen zukommen kann,246 durch die lauterkeitsrechtliche Bestimmung des Art. 3 UWG sowie durch Art. 48 BankG bei kreditgefährdenden Tatsachenäußerungen über Banken.247 Allen genannten Rechtsgrundlagen ist dabei gemeinsam, dass sie im Verhältnis von Emittenten zu Rating-Agenturen bislang nur im Zusammenhang mit unbeauftragten Ratings praktische Bedeutung248 und Aufmerksamkeit im Schrifttum gefunden haben; sie werden daher erst in § 28 im Einzelnen erörtert. Ihr Schattendasein im Bereich der Haftung für beauftragte Ratings mag auch auf den Umstand zurückzuführen sein, dass der beauftragende Emittent der Erstellung entsprechender Ratings eben seine vertragliche Zustimmung erteilt hat;249 siehe zu diesem Gesichtspunkt und dem Grundsatz volenti non fit iniuria sogleich unter 3. In der Schweiz wirkt sich zusätzlich aus, dass wirksame vertragliche Freizeichnungen generell auch auf die deliktische Haftung erstreckt werden;250 ein Haftungsausschluss für Fahrlässigkeit im Ratingvertrag mit dem Emittenten251 schließt daher auch im Deliktsrecht die (hier allein diskutierte) Fahrlässigkeitshaftung der Rating-Agentur aus.252
245
Siehe § 21 II 2 c). BGer, 21.3.1969, BGE 95 II 481, 489 E. 4 („Club Medityrannis“); CHK/Aebi-Müller, Art. 28 ZGB Anm. 4, 27; Nobel/Weber, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 45. 247 Ein Verstoß gegen Art. 48 BankG kann über die deliktische Generalklausel des Art. 41 Abs. 1 OR zu einem Schadensersatzanspruch führen; Aepli, SJZ 1997, 405, 407. 248 Die bislang einzige deutsche Gerichtsentscheidung in einem Verfahren zwischen Emittent und Rating-Agentur (nämlich KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432 ff. („Scope-Fondsrating“)) betraf ein unbeauftragtes Rating; in der Schweiz fehlt es bisher an einschlägiger Rechtsprechung. 249 Vereinzelt wird im deutschen Recht allerdings schon die Anwendbarkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wie des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bei bestehenden Vertragsbeziehungen generell abgelehnt; so Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 115a; spezifisch zu beauftragten Ratings in diesem Sinne Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 82. Für eine derartige pauschale Derogation des deliktsrechtlichen Schutzes sind keine überzeugenden Gründe erkennbar; wie hier (ohne Begründung) Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Peters, Haftung und Regulierung, S. 81; Vetter, WM 2004, 1701, 1707. 250 Brehm, in Berner Komm., Art. 41 OR Rn. 232; CHK/Furrer/Wey, Art. 100 OR Anm. 12; Schwenzer, OR AT, Rn. 24.02; Weber, in Berner Komm., Art. 100 OR Rn. 49; Wiegand, in Basler Komm., Art. 100 OR Rn. 3. 251 Siehe dazu schon oben I 4 b). 252 Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 154. 246
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2. Grundlagen einer deliktischen Haftung der Rating-Agentur aufgrund fahrlässiger Vermögensschädigung Neben der Haftung wegen rufschädigender Äußerungen ist an eine Haftung aufgrund fahrlässiger Schädigung des Emittentenvermögens zu denken, wie sie sich namentlich in gestiegenen Finanzierungskosten des Emittenten (aufgrund des Eingreifens von „rating triggern“ in bestehenden Finanzierungsverträgen253 oder verschlechterter Konditionen beim Abschluss neuer Finanzierungsvereinbarungen) niederschlagen können. Da bei einem erhöhten Finanzierungsaufwand der beschriebenen Art kein absolut geschütztes Rechtsgut (wie etwa das Eigentum des Emittenten) verletzt wird, handelt es sich um einen sog. „reinen Vermögensschaden“ (pure economic loss). Dessen deliktsrechtlicher Ersatz wirft nach allen hier untersuchten Rechtsordnungen allgemein – d.h. unabhängig von den Besonderheiten des Ratings – Schwierigkeiten auf, die freilich an unterschiedlichen Haftungsvoraussetzungen ansetzen: a) U.S.-amerikanisches Deliktsrecht Die Haftung für Schäden, die durch fahrlässige Falschauskünfte verursacht werden, bestimmt sich in den U.S.A. nach dem Deliktsrecht (tort) der einzelnen U.S.-Gliedstaaten; einheitliche bundesrechtliche Regelungen für Konstellationen dieser Art fehlen. Im Zusammenhang mit Emittentenklagen gegen Rating-Agenturen hat zum einen die Informationshaftungsregel in § 552 Restatement (Second) of Torts praktische Bedeutung erlangt,254 die in den meisten U.S.-Staaten angewandt wird,255 im Übrigen aber vorrangig bei der Haftung der Rating-Agenturen gegenüber der Investorenöffentlichkeit diskutiert wird.256 Mit dem New Yorker Recht hat allerdings die aus kollisionsrechtlichen Gründen257 für die Ratingpraxis wichtigste U.S.-Teilrechtsordnung diese Musterregelung nicht übernommen,258 sodass schon deshalb die unvereinheitlichten Regeln zum tort des negligence in ihren diversen Spielarten weiterhin eine wesentliche Rolle spielen. Beiden Regelgruppen ist dabei gemeinsam, dass ihre Haftungsvoraussetzungen259 im hier zu behandelnden Verhältnis von Emittent zu Rating-Agentur ge253
Siehe dazu schon § 16. So in Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 112 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004); zustimmend Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 353. Sehr skeptisch zur Anwendung des § 552 Restatement (Second) of Torts unter Vertragspartnern hingegen Duquesne Light Co. v. Westinghouse Elec. Corp., 12.9.1995, 66 F.3d 604, 620 (3rd Cir. 1995): „does not lend itself very easily to a contract situation. Indeed, virtually all examples provided in the section involve liability to third parties“; im Zusammenhang mit beauftragten Ratings ebenfalls skeptisch Hunt, Colum. Bus. L. Rev. (2009), 109, 195. 255 Dobbs, Law of Torts, § 480. 256 Siehe dazu noch § 30 IV 3 a) aa). 257 Siehe § 26 III. 258 Dobbs, Law of Torts, § 480; Feinman, Professional Liability, S. 67: „a major exception“. Entsprechendes gilt für die U.S.-Gliedstaaten Louisiana und New Jersey. 259 Dazu sogleich unter aa). 254
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ringere Schwierigkeiten aufwerfen als im Verhältnis dritter Investoren zu den Rating-Agenturen, in dem dieselben Haftungsinstrumente zur Anwendung gelangen: Die zentralen Sachfragen der Pflichtenkonkretisierung und der Haftungsbegrenzung, die bei einer weltweit zugänglichen Veröffentlichung und Aufnahme von Informationen erhebliche Probleme verursachen, stellen sich im Verhältnis zweier Vertragspartner zueinander in ganz anderem Lichte dar. Auf der anderen Seite hat die in Gestalt des Ratingvertrages bestehende Vertragsbeziehung zwischen Emittent und Rating-Agentur zur Folge, dass reine Vermögensschäden (economic loss) – und um solche handelt es sich in Fallgestaltungen, in denen der haftungsbegründenden Information kein rufschädigender Charakter zukommt,260 eben stets – nach einer weit verbreiteten Regel von der Ersatzfähigkeit nach Deliktsrecht ausgenommen werden.261 Damit läuft die grundsätzlich eröffnete deliktische Haftung aus Konkurrenzgründen letztlich doch häufig leer. aa) Haftungsvoraussetzungen Die Voraussetzungen einer Haftung der Rating-Agenturen nach § 552 Restatement (Second) of Torts sowie Rechtsinstituten wie professional negligence müssen an dieser Stelle nicht vollumfänglich abgehandelt werden, weil eine Schadensersatzpflicht – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – typischerweise an sonstigen, von deliktsrechtlichen Anforderungen unabhängigen Gründen scheitert. Festgehalten werden kann, dass das Bestimmtsein der Information für den Geschädigten (die „Gerichtetheit“),262 die in Dritthaftungsfällen erhebliche Schwierigkeiten aufwirft,263 bezüglich der Person des beauftragenden Emittenten unproblematisch vorliegen dürfte.264 Dagegen passen die sachlichen Voraussetzungen der Haftungsregeln, die regelmäßig auf die Mitteilung einer „falschen“ Tatsache o.ä. abstellen, für Ratings als Meinungen mit Prognosecharakter nur schlecht,265 sodass eine Haftung schon auf einfachrechtlicher Ebene vielfach ausscheiden wird. Vor allem unterliegt die Haftung für professional negligence und vergleichbare Fahrlässigkeitstatbestände aber von Verfassungs wegen dem „actual malice“-Standard, und zwar unabhängig davon, ob die einschlägigen Sorgfaltspflichten in der Sache auf das Ratingergebnis oder aber die Ratingerstellung (-grundlagen, -verfahren) bezogen werden.266 Als Ansatzpunkt für eine Haftung 260
Zu rufschädigenden Informationen bereits oben unter 1. Unter bb). 262 Vgl. § 552(2) Restatement (Second) of Torts: „the person or one of a limited group of persons for whose benefit and guidance the information he intends to supply the information“. 263 Siehe § 30 IV 3. 264 Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 112 f. (Okla.Civ.App. Div. 4 2004) unter Verweis auf § 552 Restatement (Second) of Torts (1977), Comment g. 265 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. (2009), 109, 195. Siehe dazu noch § 30 IV 3 a) bb). 266 County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 157 (C.D.Cal. 1999): „The County [Emittent] may not avoid the First Amendment simply by basing its cause of action on the preparation, rather than the publication, of the ratings“; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 354. 261
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bleiben damit nur falsche Tatsachenmitteilungen der Rating-Agentur, die nachweisbar mit zumindest gröbster Fahrlässigkeit veröffentlicht wurden – eine Voraussetzung, die ein Emittent nur in den seltensten Ausnahmefällen wird darlegen können.267 bb) Kein deliktischer Vermögensschutz bei bestehender Vertragsbeziehung: Die Economic Loss Rule In den (seltenen) Fällen, in denen der Emittent die institutionsschützende „actual malice“-Hürde überwunden und die Voraussetzung einer deliktischen Fahrlässigkeitshaftung der Rating-Agentur bewiesen hat, greift in Gestalt der sog. Economic Loss Rule allerdings ein zweites (nicht ratingspezifisches) Hindernis Platz, welches den Ersatz „reiner“ Vermögensschäden des Emittenten aus anderem Grunde ausschließt. Bei der Economic Loss Rule handelt es sich um eine richterrechtliche Konkurrenzregel, die die Abgrenzung von Vertrags- und Deliktsrecht bezweckt268 und besagt, dass eine Schadensersatzhaftung gegenüber einem Vertragspartner nicht auf deliktische Anspruchsgrundlagen gestützt werden kann, sofern sie auf Ersatz eines reinen Vermögensschadens gerichtet ist; insoweit gilt das vertragliche Haftungsregime als abschließend.269 Dahinter steht die Überzeugung, dass es im Verhältnis zweier Vertragsparteien zueinander vorrangig Aufgabe der Parteien selbst ist, sich durch die Aushandlung von Vertragsbestimmungen gegen Vermögensverluste abzusichern,270 wohingegen eine parallele Anwendung des Deliktsrechts die vereinbarte Pflichtenbalance auszuhebeln droht.271 Der U.S. Supreme Court hat diese Gefahr dahingehend umschrieben, dass „contract law would drown in a sea of tort“.272 Die als Reaktion darauf entwickelte Economic Loss Rule fand anfänglich nur in Produkthaftungskonstellationen Anwendung,273 gilt heute aber allgemein, und zwar auch bei Schäden durch fehlerhafte Informationen.274 Sie verdrängt daher auch deliktische Ansprüche des Emittenten gegenüber der von ihm beauftragten Rating-Agentur, soweit diese 267
von Schweinitz, WM 2008, 953, 954. New York State Elec. & Gas Corp. v. Westinghouse Elec. Corp., 14.9.1989, 564 A.2d 919, 925 (Pa.Super. 1989): „… concern for maintaining the separate spheres of the law of contract and tort …“. 269 Vgl. statt vieler All-Tech Telecom, Inc. v. Amway Corp., 7.4.1999, 174 F.3d 862, 865 (7th Cir. 1999); Duquesne Light Co. v. Westinghouse Elec. Corp., 12.9.1995, 66 F.3d 604, 618 ff. (3rd Cir. 1995); Dobbs, Law of Torts, § 472. 270 Duquesne Light Co. v. Westinghouse Elec. Corp., 12.9.1995, 66 F.3d 604, 620 (3rd Cir. 1995). 271 All-Tech Telecom, Inc. v. Amway Corp., 7.4.1999, 174 F.3d 862, 865 (7th Cir. 1999): „the provision of these duplicative tort remedies would undermine contract law“; Feinman, Professional Liability, S. 50. 272 East River S.S. Corp. v. Transamericana Delaval, Inc., 16.6.1986, 476 U.S. 858, 866, 106 S.Ct. 2295 (1986). 273 Als erste einschlägige Entscheidung gilt Seely v. White Motor Co., 23.6.1965, 403 P.2d 145 (1965). 274 So Duquesne Light Co. v. Westinghouse Elec. Corp., 12.9.1995, 66 F.3d 604, 619 f. (3rd Cir. 1995) namentlich für Fälle des § 552 Restatement (Second) of Torts. 268
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
auf den Vorwurf der fahrlässigen Verursachung eines reinen Vermögensschadens gestützt werden.275 Die Economic Loss Rule wird freilich nicht flächendeckend in allen Staaten der U.S.A. angewandt, weshalb sich gelegentlich – wie etwa im U.S.-Gliedstaat Oklahoma276 – Konstellationen ergeben können, in denen eine deliktsrechtliche Haftung der beauftragten RatingAgentur nicht aus diesem Grunde scheitert. Da die Regel im Staat New York aber streng befolgt wird,277 deckt sie den praktischen Regelfall in Ratingkonstellationen jedenfalls ab.
b) Deutsches Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen Das deutsche Deliktsrecht der §§ 823 ff. BGB kennt hingegen von vornherein keine Haftung für fahrlässig verursachte „reine“ Vermögensschäden, weil das Vermögen nicht zu den in § 823 Abs. 1 BGB enumerativ aufgezählten Rechtsgütern gehört und insbesondere nicht als „sonstiges Recht“ im Sinne der Norm anerkannt ist278 – eine restriktive Haltung, auf deren Begründung im Zusammenhang mit der Haftung der Rating-Agentur gegenüber dritten Investoren noch näher einzugehen sein wird.279 Da auch kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ersichtlich ist, welches das Vermögen des Emittenten gegenüber einer beauftragten Rating-Agentur zu schützen bestimmt ist,280 scheidet eine deliktische Haftung der Rating-Agentur nach deutschem Recht ohne weiteres aus.281 c) Schweizer Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen mangels Schutzgesetz zugunsten des Emittentenvermögens Das Schweizer Recht kennt im Gegensatz zum deutschen Recht zwar eine deliktische Generalklausel,282 die tatbestandlich auch reine Vermögensschäden abdeckt,283 macht eine Haftung aber zusätzlich davon abhängig, dass die tatbestand275 So obiter zum Recht des Staates New York Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 113 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004). 276 Commercial Financial v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 113 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004) unter Bezugnahme auf 12 O.S. 2001 § 832, 25 O.S. 2001 § 26. 277 Vgl. nur Scalp & Blade, Inc. v. Advest, Inc., 30.12.2002, 300 A.D.2d 1068, 1069 (N.Y.A.D. 4 Dept. 2002). 278 Unstr., RG, 15.3.1902, RGZ 51, 92, 93: „Der Satz, daß man allgemein für fahrlässig verursachte Vermögensschäden hafte, ist dem Bürgerlichen Gesetzbuche fremd“; BGH, 4.2.1964, BGHZ 41, 123, 126 f.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 75 I 3 b; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 11; Wagner, in MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 247. 279 Siehe dazu § 30 IV 1. 280 Die in der EG-RatingVO normierten aufsichtsrechtlichen Verhaltensstandards (zu diesen noch unter IV 3) kommen nach überwiegender Ansicht nicht als Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB in Frage; so Haar, DB 2013, 2489, 2490; Wagner, in MünchKomm-BGB, § 826 Rn. 95; differenzierend Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2293. 281 Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 83. 282 Art. 41 Abs. 1 OR: „Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.“ 283 Honsell, in FS Nobel (2005), S. 939, 941.
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liche Handlung eine einschlägige Schutznorm zugunsten des geschädigten Vermögens verletzt (sog. objektive Widerrechtlichkeitstheorie).284 Zur dogmatischen Begründung dieser Regelung darf auch hier einstweilen auf die Ausführungen zur Deliktshaftung gegenüber Investoren verwiesen werden,285 bei der Art. 41 Abs. 1 OR im Ratingzusammenhang seine praktische Relevanz erlangt. Für die Haftung gegenüber beauftragenden Investoren wirkt sich aus, dass das schweizerische Recht keine Schutznorm zugunsten des Emittentenvermögens bereithält, die durch ein fahrlässiges Fehlverhalten einer Rating-Agentur verletzt würde. Der Straftatbestand der unwahren Angaben über kaufmännische Gewerbe (Art. 152 StGB) ist für Zwecke des Art. 41 Abs. 1 OR zwar als Schutznorm anerkannt,286 dient aber nur dem Schutz des Vermögens Dritter, die auf solche Angaben vertrauen, und nicht des Vermögens des betroffenen Emittenten;287 er ist hier daher bereits tatbestandlich nicht einschlägig.288 Eine außervertragliche Haftung der Rating-Agentur gegenüber dem Emittenten scheitert im schweizerischen Recht daher am Merkmal der Widerrechtlichkeit.
3. Der „volenti non fit iniuria“-Einwand gegenüber dem beauftragenden Emittenten Sofern eine deliktsrechtliche Haftung der Rating-Agentur gegenüber dem beauftragenden Emittenten nach dem vorstehend Gesagten tatbestandlich in Frage kommt, wirkt sich in einem weiteren Schritt aus, dass der Emittent die Ratingveröffentlichung beauftragt hat und ihm vor Veröffentlichung der betreffenden Ratingpublikation – wie schon zur vertraglichen Haftung angesprochen289 – daher typischerweise eine Gelegenheit zur Stellungnahme290 sowie bei Erstratings sogar zum Widerspruch291 eingeräumt wird. Die dadurch bewirkte Vorabinformation des Deliktsgläubigers über die bevorstehende Äußerung und ihren Inhalt ist eine Besonderheit der beauftragten Ratingerstellung292 und namentlich bei der Haf284 BGer, 28.2.1989, BGE 115 II 15, 18 E. 3a; BGer, 18.3.1993, BGE 119 II 127, 128 f. E. 3; BGer, 8.3.1996, BGE 122 III 176, 192; Aepli, SJZ 1997, 405, 406; Brehm, in Berner Komm., Art. 41 OR Rn. 33g; Heierli/Schnyder, in Basler Komm., Art. 41 OR Rn. 31; CHK/Ch. Müller, Art. 41 OR Anm. 45. 285 Siehe dazu § 30 IV 2. 286 Brehm, in Berner Komm., Art. 41 OR Rn. 39; Daeniker/Waller, Informationspflichten, S. 55, 104; Hsu, Ad-hoc-Publizität, S. 279. Kritisch aber Honsell, in FS Nobel (2005), S. 939, 941: der Schutznormcharakter des Art. 152 StGB sei „nicht unproblematisch, denn die Haftung ist uferlos und unüberschaubar.“ 287 Zum Erfordernis einer Schutzwirkung der Norm gerade zu Gunsten des Geschädigten vgl. BGer, 28.2.1989, BGE 115 II 15, 18 E. 3b; Schwenzer, OR AT, Rn. 50.19. 288 Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 156; ebenso zur Haftung von Finanzanalysten Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 7 Rn. 74. 289 Oben I 2 d). 290 Siehe § 25 VI 1. 291 Siehe § 25 VI 2. 292 Bei der Haftung wegen unbeauftragter Ratings wirkt sie sich folglich nicht gleichermaßen aus; vgl. dazu § 28.
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tung für rufschädigende Äußerungen ganz uncharakteristisch.293 Ihre rechtlichen Folgen hängen von der Ausgestaltung des Widerspruchs- oder Stellungnahmerechts und dessen Nutzung durch den Emittenten ab: a) Bei Erstratings Hat der Emittent der Veröffentlichung eines Erstratings zugestimmt, so scheidet nach U.S.-amerikanischem Deliktsrecht jede spätere Haftung der Rating-Agentur aus, denn Zustimmung stellt nach dem law of defamation eine „complete defense“ dar294 und lässt auch bei anderen Delikten die Haftung entfallen.295 Die Rechtsprechung hat dies zur Ratinghaftung ausdrücklich bestätigt.296 Ein unterlassener Widerspruch bei Erstratings wird ebenso zu behandeln sein,297 denn eine Zustimmung kann nach U.S.-amerikanischem Deliktsrecht auch stillschweigend erfolgen und bedarf keines Zugangs beim Zustimmungsgegner.298 Die Einwilligung des Geschädigten lässt daneben auch nach deutschem299 und schweizerischem300 Deliktsrecht die Haftung entfallen, jedenfalls soweit – wie hier – der Schutz von Persönlichkeitsrechten in Rede steht.301 Beide Rechtsordnungen folgen insoweit der römisch-rechtlichen Maxime volenti non fit iniuria302 und unterscheiden sich lediglich in der (im Einzelnen umstrittenen) dogmatischen Verortung der Einwilligungsrechtsfolgen, die an dieser Stelle nicht näher zu behandeln ist. Das Hongkonger Deliktsrecht entscheidet im Übrigen ebenso303 und entspricht darin dem englischen Recht, das eine ausdrückliche oder implizite Zustimmung zur Veröffentlichung seit jeher als haftungsausschließend einstuft304 – eine Position, deren Parallele zum volenti non fit iniuria-Grundsatz 293 Vgl. Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 26.5.2005, 371 F.Supp.2d 898, 903 (E.D.Mich. 2005): „The parties do not cite any other case in which a publisher gave a plaintiff a chance to review and correct the publication prior to release, and I have found no legal precedent.“ 294 § 583 Restatement (Second) of Torts; Dobbs, Law of Torts, § 412; Harper, James & Gray on Torts, § 5.17. 295 §§ 892, 892A(1) Restatement (Second) of Torts. 296 Zum Recht des U.S.-Gliedstaats Michigan Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 26.5.2005, 371 F.Supp.2d 898, 903 (E.D.Mich. 2005). 297 Möglicherweise anders County of Orange v. McGraw Hill Companies, 18.3.1999, 245 B.R. 151, 161 (C.D.Cal. 1999) (obiter). 298 § 892(1) Satz 2 Restatement (Second) of Torts. 299 Vgl. Palandt/Sprau, § 823 Rn. 38; ausführlich Ohly, Volenti non fit iniuria, S. 55 ff. 300 So ausdrücklich Art. 28 Abs. 2 ZGB; im Übrigen Brehm, in Berner Komm., Art. 41 OR Rn. 63a; CHK/Ch. Müller, Art. 41 OR Anm. 52. 301 Unter III 2 b), c) wurde dargelegt, dass ein Schutz des Emittentenvermögens vor fahrlässiger Schädigung nach deutschem und schweizerischem Deliktsrecht hingegen nicht besteht. 302 Zu deren Entwicklung im römischen Recht Ohly, Volenti non fit iniuria, S. 25 ff. Bei Schaffung des BGB wurde der Grundsatz als selbstverständlich angesehen und daher (in Abweichung vom ersten Entwurf zum BGB, der noch eine entsprechende Vorschrift enthalten hatte) nicht explizit normiert; vgl. Ohly, a.a.O., S. 33 f. Im Schweizer Recht wurde ihm hingegen durch Art. 28 Abs. 2 ZGB Gesetzeskraft verliehen (so Meili, in Basler Komm., Art. 28 ZGB Rn. 47). 303 Vaughan, in: Bokhary, Tort Law and Practice in Hong Kong, Rn. 20.016. 304 Cookson v. Harewood, 19.10.1931, [1932] 2 KB 478; Chapman v. Lord Ellesmere, 22.3.1932, [1932] 2 KB 431, 451, 464 f.
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auch im englischen Schrifttum gesehen wird.305 Die deliktische Haftung für beauftragte Erstratings läuft schon aus diesem Grund weitgehend leer. Eine Haftung scheitert naturgemäß dann nicht, wenn die Rating-Agentur das Erstrating trotz erklärten Widerspruchs des Emittenten veröffentlicht – in einem solchen Fall liegt allerdings ein unbeauftragtes Rating vor, auf das in § 28 näher eingegangen wird.
b) Bei Folgeratings Bei Folgeratings (also Herauf- oder, für Haftungskonstellationen wichtiger, Herabstufungen) besteht ein echtes Widerspruchsrecht des Emittenten hingegen typischerweise nicht;306 er besitzt vielmehr lediglich eine Möglichkeit zur Stellungnahme.307 Nutzt er diese nicht, um die Rating-Agentur auf die unrichtige Tatsachenangabe im Ratingbericht – der ihm ja vorliegt – aufmerksam zu machen,308 so nimmt dies der später veröffentlichten Äußerung zwar nach den Maßstäben des U.S.-amerikanischen Deliktsrechts nicht deren Eigenschaft als defamatory. Wie die Rechtsprechung betont, schließt es aber jedenfalls ein Handeln der RatingAgentur mit „actual malice“ aus, weil das hierzu zumindest erforderliche Bewusstsein der bzw. bewusste Sichverschließen vor der Unrichtigkeit der Tatsachenangaben309 fehlt, sofern der Emittent dem Inhalt der geplanten Äußerung trotz vorheriger Kenntnis nicht widersprochen hat;310 in diesem Fall darf die Rating-Agentur sich darauf verlassen, dass die darin enthaltenen Angaben zutreffen.311 Entsprechend wird man auch in Anwendung des deutschen, schweizerischen und Hongkonger Deliktsrechts zu entscheiden haben, weil ein unterlassener Widerspruch des Emittenten trotz eingeräumter Stellungnahmemöglichkeit einen etwaigen Fahrlässigkeitsvorwurf gegenüber der Rating-Agentur ausräumt.312 Eine schwieriger zu beurteilende Konstellation liegt demgegenüber vor, wenn der Emittent die Stellungnahmemöglichkeit dazu nutzt, der angekündigten Ratingpublikation zu widersprechen, oder der von ihm abgeschlossene Ratingvertrag ihm von vornherein gar keine Möglichkeit der Stellungnahme zubilligt. 305
Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 25–2. Siehe schon § 25 VI 2. 307 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 527 (6th Cir. 2007): „… a unique opportunity unavailable to most alleged victims of defamation …“. 308 Sofern der Emittent dem Folgerating hingegen explizit zustimmt, gilt das oben zur Zustimmung bei Erstratings Gesagte. 309 Siehe § 21 II 2 c) cc). 310 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 526 (6th Cir. 2007): „greatly diminishes any indicia of actual malice“; Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 26.5.2005, 371 F.Supp.2d 898, 903 (E.D.Mich. 2005): „weighs heavily in favor of [the rating agency]“. 311 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 26.5.2005, 371 F.Supp.2d 898, 903 (E.D.Mich. 2005). 312 Vgl. aus Sicht des deutschen Presserechts zu entsprechenden Stellungnahmegelegenheiten Damm/Rehbock, Widerruf, Rn. 679. 306
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Kann der Emittent in einem solchen Fall deliktische Ansprüche gegen die beauftragte Rating-Agentur geltend machen, wenn diese das Folgerating gleichwohl wie beabsichtigt veröffentlicht? Die Antwort muss negativ ausfallen, weil auch in diesen Konstellationen eine Einwilligung des Emittenten vorliegt, die bereits die objektive Haftungsvoraussetzung der unfreiwilligen Schädigung313 ausschließt (und nicht erst das subjektive Verschulden der Rating-Agentur, das – insbesondere in Gestalt des auch hier einschlägigen U.S.-amerikanischen „actual malice“Standards314 – lediglich eine zusätzliche Hürde aufstellt): Indem der Emittent einen Ratingvertrag abschließt, der unter den darin vorgesehenen Verfahrensmodalitäten eine Veröffentlichung von Folgeratings durch die Rating-Agentur vorsieht, erklärt er sich mit entsprechenden Veröffentlichungen einverstanden und begibt sich der Möglichkeit, aus diesem Vorgang später deliktsrechtliche Ansprüche herzuleiten.315 Sofern der Emittent die Agentur also mit der Ermittlung von Folgeratings beauftragt, die deren subjektive Meinung über die Bonität des Emittenten oder seiner Emission ausdrücken, und sich kein Widerspruchsrecht bezüglich deren Veröffentlichung vorbehält, liegt darin für Zwecke des Deliktsrechts eine unbedingte Einwilligung, die eine Haftung der Rating-Agentur sowohl nach deutschem, schweizerischem und Hongkonger als auch nach U.S.amerikanischem Recht ausschließt.
IV. Haftung der Rating-Agentur wegen Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1, 3 EG-RatingVO Die letzte zu erörternde Haftungsgrundlage, die Emittenten gegenüber RatingAgenturen zur Verfügung steht, ist zugleich diejenige mit der noch kürzesten Geschichte: Art. 35a EG-RatingVO wurde erst im Jahre 2013 durch die zweite ÄnderungsVO316 in die EG-RatingVO eingefügt.317 Die Vorschrift schafft eine spezifische europäische Ratinghaftung mit gleichsam zweifacher Schutzrichtung, weil sie sowohl Emittenten als auch Anleger mit Schadensersatzansprüchen versieht. Da die Norm dabei auf einem einheitlichen Haftungskonzept beruht, ist dieses im Folgenden zunächst am Beispiel der Haftung gegenüber Emittenten darzustellen, bevor an späterer Stelle318 auf Übereinstimmungen und Unterschiede bei der Haftung gegenüber Anlegern einzugehen sein wird. 313 Vgl. in diesem Sinne zum Schweizer Haftpflichtrecht (aber ohne spezifische Bezugnahme auf Ratings) CHK/Ch. Müller, Art. 41 OR Anm. 52. 314 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 26.5.2005, 371 F.Supp.2d 898, 903 (E.D.Mich. 2005). 315 Vgl. auch Niedostadek, Rating, Rn. 231; Vetter, WM 2004, 1701, 1707. 316 Art. 1 Nr. 22 ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 317 Die Haftungsnorm trat am 20. Juni 2013 in Kraft. 318 Siehe § 30 VII.
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Mit der Aufnahme einer eigenen Haftungsnorm in die EG-RatingVO nahm der Unionsgesetzgeber eine entscheidende Neuausrichtung gegenüber der ursprünglichen Fassung der Verordnung vor.319 Diese hatte Fragen der zivilrechtlichen Haftung noch bewusst ungeregelt gelassen und lediglich festgestellt, dass „Forderungen gegen Ratingagenturen aufgrund von Verstößen gegen diese Verordnung im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften über die zivilrechtliche Haftung erhoben werden“ sollten.320 Frankreich hatte daraufhin eine spezialgesetzliche Haftungsnorm eingeführt, die Rating-Agenturen bei Verstoß gegen in der EG-RatingVO niedergelegte Pflichten einer Schadensersatzpflicht gegenüber ihren Kunden sowie Dritten unterwarf.321 Sie dürfte Ausgangspunkt und wohl auch erstes inhaltliches Vorbild für den heutigen Art. 35a EG-RatingVO gewesen sein, dessen Wortlaut im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens freilich noch entscheidende Änderungen erfuhr.
Die neu eingeführte europäische Ratinghaftung schließt sonstige zivilrechtliche Haftungsansprüche nach nationalem Recht nicht aus;322 die im Text bereits behandelten323 und auch weitere, im nächsten Kapitel mit Blick auf unbeauftragte Ratings noch zu erörternde Anspruchsgrundlagen324 finden daher unverändert Anwendung. Wie sogleich zu zeigen sein wird, versucht Art. 35a EG-RatingVO selbst einen neuen Haftungsansatz mit dogmatisch nicht einfach einzuordnender Konzeption. Den schwierigen Sachproblemen, die oben rechtsvergleichend herausgearbeitet wurden – darunter namentlich der Frage nach der sachgerechten Darlegungs- und Beweislastverteilung – hat sich freilich auch die europäische Ratinghaftung nicht zu entziehen vermocht, sodass sich die Aussicht von Emittenten auf einen durchsetzbaren Schadensersatzanspruch im Ergebnis kaum verbessert haben dürfte.
1. Dogmatische Haftungskonzeption Nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1 EG-RatingVO kann ein Emittent dann, wenn eine Rating-Agentur vorsätzlich oder grob fahrlässig eine der in Anhang III zur EG-RatingVO aufgeführten Zuwiderhandlungen begangen und diese sich auf ein Rating ausgewirkt hat, von der Rating-Agentur Ersatz für den ihm aufgrund dieser Zuwiderhandlung entstandenen Schaden verlangen. Indem die unionsrechtliche Haftungsnorm also an einen Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Organisations- und Verhaltenspflichten der in der EU zugelassenen Rating-Agenturen325 anknüpft und diesen mit haftungsrechtlichen Folgen verbindet, stellt sie 319 Vgl. Bauer, BB 2013, 363, 364, die die Einführung des Art. 35a EG-RatingVO als „die wohl weitgehendste materielle Regelung“ der zweiten ÄnderungsVO bezeichnet; ähnlich Haar, DB 2013, 2489: „besonders wichtig“; Witte/Henke, DB 2013, 2257, 2259: „sicherlich aufsehenerregendste Neuerung“. 320 Erwägungsgrund 69 zur EG-RatingVO. 321 Art. L. 544–5 Abs. 1 Code monétaire et financier; siehe dazu schon oben III vor 1. 322 So ausdrücklich Art. 35a Abs. 5 EG-RatingVO. 323 Oben I.–III. 324 Siehe noch § 28. 325 Siehe dazu noch näher unter 3.
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sich als Beispiel für die private Durchsetzung (auch) im öffentlichen Interesse geschaffener Vorgaben (private enforcement) dar.326 a) Art. 35a EG-RatingVO als hybride unionsrechtliche Haftungsgrundlage Aus einheitsrechtsdogmatischer Perspektive betrachtet, erweist Art. 35a EG-RatingVO sich daneben noch aus einem weiteren Grund als ungewöhnliche Bestimmung: Während die Entwurfsfassung der Vorschrift327 nämlich noch als umfassendes unionsrechtliches Einheitsrecht konzipiert gewesen war, regelt Art. 35a EG-RatingVO in seiner schließlich angenommenen Fassung nur einzelne Haftungsaspekte selbst und überlässt zahlreiche Rechtsfragen ausdrücklich dem subsidiär „jeweils geltenden nationalen Recht gemäß den einschlägigen Bestimmungen des internationalen Privatrechts“. Im Einzelnen finden sich nicht weniger als drei solcher Bezugnahmen: Nicht weiter ungewöhnlich ist noch die Aussage, dass „Fragen der zivilrechtlichen Haftung einer Ratingagentur, die nicht von dieser Verordnung geregelt werden“, dem jeweils geltenden nationalen Recht gemäß den einschlägigen Bestimmungen des internationalen Privatrechts unterliegen.328 Damit wird lediglich (deklaratorisch) festgehalten, dass außerhalb der materiellen Regelungsmaterie der Vorschrift liegende Fragen, die in der einheitsrechtlichen Theorie verbreitet als „externe Lücken“329 bezeichnet werden, wie üblich durch die kollisionsrechtlich anwendbare Rechtsordnung330 beantwortet bzw. gefüllt werden.331 Ebenfalls deklaratorischer Natur ist die sich anschließende Feststellung, der zufolge die Zuständigkeit des Gerichts, das für die Entscheidung über den von einem Emittenten vorgebrachten zivilrechtlichen Haftungsanspruch zuständig ist, anhand der einschlägigen Bestimmungen des internationalen Privatrechts bestimmt wird.332 Die in diesem Zusammenhang auf den ersten Blick überraschende Bezugnahme auf das „internationale Privatrecht“ entstand wohl durch eine unglückliche Übersetzung des englischsprachigen Terminus „the relevant rules of private international law“, weil der Begriff des „private international law“ nach englischem Verständnis333 neben dem Kollisionsrecht auch das Recht der internationalen Gerichtszuständigkeit umfasst. Sie ist daher in unionsrechtsautonomer 326 Blaurock, EuZW 2013, 608, 611; Dutta, IPRax 2014, 33, 35; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 472; Wojcik, NJW 2013, 2385. 327 Im Kommissionsvorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen vom 15.11.2011, KOM(2011) 747 endg. 328 Art. 35a Abs. 4 Satz 2 EG-RatingVO. 329 So statt mancher Basedow, Unif. L. Rev. 2000, 129, 135; ebenso zu Art. 35a EG-RatingVO Wojcik, NJW 2013, 2385, 2389. 330 Siehe zu deren Bestimmung noch näher unter b). 331 Mit zutreffendem Verweis auf Art. 7 Abs. 2 CISG Dutta, WM 2013, 1729, 1730; allgemein zu einheitsrechtsergänzenden Kollisionsnormen Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 197 ff. 332 Art. 35a Abs. 4 Satz 3 EG-RatingVO. 333 Dazu nur Dicey, Morris & Collins, Conflict of Laws, Rn. 1–003, 1–088 f.; Rogerson, Collier’s Conflict of Laws, S. 4.
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Auslegung unter Berücksichtigung der anderen Sprachfassungen334 der Vorschrift als Verweis auf die einschlägigen Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit zu lesen. Bemerkenswert ist demgegenüber die Aussage in Art. 35a Abs. 4 Satz 1 EGRatingVO, wonach „Begriffe wie ‚Schaden‘, ‚Vorsatz‘, ‚grobe Fahrlässigkeit‘, ‚in vertretbarer Weise verlassen‘, ‚gebührende Sorgfalt‘, ‚Auswirkung‘, ‚angemessen‘ und ‚verhältnismäßig‘, die in diesem Artikel genannt aber nicht definiert werden“, „im Einklang mit dem jeweils geltenden nationalen Recht gemäß den einschlägigen Bestimmungen des internationalen Privatrechts ausgelegt und angewandt“ werden sollen. Die Vorschrift statuiert damit eine seltene Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der autonomen Auslegung335 europäischen Sekundärrechts,336 wobei trotz des Normwortlauts wohl kein Verweis auf nationale Auslegungsmethoden, sondern auf den Sinngehalt im subsidiär anwendbaren nationalen Recht beabsichtigt ist.337 Da sie explizit eine ganze Reihe zentraler Haftungsvoraussetzungen unvereinheitlichtem nationalen Recht unterstellt und zudem, da als nur beispielhafte Aufzählung formuliert („Begriffe wie …“), darüber hinaus noch für weitere Rechtsbegriffe gilt,338 beschränkt die Norm das unionsrechtliche Haftungsregime für Rating-Agenturen von vornherein auf einen bloßen Regelungstorso. Art. 35a EG-RatingVO erweist sich somit also als hybride unionsrechtliche, weil lediglich Teilaspekte der Ratinghaftung unionsweit einheitlich regelnde Haftungsnorm. Ihre materiellrechtliche Vereinheitlichungswirkung reicht schon aus diesem Grund339 weniger weit, als es zunächst den Anschein hat,340 und belässt den nationalen Haftungsrechten damit auch künftig eine beträchtliche Bedeutung. b) Kollisionsrechtliche Bestimmung des ergänzend anwendbaren nationalen Rechts Infolge der begrenzten Vereinheitlichung der Haftungsvoraussetzungen muss ermittelt werden, welches nationale Recht im Rahmen des Art. 35a EG-RatingVO 334
Vgl. hierzu Calliess/Ruffert/Wegener, Art. 19 EUV Rn. 12 m.w.Nachw. Vgl. zu diesem Grundsatz aus jüngerer Zeit EuGH, 18.10.2011, Rs. C-34/10 – Brüstle ./. Greenpeace, EuZW 2011, 908 Tz. 25: „Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen“; aus dem Schrifttum statt aller Grabitz/Hilf/Nettesheim/Mayer, Stand: 50. Erg.-Lfg. (Mai 2013), Art. 19 EUV Rn. 53. 336 Dutta, WM 2013, 1729, 1730; Haar, DB 2013, 2489, 2494. 337 Dutta, WM 2013, 1729, 1730. Im englischen Recht sind durch die Credit Rating Agencies (Civil Liability) Regulations 2013 spezialgesetzliche Definitionen der in Art. 35a Abs. 4 EG-RatingVO genannten Rechtsbegriffe erlassen worden. 338 Dutta, WM 2013, 1729, 1730. 339 Siehe zu weiteren, aus dem personellen Anwendungsbereich der Vorschrift resultierenden Einschränkungen unter 2. 340 Kritisch Wojcik, NJW 2013, 2385, 2389. 335
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
ergänzend zur Anwendung gelangen soll. Die Vorschrift selbst verweist lediglich unbestimmt auf die „einschlägigen Bestimmungen des internationalen Privatrechts“,341 verhält sich aber nicht näher dazu, welche kollisionsrechtlichen Bestimmungen einschlägig sind. Als sicher darf gelten, dass es um eine verordnungsautonome Qualifikation geht,342 weil dem Vereinheitlichungsziel der hybriden Haftungsregelung nur so zu praktischer Wirksamkeit (effet utile)343 verholfen werden kann. Welche kollisionsrechtliche Anknüpfung sich hierzu eignet, ist freilich diskussionsbedürftig: aa) Keine Einschlägigkeit des internationalen Privatrechts für vertragliche Schuldverhältnisse Die Anwendung des Kollisionsrechts für vertragliche Schuldverhältnisse (in der EU mit Ausnahme Dänemarks344 also die Rom I-VO) passt nach zutreffender Ansicht nicht, weil die Haftung nach Art. 35a EG-RatingVO keinerlei vertragliches Band der Rating-Agentur mit dem Geschädigten oder einer sonstigen Person voraussetzt,345 sondern gerade unabhängig von diesem eingreifen soll.346 Da sich das bei einem haftungsauslösenden Verhalten der Rating-Agentur gegenüber dem Emittenten begründete haftungsrechtliche Schuldverhältnis also nicht als „vertraglich“347 qualifizieren lässt, sind die Bestimmungen des IPR für Schuldverträge nicht lückenfüllend anwendbar.348 bb) Einschlägigkeit des internationalen Privatrechts für deliktische Schuldverhältnisse (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO)? Im (bislang noch spärlichen) Schrifttum zur vorliegenden Frage wird daher überwiegend für eine deliktische Qualifikation der Haftung nach Art. 35a EG-RatingVO eingetreten,349 zumal deren Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahr341
Art. 35a Abs. 4 Satz 1, 2 EG-RatingVO. Vgl. Dutta, WM 2013, 1729, 1730. 343 Vgl. zur innerhalb der EuGH-Rechtsprechung uneinheitlichen deutschsprachigen Übersetzung des effet utile-Begriffs nur Potacs, EuR 2009, 465, 467 f. 344 Ausweislich des Erwägungsgrunds 46 zur Rom I-VO gilt diese Verordnung nicht für Dänemark. 345 Dutta, IPRax 2014, 33, 35; Ulfbeck, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 309, 318. Rating-Agenturen können daher nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1, 3 EG-RatingVO gegenüber Emittenten auch für Pflichtverletzungen bei der Erstellung unbeauftragter (unsolicited) Ratings haften; siehe zu dieser Haftungskonstellation noch § 28. 346 Vgl. Erwägungsgrund 32 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO: „… sollten alle Anleger und Emittenten, unabhängig davon, ob eine vertragliche Beziehung zwischen ihnen und einer Ratingagentur besteht, die Möglichkeit haben, bei einem Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 Schadensersatz zu verlangen.“ 347 Vgl. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO. 348 Dutta, WM 2013, 1729, 1731; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 487 (zum Kommissionsvorschlag). 349 Dutta, WM 2013, 1729, 1731; ders., IPRax 2014, 33, 40; ebenso (zum Kommissionsvorschlag) Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 487. 342
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lässigkeit für Verträge untypisch sei.350 Dagegen lasse sich der in Art. 35a EG-RatingVO vorausgesetzte Verstoß gegen gesetzliche Verhaltenspflichten, durch den ein Schaden verursacht wurde, ohne Weiteres unter die Definition der „unerlaubten Handlung“ subsumieren, die der EuGH im Rahmen des europäischen Deliktsgerichtsstandes (Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO) entwickelt hat.351 Die einschlägige Bestimmung des internationalen Privatrechts sei daher Art. 4 Abs. 1 Rom IIVO,352 bei dessen Anwendung auf den Sitz des bewerteten Emittenten abzustellen sei, weil hier dessen Vermögensinteressen zuerst betroffen seien.353 Während der vorgeschlagenen Qualifikation der unionsrechtlichen Ratinghaftung als außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung noch beigetreten werden kann, begegnet die auf dieser Grundlage vertretene objektive Anknüpfung Bedenken. Diese finden ihren Grund darin, dass ein auf Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO gestütztes Anknüpfen an den Sitz des gerateten Emittenten die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO ignoriert, die bei einer offensichtlich engeren Verbindung der unerlaubten Handlung zu einem anderen Staat das Recht dieses Staates für anwendbar erklärt. Da in diesem Zusammenhang „insbesondere“ ein zwischen den Parteien bestehender Vertrag Beachtung verdient,354 wäre beim beauftragten Rating nämlich dem Ratingvertrag355 Rechnung zu tragen, der typischerweise dem am Sitz der Hauptniederlassung der RatingAgentur geltenden Recht unterfällt.356 Dieses Recht würde ergänzend auch auf die Haftung nach Art. 35a EG-RatingVO Anwendung finden, sodass beauftragte und unbeauftragte Ratings im Ergebnis unterschiedlich behandelt würden. Für eine ratingvertragsakzessorische Anknüpfung im Rahmen des Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Rom II-VO spricht zudem der Wortlaut des Art. 35a Abs. 3 EG-RatingVO, der die rechtliche Wirksamkeit im Voraus vereinbarter Haftungsbeschränkungen357 dem „jeweils geltenden nationalen Recht im Einklang mit Absatz 4“ unterstellt:358 Da entsprechende Haftungsbeschränkungen im Verhältnis zum Emittenten aber wohl nur im Ratingvertrag getroffen würden, müssten sie und in der Folge auch die übrigen Haftungsfragen dem Recht des Ratingvertrages unterstellt werden, weil eine objektive Teilanknüpfung (dépeçage) unter der Rom II-VO als unzulässig359 erachtet wird.360 350
Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 487 (zum Kommissionsvorschlag). Dutta, WM 2013, 1729, 1731, der für eine verordnungsübergreifende Übertragung dieser Rechtsprechung auf das EU-Kollisionsrecht eintritt. 352 Dutta, WM 2013, 1729, 1731; Haar, DB 2013, 2289, 2294. 353 Dutta, WM 2013, 1729, 1731; ders., IPRax 2014, 33, 39; Haar, DB 2013, 2289, 2294. 354 Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Rom II-VO. 355 Siehe zu diesem bereits oben unter I 1. 356 Dazu schon oben unter I 1 b). 357 Siehe dazu noch unter 5. 358 Art. 35a Abs. 3 Satz 1 lit. b EG-RatingVO. 359 Calliess/von Hein, Art. 4 Rome II Rn. 51; Dickinson, Rome II Regulation, Rn. 4.79; ausführlich Aubart, Behandlung der dépeçage im europäischen Internationalen Privatrecht, S. 172 ff., 176. 360 Eine Unterstellung deliktischer Ansprüche unter das konkurrierende Vertragsstatut in Fällen, in denen eine vertragliche Haftungsbeschränkung besteht, wird ganz ähnlich auch im Hongkonger IPR vertreten, vgl. Johnston, Conflict of Laws in Hong Kong, Rn. 5.417. 351
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Andererseits – und nach hier vertretener Ansicht im Ergebnis durchschlagend – muss im Rahmen von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Rom II-VO beachtet werden, dass die zivilrechtliche Haftung nach Art. 35a EG-RatingVO aus einer Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten erwächst, denen die Rating-Agentur infolge ihrer behördlichen Zulassung361 unterliegt und bei ihrer gesamten Ratingtätigkeit einheitlich zu genügen hat. Diese enge Verkoppelung von Aufsichtsrecht und Haftung – Letztere als private enforcement – streitet gegen die Regelung wichtiger Haftungsaspekte durch das jeweilige Emittentensitzrecht, weil hierdurch die Verhaltensanforderungen an die Rating-Agentur mittelbar uneinheitlich ausgestaltet würden: Rechtsbegriffe wie „grobe Fahrlässigkeit“, „gebührende Sorgfalt“, „angemessen“ oder „verhältnismäßig“, die in Art. 35a Abs. 4 EG-RatingVO dem nationalen Recht unterstellt werden, bestimmen schließlich zumindest indirekt die Sorgfaltsanforderungen, denen die Rating-Agentur zu genügen hat. Würde diese Maßstäbe jeweils unterschiedlich konkretisiert, wenn dieselbe Rating-Agentur eine Anleihe eines deutschen, eines italienischen oder aber eines schwedischen Emittenten beurteilt, so droht der Rating-Agentur die einheitliche Anwendung ihrer Ratingmethoden unmöglich zu werden, die ihr in Art. 8 Abs. 3 EG-RatingVO aufsichtsrechtlich vorgeschrieben wird. Vor dem Hintergrund der hybriden unionsrechtlichen Haftungskonzeption des Art. 35a Abs. 4 EG-RatingVO muss eine Anknüpfung an den Sitz des bewerteten Emittenten mithin ausscheiden, sodass an ihrer statt unter Rückgriff auf die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO eine einheitliche, für die gesamte Ratingtätigkeit der einzelnen Agentur geltende Anknüpfung anzustreben ist.362 cc) Anknüpfung gem. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Rom II-VO an den Sitz der zulassenden Aufsichtsbehörde? Es ist dabei zunächst an eine Anknüpfung an den Sitz der zulassenden nationalen Aufsichtsbehörde zu denken,363 weil deren Zulassungsentscheidung364 die haftungsbegründenden Zulassungsfolgepflichten schließlich erst zum Entstehen bringt. Eine solche „zulassungsakzessorische“ Anknüpfung stellt jedoch keine durchweg gangbare Lösung mehr dar, seit die Behördenzuständigkeit für Zulassungsentscheidungen auf die ESMA überging365 und dadurch diesen örtlichen Anknüpfungspunkt in einem EU-Staat entfallen ließ. Obgleich die große Mehr361
Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO. Vgl. allgemein auch Schnyder, in MünchKomm-BGB, Int. KapitalmarktR Rn. 41: „Soweit ordnungsrechtliche Folgeansprüche ihrerseits auf dem ordnungsrechtlichen Gehalt von Marktrecht beruhen, dürften sie im Zweifelsfall marktstatutsabhängig zu berufen sein, d.h. derselben Rechtsordnung unterliegen, welche ein bestimmtes Marktverhalten anordnet.“ 363 Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Rom II-VO. 364 Vgl. Art. 16 Abs. 7 EG-RatingVO. 365 Nachdem die Zuständigkeit für „Registrierungen“ nach der EG-RatingVO zunächst bei den Aufsichtsbehörden der einzelnen EU-Staaten gelegen hatte, wurde diese zum 1. Juli 2011 durch die (erste) ÄnderungsVO Nr. 513/2011 zur EG-RatingVO auf die neu geschaffene ESMA übertragen. 362
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zahl der augenblicklich registrierten Agenturen noch durch Entscheidung einer nationalen Aufsichtsbehörde zugelassen wurde, erfolgen seit 2011 sämtliche Zulassungen durch die ESMA, sodass eine zulassungsakzessorische Anknüpfung schon aus diesem Grund kein tauglicher Weg zur Bestimmung des subsidiären nationalen Rechts mehr ist. dd) Anknüpfung gem. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Rom II-VO an den Sitz der Rating-Agentur (Herkunftsmitgliedstaat) als vorzugswürdige Lösung Den Vorzug verdient in Fällen, in denen es an einer Rechtswahl der Parteien366 mangelt, daher die Anknüpfung an den satzungsmäßigen Sitz der Rating-Agentur, sodass lückenfüllend das Recht des Herkunftsmitgliedstaats367 der haftenden Agentur zur Anwendung gelangt. Diese Anknüpfung unter Nutzung der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Rom II-VO beruht auf der bereits erörterten368 Notwendigkeit, auf Haftungsfragen aus der gesamten Ratingtätigkeit einer Rating-Agentur ein und dieselbe nationale Rechtsordnung ergänzend zur Anwendung zu bringen, weil insbesondere die zu beurteilenden Sorgfaltsstandards Auswirkungen auf Verhalten und Organisation der Agentur zeitigen, deren Einheitlichkeit die EG-RatingVO verlangt.369 Zur Bewirkung dieser Einheitlichkeit ist an den Sitz der Rating-Agentur anzuknüpfen, weil der Sitz in einem EU-Staat konstitutive Voraussetzung für die Zulassungspflicht einer Rating-Agentur nach der EG-RatingVO370 und damit auch dafür ist, dass die haftungsbegründenden Verhaltens- und Organisationspflichten der EG-RatingVO überhaupt eingreifen. Die Haftung wegen Verstoßes gegen diese Pflichten ist daher als mit dem Herkunftsmitgliedstaat der Rating-Agentur nach „der Gesamtheit der Umstände“ offensichtlich enger verbunden371 anzusehen als mit dem Sitzstaat des einzelnen gerateten Emittenten. Die hier vorgeschlagene Lösung überzeugt dabei auch deshalb, weil sie eine einheitliche Anknüpfung der Haftung der Rating-Agentur gegenüber Emittenten und deren später noch zu behandelnden Haftung gegenüber Anlegern372 bietet, die in Art. 35a EG-RatingVO weitgehend identisch ausgestaltet werden und daher auch demselben lückenfüllenden Recht unterliegen sollten. Ob eine Zuwiderhandlung gegen ein und dasselbe Ver366 Emittent und Rating-Agentur können eine solche Rechtswahl in Übereinstimmung mit Art. 14 Abs. 1 lit. b Rom II-VO namentlich in ihrem Ratingvertrag treffen; diese kann dabei auch das New Yorker Recht berufen (Art. 3 Rom II-VO), sofern etwa die großen U.S.-amerikanischen Ratinggesellschaften die Ratingverträge ihrer europäischen Tochtergesellschaften einheitlich dem Recht am Sitz der Muttergesellschaft unterstellen wollen. 367 Der Begriff bezeichnet ausweislich Art. 3 Abs. 1 lit. c EG-RatingVO den EU-Mitgliedstaat, in dem sich der satzungsmäßige Sitz der Rating-Agentur befindet. 368 Oben unter bb). 369 So insbesondere durch die Vorgabe der „Beständigkeit“ der angewandten Ratingmethode in Art. 8 Abs. 3 EG-RatingVO. 370 Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO. 371 Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Rom II-VO. 372 Siehe dazu noch § 30 VII.
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bot in Anhang III zur EG-RatingVO den Emittenten oder die Anleger schädigt, wird nämlich häufig allein davon abhängen, in welche „Richtung“ ein Verhaltensmaßstab verletzt wird, weil sich dadurch entweder ein emittentenschädigendes zu negatives oder aber ein anlegerschädigendes zu positives Rating ergeben kann. Beide Fehlverhaltenskategorien sollten daher auch demselben nationalen Sorgfaltsmaßstab unterliegen.373
Die Anknüpfung an den Sitz der Rating-Agentur nimmt schließlich in Gestalt des Herkunftslandprinzips einen allgemeinen Grundsatz der unionsrechtlichen Finanzmarktregulierung auf, der sich in zahlreichen EU-Richtlinien zu diesem Bereich374 niedergeschlagen hat. Im Rahmen des Art. 35a EG-RatingVO wirkt dieser Grundsatz freilich nur im Sinne eines allgemeinen Ordnungsgedankens, weil die Durchsetzung der aufsichtsrechtlichen Verhaltensvorgaben hier in den Händen einer Unionsbehörde (der ESMA) liegt und die Verhaltenssteuerung durch zivilrechtliche Haftung, die durch Art. 35a EG-RatingVO – im Gegensatz zu anderen EU-Finanzmarkt-Richtlinien375 – von Unionsrechts wegen bezweckt wird,376 in ihren nicht unionsrechtlich geregelten Aspekten nicht ausdrücklich dem Herkunftslandsrecht unterstellt wird.377 Obwohl dem Herkunftslandsprinzip im vorliegenden Zusammenhang bislang keine Vorgaben für die kollisionsrechtliche Anknüpfung etwaiger Haftungsfolgen entnommen wurden,378 lässt sich doch der Grundsatz der Effektivität anführen, der auch bei Ausgestaltung privatrechtlicher Folgen beachtet werden muss, die das nationale Recht an aufsichtsrechtliche Pflichtenverstöße anschließt.379 Das daraus abgeleitete Verbot, die Beachtung durch das EU-Aufsichtsrecht vorgegebener Rechte und Pflichten übermäßig zu erschweren,380 streitet ebenfalls für die Anwendung des Her373 Diese Einheitlichkeit ließe sich freilich auch dadurch erreichen, dass bei Anlegerklagen zur Lückenfüllung ebenfalls auf den Sitz des gerateten Emittenten abgestellt wird (in diesem Sinne Dutta, WM 2013, 1729, 1731; Haar, DB 2013, 2289, 2294). 374 Vgl. nur Artt. 5 f. 16 f. MiFID mit Erwägungsgrund 2: „Folglich ist es erforderlich, eine Harmonisierung in dem Umfang vorzunehmen, der notwendig ist, um Anlegern ein hohes Schutzniveau zu bieten und Wertpapierfirmen das Erbringen von Dienstleistungen in der gesamten Gemeinschaft im Rahmen des Binnenmarkts auf der Grundlage der Herkunftslandaufsicht zu gestatten“ (meine Hervorhebung); Art. 3 EG-Richtlinie 2004/109/EG vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind (sog. Transparenzrichtlinie II), neu gefasst durch Änderungs-Richtlinie 2013/50/EU vom 22. Oktober 2013); aus dem Schrifttum nur Franck, BKR 2012, 1, 6 f. 375 Zur MiFID EuGH, 30.5.2013, Rs. C-604/11 – Genil 48, ZIP 2013, 1417 Tz. 57: „… die Richtlinie jedoch weder bestimmt, dass die Mitgliedstaaten vertragliche Folgen für den Abschluss von Verträgen vorsehen müssen, in denen die Verpflichtungen missachtet werden, […] noch, welche Folgen in Betracht kommen.“ 376 Dutta, WM 2013, 1729, 1732. 377 Art. 35a Abs. 4 EG-RatingVO lässt die Anknüpfung durch seine allgemeine Bezugnahme auf die „einschlägigen Bestimmungen des internationalen Privatrechts“ vielmehr gerade offen. 378 Vgl. aber allgemein Thünken, Kollisionsrechtliches Herkunftslandprinzip, S. 108 ff. 379 EuGH, 19.7.2012, Rs. C-591/10 – Littlewood Retails, DB 2012, 1903 Tz. 27 (zu EG-Umsatzsteuerrichtlinien); EuGH, 30.5.2013, Rs. C-604/11 – Genil 48, ZIP 2013, 1417 Tz. 57 (zur MiFID); BGH, 17.9.2013, ZIP 2013, 2001 Tz. 28 („Lehman Brothers IV“). 380 Vgl. EuGH, 19.7.2012, Rs. C-591/10 – Littlewood Retails, DB 2012, 1903 Tz. 28.
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kunftsmitgliedstaatsrechts, weil ein Rückgriff auf divergierende Emittentensitzrechte eine einheitliche Beachtung der Pflichten aus Anhang III zur EG-RatingVO übermäßig erschweren würde.
2. Personeller Anwendungsbereich: Haftung nur europäischer Rating-Agenturen Mit der Konzeption des Art. 35a EG-RatingVO, der zivilrechtliche Haftungsfolgen an die Verletzung aufsichtsrechtlicher Zulassungsfolgepflichten anschließt, geht ein beschränkter personeller Anwendungsbereich der Vorschrift einher. Obgleich ihr Wortlaut („Hat eine Ratingagentur …“) auf den ersten Blick die potentielle Haftung jeder Rating-Agentur anzuordnen scheint, betrifft sie tatsächlich nur nach der EG-RatingVO „registrierte“381 Agenturen, wie sich aus der Legaldefinition des Begriffs „Ratingagentur“382 sowie dem geltungsbereichsbestimmenden Art. 2 Abs. 1 EG-RatingVO383 ergibt.384 Diese Voraussetzung hat zur Folge, dass Schadensersatzansprüche auf Grundlage von Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO von vornherein nur gegen Rechtspersönlichkeiten mit Sitz in der EU in Frage kommen, weil nur solche Rating-Agenturen sich überhaupt nach der EG-RatingVO registrieren können.385 Damit scheiden die beiden U.S.-amerikanischen Konzernmütter Moody’s und Standard & Poor’s als Anspruchsgegner aus,386 weil nur deren Tochtergesellschaften mit Satzungssitz in EU-Staaten bei der ESMA registriert sind. Diese haften (nur) dann auch für Pflichtverletzungen ihrer U.S.-amerikanischen Mütter, wenn sie das von der Mutter erstellte Drittlandrating „übernommen“ (endorsed) haben, denn es gilt damit als Rating der übernehmenden Rating-Agentur,387 für das diese „uneingeschränkt verantwortlich“388 ist.389 Die daraus resultierende Haftungsgefahr schafft einen Anreiz für die europäischen Tochtergesellschaften, künftig von einer Ratingübernahme abzusehen, dessen Stärke von der wirtschaftlichen Bedeutung der Regulierungsfunktion abhängt: Bewegt bereits der Nutzen des Ratings als Marktinformation die Emittenten zur Erteilung von Ratingaufträgen, so ist die formelle Übernahme fremder (wenngleich konzernzugehöriger) Ratings aus 381 Siehe zur „Registrierungspflicht“ des Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO, bei der es sich nach hier verwandter Diktion um ein Zulassungserfordernis handelt, bereits in § 22 II 2. 382 Art. 3 Abs. 1 lit. b EG-RatingVO: „Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck […] ‚Ratingagentur‘ eine Rechtspersönlichkeit, deren Tätigkeit die gewerbsmäßige Abgabe von Ratings umfasst“. 383 Art. 2 Abs. 1 EG-RatingVO: „Diese Verordnung gilt für Ratings, die von in der Gemeinschaft registrierten Ratingagenturen abgegeben und der Öffentlichkeit bekannt gegeben oder an Abonnenten weitergegeben werden.“ 384 Dutta, WM 2013, 1729, 1732; ders., IPRax 2014, 33, 40. 385 Siehe Art. 14 Abs. 1 EG-RatingVO. 386 Dutta, WM 2013, 1729, 1732; ders., IPRax 2014, 33, 40. 387 Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 EG-RatingVO. 388 Art. 4 Abs. 5 EG-RatingVO. 389 Dutta, WM 2013, 1729, 1732; ders., IPRax 2014, 33, 40.
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Sicht europäischer Rating-Agenturen überflüssig, weil diese allein für die Regulierungsfunktion des Ratings von Bedeutung ist.390 Verlangen europäische Investoren dagegen auch die Nutzbarkeit von Drittlandratings zu regulatorischen Zwecken, so ist eine Übernahme ökonomisch sinnvoll. Im Haftungsfall liegt die praktische Spitze des begrenzten personellen Anwendungsbereichs des Art. 35a EG-RatingVO darin, dass der klagende Emittent beweisen muss, dass das Rating von einer europäischen Ratingtochter und nicht deren U.S.-amerikanischen Muttergesellschaft veröffentlicht oder aber von ersterer übernommen wurde. Diese Beweisführung wird ihm bei beauftragten Ratings noch möglich sein, sofern er den Ratingvertrag mit einer europäischen Rating-Agentur abgeschlossen hat; bei unbeauftragten Ratings und bei Klagen von Anlegern391 kann der Nachweis deutlich schwerer fallen, weil i.d.R. weder im Ratingkürzel noch im begleitenden Ratingbericht die erstellende Rechtspersönlichkeit spezifiziert wird.392
Bei Ratings einer nach Art. 5 EG-RatingVO zertifizierten Rating-Agentur aus einem Nicht-EU-Staat scheidet eine Haftung dagegen von vornherein aus, weil hier keine nach der EG-RatingVO registrierte Rating-Agentur involviert ist.393
3. Haftungsbegründende Pflichtverletzung Die Haftung einer Rating-Agentur nach Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO setzt zunächst voraus, dass die Agentur eine der in Anhang III zur EG-RatingVO aufgeführten Zuwiderhandlungen begangen und diese sich auf das Rating des Emittenten oder eines seiner Finanzinstrumente ausgewirkt hat. Sie vermeidet damit sowohl die oben394 im Zusammenhang mit der vertragsrechtlichen Ratinghaftung erörterten Schwierigkeiten, die jedes Abstellen auf die „Falschheit“ eines Ratings aufwirft,395 als auch die problematische Herleitung „stillschweigend“ vereinbarter Sorgfaltspflichten.396 a) Verstoß der Rating-Agentur gegen Anhang III zur EG-RatingVO Stattdessen benennt Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO als haftungsbegründenden Umstand die Begehung einer in Anhang III zur EG-RatingVO aufgeführten Zuwiderhandlung durch die Rating-Agentur. Die Funktion der zivilrechtlichen Haftungsbegründung, die auf dogmatischer Grundlage einer ergänzenden Ver-
390 Art. 4 EG-RatingVO bezieht sich in seiner Gesamtheit nur auf die Verwendung von Ratings für aufsichtsrechtliche Zwecke, wie sich aus Abs. 1 der Vorschrift ergibt. 391 Siehe noch § 30 VII. 392 Siehe zu diesem Umstand bereits § 26 III 1 b). 393 Dutta, WM 2013, 1729, 1732; ders., IPRax 2014, 33, 40. 394 Siehe oben I 2 a). 395 Vgl. dazu Erwägungsgrund 33 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO: „… und die Anwendung verschiedener Methoden kann zu unterschiedlichen Ratings führen, von denen keines als falsch angesehen werden kann.“ 396 Dazu oben unter I 2 b) bb).
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tragsauslegung oben397 noch abgelehnt wurde, wird dem aufsichtsrechtlichen Folgepflichtenregime der EG-RatingVO hier also von Gesetzes wegen zugewiesen. Allerdings lässt Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO nicht jede Verletzung in der EG-RatingVO398 normierter (und oben im Text399 systematisch aufgefächerter) Organisations- und Verhaltenspflichten genügen, sondern verlangt einen in Anhang III aufgelisteten Pflichtenverstoß. Anhang III zur EG-RatingVO benennt in seiner originären Funktion die Zuwiderhandlungen, die Anlass für aufsichtsrechtliche Sanktionen durch die ESMA (Aufsichtsmaßnahmen und Geldbußen) sein können,400 und enthält zu diesem Zweck eine außerordentlich umfangreiche Aufzählung sanktionsfähiger Verstöße gegen in der EG-RatingVO statuierte Pflichten. Dass die zivilrechtliche Haftung also an das aufsichtsrechtliche Sanktionenregime anknüpft, belegt zum einen ihren Charakter als private enforcement-Regelung401 und lässt zum anderen eine einfache Abgrenzbarkeit der haftungsauslösenden Tatbestände erhoffen, weil Geldbußenregelungen auch nach europäischem Recht dem Bestimmtheitsgrundsatz402 genügen müssen. (Ob diese Hoffnung berechtigt ist, erscheint freilich unsicher, da die aufgeführten Zuwiderhandlungstatbestände zahlreiche unbestimmte und auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe enthalten.) b) Kausale Auswirkung des Verstoßes auf ein Rating Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO lässt eine solche Zuwiderhandlung allein im Übrigen nicht genügen, sondern verlangt des Weiteren, dass „sich diese auf ein Rating ausgewirkt“ hat.403 Da der Begriff „Rating“ eine Doppelbedeutung besitzt und sowohl den Bonitätsbeurteilungsvorgang und als auch deren Ergebnis bezeichnen kann,404 mag man auf den ersten Blick zweifeln, ob der Verstoß sich lediglich auf das Ratingverfahren oder – enger – das an dessen Ende stehende Ratingergebnis ausgewirkt haben muss. Dass Letzteres richtig ist, ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 lit. c EG-RatingVO, der „Rating“ für die Zwecke der Verordnung als Bonitätsurteil, also Ratingergebnis definiert.405 Die Zuwiderhandlung gegen einen aufsichtsrechtlichen Verbotstatbestand muss sich folglich kausal in einem abweichenden Ratingergebnis niederschlagen, um haftungsbegründend zu wirken. 397
Siehe oben I 2 b) bb) (2) (b). Artt. 6 ff. i.V.m. Anhang I zur EG-RatingVO. 399 Siehe § 25. 400 Vgl. Art. 24 Abs. 1 (zu Aufsichtsmaßnahmen wie den Widerruf der Registrierung, vorübergehende Ratingverbote etc.) und Art. 36a Abs. 1 (zu Geldbußen) EG-RatingVO. 401 Siehe schon oben unter IV 1. 402 Nach h.M. ist dieser Grundsatz sowohl enthalten in Art. 49 Abs. 1 GR-Charta (Jarass, Art. 49 GR-Charta Rn. 11) als auch in Art. 7 Abs. 1 EMRK (Meyer-Ladewig, Art. 7 EMRK Rn. 7). 403 Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1 EG-RatingVO. 404 Siehe dazu schon § 1 I. 405 Wojcik, NJW 2013, 2385, 2387. 398
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c) Verstöße gegen Anhang III und ihre potentielle Ratingergebnisrelevanz im Überblick Nach dem Gesagten muss eine Zuwiderhandlung gegen Anhang III zumindest geeignet sein, sich auf konkrete Ratingergebnisse auszuwirken, um überhaupt als haftungsbegründende Pflichtverletzung in Frage zu kommen. Nicht wenigen der in Anhang III gelisteten Pflichtverstöße dürfte diese grundsätzliche Eignung von vornherein fehlen.406 Ordnet man nach dem Gegenstand der aufsichtsrechtlichen Pflicht, so lassen sich folgende Gruppen unterscheiden: aa) Verstöße gegen Informationspflichten gegenüber der ESMA oder gegen Publizitätspflichten Anhang III listet zum einen in seinem Abschnitt II („Verstöße im Zusammenhang mit Aufsichtstätigkeiten“) insgesamt zwölf Verstöße gegen Informationspflichten gegenüber der ESMA407 und zum anderen in seinem Abschnitt III („Verstöße im Zusammenhang mit Vorschriften zur Offenlegung“) 14 Verstöße gegen Publizitätspflichten408 auf, die wohl durchgehend keine identifizierbaren Folgen für Ratingergebnisse zeitigen können. So dürfte eine Ratingeinstufung kaum dadurch beeinflusst werden, dass die Rating-Agentur aufzubewahrende Aufzeichnungen und Prüfungspfade nicht mindestens fünf Jahre lang in ihren Räumlichkeiten aufbewahrt409 oder der ESMA bestimmte Informationen nicht in dem richtigen Format zur Verfügung stellt;410 verkompliziert würde hierdurch allein die Überwachungstätigkeit der ESMA. Entsprechendes gilt, sofern eine Rating-Agentur die bei ihrer Ratingtätigkeit verwendeten Methoden, Modelle und grundlegenden Annahmen vorschriftenwidrig nicht offenlegt,411 weil dadurch zwar die Einschätzung der veröffentlichten Ratings durch die Anleger und ggfs. deren kritische Hinterfragung412 erschwert, nicht aber die Bonitätseinstufung selbst verändert wird. bb) Verstöße gegen überwachungsbezogene Organisationspflichten Unter den übrigen, im deutlich umfangreicheren Abschnitt I („Verstöße im Zusammenhang mit Interessenkonflikten, organisatorischen oder operationellen Anforderungen“) zusammengefassten Zuwiderhandlungen lassen sich zunächst Verstöße gegen Pflichteninhalte identifizieren, die letztlich auf eine Erleichterung der behördlichen Überwachung durch die ESMA zielen und daher eine Nähe zu
406
Wojcik, NJW 2013, 2385, 2387. Anh. III Abschn. II Nr. 1–8 EG-RatingVO. 408 Anh. III Abschn. III Nr. 1–11 EG-RatingVO. 409 Anh. III Abschn. II Nr. 2 EG-RatingVO. 410 Anh. III Abschn. II Nr. 4a EG-RatingVO. 411 Anh. III Abschn. III Nr. 3 EG-RatingVO. 412 Zu diesem Ziel der zahlreichen „Transparenzpflichten“ der EG-RatingVO bereits § 23 III 3 a) und § 25 III 1 a). 407
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den soeben erwähnten413 Verstößen nach Abschnitt II aufweisen. Zu nennen sind etwa Fälle, in denen die Rating-Agentur wichtige betriebliche Aufgaben in einer Weise auslagert, dass die Qualität ihrer internen Kontrolle und (namentlich) die Überprüfungsmöglichkeiten der ESMA wesentlich beeinträchtigt werden,414 oder in denen nach Widerruf der Registrierung der Rating-Agentur bestimmte Aufzeichnungen nicht mindestens drei weitere Jahre lang aufbewahrt werden415 – auch hier fehlt ersichtlich der Bezug zu einzelnen Ratings. cc) Verstöße gegen ratingerstellungsferne allgemeine Organisationspflichten Weitere Zuwiderhandlungen nach Abschnitt I betreffen allgemeine Organisationspflichten, deren Verletzung in der Regel ebenfalls ohne feststellbare Folgen für einzelne Ratings bleiben wird. So liegt es etwa, wenn die Rating-Agentur kein Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan einsetzt,416 nicht die erforderliche Anzahl unabhängiger Mitglieder für dieses Organ ernennt417 oder nicht sicherstellt, dass diese Mitglieder in regelmäßigen Abständen dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan oder auf Verlangen der ESMA die vorgeschriebenen Stellungnahmen zu bestimmten Fragen vorlegen.418 Auch eine unzureichende Sicherstellung, dass ihre Mitarbeiter alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um das Eigentum und die Aufzeichnungen im Besitz der Agentur vor Betrug, Diebstahl oder Missbrauch zu schützen,419 oder das Fehlen einer soliden Buchführung420 begründen keine Schadensersatzhaftung gegenüber einzelnen Emittenten.421 dd) Verstöße gegen ratingerstellungsferne Verhaltenspflichten Die Lage stellt sich ähnlich dar, wo die EG-RatingVO die Rating-Agentur konkreten Verhaltensanforderungen unterwirft, denen es jedoch an inhaltlicher Nähe zur Ratingerstellung fehlt – auch hier kann ein Pflichtenverstoß zwar aufsichtsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen, bleibt aber typischerweise ohne Folgen für einzelne Ratingeinstufungen. Der Fall ist dies etwa dann, wenn eine Rating-Agentur „den Namen der ESMA oder einer zuständigen Behörde in einer Weise nennt“, die vermuten lässt oder nahelegt, dass ihre Ratings oder ihre Ratingtätigkeiten von der ESMA oder einer zuständigen Behörde gebilligt oder genehmigt wurden,422 wenn sie für die Erfüllung ihrer umfangreichen Transparenzpflichten423 Gebühren in Rechnung stellt424 oder nicht sicherstellt, dass ihre Mit413 414 415 416 417 418 419 420 421 422 423 424
Unter aa). Anh. III Abschn. I Nr. 50 EG-RatingVO. Anh. III Abschn. I Nr. 26 EG-RatingVO. Anh. III Abschn. I Nr. 3 EG-RatingVO. Anh. III Abschn. I Nr. 6 EG-RatingVO. Anh. III Abschn. I Nr. 10 EG-RatingVO. Anh. III Abschn. I Nr. 29 EG-RatingVO. Anh. III Abschn. I Nr. 12 EG-RatingVO. Wojcik, NJW 2013, 2385, 2387. Anh. III Abschn. I Nr. 52 EG-RatingVO. Siehe zu diesen bereits § 25 III. Anh. III Abschn. I Nr. 53 EG-RatingVO.
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arbeiter keine vertraulichen Emittenteninformationen weitergeben425 und die Auswirkungen veränderter gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen und veränderter Bedingungen auf den Finanzmärkten überwacht werden.426 Hierher wird man auch das bemerkenswerte Verbot zu zählen haben, als Teil von Länderratings „politische Empfehlungen, Auflagen oder Leitlinien“ an staatliche Einheiten zu richten:427 Ungeachtet dessen, dass dieses Verbot schon infolge seiner Unvereinbarkeit mit der europäischen Medien- und Meinungsäußerungsfreiheit unangewandt bleiben muss,428 bezieht es sich nicht auf das Zustandekommen der Ratingeinstufung, sondern soll politische Entscheidungsträger vor unerwünschten Ratschlägen von Seiten der Rating-Agenturen bewahren. Eine Haftung nach Art. 35a EG-RatingVO wird durch ein diesbezügliches pflichtwidriges Verhalten daher jedenfalls in der Regel nicht begründet. ee) Verstöße gegen ratingerstellungsbezogene Organisationsund Verhaltenspflichten Potentiell haftungsbegründende Zuwiderhandlungen enthält Anhang III letztlich dort, wo aufsichtsrechtliche Vorgaben – die ausweislich des programmatischen Art. 23 EG-RatingVO ja eigentlich „keinen Einfluss auf den Inhalt der Ratings oder die Methoden“ ausüben sollen429 – eben doch Pflichtensätze aufstellen, die dem zumindest sehr nahe kommen. Dies erscheint dort noch unsicher, wo Verbotstatbestände die Verletzung von Organisations- oder Verhaltenspflichten sanktionieren, die zwar ein ordnungsgemäßes Ratingverfahren bewirken sollen, aber einen generalpräventiven Einschlag besitzen: So bleibt zweifelhaft, ob eine Rating-Agentur dann, wenn sie keine geeigneten Verfahren beschließt, umsetzt und durchsetzt, um sicherzustellen, dass von ihr abgegebene Ratings und Ratingausblicke auf einer gründlichen Analyse aller Informationen basieren, die ihr zur Verfügung stehen und für ihre Analyse nach den anwendbaren Ratingmethoden von Bedeutung sind430 oder keine Ratingmethoden anwendet, die streng, systematisch und beständig sind und einer Validierung unterliegen, die auf historischen Erfahrungswerten, insbesondere Rückvergleichen, beruht,431 dadurch in concreto einzelne ihrer Ratingeinstufungen beeinflusst. Die voraussichtlich wichtigsten Zuwiderhandlungen dürften daher diejenigen sein, die sich nicht auf die Erstellung von Erstratings, sondern die Anpassung bereits veröffentlichter Ratings beziehen, wurde doch in der Vergangenheit die große Mehrzahl von Haftungsverfahren auf diesbezügliche Versäumnisse der Rating-Agenturen gestützt. Zur Haftung mag es daher kommen, wenn eine 425 426 427 428 429 430 431
Anh. III Abschn. I Nr. 34 EG-RatingVO. Anh. III Abschn. I Nr. 47 EG-RatingVO. Anh. III Abschn. I Nr. 58 EG-RatingVO. Dazu § 25 VII 4 b) bb) (2). Siehe dazu schon § 23 III 3 a). Anh. III Abschn. I Nr. 42 EG-RatingVO. Anh. III Abschn. I Nr. 43 EG-RatingVO.
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Agentur nicht unverzüglich prüft, ob Gründe für die Durchführung eines neuen Ratings oder den Widerruf eines bestehenden Ratings oder Ratingausblicks vorliegen,432 obgleich vernachlässigte Gründe für eine Anhebung eines Ratings (die zur hier erörterten Haftung gegenüber dem Emittenten führen könnten) vermutlich seltener vorgetragen werden als übersehene Gründe für ein Downgrade, welche die gleichsam gegenläufige Haftung gegenüber vertrauenden Investoren433 eröffnen. Als praktisch noch bedeutsamer dürften sich Verstöße erweisen, die Pflichten zur Korrektur und konsequenten Anwendung von Ratingmodellen betreffen, die insbesondere beim Rating komplexer Finanzinstrumente eine tragende Rolle spielen:434 Hat eine Rating-Agentur die von einer Änderung ihrer verwendeten Methoden, Modelle oder grundlegenden Annahmen betroffenen Ratings nicht überprüft oder diese nicht in der Zwischenzeit unter Beobachtung gestellt,435 hat sie keine Neubeurteilung hinsichtlich aller Ratings, die anhand von geänderten Methoden, Modellen oder grundlegenden Annahmen erstellt wurden, in den Fällen durchführt, in denen das Zusammenwirken der Änderungen Auswirkungen auf diese Ratings hat,436 oder hat sie im Falle von Fehlern in den Ratingmethoden oder bei deren Anwendung, die ein Rating beeinflusst haben, kein neues Rating durchführt,437 so wird sich ein solcher Verstoß regelmäßig auf ein Rating „ausgewirkt“ haben.
4. Beweislast für die Pflichtverletzung Der für die Praxis entscheidende Gesichtspunkt ist die Verteilung der Beweislast für die Pflichtverletzung der Rating-Agentur, mit deren Ausgestaltung die Erfolgsaussicht von Emittentenklagen steht und fällt. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen der Beweislast für den Verstoß der Agentur gegen Anhang III der EGRating-VO einerseits und für die Auswirkung dieses Verstoßes auf das Ratingergebnis andererseits, die in Art. 35a Abs. 2 Unterabs. 1 EG-RatingVO beide dem klagenden Emittenten auferlegt werden.438 Dieser hat dabei zu beiden Beweisgegenständen sogar „genaue und detaillierte Informationen“ vorzulegen, bei deren Beurteilung das Gericht immerhin zu berücksichtigen hat, dass der Emittent möglicherweise keinen Zugang zu Informationen hat, die allein in der Sphäre der Ratingagentur stehen439 – eine Absenkung des Substantiierungsmaßstabs für den 432
Anh. III Abschn. I Nr. 21 EG-RatingVO. Siehe dazu noch § 30 VII. 434 Siehe schon § 10 IV 1 a). 435 Anh. III Abschn. I Nr. 48 EG-RatingVO. 436 Anh. III Abschn. I Nr. 49 EG-RatingVO. Vgl. zur Haftungsrelevanz entsprechender Unterlassungen (allerdings nach U.S.-amerikanischem Recht) etwa Donahue, 27 Am. Bankr. Inst. J. (Oct. 2008), 12; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 550. 437 Anh. III Abschn. I Nr. 49a EG-RatingVO. 438 Zusätzlich muss der Emittent gemäß Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 3 EG-RatingVO noch beweisen, dass das beeinflusste Rating sich auf ihn oder seine Finanzinstrumente bezieht – dies wird ihm regelmäßig keine Schwierigkeiten bereiten. 439 Art. 35a Abs. 2 Unterabs. 2 EG-RatingVO. 433
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klägerischen Vortrag,440 welche Beweisprobleme des Emittenten vermutlich nicht entscheidend mindert. Es wird daher verbreitet angenommen, dass die Ratinghaftung nach Art. 35a EG-RatingVO der Beweislastverteilung wegen weitgehend leerlaufen wird.441 Die Bedeutung der Beweislastfrage war dem Unionsgesetzgeber dabei sehr bewusst und hatte deren kontroverse Behandlung im Gesetzgebungsverfahren zur Folge. Der Kommissionsvorschlag zum heutigen Art. 35a EG-RatingVO hatte nämlich noch weitgehende Beweiserleichterungen zugunsten klagender Geschädigter442 vorgesehen, indem er eine bloße Glaubhaftmachung von Tatsachen genügen ließ, die auf einen Verstoß gegen Anhang III schließen lassen,443 und – vor allem – eine begrenzte Vermutung für die kausale Auswirkung des Verstoßes auf das Ratingergebnis aufgestellt hatte.444 Diese Regelungen waren teils als nicht weitgehend genug eingestuft worden, weil der typische Kläger schon keinen Zugang zu Tatsachen habe, die ihm eine Glaubhaftmachung eines Pflichtverstoßes erlauben würde.445 Teils waren die Vorschriften demgegenüber als zu weitgehend kritisiert worden, weil die Widerlegung eines behaupteten Verstoßes durch die Rating-Agentur eine weitreichende Offenlegung von Methodik und Modellen, letztlich also die Preisgabe proprietären Know-hows verlangt hätte446 oder die Kausalitätsvermutung bei manchen der in Anhang III aufgeführten Pflichtverstöße nicht plausibel war,447 womit die oben aufgezeigten448 Unterschiede zwischen verschiedenen Zuwiderhandlungstypen ignoriert worden wären. Im Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens kam es sodann zur Streichung der vorgeschlagenen Beweiserleichterungen, sodass sich die Beweisbelastung des Emittenten im Anwendungsbereich des Art. 35a EG-RatingVO letztlich ähnlich darstellt wie bei Klagen aufgrund nationalen Vertrags- und Deliktsrechts.449
Im Rahmen der Beweisführung durch Emittenten oder Anleger450 dürften sich im Ergebnis jedoch Unterschiede zwischen verschiedenen Zuwiderhandlungsty440
Wojcik, NJW 2013, 2385, 2388. In diesem Sinne Haar, DB 2013, 2489, 2494; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 471; Wojcik, NJW 2013, 2385, 2388. 442 Dass der Kommissionsvorschlag Beweislastregeln nur zugunsten von Anlegern (und nicht auch Emittenten) anordnete, lag daran, dass er zunächst überhaupt nur die Haftung von RatingAgenturen gegenüber Anlegern geregelt hatte, die erst im Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens zu einem einheitlichen Haftungskonzept auch Emittenten gegenüber ausgebaut wurde. 443 Art. 35a Abs. 4 EG-RatingVO in der Fassung des Kommissionsvorschlages zur ÄnderungsVO: „Kann ein Anleger Tatsachen glaubhaft machen, die darauf schließen lassen, dass eine Ratingagentur eine der in Anhang III aufgeführten Zuwiderhandlungen begangen hat, so ist es an der Ratingagentur zu beweisen, dass sie diese Zuwiderhandlung nicht begangen hat oder dass sich diese Zuwiderhandlung nicht auf das abgegebene Rating ausgewirkt hat.“ 444 Art. 35a Abs. 2 EG-RatingVO in der Fassung des Kommissionsvorschlages zur ÄnderungsVO: „Es wird davon ausgegangen, dass sich eine Zuwiderhandlung auf ein Rating ausgewirkt hat, wenn sich das von der Ratingagentur abgegebene Rating von dem Rating unterscheidet, das abgegeben worden wäre, wenn die Ratingagentur die Zuwiderhandlung nicht begangen hätte.“ 445 Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 490. 446 Haar, DB 2013, 2489, 2492; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 470. 447 Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 490. 448 Oben unter 3 c). 449 Dazu schon oben I.–III. 450 Dazu noch § 30 VII. 441
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pen zeigen, weil bei bestimmten Pflichtverstößen jedenfalls die kausale Auswirkung auf das Ratingergebnis schlicht näher liegt: So ist durchaus realistisch, dass etwa bei einem mathematischen Modellfehler451 die Beeinflussung der modellbasiert ermittelten Ratingeinstufungen für den Richter mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit452 feststehen wird. Dies enthebt den Kläger allerdings nicht der Notwendigkeit, zunächst das Vorliegen des Modellfehlers darzulegen und zu beweisen, sodass seine Position nach Art. 35a EG-RatingVO im Ergebnis prekär bleibt.
5. Haftungsausschlüsse im Ratingvertrag und deren Wirksamkeit Die im Text453 bereits behandelte Wirksamkeit ratingvertraglicher Haftungsausschlüsse zugunsten der Rating-Agenturen wird im Rahmen des Art. 35a EG-RatingVO davon abhängig gemacht, dass die Haftungsbeschränkung sowohl angemessen und verhältnismäßig454 als auch nach dem anwendbaren nationalen Recht zulässig455 ist.456 Da auch der gesondert vorangestellte Maßstab „angemessen und verhältnismäßig“ jedoch nicht etwa unionsrechtsautonom, sondern nach Maßgabe nationalen Rechts auszufüllen ist,457 untersteht die Wirksamkeitsfrage damit schlicht nationalem Recht, sodass auf das oben hierzu Gesagte verwiesen werden kann.
6. Verschuldensmaßstab: Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Rating-Agentur Die Haftung der Rating-Agentur setzt in subjektiver Hinsicht schließlich voraus, dass die Zuwiderhandlung gegen das aufsichtsrechtliche Verbot vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen wurde.458 Der Unionsgesetzgeber hat sich mit diesem Verschuldensmaßstab bewusst gegen eine allgemeine Fahrlässigkeitshaftung für reine Vermögensschäden entschieden.459 Die Begriffe „Vorsatz“ und „grobe Fahrlässigkeit“ werden allerdings – anders als noch im Kommissionsvorschlag460 451
Zum diesbezüglichen Modellrisiko bereits § 10 IV 1 a). So zu § 286 ZPO die bekannte Formel aus BGH, 17.2.1970, BGHZ 53, 245, 256 („Anastasia“). 453 Oben I 4. 454 Art. 35a Abs. 3 Satz 1 lit. a EG-RatingVO. Dazu Dutta, WM 2013, 1729, 1735: „etwas rätselhafte Regelung …“. 455 Art. 35a Abs. 3 Satz 1 lit. b EG-RatingVO. 456 Die genannten Anforderungen beziehen sich zwar nur auf Haftungsbeschränkungen „im Voraus“, erfassen damit aber faktisch alle Vereinbarungen dieser Art, weil Haftungsbeschränkungen aus naheliegenden Gründen nie im Nachhinein vereinbart werden. 457 So Art. 35a Abs. 4 Satz 1 EG-RatingVO. 458 Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1 EG-RatingVO. 459 Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 488 (zum Kommissionsvorschlag). 460 Art. 35a Abs. 3 EG-RatingVO in der Fassung des Kommissionsvorschlages lautete: „Eine Ratingagentur handelt grob fahrlässig, wenn sie ihr mit dieser Verordnung auferlegte Pflichten gröblich vernachlässigt.“ 452
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– nicht durch die EG-RatingVO definiert, sondern wiederum dem anwendbaren nationalen Recht unterstellt.461 Soweit deutsches Sachrecht Anwendung findet, führt die Haftung gemäß Art. 35a EG-RatingVO damit nur geringfügig über das nach § 826 BGB schon heute geltende Haftungsniveau hinaus.462 Bei rechtsvergleichender Betrachtung fällt dabei ins Auge, dass die hybride europäische Ratinghaftung mit der „groben Fahrlässigkeit“ einen Verschuldensmaßstab verwendet, der mit einiger Wahrscheinlichkeit unterhalb des „actual malice“-Standards des U.S.-amerikanischen First Amendment463 anzusiedeln sein wird (es sei denn, das ergänzend anwendbare nationale Recht definiert den Begriff außerordentlich streng). Das damit zu konstatierende Unterschreiten des Institutionsschutzstandards des U.S.-amerikanischen Rechts wirkt sich freilich nicht aus, wenn man die Haftung nach Art. 35a EG-RatingVO – wie hier464 vertreten – von vornherein auf in der EU ansässige Rating-Agenturen beschränkt sieht, weil das First Amendment keinen extraterritorialen Geltungsanspruch erhebt.465 Geht man hingegen von einer Anwendbarkeit des Art. 35a EG-RatingVO auch auf Rating-Agenturen aus den U.S.A. aus, so wird relevant, dass diese durch den SPEECH Act und den Libel Terrorism Protection Act vor der Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen geschützt sind.466 Da der von diesen Gesetzen verlangte, eine Vollstreckbarkeit in New York eröffnende Mindestschutzstandard des ausländischen Sachrechts – „at least as much protection“ des sich Äußernden wie nach dem Recht der U.S.A.467 – von Art. 35a EGRatingVO wohl nicht gewahrt wird, erscheint naheliegend, dass jedenfalls die Durchsetzung dieser europäischen Ratinghaftung in der dann wichtigsten Beklagtenkonstellation an der mangelnden Vollstreckbarkeit entsprechender Urteile in den U.S.A. scheitern würde. Letzterer Schluss ist freilich unsicher, weil die genannten U.S.-amerikanischen Presseschutzgesetze sich auf Klagen wegen (allerdings bewusst weit definierter) defamation beziehen, während die Haftung nach Art. 35a EG-RatingVO an die Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten anknüpft. Dass die Vollstreckbarkeitshürde trotz dieses dogmatischen Unterschiedes auch Verurteilungen auf Grundlage der EG-RatingVO erfassen könnte, liegt vor allem an der erklärten Ausrichtung ihres Schutzzwecks am First Amendment, das Presseunternehmen seinerseits auch gegenüber Verhaltens- und Organisationspflichten schützt, wie die U.S.-amerikanische Rechtsprechung zu Emittentenklagen gegen
461
Art. 35a Abs. 4 Satz 1 EG-RatingVO. Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 489. 463 Dazu bereits § 21 II 2 c) cc). 464 Oben 2. 465 Haben Emittent und europäische Rating-Agentur in Übereinstimmung mit Art. 14 Abs. 1 lit. b Rom II-VO eine Rechtswahl zugunsten des Rechts eines U.S.-Gliedstaates getroffen, so gelangt der Mindestverschuldensmaßstab des First Amendment auf diesem Wege zum Zuge. 466 Siehe § 26 III 2. 467 28 U.S.C. § 4102(a)(1)(A) (in der Fassung des § 3(a) SPEECH Act); § 5304(b)(8) New York Civil Practice Law and Rules (in der Fassung des § 2 Libel Terrorism Protection Act). 462
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Rating-Agenturen mehrfach feststellen konnte.468 Zudem wurde Art. 35a EG-RatingVO erklärtermaßen auch für Fälle geschaffen, in denen die Herabstufung eines Ratings „negative Auswirkungen auf das Ansehen“ des Emittenten hat469 – ein Sachverhalt, der unproblematisch auch vom defamation-Begriff des SPEECH Act erfasst wird und den sachlichen Überschneidungsbereich der europäischen und U.S.-amerikanischen Vorschriften belegt. Geht man allerdings richtigerweise davon aus, dass schon der personelle Anwendungsbereich des Art. 35a EG-RatingVO U.S.-amerikanische Rating-Agenturen gar nicht erfasst,470 werden die beschriebenen Konflikte bereits dadurch vermieden.
7. Ersatzfähiger Schaden des Emittenten Sind die Haftungsvoraussetzungen des Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO in concreto erfüllt, kann der Emittent von der Rating-Agentur Ersatz für den Schaden verlangen, der ihm aufgrund des durch die Zuwiderhandlung beeinflussten Ratings entstanden ist. Dies gilt, obwohl der Normwortlaut471 explizit nur eine Kausalität zwischen Zuwiderhandlung und ersatzfähigem Schaden, nicht aber zwischen Ratingergebnis und Schaden verlangt, denn der Unionsgesetzgeber wollte nach dem erkennbaren Regelungsziel der Haftungsvorschrift nur den Ersatz durch das Rating vermittelter Schäden anordnen.472 Im Übrigen wird eine Pflichtverletzung der Rating-Agentur den Emittenten überhaupt nur dann schädigen können, wenn sie nach außen sichtbare Folgen gezeigt hat, was regelmäßig nur in Gestalt einer beeinflussten Ratinghöhe möglich ist. Die Beweislast für die Verursachung des Schadens durch das fehlerhaft erstellte Rating trägt der Emittent, der sich wiederum erheblichen Beweisschwierigkeiten gegenübersehen kann.473 Schadensersatzinhalt und -umfang bestimmen sich ausweislich Art. 35a Abs. 4 EG-RatingVO nach dem subsidiären Haftungsstatut, bei deutschem Sachrecht also nach §§ 249 ff. BGB (inklusive § 254 BGB).474
8. Ergebnis Der Versuch des Unionsgesetzgebers, Emittenten wie auch Anlegern475 durch eine hybride Haftungsnorm476 einen Schadensersatzanspruch gegen RatingAgenturen zu verschaffen, kann im Ergebnis kaum als erfolgsversprechend eingestuft werden. Dies liegt zunächst am begrenzten Anwendungs- und Rege468 Siehe schon oben I 2 b) bb) (1) im Zusammenhang mit Haftungsklagen auf vertraglicher Grundlage. 469 So Erwägungsgrund 32 zur ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 470 Siehe oben 2. 471 Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1 EG-RatingVO. 472 Dutta, WM 2013, 1729, 1734; Wojcik, NJW 2013, 2385, 2387. 473 Ulfbeck, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 309, 318. 474 Dutta, WM 2013, 1729, 1735. 475 Siehe zur Ratinghaftung nach Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO gegenüber Anlegern noch § 30 VII. 476 Zur dogmatischen Konzeption des Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO oben unter 1 a).
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lungsbereich des Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO, der sich von vornherein nur gegen in der EU behördlich registrierte Rating-Agenturen richtet477 und damit die großen U.S.-amerikanischen Agenturen Moody’s und Standard & Poor’s gar nicht erfasst, obgleich deren Ratings statistisch auch in Europa das hauptsächliche Schädigungspotential zukommen dürfte. Die Vorschrift normiert ihre Haftungsvoraussetzungen zudem nur teilweise selbst und überlässt wesentliche Rechtsfragen der Entscheidung nach subsidiär anwendbarem nationalen Recht,478 bei dem es sich nach vorzugswürdiger, aber umstrittener Ansicht i.d.R. um das Sachrecht des Herkunftsstaats der Rating-Agentur handeln wird.479 Zur Haftungsbegründung knüpft Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO an den Verstoß gegen bestimmte aufsichtsrechtliche Pflichten an480 und indiziert damit, dass seine zivilrechtliche Haftungsregelung lediglich Mittel zum Zweck ist, der vorrangig in der Durchsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben der EG-RatingVO besteht (private enforcement).481 Eine schadensersatzrechtliche Kompensation des Emittenten wird aus der Norm jedoch selten resultieren, weil nur wenige der potentiell haftungsbegründenden Zuwiderhandlungen überhaupt geeignet sind, sich kausal auf ein bestimmtes Ratingergebnis auszuwirken, wie Art. 35a Abs. 1 EGRatingVO dies verlangt.482 Da die Darlegungs- und Beweislast schließlich weitgehend den klagenden Emittenten trifft483 und die unionsrechtliche Haftung auch insofern keinen Vorteil gegenüber der Haftung nach unvereinheitlichtem nationalen Zivilrecht bietet, dürften ihre Auswirkungen in der Praxis zu vernachlässigen sein.
V. Zusammenfassung Eine Haftung von Rating-Agenturen gegenüber beurteilten Emittenten kann sich beim beauftragten Rating zunächst auf vertraglicher Grundlage ergeben.484 Hier erweist sich allerdings schon die konkrete Begründung einer Vertragspflichtverletzung als schwierig,485 im Rahmen derer im deutschen und schweizerischen Recht486 nicht selten mit bloßen Fiktionen gearbeitet wird, wohingegen im U.S.-amerikanischen Recht der institutionsschützende Effekt der verfassungsrechtlichen Pressefreiheit, der hier unmittelbare Drittwirkung auch zwischen Vertragspartnern zugesprochen wird, deutlich engere argumentative Gren477 478 479 480 481 482 483 484 485 486
Dazu unter 2. Siehe oben unter 1 a). Zur kollisionsrechtlichen Bestimmung des subsidiär anzuwendenden Rechts 1 b). Dazu 3 a). Oben IV 1. Dazu 3 b), c). Siehe unter 4. Oben I. Siehe zur fehlenden Bestimmbarkeit von Ratingeinstufung als „falsch“ oben I 2 a). Oben I 2 b) bb) (2).
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zen setzt.487 Da sämtliche Rechte jedoch die Beweislast umfänglich dem Emittenten auferlegen488 und im Recht der U.S.A. infolge des „actual malice“-Standards zudem selbst bei der Vertragshaftung ein milderer Verschuldensmaßstab gilt,489 erwächst aus dem Ratingvertrag nur ausnahmsweise eine Haftung der RatingAgentur. Während fraudulöses Verhalten der Rating-Agentur zwar nach allen Rechtsordnungen haftungsbegründend, aber höchst selten beweisbar ist,490 scheidet eine deliktische Haftung aufgrund lediglich fahrlässiger Schädigung des Emittentenvermögens letztlich übereinstimmend aus, weil weder das deutsche491 noch das Schweizer492 oder das U.S.-amerikanische Recht493 „reine“ Vermögensschäden in der hier untersuchten Konstellation deliktsrechtlich kompensieren. Eine Haftung des Emittenten unter dem Gesichtspunkt der Rufschädigung494 scheitert schließlich daran, dass er selbst der Rating-Agentur den Auftrag zur öffentlichen Beurteilung seiner Bonität erteilt hat (volenti non fit iniuria).495 Da zudem auch die hybride unionsrechtliche Haftung europäischer Rating-Agenturen nach Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO wegen Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten nur in seltenen Ausnahmefällen begründet sein wird,496 erweist sich der Schutz beauftragender Emittenten durch das Zivilrecht rechtsordnungsübergreifend als nur schwach ausgeprägt.
487 488 489 490 491 492 493 494 495 496
Oben I 2 b) bb) (1). Oben I 2 c). Oben I 3 b). Dazu II. Oben III 2 b). Oben III 2 c). Oben III 2 a). Dazu III 1. Oben III 3. Siehe dazu den zusammenfassenden Befund in IV 8.
§ 28 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dem Emittenten für unbeauftragte (unsolicited) Ratings Eine Haftung der Rating-Agenturen für Schäden, die dem betroffenen Emittenten durch ein unbeauftragt erstelltes und veröffentlichtes Rating entstanden sind, kann ihren Grund in Ermangelung einer vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien nur in außervertraglichen Haftungsgrundlagen finden. In dieser Hinsicht kommen neben Rechtsinstituten, die den Ausgleich von vorsätzlich oder fahrlässig verursachten „reinen“ Vermögensschäden bezwecken und im vorangegangen Kapitel bereits behandelt wurden,1 vor allem Ansprüche in Betracht, die an eine Schädigung des Rufes des Emittenten anknüpfen2 und dabei auf Schadensersatz oder Unterlassung3 gerichtet sein können. Die zahlenmäßige Bedeutung dieser Haftungskonstellation ist schon deshalb geringer als ihr Äquivalent bei beauftragten Ratings, weil letztere aufgrund des vorherrschenden „issuer pays“-Geschäftsmodells den statistischen Regelfall darstellen; entsprechende Fälle sind allerdings sowohl vor U.S.-amerikanischen als auch deutschen Gerichten bereits praktisch geworden. Die kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren materiellen Haftungsrechts führt dabei vielfach zur Anwendung des am gewöhnlichen Aufenthaltsort des geschädigten Emittenten (also dem Ort seiner Hauptniederlassung) geltenden Rechts, soweit – wie regelmäßig – deliktische Ansprüche in Rede stehen;4 die 1 Siehe § 27 II–IV. Die betreffenden Anspruchsgrundlagen finden durchweg auch auf die Veröffentlichung unbeauftragter Ratings Anwendung; sie werden im Folgenden nicht nochmals abgehandelt. 2 Vgl. Carter/Franklin/Wright, First Amendment, S. 85: „Harm to reputation is one of the earliest injuries recognized by virtually every legal system.“ 3 Vgl. Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 53. 4 Im IPR der EU Art. 4 Rom II-VO, soweit die Haftung für reine Vermögensschäden in Rede steht (so für die Haftung aus falscher Kreditauskunft Palandt/Thorn, Art. 4 Rom II (IPR) Rn. 9), während die kollisionsrechtliche Behandlung außervertraglicher Schuldverhältnisse „aus der Verletzung […] der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der Verleumdung“ (defamation) gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom II-VO nicht unionsrechtlich geregelt, sondern dem unvereinheitlichten IPR der EU-Staaten überlassen bleibt (vgl. Dickinson, Rome II Regulation, Rn. 3.217, der die Ausnahmebestimmung als die umstrittenste Norm der Rom II-VO bezeichnet); in Deutschland gilt insofern Art. 40 EGBGB (Wahlrecht des Geschädigten). Im Schweizer IPR Artt. 33 Abs. 2, 139 IPRG: Wahlrecht des Geschädigten (so zu Ansprüchen wegen Persönlichkeitsverletzung Meili, in Basler Komm., Art. 28 ZGB Rn. 12; a.A. – für Anknüpfung an den Ort der Marktauswirkung (Art. 136 IPRG) – Heini u.a./Vischer, Art. 136 IPRG Rn. 12). Im U.S.-amerikanischen IPR § 150(3) Restatement (Second) of Conflict of Laws (1971). Im Hongkonger IPR gilt dagegen die sog. „double actionability rule“ (im überkommenen englischen Kollisionsrecht zurückgehend auf Phillips v. Eyre, 23.6.1870, (1870) L.R. 6 Q.B. 1, 28 f.), derzufolge die Haftungsvoraussetzungen
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an anderer Stelle konstatierte, herausgehobene Rolle des New Yorker Rechts5 besteht in diesem Zusammenhang also nicht.6 Für Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb, wie sie (nur) das Schweizer Recht bei unbeauftragten Ratingveröffentlichungen vorsieht,7 wird dagegen nach manchen Kollisionsrechten an den Ort der Marktauswirkung angeknüpft,8 was letztlich jedoch wiederum zum Haftungsrecht am Ort der Hauptniederlassung des Emittenten führen wird, weil dieser dort mit seinem Angebot auf- und in den Wettbewerb eintritt.9
I. Haftung der Rating-Agenturen für Ruf- und Vermögensschädigung nach deutschem Recht Das deutsche Zivilrecht stellt in Gestalt der Haftung für Kredit gefährdende Tatsachenäußerungen,10 der Haftung für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Emittenten11 und schließlich der (subsidiären) Haftung für die Verletzung seines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb12 gleich drei Rechtsinstitute bereit, deren Anwendbarkeit und Anwendung auf unbeauftragte Ratingveröffentlichungen ausnahmslos kontrovers diskutiert wird.
1. Haftung für Kredit gefährdende Tatsachenäußerungen, § 824 BGB § 824 BGB dient dem Schutz der „Geschäftsehre“13 und sieht zu diesem Zweck eine beschränkte deliktische Haftung auch für reine Vermögensschäden vor,14 die sich im deutschen Deliktsrecht als systemfremde Ausnahme darstellt. Sie wurde vor diesem Hintergrund tatbestandlich bewusst eng gefasst und von vornherein nicht auf sämtliche, sondern nur bestimmte Äußerungen erstreckt, die geeignet sind, den Kredit eines anderen zu gefährden. Die mit letzterem Kriterium gemeinte Erschütterung des allgemeinen Vertrauens in die Zahlungsfähigkeit und 5 sowohl nach der lex fori als auch nach der lex loci delicti erfüllt sein müssen (Johnston, Conflict of Laws in Hong Kong, Rn. 5.078 ff. m.Nachw.); wo der Deliktsort bei internationalen Veröffentlichungen (wie Ratings) liegt, ist dabei kaum geklärt (vgl. Johnston, a.a.O., Rn. 5.089: „… raise particularly difficult problems“). 5 Siehe § 26 III 1. 6 Der institutionsschützende Standard des U.S.-amerikanischen Verfassungsrechts setzt sich freilich im Stadium der Urteilsvollstreckung mittelbar doch durch; vgl. dazu schon § 26 III 2 sowie im Text unter IV zur Haftung der Rating-Agenturen nach Hongkonger libel law. 7 Siehe unter II 2. 8 So im IPR der EU Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO; im Schweizer IPR Art. 136 Abs. 1 IPRG (zu unbeauftragten Ratings Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 76; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 509 ff.). 9 Vgl. zum Schweizer IPR Heini u.a./Vischer, Art. 136 IPRG Rn. 12. 10 Dazu sogleich im Text. 11 Dazu unter 2. 12 Dazu unter 3. 13 Palandt/Sprau, § 824 Rn. 1. 14 Erman/Schiemann, § 824 Rn. 1.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Zahlungswilligkeit einer Person15 – mit anderen Worten: in deren Bonität16 – kann durch die Veröffentlichung eines negativen Ratings zweifelsohne verursacht werden. Obgleich bei Schaffung des BGB noch nicht an Rating-Agenturen gedacht werden konnte,17 hatten die Verfasser des § 824 BGB in der Tat einen frühen verwandten Informationsintermediär als Anwendungsfall im Blick, nämlich die Kreditauskunftei: Gerade zum Zwecke ihres (Institutions-)Schutzes wurde der heutige § 824 Abs. 2 BGB in das Gesetz aufgenommen, „weil sonst der Verkehr allzu sehr beengt, insbesondere die Thätigkeit der heutzutage fast unentbehrlichen sogen. Auskunftsbüreaus unterbunden werden würde“.18 Im Falle der Rating-Agenturen scheidet eine Haftung dagegen schon deshalb aus, weil § 824 Abs. 1 BGB nur die Behauptung und Verbreitung unwahrer Tatsachen erfasst, also konkreter, nach Zeit und Raum bestimmter, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörender Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt,19 wohingegen die Vorschrift vor abwertenden Meinungsäußerungen und Werturteilen unstreitig keinen Schutz bietet.20 Während Tatsachenäußerungen wahr oder unwahr sein können, kann eine Meinungsäußerung oder ein Werturteil lediglich nach Standpunkt entweder als falsch abgelehnt oder als richtig akzeptiert werden;21 letztere wirken daher nach § 824 Abs. 1 BGB nie haftungsauslösend (zumal die Vorschrift einer analogen Anwendung nicht zugänglich ist22). Entscheidend für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist auch hier, ob die betreffende Aussage einer Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich ist,23 was namentlich bei Prognosen für die Zukunft nicht der Fall ist.24 Bei dem erforderlichen Einordnungsvorgang sind zudem auch die Grundrechte des sich Äußernden zu berücksichtigen,25 womit der Institutionsschutz der Rating-Agenturen durch die Presse- sowie die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2 GG) zum Tragen kommt. Schon die bewusste tatbestandliche Beschränkung der Haftungsnorm auf „unwahre Tatsachen“ schließt deren Anwendung auf Ratings nach ganz herr15
RG, 12.10.1932, RG 1933, 1254. Vgl. OLG Frankfurt a.M., 6.11.1988, NJW-RR 1988, 562, 564 (unrichtige Mitteilung an die SCHUFA); Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 53; Palandt/Sprau, § 824 Rn. 8. 17 Das erstmalige Auftreten einer Rating-Agentur im heute verwandten Wortsinn wird üblicherweise auf das Jahr 1909 datiert; vgl. zur Geschichte des Ratingwesens § 3. 18 Prot. II, S. 638. 19 Palandt/Sprau, § 824 Rn. 2. 20 BGH, 24.1.2006, BGHZ 166, 84, 100 („Kirch ./. Deutsche Bank AG und Breuer“); BGH, 22.2.2011, NJW 2011, 2204 Tz. 9 („Bonitätsindex 500“). 21 BGH, 22.6.1982, NJW 1982, 2246; Palandt/Sprau, § 824 Rn. 2; Soergel/Beater, § 824 Rn. 9. 22 Soergel/Beater, § 824 Rn. 2. 23 BGH, 24.1.2006, BGHZ 166, 84, 100 („Kirch ./. Deutsche Bank AG und Breuer“); BGH, 22.2.2011, NJW 2011, 2204 Tz. 10 („Bonitätsindex 500“); Erman/Schiemann, § 824 Rn. 2; Palandt/ Sprau, § 824 Rn. 2. 24 BGH, 25.11.1997, NJW 1998, 1223, 1224: „Was noch nicht geschehen ist, ist nicht Tatsache“; Palandt/Sprau, § 824 Rn. 2. 25 BGH, 22.6.1982, NJW 1982, 2246; BGH, 22.2.2011, NJW 2011, 2204 Tz. 12 („Bonitätsindex 500“); PWW/Schaub, § 824 Rn. 3; Soergel/Beater, § 824 Rn. 18. 16
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schender und zutreffender Ansicht aus, denn Ratings sind eben – anders als möglicherweise Kreditauskünfte – keine Tatsachen i.S. des § 824 BGB,26 sondern Werturteile27 und Meinungsäußerungen,28 die sich zudem auf einen zukünftigen Umstand – nämlich die Rückzahlung fälliger Beträge durch das beurteilte Unternehmen – beziehen.29 Dies gilt, obwohl der Übergang zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung fließend sein kann30 und ein Rating typischerweise auch auf der Grundlage von Tatsachen gebildet wird,31 denn die Bonitätsbeurteilungen der Rating-Agenturen sind – in Anknüpfung an die Formel des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 5 Abs. 1 GG32 formuliert – „in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt“.33 Bestätigt wird diese Einordnung dadurch, dass auch Bonitätsbeurteilungen durch Wirtschaftsauskunfteien,34 Warentests35 und Schlussfolgerungen in Sachverständigengutachten36 von der Rechtsprechung nicht als Tatsachen i.S. des § 824 BGB angesehen werden, obgleich sie auf Tatsachen beruhen. Bei Warentests gilt dies auch, wenn ihr Gesamturteil zu plakativen Noten („gut“) zusammengefasst wird37 und damit funktional der „Codierung“ von Ratings entspricht.38 Ebenso hat die neuere Rechtsprechung zu Bonitätseinstufun26 Arntz, BKR 2012, 89, 93; Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 39 f.; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 10; Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 80; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 7, § 31 Rn. 52; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 24; Niedostadek, Rating, Rn. 233; Palandt/Sprau, § 824 Rn. 6; Peters, Haftung und Regulierung, S. 53; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 168; Vetter, WM 2004, 1701, 1707; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 473. 27 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 10; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 7; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200. 28 Abel, RDV 2006, 108; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 7; Niedostadek, Rating, Rn. 233; Peters, Haftung und Regulierung, S. 53 ff.; Vetter, WM 2004, 1701, 1707. Siehe bereits § 27 I 1 a) bb) (3). 29 Siehe zum Prognosecharakter des Ratings § 27 I 1 a) bb) (1). 30 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200. 31 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200. Allgemein Erman/Schiemann, § 824 Rn. 2; Palandt/ Sprau, § 824 Rn. 4. 32 BVerfG, 22.6.1982, BVerfGE 61, 1, 9 („Wahlkampf“). 33 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200. 34 BGH, 22.2.2011, NJW 2011, 2204 Tz. 11, 14 ff. („Bonitätsindex 500“) zur Einstufung „500“ auf einem Bonitätsindex sowie der Einschätzung der Zahlungsweise eines Unternehmens als „langsam und schleppend, Creditreform-Inkasso-Dienst wurde eingeschaltet“ durch ein Inkassounternehmen, das im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit auch Wirtschaftsauskünfte erteilte. 35 BGH, 9.12.1975, BGHZ 65, 325, 330 („Stiftung Warentest II“): „entscheidend ist, dass es sich bei Warentests in der Regel um Urteile und damit dem Wesen nach um Wertungen handelt, auf die § 824 BGB nicht zugeschnitten ist“ (Hervorhebung im Original). 36 RG, 14.3.1914, RGZ 84, 294, 296 f. (technisches Gutachten); BGH, 18.10.1977, NJW 1978, 751 f. (graphologisches Gutachten); BGH, 11.4.1989, NJW 1989, 2941, 2942; BGH, 23.2.1999, NJW 1999, 2736, 2737 (ärztliche Diagnose); Palandt/Sprau, § 824 Rn. 6. 37 BGH, 9.12.1975, BGHZ 65, 325, 330 („Stiftung Warentest II“); BGH, 10.3.1987, NJW 1987, 2222, 2223 („Stiftung Warentest IV“); OLG Frankfurt a.M., 25.4.2002, NJW-RR 2002, 1697, 1698 („FINANZtest“); Wagner, in MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 275. 38 Zu dieser Parallele bereits § 25 V 1.
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gen einer Wirtschaftsauskunftei auf einem Bonitätsindex von „100“ bis „600“ entschieden.39 Sofern begleitende Ratingberichte im Einzelfall unwahre Tatsachenangaben enthalten, so wird auch dies nicht zu Ansprüchen nach § 824 BGB führen, weil der wertende Charakter der Berichte schon aufgrund der Bedeutung des abschließenden, in Form eines Ratingkürzels „codierten“ Bonitätsurteils deutlich überwiegt40 – dass einer einzelnen Tatsachenbehauptung in einem Ratingbericht demgegenüber eine eigenständige Bedeutung zukommt,41 erscheint nur in seltenen Ausnahmefällen denkbar.
Im Ergebnis wird daher zu Recht ganz überwiegend angenommen, dass § 824 BGB keine taugliche Grundlage für Schadensersatzansprüche gegen RatingAgenturen ist.42 Vereinzelt versucht man, die bewusste Beschränkung dieser Haftungsnorm auf Tatsachenäußerungen durch eine kaum kaschierte Fiktion zu umgehen: So wird schlicht postuliert, in der Bezeichnung eines Bonitätsanalyseergebnisses als „Rating“ liege eine falsche Tatsachenbehauptung, wenn dieses nicht auf angemessener Information und anerkannten Prognosemethoden beruhe, weil Rating-Agenturen bei einer Ratingveröffentlichung stets „implizit miterklären“ würden, ihre Ratings nur auf einer solchen Grundlage zu erstellen.43 Dass hier zu Haftungsbegründungszwecken eine Tatsachenerklärung fingiert wird, bedarf kaum näherer Begründung – ein entsprechender „Miterklärungsgehalt“ ist nicht mehr als eine bloße Unterstellung, und die vorgetragene Auslegung steht zudem zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Abgrenzung von Tatsachen und Meinungsäußerungen in geradezu krassem Widerspruch.44 Darüber hinaus ist sie aber auch in sich nicht schlüssig, denn die behauptete Tatsachenerklärung würde ja allenfalls etwas Unwahres über die Ratingerstellung aussagen, nicht aber über den Kredit des Emittenten – nur Letzteres kann jedoch nach § 824 Abs. 1 BGB Grundlage einer Deliktshaftung sein. 39
BGH, 22.2.2011, NJW 2011, 2204 Tz. 16 („Bonitätsindex 500“). Zu Ratings ebenso Peters, Haftung und Regulierung, S. 55; zu Bonitätseinstufungen auf einer Ziffernskala durch eine Wirtschaftsauskunftei BGH, 22.2.2011, NJW 2011, 2204 Tz. 17 („Bonitätsindex 500“): „Unternehmen, die Auskünfte einer Wirtschaftsauskunftei über potentielle Vertragspartner einholen, [kommt] es in der Regel gerade nicht auf die Übermittlung einzelner Finanzdaten, sondern auf die zusammenfassende Interpretation solcher Daten [an]“. A.A. Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 60, der unterstellt, dass Investoren der Begründung von Bonitätsbeurteilungen entscheidende Bedeutung beimessen – angesichts der in § 5 II referierten empirischen Befunde spricht nichts für diese Annahme. 41 Für diesen Fall Ansprüche nach § 824 BGB oder §§ 1004, 824 BGB für möglich haltend KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“) (obiter). 42 Abel, RDV 2006, 108; Arntz, BKR 2012, 89, 93; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 10; Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 80; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 7, § 31 Rn. 52; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 24; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 64; Niedostadek, Rating, Rn. 233; Peters, Haftung und Regulierung, S. 53; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 168; Vetter, WM 2004, 1701, 1707. A.A. Däubler, BB 2003, 429, 433 (ohne Begründung); Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 65 (nur für Tatsachenangaben in Ratingberichten). 43 So Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 54. 44 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 55 f. versucht lediglich, mit § 824 Abs. 2 BGB zu helfen. 40
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2. Haftung für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Emittenten, § 823 Abs. 1 BGB In Frage kommt zudem eine Haftung der Rating-Agentur gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des beurteilten Unternehmens, das als ungeschriebenes Rahmenrecht auch das unternehmerische und betriebliche Ansehen des Wirtschaftsunternehmens45 sowie seinen sozialen Geltungsanspruch46 schützt. Ein Eingriff in diese Rechtsposition des Emittenten kann bei unsolicited Ratings dabei in unterschiedlichen Verhaltensweisen der Rating-Agentur erblickt werden, nämlich zum einen schon in der ungefragten Veröffentlichung (irgend-)einer Bonitätsbeurteilung47 und zum anderen in der Bekanntgabe eines negativen und damit das Ansehen des Unternehmens schädigenden Ratings.48 a) Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch ungefragte Ratingveröffentlichung („Heberger“-Rechtsprechung) Ein Anspruch von Emittenten auf Unterlassung jeglicher unbeauftragter Ratingveröffentlichungen (sowie ggfs. auf Schadensersatz) wäre nicht als Ehrenschutz im engeren Sinne, sondern als Ausfluss des Rechts auf informelle Selbstbestimmung einzuordnen, also der Befugnis, die Verbreitung auch wahrer Informationen ihrer Prangerwirkung wegen zu verhindern.49 Im Schrifttum wird ein solcher Anspruch vor allem mit Blick auf die sog. „Heberger“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs50 diskutiert, deren Übertragbarkeit auf Ratingpublikationen zum Teil für möglich gehalten wird.51 In dieser bekannten und zu Recht heftig kritisierten Entscheidung hatte der BGH der Heberger Bau GmbH, deren Jahresabschluss – wie von § 325 Abs. 2 HGB verlangt – im Bundesanzeiger veröffentlicht worden war, aufgrund eines Eingriffs in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB zugebilligt.52 Zur Begründung hatte er angeführt, auch eine publizitätspflichtige Kapitalgesellschaft werde dann in ihrem sozialen Geltungsbereich als Wirtschaftsunternehmen betroffen, wenn ein kompetenter Fachmann (hier: ein Professor für Wirtschaftswissenschaften) im Rahmen einer Seminarveranstaltung die Aufmerksamkeit der Adressaten gerade auf solche Daten zur finanziellen Situation des betroffenen Unternehmens lenkt, die 45
BGH, 11.3.2008, NJW 2008, 2110, 2111 („Gen-Milch“); Erman/Schiemann, § 823 Rn. 57. BGH, 24.1.2006, BGHZ 166, 84, 111 („Kirch ./. Deutsche Bank AG und Breuer“); Palandt/ Sprau, § 823 Rn. 92; a.A. Siekmann, ZIP 1994, 651, 652. 47 Dazu unter a). 48 Dazu b). 49 Vgl. J. Hager, ZHR 158 (1994), 675, 676. 50 BGH, 8.2.1994, ZIP 1994, 648 ff. („Heberger“); als verfassungsrechtlich unbedenklich bestätigt durch BVerfG, 3.5.1994, ZIP 1994, 972 ff. 51 So Arntz, BKR 2012, 89, 94; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1851; Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 389; Heindl, wbl 2007, 221, 222 f.; Niedostadek, Rating, Rn. 231; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 171. 52 BGH, 8.2.1994, ZIP 1994, 648, 649 f. („Heberger“). 46
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zu kritischen Wertungen Anlass geben können. Ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht schied nach Ansicht des BGH auch nicht deshalb aus, weil die Veröffentlichung des Jahresabschlusses durch § 325 HGB gesetzlich vorgeschrieben ist: Mit dieser Regelung verfolge der Gesetzgeber den Schutz Dritter, die mit dem betroffenen Unternehmen in Beziehungen stehen oder treten wollen; der Schutzzweck des § 325 HGB decke hingegen nicht das Recht eines Außenstehenden ab, die in der Veröffentlichung des Jahresabschlusses liegende Offenlegung der finanziellen Lage des betroffenen Unternehmens noch dadurch zu verstärken, dass er das Interesse fachkundiger Kreise unter Namensnennung gezielt auf diese Veröffentlichung lenkt.53
Die Begründung der „Heberger“-Entscheidung schließt es auf den ersten Blick in der Tat nicht aus, das darin postulierte Publizitätsverbot entsprechend auch auf Rating-Agenturen anzuwenden, weil auch diese als Informationsintermediäre „Außenstehende“ (und nicht etwa künftige Geschäftspartner des Unternehmens) sind und ein unbeauftragtes Rating zweifelsohne die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die finanzielle Situation des beurteilten Unternehmens lenkt. Im Ergebnis liefe dies auf ein Recht kapitalmarktorientierter Unternehmen hinaus, „in Ruhe gelassen“ und nicht durch Beurteilungen von dritter (fachkundiger) Seite belästigt zu werden. Die besseren Gründe sprechen jedoch gegen eine Übertragung der ratio dieses Urteils, das in der Literatur nicht von ungefähr auf nahezu einhellige Ablehnung gestoßen ist54 und auch vom Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung explizit als „nicht zweifelsfrei“55 bezeichnet wird: So verkennt die Entscheidung zum einen den Zweck der gesetzlichen Jahresabschlusspublizität, die nach zutreffender Ansicht nicht nur der Information aktueller und potentieller Gläubiger der Gesellschaft, sondern auch der Gesellschafter bzw. Aktionäre und insbesondere der Öffentlichkeit dient;56 die Unternehmenspublizität stellt sich mit Merkt folglich als Korrelat der Marktteilnahme dar.57 Schon aus diesem Grund muss auch die Beurteilung und Kommentierung der finanziellen Lage kapital53
BGH, 8.2.1994, ZIP 1994, 648, 650 („Heberger“). Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 131; Ehmann, WuB IV A. § 823 BGB 2.94, 970 ff.; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 71; Großfeld/Johannemann, WPg 1994, 415 f.; J. Hager, ZHR 158 (1994), 675 ff.; Hirte, EWiR 1994, 469; Junker, ZIP 1994, 1499; Kloepfer, Informationsrecht, § 6 Rn. 129; Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie, § 36 II 2; Leßmann, DZWir 1994, 331 ff.; Lutter, AG 1994, 347; Mertens, AG 1994, 370 f.; Siekmann, ZIP 1994, 651 ff.; Soergel/Beater, § 823 Anh V Rn. 99; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. C 32. BGH und BVerfG zustimmend hingegen K.-R. Wagner/Sommer, AG 1995, 452 ff. (der Autor K.-R. Wagner war erstinstanzlicher Prozessbevollmächtigter des klagenden Unternehmens); aus jüngerer Zeit wohl auch Petersen, BKR 2004, 47 ff. 55 So BGH, 24.1.2006, BGHZ 166, 84, 112 („Kirch ./. Deutsche Bank AG und Breuer“); zustimmend Spindler, JZ 2006, 741, 744. 56 Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rn. 131; Ehmann, WuB IV A. § 823 BGB 2.94, 970, 972; Großfeld/Johannemann, WPg 1994, 415, 416; J. Hager, ZHR 158 (1994), 675, 678; Siekmann, ZIP 1994, 651, 652; Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. C 32. 57 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 332 ff.; Baumbach/Hopt/Merkt, § 325 HGB Rn. 1; ebenso Hirte, EWiR 1994, 469, 470; Leßmann, DZWir 1994, 331, 333; Siekmann, ZIP 1994, 651, 652. 54
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marktorientierter Unternehmen durch unabhängige Dritte zulässig sein.58 Dies gilt schließlich umso mehr, als bei der Bestimmung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Unternehmens eine Abwägung mit den Grundrechten des Eingreifenden vorzunehmen ist, also im „Heberger“-Fall der Meinungsäußerungsund Wissenschaftsfreiheit des betroffenen Professors (Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GG) und bei Übertragung auf Rating-Agenturen mit der Meinungsäußerungsund Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Sätze 1, 2 GG). Auch diese wurde durch den BGH nur unzureichend geleistet.59 Neben der Kritik an dem „Heberger“-Urteil als solchem, das mit guten Gründen als isolierte Einzelfallentscheidung eingestuft werden kann,60 lässt sich auch darauf verweisen, dass seine Aussagen in mehrfacher Hinsicht kaum auf unbeauftragte Ratings übertragbar sind:61 So kommuniziert ein Ratingkürzel nicht unmittelbar die Finanzinformationen des Unternehmens, sondern eine eigene Bonitätseinschätzung der Rating-Agentur,62 während sich Angaben aus dem Jahresabschluss allenfalls in begleitenden Ratingberichten63 finden werden. Da eine Beurteilung durch Rating-Agenturen zudem zum heutigen Marktstandard gehört, fehlt es auch an dem Herausgreifen eines einzelnen Emittenten, die bei der Seminarveranstaltung im „Heberger“-Fall vorlag, und damit an der „Prangerwirkung“.64 Schließlich ist bei Ratings keine Möglichkeit eröffnet, die unternehmensbezogene Information ohne Nennung des Unternehmensnamens zu kommunizieren, weil eine „namenslose“ Bonitätsbeurteilung sinnlos ist65 – auch aus diesem Grund muss eine Abwägung der gegenläufigen Interessen zugunsten der Rating-Agentur ausgehen. Im Ergebnis stellt die ungefragte Veröffentlichung eines Ratings als solche daher keinen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Emittenten dar.66
58 Prägnant Lutter, AG 1994, 347: „Bei allen Göttern: Welchen anderen Sinn soll denn die auf europäischem Recht beruhende, zeitaufwendige und teure Pflicht zur Veröffentlichung von teuer geprüften Unternehmensdaten haben, als daß man sie verwendet.“ 59 J. Hager, ZHR 158 (1994), 675, 679 ff.; Kübler, Medien, Menschenrechte und Demokratie, § 36 II 2; Siekmann, ZIP 1994, 651, 653 f. 60 Soergel/Beater, § 823 Anh V Rn. 99. 61 So auch Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 81; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 199; Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 415 f. 62 Blaurock, ZGR 2007, 603, 632; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1851 f.; Krimphove, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 65, 80; Peters, Haftung und Regulierung, S. 60; Pilny, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 419, 446; vorsichtiger Oellinger, in: Achleitner/ Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 357, 372. 63 Vgl. hierzu Peters, Haftung und Regulierung, S. 60. 64 Peters, Haftung und Regulierung, S. 71. 65 Blaurock, ZGR 2007, 603, 632 f. Generell kritisch zu diesem Kriterium Mertens, AG 1994, 370: „haarspalterische Unterscheidung zwischen einfacher Namensnennung und Namensnennung mit Hinweis- oder Vorführeffekt“. 66 Wie hier Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 80; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 199; Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 415 f.; Oellinger, Haftung für Ratings, S. 134 f.; Peters, Haftung und Regulierung, S. 73; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 171; von Randow, ZBB 1996, 85, 93; letztlich ebenso Däubler, BB 2003, 429, 434.
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b) Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch ungerechtfertigt niedrige Ratingeinstufung Das vorstehend Gesagte schließt jedoch nicht aus, die unbeauftragte Veröffentlichung eines unangemessen niedrigen Ratings als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Emittenten zu qualifizieren.67 Damit ist allerdings zunächst die Frage aufgeworfen, wie sich die Schutzbereiche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Unternehmens und seines ebenfalls durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb68 zueinander verhalten. Ihre Beantwortung ist unsicher:69 Während im Schrifttum von einer Subsidiarität des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausgegangen wird,70 nimmt die neuere Rechtsprechung eine Parallelität beider Rechtsinstitute an.71 Die besseren Gründe sprechen nach hier vertretener Ansicht dafür, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Unternehmens für einschlägig zu erachten, soweit eine Äußerung dessen Ehre, Wertschätzung durch Dritte oder gesellschaftliches Ansehen beeinträchtigt,72 während die bloße Verursachung höherer Kapitalkosten dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zuzuordnen ist.73 Ein „unrichtiges“ unbeauftragtes Rating wird danach nur selten in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Emittenten eingreifen, weil es üblicherweise nicht im Sinne eines allgemeinen Unwerturteils über das Unternehmen zu verstehen ist.74 Sollte dies im Einzelfall einmal anders sein, so lässt sich mit einem pragmatischen Ansatz darauf verweisen, dass beide Rechtsgüter übereinstimmend eine Abwägung der unterschiedlichen Interessen voraussetzen75 und die Abgrenzung der Schutzbereiche daher nur einen Zwischenschritt darstellt, der für die Haftungsfrage letztlich nicht ausschlaggebend ist.76
3. Haftung für die Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, § 823 Abs. 1 BGB Als wichtigster Haftungsgrund erweist sich damit im deutschen Recht die Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 67
A.A. Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 415 f. Zu diesem noch sogleich unter 3. 69 Vgl. Soergel/Beater, § 823 Anh V Rn. 98: Die inhaltlichen Grenzen zwischen beiden Rechtsinstituten seien diffizil und von den Gerichten nicht immer widerspruchsfrei gezogen worden. 70 Siekmann, ZIP 1994, 651, 652; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 69; in diese Richtung auch J. Hager, ZHR 158 (1994), 675, 677. 71 BGH, 24.1.2006, BGHZ 166, 84, 111 („Kirch ./. Deutsche Bank AG und Breuer“); BGH, 11.3.2008, NJW 2008, 2110, 2111 („Gen-Milch“); Leßmann, DZWir 1994, 331, 332. 72 Vgl. OLG Frankfurt a.M., 6.11.1988, NJW-RR 1988, 562, 565. 73 Vgl. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 61. 74 Vgl. Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Peters, Haftung und Regulierung, S. 70 mit dem Hinweis, selbst sehr negative Ratings seien keine Schmähkritik (ebenso A. Witte, WM 2011, 2253, 2257). 75 Darauf hinweisend auch BGH, 11.3.2008, NJW 2008, 2110, 2112 („Gen-Milch“). 76 So J. Hager, ZHR 158 (1994), 675, 677. 68
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Abs. 1 BGB) durch unbeauftragte Ratingveröffentlichungen, die auch bei der bislang einzigen gerichtlichen Entscheidung zu dieser Konstellation77 im Mittelpunkt stand. a) Schutz vor bonitätsbezogenen Werturteilen Die von der Rechtsprechung entwickelte Figur des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist heute trotz fortdauernder Kritik im Schrifttum78 als „sonstiges Recht“ i.S. des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt.79 Dieses schützt als generalklauselartiges Rahmenrecht unter anderem den Ruf des Unternehmens80 sowie – insofern weiter gefasst – die unternehmensbezogenen Interessen in ihrer Gesamtheit gegen geschäftsschädigende Kritik und Werturteile,81 aber auch die Finanzierungsmöglichkeiten des Unternehmens.82 In Rechtsprechung und Literatur wird im Grundsatz allgemein davon ausgegangen, dass die Veröffentlichung eines unbeauftragten Ratings daher einen Eingriff in das Recht des Emittenten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen kann,83 wenn und soweit das Rating die öffentliche Meinung über das Unternehmen negativ beeinflusst84 oder dessen Finanzierungsmöglichkeiten und -konditionen beeinträchtigt.85 Ein solcher Eingriff eröffnet über § 823 Abs. 1 BGB in der Sache
77 Nämlich in KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“), wo es freilich um das „Rating“ eines geschlossenen Medienfonds ging. 78 Vgl. etwa Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 75 I 4 b: unzulässige Rechtsfortbildung contra legem. 79 Statt vieler BGH, 21.6.1966, BGHZ 45, 296, 306 ff. („Höllenfeuer“); Looschelders, SchuldR BT, Rn. 1247. 80 BGH, 17.4.1984, BGHZ 91, 117, 121 („Mordoro“); Drinkuth, Fehlerhafte Finanzanalysen, S. 167, 187; Soergel/Beater, § 823 Anh. V Rn. 104. 81 BGH, 14.1.1979, WM 1969, 173 ff. („Kredithaie“); BGH, 11.3.2008, NJW 2008, 2110, 2111 („Gen-Milch“); Looschelders, SchuldR BT, Rn. 1251; Soergel/Beater, § 823 Anh. V Rn. 83; Wagner, in MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 270 ff.; a.A. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 57. 82 BGH, 24.1.2006, BGHZ 166, 84, 114 („Kirch ./. Deutsche Bank AG und Breuer“); Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 32 Rn. 52; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 132; Soergel/Beater, § 823 Anh. V Rn. 79; a.A. Erman/Schiemann, § 823 Rn. 72. 83 KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“); Arntz, BKR 2012, 89, 94; Blaurock, ZGR 2007, 603, 631; Däubler, NJW 2003, 1096, 1097; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 80; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 32 Rn. 52; Haar, ZBB 2009, 177, 184; Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 415 f.; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 23; Niedostadek, Rating, Rn. 232; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 129; Peters, Haftung und Regulierung, S. 73 ff.; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 204; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 170; Vetter, WM 2004, 1701, 1707; Wagner, in MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 277, § 826 Rn. 94; ders., in FS Blaurock (2013), S. 467, 474. 84 Arntz, BKR 2012, 89, 94; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Niedostadek, Rating, Rn. 232. 85 Arntz, BKR 2012, 89, 94; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 32 Rn. 52; Peters, Haftung und Regulierung, S. 58; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 474.
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eine Haftung auch für reine Vermögensschäden,86 wie sie namentlich in Form erhöhter Finanzierungskosten des Emittenten auftreten können.87 Der genannte Ausgangsbefund besagt freilich nicht, dass jedes unbeauftragte Rating einen Haftungstatbestand erfüllt, denn geschäftsschädigende Kritik ist nicht per se unzulässig88: Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt vielmehr einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ergeben.89 Bei der somit erforderlichen Abwägung der Interessen von Emittent und Rating-Agentur90 sowie möglicherweise Dritter sind die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen.91 Namentlich spezielle verfassungsrechtliche Garantien wie die Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), die auch in diesem Zusammenhang zugunsten der Rating-Agenturen eingreifen,92 können dabei für die Zulässigkeit auch unternehmensschädigender Äußerungen sprechen.93 b) Keine Anwendbarkeit der „Stiftung Warentest“-Rechtsprechung auf Rating-Agenturen Die herrschende Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum will zum Zweck der Interessenabwägung auf die Grundsätze der „Stiftung Warentest“-Rechtsprechung zurückgreifen, die man für auch auf Rating-Agenturen anwendbar hält.94 Wie bereits an anderer Stelle95 im Einzelnen begründet, ist dieser Auffassung jedoch nicht zu folgen, weil sie sowohl dem Prognosecharakter von Ratings als 86
Faust, AcP 210 (2010), 555, 556; deshalb kritisch Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 81 II 2. Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 22; Peters, Haftung und Regulierung, S. 49. 88 BGH, 9.12.1975, BGHZ 65, 325, 331 („Stiftung Warentest II“). 89 BGH, 9.12.1975, BGHZ 65, 325, 331 („Stiftung Warentest II“); BGH, 11.3.2008, NJW 2008, 2110, 2112 („Gen-Milch“); BGH, 22.2.2011, NJW 2011, 2204 Tz. 19 („Bonitätsindex 500“); Looschelders, SchuldR BT, Rn. 1250; Wagner, in MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 272. 90 Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 50; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 22. 91 BGH, 21.6.1966, BGHZ 45, 296, 307 ff. („Höllenfeuer“); BGH, 11.3.2008, NJW 2008, 2110, 2112 („Gen-Milch“); BGH, 22.2.2011, NJW 2011, 2204 Tz. 20 („Bonitätsindex 500“). 92 Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 50; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 22; Niedostadek, Rating, Rn. 232. 93 BGH, 24.1.2006, BGHZ 166, 84, 110 („Kirch ./. Deutsche Bank AG und Breuer“); Höpfner/ Seibl, BB 2006, 673, 677; Soergel/Beater, § 823 Anh V Rn. 80. 94 KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“): „(mit) an den Maßstäben auszurichten“; Arntz, BKR 2012, 89, 94; Blaurock, ZGR 2007, 603, 631; Däubler, NJW 2003, 1096, 1097; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 9; Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 80; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 50; Haar, ZBB 2009, 177, 184; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 23; Niedostadek, Rating, Rn. 232; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 129; Peters, Haftung und Regulierung, S. 73 ff.; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 204; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 176; Vetter, WM 2004, 1701, 1707; Wagner, in MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 277, § 826 Rn. 94; ders., in FS Blaurock (2013), S. 467, 474. 95 Siehe § 25 V 1 b). 87
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auch den institutionsschützenden Wirkungen der Pressefreiheit nicht ausreichend Rechnung trägt. Bei der notwendigen Interessenabwägung ist – neben der mittelbaren Drittwirkung der Pressefreiheit – im Übrigen auch der Beitrag von Ratings zur Markttransparenz zu berücksichtigen, die ihrerseits eine unverzichtbare Grundlage für die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs insgesamt darstellt96 und daher grundsätzlich erfordert, dass Bonitätsbeurteilungen dem Markt sowie potentiellen Geschäftspartnern und Kreditgebern werbender Unternehmen ungehindert zugänglich gemacht werden können.97 Im Ergebnis kann die Veröffentlichung eines unbeauftragten Ratings folglich nur dann als Verletzung des Rechts des Emittenten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb angesehen werden, wenn die vorgenommene Ratingeinstufung von der eigenen subjektiven Prognose der betroffenen Zahlungsfähigkeit durch die Rating-Agentur abweicht.98 Jenseits dieses Ausnahmefalles hat der Emittent unbeauftragte Bonitätsbeurteilungen durch Dritte dagegen hinzunehmen, weil sie sich insoweit als Korrelat seiner Teilnahme am Finanzmarkt99 darstellen.
4. Ergebnis Im Ergebnis führt die Veröffentlichung eines unbeauftragten Ratings daher nach deutschem Recht zu keiner Haftung der Rating-Agentur, sofern diese nicht bewusst von ihrer eigenen Überzeugung bezüglich der beurteilten Bonität abweicht.
II. Haftung der Rating-Agenturen für Rufschädigung nach schweizerischem Recht Im schweizerischen Privatrecht kann die ungefragte Publikation eines Ratings unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten zur Haftung der Rating-Agentur 96 BVerfG, 26.6.2002, BVerfGE 105, 252, 266 f. („Glykolwarnung“); BVerfG, 28.7.2004, NJWRR 2004, 1710, 1711 („gerlach-report“); BGH, 22.2.2011, NJW 2011, 2204 Tz. 20 („Bonitätsindex 500“). 97 Vgl. insoweit BVerfG, 28.7.2004, NJW-RR 2004, 1710, 1711 („gerlach-report“): „Soweit die am Markt verfügbaren Informationen inhaltlich zutreffen und sachlich sind, gewährt das Grundrecht der Berufsfreiheit jedoch auch dann keinen Schutz gegen sie, wenn die Wettbewerbsposition eines Unternehmens durch sie nachteilig beeinflusst wird. Eine marktwirtschaftliche Ordnung setzt gerade voraus, dass die Markteilnehmer über ein möglichst hohes Maß an Informationen über marktrelevante Faktoren verfügen. Informationen, welche Markttransparenz verbessern und den Marktteilnehmern eine an den eigenen Interessen orientierte Entscheidung über die Bedingungen der Marktteilhabe ermöglichen, berühren den Schutzbereich der Berufsfreiheit auch dann nicht, wenn sie sich auf die Wettbewerbsposition eines einzelnen Unternehmens nachteilig auswirken“; BGH, 22.2.2011, NJW 2011, 2204 Tz. 21 („Bonitätsindex 500“): „Die Erteilung von zutreffenden Bonitätsauskünften ist für das Funktionieren der Wirtschaft von erheblicher Bedeutung. […] Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen wird in solchen Fällen in der Regel zugunsten einer Zulässigkeit der Bonitätsauskunft ausgehen.“ 98 Vgl. zu diesem Pflichtenmaßstab bereits § 25 V 2 b) bb). Im Ergebnis ähnlich Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 80. 99 Vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 485 ff.
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führen, weil darin zum einen eine Verletzung der Persönlichkeit des betroffenen Emittenten (Art. 28 ZGB) und zum anderen ein Verstoß gegen lauterkeitsrechtliche Vorgaben (Art. 3 lit. a UWG)100 liegen kann. Das Verhältnis zwischen beiden Anspruchsgründen ist umstritten,101 kann hier aber letztlich offen bleiben, weil die Haftung im Ergebnis übereinstimmend von der mittelbaren Drittwirkung der institutionsschützenden Pressefreiheit abhängt.102 Ansprüche unbeauftragt gerateter Unternehmen sollten in der Schweiz in statistischer Hinsicht eine besondere Bedeutung zukommen, weil die großen Schweizer Banken – die, im internationalen Vergleich ungewöhnlich, ebenfalls Ratings veröffentlichen103 – dabei durchgehend ohne Auftrag von Emittentenseite vorgehen104 und der Anteil an unsolicited ratings in der Schweiz infolgedessen deutlich höher liegt als in anderen Staaten. Zu Klagen von Emittentenseite hat dies allerdings bislang, soweit ersichtlich, nicht geführt.
1. Haftung wegen Verletzung der Persönlichkeit des Emittenten, Art. 28 ZGB Artt. 28 ff. ZGB stellen ein differenziertes Schutzregime gegen widerrechtliche Verletzungen der Persönlichkeit105 bereit, also solche Verletzungen, die nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt sind.106 Dem Verletzten stehen in diesem Fall einerseits Gegendarstellungsansprüche und vorsorgliche gerichtliche Maßnahmen,107 andererseits Schadensersatzansprüche108 zur Verfügung. a) Der geschäftliche Ruf von Unternehmen als Schutzgegenstand Der allgemeine Schutz der Persönlichkeit nach Art. 28 ZGB beschränkt sich dabei nicht auf natürliche Personen, sondern schützt auch juristische Personen in ihrem geschäftlichen und beruflichen Ruf109 sowie, weiter gefasst, ihrer wirtschaftlichen Persönlichkeit.110 Die Bonität eines Unternehmens bzw. sein „Kre100
Dazu unter 2. Für Alternativität Baudenbacher/Baudenbacher, Art. 1 Rn. 77 ff.; Meili, in Basler Komm., Art. 28 ZGB Rn. 10; Pedrazzini/Pedrazzini, UWG, Rn. 3.13 ff.; für einen formellen Geltungsvorrang des Art. 3 lit. a UWG Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 76 ff., die sodann aber die Wertungen des Art. 28 ZGB bei der Anwendung des UWG berücksichtigen will. 102 Siehe § 21 V 2 b). 103 Dazu § 1 III 1 b). 104 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 74. 105 Art. 28 Abs. 1 ZGB. 106 So Art. 28 Abs. 2 ZGB. 107 Artt. 28a ff. ZGB. Ein Anspruch auf Gegendarstellung besteht gemäß Art. 28g Abs. 1 ZGB allerdings lediglich bei Verletzungen durch Tatsachendarstellungen in periodisch erscheinenden Medien. 108 Art. 28a Abs. 3 ZGB, etwa i.V.m. Art. 41 OR. 109 BGer, 21.3.1969, BGE 95 II 481, 489 E. 4 („Club Medityrannis“); Meili, in Basler Komm., Art. 28 ZGB Rn. 32 f.; Nobel/Weber, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 45. 110 CHK/Aebi-Müller, Art. 28 ZGB Anm. 27; Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 7 Rn. 60. 101
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dit“111 wird als Teil dieses Schutzgegenstandes verstanden, sodass etwa die Aussage, jemand sei überschuldet, als Verletzung des geschäftlichen Rufes in Frage kommt.112 Auch die Veröffentlichung eines zu niedrigen unbeauftragten Ratings kann folglich in das Persönlichkeitsrecht des beurteilten Unternehmens aus Art. 28 ZGB eingreifen.113 b) Drittwirkung der Pressefreiheit Eine Haftung der Rating-Agentur wird dabei jedoch nur dann ausgelöst. wenn die Verletzung widerrechtlich war. Da die Widerrechtlichkeit gemäß Art. 28 Abs. 2 ZGB unter anderem dann entfällt, wenn die Äußerung durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse gerechtfertigt ist, hängt die Haftung von Presseunternehmen im Allgemeinen (wie auch Rating-Agenturen im Besonderen) stets von einer Interessenabwägung ab.114 Innerhalb dieser findet im Wege einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auch die Pressefreiheit Beachtung;115 das Bundesgericht betont dabei das „Wächteramt“ der Presse, zu deren Informationsauftrag es auch gehöre, über ökonomische Zusammenhänge zu berichten.116 Da ein höherwertiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit des Weiteren dann angenommen wird, wenn es sich um berühmte Personen handelt oder um solche, die ein öffentliches Amt ausüben – eine Differenzierung, die an die Kategorie der public figures im U.S.-amerikanischen Verfassungsrecht117 erinnert – dürfte an Bonitätsbeurteilungen über sich an den Finanzmärkten finanzierende Unternehmen oder öffentlich angebotene Anleihen auch nach Schweizer Recht ein beträchtliches Informationsinteresse bestehen. Im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung wird eine Verletzung der Persönlichkeit des Emittenten daher im Regelfall zu verneinen sein, weil ein Unternehmen, das Investoren gegenüber die Rückzahlung von Fremdkapital verspricht, die Veröffentlichung von Prognosen Dritter über seine Rückzahlungsfähigkeit dulden muss.118 Eine Übertragung der Kriterien der deutschen „Stiftung Warentest“-Rechtsprechung, die im schweizerischen Schrifttum vorgeschlagen
111 So Schürmann/Nobel, Medienrecht, § 5 II 1. Zur Gleichsetzung von Bonität und Kredit bereits § 1 I. 112 Riklin, Schweizerisches Presserecht, § 7 Rn. 13. 113 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 76; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 159 f.; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 477; ebenso zu Research-Reports von Finanzanalysten Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 7 Rn. 60 ff. 114 Meili, in Basler Komm., Art. 28 ZGB Rn. 49. 115 BGer, 14.12.1965, BGE 91 II 401, 406 E. 3e; BGer, 21.3.1969, BGE 95 II 481, 492 E. 7 („Club Medityrannis“); CHK/Aebi-Müller, Art. 28 ZGB Anm. 34; Ehrenzeller u.a./Burkert, Art. 17 BV Rn. 39; Meili, in Basler Komm., Art. 28 ZGB Rn. 50; Schürmann/Nobel, Medienrecht, § 5 I; Stauder, Warentests, S. 281, 296. 116 BGer, 9.6.1983, BGE 109 II 353, 358 E. 3; BGer, 21.11.1996, BGE 122 III 449, 456 f. E. 3b („Firmensanierer“). 117 Siehe § 21 II 2 c) aa). 118 So auch Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 477.
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wird,119 ist dabei auch hier abzulehnen, weil sie dem Prognosecharakter von Ratings nicht ausreichend Rechnung trägt.120 Der Schutz der Pressefreiheit tritt allerdings in den Fällen zurück, in denen das veröffentlichte Rating von der subjektiven Prognose der Rückzahlungswahrscheinlichkeit durch die Rating-Agentur abweicht,121 weil an einer solchen Information i.S. des Art. 28 Abs. 2 ZGB kein öffentliches Interesse bestehen kann.
2. Haftung wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens, Art. 3 UWG Darüber hinaus kann nach schweizerischem Lauterkeitsrecht derjenige, der durch unlauteren Wettbewerb in seinem Kredit oder beruflichen Ansehen bedroht oder verletzt wird, auf Unterlassung und Schadensersatz klagen.122 Unlauter handelt gemäß Art. 3 lit. a UWG auch, wer andere oder ihre Geschäftsverhältnisse durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äußerungen herabsetzt, wobei es – anders als nach deutschem UWG123 und den Wettbewerbsrechten der meisten anderen Staaten – nicht erforderlich ist, dass zwischen dem Äußernden und dem Verletzten ein Wettbewerbsverhältnis besteht.124 Art. 3 lit. a UWG kann folglich grundsätzlich auch die Veröffentlichung eines unbeauftragten Ratings durch eine Rating-Agentur erfassen,125 weil diese damit nicht als Wettbewerberin, aber doch als Dritte den Kredit des gerateten Emittenten beschädigen und sein Verhältnis zu Mitbewerbern und Kunden beeinflussen kann.126 Die weiteren Voraussetzungen der Norm werden freilich nur selten erfüllt sein: Unrichtig kann eine Bonitätsbeurteilung schon deshalb nicht sein, weil sie keine Tatsachenäußerung darstellt und daher auch nicht, wie von der schweizerischen Rechtsprechung verlangt,127 einem Wahrheitsbeweis zugänglich ist; anders kann es daher allenfalls bei Tatsachenangaben im Ratingbericht liegen.128 Ob ein unbeauftragtes Rating bereits irreführend ist, wenn es nicht als solches gekennzeichnet wird,129 muss angesichts der nachweisbaren Gleichbehandlung be119
Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 79. Siehe schon § 25 V 1 b). 121 Dazu § 25 V 2 b) bb). 122 Art. 9 Abs. 1, 3 UWG. 123 Zur fehlenden Anwendbarkeit des deutschen UWG auf das Verhältnis zwischen RatingAgenturen und Emittenten Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 132; Peters, Haftung und Regulierung von Rating-Agenturen, S. 50 f. 124 BGer, 7.11.1997, BGE 123 IV 211, 214 E. 2 („Rinderwahnsinn“); Auf der Maur, in: Glasser, Int. Libel and Privacy Hdb., S. 388, 393; Baudenbacher/Baudenbacher, Art. 1 Rn. 45; Pedrazzini/ Pedrazzini, UWG, Rn. 1.62; von Büren/Bürgi, SZW/RSDA 1999, 283. 125 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 77 ff. mit dem zutreffenden Hinweis, dass Art. 3 lit. e UWG (vergleichende Werbung) dagegen nicht einschlägig ist; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 479. 126 Dies reicht ausweislich der Grundsatznorm des Art. 2 UWG aus. 127 BGer, 13.6.1967, BGE 93 II 135, 142 E. 2; Baudenbacher/Baudenbacher/Glöckner, Art. 3 lit. a Rn. 14. 128 Im Ergebnis ebenso Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 80 f.; a.A. Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 550. 129 So Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 81. 120
§ 28 Haftung der Rating-Agenturen für unbeauftragte (unsolicited) Ratings
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auftragter und unbeauftragter Ratings durch die Investoren130 als hochgradig zweifelhaft erscheinen,131 und unnötig verletzend kann ein Rating als Äußerung schließlich schon deshalb nicht sein, weil es anhand einer feststehenden Ratingskala erteilt wird, die für einen mehr oder weniger verletzenden Aussagegehalt gar keinen Raum lässt.132 Selbst dort, wo die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 3 UWG im Einzelfall als erfüllt angesehen werden könnten, wirkt sich im Übrigen die institutionsschützende Wirkung der Pressefreiheit aus, mag man dies rechtstechnisch durch eine entsprechende Anwendung des Art. 28 Abs. 2 ZGB133 oder aber die „direkte“ Ausstrahlung des Grundrechts auf die Anwendung des Art. 3 UWG134 erreichen. Im Ergebnis wird eine Haftung der Rating-Agentur daher aus denselben Gründen, die schon zu Art. 28 ZGB aufgezeigt wurden,135 im Regelfall ausscheiden.
III. Haftung der Rating-Agenturen für Rufschädigung nach U.S.-amerikanischem Recht Auch in den U.S.A. hat die Haftung von Rating-Agenturen für unbeauftragt erstellte Ratings bislang eine vergleichbare geringe praktische Rolle gespielt. Sie stand allerdings im Verfahren Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services136 im Mittelpunkt zweier bekannter Gerichtsentscheidungen, auf die bereits an anderer Stelle im Text137 eingegangen wurde. Als Grundlage für etwaige Ansprüche des Emittenten kommt im Recht der U.S.A. vor allem das law of defamation in Frage,138 mittels dessen nach allgemeiner Ansicht auch Unternehmen (corporations) ihren Ruf verteidigen können.139 Daneben kann je nach Fallgestaltung auch das Delikt der interference with contract or 130
Siehe die empirischen Nachweise in § 5 II 1 d). Ebensowenig zu folgen ist Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 550 f., der von Verfahrensfehlern bei der Ratingerstellung auf die Irreführungsgefahr schließen will. 132 Abwegig deshalb Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 81 ff.; zweifelhaft auch Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 545. Zur Berücksichtigung von Inhalt und Form einer Äußerung zur Beurteilung einer „unnötigen Verletzung“ Baudenbacher/Baudenbacher/Glöckner, Art. 3 lit. a Rn. 29 ff. 133 Riklin, Schw. Presserecht, S. 276; a.A. von Büren/Bürgi, SZW/RSDA 1999, 283, 295. 134 So EGMR, 25.8.1998 – Hertel ./. Schweiz, GRUR Int. 1999, 156 ff. („Mikrowellenherd“); BGer, 7.11.1997, BGE 123 IV 211, 216 E. 3b („Rinderwahnsinn“); Baudenbacher/Baudenbacher/ Glöckner, Art. 3 lit. a Rn. 70. 135 Oben II 1 b). 136 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.4.1997, 988 F.Supp. 1341, 1344 (D.Colo. 1997); aff’d. 4.5.1999, 175 F.3d 848 ff. (10th Cir. 1999). 137 Siehe § 5 III 1 a) cc) (1). 138 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.4.1997, 988 F.Supp 1341, 1344 (D.Colo. 1997): defamation und publication of injurious falsehood; Blaurock, ZGR 2007, 603, 631; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 352: libel nach § 568 Restatement (Second) of Torts. 139 Carter/Franklin/Wright, First Amendment, S. 88. 131
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prospective contract einschlägig sein.140 Auf die Einzelheiten dieser Rechtsfiguren kommt es bei der Haftung für unbeauftragte Ratings jedoch letztlich kaum an, weil im U.S.-amerikanischen Recht gleich zwei Hürden einer Inanspruchnahme der Rating-Agenturen im Wege stehen:
1. Verdrängung deliktischer Ansprüche nach Gliedstaatenrecht durch den Credit Rating Agency Reform Act of 2006? So ist seit Inkrafttreten der Anerkennungsregeln des Credit Rating Agency Reform Act of 2006 unklar, ob Regelungen des Deliktsrechts (tort) der U.S.-Gliedstaatenrechte weiterhin zu Ansprüchen gegen als NRSRO anerkannte RatingAgenturen führen können, untersagt eine durch dieses Gesetz neu eingeführte Bestimmung des (bundesgesetzlichen) Securities Exchange Act of 1934 den Gliedstaaten doch ausdrücklich eine Regelung des Inhalts von Ratings sowie der Verfahren und Methoden der Ratingerstellung.141 Im Schrifttum wird diese Vorschrift nun so verstanden, dass damit auch Regelungen des state-law tort verdrängt werden sollen, weil auch deliktsrechtliche Haftungsregeln als inhaltliche Regelung anzusehen seien;142 andere Stimmen halten eine solche Auslegung zumindest für möglich.143 Zahlreiche Gründe streiten jedoch gegen diese Interpretation der genannten Regelung, sodass im Ergebnis nicht von eine Verdrängung des gliedstaatlichen Deliktsrechts durch den Credit Rating Agency Reform Act of 2006 auszugehen ist:144 140 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.4.1997, 988 F.Supp 1341, 1344 (D.Colo. 1997); Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 37; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 354. 141 § 15E(c)(2) Securities Exchange Act of 1934: „Notwithstanding any other provision of law, neither the Commission nor any State (or political subdivision thereof) may regulate the substance of credit ratings or the procedures and methodologies by which any nationally recognized statistical rating organization determines credit ratings.“ 142 Ellsworth/Porapaiboon, 18 Bus. L. Today (March/April 2009), 35, 36; Sullivan, 94 Minn. L. Rev. (2010), 2136, 2153 ff. (mit ausführl. Begründung); Hunt, Colum. Bus. L. Rev. (2009), 109, 196 unter Verweis auf die Entscheidung des Supreme Court in Lohr v. Medtronic, Inc., 26.6.1996, 518 U.S. 470, 504 f., 116 S.Ct. 2240 (1996): „insofar as [a federal statute] pre-empts a state requirement embodied in a state statute, rule, regulation, or other administrative action, it would also pre-empt a similar requirement that takes the form of a standard of care or behavior imposed by a state-law tort action.“ Vgl. zur Verletzung von Bundeskompetenzen durch einzelstaatliches Haftungsrecht schon San Diego Bldg. Trades Council v. Garmon, 20.4.1959, 359 U.S. 236, 246 f., 79 S.Ct. 773 (1959): „Even the States’ salutary effort to redress private wrongs or grant compensation for past harm cannot be exerted to regulate activities that are potentially subject to the exclusive federal regulatory scheme.“ 143 Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1689: „in an era of ‚plain language‘ interpretation that reading cannot be ruled out.“ 144 So auch Anschutz Corp. v. Merrill Lynch and Co. Inc., 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799, 829 (N.D.Cal. 2011): „[t]here is no language to indicate that the SEC’s exclusive authority extends to enforcement of claims that arise from sources other than the CRARA“; ebenfalls in diese Richtung schon In re National Century Financial Enterprises, Inc. Investment Litig., 22.7.2008, 580 F.Supp.2d 630, 651 (S.D.Ohio 2008). Offen gelassen in Ohio Police & Fire Pension Fund v. Standard & Poor’s Financial, 26.9.2011, 813 F.Supp.2d 871, 877 f. (S.D.Ohio 2011).
§ 28 Haftung der Rating-Agenturen für unbeauftragte (unsolicited) Ratings
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So stellt bereits der Wortlaut der Konkurrenzklausel einleitend klar, dass das darin ausgesprochene Verbot nicht ausnahmslos, sondern nur „vorbehaltlich anderer Rechtsvorschriften“ (notwithstanding any other provision of law) gilt.145 Sinn und Zweck der Regelung sprechen aber dafür, dass sie lediglich eine Schaffung spezifisch auf Rating-Agenturen zugeschnittener Bestimmungen untersagen will, durch welche die bewusste Beschränkung des Credit Rating Agency Reform Act of 2006 auf eine Anerkennungsregelung für Zwecke der Regulierungsfunktion von Ratings ausgehebelt würde. Dass die Anwendung allgemeiner Vorgaben des Deliktsrechts auf als NRSRO anerkannte Rating-Agenturen pauschal ausgeschlossen werden soll (nicht hingegen auf andere Rating-Agenturen, auf die sich die Norm nicht bezieht), erscheint hingegen als fern liegend und wäre auch mit der (hier vertretenen) Trennung von Marktinformations- und Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen146 unvereinbar. Ihre deliktische Haftung für durch unbeauftragte Ratingerstellungen verursachte Schäden scheidet folglich nicht schon aus diesem Grunde aus.
2. Hindernisse einer deliktischen Haftung für unbeauftragte Ratings Die Anwendung deliktischer Haftungsgrundlagen auf unbeauftragte Ratings wirft in den U.S.A. im Übrigen aber dieselben Schwierigkeiten auf, die diesbezügliche Ansprüche bei beauftragten Ratings quasi leer laufen lassen. Eine Ausnahme besteht allein im Hinblick auf die Zustimmung des Emittenten zur Ratingveröffentlichung, die nach dem law of defamation zum Ausschluss jeder Haftung führt147 – eine solche Zustimmung liegt bei unbeauftragt erstellten Ratings typischerweise nicht vor (wenngleich dies in Sonderfällen auch anders sein kann, sofern die Rating-Agentur dem betroffenen Emittenten eine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und dieser der Ratingpublikation daraufhin zugestimmt hat).
Jenseits dieser Besonderheit wirkt sich auch bei unbeauftragten Ratings aus, dass diese keine als falsch beweisbare Tatsache ausdrücken und schon deshalb die Anspruchsvoraussetzungen zahlreicher Haftungstatbestände nicht erfüllen.148 Vor allem greift bei Klagen wegen defamation, wegen intentional interference with contractual relations oder publication of injurious falsehood auch hier der institutionsschützende „actual malice“-Standard ein149 mit der Folge, dass überhaupt nur Tatsachenäußerungen als anspruchsbegründend in Frage kommen, deren Falschheit der Kläger ebenso darlegen und beweisen muss wie das grobe Verschulden der Rating-Agentur.150 Diesen Anforderungen wird der klagende Emit145
§ 15E(c)(2) Securities Exchange Act of 1934. Dazu schon § 17 II 2. 147 § 583 Restatement (Second) of Torts; Harper, James & Gray on Torts, § 5.17. 148 Siehe schon oben § 27 I 1 a); spezifisch zu unbeauftragten Ratings Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 352. 149 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.4.1997, 988 F.Supp 1341, 1344 (D.Colo. 1997); Blaurock, ZGR 2007, 603, 631. 150 Siehe im Einzelnen § 21 II 2 c). 146
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
tent kaum gerecht werden können. Im Fall Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services qualifizierte das Gericht die Aussagen der Rating-Agentur über die Kreditwürdigkeit des Emittenten jedenfalls als bloße Meinung und wies die Klage deshalb ab.151 Mit Recht merkte es dabei an, dass manche Äußerungen schlicht keinem objektiven Beweis ihrer Unrichtigkeit zugänglich sind.152
IV. Haftung der Rating-Agenturen für Rufschädigung nach dem Recht Hongkongs Das Hongkonger Recht der Rufschädigung (defamation) folgt weitgehend dem Vorbild des englischen Rechts,153 indem die Hongkonger Gerichte sich sowohl an der englischen Rechtsprechung als auch der englischen Standardliteratur zu den überkommenen Haftungsinstituten libel (bei Äußerungen in verkörperter, vor allem schriftlicher Form) und slander (bei mündlichen Äußerungen) orientieren;154 diese werden nur punktuell durch die gesetzlichen Regelungen der Hongkonger Defamation Ordinance155 modifiziert. Nach der überkommenen Definition des englischen Rechts ist eine rufschädigende Äußerung (defamatory statement) „one which injures the reputation of another by exposing him to hatred, contempt, or ridicule, or which tends to lower him in the esteem of right-thinking members of society“.156 Davon erfasst werden nicht nur Tatsachenaussagen, sondern auch Werturteile, vor denen das Hongkonger Recht neben dem Ruf natürlicher Personen auch den Ruf von Unternehmen schützt.157 Das Anzweifeln der Kreditwürdigkeit zählt dabei seit jeher zu den Fallgruppen, in denen eine Schädigung des Unternehmensrufes vorliegen kann.158 Auch die Veröffentli151 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.5.1999, 175 F.3d. 848, 856 (10th Cir. 1999). 152 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.5.1999, 175 F.3d. 848, 854 (10th Cir. 1999): „courts have concluded that, due to the subject matter involved, there is simply no objective evidence that could prove that an allegedly defamatory statement was false.“ 153 Davis, in: Glasser, Int. Libel and Privacy Hdb., S. 112, 113; Vaughan, in: Bokhary, Tort Law and Practice in Hong Kong, Rn. 20.001. 154 So etwa in Cheung Ng Sheong Steve v. Eastweek Publisher Ltd and Another, 20.10.1995, [1995] 3 HKC 601 Tz. 5; Oriental Daily Publisher Ltd and Another v. Ming Pao Holdings Ltd and Others, 28.5.2010, [2010] HKCFI 471 Tz. 22 ff., wo jeweils das englische Standardwerk Gatley on Libel and Slander in der aktuellen Auflage zitiert wird. 155 Cap. 21. 156 Sim v. Stretch, 1.1.1936, [1936] 2 All ER 1237, 1240, per Lord Atkin. Diese Definition wird auch in Hongkong für maßgeblich erachtet; vgl. Glofcheski, Tort Law in Hong Kong, S. 820 f. 157 Davis, in: Glasser, Int. Libel and Privacy Hdb., S. 112, 115; Glofcheski, Tort Law in Hong Kong, S. 818; Vaughan, in: Bokhary, Tort Law and Practice in Hong Kong, Rn. 20.001. Dies entspricht der Haltung des englischen Rechts; vgl. Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 12–18. 158 The Capital and Counties Bank Limited v. George Henty & Sons, 1.8.1882, [1882] 7 App Cas 741: „that the letter […] was libellous, as tending to impute a doubt of the credit of the bank“ (in concreto verneint, weil andere Auslegungen des Briefinhaltes für ebenso nahe liegend erachtet wurden); Derbyshire County Council v. Times Newspapers Ltd, 18.2.1993, [1993] AC 534, 547:
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chung einer ungerechtfertigt niedrigen Ratingeinstufung kommt daher grundsätzlich als libel in Frage, wenngleich ein herabsetzender Aussagegehalt keinesfalls in jedem „falschen“ Rating zu erkennen sein wird; eine Einstufung im „noninvestment grade“-Bereich dürfte jedoch im Einzelfall hierzu gerechnet werden können, weil sie den Emittenten in den Augen der Öffentlichkeit159 dem Kreis der unsicheren („spekulativen“) Schuldner zuordnet. Damit sind bereits die Umstände umschrieben, die der Emittent, der eine Rating-Agentur wegen libel nach englischem Recht verklagt, darzulegen und zu beweisen hat,160 weil der Beweis für eine etwaige Rechtfertigung der rufschädigenden Aussage dem Beklagten obliegt161 und ein Verschulden ohnehin nicht erforderlich ist;162 auch ein wirtschaftlicher Schaden auf Seiten des Klägers muss nicht nachgewiesen werden. Darin liegt ein tief greifender Unterschied zum U.S.-amerikanischen Recht, in welchem dieses traditionelle Konzept des law of defamation seit der New York Times-Entscheidung des Supreme Court durch den „actual malice“-Standard entscheidend modifiziert wird, sofern Presseveröffentlichungen betroffen sind.163 Eine entsprechende Wirkung wird der Pressefreiheit, die nach Hongkonger Verfassungsrecht grundsätzlich auch die Rating-Agenturen schützen dürfte,164 im englischen wie im Hongkonger Recht dagegen bis heute nicht zuerkannt, was der wesentliche Anlass für die Schaffung der im Text bereits beschriebenen presseschützenden Vollstreckungsgesetze in den U.S.A.165 war. Urteile, die eine Rating-Agentur auf Grundlage des Hongkonger libel laws zu Schadensersatzzahlungen für ein unsolicited rating verurteilen, könnten deshalb in den U.S.A. jedenfalls nicht vollstreckt werden. Den Rating-Agenturen stehen nach englischem und Hongkonger Recht freilich ohnehin verschiedene Rechtfertigungsgründe (defenses) zur Verfügung, die schon das Entstehen einer Schadensersatzpflicht verhindern können: Der Entscheidung des House of Lords in Reynolds v. Times Newspapers Ltd zufolge besteht ein „qualified privilege“ für Informati-
159 „The authorities cited above clearly establish that a trading corporation is entitled to sue in respect of defamatory matters which can be seen as having a tendency to damage it in the way of its business. Examples are those that go to credit such as might deter banks from lending to it …“; Jameel v. Wall Street Journal Europe, [2007] 1 AC 359 Rn. 17. 159 Als relevanter Empfängerhorizont benennt die Hongkonger Rspr. den „hypothetical reasonable reader“, der „not naïve but [also] not unduly suspicious“ sei; vgl. Peregrine Investment Holdings Ltd v. The Associated Press, 9.7.1997, [1997] HKLRD 1073; Glofcheski, Tort Law in Hong Kong, S. 821. 160 Zwei weitere Haftungsvoraussetzungen – die Bezugnahme der Äußerung gerade auf den Kläger und deren Veröffentlichung – sind im Falle von Ratings unproblematisch erfüllt. 161 Davis, in: Glasser, Int. Libel and Privacy Hdb., S. 112, 116. 162 Davis, in: Glasser, Int. Libel and Privacy Hdb., S. 112, 116: Libel ist in Hongkong ein strict liability tort. 163 Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 12–53 konstatiert aus Sicht des englischen Rechts einen „sharp contrast“ zum U.S.-amerikanischen law of defamation. 164 Siehe § 21 VI 1. 165 Siehe zum New Yorker Libel Terrorism Protection Act of 2008 und dem bundesgesetzlichen SPEECH Act bereits § 26 III 2 b).
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onen über matters of public concern,166 deren Veröffentlichung zwar nicht ausnahmslos erlaubt ist, aber nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt sein kann.167 Ähnliches gilt für den Rechtfertigungsgrund des fair comment,168 dessen Anwendung auf unbeauftragte Ratings denkbar erscheint. Die klassische defense der Wahrheit der Aussage169 nützt im Fall von Ratings hingegen wenig, weil die insoweit beweisbelastete Rating-Agentur die Wahrheit einer Bonitätsbeurteilung ebenso wenig beweisen kann wie der Emittent deren Unwahrheit.
Im Ergebnis ist die Verteidigung einer Rating-Agentur gegen den Vorwurf rufschädigend niedriger Ratingeinstufungen nach Hongkonger libel law jedenfalls mit erheblich größeren Unsicherheiten belastet als nach U.S.-amerikanischem Recht, wo die institutionsschützende Wirkung des First Amendment der Haftung insofern klarere (und ungleich beklagtenfreundlichere) Grenzen zieht.
166 Informationen über börsennotierte Unternehmen sind in der Hongkonger Rspr. als matters of public concern eingestuft worden; vgl. Davis, in: Glasser, Int. Libel and Privacy Hdb., S. 112, 122. 167 Reynolds v. Times Newspapers Ltd, 28.10.1999, [2001] 2 AC 127; später präzisiert in Jameel v. Wall Street Journal Europe, 11.10.2006, [2007] 1 AC 359. Das Reynolds-Privileg hat in Hongkong freilich bislang eine deutlich geringere Rolle gespielt als in England (Davis, in: Glasser, Int. Libel and Privacy Hdb., S. 112, 117). 168 Vgl. Cheng and Another v. Tse Wai Chun, 13.11.2000, [2000] 3 HKLRD 418. 169 M’Pherson v. Daniel, 1.1.1829, [1829] 109 ER 448, 451; vgl. Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 12–26 ff.
§ 29 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren I. Einleitung Da die originäre Rolle der Rating-Agenturen in der modernen juristischen wie ökonomischen Diskussion darin gesehen wird, den Finanzmarkt in seiner Gesamtheit mit Bonitätsinformationen zu versorgen (Marktinformationsfunktion),1 mag die allgemeine Marktöffentlichkeit im ersten Zugriff als alleiniger und gleichzeitig „allumfassender“ Adressat von Ratings erscheinen. Diese Einordnung würde jedoch übersehen, dass die Rating-Agenturen ihre Bonitätsbeurteilungen daneben noch auf anderem Wege an interessierte Investoren kommunizieren, nämlich über (im Einzelnen vielgestaltige2) „Abonnementverträge“,3 aufgrund derer die abonnierenden Investoren gegen Entgeltzahlung über die publizierten Ratings hinaus umfangreiche begleitende Ratingberichte, -aufstellungen und sonstige Daten erhalten. Der Vertrieb von Ratinginformationen über Abonnements und ähnliche Vertragsbeziehungen stellt dabei die „Urform“ des Ratinggeschäfts dar, die bis zur erstmaligen Einführung des „issuer pays“-Modells in den 1970er Jahren4 auch die einzig praktizierte Form des Ratingabsatzes war. Heute tritt sie bei den großen internationalen Rating-Agenturen neben die allgemein zugängliche Veröffentlichung von Ratings, während Abonnements bei kleineren Rating-Agenturen mit „investor pays“-Geschäftsmodell weiterhin der alleinige Vertriebskanal sind. Die in Gestalt des Abonnementvertrages bestehende vertragliche Sonderbeziehung zwischen Rating-Agenturen und abonnierenden Investoren hebt Letztere aus der Gruppe der allgemeinen Investorenöffentlichkeit hinaus und gibt Anlass, etwaige Besonderheiten der Haftung gegenüber abonnierenden Investoren vorab gesondert zu untersuchen, bevor in § 30 auf die Haftung der Rating-Agenturen 1
Vgl. schon § 1 II 1, § 4. Heute stehen insoweit Verträge über den elektronischen Abruf von Ratinginformationen naturgemäß ganz im Vordergrund, während es in der Vergangenheit noch vorrangig um gedruckte Ratingpublikationen ging, die periodisch erschienen. Deren Vielgestaltigkeit wird etwa in der Entscheidung In re Scott Paper Comp. Sec. Litig., 30.11.1992, 145 F.R.D. 366, 369 (E.D.Pa. 1992) deutlich, wo nicht weniger als sechs laufende Ratingpublikationen von Standard & Poor’s („CreditWeek“, „Bond Guide“, „Commercial Paper Ratings Guide“, „S & P’s High Yield quarterly“, „Municipal Bond Book“ sowie „The Ratings Handbook“) aufgelistet werden. 3 Die üblicherweise in englischer Sprache abgeschlossenen Verträge verwenden überwiegend den Terminus Subscription agreement; vgl. den Abdruck des Moody’s-Abonnementvertrags bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 201. 4 Siehe § 3 II 2. 2
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gegenüber den Investoren in ihrer Gesamtheit eingegangen wird. Gemessen an ihrer Zahl stellen abonnierende Investoren dabei zwar nur einen kleinen Ausschnitt aus der (praktisch unbezifferbaren) allgemeinen Marktöffentlichkeit dar,5 deren Angehörige die allgemein zugänglichen Ratings potentiell ja alle (kostenfrei) nutzen können. Da die Abonnenten von Ratingpublikationen fast durchgehend institutionelle Investoren sind6 – private Abonnements mögen theoretisch denkbar sein,7 dürften praktisch aber schon aufgrund der beträchtlichen Gebühren8 selten vorkommen – und zugleich der weit überwiegende Anteil an Fremdkapitaltiteln durch institutionelle Investoren erworben und gehalten wird, werden geratete Finanzinstrumente jedoch an ihrem Volumen gemessen im Regelfall durch abonnierende Investoren erworben. Der im Folgenden zu untersuchenden Haftungskonstellation kommt folglich nicht nur in dogmatischer, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht erhebliche Bedeutung zu.
II. Haftung der Rating-Agenturen wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag mit dem Abonnenten Mit Blick auf die Haftung der Rating-Agenturen unterscheidet sich die Position abonnierender Investoren dabei in zweierlei Hinsicht von der Lage der übrigen Investorenöffentlichkeit: Zum einen sind die Ratingberichte, die Abonnenten von den Rating-Agenturen beziehen, um ein Vielfaches ausführlicher als die öffentlich publizierten Ratings, die meist nur aus der in Form eines Ratingsymbols „codierten“ Bonitätseinstufung bestehen,9 und weisen schon deshalb ein größeres Fehlerpotential auf. Dieses geht dabei auch deshalb mit einem größeren Haftungsrisiko einher, weil die abonnierten Ratingpublikationen häufig Tatsachenangaben über den beurteilten Emittenten oder die Emission enthalten, die nicht von den haftungsrechtlichen Privilegien profitieren, die Meinungen und Werturteilen vielfach zukommen. Zum anderen besteht in Gestalt des Abonnementvertrages eine vertragliche Beziehung zwischen Rating-Agentur und abonnierendem Investor, infolge derer (nach allen hier untersuchten Rechtsordnungen) eine vertragliche Haftung der Rating-Agentur zumindest in Frage kommt, die in die5 Umfassende Statistiken über die Zahl der Ratingabonnementen werden von den RatingAgenturen – soweit ersichtlich – nicht veröffentlicht. Moody’s Deutschland nennt für das Jahr 2010 die Zahl von 200–300 (deutschen) abonnierenden Investoren; Standard & Poor’s hatte 1989 für seine „Corporation Records“ über 7.500 Abonnementen (so First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s, 2.3.1989, 869 F.2d 175, 176 (2nd Cir. 1989)). 6 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 8; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 85: „durchweg“. 7 Vgl. in diesem Sinne Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 8. 8 Vgl. hierzu Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 85: teilweise über USD 1000 pro Monat. 9 Manche Rating-Agenturen machen zwar bei Veröffentlichung eines Erstratings oder einer Ratingänderung auch einen begleitenden Ratingbericht kostenfrei zugänglich, der jedoch typischerweise nur für einen begrenzten Zeitraum (häufig eine Woche) zur Verfügung steht.
§ 29 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren
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ser Form gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit von vornherein ausscheiden muss. Die U.S.A. sind dabei – soweit ersichtlich – die bislang einzige Rechtsordnung, deren Gerichte bereits über die Klage eines Abonnenten gegen eine Rating-Agentur zu entscheiden hatten; in der Rechtssache First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s kam es insoweit gleich zu einer Reihe einschlägiger Urteile.10
1. Abonnementvertrag als Grundlage vertraglicher Pflichten zu Ratinginhalt und -erstellung? Ein Abonnementvertrag verpflichtet die Rating-Agentur zweifelsohne dazu, überhaupt im vereinbarten Umfang und für die vereinbarte Zeit Ratings und begleitende Berichte zu erstellen und dem Abonnenten zu übermitteln; dieser Vertragsinhalt (das „ob“ des Ratings) ist ebenso unstreitig wie unproblematisch. Die entscheidende Frage lautet hingegen, ob sich aus dem Abonnementvertrag auch vertragliche Vorgaben hinsichtlich des geschuldeten Ratinginhalts bzw. des Ratingverfahrens (also des „wie“ des Ratings) ergeben, die im Falle ihrer Verletzung eine vertragliche Haftung der Rating-Agentur zur Folge haben können.11 a) U.S.-amerikanisches Recht Das U.S.-amerikanische Recht verneint diese Frage und stellt den Abonnenten einer Ratingpublikation mit allen sonstigen Lesern der Publikation gleich, die jene auf anderem Weg (d.h. ohne eigenen Abonnementvertrag mit der RatingAgentur, also durch Kauf der einzelnen Publikation oder Einsichtnahme in das Exemplar eines Dritten oder öffentlich zugängliche Quellen) zur Kenntnis genommen haben. Zur Begründung führt die Rechtsprechung aus, ein periodisch zahlender Abonnent unterscheide sich nicht wesentlich von anderen Käufern einer Ratingpublikation oder Lesern, die überhaupt nicht für die Publikation bezahlt haben;12 er befinde sich daher – trotz des Abonnementvertrages – rechtlich nicht „in privity“ mit der Rating-Agentur.13 Dies entspricht der allgemeinen Haltung des U.S.-amerikanischen Rechts zur rechtlichen Stellung von Zeitungs- und Zeitschriftenabonnenten, die durchgehend den übrigen Lesern der Publikation –
10 First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s, 28.9.1987, 670 F.Supp. 115 ff. (S.D.N.Y. 1987) und 22.7.1988, 690 F.Supp. 256 ff. (S.D.N.Y. 1988); aff’d 2.3.1989, 869 F.2d 175 ff. (2nd Cir. 1989). 11 Die Haftung von Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren hat zum Hongkonger Recht bislang weder in Rechtsprechung noch in Literatur Behandlung erfahren; es wird daher im Folgenden nur am Rande mit erörtert. 12 Vgl. auch Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 458: „clients are known to the publisher only as names on a mailing list“. 13 First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s, 28.9.1987, 670 F.Supp. 115, 117 (S.D.N.Y. 1987); aff’d 2.3.1989, 869 F.2d 175, 179 (2nd Cir. 1989). Zustimmend Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 457 f.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
also der allgemeinen Öffentlichkeit – gleichgestellt werden.14 Der Abonnementvertrag begründet nach dieser Ansicht folglich keine vertraglichen Pflichten der Rating-Agentur, die sich auf Ratinginhalt und -erstellung beziehen.15 Nach U.S.-amerikanischem Recht können Schadensersatzansprüche wegen „fehlerhafter“ Ratingpublikationen somit auch von abonnierenden Investoren nur auf deliktsrechtlicher Grundlage (tort) geltend gemacht werden, also vor allem bei negligent misrepresentation sowie aufgrund ähnlicher Rechtsinstitute. Da Abonnenten insoweit als unselbständige Gruppe innerhalb der allgemeinen Investorenöffentlichkeit eingeordnet werden, empfiehlt es sich, damit zusammenhängende Rechtsfragen einheitlich in § 30 abzuhandeln. b) Deutsches und Schweizer Recht Im deutschen und im schweizerischen Recht wird der Abonnementvertrag mit der Rating-Agentur demgegenüber als potentiell wichtige Quelle vertraglicher Haftungsansprüche angesehen.16 Aus diesem Grund wird auch die vertragstypologische Einordnung dieses Vertrages umfänglich und streitig diskutiert – zu Unrecht, denn auch hier17 stellen vorhandene gesetzliche Regeln keine Bestimmungen bereit, die das Pflichtenprogramm dieser speziellen Vertragsart in aussagekräftiger Weise konkretisieren würden. Unabhängig davon, ob man den Ratingabonnementvertrag mit der wohl herrschenden Ansicht nach deutschem18 wie auch nach schweizerischem19 Recht als Kaufvertrag (§ 433 BGB, Art. 184 OR) oder aber anders (etwa nach deutschem Recht als Informationskauf-20 oder 14 Vgl. Gutter v. Dow Jones, Inc., 19.3.1986, 490 N.E.2d 898, 902 (1986) (betraf das Wall Street Journal – durchgehende Gleichbehandlung von „newspaper reader or subscriber“); Gale v. Value Line, Inc., 24.7.1986, 640 F.Supp. 967, 970 (D.R.I. 1986) (betraf Abonnenten der Investmentpublikation Value Line Convertibles). Ebenso für die deliktische Haftung Daniel v. Dow Jones & Co., 13.10.1987, 520 N.Y.S. 2d 334, 338 (N.Y. City Civ. Ct. 1987) (betraf elektronischen Informationsservice): „The ,special relationship‘ required to allow for an action for negligent misrepresentations must be greater than that between the ordinary buyer and seller“. 15 First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s, 28.9.1987, 670 F.Supp. 115, 117 (S.D.N.Y. 1987); Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 457 f. Vgl. zur Stellung des Abonnenten einer vergleichbaren Fachpublikation Gale v. Value Line, Inc., 24.7.1986, 640 F.Supp. 967, 970 (D.R.I. 1986): „In short, there is no expressed contract to be breached as a basis for the plaintiff’s action. Nor is there any implied agreement. Plaintiff can point to no circumstances which impose a particular duty upon the defendant as a matter of law, hence no implied contractual remedy is available to plaintiff.“ 16 So etwa Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 788; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 172 ff. 17 Siehe zur vergleichbaren Lage hinsichtlich des Ratingvertrages zwischen Emittent und Rating-Agentur bereits § 27 I 1. 18 Berger/Stemper, WM 2010, 2289; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Ebenroth/Daum, WMSonderbeil. 5/1992, S. 1, 8; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 205; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 172 ff. 19 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 98; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 150 und 155; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 265. 20 Gemäß §§ 453 Abs. 1, 434 Abs. 1 BGB; so Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 887.
§ 29 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren
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gemischten Vertrag,21 bzw. nach Schweizer Recht als Auftrag22) einordnet, kommt es für die Bestimmung der Pflichten, welche die Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren übernommen haben, daher letztlich doch allein auf die Vertragsauslegung an. aa) Keine Beratungs- oder Auskunftspflicht der Rating-Agenturen In Deutschland wird hierzu vielfach die „Börsendienst“-Entscheidung des BGH als Ausgangspunkt gewählt, in welcher der dortige Abonnementvertrag als gemischter Vertrag mit kaufvertraglichen Elementen eingeordnet wurde, bei dem aber jede Einzelverpflichtung an den für sie maßgeblichen Bestimmungen zu messen sei.23 Soweit der Inhalt der im „Börsendienst“ abgedruckten Anlageempfehlungen betroffen war, hatte der BGH dabei eine entgeltliche Beratungspflicht des Herausgebers angenommen.24 In der Sache besteht freilich Einigkeit darüber, dass die Grundsätze der „Börsendienst“-Entscheidung nicht auf Ratingpublikationen übertragbar sind,25 weil Ratings jeglicher Empfehlungscharakter fremd ist;26 die Annahme einer Beratungspflicht der Rating-Agenturen ist daher jedenfalls ausgeschlossen.27 Ebenso wenig wird man – entgegen mancher Stimmen im Schrifttum28 – im Abschluss des Abonnementvertrages die konkludente Vereinbarung einer Auskunftspflicht sehen können,29 die inhaltlich neben die Pflicht zur Bereitstellung der Ratingpublikation tritt:30 Da der Inhalt der Ratingpublikation einschließlich der darin enthaltenen Bonitätsbeurteilungen nach dem Willen der Vertragspar21 Kaufvertrag mit auskunftsvertraglichem Teil, der als Dienstvertrag (§ 611 BGB) zu werten ist; so Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 31; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 88 f. 22 Gemäß Artt. 394 ff. OR; so Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 85; zu Verträgen mit Finanzanalysten ebenso Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 7 Rn. 49 f. 23 BGH, 8.2.1978, BGHZ 70, 356, 361 („Börsendienst“). 24 BGH, 8.2.1978, BGHZ 70, 356, 360 („Börsendienst“). Kritisch Kübler, ZHR 145 (1981), 204, 208 f. 25 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2290; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 12; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 32 Rn. 60; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 205; Vetter, WM 2004, 1701, 1708; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 475; differenzierend Stemper, Rahmenbedingungen, S. 173 f. 26 Vgl. nur First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s, 28.9.1987, 670 F.Supp. 115, 116 (S.D.N.Y. 1987): „The publication [Standard & Poor’s Corporation Records] does not, however, include any investment recommendations by the publisher, nor does it endorse any of the securities it lists“; Commercial Financial Services v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 111 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004). Siehe zudem bereits § 2 I 1 d). 27 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 8; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 205; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 31; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 130 f.; Niedostadek, Rating, Rn. 238; Vetter, WM 2004, 1701, 1708. 28 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 12; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 31; Vetter, WM 2004, 1701, 1708. 29 Zur begrifflichen Unterscheidung zwischen Beratung und Auskunft siehe bereits § 15 I. 30 Wie hier zum deutschen Recht Amort, EuR 2013, 272, 275; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 205; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 131; zum Schweizer Recht Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 747.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
teien ersichtlich Teil der geschuldeten Hauptleistungspflicht ist,31 verbietet sich schon aus diesem Grund die Unterstellung einer Nebenpflicht, die in der Sache auf Erstellung des Hauptleistungserfolges gerichtet sein müsste. Im deutschen Recht steht dieser Annahme seit der Schuldrechtsreform zudem die Vermutung entgegen, dass der Gesetzgeber die Anforderungen an die Vertragsgemäßheit des Sachleistungsgegenstandes regelmäßig hat einheitlich und abschließend regeln wollen32 – ein Telos, der der Konstruktion begleitender „leistungsbezogener“ Informationsnebenpflichten, wie sie unter dem alten Schuldrecht verbreitet war, nunmehr grundsätzlich entgegensteht.33 Die Frage ist daher vielmehr, ob sich dem Abonnementvertrag Vorgaben bezüglich des geschuldeten Ratinginhalts und/oder der Ratingerstellung entnehmen lassen. bb) Vertragliche Bestimmung des geschuldeten Publikationsinhalts Ausgangspunkt für die Pflichtenbestimmung muss die vertragliche Beschreibung des Publikationsinhalts sein, den die Rating-Agenturen gegen Zahlung der Abonnementvergütung versprechen, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB, Artt. 197 Abs. 1, 394 Abs. 1 OR.34 Privatautonome Beschaffenheitsvereinbarungen werden zu Recht ganz allgemein als primär tauglicher Bezugspunkt angesehen, wann immer die haftungsrechtliche Beurteilung der inhaltlichen „Richtigkeit“ von Druckwerken in Rede steht.35 Die Rating-Agenturen machen in ihren standardisierten Abonnementverträgen nun aber weder ausdrücklich noch konkludent irgendwelche Zusicherungen hinsichtlich der inhaltlichen Qualität und Solidität der zu übermittelnden Informationen,36 sondern legen darin vielmehr das genaue Gegenteil fest: Alle Informationen in Ratingberichten und anderen Publikationen werden danach ausdrücklich „as is“ und ohne jede Garantie bezüglich deren Richtigkeit, Genauigkeit, Brauchbarkeit oder Vollständigkeit zur Verfügung gestellt.37 Da derartige Klauseln Inhalt und Umfang der versprochenen Leistung 31
Insoweit zutreffend Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 31. Vgl. etwa (jeweils zum Kaufrecht) B. Mertens, AcP 203 (2003), 818, 825 ff. mit ausf. Begründung; Westermann, in MünchKomm-BGB, § 433 Rn. 58. 33 In diesem Sinne allgemein auch Bamberger/Roth/Faust, § 434 Rn. 70; B. Mertens, AcP 203 (2003), 818, 849 ff.; spezifisch zu Ratingabonnementverträgen Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 205. 34 Zum deutschen Recht Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 885; zum schweizerischen Recht Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 150; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 719. 35 So stellte auch der BGH in seiner bekannten „Nottestamentsmappen“-Entscheidung vom 14.3.1973, NJW 1973, 843, 844 allein auf das Vorliegen einer zugesicherten Eigenschaft i.S.d. § 459 Abs. 2 BGB a.F. ab; aus dem Schrifttum Jauernig/Berger, § 434 Rn. 7. 36 Wie hier Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 12; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 131; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 206; a.A. Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 205. 37 Vgl. die standardisierte Abonnementvertragsklausel von Moody’s, abgedruckt bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 201. Die vergleichbare Klausel von Standard & Poor’s wird in First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s, 2.3.1989, 869 F.2d 175, 176 (2nd Cir. 1989) charakterisiert als „clear disclaimer“. 32
§ 29 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren
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konkretisieren, besteht gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nach deutschem Recht weder Anlass noch Möglichkeit, ihre Wirksamkeit nach §§ 307 ff. BGB zu beanstanden,38 und auch das schweizerische Recht stellt entsprechende „Verpflichtungsausschlussklauseln“ kontrollfrei.39 Eine Haftung für inhaltliche „Fehler“ der Ratingpublikationen lässt sich folglich nicht auf eine verletzte Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB, Artt. 197 Abs. 1, 394 Abs. 1 OR) stützen.40 Die Rating-Agenturen trifft des Weiteren auch keine vertragliche Pflicht, die Eignung ihrer Ratingpublikationen zur Information der Abonnenten zu Investitionszwecken sicherzustellen (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB),41 denn die typischen Abonnementverträge machen zweifelsfrei deutlich, dass die Rating-Agenturen gerade keine Eignung ihrer Ratings als Investitionsentscheidungsgrundlage behaupten42 – von einer Verwendung der Ratings zu solchen Zwecken wird vielmehr gerade abgeraten.43 Auch diese Klauseln unterliegen nach dem oben Gesagten keiner AGB-Kontrolle. Vor diesem Hintergrund versucht man sich im Schrifttum nicht selten mit der Behauptung zu behelfen, die Rating-Agentur schulde ihren Abonnenten jedenfalls eine „ordnungsgemäße“ Erstellung des Ratings.44 Abgesehen davon, dass niemand zu sagen vermag, welche verfahrensmäßigen Anforderungen an die Ratingerstellung damit in concreto gemeint sind, sprechen gleich mehrere Gründe gegen die Annahme eines solchen Pflichteninhalts: So wird man zum einen an38 Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 131; Vetter, WM 2004, 1701, 1708. A.A., aber mit kaum vertretbarer Begründung Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 666 f. 39 Weber, in Berner Komm., Art. 100 OR Rn. 74 m.w. Nachweisen. 40 Zutreffend Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 101 (zu § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB); im Ergebnis ebenso Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 475. A.A. Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 719. 41 So aber Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 102; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 886. 42 Vgl. die Abonnementvertragsklausel von Moody’s: „Subscriber expressly agrees […] that […] no warranty, express or implied, as to the […] fitness for any particular purpose of any such rating or opinion or information is given or made by Moody’s in any form or manner whatsover“. Ganz anders die Verwendungszweckabreden in vielen typischen „Gutachterfällen“, wo es etwa – wie in BGH, 20.4.2004, BGHZ 159, 1, 2 (Grundstückswertgutachten) – hieß: „Zweck: Das Wertgutachten wird für Planungs- und Finanzierungszwecke benötigt.“ 43 Vgl. die Abonnementvertragsklausel von Standard & Poor’s: „The Content should not be relied on and is not a substitute for the skill, judgment and experience of the user, its management, employees, advisors and/or clients when making investment and other business decisions“; ähnlich auch das Äquivalent von Moody’s: „Subscriber expressly agrees […] that […] (c) each rating or other opinion will be weighed solely as one factor in any investment decision made by or on behalf of Subscriber or any other User, and (d) it will accordingly make its own study and evaluation of each security, and of each issuer and guarantor of, and each provider of credit support for, each security, that it may consider purchasing, holding or selling.“ Zu vergleichbaren Klauseln in Ratingpublikationen gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit siehe noch § 30 V 1. 44 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 205 f.; Rotter/Kremer, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 327, 335 (aber Haftung nur bei schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverstößen); Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 205; ähnlich Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 32 Rn. 60: Gebot der Objektivität, Neutralität und Sachkunde.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
nehmen können, dass die vorstehend beschriebenen vertraglichen Abreden zum Inhalt der Ratingpublikationen einer konkludenten Vereinbarung (oder schlichten Unterstellung) diesbezüglicher Verfahrenspflichten entgegen stehen, da erstere aus Konkurrenzgründen vorgehen und dabei als abschließende Regelung zu verstehen sein dürften.45 Eine solche Annahme liegt auch der gesetzlich angeordneten Verdrängung des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB46 durch § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB47 zugrunde. Zum anderen können entsprechende Verfahrenspflichten selbst dann, wenn man ihr Eingreifen im Verhältnis zu den Abonnenten bejaht, im Falle ihrer Verletzung nur dann in eine Haftung der Rating-Agenturen münden, wenn sie sich in einem vertragswidrigen Ratinginhalt niedergeschlagen haben – dieses Erfordernis, das bereits im Text zur Haftung gegenüber den Emittenten besprochen wurde,48 gilt auch hier,49 denn ohne dieses kann ein Verfahrenspflichtverstoß für keinen Schaden des Abonnenten kausal werden. Damit wird aber – quasi „durch die Hintertür“ – wiederum die (negative) Beschaffenheitsabrede in den Abonnementverträgen relevant, denen zufolge der Abonnent eben keinen bestimmten Ratinginhalt erwarten kann. Im Ergebnis kann daher auch die ergänzende Annahme von Verfahrenspflichten nicht haftungsbegründend wirken. Gegen die hier kritisierte Annahme, aus den Abonnementverträgen ergäben sich Anforderungen bezüglich Ratinginhalt und/oder -erstellung, spricht schließlich auch die Erwägung, dass ein veröffentlichtes Rating im Verhältnis zu abonnierenden Investoren und zur übrigen Investorenöffentlichkeit notwendig denselben Inhalt haben muss. Insofern gilt bei Ratings nichts anderes als bei sonstigen Finanzmarktinformationen, die ebenfalls über mehrere verschiedene Vertriebswege verbreitet werden. Ein identischer Informationsinhalt setzt aber ein identisches diesbezügliches Pflichtenprogramm voraus50 – auch aus diesem Grund darf eine Rating-Agentur folglich keine vertraglichen Pflichten gegenüber ihren Abonnementen haben, deren Erfüllung zu einem Rating führen würde, das im Verhältnis zur allgemeinen Investorenöffentlichkeit nicht pflichtgemäß ist. Der damit umschriebene Gleichklang der Pflichteninhalte ist gesichert, wenn man – wie hier vertreten – 45
A.A. Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 205. Gegen die Einordnung der inhaltlichen Richtigkeit von Publikationen der „Stiftung Warentest“ als geschuldete Eigenschaft Boecken, Haftung der Stiftung Warentest, S. 100 f. 47 § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB: „Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, …“; zur Subsidiarität dieser Vorschrift Bamberger/Roth/Faust, § 434 Rn. 53; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 434 Rn. 68. 48 Dazu bereits in § 27 I 2 b) cc). 49 Vetter, WM 2004, 1701, 1708. 50 Das Pflichtenprogramm muss freilich nicht vollständig identisch sein, sondern nur insoweit, wie es sich auf den gegenüber beiden Investorengruppen geschuldeten Erfolg auswirkt: So kann die Rating-Agentur gegenüber ihren Abonnenten zusätzliche Pflichten übernehmen, die etwa die Veröffentlichung umfangreicherer ratingergänzender Angaben betreffen (dazu unter 2.), und auch die ratingbezogenen Pflichten können unterschiedlich gestaltet, aber gleichwohl kompatibel (und insofern im hier verwandten Wortsinn „identisch“) sein, etwa wenn die Rating-Agentur gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit nur im Sinne eines Mindeststandards gewisse Sorgfaltspflichten, gegenüber ihren Abonnenten jedoch weiterreichende Sorgfaltspflichten übernähme. Letzteres ist jedoch nach hier vertretener Ansicht jedenfalls augenblicklich nicht der Fall. 46
§ 29 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren
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annimmt, dass sich aus den Abonnementverträgen keine Pflichten zu Ratinginhalt und -erstellung ergeben, die nicht auch den nicht abonnierenden Investoren geschuldet werden und die in § 30 im Einzelnen zu behandeln sind.
2. Haftungsbeschränkungen zugunsten der Rating-Agentur Ergänzend sind im Verhältnis zu den abonnierenden Investoren verschiedenartige Haftungsbeschränkungen zu beachten, die zugunsten der Rating-Agenturen eingreifen. a) Kollisionsrechtliche Bestimmung des auf den Abonnementvertrag anwendbaren Rechts Bevor auf diese näher eingegangen werden kann, muss bestimmt werden, welche Rechtsordnung auf den Abonnementvertrag zwischen Rating-Agentur und abonnierendem Investor anwendbar ist. Während diese kollisionsrechtliche Frage bislang offen bleiben konnte, weil die hier untersuchten Sachrechte bei der Behandlung der diskutierten Fragen im Ergebnis übereinstimmten, muss sie angesichts der unterschiedlich strengen Maßstäbe für vertragliche Haftungsausschlussklauseln im deutschen, schweizerischen, U.S.-amerikanischen und Hongkonger Recht nämlich nunmehr entschieden werden. Die Kollisionsrechte aller vier Rechtsordnungen blicken dabei vorrangig auf eine vorhandene Rechtswahl der Parteien,51 die jedoch in den gängigen Abonnementverträgen der großen Rating-Agenturen allem Anschein nach nicht getroffen wird.52 Subsidiär wird im Wege der objektiven Anknüpfung übereinstimmend das am Sitz der RatingAgentur geltende Recht berufen, weil es sich hierbei um das am Ort der Hauptverwaltung des Erbringers der charakteristischen Leistung geltende Recht53 oder das Recht mit der engsten Verbindung zum Abonnementvertrag und seinen Parteien54 handelt. Dies ist bei den drei großen Rating-Agenturen das Recht des U.S.-Gliedstaates New York,55 das folglich in der großen Mehrzahl der Haftungsfälle Anwendung finden wird. Zur Anwendbarkeit deutschen, schweizerischen oder Hongkonger Vertragsrechts dürfte es allenfalls im Verhältnis zu klei51 Im IPR der EU Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO; im schweizerischen IPR Art. 116 Abs. 1 IPRG; zum U.S.-amerikanischen IPR § 187 Restatement (Second) of Conflict of Laws (1971); zum Hongkonger Kollisionsrecht vgl. Johnston/Holt/Mason, in Chitty on Contracts – Hong Kong Specific Contracts, Rn. 15–003 ff. 52 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 86. Auch der Moody’s-Abonnementvertrag bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 201 f. weist keine Rechtswahlklausel auf. 53 Im IPR der EU Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 Rom I-VO (im Ergebnis ebenso Dutta, IPRax 2014, 33, 37: Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO); im schweizerischen IPR Art. 117 Abs. 2 IPRG (im Ergebnis ebenso Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 87: Art. 117 Abs. 3 lit. c IPRG). 54 Zum U.S.-amerikanischen IPR § 188 Restatement (Second) of Conflict of Laws (1971); im Hongkonger Kollisionsrecht die „closest and most real connection“ (vgl. dazu Johnston/Holt/Mason, in Chitty on Contracts – Hong Kong Specific Contracts, Rn. 15–006 ff.). 55 Dutta, IPRax 2014, 33, 37; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 87.
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neren, in diesen Staaten ansässigen Rating-Agenturen sowie möglicherweise dann kommen, wenn ein Abonnementvertrag einmal mit einer dort belegenen Tochtergesellschaft oder Niederlassung56 der großen Rating-Agenturen abgeschlossen wird – wie wahrscheinlich eine solche Konstellation ist, lässt sich schwer einschätzen. b) Deutsches, schweizerisches, Hongkonger und französisches Recht: Vertragliche Haftungsausschlüsse und deren Wirksamkeit Die üblichen Abonnementverträge enthalten dabei weit reichende vertragliche Haftungsausschlussklauseln, welche die Haftung der Rating-Agenturen ihrem Wortlaut nach vollständig abbedingen.57 Deren rechtliche Wirksamkeit richtet sich nach den Maßstäben, die bereits bei Erörterung der Freizeichnungsklauseln in Ratingverträgen zwischen Rating-Agenturen und Emittenten dargestellt wurden;58 diese finden hier gleichermaßen Anwendung. Nach deutschem Recht verstößt ein Haftungsausschluss auch für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit danach gegen § 276 Abs. 3 BGB bzw. § 307 Abs. 1 BGB und führt damit zur Unwirksamkeit der Klausel,59 wodurch infolge der Unzulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion auch die Haftung für fahrlässiges Handeln erhalten bleibt.60 Das schweizerische Recht untersagt ebenfalls die Abbedingung der Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (Art. 100 Abs. 1 OR), lässt einen Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit jedoch zu, während die Haftung für Fahrlässigkeit nach Hongkonger Recht nur eingeschränkt werden kann, soweit dies „angemessen“ (reasonable) ist.61 c) U.S.-amerikanisches Recht: Institutionsschützende Wirkungen der Pressefreiheit Nach U.S.-amerikanischem Recht folgt eine erste Haftungsschranke zugunsten der Rating-Agenturen hingegen schon daraus, dass auch im Verhältnis zu abonnierenden Investoren die institutionsschützende Wirkung der Pressefreiheit62
56 Im IPR der EU Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO; im schweizerischen IPR Art. 117 Abs. 2 IPRG; vgl. zum U.S.-amerikanischen IPR auch § 188(2) Restatement (Second) of Conflict of Laws (1971). 57 Vgl. die entsprechenden Klauseln im Moody’s-Abonnementvertrag bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 201. 58 Siehe § 27 I 4. 59 Vetter, WM 2004, 1701, 1708; a.A. van Look, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 533. 60 Nur im Ergebnis wie hier, jedoch mit nicht überzeugender Begründung Däubler, BB 2003, 429, 434; ebenso (aber unter verfehlter Berufung auf die Kardinalpflichten-Rechtsprechung) Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 667. A.A. Vetter, WM 2004, 1701, 1708: nur Haftung für einfache Fahrlässigkeit. 61 Control of Exemption Clauses Ordinance. 62 Siehe § 21 II 2 c).
§ 29 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren
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eingreift. Dies ist in der Rechtsprechung ausdrücklich klargestellt worden.63 Das Bestehen einer vertraglichen Beziehung zum Abonnenten führt also (anders als möglicherweise nach der EMRK64) zu keiner Einschränkung des grundrechtlichen Schutzes – ein Ergebnis, das einleuchtet, würde doch andernfalls ein geradezu klassischer Vertriebsweg für Presseprodukte, nämlich deren Absatz über Abonnements, zu einer Reduktion des Grundrechtsschutzes führen. Dies wäre kaum mit dem Umstand vereinbar, dass die Pressefreiheit nach allen hier untersuchten Rechtsordnungen auch die gegen Bezahlung ausgeübte Pressetätigkeit gleichermaßen schützen will.65 Die bereits erörterte, intensive Ausstrahlung des First Amendment auf das private Haftungsrecht hat freilich zur Folge, dass eine Haftung der Rating-Agenturen in den U.S.A. überhaupt nur für nachweisbar falsche Tatsachenangaben in Frage kommt.66 Ist diese Voraussetzung ausnahmsweise einmal erfüllt (wie etwa bei unzutreffender Paraphrasierung von Anleihebedingungen in einer Ratingpublikation), so greift zudem der „actual malice“Standard ein,67 sodass der Abonnent ein vorsätzliches oder gröbst fahrlässiges Handeln der Rating-Agentur beweisen muss – eine Anforderung, die auch hier nur in ganz ungewöhnlichen Konstellationen erfüllbar sein dürfte.68 Den bereits angesprochenen vertraglichen Haftungsausschlussklauseln kommt nach U.S.-amerikanischen Recht daher vor allem dort Bedeutung zu, wo die Pressefreiheit nicht eingreift, wie namentlich bei der Erstellung nicht zu veröffentlichender „privater“ Ratings.69 Die Wirksamkeit dieser Klauseln unterliegt hier keinerlei Bedenken,70 wie die Rechtsprechung für sehr ähnliche Haftungssauschlüsse in Abonnementverträgen mit Kreditauskunfteien mehrfach entschieden hat.71
3. Ergebnis Im Ergebnis führt das Bestehen eines Abonnementvertrages zwischen der Rating-Agentur und abonnierenden Investoren weder nach deutschem noch nach schweizerischem oder U.S.-amerikanischem Recht zu einer vertraglichen Haf63 So First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s, 22.7.1988, 690 F.Supp. 256, 258 (S.D.N.Y. 1988) mit Verweis auf „well-established First Amendment principles“. 64 Vgl. in diesem Sinne Koziol, in FS Heldrich (2005), 259, 270 (nicht spezifisch zu RatingAgenturen). 65 Siehe § 21 II 1 a). 66 Dazu § 21 II 2 c) cc). 67 First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s, 22.7.1988, 690 F.Supp. 256, 258 f. (S.D.N.Y. 1988). 68 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 87 konstatiert daher zu Recht, dass eine Abonnentenklage in den USA „chancenlos“ sein dürfte. 69 Siehe bereits § 21 II 1 b) bb). 70 Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 809. 71 So schon früh in State v. Morgan, 19.3.1891, 48 N.W. 314, 321; ebenso Corrigan v. Dun & Bradstreet, 26.5.1950, 91 F.Supp. 424, 426 (D.R.I. 1950); Hong Kong Export Credit Ins. v. Dun & Bradstreet, 29.12.1975, 414 F.Supp. 153, 157 f. (S.D.N.Y. 1975).
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tung der Rating-Agentur für Schäden, die den Investoren durch eine Ratingpublikation entstehen. Der Inhalt der standardisierten Abonnementverträgen legt den Rating-Agenturen nämlich keine Pflichten auf, die sich auf den geschuldeten Ratinginhalt oder die Ratingerstellung beziehen, sondern belässt es insofern bei dem Pflichtenprogramm, welches die Rating-Agenturen ohnehin zu erfüllen haben. Der Abonnementvertrag lässt sich daher letztlich als bloßes Instrument zum Vertrieb von Presseprodukten einordnen, dem jedoch keine haftungsbegründende oder -erweiternde Funktion zukommt.
III. Haftung der Rating-Agenturen aufgrund sonstiger Grundlagen Den abonnierenden Investoren steht allerdings nach den hier untersuchten Rechtsordnungen eine Reihe weiterer Haftungsgrundlagen offen, die nicht an die Verletzung von Pflichten aus ihrem Abonnementvertrag mit der Rating-Agentur, sondern an andere haftungsauslösende Tatbestände anknüpfen. Diese werden nach keiner dieser Rechtsordnungen durch die bestehende vertragliche Beziehung zur Rating-Agentur verdrängt; dem Abonnementvertrag kommt also keine Derogationswirkung zu. Da solche Ansprüche jedoch potentiell auch nicht abonnierenden Investoren, mithin der allgemeinen Investorenöffentlichkeit in ihrer Gesamtheit zustehen können, werden sie gemeinsam im nächsten Kapitel72 abgehandelt.
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Siehe § 30.
§ 30 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit I. Einleitung Die Haftung der Rating-Agenturen gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit, also solchen Anlegern, die (ohne mit der Agentur in vertraglicher Verbindung zu stehen) auf ein veröffentlichtes Rating vertraut haben, wirft im Vergleich die größten rechtlichen Schwierigkeiten auf.1 Die hier untersuchten Rechtsordnungen stellen insoweit eine beträchtliche Bandbreite an Lösungsansätzen bereit, die, obgleich durchgehend nicht mit Blick auf die Ratinghaftung entwickelt, zunehmend auch in diesem Kontext angewandt oder zumindest diskutiert werden.2 Das zentrale Dilemma ist dabei rechtsordnungs- und -institutsübergreifend stets dasselbe: Lässt man eine Haftung der Rating-Agenturen gegenüber „dritten“ Investoren zu, so steht eine potentielle Schadensersatzpflicht gegenüber einer unabsehbaren Zahl von Ratingnutzern im Raum, zu deren Vermeidung es sodann wieder eingrenzender Kriterien bedarf. Die beschriebene Problemlage ist dabei nicht neu, tritt sie doch in ähnlicher Form im Presse- und Äußerungsrecht sowie in anderen Bereichen der Informationshaftung auf. In der Haftung für Ratings findet sie aber gewissermaßen ihre ultimative Zuspitzung, weil keine andere Informationsart von einer vergleichbar großen Anzahl von Personen auf der ganzen Welt aufgenommen und zur Grundlage bedeutender wirtschaftlicher Entscheidungen gemacht werden dürfte: Es wirkt sich auch in diesem Zusammenhang wiederum die international verständliche Codierung3 und zugleich die kostenfreie Zugänglichkeit der von Rating-Agenturen publizierten Bonitätsurteile aus, die es in der Sache jedem Investor des Erdballs ermöglichen, sich bei seinen Investitionsentscheidungen auf Ratings zu stützen.4 Der „Filter“ der notwendigen Sprachkenntnisse, der der Verbreitung geschriebener Informationen im Allgemeinen natürliche Grenzen setzt, wirkt bei Ratingkürzeln dagegen nicht wahrnehmungs- und damit scha-
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Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 206; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 887. Eine spezialgesetzliche Regelung zur Haftung von Rating-Agenturen (auch) gegenüber Dritten enthalten hingegen seit 2011 das französische Recht in seinem Art. L. 544–5 Abs. 1 Code monétaire et financier (siehe dazu bereits in § 27 III) sowie seit 2013 auch das EU-Recht in Gestalt des Art. 35a EG-RatingVO (dazu noch näher unter VII). 3 Siehe § 5 IV 1 b). 4 Vgl. Coffee, Gatekeepers, S. 284: „The condensation of highly nuanced information into a single symbol makes ratings easily comprehensible to even the dullest user …“. 2
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densbegrenzend: Sofern man ein „fehlerhaftes“ Rating als haftungsbegründenden Umstand einstuft, kommt als Kläger und Haftungsgläubiger potentiell jeder Investor der Welt in Frage.
II. Prospekthaftung der Rating-Agenturen Da sich Ratings in ihrer Marktinformationsfunktion primär an den Kapitalmarkt richten5 und dabei am Primärmarkt eine besonders große Rolle spielen,6 ist zunächst an eine Prospekthaftung der Rating-Agenturen zu denken, stellt sich die Prospekthaftung doch als „Prototyp der kapitalmarktrechtlichen Informationshaftung“7 dar. Ob neben dem Emittenten, der in manchen Rechtsordnungen zur Angabe von Ratings im Prospekt verpflichtet ist8 (und in diesem Fall für fehlende oder falsche Ratingangaben haften kann), auch die Rating-Agenturen als bloße Informationsintermediäre Prospekthaftungsansprüchen ausgesetzt sein können,9 wird im internationalen Vergleich ganz uneinheitlich beantwortet.
1. Deutsches Recht: Keine Prospekthaftung von Rating-Agenturen nach §§ 21 ff. WpPG (§§ 44 ff. BörsG a.F.) Eine börsenrechtliche Prospekthaftung der Rating-Agenturen scheidet nach deutschem Recht zwar nicht schon daran, dass Ratings lediglich subjektive Meinungen und keine Tatsachenangaben darstellen, denn § 21 Abs. 1 Satz 1 WpPG lässt (ebenso wie die inhaltsgleiche10 Vorgängernorm in § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG a.F.) unrichtige „Angaben“ genügen11 und erfasst damit potentiell auch Werturteile und Prognosen.12 Die Rating-Agenturen zählen jedoch nach ganz h.M. nicht zu den Prospektverantwortlichen,13 weil dies nach allgemeiner Ansicht eine Ver5 Bei „privaten“ Ratings ist diese Marktgerichtetheit dagegen zumindest deutlich weniger ausgeprägt, was – wie im Text zu zeigen sein wird – auch für die Haftung der Rating-Agenturen Folgen zeitigt. 6 Vgl. zu Ratings als faktische Markteintrittsvoraussetzung schon § 8 III. 7 Fleischer, in: ders., Hdb. des Vorstandsrechts, § 14 Rn. 4. 8 Siehe § 9 II. 9 Eyles, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 2 Rn. 49 sieht die Haftung der Rating-Agenturen sogar „schwerpunktmäßig“ im Bereich der Prospekthaftung angesiedelt. 10 Leuering, NJW 2012, 1905, 1906. 11 § 45 Abs. 1 Satz 2 BörsG a.F. hatte dagegen noch „Tatsachen“ verlangt. 12 BGH, 12.7.1982, NJW 1982, 2823, 2926 („Beton- und Monierbau“) zu § 45 Abs. 1 Satz 1 BörsG a.F.; Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 9 Rn. 80; Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 140; Schwark/Zimmer/Schwark, § 45 BörsG Rn. 24. 13 Blaurock, ZGR 2007, 603, 636; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1854; Ebenroth/Daum, WMSonderbeil. 5/1992, S. 1, 15; Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 184 ff.; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 140; Glöckle, Zukunftsbezogene Publizität, S. 164 f.; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 32 Rn. 81; Haar, NZG 2010, 1281, 1282 f.; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 206 Fn. 125; Rotter/Kremer, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 327, 338; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 105; Wagner, in MünchKomm-BGB, § 826 Rn. 95. A.A. nur Eyles, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 2 Rn. 49 unter Verweis auf den „Gütesiegeleffekt“ eines „investment grade“-Ratings.
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antwortlichkeit für den gesamten Prospekt voraussetzt, wohingegen eine Verantwortlichkeit beruflicher Sachkenner für Teile des Prospektes oder einzelne Prospektangaben nicht ausreicht.14 Dieses Erfordernis ist bei Ratings unabhängig davon nicht erfüllt, ob sie lediglich als Informationsbasis für die Prospekterstellung genutzt oder im Prospekt selbst genannt wurden, und zwar – insoweit im Unterschied zum U.S.-amerikanischen Prospektrecht15 – auch dann nicht, wenn die Rating-Agentur der Ratingnennung im Prospekt ausdrücklich zugestimmt hat.16 Vereinzelt wird zudem auf die Neutralitätspflicht der Rating-Agentur verwiesen.17 Da daneben auch die Grundsätze zur zivilrechtlichen Prospekthaftung bei Rating-Agenturen nicht eingreifen,18 bleiben diese nach deutschem Recht von jeder Prospekthaftung unberührt.19
2. Schweizer Recht: Prospekthaftung von Rating-Agenturen nach Artt. 752, 1156 Abs. 3 OR Im Schweizer Recht ist die Produkthaftung bei Anleihensobligationen in Art. 1156 Abs. 3 OR geregelt, der auf Emissionen in- wie ausländischer Emittenten Anwendung findet.20 Soweit es um von einer schweizerischen Aktiengesellschaft emittierte Anleihen geht, stellt das Gesetz allerdings in Gestalt des Art. 752 OR noch eine weitere Anspruchsgrundlage bereit. Das Verhältnis beider Normen im dadurch entstehenden Konkurrenzbereich ist in der schweizerischen Literatur umstritten; wohl überwiegend wird von einem Vorrang des Art. 752 OR ausgegangen.21 Da sich die jeweiligen Haftungsvoraussetzungen 14 Assmann, AG 2004, 435, 436; Bosch, ZHR 163 (1999), 274, 280; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 66; Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 93; Heukamp, ZHR 169 (2005), 471, 474; A. Meyer, WM 2003, 1301, 1306 f.; Ott, in FS H.-B. Schäfer (2008), S. 171, 182. A.A. Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.211. 15 Unten II 3. 16 Glöckle, Zukunftsbezogene Publizität, S. 165; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 206. 17 Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 140. 18 Blaurock, ZGR 2007, 603, 636; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 15; Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 185; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 32 Rn. 81. Allgemein zur auf dieser Grundlage denkbaren „Expertenhaftung“ Assmann, AG 2004, 435, 440 ff. 19 Rinze/Klüwer, BB 1998, 1697, 1701 sprechen sich darüber hinaus auch de lege ferenda gegen die Einführung einer Prospekthaftung von Rating-Agenturen aus. 20 Roberto/Wegmann, SZW/RSDA 2001, 161, 163; Zobl/Arpagaus, SZW/RSDA 1995, 244, 253 f. 21 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 110; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 95; Huber/Hodel/Staub Gierow, Art. 32 KR Rn. 20 (Art. 752 OR genießt als neuere Norm Vorrang); Noth/Grob, AJP 2002, 1435, 1437; Rimle, Recht d. schw. Finanzmarktes, 8. Kap. Rn. 31 (Art. 752 OR genießt als neuere Norm Vorrang); Roberto/Wegmann, SZW/RSDA 2001, 161, 163 (weil Art. 752 OR lex posterior sei); ebenso Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 23; a.A. Bürgi/Nordmann, in Zürcher Komm., Art. 752 OR Rn. 9; Ziegler, in Berner Komm., Art. 1156 OR Rn. 28: Art. 1156 Abs. 3 OR als lex specialis; wieder anders Forstmoser, Verantwortlichkeit, Rn. 971: beide Vorschriften kumulativ anwendbar.
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ohnehin weitgehend ähneln,22 ist die praktische Bedeutung der Frage letztlich allerdings gering. In der Sache unterwerfen Artt. 752, 1156 Abs. 3 OR übereinstimmend jeden, der absichtlich oder fahrlässig an der Erstellung eines Prospektes mitgewirkt hat, im Falle unrichtiger Angaben im Prospekt einer Schadensersatzhaftung. Bei Rating-Agenturen wird eine „Mitwirkung“ an der Prospekterstellung dabei angenommen, sofern das Rating im Hinblick auf eine geplante Emission vorgenommen wird und die Agentur somit weiß oder wegen des Bestehens ratingbasierter Prospektregelungen23 wissen muss, dass das Rating im Prospekt erwähnt werden wird24 – eine Voraussetzung, die regelmäßig erfüllt sein wird. Um den Kreis der Haftenden nicht ausufern zu lassen, wird allerdings darüber hinaus eine „maßgebende“ Mitwirkung bei der Prospekterstellung verlangt.25 Wie diese Schwelle zu bestimmen ist, bleibt unklar: Während das allgemeine Bewusstsein einer Rating-Agentur, dass ein Rating in einen Anleihenprospekt aufgenommen werden könnte, nicht genügen soll,26 begründet man die „Maßgeblichkeit“ des Beitrags der Rating-Agenturen mit dem Hinweis, dass Ratings bei den Anlegern auf ein großes Interesse stoßen27 – eine Argumentation, die letztlich kaum überzeugen kann. Im Ergebnis wird eine Prospektverantwortlichkeit von Rating-Agenturen nach schweizerischem Recht auf dieser Grundlage überwiegend bejaht.28
22 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 110; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 95; Roberto/Wegmann, SZW/RSDA 2001, 161, 163 f. 23 Im Schrifttum werden insoweit Art. 3 Abs. 2 lit. e der Konvention XIX der Schweizerischen Bankiervereinigung und Tz. 1.1.7, 2.11.4 des Anhangs I des Kotierungsreglements der Schweizer Börse (dazu schon § 9 II 2) genannt (Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 111) – beide Regelungen wurden freilich zwischenzeitlich aufgehoben. 24 Bertschinger, Arbeitsteilung, Rn. 492; ders., in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 111; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 96; Handkomm-OR/Bertschinger, Art. 752 Anm. 18; Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1031; Roberto/Wegmann, SZW/RSDA 2001, 161, 176; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 157; Watter, in Basler Komm., Art. 752 OR Rn. 10. Zurückhaltend CHK/Binder/Roberto, Art. 752 OR Anm. 16. 25 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 111; Darbellay, Regulating Ratings, S. 75; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 96; Kowalewski, in: Hopt/ Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1032; Rimle, Recht d. schw. Finanzmarktes, 8. Kap. Rn. 22; Rohr, Emissionsrecht, S. 229; Watter, in Basler Komm., Art. 752 OR Rn. 10: wesentliche Mitwirkung; Ziegler, in Berner Komm., Art. 1156 OR Rn. 20. 26 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 111; Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1032; Roberto/Wegmann, SZW/RSDA 2001, 161, 170; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 157. 27 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 111; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 96 f. 28 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 111; Darbellay, Regulating Ratings, S. 75; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 157; Watter, in Basler Komm., Art. 752 OR Rn. 10.
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Eine Haftung setzt freilich des Weiteren voraus, dass die Ratingangabe im Prospekt sich als „unrichtig“ erweist.29 Diese Voraussetzung macht an dieser Stelle dieselben Schwierigkeiten, die schon im Zusammenhang mit der Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dem Emittenten thematisiert wurden; auf die dortigen Ausführungen wird daher verwiesen.30 Nach hier vertretener Auffassung dürfte eine Prospekthaftung aus diesem Grund regelmäßig ausscheiden, wenngleich dies im Schweizer Schrifttum optimistischer gesehen wird.31
Ein dorniges Problem stellt schließlich auch im schweizerischen Recht die Frage dar, wer die Kausalität der unrichtigen Angaben im Prospekt für die Anlageentscheidung des klagenden Investors beweisen muss. Das Bundesgericht und die herrschende Literatur nehmen insofern an, dass die Beweislast nach der allgemeinen Regel des Art. 8 ZGB den Kläger trifft.32 Eine Umkehr der Beweislast nach Vorbild der U.S.-amerikanischen fraud on the market-Doktrin, die auf die Hypothese effizienter Kapitalmärkte aufbaut, wird im schweizerischen Schrifttum zwar vereinzelt vertreten,33 von der Rechtsprechung aber als systemfremd abgelehnt.34 Rechtsprechung und neuere Lehre gewähren aber dadurch eine Beweiserleichterung, dass sie im Rahmen des Beweismaßes den Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs genügen lassen und keinen strikten Beweis fordern, wobei zur Begründung doch wieder auf die Hypothese eines effizienten Kapitalmarktes verwiesen wird.35 Bei einem Ersterwerb der Anleihe innerhalb der Zeichnungsfrist wird eine Kausalität der Prospektangaben daher unterstellt,36 während bei einem späteren Erwerb am Sekundärmarkt berücksichtigt wird, dass im Laufe der Zeit auch andere Informationen für den Marktpreis des Wertpapiers bestimmend sein können.37 Im Ergebnis 29 Soweit hingegen eine Prospekthaftung wegen Unvollständigkeit des Prospekts in Rede steht, weil vorhandene Ratings – die nach hier vertretener Ansicht prospektpflichtig sind (§ 9 II 2) – im Prospekt nicht angegeben wurden, kann diese nur den Emittenten (oder sonstige, für den gesamten Prospekt verantwortliche Personen) treffen und bleibt an dieser Stelle daher außer Betracht. 30 Siehe § 27 I 1 a). 31 Vgl. Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 112; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 97. 32 BGer, 25.9.2002, BGE 129 III 71, 75 E. 2.5; BGer, 28.8.2006, BGE 132 III 715, E. 3.2.2; Bürgi/ Nordmann, in Zürcher Komm., 1979, Art. 752 OR Rn. 14; Camenzind, Prospektzwang, S. 107 f.; Dobler/von der Crone, SZW/RSDA 2005, 211, 213; Rohr, Emissionsrecht, S. 223. 33 Vor allem durch Watter, in Basler Komm., Art. 752 OR Rn. 33a; in diese Richtung auch Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 18 Rn. 36; Dobler/von der Crone, SZW/RSDA 2005, 211, 213 (zumindest für den Emissionszeitpunkt); Weber, SWZ/RSDA 1993, 55, 58. 34 BGer, 28.8.2006, BGE 132 III 715, E. 3.2.2. 35 BGer, 28.8.2006, BGE 132 III 715, E. 3.2.1: „Das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit gilt […] auch für den späteren Erwerber, der die Aktientitel am Sekundärmarkt zum – vom Markt gebildeten – Aktienkurs kauft, und zwar auch dann, wenn er den Emissionsprospekt nicht gelesen hat. Unter der Annahme eines effizienten Kapitalmarktes darf der Erwerber nämlich davon ausgehen, dass die Preisbildung am Markt unter Einbezug der Informationen aus dem Emissionsprospekt zustande gekommen ist.“ 36 Camenzind, Prospektzwang, S. 106; Rohr, Emissionsrecht, S. 222 f.; ähnlich Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 18 Rn. 36. 37 BGer, 28.8.2006, BGE 132 III 715, E. 3.2.1.
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kann die Prospekthaftung nach schweizerischem Recht daher zu einem Schadensersatzanspruch gegen Rating-Agenturen führen, der auch praktisch durchsetzbar ist.
3. U.S.-amerikanisches Recht: Keine Prospekthaftung von Rating-Agenturen nach §§ 11 ff. Securities Act of 1933 Das U.S.-amerikanische Kapitalmarktrecht unterwirft in § 11 Securities Act of 1933 ausdrücklich Experten der Prospekthaftung, deren fachliches Urteil (report or valuation) in einer Registrierungserklärung für Wertpapiere (einschließlich des dazugehörigen Prospekts) verwandt wird,38 und hält damit eine Haftungsnorm bereit, die tatbestandlich auch auf Rating-Agenturen passen würde.39 Dass Rating-Agenturen auf dieser Grundlage gleichwohl keine Haftung droht, lag bis vor kurzem an der bereits behandelten40 Rule 436(g), die als NRSRO anerkannte Rating-Agenturen von der Expertenhaftung nach § 11 Securities Act of 1933 freistellte.41 Bei sonstigen (kleineren) Rating-Agenturen, die über keine NRSROAnerkennung verfügen,42 scheiterte eine Prospekthaftung hingegen regelmäßig daran, dass diese einer Nennung ihrer Ratings in der Registrierungserklärung nicht zustimmten, um eben dieser Haftungsgefahr – die nur bei erlaubter Ratingverwendung droht43 – zu entgehen. Letztere Vorgehensweise wird seit Aufhebung der Rule 436(g) im Jahre 201044 auch durch NRSROs praktiziert. Vor diesem Hintergrund ist in jüngerer Zeit verschiedentlich der Versuch gemacht worden, eine Prospektverantwortlichkeit der Rating-Agenturen nicht über ihre Rolle als Experten, sondern auf anderem Wege zu begründen.45 Als argumentativer Anknüpfungspunkt diente dabei die aktive Rolle der Rating-Agenturen bei der Strukturierung von Verbriefungen,46 deren Registrierung bei der SEC in diesen Fällen jeweils in Rede stand. Die Rechtsprechung hat entsprechende Versuche jedoch in einer mittlerweile großen Anzahl von Haftungsprozessen zurückgewiesen und durchgehend festgestellt, dass Rating-Agenturen 38
§ 11(a)(4) Securities Act of 1933 bezieht sich auf „every accountant, engineer, or appraiser, or any person whose profession gives authority to a statement made by him“. 39 In re Lehman Brothers Mortgage-Backed Sec. Litig., 11.5.2011, 650 F.3d 167, 183 (2nd Cir. 2011); U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 105 Fn. 390; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 124. 40 Siehe § 9 II 3 b) aa). 41 Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 123; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 691 Fn. 346; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 78; von Schweinitz, WM 2008, 953, 954. 42 Diese übersieht Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 140. 43 § 11(a)(4) Securities Act of 1933: „who has with his consent been named“. 44 Die Rule 436(g) wurde durch den Dodd–Frank Act of 2010 aufgehoben; vgl. dazu bereits § 9 II 3 b) aa) (3). 45 So im Schrifttum schon früh Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 795 ff.; aus jüngerer Zeit Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 15. 46 Siehe schon § 10 IV 2 b).
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weder als underwriter47 einzuordnen sind48 noch selbst als Verkäufer49 der strukturierten Finanzinstrumente agiert hätten – sie seien vielmehr einem Architekten oder Bauunternehmer vergleichbar, der lediglich am Bau des später veräußerten Hauses mitgewirkt hat.50 Es wird damit also die Stellung von Rating-Agenturen als diejenige eines unabhängigen Dritten bestätigt, die auch im vorliegenden Zusammenhang nicht haftungsbegründend überschritten wurde. Ebenso wenig führe ihre Rolle in Strukturierungsprozessen dazu, dass sie die eigentlichen Prospektverantwortlichen „kontrollieren“51 und deshalb einer eigenen Prospekthaftung unterliegen.52 Rating-Agenturen unterfallen daher im U.S.-amerikanischen Recht im Ergebnis keiner Prospekthaftung. Dieser Haftungsfreiheit nach Bundesrecht entspricht es, dass Rating-Agenturen jedenfalls dann auch nach einzelstaatlichen „Blue Sky Laws“ nicht gegenüber Investoren haften, wenn die Vergütung ihrer Ratingtätigkeit nicht von dem tatsächlichen Absatz der beurteilten Finanzinstrumente abhing (sondern unabhängig davon geschuldet war).53 Letzteres kann unter dem „Provisionsmodell“, das bei dem Rating strukturierter Finanzinstrumente verbreitet war,54 im Einzelfall freilich durchaus anders gelegen haben – eine Gestaltung, bei deren Vorliegen die Rating-Agentur ein ureigenes wirtschaftliches Interesse am Erfolg der Emission besitzt, sodass folgerichtig auch ihre Haftung an demselben Maßstab auszurichten ist, an dem sich auch andere nicht unabhängige Emissionsbegleiter messen lassen müssen.
47 § 11(5) Securities Act of 1933. Nach der Rechtsprechung kommt im Grundsatz jede Person als underwriter in Frage, die „performs some act (or acts) that facilitates the issuer’s distribution“ (In re Refco, Inc. Secs. Litig., 30.4.2007, 503 F.Supp.2d 611, 629 (S.D.N.Y. 2007)) – ein weites Begriffsverständnis, das die Erfassung „strukturierungsberatender“ Rating-Agenturen nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließ. 48 In re Lehman Brothers Mortgage-Backed Sec. Litig., 11.5.2011, 650 F.3d 167, 175 ff. (2nd Cir. 2011) m. ausführl. Begr.; In re Wells Fargo Mortgage-Backed Certificates Litig., 22.4.2010, 2010 WL 1661534 *8 f. (N.D. Cal. 2010); MissPERS v. Goldman Sachs Group, Inc., 12.1.2011, 2011 WL 135821 *5 (S.D.N.Y.); MissPERS v. Merril Lynch & Co. Inc., 1.6.2010, 2010 WL 2175875 *4 (S.D.N.Y.); New Jersey Carpenters Vacation Fund v. Royal Bank of Scotland Group, PLC, 26.3.2010, 720 F.Supp.2d 254, 263 f. (S.D.N.Y. 2010). A.A. Uzzi, 70 St. John’s L. Rev. (1996), 779, 795 ff.; in diese Richtung auch Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 15 (nur für „zweifelsfreie Fälle“ – jedoch ohne zu beschreiben, wann ein solcher Fall vorliegt). 49 § 12(a)(2) Securities Act of 1933. 50 In re Lehman Brothers Sec. & ERISA Litig., 1.2.2010, 681 F.Supp.2d 495, 500 (S.D.N.Y. 2010). 51 § 15 Securities Act of 1933. 52 In re Lehman Brothers Mortgage-Backed Sec. Litig., 11.5.2011, 650 F.3d 167, 185 ff. (2nd Cir. 2011); In re Wells Fargo Mortgage-Backed Certificates Litig., 22.4.2010, 2010 WL 1661534 *9 (N.D. Cal. 2010); MissPERS v. Goldman Sachs Group, Inc., 12.1.2011, 2011 WL 135821 *6 (S.D.N.Y.); New Jersey Carpenters Vacation Fund v. Royal Bank of Scotland Group, PLC, 26.3.2010, 720 F.Supp.2d 254, 264 (S.D.N.Y. 2010). A.A. Freeman, 33 Vt. L. Rev. (2009), 585, 618. 53 So Ohio Police & Fire Pension Fund v. Standard & Poor’s Financial, 26.9.2011, 813 F.Supp.2d 871, 878 (S.D.Ohio 2011) zur Haftung von Rating-Agenturen nach § 1707.41(A) Ohio Securities Act, wo eine Haftung von Personen vorgesehen ist, die „receive the profits accruing from such sale“ (d.h. der Wertpapiere). 54 Siehe dazu bereits § 25 I 2 b) cc) (3) (a).
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
4. Hongkonger Recht: Allenfalls theoretische Prospekthaftung von Rating-Agenturen nach §§ 38C, 40 Companies Ordinance Die Haftung von Rating-Agenturen nach Hongkonger Prospektrecht wird schon im Ausgangspunkt dadurch geprägt, dass keine Rechtspflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten besteht55 und ein Ansatzpunkt für eine Haftung folglich überhaupt nur dann besteht, wenn ein Rating gleichwohl freiwillig im Prospekt genannt wurde. Die gesetzliche Prospekthaftung56 schützt in Hongkong zudem nur Investoren am Primärmarkt und nicht auch am Sekundärmarkt,57 sodass der Kreis auf ein Rating vertrauender und daher potentiell anspruchsberechtigter Anleger noch weiter reduziert wird. Im Übrigen weist die Prospekthaftung für Experten Ähnlichkeiten zu derjenigen nach U.S.-amerikanischem Recht auf, indem die Aufnahme von Expertenaussagen58 auch hier von deren schriftlicher Einwilligung abhängig gemacht wird,59 ohne die eine Prospektveröffentlichung unzulässig und eine Prospekthaftung des Experten ausgeschlossen60 ist. Wenngleich Rating-Agenturen tatbestandlich als Experten in Frage kommen dürften, wird es daher auch in Hongkong in der Regel nicht zu ihrer Prospekthaftung kommen, weil sie ihr Einverständnis zur Ratingnennung in Anbetracht des Haftungsrisikos kaum erteilen werden.
III. Haftung der Rating-Agenturen wegen vorsätzlicher Schädigung der Investoren 1. Mangelnde Beweisbarkeit vorsätzlichen Fehlverhaltens als rechtsordnungsübergreifendes Problem Auf die grundsätzliche Möglichkeit einer Haftung der Rating-Agenturen aufgrund vorsätzlichen Fehlverhaltens wurde bereits im Zusammenhang mit Ersatzansprüchen des Emittenten eingegangen.61 Sie besteht nach deutschem,62 schwei55
Dazu bereits in § 9 II 4. Nach § 40 Companies Ordinance (Cap. 32); vgl. dazu Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 4.135 ff. 57 Leung Alfred Cheuk Wah v. Ernst & Young LLP China/Hong Kong and Others, 27.7.2006, [2006] HKCFI 862 Tz. 20. Vorschläge zur Abschaffung dieser Beschränkung des Hongkonger Prospektrechts (vgl. Securities and Futures Commission, Consultation Paper on Possible Reforms to the Prospectus Regime in the Companies Ordinance (Aug. 2005), Tz. 17 ff.) wurden kontrovers diskutiert und schließlich nicht weiterverfolgt. 58 Der Begriff des „expert“ wird in § 38C(3) Companies Ordinance fast wortgleich definiert wie im U.S.-amerikanischen Recht in § 7(a) Securities Act of 1933. 59 § 38C(1) Companies Ordinance. 60 § 40(1) Companies Ordinance. (Wird eine Einwilligung erteilt, so erstreckt sich die resultierende Prospekthaftung sachlich nur auf die Expertenaussage, nicht aber den übrigen Prospektinhalt.). 61 Siehe oben § 27 II. 62 Nach § 826 BGB; Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2293; Blaurock, ZGR 2007, 603, 633; Däubler, NJW 2013, 282; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/ 56
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zerischem,63 U.S.-amerikanischem64 wie auch Hongkonger65 Recht theoretisch auch hier, wenngleich der Vorwurf von Seiten der Investoren gleichsam gegenläufig, nämlich im Sinne einer vorsätzlich überhöhten Ratingeinstufung lauten wird. Eine entsprechende Vorsatzhaftung wird im vorliegenden Zusammenhang allerdings regelmäßig ebenfalls bloße Theorie bleiben, da geschädigte Investoren nach allen untersuchten Rechten das vorsätzliche Fehlverhalten im Streitfall beweisen müssten,66 was nach deutschem, Schweizer und Hongkonger Recht nur in ganz ungewöhnlichen Ausnahmefällen denkbar erscheint;67 realistisch dürfte dies allenfalls nach den in den U.S.A. geltenden Maßstäben68 sein.
2. Insbesondere: Securities fraud und Institutionsschutz der Rating-Agenturen nach U.S.-amerikanischem Recht Im U.S.-amerikanischen Recht, wo die Haftung für securities fraud nach § 10(b) Securities Exchange Act of 1934 i.V.m. Rule 10b–5 im Allgemeinen eine zentrale Rolle spielt, wirkt sich dabei allerdings in mehrfacher Hinsicht auch der Institutionsschutz zugunsten der Rating-Agenturen69 aus.
63 1992, S. 1, 19; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 32 Rn. 80; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 206; Rinze/Klüwer, BB 1998, 1697, 1700; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 664. 63 Grundlage ist hier Art. 41 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 152 schw. StGB oder Art. 41 Abs. 2 OR; vgl. Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 103; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 156. 64 Nach § 10(b) Securities Exchange Act of 1934 mit Rule 10b–5; In re Lehman Brothers Mortgage-Backed Sec. Litig., 11.5.2011, 650 F.3d 167, 185 (2nd Cir. 2011); Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 171 (S.D.N.Y. 2009); In re National Century Financial Enterprises, Inc. Investment Litig., 22.7.2008, 580 F.Supp.2d 630, 644 (S.D.Ohio 2008); Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 38; Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 807 f.; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 190 ff. 65 Nach § 277 Abs. 1 Securities and Futures Ordinance (Cap. 571), sofern es sich um „information inducing transactions“ handelt; Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 401. Ebenso nach dem tort of deceit, sofern eine nach außen geäußerte Meinung tatsächlich nicht geteilt wird; vgl. Vaughan, in: Bokhary, Tort Law and Practice in Hong Kong, Rn. 22.008: „It would be technically actionable to proffer an opinion not honestly held.“ 66 Zum deutschen Recht Palandt/Sprau, § 826 Rn. 18; zum Schweizer Recht Heierli/Schnyder, in Basler Komm., Art. 41 OR Rn. 17; zum U.S.-amerikanischen Recht In re National Century Financial Enterprises, Inc. Investment Litig., 22.7.2008, 580 F.Supp.2d 630, 644 (S.D.Ohio 2008); Dobbs, Law of Torts, § 470; Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 808; zum Hongkonger Recht Vaughan, in: Bokhary, Tort Law and Practice in Hong Kong, Rn. 22.002. 67 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 19; Ellsworth/Porapaiboon, 18 Bus. L. Today (March/April 2009), 35, 38; Haar, ZBB 2009, 177, 184; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 24; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 130; Vetter, WM 2004, 1701, 1708; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467. 68 Zu diesen sogleich unter 2. 69 Zu diesem bereits in § 21 II.
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a) Darlegung von scienter ohne pre-trial discovery-Möglichkeit So schlägt sich zum einen nieder, dass Rating-Agenturen infolge der institutionsschützenden Wirkung des First Amendment und der sog. shield laws keiner pretrial discovery ausgesetzt sind.70 Klagende Investoren können schon deshalb häufig nicht substantiiert zum scienter auf Seiten der Rating-Agentur vortragen; die (erkennbare) Beauftragung und Bezahlung der Agentur durch einen betrügerischen Emittenten reicht allein jedenfalls nicht aus, um Vorsatz auf Seiten der Rating-Agentur zu belegen.71 Allerdings deutet sich an, dass die aktive Rolle der Rating-Agenturen im Bereich der komplexen Finanzinstrumente72 auch deren Angreifbarkeit in Haftungskonstellationen erhöht: So sind Anzeichen für scienter einer Rating-Agentur dann angenommen worden, wenn diese die Überwachung eines servicers im Rahmen eines ABS-Programms übernommen73 und trotz dessen erkennbar betrügerischen Verhaltens das erteilte Rating nicht abgesenkt hatte.74 Zudem werden Investoren die Ergebnisse einschlägiger Untersuchungen durch die SEC anführen können, in denen aus internen E-mails von Ratinganalysten zitiert wird,75 die in der Tat auf ein bewusstes „die-Augen-Verschließen“ vor Ratingmodellfehlern hindeuten76 – als Beweis dafür, dass scienter auch im konkreten Fall vorgelegen hat, wird dies allein zwar nicht genügen, aber die Argumentationslast der Rating-Agenturen dürfte sich jedenfalls erhöhen. b) Reduzierter pleading standard bei Klagen gegen Rating-Agenturen (seit 2010) und Beweis von „actual malice“ nach dem First Amendment Eine weitere zentrale Schutzwirkung des First Amendment – der sog. „actual malice“-Verschuldensmaßstab77 – scheint sich dagegen auf Schadensersatzklagen nach Rule 10b–5 auf den ersten Blick nicht auszuwirken, weil bei dort vorausgesetztem vorsätzlichen Handeln (scienter) notwendigerweise auch „actual malice“ vorliegt.78 Gleichwohl hat der Institutionsschutz der Rating-Agenturen seit kurzem auch in dieser Hinsicht Bedeutung erlangt, weil durch den Dodd–Frank Act zwar nicht der materiellrechtliche Haftungsmaßstab abgesenkt, aber die diesbe70
Vgl. hierzu oben § 21 II 2 b). In re National Century Financial Enterprises, Inc. Investment Litig., 22.7.2008, 580 F.Supp.2d 630, 644 (S.D.Ohio 2008). 72 Vgl. hierzu oben § 10 IV 2. 73 Vgl. zur fortlaufenden Überwachungsaufgabe von Rating-Agenturen im Bereich strukturierter Finanzinstrumente schon § 10 II 2 b) bb) (4). 74 Vgl. LaSalle National Bank v. Duff & Phelps Credit Rating Co., 26.11.1996, 951 F.Supp. 1071, 1086 f. (S.D.N.Y. 1996). Ob scienter tatsächlich vorgelegen hatte, wurde im dortigen Verfahrensstadium allerdings ausdrücklich offen gelassen. 75 Vgl. SEC, Summary Report (July 2008), S. 12 mit dem mittlerweile prominenten Satz eines Ratinganalysten, dem zufolge das betroffene strukturierte Finanzinstrument „could be structured by cows and we would rate it“; dazu im Einzelnen schon oben § 21 II 2 c) dd). 76 So zur Haftungsfrage die Einschätzung von Donahue, 27 Am. Bankr. Inst. J. (Oct. 2008), 12; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 550. 77 Siehe § 21 II 2 c). 78 Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 21. 71
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zügliche prozessuale Substantiierungslast reduziert wurde: Die behauptete subjektive Willensrichtung des Schädigers muss bei Klagen, die auf Rule 10b–5 gestützt werden, nach den allgemeinen Darlegungsanforderungen nämlich durch einen im Einzelnen spezifizierten Tatsachenvortrag untermauert werden, aus dem sich starke Anzeichen für ein Handeln mit scienter ergeben.79 Von dieser prozessualen Anforderung wird seit dem Dodd–Frank Act nun allein für Schadensersatzklagen gegen Rating-Agenturen eine Ausnahme gemacht, indem hier auch Tatsachenvortrag zu einer ungenügenden Überprüfung der Faktengrundlagen des Ratings („the factual elements relied upon by its own methodology for evaluating credit risk“) durch die Rating-Agentur80 für ausreichend erklärt wird. Ob diese Neuregelung die Ratinghaftung wirklich „revolutionieren“ wird,81 ist einstweilen freilich unsicher, weil sich ihre Verfassungsmäßigheit mit gutem Grund bezweifeln lässt.82 Dies ist deshalb der Fall, weil die Vorgaben des First Amendment sich bekanntlich gerade an die Legislative richten („Congress shall make no law …“)83 und dabei auch eine verfassungsmäßige Ausformung der Beweisanforderungen enthalten, denen bei Zivilklagen wegen geschützter Äußerungen mindestens genügt werden muss.84 Diese verlangen nach der Rechtsprechung des U.S. Supreme Courts „clear and convincing proof“ dafür, dass die streitgegenständliche Äußerung in positiver Kenntnis ihrer Unrichtigkeit oder in rücksichtsloser Ignoranz der Wahrheit (reckless disregard for the truth) gemacht wurde,85 wohingegen der bloße Nachweis unzureichender Informationsprüfung86 gerade nicht ausreicht. Der neu formulierte pleading standard für Rule 79 § 21(D)(b)(2)(A) Securities Exchange Act of 1934: „… the complaint shall, with respect to each act or omission alleged to violate this chapter, state with particularity facts giving rise to a strong inference that the defendant acted with the required state of mind.“ Diese Substantiierungsanforderungen wurden durch den Private Securities Litigation Reform Act of 1995 (PSLRA) in das Gesetz aufgenommen. 80 § 21(D)(b)(2)(B) Securities Exchange Act of 1934. 81 So Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 39 („to some extent“); deutlich skeptischer Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 775 f. 82 Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 252: „a constitutional question mark still hangs over this area that could nullify this new liability provision“; Deats, 110 Colum. L. Rev. (2010), 1818, 1819. 83 Dazu bereits § 21 II 2 a). 84 Siehe schon § 21 II 2 c) dd). 85 Gertz v. Robert Welch, Inc., 25.6.1974, 418 U.S. 323, 342, 94 S.Ct. 2997 (1974); Philadelphia Newspapers, Inc. v. Hepps, 21.4.1986, 475 U.S. 767, 773, 106 S.Ct. 1558 (1986); Milkovich v. Lorain Journal Co., 21.6.1990, 497 U.S. 1, 15, 110 S.Ct. 2695 (1990). 86 St. Amant v. Thompson, 29.4.1968, 390 U.S. 727, 731, 88 S.Ct. 1323 (1968): „reckless conduct is not measured by whether a reasonably prudent man would have published, or would have investigated before publishing. There must be sufficient evidence to permit the conclusion that the defendant in fact entertained serious doubts as to the truth of his publication“; Gertz v. Robert Welch, Inc., 25.6.1974, 418 U.S. 323, 332, 94 S.Ct. 2997 (1974): „mere proof of failure to investigate, without more, cannot establish reckless disregard for the truth“; Harte-Hanks Communications v. Connaughton, 22.6.1989, 491 U.S. 657, 692, 109 S.Ct. 2678 (1989): „failure to investigate will not alone support a finding of actual malice“; In re National Century Financial Enterprises, Inc. Investment Litig., 22.7.2008, 580 F.Supp.2d 630, 643 (S.D.Ohio 2008).
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10b–5-Klagen gegen Rating-Agenturen lässt aber eben dies genügen, indem er die Darlegung einer unzureichenden Faktenüberprüfung (failure „to conduct a reasonable investigation“ bzw. „obtain reasonable verification“87) – also in der Sache eines fahrlässigen Verhaltens – mit der Darlegung von „actual malice“ gleichsetzt. Dies dürfte im Anwendungsbereich des First Amendment gegen höherrangiges Recht verstoßen,88 sodass es bei Anlegerklagen wegen öffentlich zugänglicher Ratings89 bei den bisherigen hohen Substantiierungsanforderungen bleibt. Wird die Klage gegen die Rating-Agentur dagegen auf ein vorsätzlich überhöhtes „privates“ Rating gestützt (wie es insbesondere bei strukturierten Finanzinstrumenten vorkommt,90 auf die der reduzierte pleading standard anscheinend auch zugeschnitten ist), so greift der Institutionsschutz des First Amendments sachlich gar nicht ein,91 sodass scienter und actual malice in diesem Bereich einfacher dargelegt werden können. An dem beschriebenen Ergebnis der teilweisen Verfassungswidrigkeit des speziellen Darlegungsstandards für Ratingklagen ändert auch ein Diktum in der Gertz-Entscheidung des U.S. Supreme Courts92 nichts, in dem das Oberste Gericht die gesetzliche Schaffung einer bloßen Fahrlässigkeitshaftung für defamierende Äußerungen für (noch) mit dem First Amendment vereinbar erklärt hatte, sofern diese Haftung auf Ersatz des nachgewiesenen wirtschaftlichen Schadens (und nicht auch vermuteten Schaden oder gar punitive damages) beschränkt wäre: Die betreffende Aussage bezog sich sachlich erklärtermaßen nur auf die Haftung für defamation93 und ist schon deshalb nicht auf Anlegerklagen wegen angeblich betrügerischer Ratings übertragbar, weil bei diesen weder eine Defamierung des Emittenten (dessen Finanzinstrument ja gerade (ggfs. übermäßig) positiv bewertet wurde) noch des Anlegers (auf den sich die Ratingaussage gar nicht bezog) in Rede steht.
IV. Deliktische Haftung der Rating-Agenturen für fahrlässig verursachte Vermögensschäden Eine deliktsrechtliche Haftung schon für leicht fahrlässig verursachte Vermögensschädigungen könnte die Rating-Agenturen dagegen einer Schadensersatzpflicht in nahezu unbegrenzter Höhe aussetzen, weil ihre Ratings – wie bereits eingangs94 erörtert – durch Investoren auf der ganzen Welt wahrgenommen und 87
§ 21(D)(b)(2)(B)(i), (ii) Securities Exchange Act of 1934. Deats, 110 Colum. L. Rev. (2010), 1818, 1819; ebenfalls in diese Richtung Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 252. Unentschieden Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1118. 89 Zu dieser Kategorie von Ratings § 21 II 1 b) aa). 90 Dazu bereits § 10 III 3 b). 91 Siehe schon § 21 II 1 b) bb). 92 Gertz v. Robert Welch, Inc., 25.6.1974, 418 U.S. 323, 348 ff., 94 S.Ct. 2997 (1974). 93 So etwa Olivia N. v. National Broadcasting Co., 7.12.1981, 126 Cal.App.3d 488, 497 (Cal.App. 1981): „The holding [des U.S. Supreme Court in Gertz] does not extend more broadly to tort liability for speech in areas outside the law of defamation.“ 94 Oben I. 88
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zur Grundlage von Investitionsentscheidungen gemacht werden. Die Informationsintermediären drohende Gefahr einer Deliktshaftung „in an indeterminate amount for an indeterminate time to an indeterminate class“95 hat dazu geführt, dass in allen hier untersuchten Rechtsordnungen zusätzliche Anforderungen aufgestellt werden, denen entsprechende Haftungsansprüche dritter Geschädigter zu genügen haben. Die zu diesem Zweck verwandten rechtstechnischen Instrumente und Sachkriterien unterscheiden sich dabei allerdings, wie zu zeigen sein wird, ganz erheblich.
1. Deutsches Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen Das deutsche Deliktsrecht der §§ 823 ff. BGB kennt schon von vornherein keine Haftung für fahrlässig verursachte „reine“ Vermögensschäden, weil das Vermögen nicht zu den in § 823 Abs. 1 BGB enumerativ aufgezählten geschützten Rechtsgüter gehört und insbesondere nicht als „sonstiges Recht“ im Sinne der Norm anerkannt ist.96 Deliktische Schadensersatzansprüche für Verletzung des Vermögens als solches kommen daher nach deutschem Recht nur bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) sowie bei Verletzung eines einschlägigen Schutzgesetzes (§ 823 Abs. 2 BGB) in Betracht. Die Einordnung und Auslegung entsprechender Schutzgesetze wird aber fast durchgehend so vorgenommen, dass das Vermögen auch nach § 823 Abs. 2 BGB nur gegen unmittelbar vorsätzliche Beeinträchtigungen geschützt ist;97 es bleibt daher auch hier nahezu ausnahmslos bei der im Text98 bereits angesprochenen Vorsatzhaftung.99 Die restriktive Haltung gegenüber Schadensersatzpflichten für lediglich fahrlässige Vermögensbeschädigungen blickt im deutschen Deliktsrecht auf eine lange Tradition zurück.100 Sie soll dabei nicht zuletzt den Risiken einer un95 So der zur Dritthaftung von Wirtschaftsprüfern geprägte klassische Ausspruch in Ultramares Corp. v. Touche, 6.1.1931, 174 N.E. 441, 444 (1931); dem für das englische Recht folgend Al Saudi Banque and Others v. Clark Pixley, 28.7.1989, [1990] Ch. 313, 330. 96 Unstr., RG, 15.3.1902, RGZ 51, 92, 93: „Der Satz, daß man allgemein für fahrlässig verursachte Vermögensschäden hafte, ist dem Bürgerlichen Gesetzbuche fremd“; BGH, 4.2.1964, BGHZ 41, 123, 126 f.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 75 I 3 b; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 11; Wagner, in MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 247. 97 Beispiel ist etwa die Nichtanerkennung der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des Vermögens derjenigen Personen, die durch gefälschte Urkunden getäuscht und geschädigt werden (BGH, 3.2.1987, BGHZ 100, 13, 15 ff.). Zustimmend Wagner, in MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 386: Bei der Anerkennung vermögensbezogener Verhaltensstandards müsse von der Entscheidung des BGB gegen eine allgemeine Fahrlässigkeitshaftung für reine Vermögensschäden ausgegangen werden; kritisch Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 195. 98 Oben III. 99 Im Ergebnis ebenso zu § 823 Abs. 2 BGB im Ratingkontext Haar, NZG 2010, 1281, 1285. 100 Bei Schaffung des BGB wurde die Einführung einer allgemeinen Culpa-Haftung für jeden Vermögensschaden in der Zweiten Kommission erörtert, aber ausdrücklich abgelehnt. Prot. II, S. 574: „Die Schaffung einer allgemeinen action culpae könne zu großem Mißbrauch und zu einer erheblichen Gefährdung des Verkehrslebens führen.“
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differenzierten Informationshaftung Rechnung tragen, vor denen bereits Jhering in einem viel zitierten Wort warnte: „Wohin würde es führen, wenn Jemand in außercontraclichen Verhältnissen schlechthin, wie wegen dolus, auch wegen culpa lata in Anspruch genommen werden könnte! Eine unvorsichtige Aeußerung, die Mittheilung eines Gerüchts, einer falschen Nachricht, ein schlechter Rath, ein unbesonnenes Urtheil [würde] zum Ersatz des dadurch veranlaßten Schadens verpflichten, und [diese Haftung] würde in einer solchen Ausdehnung zu einer wahren Geißel des Umgangs und Verkehrs werden, alle Unbefangenheit der Konversation wäre dahin, das harmloseste Wort würde zum Strick!“101 Keine tauglichen Schutzgesetze sind im Übrigen der IOSCO-Kodex oder die Verhaltenskodizes der einzelnen Rating-Agenturen,102 weil § 823 Abs. 2 BGB in formeller Hinsicht nur Rechtsnormen erfasst103 und dieser Charakter den genannten Regelwerken fehlt.104 Wenngleich manche Stimmen im deutschen Schrifttum durch die Annahme von Verkehrspflichten für eine begrenzte Ausweitung des deliktsrechtlichen Schutzes auf reine Vermögensschäden eintreten,105 scheidet eine Deliktshaftung der Rating-Agenturen für fahrlässig verursachte Vermögensschäden nach deutschem Recht de lege lata aus.106 Die beschriebene, zurückhaltende Position des deutschen Deliktsrechts sieht sich freilich seit geraumer Zeit mit Stimmen konfrontiert, die aus Gerechtigkeitserwägungen eine Haftung von „Auskunftspersonen“ für durch unrichtige Informationen verursachte Vermögensschäden fordern. Um diesem verbreiteten Bedürfnis Rechnung zu tragen, haben Rechtsprechung und Literatur in Deutschland ein eindrucksvolles Portfolio an Lösungsvorschlägen erarbeitet, deren Gemeinsamkeit in dem Bestreben liegt, die Vorgaben des geschriebenen Deliktsrechts zu umgehen. Auf die wichtigsten quasi-vertraglichen (rechtsgeschäftsähnlichen)107 und vertraglichen108 Lösungsansätze wird im Text noch näher einzugehen sein.
101 Jhering, DogmJ 4 (1861), 1, 12 f. (Rudolf Jhering wurde erst elf Jahre nach Veröffentlichung seines berühmten Aufsatzes zur culpa in contrahendo, dem das Zitat entstammt, durch den österreichischen Kaiser in den Adelsstand erhoben.). 102 Theilacker, ZKredW 2005, 177, 180; wohl auch Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 884; Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 414. Siehe dazu schon § 24 IV. 103 Im Sinne des Art. 2 EGBGB; statt vieler Palandt/Sprau, § 823 Rn. 56a. 104 So zum Deutschen Corporate Governance Kodex Palandt/Sprau, § 826 Rn. 35a. 105 Vgl. dazu die Nachweise nebst ablehnender Stellungnahme bei Staudinger/J. Hager, § 823 Rn. E 8 f.; Wagner, in MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 307, 290 ff. 106 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 18; Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 191 f. 107 Zur Dritthaftung nach § 311 Abs. 3 BGB sowie verwandten Literaturlösungen siehe V. 108 Zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter siehe VI.
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2. Schweizer Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen wegen fehlender Rechtspflicht zum Schutz des Investorenvermögens Im Gegensatz zum deutschen Recht enthält das Schweizer Obligationenrecht in Art. 41 Abs. 1 OR eine deliktische Generalklausel,109 die tatbestandlich eine Haftung für reine Vermögensschäden zu eröffnen scheint. Allerdings wurde die Notwendigkeit, eine entsprechende Haftung für bloße Fahrlässigkeit gegenüber jedem Dritten zu vermeiden, auch in der Schweiz schon früh erkannt.110 Sie wird hier mit der sog. objektiven Widerrechtlichkeitstheorie über das Erfordernis der Widerrechtlichkeit vorgenommen, die – anders als im deutschen Recht mit seinen enumerativ aufgelisteten Rechtsgütern – im Falle des Vermögens als nicht absolut geschütztem Rechtsgut111 nicht als indiziert gilt, sondern nur besteht, sofern die tatbestandliche Handlung eine einschlägige Schutznorm verletzt.112 Schutznormen, die das Vermögen als solches vor fahrlässigen Verletzungen schützen, kennt das schweizerische Recht jedoch grundsätzlich nicht,113 und der vermögensschützende Straftatbestand der unwahren Angaben über kaufmännische Gewerbe (§ 152 StGB),114 der nach der Literatur115 auch die Publikation eines „falschen“ Ratings durch eine beauftragte Rating-Agentur erfasst, kann unstreitig nur vorsätzlich verwirklicht werden.116 Die frühere Rechtsprechung hatte vor diesem Hintergrund dadurch geholfen, dass sie bei Schädigungen durch unzutreffende Auskünfte (also „Gutachterfälle“) in der Sache die Generalklausel des Art. 2 ZGB als Schutznorm genügen ließ, die – dem deutschen § 242 BGB vergleichbar – jedermann verpflichtet, in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und
109 „Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.“ Dazu BGer, 28.2.1989, BGE 115 II 15, 18 E. 3a: „Blankettnorm“. 110 Schwenzer, OR AT, Rn. 50.02 merkt an, dass die schweizerische Rspr. sich der Existenz des Art. 41 Abs. 1 OR als Generalklausel „kaum bewusst“ zu sein scheint. 111 BGer, 18.3.1993, BGE 119 II 127, 128 f. E. 3; Brehm, in Berner Komm., Art. 41 OR Rn. 37e; Heierli/Schnyder, in Basler Komm., Art. 41 OR Rn. 33. 112 BGer, 28.2.1989, BGE 115 II 15, 18 E. 3a; BGer, 18.3.1993, BGE 119 II 127, 128 f. E. 3; BGer, 8.3.1996, BGE 122 III 176, 192; Brehm, in Berner Komm., Art. 41 OR Rn. 38b, 38d: wohlüberlegte Barriere gegen ständige Ausweitung des Haftpflichtrechts; Schwenzer, OR AT, Rn. 50.04. 113 BGer, 22.5.1992, BGE 118 Ib 163 f.; Aepli, SJZ 1997, 405, 406; Brehm, in Berner Komm., Art. 41 OR Rn. 38d: Die schweizerische Rechtsordnung enthalte keine Norm, welche das Vermögen per se und umfassend schützt; Honsell, in FS Nobel (2005), S. 939, 940 f. 114 Zur grundsätzlichen Anerkennung des § 152 StGB als Schutznorm im Rahmen des Art. 41 Abs. 1 OR bereits § 27 III 2 c) mit Nachw. 115 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 104; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 156. 116 Rehberg/Schmid/Donatsch, Strafrecht III, S. 228; Hurtado Pozo, Droit pénal, Partie spéciale I, Rn. 1146. Damit ist vorsätzliches Handeln auch für die Haftung nach Art. 41 Abs. 1 OR Voraussetzung; in diesem Sinne Aepli, SJZ 1997, 405, 408; Daeniker/Waller, Informationspflichten, S. 55, 106; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 156.
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Glauben zu handeln.117 Dies sollte nach einer Literaturansicht auch für Ratings gelten.118 Nachdem der beschriebene Ansatz im Schrifttum schon seit jeher auf Kritik gestoßen war,119 hat das BGer die deliktische Gutachterhaftung in einer jüngeren Leitentscheidung nunmehr ausdrücklich am Erfordernis der Widerrechtlichkeit scheitern lassen, da den Gutachter keine Rechtspflicht zum Schutze des Vermögens eines Dritten treffe.120 Die deliktische Informationshaftung auf Grundlage von Art. 41 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 2 ZGB wurde damit zugunsten einer „zwischen Vertrag und Delikt“ anzusiedelnden Vertrauenshaftung aufgegeben, auf die im Text121 später noch einzugehen sein wird. Nach Schweizer Deliktsrecht scheidet eine Haftung der Rating-Agenturen für die fahrlässige Schädigung von Investorenvermögen damit heute im Ergebnis aus.122
3. U.S.-amerikanisches Recht Das U.S.-amerikanische Recht hält gleich mehrere Rechtsinstitute bereit, auf die sich eine Haftung für durch Informationen fahrlässig verursachte Vermögensschäden zumindest im Grundsatz stützen lässt. Da die Regelung des Deliktsrechts in die Kompetenz der einzelnen U.S.-Gliedstaaten fällt, fehlt es dabei zwar an bundesweit einheitlich geltenden Haftungsinstituten; die Haltung der meisten Gliedstaatenrechte ähnelt sich aber weitgehend. Allerdings machen es die Unterschiede in den Haftungsvoraussetzungen, die zwischen den Rechten einzelner U.S.-Staaten namentlich infolge der unterschiedlich weitreichenden einfachgesetzlichen Haftungsprivilegien für Rating-Agenturen (insbesondere durch journalist shield laws123) gleichwohl vorkommen, eine kollisionsrechtliche Ermittlung des anwendbaren Deliktsrechts nötig. Das wiederum uneinheitliche IPR der verschiedenen U.S.-Staaten führt dabei häufig zur Anwendung des New Yorker Rechts als am Hauptsitz der (mutmaßlich) schädigenden großen Rating-Agenturen geltenden Recht.124 Manche 117 BGer, 11.2.1954, BGE 80 III 41, 54 f. E. 4; BGer, 26.11.1985, BGE 111 II, 471, 474 E. 3; BGer, 20.9.1990, BGE 116 II 695, 699 E. 4; Hofstetter, AJP 1998, 261, 264. 118 So Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 104 f.; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 156. Gegen eine Übertragung der zu Individualauskünften ergangenen früheren Rechtsprechungen auf Informationen, die durch Bekanntmachung an die allgemeine Öffentlichkeit gelangen (hier: ad hoc-Meldungen) aber Daeniker/Waller, Informationspflichten, S. 55, 98 f. 119 Brehm, in Berner Komm., Art. 41 OR Rn. 48c, 49; CHK/Ch. Müller, Art. 41 OR Anm. 47; Kaiser, Haftung für Rat, S. 117; Schwenzer, OR AT, Rn. 50.22. Auch in Deutschland ist § 242 BGB nie als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB qualifiziert worden. 120 BGer, 23.12.2003, BGE 130 III 345, 347 E. 1 („Liegenschaftenschätzer“); in diese Richtung schon BGer, 16.4.1998, BGE 124 III 297, 301 E. 5b, c („Motor-Columbus“): „Wo jemand weder nach Vertrag noch nach Gesetz zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet ist, kann eine solche Pflicht höchstens in eng umgrenzten Ausnahmefällen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet werden“. 121 Sogleich unter IV. 122 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 94. 123 Siehe dazu schon § 21 II 2 b) bb). 124 Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., 14.8.2012, 690 F.3d 98, 113 f. (2d Cir. 2012).
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U.S.-amerikanischen Kollisionsrechte berufen dagegen das am Wohn- oder Niederlassungsort geschädigter Investoren geltende Deliktsrecht, indem sie – wie etwa das kalifornische IPR – eine governmental interest analysis verwenden125 und auf dieser Grundlage darauf abstellen, dass Ratingveröffentlichungen bewusst auf eine Verbreitung in den gesamten U.S.A. ausgerichtet sind.126 Damit bestehe ein Rechtsanwendungsinteresse auch anderer U.S.-Gliedstaaten als New York, wenn und soweit Ratings in diesen Staaten zugänglich waren und als Grundlage von Investitionsentscheidungen verwandt wurden.127
Die Notwendigkeit, eine vorschnelle Haftung von Informationsdienstleistern gegenüber einer unbegrenzten Zahl von Informationsempfängern zu vermeiden, wird in den U.S.A. jedoch durchweg als besonders wichtig empfunden und schlägt sich im Rahmen der Gesetzgebung, vor allem aber der Rechtsprechung und Literatur in einer tendenziell restriktiven Grundhaltung nieder. Man setzt in diesem Zusammenhang weniger auf übergeordnete Prinzipien, mittels derer bestimmte Schadenskategorien (wie etwa im deutschen Deliktsrecht die „reinen“ Vermögensschäden) pauschal von der Ersatzpflicht ausgenommen werden, sondern bedient sich vorwiegend einer zurückhaltenden Auslegung einzelner Haftungsvoraussetzungen. a) Haftungsvoraussetzungen Für die Haftung von Rating-Agenturen gegenüber dritten Investoren haben in den U.S.A. vor allem zwei Haftungsfiguren des Deliktsrechts Bedeutung erlangt, nämlich zum einen die in § 552 Restatement (Second) of Torts aus dem Jahre 1977 niedergelegte Regel, die in den meisten U.S.-Gliedstaaten (aber nicht im wichtigen Staat New York) in geltendes Recht umgesetzt wurde, und zum anderen die Haftung für negligent misrepresentation nach Common Law. aa) § 552 Restatement (Second) of Torts § 552 Restatement (Second) of Torts sieht eine Fahrlässigkeitshaftung von Personen vor, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit falsche Informationen an Dritte übermitteln, sofern der Informationsadressat berechtigterweise auf die Information vertraut und dadurch einen Schaden erlitten hat.128 Die Regelung weist eine gewisse Nähe zur unten im Text129 noch gesondert zu erörternden Experten125 126
Vgl. Coufal Abogados v. AT & T, Inc., 2.8.2000, 223 F.3d 932, 934 (9th Cir. 2000). Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799, 822 (N.D.Cal.
2011). 127
Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799, 822 (N.D.Cal.
2011). 128
§ 552(1) Restatement (Second) of Torts (1977): „One who, in the course of his business, profession or employment, or in any other transaction in which he has a pecuniary interest, supplies false information for the guidance of others in their business transactions, is subject to liability for pecuniary loss caused to them by their justifiable reliance upon the information, if he fails to exercise reasonable care or competence in obtaining or communicating the information.“ 129 Siehe unter V. zu Figuren einer rechtsgeschäftsähnlichen Expertenhaftung. § 552 Restatement (Second) of Torts versteht sich dagegen als deliktsrechtliche Regel.
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haftung auf, weil entsprechende Auskünfte häufig durch Fachkundige erteilt werden, setzt eine Expertenstellung aber selbst nicht voraus. Ihre Anwendung auf Rating-Agenturen130 wirft schon deshalb Schwierigkeiten auf, weil sie die Übermittlung einer „falschen“ Information (false information) voraussetzt und Meinungen damit nicht erfasst werden, weil diese eben nicht falsch sein können.131 Auch Ratings fallen daher nicht unter § 552(1) Restatement (Second) of Torts,132 wohingegen falsche Tatsachenangaben in Ratingberichten haftungsauslösend wirken können, zumal diese auch zur benefit and guidance dritter Investoren bestimmt sein dürften.133 Eine deliktische Haftung der Rating-Agenturen gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit scheitert sodann allerdings an der Einschränkung in § 552(2) Restatement (Second) of Torts, wonach die Information für eine oder „eine begrenzte Gruppe von Personen“ bestimmt gewesen134 sein muss. Diese Klausel soll der Gefahr einer Haftung gegenüber einer unübersehbaren Anzahl von Personen entgegen wirken,135 die im U.S.-amerikanischen Deliktsrecht seit der Ultramares-Entscheidung zur Wirtschaftsprüferhaftung aus dem Jahre 1931136 als Schreckgespenst vor Augen steht. Sie schließt eine Haftung der Rating-Agenturen für öffentlich publizierte Ratings aus.137 Anders liegt die Situation dagegen bei „privaten“ Ratings, die – wie häufig am Markt für strukturierte Finanzinstrumente138 – nicht allgemein zugänglich veröffentlicht, sondern lediglich im Rahmen einer Privatplatzierung eingesetzt werden: Da die Ratings hier von vornherein nur an einen begrenzten Kreis institutioneller Investoren gerichtet sind, denen sie üblicherweise als Teil der Angebotsdokumentation des betreffenden Finanzinstruments zur Verfügung gestellt werden, ist eine Haftung nach § 552 Restatement (Second) of Torts damit denkbar.139 130 Diese für möglich haltend Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 36; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 227 ff.; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 353. 131 Dobbs, Law of Torts, § 477. 132 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. (2009), 109, 195; a.A. Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 227 ff. 133 Vgl. Commercial Financial Services v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 112 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004). 134 § 552(2)(a) Restatement (Second) of Torts: „the person or one of a limited group of persons for whose benefit and guidance the information he intends to supply the information“. 135 Haberman v. Public Power Supply System, 8.10.1987, 744 P.2d 1032, 1067 (Wash. 1987); Dobbs, Law of Torts, § 480. 136 Ultramares Corp. v. Touche, 6.1.1931, 174 N.E. 441, 444 (1931). 137 In re National Century Financial Enterprises, Inc. Investment Litig., 22.7.2008, 580 F.Supp.2d 630, 647 (S.D.Ohio 2008); Ohio Police & Fire Pension Fund v. Standard & Poor’s Financial, 26.9.2011, 813 F.Supp.2d 871, 880 ff. (S.D.Ohio 2011); Hunt, Colum. Bus. L. Rev. (2009), 109, 195; Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1691. 138 Siehe § 10 III 3 b). 139 Haberman v. Public Power Supply System, 8.10.1987, 744 P.2d 1032, 1068 (Wash. 1987). A.A. jedoch Ohio Police & Fire Pension Fund v. Standard & Poor’s Financial, 26.9.2011, 813 F.Supp.2d 871, 881 f. (S.D.Ohio 2011): selbst die Privatplatzierung einer Emission nur unter institutionellen Investoren bedeute allein nicht, dass die dabei verwandten Ratings einem hinreichend abgegrenzten Adressatenkreis bekannt gegeben wurden.
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bb) Negligent misrepresentation Eine deliktische Haftung der Rating-Agentur für negligent misrepresentation nach Common Law setzt nach dem Recht der meisten U.S.-Gliedstaaten, die insofern ähnliche (wenngleich nicht identische) Anforderungen entwickelt haben, eine falsche Aussage über eine wesentliche Tatsache (a false statement of material fact) voraus.140 Im Falle von Ratings, die bekanntlich schon keine Tatsachenangabe, sondern eine Meinung darstellen,141 wirkt sich hier zudem ihr Prognosecharakter aus: Es entspricht nämlich ständiger Rechtsprechung, dass eine misrepresentation sich nur auf eine vergangene oder gegenwärtige Tatsache beziehen kann, nicht aber auf einen künftigen Umstand.142 Aussagen über die Zukunft könnten nämlich nicht wahr oder falsch sein143 und taugten zudem auch deshalb nicht als Grundlage eines Schadensersatzanspruchs, weil niemand sich darauf verlassen dürfe, dass ein Mensch die Zukunft zutreffend vorhersage.144 Damit bleiben als haftungsauslösende Informationen auch hier in der Regel145 allenfalls falsche Tatsachenangaben in Ratingberichten der RatingAgenturen.146 Als weitere Voraussetzung einer Haftung wird regelmäßig verlangt, dass der Geschädigte sich vernünftigerweise (reasonably) auf die falsche Information verlassen habe.147 Dieses Erfordernis verhindert vor allem, dass Investoren sich bei ihren Anlageentscheidungen „blind“ nach Ratingveröffentlichungen richten und entstandene Verluste später bei den Rating-Agenturen liquidieren können: Es sollte selbstverständlich sein, dass jeder Investor sich ein eigenes Urteil unter Heranziehung auch anderer Informationen bilden muss, was freilich ein Sich-Verlassen-Können auf Tatsachenangaben in Ratingberichten nicht immer
140 Zum Recht des U.S.-Staates Illinois Rosenstein v. Standard & Poor’s Corp., 26.5.1993, 636 N.E.2d 665, 667 (Ill. App. 1 Dist. 1993); Quinn v. McGraw-Hill, 16.2.1999, 168 F.3d 331, 335 (7th Cir. 1999); zum Recht des U.S.-Staates Kalifornien Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799, 822 (N.D.Cal. 2011). 141 Nach kalifornischem Recht werden jedoch auch Meinungen ausnahmsweise wie Tatsachen behandelt, sofern sie – wie Ratings – von Expertenseite geäußert werden oder der sich Äußernde in Wirklichkeit gar nicht der geäußerten Meinung ist; vgl. Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799, 824 (N.D.Cal. 2011). 142 Bell Press, Inc. v. Philipps, 21.8.1961, 364 P.2d 398, 400 (Colo. 1961); Golden Tee, Inc. v. Venture Golf Schools, Inc., 14.5.1998, 969 S.W.2d 625, 632 (Ark. 1998); Kennedy v. Flo-Tronics, Inc., 24.6.1966, 143 N.W.2d 827, 831 (Minn. 1966); Leece v. Griffin, 7.5.1962, 371 P.2d 264, 265 (Colo. 1962); Dobbs, Law of Torts, § 477. 143 Dobbs, Law of Torts, § 479. 144 Forge v. Smith, 14.7.1998, 580 N.W.2d 876, 884 (Mich. 1998) (zu innocent misrepresentation nach dem Recht des Staates Michigan); Harper, James & Gray on Torts, § 7.10. 145 Anders nach kalifornischem Recht, das eine Haftung für negligent misrepresentation u.U. auch mit Blick auf Ratingeinstufungen eröffnet; vgl. Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799, 824 f. (N.D.Cal. 2011). 146 Die Haftung für Ratings selbst daher ablehnend Ohio Police & Fire Pension Fund v. Standard & Poor’s Financial, 26.9.2011, 813 F.Supp.2d 871, 882 f. (S.D.Ohio 2011). 147 Quinn v. McGraw-Hill, 16.2.1999, 168 F.3d 331, 335 f. (7th Cir. 1999); Dobbs, Law of Torts, § 474 m.w.Nachw.
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ausschließen wird.148 Die U.S.-amerikanische Rechtsprechung und Literatur führt darüber hinaus auch die üblichen Hinweise in Ratingpublikationen, denen zufolge Ratings keine Investmentempfehlungen sind, und zudem die gängigen Haftungsausschlussklauseln als Argument dafür an, dass Investoren sich nicht allein auf Ratings verlassen dürfen.149 Ein viel zitierter Satz aus der Entscheidung Quinn v. McGraw-Hill („In light of these facts, no reasonable jury could find that Quinn reasonably relied on S & P’s evaluation of the quality of the bonds“150) darf freilich nicht dahingehend interpretiert werden, als dürfe kein vernünftiger Investor jemals auf Ratings vertrauen:151 Er belegt lediglich überzeugend, dass ein fachkundiger Investor (hier: ein Bankier), dem bei Erwerb gerateter Verbriefungen Angaben dazu vorlagen, dass bei einem wesentlichen Teil der verbrieften Forderungen seit der Ratingerstellung bereits ein Zahlungsrückstand eingetreten war, diese nicht einfach ignorieren darf.
Die Begrenzung des Kreises möglicher Schadensersatzgläubiger erfolgt bei der Haftung für negligent misrepresentation sodann dadurch, dass eine Sorgfaltspflicht des Auskunftsgebers gerade gegenüber dem betreffenden Investor bestehen muss, aufgrund derer er zu einer sorgfältigen Auskunftserteilung verpflichtet ist.152 Die Vermeidung einer unübersehbaren Haftung wird hier also nicht durch Anforderungen an den Adressatenkreis, sondern gleichsam mittelbar durch das Verlangen einer Sonderverbindung erreicht. Wann eine solche Sonderverbindung zwischen Rating-Agentur und bestimmten Investoren vorliegt, bestimmen die verschiedenen Gliedstaatenrechte freilich uneinheitlich. Das New Yorker Recht verlangt insoweit privity or near privity, d.h. entweder eine direkte vertragliche Beziehung zwischen den Parteien153 (an der es bei einer Haftung gegenüber „dritten“ Investoren gerade fehlt154) oder aber eine „relationship so close as to approach that of privity“.155 Letzteres setzt einen tatsächlichen Kontakt zwischen 148 Sehr streng First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s, 2.3.1989, 869 F.2d 175, 180 (2nd Cir. 1989), wo das Gericht vom Investoren verlangt, die Tatsachenangaben in einer Ratingpublikation mit Originaldokumenten oder dem gesetzlich erforderlichen Prospekt zu vergleichen. 149 In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 827 (S.D.Tex. 2005); auch Gale v. Value Line, Inc., 24.7.1986, 640 F.Supp. 967, 970 (D.R.I. 1986) (betraf Investmentpublikation); Dobbs, Law of Torts, § 475; Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1688. 150 Quinn v. McGraw-Hill, 16.2.1999, 168 F.3d 331, 336 (7th Cir. 1999); kritisch dazu Murphy, 62 Okla. L. Rev. (2010), 735, 781. 151 So aber Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 79 f.; in diese Richtung auch Mulligan, 50 B.C. L. Rev. (2009), 1275, 1297. 152 Zum Recht des U.S.-Gliedstaates Connecticut In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 826 (S.D.Tex. 2005). 153 Prudential Ins. Co. of Am. v. Dewey, Ballantine, Bushby, Palmer & Wood, 19.11.1992, 80 N.Y.2d 377, 382, 590 N.Y.S. 2d 831 (1992); LaSalle National Bank v. Duff & Phelps Credit Rating Co., 26.11.1996, 951 F.Supp. 1071, 1092 (S.D.N.Y. 1996); ebenso zum Recht des U.S.-Gliedstaates Michigan Forge v. Smith, 14.7.1998, 580 N.W.2d 876, 883 (Mich. 1998). 154 Vgl. etwa LaSalle National Bank v. Duff & Phelps Credit Rating Co., 26.11.1996, 951 F.Supp. 1071, 1092 (S.D.N.Y. 1996) (zum New Yorker Recht); Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1688. 155 Prudential Ins. Co. of Am. v. Dewey, Ballantine, Bushby, Palmer & Wood, 19.11.1992, 80 N.Y.2d 377, 382, 590 N.Y.S. 2d 831 (1992).
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der Rating-Agentur und den betreffenden Investoren oder zumindest das Bewusstsein der Agentur voraus, dass die Ratinginformation von diesen Investoren verwandt werden würde.156 Bei der Ermittlung einer hinreichenden pflichtenbegründenden Nähebeziehung kommen dann vielfach dieselben Erwägungen zum Tragen, die auch der bereits erwähnten Regel in § 552(2) Restatement (Second) of Torts zugrunde liegen; sie führen im Ergebnis dazu, dass near privity allenfalls dann angenommen wird, wenn eine abgrenzbare Investorengruppe in Rede steht, nicht aber gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit.157 Nach neuerer New Yorker Rechtsprechung soll die erforderliche besondere Nähebeziehung zudem einen direkten Kontakt zwischen Rating-Agentur und geschädigtem Investor voraussetzen,158 an dem es in der Praxis häufig fehlen wird. Die beschriebenen Kriterien finden im Grundsatz auch nach kalifornischem Recht Anwendung,159 wobei die Rechtsprechung eine abgrenzbare Gruppe von Investoren hier jedoch selbst dann noch angenommen hat, wenn Ratings strukturierter Finanzinstrumente vorhersehbar durch Tausende von qualified institutional buyers160 als Entscheidungsgrundlage verwandt wurden.161 Für die Haftung der Rating-Agenturen bedeuten die skizzierten Grundsätze, dass eine Schadensersatzpflicht für negligent misrepresentation gegenüber dritten Investoren regelmäßig ausscheidet.162 In Frage kommt eine Haftung hingegen (vergleichbar mit § 552 Restatement (Second) of Torts) auch hier, sofern der konkret betroffene Ratingbericht für Zwecke der Privatplatzierung bei einem begrenzten Investorenkreis eingesetzt wurde und dies der Rating-Agentur – wie regelmäßig – auch bekannt war.163 156 Credit Alliance Corp. v. Arthur Andersen & Co., 2.7.1985, 65 N.Y.2d 536, 493 N.Y.S. 2d 435, 483 N.E.2d 110 (1985); Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 37. 157 Zum Recht des U.S.-Staates Illinois Rozny v. Marnul, 28.5.1969, 250 N.E.2d 656, 661 ff. (Ill. 1969); Rosenstein v. Standard & Poor’s Corp., 26.5.1993, 636 N.E.2d 665, 668 (Ill. App. 1 Dist. 1993); Quinn v. McGraw-Hill, 16.2.1999, 168 F.3d 331, 335 (7th Cir. 1999). 158 Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., 14.8.2012, 690 F.3d 98, 115 (2d Cir. 2012); King County, Wash. v. IKB Deutsche Industriebank, 3.1.2013, 916 F.Supp.2d 442, 453 (S.D.N.Y. 2013). 159 Vgl. Bily v. Arthur Young & Co., 27.8.1992, 834 P.2d 745 (1992). 160 Die Einstufung als qualified institutional buyer (QIB) wird in Rule 144A unter dem Securities Act of 1933 geregelt. 161 So in Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799, 826 (N.D.Cal. 2011). 162 So in Quinn v. McGraw-Hill, 16.2.1999, 168 F.3d 331, 335 (7th Cir. 1999); In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 826 (S.D.Tex. 2005); King County, Wash. v. IKB Deutsche Industriebank, 3.1.2013, 916 F.Supp.2d 442, 453 (S.D.N.Y. 2013). A.A. Murphy, 62 Okla. L. Rev. (2010), 735, 779; kritisch auch Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 203 f. 163 Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799, 828 (N.D.Cal. 2011); In re National Century Financial Enterprises, Inc. Investment Litig., 22.7.2008, 580 F.Supp.2d 630, 653 (S.D.Ohio 2008); LaSalle National Bank v. Duff & Phelps Credit Rating Co., 26.11.1996, 951 F.Supp. 1071, 1094 (S.D.N.Y. 1996): die Offering Memoranda hatten in diesem Fall ausdrücklich festgelegt, dass die „Bonds are being offered to a limited number of insurance companies, pension funds and similar institutional investors“; Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 37; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 229 f.
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b) Haftungsmildernde Wirkung des institutionsschützenden „actual malice“-Standards Auch im Rahmen der deliktischen Dritthaftung der Rating-Agenturen wirkt sich schließlich die institutionsschützende Wirkung des First Amendment aus,164 in dessen Anwendungsbereich der Haftung nach Maßgabe von § 552 Restatement (Second) of Torts wie auch für negligent misrepresentation165 damit im Ergebnis der Charakter einer Fahrlässigkeitshaftung genommen wird. Bedeutung hat dies nach dem oben Gesagten für die Haftung für falsche Tatsachenangaben in Ratingberichten, die damit ein Handeln der Rating-Agentur mit actual malice voraussetzt, das selten oder nie nachweisbar sein wird.166 Eine vergleichbare Haftungsbeschränkung auf vorsätzliches Handeln hatte das New Yorker Recht im Übrigen schon vor der New York Times-Entscheidung des Supreme Courts entwickelt und damals schlicht auf Gründe der „praktischen Vernunft“ gestützt:167 Nach der Jaillet-Doktrin haften Presseunternehmen schon deshalb nicht für lediglich fahrlässige Falschangaben in ihren Publikationen, weil sie andernfalls potentiell unbegrenzten Ansprüchen der gesamten Öffentlichkeit ausgesetzt wären.168 Von dieser Rechtsprechung profitieren auch Rating-Agenturen,169 die deshalb schon nach einfachem Recht von einer bloßen Fahrlässigkeitshaftung freigestellt werden. Weder von dem „actual malice“-Standard noch von der Jaillet-Doktrin profitieren die Rating-Agenturen allerdings in den Fällen, in denen ihre Bonitätsbeurteilungen als lediglich „private“ Ratings erstellt wurden: Hier fehlt es einerseits am Zweck der Öffentlichkeitsinformation, die Voraussetzung für einen Schutz durch das First Amendment ist,170 und zum anderen an der Gefahr einer Haftung gegenüber einer unabsehbaren Gläubigeranzahl, die der Jaillet-Rechtsprechung zugrunde liegt. In dieser Fallgruppe kann eine einfache Sorgfaltswidrigkeit mithin zur Haftungsbegründung ausreichen.
164 In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 812 (S.D.Tex. 2005); Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 35. 165 A.A. Murphy, 62 Okla. L. Rev. (2010), 735, 777. 166 von Schweinitz, WM 2008, 953, 954. 167 Jaillet v. Cashman, 189 N.Y.S. 773, 774 (Sup.Ct. 1921): „as a matter of practical expediency“. 168 Jaillet v. Cashman, 189 N.Y.S. 773, 774 (Sup.Ct. 1921), aff’d 235 N.Y. 511 (N.Y. 1923): „There is moral obligation upon every one to say nothing that is not true, but the law does not attempt to impose liability for a violation of that duty unless it constitutes a breach of contract obligation or trust, or amounts to a deceit, libel, or slander.“ (In concreto hatte der Nachrichtenservice berichtet, der U.S. Supreme Court habe Dividendenzahlungen als steuerpflichtig eingestuft, während tatsächlich das Gegenteil entschieden worden war.). 169 First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s, 28.9.1987, 670 F.Supp. 115, 117 (S.D.N.Y. 1987); aff’d 2.3.1989, 869 F.2d 175, 179 (2nd Cir. 1989). 170 Siehe § 21 II 1 b).
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4. Hongkonger Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen mangels Sorgfaltspflicht gegenüber dritten Investoren Verglichen mit dem U.S.-amerikanischen Recht nimmt das Hongkonger Recht, das insoweit dem englischen Recht folgt, eine deutlich restriktivere Haltung ein. Eine Haftung für fahrlässig fehlerhaft erteilte Informationen auch gegenüber Dritten, mit denen kein vertragliches Band besteht, wurde in England bekanntlich in der Entscheidung Hedley Byrne & Co v. Heller & Partners171 erstmals höchstrichterlich bejaht.172 Nach zwischenzeitlicher Verfeinerung der darin umrissenen Haftungsvoraussetzungen kommt eine entsprechende Haftung nach der neueren Leitentscheidung in Caparo Industries v. Dickman173 nur in Frage, wenn die eingetretene Schädigung vorhersehbar war,174 dem geschädigten Dritten gegenüber in rechtlicher Betrachtung eine Nähebeziehung (proximity) bestand und es zudem gerecht, billig und angemessen (fair, just and reasonable) erscheint, diesem Dritten gegenüber eine Sorgfaltspflicht (duty of care) des Informationsgebers anzunehmen. In Anwendung dieser Kriterien hat die englische Rechtsprechung, der sich die Hongkonger Gerichte angeschlossen haben,175 eine duty of care gegenüber Dritten von strengen Voraussetzungen abhängig gemacht, indem beklagte Informationsgeber (regelmäßig Abschlussprüfer) insbesondere die konkrete, unter Nutzung der Information getätigte Transaktion bei Informationsveröffentlichung gekannt haben müssen, damit eine Sorgfaltspflicht denkbar ist – es genügt also nicht das Wissen, dass irgendein Dritter die veröffentlichte Information (wie etwa ein Rating) voraussichtlich zur Grundlage einer Investitionsentscheidung machen wird, sondern es müssen vertrauende Person und konkrete Details der Investition erkennbar sein.176 Diese Haftungsvoraussetzung des englischen und Hongkonger Rechts ähnelt damit weitgehend derjenigen, die unten177 noch zur Expertenhaftung nach § 311 Abs. 3 BGB vertreten werden wird. Die daraus resultierende Rechtslage wurde von einem Hongkonger Richter im Jahre 2006 (wiederum in einem Abschlussprüfer-Fall) mitfühlend wie folgt zusammengefasst: „It seems to me that the Plaintiff, who has researched and argued 171
Hedley Byrne & Co Ltd v. Heller & Partners Ltd, 28.5.1963, [1963] 2 All ER 575. Zuvor hatte man eine Haftung allein aufgrund des tort of deceit, also bei fraudulösem Handeln für möglich gehalten; siehe Derry v. Peek, 1.7.1889, [1889] 14 App Cas 337. 173 Caparo Industries plc v. Dickman and Others, 8.2.1990, [1990] 2 AC 605, 617 f. 174 Auf diesen Aspekt war in Hedley Byrne noch ganz vorrangig abgestellt worden, wohingegen in Caparo Industries nun weitere einschränkende Voraussetzungen aufgestellt wurden. 175 Vgl. Luen Hing Fat Coating & Finishing Factory Ltd v. Waan Chuen Ming, 21.1.2011, [2011] 2 HKLRD 223 Tz. 30: „Ultimately it is necessary to stand back and take a holistic view of foreseeability, proximity and the need to be satisfied that it would be fair, just and reasonable to impose a duty of care“; Srivastava/Sharma/Leung, in: Bokhary, Tort Law and Practice in Hong Kong, Rn. 3.020, 3.158 ff. 176 Al Saudi Banque and Others v. Clark Pixley, 28.7.1989, [1990] Ch. 313, 337 f.; James McNaughton Paper Group Ltd v. Hicks Anderson & Co., 31.7.1990, [1991] 2 Q.B. 113, 126. 177 Siehe im Folgenden V 1 b) bb). 172
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his case with great skill and commitment, must be in great difficulty. What he is really doing is arguing for a change in the law to afford greater protection to potential investors in companies listed on the Stock Exchange. What he seeks is the sort of consumer protection which is available in some of the state jurisdictions of the United States […]. That position has not been arrived at in Hong Kong. […] His action is therefore doomed to fail.“178 Damit verspricht auch eine Inanspruchnahme fahrlässig handelnder Rating-Agenturen für durch Angehörige der Investorenöffentlichkeit erlittene Vermögensschäden in Hongkong jedenfalls dort keine Aussicht auf Erfolg, wo es um allgemein zugänglich veröffentlichte Ratings geht; bei „privaten“ Ratings mag sich die Lage dagegen – vergleichbar dem U.S.-amerikanischen Recht179 – letztlich anders darstellen.
V. Rechtsgeschäftsähnliche Informationsdritthaftung der Rating-Agenturen Unter den Oberbegriff der rechtsgeschäftsähnlichen Informationsdritthaftung lassen sich sodann zwei Rechtsinstitute des deutschen und des schweizerischen Rechts fassen, die dogmatisch „zwischen“ dem Vertrags- und dem Deliktsrecht angesiedelt werden,180 nämlich die Expertenhaftung nach § 311 Abs. 3 BGB und die Vertrauenshaftung, die erst durch die jüngere Schweizer Rechtsprechung als gesondertes Haftungsinstitut anerkannt worden ist.181 Die Rechtsgeschäftsähnlichkeit dieser Rechtsfiguren spiegelt sich dabei auch in ihrer kollisionsrechtlichen Qualifikation wieder, die jeweils nach dem oder in Anlehnung an das Vertragsstatut vorgenommen wird.182 Da danach sowohl nach unionsrechtlichem wie auch schweizerischem IPR das am Sitz oder Ort der Hauptverwaltung der Rating-Agentur geltende Recht anwendbar ist,183 werden die sogleich zu behandelnden Anspruchsgrundlagen nur dort relevant, wo das schadensursächliche Rating durch eine in Deutschland bzw. der Schweiz ansässige Rating-Agentur oder eine dortige Tochtergesellschaft bzw. Niederlassung einer ausländischen Agentur veröffentlicht wurde.184
178
Leung Alfred Cheuk Wah v. Ernst & Young LLP China/Hong Kong and Others, 27.7.2006, [2006] HKCFI 862 Tz. 19. 179 Siehe oben unter 3 a) aa), bb). 180 Grundmann/Renner, JZ 2013, 379, 383. Umfassend zu Dritthaftungsmodellen „zwischen Vertrag und Delikt“ nach deutschem Recht Eichler, Dritthaftung, S. 84 ff. 181 Dazu unter 2. 182 So zur Haftung nach § 311 Abs. 3 BGB Büttner, Dritthaftung von Experten, S. 197 ff.: originär vertragliche Qualifikation; zur Vertrauenshaftung nach Schweizer Recht Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 87 f. m.w.N.; Loser, Vertrauenshaftung, Rn. 1315. 183 Zum Schweizer IPR (Art. 117 Abs. 1 IPRG) Loser, Vertrauenshaftung, Rn. 1316; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 815. 184 Vgl. schon § 26 III 1.
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1. Deutsches Recht: Rechtsgeschäftsähnliche Expertenhaftung nach § 311 Abs. 3 BGB Im deutschen Recht kommt als Grundlage einer rechtsgeschäftsähnlichen Haftung für Informationen vor allem die Vorschrift des § 311 Abs. 3 BGB in Frage,185 die durch die Schuldrechtsreform im Jahre 2001 neu geschaffen wurde und seitdem als sedes materiae der Informationsdritthaftungsproblematik gilt. Das neuere Schrifttum sieht folglich auch die Frage nach einer Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dritten Investoren vielfach hier angesiedelt. Wie die amtliche Überschrift des § 311 BGB deutlich macht, haben die Verfasser der Norm die Haftung Dritter gegenüber vertraglich nicht mit ihnen verbundenen Parteien als Fall der rechtsgeschäftsähnlichen Haftung angesehen;186 sie kommt daher ggfs. auch bei auftragslos erteilten Ratings in Frage.187 a) § 311 Abs. 3 BGB als Ankernorm und Verhältnis zur vertraglichen Dritthaftung § 311 Abs. 3 BGB ist seinem Wortlaut nach erkennbar nicht als abschließende Kodifizierung der rechtsgeschäftsähnlichen Dritt- oder auch nur Expertenhaftung konzipiert, sondern beschränkt sich zunächst auf die Feststellung, dass ein Schuldverhältnis mit Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch zu Personen entstehen kann, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen,188 um sodann als Regelbeispiel („insbesondere“) den Fall zu nennen, dass ein Dritter in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch Vertragsverhandlungen oder einen Vertragsschluss erheblich beeinflusst.189 aa) § 311 Abs. 3 BGB als Ankernorm Es besteht daher im Schrifttum Einigkeit darüber, dass § 311 Abs. 3 BGB lediglich dem Grunde nach eine Verankerung der langjährig in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Dritthaftungsinstitute im geschriebenen Recht versucht, ohne diesen die Freiheit zur Weiterentwicklung zu nehmen;190 die Vorschrift fungiert daher lediglich als kodifizierte „Ankernorm“. Auch die Gesetzesmaterialien machen diesen begrenzten Normzweck ganz deutlich.191 Die Voraussetzungen, unter denen eine Haftung Dritter neben den Parteien eines Vertrages in Frage 185 AnwKomm-BGB/Krebs, § 311 Rn. 7 sieht durch die Vorschrift grundsätzlich den außerdeliktischen Charakter der Dritthaftung festgelegt. 186 Kersting, Dritthaftung, S. 295. 187 Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 32 Rn. 76; Grundmann/Renner, JZ 2013, 379, 384; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 207; Wojcik, NJW 2013, 2385, 2387. 188 § 311 Abs. 3 Satz 1 BGB. 189 § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB. 190 AnwKomm-BGB/Krebs, § 311 Rn. 5; Bamberger/Roth/Sutschet, § 311 Rn. 114; Eichler, Dritthaftung, S. 268 ff. 191 BT-Drs. 14/6040, S. 163.
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kommt, legt § 311 Abs. 3 BGB folglich nicht selbst abschließend fest,192 sodass die bisherigen Fallgruppen und die dazu entwickelten Lösungen weiterhin relevant sind.193 Vor diesem Hintergrund wird man § 311 Abs. 3 BGB trotz seines Wortlauts nicht auf Fälle in der vorvertraglichen Phase (also die klassische culpa in contrahendo) beschränken, sondern extensiv als Generalnorm für Sonderverbindungen zu Dritten zu verstehen haben,194 und auch die Fassung des Satzes 2, mit dem man vornehmlich die Fälle der Sachwalterhaftung einschließlich der Haftung von Sachverständigen und anderen „Auskunftspersonen“ gegenüber Dritten erfassen wollte,195 bedeutet nicht, dass § 311 Abs. 3 BGB nur die Verletzung von Schutzpflichten196 durch Dritte abdeckt: Nach zutreffender Ansicht kann auch die Verletzung von Hauptleistungspflichten unter die Norm fallen,197 wie im Falle der Rating-Agenturen etwa der Pflicht zur ordnungsgemäßen Erstellung einer Bonitätsbeurteilung.198 bb) Keine Verdrängung, aber Zurückführung der Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Umstritten ist allerdings, ob die beschränkte Funktion des § 311 Abs. 3 BGB als nicht abschließende Ankernorm auch für den Bereich der hier interessierenden „Experten-“, „Berufs-“ und „Gutachterhaftung“ gilt, den die Rechtsprechung traditionell über die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter199 bewältigt. In der Sache setzt sich in dieser Diskussion der Streit um die dogmatische Überzeugungskraft und sachliche Angemessenheit jener vertraglichen Dritthaftungskonstruktion fort, die im Schrifttum vielfach mit guten Gründen bezweifelt wird. Vor diesem Hintergrund wird in der Literatur teilweise argumentiert, dass die Experten- und Berufshaftungsproblematik seit Schaffung des § 311 Abs. 3 BGB allein auf dessen Grundlage zu lösen und ein Rückgriff auf die Figur des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausgeschlossen sei.200
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Emmerich, in MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 186; Ott, in FS H.-B. Schäfer (2008), S. 171,
175. 193 Emmerich, in MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 186; Palandt/Grüneberg, § 311 Rn. 60; Vetter, WM 2004, 1701, 1709. 194 AnwKomm-BGB/Krebs, § 311 Rn. 99; Barta, NZG 2006, 855, 857; Kersting, Dritthaftung, S. 108. 195 Emmerich, in MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 185. 196 § 241 Abs. 2 BGB. 197 Eichler, Dritthaftung, S. 279. 198 Siehe zur vertragsrechtstypologischen Verortung dieser Pflicht § 27 I 2. A.A. Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852. 199 Siehe noch näher unter V. Die Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist in der Rechtsprechung zu „Gutachterfällen“ gelegentlich ausdrücklich als „Berufshaftung“ bezeichnet worden; so in BGH, 2.7.1996, BGHZ 133, 168, 172 („Nitrierofen“). 200 AnwKomm-BGB/Krebs, § 311 Rn. 4; Eichler, Dritthaftung, S. 287; Erman/Kindl, § 311 Rn. 49; Kersting, Dritthaftung, S. 86, 318, 333 und 544 ff.; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 96.
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Die überwiegende Ansicht im Schrifttum201 und auch erste Stellungnahmen der Rechtsprechung202 verweisen demgegenüber zu Recht darauf, dass der Gesetzgeber die mit der Expertendritthaftung verbundenen Sachfragen nachweislich nicht entscheiden wollte; von einer Verdrängung des Vertrages mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter aus Gründen der Regelungskonkurrenz kann daher keine Rede sein. Die Existenz des § 311 Abs. 3 BGB kann für den Anwendungsbereich des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gleichwohl nicht folgenlos bleiben, verändert er doch das systematische Umfeld der Vertragshaftung. Man wird die Haftung aufgrund eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter daher künftig auf diejenigen Fallgruppen zurückführen und beschränken müssen, in denen tatsächlich ein diesbezüglicher Parteiwille nachweisbar ist – diejenigen Konstellationen, in denen (etwa unter Berufung auf Treu und Glauben) in Wirklichkeit außervertragliche Wertungen die Haftungsbegründung tragen, sind hingegen bei der Ankernorm des § 311 Abs. 3 BGB zu verorten. In der Literatur wird gerade die Frage der Dritthaftung der Rating-Agenturen allerdings nicht selten allein mit Blick auf die Schutzwirkung des Ratingvertrages zwischen Emittent und Rating-Agentur zugunsten dritter Investoren abgehandelt203 – eine Rechtsgrundlage, die denkbar, aber eben nicht die allein denkbare ist. In der Sache bietet eine nicht-vertragliche Dritthaftungsbegründung auf Grundlage des § 311 Abs. 3 BGB zudem einen gewissen Vorteil, weil sie eine einheitliche Haftungsfigur für beauftragte und unbeauftragte Ratingpublikationen bieten kann; eine Lösung, die dem Umstand gerecht wird, dass beide Ratingtypen von der Investorenöffentlichkeit am Markt nachweisbar gleich wahrgenommen werden.204
b) Die „Inanspruchnahme besonderen Vertrauens“ als Haftungsvoraussetzung und -beschränkung Im Anwendungsbereich des § 311 Abs. 3 BGB kommen nach dem Gesagten weiterhin diejenigen Fallgruppen zum Tragen, die bereits vor Schaffung dieser Ankernorm zu Dritthaftungskonstellationen entwickelt worden waren. Eine der klassischen Fallgruppen, nämlich die Haftung des Dritten wegen eines erheblichen wirtschaftlichen Eigeninteresses am Vertragsschluss,205 ist dabei bei Ratings 201 Barta, NZG 2006, 855, 856; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1852; Gottwald, in MünchKommBGB, § 328 Rn. 111, 182; Ott, in FS H.-B. Schäfer (2008), S. 171, 175; Palandt/Grüneberg, § 311 Rn. 60, § 328 Rn. 34; Schroeter, in FS Schwenzer (2011), S. 1565, 1566; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 Rn. 199. Laut BT-Drs. 14/6040, S. 163 soll § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB lediglich „der Rechtsprechung aufzeigen, dass diese Fälle auch [also nicht zwingend] auf diesem Wege zu lösen sind“. 202 OLG Düsseldorf, 2.6.2009, DB 2009, 2369, 2370 (Abschlussprüfung); OLG Hamm, 29.5.2013, JuS 2013, 935 (tierärztliche Ankaufsuntersuchung). 203 So etwa bei Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 33 ff.; Oellinger, Haftung für Ratings, S. 195 ff.; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 664 ff.; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1350 f. 204 Siehe zu den dahingehenden empirischen Erkenntnissen oben § 5 II 2 d); zur Erklärung anhand der (übereinstimmenden) Codierung der Bonitätsinformation § 5 IV. 205 Vgl. statt vieler Palandt/Grüneberg, § 311 Rn. 61.
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von vornherein nicht einschlägig, weil ein lediglich mittelbares wirtschaftliches Interesse der Rating-Agentur an der möglichst weiten Verbreitung ihrer Bonitätsbeurteilung und den daraus resultierenden ökonomischen Vorteilen hierzu nicht ausreicht.206 Relevant ist hingegen die Fallgruppe der Haftung von Gutachtern und sonstigen Sachverständigen (die sog. Expertenhaftung), die auch für die Haftung von Rating-Agenturen in Frage kommt.207 Als Ausgangspunkt kann hierbei der Wortlaut des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB dienen, der zwar nicht als abschließende Regelung konzipiert, aber durchaus mit dem Anspruch einer subsumtionsgeeigneten Norm208 zu eben dieser Konstellation209 abgefasst wurde. Er nennt als Pflichtenbegründungs- (und damit auch Haftungs-)voraussetzung, dass „der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst“. aa) Abstraktes Vertrauen der Investorenöffentlichkeit in Expertise der Rating-Agenturen nicht ausreichend Mit Blick auf das „besondere Vertrauen“ in die Rating-Agenturen wird im Schrifttum vielfach auf die „generelle und unbestreitbare Expertenstellung der Rating-Agenturen“ verwiesen210 oder angeführt, bei den großen Rating-Agenturen stehe „fast Institutionenvertrauen auf dem Spiel“.211 Vertrauen sei gerade das Kapital der Rating-Agenturen.212 Anzeichen für das besondere Vertrauen in RatingAgenturen erkennt man auch in der staatlichen Anerkennung mancher Agenturen für Zwecke legislativer Bezugnahmen213 oder schlicht darin, dass die RatingAgenturen die Seriosität und Zuverlässigkeit ihrer eigenen Urteile betonen.214 Im Ergebnis nehmen die Rating-Agenturen nach dieser Ansicht i.S. des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB „in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch“.215 206 Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 97 Fn. 355; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 92; a.A. Haar, NZG 2010, 1281, 1283 f. 207 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2292; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 206; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 891. 208 So Canaris, JZ 2001, 499, 519. 209 Canaris, JZ 2001, 499, 520; Emmerich, in MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 185. 210 Niedostadek, Rating, Rn. 243; Vetter, WM 2004, 1701, 1710; ähnlich Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2292; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 286. 211 Knops, BB 2008, 2535, 2539. 212 Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 890; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 98. 213 Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 32 Rn. 68; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 97. Vgl. in diesem Sinne aus der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung auch In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 832 (S.D.Tex. 2005): „the Credit Rating Agencies, holding themselves out as the most prominent and respected rating agencies, designated as NRSROs by the SEC, imply they are meeting the high standards of their field in their ratings …“. 214 Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 97. 215 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2292; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 65; Kersting, Dritthaftung, S. 541; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 97 f.; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 206.
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Die Rechtsprechung zur vorvertraglichen Sachwalterhaftung, die in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich in Bezug genommen wird216 und daher zur Normauslegung herangezogen werden kann,217 unterscheidet hingegen streng zwischen dem besonderen Vertrauen, das einem verhandelnden vertragsfremden Experten durch den Vertragspartner entgegen gebracht wird, und der Inanspruchnahme von Vertrauen seitens des verhandelnden Experten.218 Das erstgenannte, „abstrakte“ Vertrauen219 in eine bestimmte Expertise, das einer Auskunftsperson von anderen entgegen gebracht wird und auf das im Falle der Rating-Agenturen auch die oben genannten Stimmen abstellen, reicht dabei zur Haftungsbegründung ebenso wenig aus wie der allgemeine Hinweis eines Experten auf die bei ihm vorhandene Sachkunde.220 Allein der Umstand, dass Vertrauen gewährt wird, besagt mit anderen Worten noch nichts darüber, ob und inwieweit das Vertrauen rechtlich geschützt wird – eine Qualifikation, die im Rahmen des „Inanspruchnahme“-Kriteriums des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB ebenso gilt221 wie in den alternativen Berufs- oder Expertenhaftungsmodellen von Hopt222 und Grunewald.223 Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass manche Arten von Experten zwar über besondere Sachkunde verfügen, ohne dass jedoch jeder andere erwarten kann, dass diese für ihn eingesetzt wird (und nicht etwa nur für den Auftraggeber des betroffenen Gutachtens).224 Die besondere Sachkunde des Experten allein genügt daher nicht, um gegenüber jedermann eine Haftung für fehlerhafte Informationen zu begründen.225 Vor diesem Hintergrund ist das deutsche Schrifttum überwiegend der Auffassung, dass die Rating-Agenturen letztlich kein besonderes Vertrauen für sich „in Anspruch nehmen“;226 die „relativ diffuse allgemeine Autoritätsfunktion“ der 216
BT-Drs. 14/6040, S. 163 mit Verweis auf BGH, 17.06.1991, NJW-RR 1991, 1241, 1242. Emmerich, in MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 186. 218 BGH, 5.4.1971, BGHZ 56, 81, 84; BGH, 23.2.1983, BGHZ 87, 27, 33; BGH, 4.7.1983, BGHZ 88, 67, 69 („Warenterminoptionsgeschäft“); BGH, 17.6.1991, NJW-RR 1991, 1241, 1242. 219 Vgl. zu diesem Begriff Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 206. 220 BT-Drs. 14/6040, S. 163; BGH, 4.7.1983, BGHZ 88, 67, 69 („Warenterminoptionsgeschäft“); BGH, 17.10.1989, NJW 1990, 506 (Kapitalanlageberater); BGH, 17.6.1991, NJW-RR 1991, 1241, 1242; BGH, 18.10.1993, ZIP 1993, 1785, 1787; Bamberger/Roth/Sutschet, § 311 Rn. 115; Faust, AcP 210 (2010), 555, 563. 221 Bamberger/Roth/Sutschet, § 311 Rn. 115; Eichler, Dritthaftung, S. 339; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 890. A.A. Kersting, Dritthaftung, S. 541, nach dessen Ansicht eine Vertrauensinanspruchnahme immer vorliegt, solange die Rating-Agentur nicht erklärt, sie habe bei Erstellung des Ratings geraten oder sei auf unvollständiger Informationsbasis zur Bonitätsbeurteilung gekommen. 222 Hopt, AcP 183 (1983), 608, 641, 682. 223 Grunewald, AcP 187 (1987), 285, 303 f., die diesen Gesichtspunkt als Frage der Auslegung der mit einem Gutachten verbundenen „Garantieerklärung“ behandelt. 224 Bamberger/Roth/Sutschet, § 311 Rn. 116, der als Beispiel Rechtsanwälte, Architekten und Betreuer nennt; Grunewald, AcP 187 (1987), 285, 301. 225 Faust, AcP 210 (2010), 555, 563; Ott, in FS H.-B. Schäfer (2008), S. 171, 175 f. 226 Bamberger/Roth/Sutschet, § 311 Rn. 121; Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 38; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 890; Niedostadek, Rating, Rn. 243; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 93 ff.; Vetter, WM 2004, 1701, 1710; wohl auch Haar, ZBB 2009, 177, 185. Ebenso (aber in sich widersprüchlich) Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 206. 217
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Rating-Agenturen reiche hierzu nicht aus.227 Welche (in concreto nicht erfüllten) Anforderungen man dabei an eine Vertrauensinanspruchnahme stellen möchte, bleibt allerdings unklar. Deutlich wird allein, dass eine drohende unbegrenzte228 Haftung der Rating-Agenturen schon für leicht fahrlässiges Handeln229 vermieden werden soll, die gegenüber einer unabsehbaren Anzahl auf das Rating vertrauender Anleger bestünde.230 Nach hier vertretener Ansicht bleibt das notwendige risikobeschränkende Kriterium, das die Belastung von Experten mit unübersehbaren (und damit unversicherbaren) Drittschäden verhindert, entgegen anders lautenden Stimmen im Schrifttum231 keiner künftigen Einführung durch den Gesetzgeber vorbehalten: Es ist vielmehr bereits dadurch in § 311 Abs. 3 BGB angelegt, dass diese Vorschrift die Vertrauensinanspruchnahme zum einen durch den notwendigen Bezug zu einer konkreten Vertragsanbahnung232 und zum anderen durch das Abstellen auf den Inhalt der vertrauensbegründenden Information233 eingrenzt. Diese Beschränkungen müssen auch für sonstige außervertragliche und außerdeliktische Dritthaftungsinstrumente gelten und bewirken damit bereits heute eine systemkonforme Begrenzung der Informationsdritthaftung. bb) Beschränkung der Vertrauensinanspruchnahme durch notwendigen Bezug zu konkreter Vertragsanbahnung Nach hier vertretener Auffassung setzt eine haftungsbegründende Vertrauensinanspruchnahme durch einen Experten vor allem voraus, dass diese im Hinblick auf eine konkrete Vertragsanbahnung zwischen dritten Parteien erfolgt. Eine bestimmte oder bestimmbare Transaktion bildet damit den notwendigen Bezugspunkt für die Inanspruchnahme des Vertrauens, das dem Experten durch eine oder mehrere der (künftigen) Vertragsparteien entgegengebracht wird; es konkretisiert dieses gleichsam und öffnet durch diesen Akt den Weg zu einer Dritthaftung.234 Eines rechtsgeschäftlichen Willens zur Haftung bedarf es dabei – an227
Vetter, WM 2004, 1701, 1709. § 249 Abs. 1 BGB – eine § 323 Abs. 2 HGB vergleichbare, summenmäßige Haftungsgrenze besteht für Rating-Agenturen de lege lata nicht. 229 § 276 Abs. 1 BGB. 230 Vgl. Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 141: Gegenüber einer solchen Haftung „wird man aus Gründen rechtspolitischer und rechtsökonomischer Vernunft zögern“; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 208; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 890: Gerade das Rating zeige die Grenzen des Vertrauensgedankens auf; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 206. 231 Spezifisch zur Dritthaftung der Rating-Agenturen Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 890; allgemein zur Regelung der Dritthaftung in § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB Canaris, JZ 2001, 499, 520: „Freilich ist der Kreis der Dritten, die möglicherweise aus culpa in contrahendo haften, durch das Bemühen um Abdeckung aller einschlägigen Fallgruppen reichlich weit geraten. Indessen ist die Entwicklung insoweit noch nicht hinreichend konsolidiert, um die Formulierung eines eingrenzenden Kriteriums zu erlauben …“. 232 Unter bb). 233 Unter cc). 234 A.A. Kersting, Dritthaftung, S. 290 f., 540, der das öffentliche Zurverfügungstellen von Informationen als Grundlage für irgendein (also kein konkretes) Rechtsgeschäft ausreichen lässt; für 228
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ders als bei einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – allerdings nicht,235 denn die Vertrauensinanspruchnahme ist gemäß § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB Auslöser für das Entstehen eines rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses, während die Haftung des Experten ihren Rechtsgrund in § 280 Abs. 1 BGB (und den darin normierten, von einem Haftungswillen unabhängigen Voraussetzungen) findet. Gegenüber jemandem, zu dessen Nutzung die konkrete Expertenäußerung nicht bestimmt war, nimmt der Experte jedoch kein Vertrauen in Anspruch. Ob ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis zwischen dem Experten und dritten, an einer separaten Vertragsanbahnung beteiligten Personen begründet wird, ergibt sich folglich aus dem Vertrag zwischen dem Experten und seinem Auftraggeber sowie den sonstigen Umständen der Expertisenerstellung;236 maßgeblicher Zeitpunkt ist die Abgabe des Gutachtens durch den Experten. Das Erfordernis eines Bezugs zu einer konkreten Vertragsanbahnung verhindert damit, dass durch die unreflektierte Unterstellung einer Vertrauensinanspruchnahme eine Pflichtenbeziehung zu einem unbestimmten und unabsehbaren Personenkreis und damit die Gefahr einer uferlosen Haftung begründet werden. (1) Dogmatische Herleitung des Erfordernisses Das beschriebene Erfordernis lässt sich dogmatisch auf drei Gründe stützen: (a) Wortlaut des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB Zu nennen ist zuvörderst der Wortlaut des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB, der die Vertrauensinanspruchnahme explizit zur erheblichen Beeinflussung der Vertragsverhandlungen oder des Vertragsschlusses in Bezug setzt („und dadurch“). Gemeint ist eine bestimmte Vertragsverhandlung oder ein bestimmter Vertragsschluss, wie die Formulierung der Norm („die“/„den“ anstatt „eine“/„einen“) deutlich macht. Obgleich die Normierung des § 311 Abs. 3 BGB den Fortbestand und die Weiterentwicklung der überkommenen Dritthaftungsinstitute nicht verhindern soll,237 wird man in dieser Formulierung doch eine gesetzgeberische Leitentscheidung sehen können,238 die bei der Konkretisierung der Expertenhaftung generell zu berücksichtigen ist.239 die235 Haftung von Wirtschaftsprüfern auch Barta, NZG 2006, 855, 858, der die betragsmäßige gesetzliche Haftungsbeschränkung durch § 323 Abs. 2 HGB für ausreichend hält – für Rating-Agenturen existiert eine vergleichbare Norm hingegen nicht. 235 Insoweit zutreffend Kersting, Dritthaftung, S. 541; ebenso zur Haftung von Rating-Agenturen auch Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 889; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 95; Vetter, WM 2004, 1701, 1710. 236 Der Inhalt der Expertise oder des Gutachtens hat dagegen nach hier vertretener Auffassung für die Reichweite der Vertrauensinanspruchnahme (und damit einer möglichen Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB) Bedeutung; siehe dazu unter cc). 237 Siehe bereits oben V 1 a) aa) zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift. 238 Vgl. BT-Drs. 16/6040, S. 162: „Allerdings soll der Regelung [des § 311 BGB] die Konturenschärfe erhalten bleiben, die verschiedentlich angemahnt worden ist …“. 239 Faust, AcP 210 (2010), 555, 566; in diese Richtung auch Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 215.
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(b) Bisherige Rechtsprechung zur Sachwalter- und Gutachterhaftung Ein entsprechender Bezug zu einer konkreten Vertragsanbahnung lag des Weiteren auch in denjenigen Fällen stets vor, in denen die bisherige Rechtsprechung eine Sachwalterhaftung von Experten angenommen hat (und in denen es gelegentlich auch um Auskünfte zu Bonitätsfragen ging240): Hier wurde eine Eigenhaftung des Sachwalters für die Inanspruchnahme von Vertrauen stets davon abhängig gemacht, dass dieser durch sein Verhalten Einfluss auf die Entscheidung eines anderen genommen und über das allgemeine Verhandlungsvertrauen hinaus eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des konkreten, in Aussicht genommenen Geschäfts geboten hatte.241 Im Schrifttum wird von einer notwendigen „Gerichtetheit“ der Expertise gesprochen, mittels derer eine Begrenzung des Gläubigerkreises bewirkt werden soll.242 Name und Zahl der Personen, die an dem durch die Expertenauskunft zu beeinflussenden wirtschaftlichen Projekt beteiligt sind, brauchen daher nur dann nicht festzustehen, wenn schon der Bezug der Vertrauensinanspruchnahme zu dem konkreten Projekt den Kreis der damit geschützten Personen abgrenzbar macht.243 Darüber hinaus hing aber auch in den Fällen der „Gutachterhaftung“ – die von der Rechtsprechung traditionell über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gelöst werden, auf den an anderer Stelle im Text244 noch näher einzugehen sein wird – eine Haftung des Gutachters jeweils davon ab, dass das Gutachten mit Bezug zu einer konkreten Vertragsanbahnung erstattet worden war: Danach haftet der Wirtschaftsprüfer, wenn die Jahresabschlussprüfung auch im Interesse eines bestimmten Dritten durchgeführt wurde, dem das Prüfungsergebnis als Entscheidungsgrundlage für einen möglichen Anteilserwerb an der Gesellschaft dienen sollte;245 Gleiches gilt für den Abschlussprüfer, der den Zwischenabschluss auf Wunsch des Auftraggebers direkt an einen potentiellen Unternehmenskäufer geschickt hat – in diesem Fall
240 So etwa in BGH, 17.10.1989, NJW 1990, 506 (unzureichende Bonitätsaufklärung durch Kapitalanlageberater). 241 BGH, 5.4.1971, BGHZ 56, 81, 85; BGH, 4.7.1983, BGHZ 88, 67, 69 („Warenterminoptionsgeschäft“); BGH, 17.10.1989, NJW 1990, 506 (Kapitalanlageberater); BGH, 17.6.1991, NJW-RR 1991, 1241, 1242; BGH, 18.10.1993, ZIP 1993, 1785, 1787; Bamberger/Roth/Sutschet, § 311 Rn. 115. 242 Koch, AcP 204 (2004), 59, 75 f.: „eminent wichtige Funktion, die Eingrenzung des Gläubigerkreises zu gewährleisten“; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 99. Ähnlich auch Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 224, 235. 243 Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 99. 244 Unter VI. 245 BGH, 2.4.1998, BGHZ 138, 257, 262 („Abschlussprüfung“): „… wenn die Vertragsteile bei Auftragserteilung, gegebenenfalls auch zu einem späteren Zeitpunkt, übereinstimmend davon ausgehen, daß die Prüfung auch im Interesse eines bestimmten Dritten durchgeführt werde und das Ergebnis diesem Dritten als Entscheidungsgrundlage dienen soll […], liegt in der Übernahme des Auftrags die schlüssige Erklärung des Prüfers, auch im Interesse des Dritten gewissenhaft und unparteiisch prüfen zu wollen“; BGH, 14.6.2012, BGHZ 193, 297 Tz. 19 (Insolvenzreifeprüfung); OLG Bremen, 30.8.2006, OLGR Bremen, 856, 857.
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haftet der Abschlussprüfer auch der Bank, die den späteren Kauf finanziert,246 weil es eben nicht auf die Person ankommt, die in Vertrauen auf die Expertise an den Verkäufer geleistet hat, solange dies im Rahmen der in Bezug genommenen Transaktion geschieht. Der wirtschaftliche Vorgang, zu dessen Anbahnung oder Förderung das Gutachten eingesetzt werden soll, bestimmt also die Reichweite der Vertrauensinanspruchnahme und damit das Haftungsrisiko des Gutachters – nur mit diesem caveat trifft die viel zitierte Aussage zu, auf Namen und Anzahl der geschützten Dritten komme es für die Gutachterhaftung nicht an.247 (Im wirtschaftlichen Ergebnis dürfte sich eine Aufteilung der in Bezug genommenen Transaktion und damit des Gesamtschadens auf mehrere Dritte für den Gutachter sogar positiv auswirken, weil die daraus resultierende „Zersplitterung“ seiner Haftung deren praktische Durchsetzung erschwert.) Wird ein Wertgutachten über ein Grundstück erstellt, das veräußert oder zur Besicherung einer Finanzierung beliehen werden soll, so kann es für die Gutachterhaftung folglich auch nicht darauf ankommen, ob das Grundstück durch einen einzelnen oder eine Gruppe von Käufern erworben248 oder die Finanzierung durch einen oder mehrere Darlehensgeber oder aber durch Begebung einer Anleihe erfolgt; der Gutachter nimmt gegenüber allen beteiligten Kaufinteressenten und Kapitalgebern Vertrauen in Anspruch, solange der Gesamtfinanzierungsbetrag (und damit auch sein Dritthaftungsrisiko) den festgestellten Grundstückswert nicht überschreitet.249 Dagegen wurde eine Abschlussprüferhaftung gegenüber Pre-IPO-Investoren abgelehnt, wenn bei Erstellung des Prüfvermerks in Gestalt eines Börsengangs der Gesellschaft ein anderer Verwendungszweck im Raum gestanden hatte (obgleich bei letzterem Vorgang voraussichtlich eine weit größere Investorenzahl auf den Prüfvermerk vertraut hätte)250 und auch gegenüber Anlegern verneint, die im Vertrauen auf ein Testat Genussrechte an der geprüften Gesellschaft erwarben, weil die Anzahl der Anleger nicht von vornherein überschaubar (und das einzuwerbende Genussrechtskapital seiner Höhe nach nicht begrenzt) war.251
246 BGH, 26.11.1986, NJW 1987, 1758, 1760: „Das bedeutet allerdings nicht, daß der Kreis der unter die Schutzpflicht fallenden Personen uferlos ausgeweitet werden dürfte; es ist vielmehr erforderlich, daß die Schutzpflicht auf eine überschaubare, klar abgrenzbare Personengruppe beschränkt wird. Es erscheint demnach nicht unzulässig, wenn diejenige Person, der der Zwischenabschluß erkennbar als Entscheidungsgrundlage diente, in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen wird; denn in diesem Falle würde sich der Schutzbereich nur auf den Käufer und einen etwaigen Geldgeber des Käufers erstrecken.“ 247 So statt mancher Bamberger/Roth/Janoschek, § 328 Rn. 53; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 820. 248 BGH, 2.11.1983, NJW 1984, 355: „Ebensowenig ist erforderlich, daß der Vertragspartner die genaue Zahl der in den Schutzbereich einbezogenen Personen kennt. […] Erforderlich ist allerdings, daß die zu schützende Personengruppe objektiv abgrenzbar ist. Der Tatrichter wird zu prüfen haben, ob sich objektiv feststellen läßt, wer zu der Gruppe gehört, die gemeinsam mit dem Zeugen S den Erwerb des Hauses ins Auge gefaßt hatte.“ 249 BGH, 20.4.2004, BGHZ 159, 1, 9 f. 250 BGH, 6.4.2006, BGHZ 167, 155, 164 f. (Abschlussprüferhaftung gegenüber Pre-IPO-Investoren): „Als Anknüpfungspunkt (und Mindestvoraussetzung) für eine Dritthaftung käme daher von vornherein nur in Betracht, dass der Bekl. zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geworden wäre, ein als Pre-IPO-Investor interessierter Dritter warte ihre Begutachtung ab, um über ein mögliches Engagement zu entscheiden. [Dagegen] kann das bloße Wissen um oder die Erkennbarkeit von Bemühungen, an Stelle eines zunächst geplanten Börsengangs einen Pre-IPO-Investor zu finden, keine Dritthaftung auslösen“. 251 BGH, 15.12.2005, ZIP 2006, 854, 856.
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Die Rechtsprechung macht eine Auskunftsdritthaftung nach alledem schon bislang stets von dem erkennbaren Bezug der Auskunft zu einer konkreten Transaktion abhängig, und auch im Schrifttum gilt – trotz abweichender dogmatischer Begründungsansätze – im Ergebnis vielfach nichts anderes.252 (c) Mittelbare Drittwirkung der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) Bei der Konkretisierung der Tatbestandsmerkmale des § 311 Abs. 3 BGB können schließlich auch Einflüsse des Verfassungsrechts spürbar werden,253 da der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte vor allem bei Auslegung und Anwendung der Generalklauseln des Zivilrechts Rechnung zu tragen ist,254 zu denen auch die „Ankernorm“ des § 311 Abs. 3 BGB zählt.255 Soweit die Vorschrift zu einer Informationsdritthaftung von Personen führt, die – wie Rating-Agenturen256 – unter dem Schutz der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) stehen, so zwingt dieser Umstand zu einer grundrechtskonformen Auslegung des § 311 Abs. 3 BGB, mittels derer eine unabsehbare rechtsgeschäftsähnliche Haftung von Presseunternehmen gegenüber der Investorenöffentlichkeit verhindert wird: Da eine betragsmäßig unbegrenzte Dritthaftung für Pressepublikationen einen „chilling effect“ auf die Veröffentlichung grundrechtlich geschützter Bonitätsbeurteilungen haben und zudem die Rating-Agenturen als Institutionen potentiell in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohen könnte, muss eine solche Haftung in denjenigen Fällen, in denen keine freiwillig eingegangene vertragliche Pflichtenbeziehung zum Geschädigten besteht, von hohen Voraussetzungen abhängig gemacht werden.257 Das hier vorgeschlagene Erfordernis eines Bezugs der Informationserteilung zu einer konkreten Vertragsanbahnung erscheint geeignet, die Haftungsrisiken kalkulierbar und daher in einem Rahmen zu halten, der mit der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) vereinbar ist. (2) Anwendung auf die Informationserstellung und -veröffentlichung durch Rating-Agenturen Wendet man die vorstehend herausgearbeitete Anforderung an die Vertrauensinanspruchnahme auf die Erstellung und Publikation von Bonitätsbeurteilungen an, so steht zunächst fest, dass eine Haftung der Rating-Agenturen für Emitten-
252 Vgl. Hopt, AcP 183 (1983), 608, 699 f., der eine Haftung nur bei spezifischem, individuellem Berufsvertrauensschutz annimmt; Grunewald, AcP 187 (1987), 285, 308: Ein Gutachten enthalte keine haftungsbegründende Garantieerklärung, wenn es sich bestimmungsgemäß an eine Vielzahl von Personen richte. 253 Eichler, Dritthaftung, S. 227 ff. 254 Grundlegend BVerfG, 15.1.1958, BVerfGE 7, 198, 205 („Lüth“); Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 8. 255 Vgl. zur bewussten Ausgestaltung der Vorschrift als generalklauselartige Norm Canaris, JZ 2001, 499, 519. 256 Siehe bereits § 21 IV 1 b). 257 BVerfG, 14.2.1973, BVerfGE 34, 269, 285 („Soraya“).
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tenratings generell ausscheidet,258 denn diese werden ohne Bezug zu einer konkreten Vertragsanbahnung erstellt; sie dienen gerade der Information der allgemeinen Marktöffentlichkeit über die Bonität ungesicherter Forderungen an das Unternehmen. Selbiges gilt auch für Emissionsratings, soweit diese nach erfolgter Emission zur Information des Sekundärmarktes weiter überwacht und ggfs. aktualisiert werden,259 denn am Sekundärmarkt kann auch ein Emissionsrating Anlass für eine unvorhersehbare Anzahl an Investitions- und Deinvestitionsentscheidungen sein.260 Zu bejahen ist eine Vertrauensinanspruchnahme dagegen bei der Erstellung von Emissionsratings für die Erstemission eines Fremdkapitaltitels, sofern dieser – wie vor allem bei komplexen Finanzinstrumenten häufig261 – privat platziert werden soll: Hier ist der Kreis der Investoren, die das Rating verwenden, definitionsgemäß abgrenzbar und der Bezug zu einer konkreten Transaktion (nämlich der Platzierung der in ihrem Volumen bekannten Emission) vorhanden. Gleiches gilt für ein Rating, das nicht zum Zweck der Marktinformation, sondern für die Vergabe eines bestimmten (syndizierten) Kredits eingeholt wird.262 Schwierigkeiten macht vor allem die noch verbleibende Konstellation, nämlich die Erstellung eines Emissionsratings für eine öffentlich angebotene Erstemission: Hier besteht ein offenkundiger Bezug zu einer bestimmten Transaktion (nämlich der Platzierung), die allerdings ein beträchtliches Volumen und daher potentiell ein erhebliches Haftungsrisiko für die Rating-Agentur mit sich bringen kann. Der letztgenannte Aspekt steht der Annahme einer Vertrauensinanspruchnahme gegenüber den Ersterwerbern jedoch nicht per se entgegen,263 kann sich aber – wie sogleich zu zeigen sein wird – über den Inhalt der Ratingveröffentlichung auf die Haftung der Rating-Agentur auswirken. Kein Vertrauen nimmt die Rating-Agentur jedenfalls gegenüber solchen Anlegern in Anspruch, die einen Ratingbericht aus zweiter oder dritter Hand erhalten haben264 – für sie
258 Korth, Dritthaftung von Ratingagenturen, S. 93 f.; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 99. Im Ergebnis wie hier, aber mit anderer Begründung (Ratings beeinflussen die Vertragsverhandlungen nicht „erheblich“) auch Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 483. A.A. Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2292 f. 259 Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 39; Korth, Dritthaftung von Ratingagenturen, S. 94 ff. A.A. Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 100, der zwischen (geschützten) Erwerbern am Sekundärmarkt und (ungeschützten) sonstigen Gläubigern bzw. Dritten unterscheidet, die aus dem Emissionsrating Schlüsse ziehen. 260 Haar, NZG 2010, 1281, 1284. Dass Rating-Agenturen sich nicht immer unmittelbar an das allgemeine Anlegerpublikum wenden, sondern ihre Ratings außer über hauseigene Publikationen vor allem mittelbar über Zeitungen und andere Medien öffentlich verbreiten, steht ihrer Haftung hingegen nicht entgegen; a.A. aber Vetter, WM 2004, 1701, 1709 f. 261 Siehe § 10 III 3. 262 Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 890 f.; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 99. 263 Korth, Dritthaftung von Ratingagenturen, S. 88 ff.; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 99 f.; a.A. Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 890. 264 Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 372.
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gilt nichts anderes als für den späteren Erwerber eines begutachteten Objekts, auf den sich die Gutachterhaftung ebenfalls nicht erstreckt.265
cc) Beschränkung der Vertrauensinanspruchnahme durch Inhalt der Ratingveröffentlichung Neben dem notwendigen Bezug der Auskunftserteilung zu einer konkreten Transaktion hängt die rechtliche Inanspruchnahme von Vertrauen durch die Rating-Agenturen auch vom Inhalt der Ratingveröffentlichung ab, auf den die an der Transaktion beteiligten Dritten vertraut haben. Die Bedeutung des Inhalts der Information, die zur Dritthaftung Anlass gibt, ist unter § 311 Abs. 3 BGB grundsätzlich ebenso anerkannt266 wie im Rahmen alternativer, im Schrifttum vertretener Begründungsansätze.267 Im Falle der Rating-Agenturen spielt sie gleich in mehrfacher Hinsicht eine Rolle: So beschränkt sich jedes Rating in seinem Aussagegehalt auf eine Beurteilung der Bonität,268 wohingegen es weder über sonstige Risiken eines Investitionsobjektes etwas aussagt, noch ein „allgemeines Gütesiegel“ im Sinne eines Indikators der generellen „Sicherheit“ der Investition darstellt. Für alle Fragen außerhalb der Kreditwürdigkeit nimmt die Rating-Agentur folglich von vornherein keinerlei Vertrauen in Anspruch, obgleich dies – wie bereits angesprochen269 – von Investoren häufig missverstanden wird und dazu führen kann, dass diese auch insoweit gleichwohl ein (unberechtigtes, und nach § 311 Abs. 3 BGB allein keine Haftungsgrundlage begründendes) Vertrauen in die Agentur setzen. Da ein Rating zudem nur die subjektive, prognostische Meinung der Rating-Agentur zur künftigen Zahlungsfähigkeit, aber keine Garantie der Rückzahlung ausdrückt, ist der Inhalt der Vertrauensinanspruchnahme auch insofern so begrenzt, dass sie praktisch nur ganz ausnahmsweise in eine Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB münden kann.270 Hierbei wirkt sich aus, dass die Rating-Agenturen in ihren Ratingbekanntmachungen, Presseerklärungen, begleitenden Ratingberichten und Internethomepages durchgehend darauf hinweisen, dass ihre Ratings keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen darstellen und gerade nicht zur Grundlage von Investitionsentscheidungen gemacht werden sollen:271 Dieser Hinweis beeinflusst mit dem 265
Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 237; Eichler, Dritthaftung, S. 169. Canaris, JZ 2001, 499, 521; Vetter, WM 2004, 1701, 1710. 267 Grunewald, AcP 187 (1987), 285, 299 ff.; Stoll, in FS Flume (1978), S. 741, 769. 268 Dass die Bonitätsbeurteilung (auch) in Form eines Ratingkürzels ausgedrückt wird und sich damit von einem ausführlichen Gutachten unterscheidet, schließt eine Vertrauensinanspruchnahme dagegen – anders, als Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 95 meint – nicht aus. 269 Siehe § 17 III 1. 270 Niedostadek, Rating, Rn. 243; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 206. Die Lage gleicht insoweit derjenigen, die zur Haftung der Rating-Agentur gegenüber dem Emittenten in § 27 I 2 im Einzelnen erörtert wurde. 271 Vgl. den Ausschnitt aus der standardisierten Ratingbeschreibung von Standard & Poor’s: „The Content should not be relied on and is not a substitute for the skill, judgment and experience of the user, its management, employees, advisors and/or clients when making investment and other business decisions“; ähnlich bei Moody’s: „[Moody’s] issues its credit ratings with the expectation 266
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Aussagegehalt des Ratings auch das Vertrauen, das dafür in Anspruch genommen wird,272 und müsste theoretisch dazu führen, dass rationale Investoren ein solches Rating nicht berücksichtigen (was wiederum die Bereitschaft der Emittenten zur Beauftragung von Rating-Agenturen senken könnte, die ihre Ratings nicht – wie bei anderen Gutachtentypen gängig – als Entscheidungsgrundlage verstanden wissen wollen). Wer seine Investitionsentscheidung hingegen gleichwohl auf ein solches Rating stützt, für das die Rating-Agentur i.S. des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB explizit kein Vertrauen in Anspruch nimmt, der tut dies auf eigene Gefahr – eine rechtsgeschäftsähnliche Dritthaftung der Rating-Agentur muss in diesem Fall ausscheiden,273 ohne dass es noch auf die typischen Haftungsbeschränkungen in den Ratingpublikationen ankommt.274 c) Ergebnis Im deutschen Schrifttum wird eine Dritthaftung der Rating-Agenturen gegenüber Investoren auf Grundlage des § 311 Abs. 3 BGB und verwandter Rechtsinstitute im Ergebnis nur vereinzelt bejaht,275 weit überwiegend hingegen vollständig abgelehnt.276 Letztere Auffassung verdient nach hier vertretener Ansicht im Ergebnis Zustimmung, verlangt aber nach einer differenzierten Begründung: So kommt eine Haftung schon aufgrund des notwendigen Bezugs der Bonitätsbeurteilung zu einer konkreten Vertragsanbahnung, der unabhängig von der dogmatischen Grundlage der Dritthaftung zu fordern ist, von vornherein nur bei Emissionsratings zu öffentlich wie auch privat platzierten Erstemissionen sowie – selten – bei Ratings für konkrete (Kredit-)Finanzierungszwecke in Frage, nicht hingegen bei Emittentenratings oder Emissionsratings am Sekundärmarkt.277 Die and272understanding that each investor will make its own study and evaluation of each security that is under consideration for purchase, holding, or sale.“ Siehe zu vergleichbaren Bestimmungen in Abonnementverträgen der Rating-Agenturen schon § 29 II 2. 272 Niedostadek, Rating, Rn. 243; Vetter, WM 2004, 1701, 1710. Zu demselben Ergebnis gelangt die Ansicht im Schrifttum, der zufolge in der Vertrauen erzeugenden Äußerung des Auskunftsgebers zugleich die Versicherung liegen muss, der Angesprochene könne seine ansonsten bestehende Obliegenheit zum Selbstschutz vernachlässigen (so Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 232 f.; Koch, AcP 204 (2004), 59, 77). A.A. Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 371. 273 Niedostadek, Rating, Rn. 243; Vetter, WM 2004, 1701, 1710; a.A. Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 371. 274 Nach überwiegender Ansicht sollen diese an der Haftung nichts ändern; so Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 890; Kersting, Dritthaftung, S. 540 ff.; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 98. A.A. Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 131 und in vergleichbarem Zusammenhang auch Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 230 ff. 275 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2292 f.; Grundmann/Renner, JZ 2013, 379, 384; Kersting, Dritthaftung, S. 544. Für einzelne Konstellationen ebenso Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 99 f. 276 Bamberger/Roth/Sutschet, § 311 Rn. 121; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 208; Lemke, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 119, 123; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 206; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 97; Vetter, WM 2004, 1701, 1710; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 483. 277 Oben bb).
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Haftung der Rating-Agenturen scheitert auch für letztgenannte Ratingtypen jedoch letztlich an den Ratingbeschreibungen, durch welche die großen RatingAgenturen klarstellen, dass ihre Ratings ausdrücklich nicht als Grundlage für Investitionsentscheidungen gedacht sind – soweit Rating-Agenturen ausweislich entsprechender Formulierungen kein Vertrauen für ihre Ratings in Anspruch nehmen,278 scheidet ihre rechtsgeschäftsähnliche Dritthaftung gegenüber Investoren daher aus.279 Da letztere Folge auf dem Inhalt der jeweiligen Ratinginformation beruht, kommt eine Haftung allerdings potentiell dort in Frage, wo eine Rating-Agentur den Aussagegehalt ihres Ratings nicht entsprechend eingeschränkt hat. Angesichts der augenblicklichen Ratingpraxis dürfte dies freilich allenfalls bei kleineren Rating-Agenturen denkbar sein.
2. Schweizer Recht: Vertrauenshaftung der Rating-Agenturen? In der Schweiz wird die Haftung für Gutachten und andere Informationen, die lange als Frage des Deliktsrechts behandelt worden war,280 in neuerer Zeit auf die Grundsätze der sog. Vertrauenshaftung gestützt. a) Die Grundsätze der Vertrauenshaftung Diese Rechtsfigur wurde durch das Bundesgericht in Anlehnung an Arbeiten von Canaris entwickelt und erstmals in der „Swissair“-Entscheidung angewandt.281 Das Bundesgericht bezeichnet die Vertrauenshaftung dabei ausdrücklich als „zwischen Vertrag und Delikt angesiedelt“282 und versteht sie als Oberbegriff für die Haftung aus culpa in contrahendo und weitere interessensmäßig gleich gelagerte Tatbestandsgruppen, darunter auch die Haftung für falsche Auskunft.283 Im Schrifttum hat ihre Entwicklung Zustimmung,284 aber auch Kritik285 erfahren.
278
§ 311 Abs. 3 Satz 2 BGB. Oben cc). 280 Vgl. BGer, 11.2.1954, BGE 80 III 41, 54 f. E. 4; BGer, 26.11.1985, BGE 111 II, 471, 474 E. 3; Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 104. 281 BGer, 15.11.1994, BGE 120 II 331, 335 ff. E. 5a („Swissair“). Das Bundesgericht nimmt dabei freilich nur mittelbar auf Canaris Bezug, indem es auf die Kommentierung von Kramer, in Berner Komm., Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR, Rn. 142 ff. verweist, der seinerseits an die Ausführungen von Canaris, JZ 1965, 475 ff. anschließt. 282 BGer, 23.12.2003, BGE 130 III 345, 349 E. 2.1 („Liegenschaftenschätzer“); BGer, 13.5.2008, BGE 134 III 390, 395 E. 4.3.2. 283 BGer, 23.12.2003, BGE 130 III 345, 349 E. 2.1 („Liegenschaftenschätzer“); BGer, 12.6.2007, BGE 133 III 449, 451 E. 4.1; BGer, 13.5.2008, BGE 134 III 390, 395 E. 4.3.2. 284 Baumann, in Zürcher Komm., Art. 2 ZGB Rn. 108, 123; Brehm, in Berner Komm., Art. 41 OR Rn. 53e ff.; Bucher, in Basler Komm., Art. 1 OR Rn. 69a ff.; Heierli/Schnyder, in Basler Komm., Art. 41 OR Rn. 44; Kramer, in Berner Komm., Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR, Rn. 150 f.; Wiegand/Berger, ZBJV 1999, 713, 739 ff. Ausführlich Loser, Vertrauenshaftung, Rn. 748 ff. 285 Schönenberger, Haftung für Rat und Auskunft gegenüber Dritten, S. 135; Schwenzer, OR AT, Rn. 52.03. 279
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Die bundesgerichtliche Rechtsprechung beschreibt die Vertrauenshaftung als die Haftung eines vertragsfremden Dritten, bei welcher das von diesem erweckte Vertrauen die Rechtsgrundlage eines Schadenersatzanspruchs bildet, wenn es anschließend treuwidrig enttäuscht wird.286 Ein schutzwürdiges Vertrauen setzt dabei ein Verhalten des Schädigers voraus, das geeignet ist, hinreichend konkrete und bestimmte Erwartungen des Geschädigten zu wecken.287 Die Beteiligten müssen hierzu in eine so genannte „rechtliche Sonderverbindung“ zueinander getreten sein, welche es rechtfertigt, aus Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) hergeleitete Schutz- und Aufklärungspflichten greifen zu lassen;288 diese Sonderverbindung entstehe aus bewusstem oder normativ zurechenbarem Verhalten der in Anspruch genommenen Person.289 Trifft der Geschädigte sodann sich als nachteilig erweisende Dispositionen, hat der Schädiger für den Schaden einzustehen, sofern und soweit die nicht verwirklichte Erwartung dafür adäquat kausal war.290 Die so umrissene Vertrauenshaftung dürfe jedoch, wie des Bundesgericht immer wieder betont hat, nicht zu einer Haftung gegenüber jeder zufällig mit einem Gutachten in Berührung kommenden Person und mithin zu einer Haftung gegenüber jedermann (erga omnes) ausufern;291 sie sei daher an strenge Voraussetzungen zu knüpfen.292 b) Haftung der Rating-Agenturen aus enttäuschtem „Ratingvertrauen“? Der zentrale und berechtigte Kritikpunkt an der Vertrauenshaftung ist sicherlich ihre faktische Konturenlosigkeit,293 denn das bloße Betonen der angeblichen Strenge der Haftungsvoraussetzungen genügt allein nicht, um Kriterien wie dem „bewussten oder normativ zurechenbaren Verhalten der in Anspruch genommenen Person“ einen greifbaren Aussagegehalt zu verleihen. Gleichwohl wird im schweizerischen Schrifttum verschiedentlich für eine Haftung der Rating-Agenturen aus „Ratingvertrauen“ eingetreten,294 ohne dass die dafür vorgetragenen Argumente stets zu überzeugen vermögen. 286
BGer, 12.6.2007, BGE 133 III 449, 451 E. 4.1. BGer, 15.11.1994, BGE 120 II 331, 336 E. 5a („Swissair“); BGer, 10.10.1995, BGE 121 III 350, 355 E. 6c („Ringer“); BGer, 16.4.1998, BGE 124 III 297, 304 E. 6a („Motor-Columbus“); BGer, 21.6.2002, BGE 128 III 324, 327; BGer, 23.12.2003, BGE 130 III 345, 349 E. 2.1 („Liegenschaftenschätzer“); Bucher, in Basler Komm., Art. 1 OR Rn. 69a ff.; Kramer, in Berner Komm., Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR, Rn. 150. 288 BGer, 15.11.1994, BGE 120 II 331, 336 E. 5a („Swissair“); BGer, 13.5.2008, BGE 134 III 390, 395 E. 4.3.2. 289 BGer, 23.12.2003, BGE 130 III 345, 349 E. 2.2 („Liegenschaftenschätzer“). 290 BGer, 15.11.1994, BGE 120 II 331, 337 E. 5a („Swissair“); BGer, 21.6.2002, BGE 128 III 324, 327; BGer, 23.12.2003, BGE 130 III 345, 349 E. 2.1 („Liegenschaftenschätzer“). 291 BGer, 23.12.2003, BGE 130 III 345, 353 E. 3.2 („Liegenschaftenschätzer“); BGer, 13.5.2008, BGE 134 III 390, 398 E. 4.3.3. 292 BGer, 12.6.2007, BGE 133 III 449, 451 E. 4.1; BGer, 13.5.2008, BGE 134 III 390, 398 E. 4.3.3. 293 Schwenzer, OR AT, Rn. 52.02; Schroeter, in FS Schwenzer (2011), S. 1565, 1575. 294 So Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 89 ff.; Loser, Vertrauenshaftung, Rn. 805; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 840 ff. 287
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Dies beginnt bereits mit dem Erfordernis der rechtlichen Sonderverbindung zwischen Rating-Agentur und geschädigtem Investor, dem im Rahmen der Vertrauenshaftung nicht nur haftungsbegründende, sondern vor allem haftungsbeschränkende Funktion zukommt. Eine solche Sonderverbindung bejaht man nun ohne weiteres deshalb, weil die Rating-Agentur mit der Ratingveröffentlichung den Kontakt zu den Investoren suche295 und beabsichtige, dass eine Vertrauenslage entstehe und ihre Bonitätsbeurteilungen für Investitionsentscheidungen herangezogen werden.296 Dabei wird jedoch ignoriert, dass die RatingAgenturen – wie oben im Text297 erörtert – die Verwendung ihrer Ratings als Entscheidungsgrundlage gerade explizit ablehnen und daher durch ihr Verhalten hinreichend klarstellen, dass ein diesbezügliches Vertrauen weder in Anspruch genommen noch gewünscht wird. Lässt man hingegen das bloße Wissen der Rating-Agentur um die Verwendung ihrer Ratings durch Investoren genügen, so bestünde danach eine „Sonder“verbindung zu jedem Marktteilnehmer, der das Rating zur Kenntnis nimmt: Die Folge wäre eben jene Haftung erga omnes, die nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gerade ausgeschlossen sein soll. Die Schwierigkeit liegt erkennbar darin, dass bei Entwicklung der Vertrauenshaftungsgrundsätze solche „Gutachten“-Fälle vor Augen standen, in denen die Gutachten von vornherein nur für einen kleinen Kreis von Adressaten von Interesse waren und es nur diejenigen Personen aus dem Kreis der Haftungsgläubiger auszuschließen galt, die darüber hinaus (etwa durch unerlaubte Weitergabe) von dem Gutachteninhalt Kenntnis erhalten hatten. Publizierte Ratings richten sich hingegen von vornherein an die zahlenmäßig unbegrenzte Investorenöffentlichkeit und ähneln insofern Wetterberichten, Konsumententests und über das Internet publizierten Informationen, bei denen eine hinreichende Sonderverbindung zwischen Informationsersteller und -adressaten zu Recht abgelehnt wird.298 Die Marktinformationseigenschaft von Ratings verbietet es nach alledem, die Kriterien der Gutachtenfälle blind auf sie zu übertragen. Man wird eine Sonderverbindung zwischen Rating-Agentur und dritten Investoren bei allgemein veröffentlichten Ratings daher abzulehnen und nur dort zu bejahen haben, wo „private“ Ratings in Rede stehen, die mit Wissen der RatingAgentur gegenüber einem von vornherein begrenzten Investorenkreis eingesetzt wurden, etwa durch Aufnahme in Offering Memoranda. Dass die Ratings den Investoren in diesem Fall durch den Emittenten zur Kenntnis gebracht wurden, steht einer Vertrauen vermittelnden Sonderverbindung nach der schweizerischen Rechtsprechung nicht entgegen.299
295
Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 89. Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 89; Loser, Vertrauenshaftung, Rn. 805. 297 Unter V 1 b) cc). 298 Loser, Vertrauenshaftung, Rn. 806. 299 BGer, 23.12.2003, BGE 130 III 345, 350 E. 2.2 („Liegenschaftenschätzer“). 296
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Bei der des Weiteren erforderlichen Ermittlung des schutzwürdigen Vertrauens der Investoren300 und dessen treuwidriger Enttäuschung301 ist wiederum der Prognosecharakter des Ratings zu berücksichtigen. Zudem darf den RatingAgenturen nicht leichtfertig unterstellt werden, sie haben gegenüber der Öffentlichkeit Vertrauen in die Befolgung bestimmter Organisations- und Verhaltspflichten erweckt, wenn tatsächlich keinerlei Vertrauen begründendes Verhalten in dieser Hinsicht nachweisbar ist; es gilt in diesem Zusammenhang das schon in § 27 I Gesagte entsprechend. Letztlich entscheidend ist jedoch wiederum, dass die Rating-Agenturen – wie bereits erwähnt – die Verwendung ihrer Ratingpublikationen als Grundlage für Investitionsentscheidungen in deren Text ausdrücklich ausschließen und daher keine „konkreten und bestimmten Erwartungen“302 des Inhalts wecken, sie taugten im Ergebnis doch für eine solche Verwendung. Die Voraussetzungen für ein gewecktes „Ratingvertrauen“ bestehen daher letztlich nicht, und zwar weder im Bereich privater noch allgemein veröffentlichter Ratings. Zu beachten sind schließlich einschlägige Haftungsbeschränkungsklauseln, die den Investoren etwa als Teil von Angebotsunterlagen oder Ratingberichten kommuniziert worden sein können, denn dass sowohl das schweizerische Vertrags- als auch Deliktsrecht die Zulässigkeit einer Haftungsbeschränkung anerkennen,303 kann auch für die „dazwischen liegende“ Vertrauenshaftung für Ratings nicht unbeachtet bleiben.304
c) Ergebnis Die vom schweizerischen Bundesgericht entwickelten Grundsätze der Vertrauenshaftung, die „zwischen Vertrag und Delikt angesiedelt“ ist, führen nach zutreffender, wenngleich bestrittener Ansicht schon deshalb nicht zu einer Haftung der Rating-Agentur gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit, weil es an der hierzu erforderlichen Sonderbeziehung fehlt. Im Verhältnis zu Investoren, denen ein Rating im Rahmen einer Privatplatzierung mitgeteilt wird, kann insofern etwas anderes gelten. Auch hier wirkt sich sodann jedoch der Umstand aus, dass die Rating-Agenturen die Verwendung ihrer Bonitätsbeurteilungen als Investitionsentscheidungsgrundlage explizit ausschließen und daher diesbezüglich kein Vertrauen „wecken“, sondern dieses gerade ablehnen. Eine Vertrauenshaftung nach Schweizer Recht scheidet daher letztlich umfassend aus.305
300
Ohne weiteres bejahend Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 840 ff. Diese ebenfalls annehmend Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 855 f. 302 Dazu BGer, 15.11.1994, BGE 120 II 331, 336 E. 5a („Swissair“); BGer, 23.12.2003, BGE 130 III 345, 349 E. 2.1 („Liegenschaftenschätzer“). 303 Siehe dazu bereits § 29 II 2 b). 304 Zutreffend Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 92. 305 A.A. Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 853. 301
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
VI. Haftung der Rating-Agenturen infolge einer Schutzwirkung des Ratingvertrages mit dem Emittenten zugunsten dritter Investoren Schließlich ist zu fragen, ob eine Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dritten Investoren mittelbar daraus entstehen kann, dass die Agentur ihre vertraglichen Pflichten gegenüber dem beauftragenden Emittenten verletzt. Eine entsprechende Haftungskonstruktion kennt vor allem das deutsche Vertragsrecht in Gestalt des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, der in Reaktion auf empfundene Unzulänglichkeiten des deutschen Deliktsrechts (vor allem das bereits erörterte Fehlen eines allgemeinen Vermögensschutzes306) entwickelt wurde.307 Obgleich dieses gewachsene deutsche Rechtsinstitut aus rechtsvergleichender Perspektive mit gutem Grund als „Kuriosität“ charakterisiert werden kann,308 weist doch zumindest das U.S.-amerikanische Vertragsrecht funktional vergleichbare Lösungsansätze auf, die im Ratingkontext bereits Bedeutung erlangt haben. Sie alle stimmen darin überein, dass sie zur Anspruchsbegründung an den Ratingvertrag zwischen Emittent und Rating-Agentur anknüpfen und – so besehen – nicht zu einer Dritthaftung führen, sondern zu einer Drittbegünstigung. Diese kommt damit von vornherein nur bei beauftragten Ratings in Frage,309 weil es bei der unbeauftragten Ratingerstellung an einem vertraglichen Band zwischen Agentur und Emittent fehlt. Dass Investoren folglich dann, wenn sie durch beauftragte Ratings geschädigt wurden, potentiell auf weitergehende Ansprüche zurückgreifen können als bei einer Schädigung durch unsolicited ratings, mag man damit rechtfertigen, dass Anleger einem auftragsgebundenen Rating infolge der breiteren Informationsbasis auch ein höheres Vertrauen entgegenbringen.310 Auf der anderen Seite ist empirisch nachweisbar, dass Investoren kaum zwischen beauftragten und unbeauftragten Ratings differenzieren311 und häufig auch gar nicht differenzieren können, weil unsolicited ratings bislang nur selten in aufnehmbarer Form als solche gekennzeichnet werden.312 Sofern sich aus einer Schutzwirkung des Ratingvertrages Ansprüche für dritte Investoren ergeben, werden diese daher nicht selten windfall profits ähneln.
1. Kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren Rechts Da der Haftungsgrund bei den hier zu erörternden Rechtsfiguren in der Verletzung des Ratingvertrages liegt, mag es evident erscheinen, dass in kollisionsrecht306
Oben IV 1. Gottwald, in MünchKomm-BGB, § 328 Rn. 161; Palandt/Grüneberg, § 328 Rn. 13; Zugehör, NJW 2008, 1105, 1110. 308 So Kötz, Europäisches Vertragsrecht I, S. 383. 309 Grundmann/Renner, JZ 2013, 379, 383; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 207; tendenziell auch Dutta, IPRax 2014, 33, 35. 310 So Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 207. 311 Siehe § 5 II 2 d). 312 Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 102 (aber mit unklaren Schlüssen aus diesem Umstand). 307
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licher Hinsicht das Vertragsstatut auch für Ansprüche dritter Investoren maßgeblich ist, die aus einer solchen Vertragsverletzung erwachsen. Dies wird im U.S.-amerikanischen IPR so gesehen und entspricht auch zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter unter Artt. 3 f. Rom I-VO (wie schon zuvor unter Artt. 27 ff. EGBGB313) der ganz herrschenden Ansicht.314 In jüngerer Zeit ist dies allerdings bestritten und für eine außervertragliche Qualifikation der Ansprüche aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter eingetreten worden,315 weil es bei diesem an einer freiwilligen Übernahme von Schutzpflichten durch den Schuldner gegenüber dem Dritten fehle316 und das Rechtsinstitut vor allem zum Ausgleich deliktsrechtlicher Schwächen geschaffen wurde; es solle daher auch kollisionsrechtlich so behandelt und folglich Art. 4 Abs. 2 Rom IIVO unterstellt werden.317 Der beschriebenen Ansicht ist jedoch nicht zu folgen, weil sie dazu führen würde, bedenkliche Tendenzen im materiellen Dritthaftungsrecht – die, wie noch zu demonstrieren sein wird, in der Tat bestehen – auch auf die kollisionsrechtliche Ebene zu übertragen und damit zu perpetuieren: Nimmt man den Grundgedanken ernst, dass die hier zu erörternden Ansprüche Dritter im Hauptvertrag zwischen Schuldner und Gläubiger wurzeln und daher sowohl in ihrer Existenz als auch ihren Grenzen durch diesen Vertrag bestimmt werden, so es erscheint als nachgerade zwingend, sie dem Hauptvertragsstatut zu unterstellen. Dass zahlreiche Rechtsordnungen dasselbe Sachproblem materiellrechtlich durch deliktsrechtliche Ansprüche lösen, vermag daran nichts zu ändern. Es ist folglich der vertragliche Charakter der hier diskutierten Drittansprüche ernst zu nehmen und daher das Vertragsstatut des Ratingvertrages (Artt. 3 f. Rom I-VO) zur Anwendung zu bringen.
313 OLG Köln, 17.9.1993, ZIP 1993, 1538, 1539 f.; Kindler/Otto, BB 2006, 1443, 1444; Palandt/ Thorn, 68. Aufl., Art. 32 EGBGB Rn. 4; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 370 (spezifisch zur Ratinghaftung); Soergel/von Hoffmann, Art. 32 EGBGB Rn. 27; Spellenberg, in MünchKomm-BGB, 4. Aufl., Art. 32 EGBGB Rn. 24; Sprenger, Int. Expertenhaftung, S. 208; Staudinger/Magnus, 2002, Art. 32 EGBGB Rn. 37; a.A. Canaris, in FS Larenz (1983), S. 27, 109; W. Lorenz, IPRax 1988, 373, 375. 314 Bamberger/Roth/Spickhoff, Art. 12 Rom I-VO Rn. 5; Erman/Hohloch, Art. 12 VO Rom I Rn. 7; Spellenberg, in MünchKomm-BGB, Art. 12 Rom I-VO Rn. 63; Staudinger/Magnus, Art. 12 Rom I-VO Rn. 37. 315 Allgemein in diesem Sinne Dutta, IPRax 2009, 293, 294 ff.; Martiny, in MünchKomm-BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 9; Palandt/Thorn, Art. 12 Rom I-VO Rn. 5; spezifisch zur Ratinghaftung Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 662 f.; in diese Richtung auch Däubler, NJW 2013, 282, 283. 316 Dutta, IPRax 2009, 293, 295 mit Verweis auf die (angeblich übertragbare) Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 Nr. 1 EuGVVO; mit Recht sehr zurückhaltend zu diesem Ansatz Dickinson, Rome II Regulation, Rn. 3.110, der auf zahlreiche Wortlautdifferenzen zwischen beiden Normen verweist. 317 Allgemein Dutta, IPRax 2009, 293, 297; spezifisch zu Ratings Däubler, NJW 2013, 282, 283; Dutta, IPRax 2014, 33, 39; Haar, NZG 2010, 1281, 1283 (zu Art. 40 EGBGB); Wildmoser/Schiffer/ Langoth, RIW 2009, 657, 663.
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2. Verletzung einer Pflicht aus dem Ratingvertrag als haftungsauslösender Umstand Der Umstand, der nach allen hier zu behandelnden Rechtsinstituten der Grund für eine Haftung der Rating-Agentur ist, die sodann unter noch zu erörternden Bedingungen318 auch zugunsten vertragsfremder Dritter wirken mag, ist die Verletzung einer Pflicht aus ihrem Ratingvertrag mit dem Emittenten.319 Die Schutzwirkung des Ratingvertrages soll den Investor also nicht vor Verlusten schützen, sondern vor Pflichtverletzungen der Rating-Agentur. Es müssen daher zunächst einmal diejenigen Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung vorliegen, die in § 27 I im Einzelnen erarbeitet wurden und nach den dort gefundenen Ergebnissen vor allem dann erfüllt sein können, wenn die Rating-Agentur bei der Ratingerstellung gegen ihren eigenen veröffentlichten Verhaltenskodex (Code of Conduct) verstoßen hat, dessen Inhalt nach deutschem und schweizerischem Recht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung Bestandteil des Ratingvertrages werden kann.320 Ob dem Inhalt der Verhaltenskodizes auch im Verhältnis zu dritten Investoren haftungsbegründende Wirkung zukommen kann, erscheint allerdings deshalb zweifelhaft, weil die Codes of Conduct der drei großen Rating-Agenturen – die auch von deren Tochtergesellschaften (und Niederlassungen) verwandt werden – eine Pflichtenbegründung gegenüber third parties in ihrem Wortlaut ausdrücklich ausschließen.321 Es stellt sich deshalb die Frage, ob diese Klauseln wirksam sind und auch gegenüber am Vertragsschluss nicht beteiligten Investoren eingreifen. Sie stellt sich in vergleichbarer Weise auch mit Blick auf die weit reichenden Haftungsbeschränkungen, die in den gängigen Ratingverträgen enthalten sind. Die Position des U.S.-amerikanischen Vertragsrechts ist insoweit klar: Vertragsklauseln, welche die Nichtbegünstigung von Dritten ausdrücklich feststellen,
318
Dazu sogleich unter 3. Es ist im deutschen Recht mittlerweile anerkannt, dass unter einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht allein die Verletzung von Schutzpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB, sondern auch von (Haupt-)Leistungspflichten – um die es sich bei auf die Ratingerstellung bezogenen Pflichten regelmäßig handeln wird – haftungsauslösend wirken kann; in diesem Sinne BGH, 8.6.2004, NJW 2004, 3420, 3421; BGH, 14.6.2012, BGHZ 193, 297 Tz. 13 (Insolvenzreifeprüfung); Gottwald, in MünchKomm-BGB, § 328 Rn. 118; Kötz, Vertragsrecht, Rn. 524; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 822 f.; Palandt/Grüneberg, § 328 Rn. 15 m.w.N.; Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 102. A.A. Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 201. 320 Siehe § 27 I 2 b) bb) (2) (c); dort (unter cc)) auch zu der zusätzlichen Voraussetzung, dass sich die Organisations- oder Verfahrenspflichtenverletzung im Ratingergebnis niedergeschlagen haben muss. 321 So Standard & Poor’s, Ratings Services Code Of Conduct (Dec. 2008), S. 3: „By making this Code available to the public, Ratings Services does not assume any responsibility or liability to any third party arising out of or relating to this Code. This Code shall not form a part of any contract with any third party, and no third party shall have any right (contractual or otherwise) to enforce any of this Code’s provisions, either directly or indirectly.“ Fast wortgleich Moody’s Investors Service, Code of Professional Conduct (Aug. 2010), S. 4 Fn. 2. 319
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sind danach wirksam und durchsetzbar,322 und auch Haftungsbeschränkungen im Hauptvertrag wirken ganz unstreitig vollumfänglich gegen einen geschützten Dritten.323 Leitend ist dabei jeweils der Gedanke, dass das abgeleitete Recht eines Dritten nicht weiter reichen kann als das Recht des Vertragspartners.324 Sofern ein potentiell drittschützender Ratingvertrag – wie bei Beteiligung einer der drei großen Rating-Agenturen regelmäßig – dem Recht des Staates New York unterliegt,325 scheidet eine Begünstigung von Dritten daher aus, weil das New Yorker Recht in diesem Fall auch für die Auslegung und Wirksamkeit des Vertrages und seiner Klauseln maßgeblich ist.326 Im deutschen Recht wird unter Verweis auf § 334 BGB überwiegend dieselbe Haltung eingenommen327 und auch spezifisch mit Blick auf Haftungsbeschränkungen in Ratingverträgen davon ausgegangen, dass diese gegenüber drittbegünstigten Investoren wirken.328 Allerdings hat der BGH in einer Reihe von Fällen im Wege einer vorgeblich die „Natur des Vertrages“ berücksichtigenden Auslegung angenommen, dass die Parteien in Gutachtenverträgen § 334 BGB konkludent abbedungen und damit eine weiter reichende Haftung des Schutzpflichtigen gegenüber dem Dritten als gegenüber dem unmittelbaren Vertragspartner vereinbart hätten.329 Diese zu Recht scharf kritisierte Rechtsprechung ist 322 Dewakuku v. Martinez, 5.11.2001, 271 F.3d 1031, 1042 (Fed. Cir 2001); Federal Mogul Corp. v. Universal Constr. Co., 8.8.1979, 376 So.2d 716, 724 (Ala.Civ.App. 1979): „Where, however, two contracting parties expressly provide that a third party shall have no legally enforceable rights in their agreement, a court must effectuate the expressed intent by denying the third party any direct remedy“; Farnsworth on Contracts, § 10.3a. 323 In re Edward M. Johnson & Assocs., 4.5.1988, 845 F.2d 1395, 1399 (6th Cir. 1988): „rights of a third party beneficiary are subject to the defenses that arise out of the contract“; Chas H. Tompkins Co. v. Lumbermens Mut. Casualty Co., 16.3.1990, 732 F.Supp. 1368, 1373 (E.D. Va. 1990): „a third party beneficiary … cannot rise above or avoid … express language“; Haas v. DaimlerChrysler Corp., 13.6.2000, 611 N.W.2d 382, 385 (Minn. Ct. App. 2000): „the rights of third-party beneficiaries depend upon, and are measured by, the terms of the contract“; Lockwood v. Standard & Poor’s Corp., 13.6.1997, 682 N.E.2d 131, 134 (Ill.App. 1 Dist. 1997); § 309 Restatement (Second) of Contracts, Comment b; Farnsworth on Contracts, § 10.9; Murray on Contracts, S. 900. 324 Vgl. Farnsworth on Contracts, § 10.9: Da das Recht des Dritten auf dem Hauptvertrag basiere, „it is measured by the terms of that contract“. 325 Vgl. schon § 26 III, § 27 I. 326 Art. 10 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 lit. a Rom I-VO. 327 BGH, 10.11.1994, BGHZ 127, 378 Tz. 22 (Immobilien-Wertgutachten); BGH, 19.11.2009, NJW 2010, 1277, 1278; BGH, 14.6.2012, BGHZ 193, 297 Tz. 35 (Insolvenzreifeprüfung): „weil ihm [dem begünstigten Dritten] keine weitergehenden Rechte als dem unmittelbaren Vertragspartner des Schädigers zustehen“; OLG Bremen, 30.8.2006, OLGR Bremen, 856, 857; Assmann, AG 2004, 435, 438: „problemlos“; Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 216; Gottwald, in MünchKommBGB, § 328 Rn. 191; Kötz, Vertragsrecht, Rn. 522; Schwark, in FS Hadding (2004), S. 1117, 1125; Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 112. 328 Drinkuth, Fehlerhafte Finanzanalysen, S. 167, 171 (zu Finanzanalysen); Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 19 f.; van Look, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 533; von Schweinitz, WM 2008, 953, 957. Die beschriebenen Klauseln, die schon die Drittbegünstigung ausschließen, werden dagegen im deutschen Schrifttum nicht diskutiert – für sie kann jedoch nichts anderes gelten. 329 BGH, 15.6.1971, BGHZ 56, 269, 272; BGH, 10.11.1994, BGHZ 127, 378 Tz. 25 (ImmobilienWertgutachten); BGH, 19.11.2009, NJW 2010, 1277, 1278 (Mittelverwendungskontrollvertrag).
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abzulehnen, beruht sie doch auf einer Vertragsauslegung gegen den erkennbaren Willen der Vertragsparteien und damit letztlich auf einer reinen Fiktion.330 Auf Ratingverträge, welche die Erstellung und Veröffentlichung weltweit zugänglicher Bonitätsinformationen betreffen, kann sie auf keinen Fall Anwendung finden.331 Es bleibt daher auch nach deutschem Recht bei der Vorgabe, dass die aus dem Ratingvertrag abgeleiteten Rechte dritter Investoren nicht weiter gehen können als diejenigen des Vertragspartners (nämlich des Emittenten).
3. Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Rating-Agenturen auch gegenüber dritten Investoren Die komplizierteste Sachfrage und zugleich der Dreh- und Angelpunkt der vertraglichen Drittbegünstigung (oder – nimmt man die Perspektive des Investoren ein – der vertraglichen Dritthaftung) betrifft jedoch die Voraussetzungen, unter denen einem Dritten Haftungsansprüche wegen der Verletzung einer Vertragspflicht zustehen sollen, an deren Vereinbarung er gar nicht beteiligt war. Die diesbezügliche Haltung der unterschiedlichen Rechtsordnungen wird dabei stark durch das Vorhandensein (oder Fehlen) sonstiger Rechtsgrundlagen beeinflusst, die einem durch fehlerhafte Informationen in seinem Vermögen Geschädigten deliktsrechtliche oder rechtsgeschäftsähnliche Ausgleichsansprüche zubilligen: Stehen entsprechende nichtvertragliche Ansprüche zur Verfügung, so besteht nur ein geringer oder kein Bedarf für vertragliche Dritthaftungslösungen, und umgekehrt. Vor diesem Hintergrund hat eine Begünstigung vertragsfremder Dritter durch vertragliche Haftungsansprüche im Schweizer332 und im Hongkonger Recht333 keine, im U.S.-amerikanischen Recht334 dagegen immerhin unter engen Voraussetzungen Akzeptanz gefunden. Ihr hauptsächliches Anwendungsfeld findet sie zweifelsohne im deutschen Recht, das auf diese Weise schon früh einzelne (vermeintliche) Schwächen des deliktsrechtlichen Haftungssystems zu kompensieren versucht hat. a) Nach deutschem Recht: Der Ratingvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten dritter Investoren Die Grundsätze des deutschen Rechts zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, die in der Sache bereits vom Reichsgericht angewandt wurden,335 ha330 Faust, AcP 210 (2010), 555, 569; Kersting, Dritthaftung, S. 101; Picker, in FS Medicus (1999), S. 397, 406 ff. 331 A.A. Fiala/Kohrs/Leuschner, VersR 2005, 742, 746 f. Abwegig von Schweinitz, WM 2008, 953, 957, der bei der Vereinbarung von Haftungsausschlussklauseln in Ratingverträgen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) annehmen will. 332 Siehe unter b). 333 Unter d). 334 Unter c). 335 Vgl. RG, 17.1.1913, RGZ 81, 214, 215 f. Als eigene, vom Vertrag zugunsten Dritter zu unterscheidende Rechtsfigur wurde der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter freilich erst später (im Anschluss an Larenz, NJW 1960, 78) eingeordnet.
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ben in Anwendungsbereich und dogmatischer Begründung verschiedene Entwicklungsstadien durchlaufen, die hier nicht im Einzelnen nachzuzeichnen sind. Die neuere Rechtsprechung stützt sie auf eine ergänzende Vertragsauslegung (§ 157 BGB), die allerdings maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägt werde.336 Dieser Konstruktion liegt der Gedanke zugrunde, dass der Vertragsschuldner die Leistung nach dem Vertrag so zu erbringen hat, dass bestimmbare Dritte nicht geschädigt werden, mit der Folge, dass einem einbezogenen Dritten im Falle der Schädigung als sekundärer vertraglicher Leistungsanspruch ein eigener Ersatzanspruch gegen den Schuldner zusteht.337 Eine Einbeziehung dritter Investoren in die Schutzwirkung des Ratingvertrages setzt dabei nach überkommener Rechtsprechungsformel voraus, dass die Investoren bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung aus dem Ratingvertrag in Berührung kamen,338 dass der Emittent als Vertragsgläubiger ein objektives Interesse am Schutz der Investoren besaß,339 dass beide vorgenannten Umstände für die Rating-Agentur erkennbar waren340 und die Investoren schutzbedürftig sind.341 Problematisch ist im Zusammenhang mit Ratings vor allem das Gläubigerinteresse, mit dessen Bestimmung zugleich eine sach- und interessengerechte Beschränkung des Kreises der geschützten Investoren vorgenommen wird.
aa) Leistungsnähe der allgemeinen Investorenöffentlichkeit Wenig Schwierigkeiten macht bei Ratings die Leistungsnähe dritter Investoren, weil die erstellten Ratings als Marktinformationen von vornherein erkennbar zur Information Dritter (und nicht lediglich des Emittenten selbst) bestimmt sind:342 Wird im Ratingvertrag die allgemeine Veröffentlichung des Ratings vereinbart, so kommt die allgemeine Investorenöffentlichkeit daher bestimmungsgemäß mit der Hauptleistungspflicht der Rating-Agentur in Berührung und ist den Gefahren von Pflichtverletzungen ebenso ausgesetzt wie der Emittent,343 während dies bei einer Ratingerstellung für Zwecke einer Privatplatzierung nur für den Kreis 336
BGH, 10.11.1994, BGHZ 127, 378, 380 (Immobilien-Wertgutachten); BGH, 20.4.2004, BGHZ 159, 1, 4; BGH, 14.6.2012, BGHZ 193, 297 Tz. 14 (Insolvenzreifeprüfung). BGH, 2.7.1996, BGHZ 133, 168, 172 („Nitrierofen“) spricht dagegen von einer „letztlich richterlichen Rechtsfortbildung“ und nimmt damit die dogmatische Einordnung auf, die auch im Schrifttum vorherrscht. 337 BGH, 20.4.2004, BGHZ 159, 1, 4. 338 Unter aa). 339 Unter bb). 340 Unter cc). 341 Unter dd). 342 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2290 f.; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 206; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 35. 343 Vgl. die Formel in BGH, 24.1.2006, BGHZ 166, 84, 97 („Kirch ./. Deutsche Bank AG und Breuer“), während bis dahin allein auf die bestimmungsgemäße Nähe zur Hauptleistung abgestellt worden war (so etwa in BGH, 2.7.1996, BGHZ 133, 168, 173 („Nitrierofen“)). Ob durch Nennung des zweiten, auf die Nähe zur Pflichtverletzung abstellenden Kriteriums tatsächlich eine Einengung der Rechtsprechung eingeleitet wurde, ist umstritten; in diesem Sinne Höpfner/Seibl, BB 2006, 673, 675; a.A. Spindler, JZ 2006, 741, 742.
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der dabei angesprochenen Investoren gilt. Die Leistungsnähe vertragsfremder Investoren zum Rating ist insoweit nach allgemeiner Ansicht zu bejahen.344 Etwas anderes mag in den Fällen gelten, in denen der Emittent ein Rating lediglich zur Verwendung gegenüber einem begrenzten Investorenkreis (namentlich im Rahmen einer Privatplatzierung) beauftragt, es dann jedoch ratingvertragswidrig allgemein veröffentlicht: Hier kommt die allgemeine Investorenöffentlichkeit nicht bestimmungsgemäß in Berührung. (Konstellationen dieser Art dürften freilich selten sein.)
bb) Im Vertrag verankertes Gläubigerinteresse am Schutz dritter Investoren Erforderlich ist nach ständiger Rechtsprechung des Weiteren, dass der Vertragsgläubiger (hier also der Emittent) ein objektives Interesse am Schutz des oder der Dritten (hier der Investoren) besitzt. Dies hatte man zunächst nur dann angenommen, wenn der Gläubiger aufgrund einer Rechtsbeziehung mit personenrechtlichem Einschlag für das „Wohl und Wehe“ des Dritten verantwortlich ist, weil er dem Dritten in solchen Fällen seinerseits zu Schutz und Fürsorge verpflichtet und der Körperschaden (um den es regelmäßig ging) vielfach nur zufällig bei dem Dritten und nicht ihm selbst eingetreten ist.345 In seiner „Gutachter“Rechtsprechung hat der BGH allerdings später auch unabhängig von diesen vergleichsweise präzisen Voraussetzungen ein Einbeziehungsinteresse des Gläubigers angenommen, sofern sich dieses dem Vertrag mit dem Gutachter im Wege der Auslegung entnehmen lässt, und zwar auch (und gerade) dann, wenn der mitgeschützte Dritte einen bloßen Vermögensschaden erlitten hat. Nach der Formel des BGH, der von der Erforschung des tatsächlichen Parteiwillens bald zugunsten einer „objektiven“ Vertragsauslegung nach Maßgabe von Treu und Glauben Abstand nahm, soll ein solches Einbeziehungsinteresse danach anzunehmen sein, wenn das vertragsgegenständliche Gutachten erkennbar zum Gebrauch gegenüber Dritten bestimmt ist und diesen als Grundlage für Vermögensdispositionen dienen soll.346 Es wird damit also allein auf den Verwendungszweck des Vertragsgegenstandes abgestellt, obgleich es im Rahmen einer Vertragsauslegung richtigerweise nur auf den übereinstimmenden Parteiwillen, also auch den Willen des Gutachters ankommen kann, dem jede Schutzwirkung des Vertrages zugunsten 344 Claussen, DB 2009, 999, 1003; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 14; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 64; Haar, NZG 2010, 1281, 1283; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 34; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 95; Peters, Haftung und Regulierung, S. 113; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 175; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 98 f.; van Look, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 532; von Schweinitz, WM 2008, 953, 956; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 665; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1351; ebenso (für beauftragte „Versicherungsratings“) Fiala/ Kohrs/Leuschner, VersR 2005, 742, 745. In der Sache auch Knops, BB 2008, 2535, 2539. A.A. nur Haar, DB 2013, 2489, 2490. 345 Vgl. Palandt/Grüneberg, § 328 Rn. 17a m.w.Nachw. 346 St. Rspr., BGH, 2.11.1983, NJW 1984, 355, 356; BGH, 20.4.2004, BGHZ 159, 1, 5 (Grundstückswertgutachten); BGH, 8.6.2004, NJW 2004, 3420, 3421; BGH, 14.6.2012, BGHZ 193, 297 Tz. 16, 18 (Insolvenzreifeprüfung); Ott, in FS H.-B. Schäfer (2008), S. 171, 175.
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Dritter eine Ausweitung seines Haftungsgläubigerkreises beschert. Diesbezügliche Einwände347 sind von der Rechtsprechung freilich seit jeher beharrlich ignoriert worden. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die vorgenannte Gutachten-Formel im Schrifttum auch auf Ratings angewandt wird, um auf diese Weise die Einbeziehung dritter Investoren in die Schutzwirkung des Ratingvertrages zu begründen. Es ist daher wiederum daran zu erinnern, dass es hierzu einer Auslegung des Ratingvertrages bedarf, die an Wortlaut und Umständen jenes Vertrages und nicht an Rechtsprechungspassagen anzusetzen hat, die zu gänzlich anderen Vertragstypen und -umständen ergingen. Eine besondere Gefahr dürfte im Ratingkontext dabei daraus erwachsen, dass die bislang durch den BGH entschiedenen Gutachterfälle fast durchgehend solche Gutachten und andere Informationen betrafen, die von vornherein nur für einzelne oder einen kleinen Kreis von vertragsfremden Dritten von Interesse waren und schon deshalb nur eine begrenzte Ausweitung der Vertragsschutzwirkungen mit sich bringen konnten.348 Ratings stellen so betrachtet dagegen keine Bonitäts„gutachten“, sondern Marktinformationen dar, die von vornherein bestimmungsgemäß einer unüberschaubaren Anzahl dritter Investoren zugänglich gemacht werden sollen.349 Hierin liegt ein tief greifender, ja dramatischer Unterschied zu Gutachten etwa über einen Immobilienwert, dem bei der Ermittlung des Einbeziehungsinteresses des Emittenten (d.h. der Vertragsauslegung) Rechnung getragen werden muss. (1) Relevanz der gegenläufigen Interessen von Emittent und Investoren Gegen ein Emittenteninteresse am Schutz dritter Investoren durch die RatingAgentur spricht dabei zunächst, dass Emittent und Investoren – wie bereits mehrfach angesprochen – ein nicht nur unterschiedliches, sondern sogar diametral entgegengesetztes Interesse am Ergebnis der Ratingtätigkeit haben:350 Da das wirtschaftliche Interesse des beauftragenden Emittenten auf die Erteilung eines möglichst hohen Ratings gerichtet ist,351 erscheint es gekünstelt, ihm zugleich ein Interesse am Schutz dritter Investoren vor eben einer solchen hohen Ratingein347 Statt vieler Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 215: „bloße Fiktion“; Gottwald, in MünchKomm-BGB, § 328 Rn. 114; Koch, AcP 204 (2004), 59, 68. 348 Eine Ausnahme stellen die Fälle dar, in denen es um durch Abschlussprüfer erteilte Testate ging, wenngleich selbst diese infolge ihrer weniger verständlichen „Codierung“ durch eine deutlich geringere Zahl von Marktteilnehmern aufgenommen werden dürften als Ratings. 349 Vgl. aus der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung plastisch In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 827 (S.D.Tex. 2005): „The credit reports were distributed to the world at large.“ 350 Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1853 Fn. 114; Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 125; Oellinger, Haftung für Ratings, S. 216; zurückhaltender Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2291. 351 Vgl. aus ökonomischer Perspektive nur Becker/Milbourn, 101 J. Fin. Econ. (2011), 493, 494: „However, firms whose securities are rated prefer favorable ratings as it directly lowers their cost of capital, and they do not necessarily prefer accurate ones.“
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stufung zu unterstellen,352 würde er doch von einem überhöhten Rating – mag es auch unberechtigt erteilt worden sein – evident profitieren. Die Rechtsprechung nimmt eine vertragliche Schutzwirkung allerdings in bestimmten (aber nicht allen) „Gutachterfällen“ auch dort an, wo die Interessen des Auftraggebers und des Dritten hinsichtlich der gutachtlichen Bewertung gegenläufig sind:353 Werde ein Gutachten oder eine gutachtliche Äußerung bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen, so sei der Auftraggeber in der Regel daran interessiert, dass die Ausarbeitung die entsprechende Beweiskraft besitzt, was wiederum nur dann gewährleistet sei, wenn der Verfasser sie objektiv nach bestem Wissen und Gewissen (also ungeachtet der Auftraggeberinteressen) erstellt und auch dem Dritten gegenüber dafür einsteht.354 Damit müsse auch der Gutachter rechnen.355 Der BGH sieht eine entsprechende Lage aber – und dies wird im Schrifttum fast immer übersehen356 – ausdrücklich nur bei solchen Gutachtern gegeben, „die über eine besondere, vom Staat anerkannte“357 oder aber „durch einen vergleichbaren Akt nachgewiesene“358 Sachkunde verfügen. Er hat dies im Einzelnen bei öffentlich bestellten Sachverständigen,359 einem staatlichen Zulassungserfordernis unterliegenden Berufsträgern wie Wirtschafts-
352 Eichler, Dritthaftung, S. 172: „kaum zu überwindende Hürde“; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 888; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 100 ff. Allgemein Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 216: Es drohe eine Denaturierung der normalen Vertragsfunktionen, die in der Wahrnehmung der eigenen Interessen der Parteien und nicht im Schutz von Dritten lägen, die man aus gutem Grund als Vertragsgegner zu bezeichnen pflege. 353 Kritisch Canaris, JZ 1998, 603, 604; ders., ZHR 163 (1999), 206, 215, 220 ff., 229; Eichler, Dritthaftung, S. 172 ff.; Erman/Westermann, § 328 Rn. 13, 20a; Faust, AcP 210 (2010), 555, 568. Anders auch die frühere Rechtsprechung; vgl. etwa BGH, 5.12.1972, NJW 1973, 321, 322: „Zudem verbietet sich die Annahme einer solchen Schutzwirkung auch mit Rücksicht auf die erkennbare Gegenläufigkeit der Interessen, die in Bezug auf die Darstellung der Kreditwürdigkeit zwischen dem Auftraggeber (Kreditsuchenden) und der Bank andererseits besteht.“ 354 BGH, 26.11.1986, NJW 1987, 1758, 1759 f. (Zwischenabschlussprüfung eines Steuerberaters); BGH, 18.10.1988, NJW-RR 1989, 696 (durch Steuerberater testierter Jahresabschluss); BGH, 10.11.1994, BGHZ 127, 378, 380 (Immobilien-Wertgutachten); BGH, 2.4.1998, BGHZ 138, 257, 261 („Abschlussprüfung“). 355 BGH, 23.1.1985, NJW-RR 1986, 484, 486. 356 Überraschend häufig wird gerade in der Kommentarliteratur – in dieser Verkürzung unzutreffend – lediglich „besondere Sachkunde und persönliche Zuverlässigkeit“ verlangt (so etwa Gottwald, in MünchKomm-BGB, § 328 Rn. 210; ebenso Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 820) oder pauschal eine „Haftung beratender Berufe“ trotz gegenläufiger Parteiinteressen behauptet (so Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 104; Zugehör, NJW 2008, 1105, 1106). Aus dem ratingspezifischen Schrifttum ebenso Claussen, DB 2009, 999, 1003; ders., in FS Hopt (2010), S. 1695, 1710; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1853; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 14; Grundmann/Renner, JZ 2013, 379, 382; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 95 f.; Oellinger, Haftung für Ratings, S. 204; Rotter/Kremer, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 327, 336. 357 Statt vieler BGH, 2.7.1996, BGHZ 133, 168, 172 („Nitrierofen“); BGH, 10.11.1994, BGHZ 127, 378, 380 (Immobilien-Wertgutachten). 358 BGH, 10.11.1994, BGHZ 127, 378, 381 (Immobilien-Wertgutachten). 359 So für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige i.S.d. § 36 GewO BGH, 2.11.1983, NJW 1984, 355; BGH, 23.1.1985, NJW-RR 1986, 484, 486.
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prüfern,360 Steuerberatern,361 Rechtsanwälten362 und Architekten363 sowie einem verpflichteten Bausachverständigen einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse364 angenommen. Bei Gutachten „bloß privater“ Sachverständiger365 oder am Markt anerkannter Investmentbanken366 soll dies dagegen explizit nicht gelten. Auch die Rechtsprechung eröffnet eine – kontraintuitive – Dritthaftung trotz gegenläufiger Vertragsparteiinteressen daher nicht etwa in jeder Berufshaftungskonstellation,367 sondern beschränkt diese streng auf Äußerungen staatlich anerkannter Experten.368 Die Überwindung der Interessensgegenläufigkeit bei Vorliegen einer staatlichen Anerkennung vermag die grundsätzlichen Bedenken, die gegen die Annahme eines Gläubigerinteresses am vertraglichen Schutz des Dritten sprechen, letztlich zwar nicht zu beseitigen: Es ist nach allgemeiner Lebenserfahrung wie aus ökonomischer Sicht schlicht abwegig, dass der Gläubiger den Schutz eines künftigen Vertragsgegners soll bewirken wollen und dass der Gutachter diesem konkludenten Ansinnen ebenso konkludent zustimmt. Man mag den Ansatz der Rechtsprechung jedoch mit dem Gedanken rechtfertigen, dass ein staatlich anerkannter Gutachter eine besondere Unabhängigkeit von seinem Auftraggeber besitzt und er seine Gutachtertätigkeit daher per se ohne Ansehen von dessen Interessen ausübt, weshalb das Gläubigerinteresse am Gutachtenergebnis – aus dem die Interessengegenläufigkeit ja resultiert – in diesem Fall als bedeutungslos einzustufen ist. Wer einen staatlich anerkannten Gutachter beauftragt, nimmt daher in Kauf, dass seine Interessen insoweit keine Berücksichtigung finden werden, während der Gutachter infolge seiner staatlichen Anerkennung (die regelmäßig nur auf eigenen Antrag hin erteilt wird) damit rechnen muss, auch dritten Gutachtennutzern gegenüber zu haften.369 Für die Gerichte bedeutsamer dürfte letztlich freilich das pragmatische Argument sein, dass ein Abstellen auf die staatliche Anerkennung eine vergleichsweise einfache Abgrenzung der Fälle ermöglicht, in 360 BGH, 2.4.1998, BGHZ 138, 257, 261 („Abschlussprüfung“); BGH, 6.4.2006, BGHZ 167, 155, 161 f. (Dritthaftung eines Abschlussprüfers); BGH, 7.5.2009, BGHZ 181, 12 16 („BaFin-Sonderprüfung“). 361 BGH, 26.11.1986, NJW 1987, 1758, 1760; BGH, 18.10.1988, NJW-RR 1989, 696; BGH, 14.6.2012, BGHZ 193, 297 (Insolvenzreifeprüfung). 362 BGH, 13.5.2004, NJW-RR 2004, 1356 (betraf keinen Gutachtenfall, sondern ein zur Abwicklung von Börsentermingeschäften eingeschaltetes anwaltliches Treuhandkonto). 363 BGH, 7.2.2002, NJW 2002, 1196, 1197 (Architektenhaftung für Prüfvermerk); BGH, 25.9.2008, VersR 2010, 350 Tz. 18. 364 BGH, 10.11.1994, BGHZ 127, 378, 381 (Immobilien-Wertgutachten) mit ausführlicher Begründung. 365 So BGH, 10.11.1994, BGHZ 127, 378, 382 (Immobilien-Wertgutachten); ebenso OLG Dresden, 29.5.1996, NJW-RR 1997, 1456 (private Sachverständigenfirma, „Mitglied im Hauptverband Freier Sachverständiger Deutschland-Ost“); OLG Dresden, 19.11.1996, NJW-RR 1997, 1001, 1002 (privates „Sachverständigenbüro“). 366 LG München I, 31.3.2009, Tz. 258 („Kirch Group Litigation Pool ./. Deutsche Bank AG“). 367 Die Bezeichnung als „Berufshaftung“ findet sich in BGH, 2.7.1996, BGHZ 133, 168, 172 („Nitrierofen“) und in BGH, 14.6.2012, BGHZ 193, 297 Tz. 16 (Insolvenzreifeprüfung). 368 In Fällen, in denen die Interessen von Auftraggeber und Drittem nicht gegenläufig sind, kommt dagegen auch eine vertragliche Dritthaftung nicht staatlich anerkannter Gutachter in Frage (BGH, 20.4.2004, BGHZ 159, 1, 5 – betraf Wertgutachten über ein Grundstück, das nicht veräußert, sondern zur Besicherung einer Anleihe beliehen werden sollte). 369 Schroeter, in FS Schwenzer (2011), S. 1565, 1571 f.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
denen die Interessengegenläufigkeit eine Drittschutzwirkung des Vertrages ausnahmsweise nicht ausschließt. Abzulehnen ist damit jedenfalls die verbreitete Literaturansicht, die diese Voraussetzung übersieht.
Die Anerkennung einer Rating-Agentur am Markt reicht danach – entgegen anders lautender Stimmen im Schrifttum370 – also nicht aus, um ein Gläubigerinteresse an einer vertraglichen Schutzwirkung zugunsten dritter Investoren zu begründen;371 es bedarf vielmehr ihrer staatlichen Anerkennung. Eine solche wird man in der aufsichtsbehördlichen Anerkennung der Rating-Agentur für Zwecke der Eigenmittelberechnung im Bankenaufsichtsrecht372 sehen können,373 zumal diese Anerkennung ausdrücklich die Objektivität (und damit Neutralität) ihrer Bonitätsbeurteilungen voraussetzt,374 die eine Informationsdritthaftung trotz gegenläufiger Interesse letztlich allein rechtfertigen kann.375 Fehlt es an der Anerkennung der Rating-Agentur durch die deutsche BaFin, so wird man im Wege der Substitution376 auch eine Anerkennung durch ausländische Aufsichtsbehörden genügen lassen können, sofern diese funktionell gleichwertig sind377 – Letzteres hatten wir für verschiedene Anerkennungsverfahren in den hier untersuchten Rechtsordnungen bereits im Text378 bejaht. Dass die bezeichneten Anerkennungen dabei nur für den beschriebenen regulatorischen Zweck und nicht im Sinne eines allgemein hervorgehobenen Status („Gütesiegel“) erklärt wurden,379 schadet im vorliegenden Zusammenhang nicht, weil auch die sonstigen, insoweit von der Rechtsprechung akzeptierten staatlichen Anerkennungen nicht mit Blick auf Dritthaftungsfolgen erteilt werden: Die Rechtsfigur des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter verlangt hier schlicht eine irgendwie geartete Anerkennung der Auskunftsperson durch den Staat und lässt diese genügen. Im Ergebnis kann die Übernahme einer anerkennungsbedürftigen Regulierungsfunktion durch eine Rating-Agentur nach deutschem Recht daher mittelbar doch
370 Grundmann/Renner, JZ 2013, 379, 382 f.; Haar, NZG 2010, 1281, 1283; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 35; Oellinger, Haftung für Ratings, S. 204, 215 ff.; Peters, Haftung und Regulierung, S. 114. 371 So für eine Investmentbank (in concreto die Deutsche Bank AG) LG München I, 31.3.2009, Tz. 258 („Kirch Group Litigation Pool ./. Deutsche Bank AG“); für Rating-Agenturen Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 101. 372 Art. 135 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 98 EU-CRR; früher §§ 52 ff. SolvV a.F. Siehe dazu schon § 23 I 1 b) bb), II 2 a). 373 Vgl. in diesem Sinne auch Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2291; Göres, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 65; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 97. 374 So früher § 52 Abs. 1 Satz 1 SolvV a.F.; in der Sache ebenso Art. 6 Abs. 1 EG-RatingVO. Auf die „Objektivität und Zuverlässigkeit“ eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen abstellend OLG Dresden, 29.5.1996, NJW-RR 1997, 1456. 375 Vgl. zu dieser Frage ausführlich Schroeter, in FS Schwenzer (2011), S. 1565, 1571 f. 376 Vgl. zum Instrument der Substitution Kropholler, IPR, § 33 I. 377 Siehe zu dieser Substitutionsvoraussetzung Kropholler, IPR, § 33 II 2. 378 Siehe § 23 III 1. 379 Siehe § 23 III 2 a), b).
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zur Folge haben, dass sich der Kreis ihrer potentiellen Schadensersatzgläubiger auch auf dritte Investoren erstreckt.380 (2) Beschränkung des Kreises der in die Schutzwirkung einbezogenen Dritten Damit ist zugleich das dornigste Sachproblem angesprochen, das bei jeder Haftung für fehlerhafte Informationen zu lösen ist:381 Wie kann der Kreis der in die Schutzwirkung des Hauptvertrages einbezogenen Dritten so bestimmt und abgegrenzt werden, dass keine uferlose Haftung der Rating-Agenturen entsteht?382 (a) Kriterien der Rechtsprechung Ausgangspunkt ist der vom BGH in ständiger Rechtsprechung zu den „Gutachterfällen“ betonte Grundsatz, dass der Kreis der von den Schutzpflichten eines Gutachtenauftrags erfassten Personen „nicht uferlos ausgeweitet werden darf“.383 Dahinter steht erklärtermaßen das Anliegen, das Haftungsrisiko für den Schuldner kalkulierbar zu halten und ihm zu ermöglichen, sein Risiko bei Vertragsschluss zu kalkulieren und gegebenenfalls zu versichern.384 Er soll für Schäden Dritter nicht einstehen müssen, wenn ihm nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung des Vertragszwecks nicht zugemutet werden kann, sich ohne zusätzliche Vergütung auf das Risiko einer erweiterten Haftung einzulassen.385 In der Rechtsprechung, die sich vor allem mit Wertgutachten zu Immobilien und Abschlussprüfertestaten zu befassen hatte, wird die Schutzpflicht daher auf eine überschaubare, klar und objektiv abgrenzbare Personengruppe beschränkt386 und betont, dass die Einbeziehung einer unbekannten Vielzahl von Gläubigern, Gesellschaftern, Anteilserwerbern oder Anlegern in den Schutzbereich zu einer Haftungsausweitung führen würde, die kein Gutachter oder Abschlussprüfer bei Vertragsschluss akzeptiert hätte.387 380 A.A. Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 150, die schon aufgrund der Gegenläufigkeit der Interessen jede Haftung ausschließt. 381 Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 234. 382 Als „Hauptproblem“ der vertraglichen Dritthaftung für Ratings eingeordnet bei Ebenroth/ Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 14; Oellinger, Haftung für Ratings, S. 209; Peters, Haftung und Regulierung, S. 109; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 666. 383 BGH, 26.11.1986, NJW 1987, 1758, 1760; BGH, 13.11.1997, NJW 1998, 1059, 1062; BGH, 20.4.2004, BGHZ 159, 1, 8; aus dem Schrifttum statt aller Emmerich, in MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 256. 384 Zugehör, NJW 2008, 1105, 1110; aus rechtsökonomischer Sicht zustimmend Ott, in FS H.B. Schäfer (2008), S. 171, 175. 385 BGH, 20.4.2004, BGHZ 159, 1, 9; BGH, 7.5.2009, BGHZ 181, 12, 17 („BaFin-Sonderprüfung“); Bamberger/Roth/Janoschek, § 328 Rn. 53. 386 BGH, 26.11.1986, NJW 1987, 1758, 1760; BGH, 2.11.1983, NJW 1984, 355. 387 BGH, 2.4.1998, BGHZ 138, 257, 262 („Abschlussprüfung“): „Dass der Abschlussprüfer bereit ist, ein so weitgehendes Haftungsrisiko zu übernehmen, kann regelmäßig nicht angenommen werden“; BGH, 15.12.2005, ZIP 2006, 854, 855; BGH, 6.4.2006, BGHZ 167, 155, 163 (Abschlussprüferhaftung gegenüber Pre-IPO-Investoren); BGH, 14.6.2012, BGHZ 193, 297 Tz. 19 (Insolvenzreifeprüfung); Bosch, ZHR 163 (1999), 274, 276; Ott, in FS H.-B. Schäfer (2008), S. 171, 175.
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(b) Anwendung auf Ratingverträge Die Folgen der vorgenannten Kriterien für die Schutzwirkung von Ratingverträgen werden im Schrifttum höchst unterschiedlich beurteilt; Rechtsprechung zu der Frage liegt bislang nicht vor. Bezeichnend ist, dass Stellungnahmen sich typischerweise pauschal auf „Ratings“ in ihrer Gesamtheit beziehen, ohne zwischen deren unterschiedlichen Erscheinungsformen in der Finanzmarktpraxis zu differenzieren. Das Meinungsspektrum zerfällt dabei im Wesentlichen in drei Gruppen: Nach einer ersten Literaturauffassung werden Ratings – im Gegensatz zu Gutachten – gerade für eine unbestimmte Vielzahl von Adressaten und Entscheidungsträger angefertigt388 und „ad incertas personas“ bekannt gegeben.389 Da Ratings aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit einem Gemeinschaftsgut (public good)390 zudem ohne Abnutzung und Nachteil für den ursprünglichen Informationsempfänger beliebig oft weitergegeben werden können,391 würde der Kreis geschützter Personen jeden erfassen, der das Rating zur Kenntnis nehme;392 das resultierende Haftungsrisiko wäre damit unkalkulierbar und potentiell ruinös.393 Der Kreis schutzwürdiger Dritter sei vor diesem Hintergrund nicht zuverlässig abgrenzbar und eine Schutzwirkung des Ratingvertrages gegenüber dritten Investoren scheide daher aus.394 Entsprechend wird nicht selten auch für Finanzanalysen entschieden.395 Eine zweite Ansicht bejaht hingegen eine beabsichtigte Schutzwirkung des Ratingvertrages auch zugunsten dritter Investoren,396 wobei die hierzu erforderliche vorhersehbare Beschränkung des geschützten Personenkreises uneinheitlich begründet wird: Manche beschränken sich darauf, Ratings mit 388
Haar, ZBB 2009, 177, 185; Volk, ZBB 2005, 273, 274. Claussen, DB 2009, 999, 1003; ders., in FS Hopt (2010), S. 1695, 1710; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1853; Rotter/Kremer, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 327, 337. Vgl. in diesem Sinne auch In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 831 (S.D.Tex. 2005): „Those to whom the credit report is distributed are merely potential investors whom the Credit Rating Agencies do not know, cannot specifically identify, and are not even subscribers to their newsletters or publications.“ 390 Dazu schon § 2 IV 3 a). 391 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2292; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1853. Die Bedenklichkeit der Haftung in solchen Fällen betont Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 211. 392 Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2291 f.; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 66. 393 Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1853; Fiala/Kohrs/Leuschner, VersR 2005, 742, 746. 394 Claussen, DB 2009, 999, 1003; ders., in FS Hopt (2010), S. 1695, 1710; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1853; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 66; Haar, ZBB 2009, 177, 185; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 207 f.; Rinze/Klüwer, BB 1998, 1697, 1700; Rotter/Kremer, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 327, 337; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 205; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 176; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 103; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 482. Letztlich auch Berger/Stemper, WM 2010, 2289, 2292. 395 Drinkuth, Fehlerhafte Finanzanalysen, S. 167, 177; A. Meyer, WM 2003, 1301, 1310. 396 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 14; Grundmann/Renner, JZ 2013, 379, 383; Knops, BB 2008, 2535, 2539; Oellinger, Haftung für Ratings, S. 215; von Schweinitz, WM 2008, 953, 956 f.; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1351. 389
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Gutachten gleichzusetzen,397 ohne darauf einzugehen, dass die in den einschlägigen Rechtsprechungsfällen behandelten Gutachten nie allgemein zugänglich (über das Internet, Tageszeitungen und elektronische Handelssysteme) veröffentlicht, sondern lediglich dem Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, der sie ggfs. an einzelne Vertragsinteressenten weitergab. Andere halten den geschützten Personenkreis deshalb für überschaubar, weil für die Rating-Agentur lediglich von vornherein nach objektiven Kriterien erkennbar sein müsse, welche Dritten durch ihr eventuelles Fehlverhalten geschädigt würden – dies seien eben alle Investoren, die auf Grundlage des Ratings „in das Kreditrisiko des Emittenten investiert haben“398 oder die – noch weitergehend – das Rating zur Kenntnis nehmen.399 Die dritte, differenzierende Meinungsgruppe will den Drittschutz schließlich auf Nutzer von Emissionsratings400 oder – enger – Ersterwerber gerateter Anleihen und Finanzinstrumente401 beschränken, deren Kreis sie (im Unterschied zu allen sonstigen Ratingnutzern) für objektiv abgrenzbar hält. Richtigerweise wird man auch im vorliegenden Zusammenhang – im Ergebnis ähnlich wie oben zu § 311 Abs. 3 BGB402 – zwischen dem Regelfall der allgemein zugänglich publizierten Ratings und dem Ausnahmefall der „privaten“ Ratings differenzieren müssen: Wird ein Rating über Ratingpublikationen und namentlich Internet-Datenbanken durch die Rating-Agenturen publiziert, so richtet es sich offenkundig und in nicht ernsthaft bestreitbarer Weise an einen unbestimmten Personenkreis, nämlich buchstäblich die ganze Welt. Ein Gläubigerinteresse an der Einbeziehung dieser globalen Investorenöffentlichkeit in die Schutzwirkung des Ratingvertrages, das mit Zustimmung der Rating-Agentur Eingang in den Vertrag gefunden haben müsste, ist daher als abwegig abzulehnen. Anders stellt sich die Situation wiederum dort dar, wo ein lediglich „privates“, im Zuge einer Privatplatzierung gegenüber einem begrenzten Investorenkreis bekannt gegebenes Rating in Rede steht: Hier steht einem Gläubigerinteresse nichts entgegen. cc) Erkennbarkeit von Leistungsnähe und Gläubigerinteresse Die Leistungsnähe solcher Investoren und das Interesse des Emittenten an deren Einbeziehung in die Schutzwirkung des Ratingvertrages sind für die RatingAgentur, wie von der Rechtsprechung verlangt, regelmäßig auch bei Vertragsschluss erkennbar.403 Manche Ratingverträge gestehen dem Emittenten sogar aus397 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 14; Knops, BB 2008, 2535, 2539; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1351. 398 von Schweinitz, WM 2008, 953, 956 f. 399 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 14; Oellinger, Haftung für Ratings, S. 215; auch Grundmann/Renner, JZ 2013, 379, 383. 400 Eisen, Haftung und Regulierung, S. 353; Wildmoser/Schiffer/Langoth, RIW 2009, 657, 666. 401 Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 36; Peters, Haftung und Regulierung, S. 114. 402 Unter V 1 c). 403 Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 415; von Schweinitz, WM 2008, 953, 956.
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drücklich das Recht zu, das erstellte Rating nach seiner Wahl404 (und damit, so wird man dies zu verstehen haben, auch im Wege einer Privatplatzierung) zur Platzierung des beurteilten Titels einzusetzen. Etwas anderes gilt etwa, wenn der Emittent mit der Rating-Agentur die Ratingerstellung zum alleinigen Zweck der allgemeinen Veröffentlichung vereinbart und dieses sodann im Rahmen einer Privatplatzierung einsetzt – eine unwahrscheinliche Konstellation, da allgemein zu publizierende Ratings aufgrund der Gebühren für die laufende Ratingüberwachung höhere Ratinggebühren verursachen und daher nur beauftragt werden, um sie tatsächlich in dieser Form einzusetzen. dd) Keine Schutzbedürftigkeit dritter Investoren aufgrund bestehender Ansprüche gegen den Emittenten Eine Haftung der Rating-Agentur gegenüber dritten, von den Schutzwirkungen des Ratingvertrages profitierenden Investoren setzt schließlich deren Schutzbedürftigkeit voraus. An dieser fehlt es der Rechtsprechung zufolge dann, wenn dem Dritten eigene vertragliche Ansprüche – gleich gegen wen – zustehen, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben wie diejenigen Ansprüche, die ihm über eine Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages zukämen.405 Dieses Erfordernis, das im Rahmen der ursprünglichen „Wohl und Wehe“-Konstellationen nie wesentliche Bedeutung erlangt hat, spielt im Rahmen von „Gutachter“-Fällen eine größere Rolle.406 Sein Zweck ist nicht gänzlich geklärt, wenngleich in seiner gängigen, formelhaft verwandten Fassung der Grund für die Entwicklung des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – die Umgehung der Schwächen des Deliktsrechts – anklingt: Da dieses Rechtsinstitut folglich keine Korrektur des Vertragsrechts, sondern eine Korrektur des Deliktsrechts mit den Mitteln des Vertragsrechts bezweckt, soll das Bestehen eigener vertraglicher Ansprüche auf Seiten des Dritten dessen Schutzbedürftigkeit ausschließen. Im Ratingkontext hat dies zum einen zur Folge, dass abonnierende Investoren – auf die in § 29 ausführlich eingegangen wurde – per se nicht schutzbedürftig sind, weil sie eigene vertragliche Ansprüche gegen die Rating-Agentur besitzen;407 dass diese Ansprüche keine Haftung für einen fehlerhaften Ratinginhalt umfassen mögen, ist dabei irrelevant, weil der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht den Inhalt privatautonom vereinbarter Pflichtenprogramme korrigieren will. Die Schutzbedürftigkeit entfällt bei nicht-abonnierenden Investoren hingegen etwa dann, wenn Ansprüche infolge fehlerhafter Anlageberatung408 bestehen,409 während Ansprüche aufgrund zivilrechtlicher 404 Vgl. den Fitch IBCA-Ratingvertrag bei Peters, Haftung und Regulierung, S. 190: „This gives … the right to use the FI ratings for the issuance of Pfandbriefe in an unlimited way …“. 405 BGH, 2.7.1996, BGHZ 133, 168, 173 („Nitrierofen“); BGH, 8.6.2004, NJW 2004, 3420, 3421. 406 Zutreffend Faust, AcP 210 (2010), 555, 569. 407 Peters, Haftung und Regulierung von Rating-Agenturen, S. 112. 408 Vgl. zur Rolle von Ratings im Rahmen der Anlageberatung umfassend § 15. 409 Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 415.
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Prospekthaftung nicht ausreichen sollen, weil diese nicht „gleichwertig“ seien.410 Vor allem wirkt sich an dieser Stelle jedoch aus, dass die Investoren, die in ein geratetes Finanzinstrument investiert haben, eigene vertragliche (obgleich möglicherweise wertlose) Ansprüche gegen den Emittenten des Finanzinstruments besitzen: Schon dies schließt ihre Schutzbedürftigkeit und damit ihre Einbeziehung in die Schutzwirkung des Ratingvertrages aus,411 denn das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter soll nicht das Risiko einer Insolvenz des eigenen Vertragspartners absichern.412 Da der Investor über einen eigenen vertraglichen Anspruch auf Rückzahlung des überlassenen Kapitals aus § 793 Abs. 1 Satz 1 BGB (bei Schuldverschreibungen) gegen den Emittenten oder aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB (bei Darlehen) gegen den Darlehensnehmer verfügt, muss er sich insoweit an den jeweiligen Vertragsschuldner halten und darf bei Eintritt des immanenten Ausfallrisikos nicht auf einen zusätzlichen Anspruch gegen einen Informationsintermediär hoffen, den ihm das Deliktsrecht nicht gewährt. Die Schutzbedürftigkeit dritter Investoren scheidet daher aus, gleich ob sie auf veröffentlichte oder private Ratings vertraut haben. ee) Ergebnis Hinsichtlich der Einbeziehung dritter Investoren in den Schutzbereich des Ratingvertrages ist das Meinungsbild im deutschen Schrifttum im Ergebnis geteilt: Während eine Ansicht413 die Einbeziehung generell bejaht, wird diese von der Gegenansicht414 durchweg verneint. Die letztgenannte Auffassung verdient dabei im Ergebnis Zustimmung, wenngleich bei der dogmatischen Begründung zu differenzieren ist: Im Falle von öffentlich publizierten Ratings fehlt es bereits an einem Einbeziehungsinteresse der Vertragsparteien, das auf eine Auslegung des 410 BGH, 8.6.2004, NJW 2004, 3420, 3421; BGH, 14.6.2007, NZG 2007, 663, 665 (Dritthaftung eines Wirtschaftsprüfers für fehlerhaften Prospektprüfungsbericht); Palandt/Grüneberg, § 328 Rn. 18; a.A. Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413, 415. 411 So anscheinend auch Haar, NZG 2010, 1281, 1283. 412 Zutreffend BGH, 22.7.2004, NJW 2004, 3630, 3632: „Ob ein solcher Anspruch mangels finanzieller Leistungsfähigkeit des Verpflichteten möglicherweise von Anfang an nicht durchsetzbar war, ist rechtlich unerheblich; denn das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter bezweckt nicht die Absicherung des Risikos, dass die vertraglich verpflichtete Person zum Ersatz des Schadens finanziell nicht in der Lage ist“; a.A. Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 106; Zugehör, NJW 2008, 1105, 1106. 413 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 14; Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 788 f.; Knops, BB 2008, 2535, 2539; Oellinger, Haftung für Ratings, S. 215; Palandt/Grüneberg, § 328 Rn. 35; Staudinger/Jagmann, § 328 Rn. 140; van Look, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 532 f.; von Schweinitz, WM 2008, 953, 956; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1351. Emmerich, in MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 259 lässt die Frage offen. 414 Deipenbrock BB 2003, 1849, 1853 f.; Fischer, Haftungsfragen des Ratings, S. 150; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 139 f.; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 31 Rn. 63; Haar, DB 2013, 2489, 2490; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 208; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 889; Lemke, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 119, 123; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 104; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 481.
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Ratingvertrages gestützt werden könnte, weil eine Schutzwirkung des Vertrages zugunsten der allgemeinen Investorenöffentlichkeit ersichtlich zu einem unbegrenzten Kreis potentieller Haftungsgläubiger führen würde und daher nicht angenommen werden kann.415 Dagegen scheitert eine Einbeziehung in den Schutzbereich bei „privaten“ Ratings erst an der fehlenden Schutzbedürftigkeit der Investoren, die schließlich über eigene vertragliche Ansprüche gegen den Emittenten des ausgefallenen Wertpapiers verfügen416 – das Risiko der Insolvenz dieses Vertragspartners und der daraus folgenden wirtschaftlichen Wertlosigkeit dieser Ansprüche soll das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aber seinem Zweck nach nicht ausgleichen. b) Nach Schweizer Recht: Keine vertraglichen Schutzwirkungen zugunsten Dritter bei gegenläufigem Gläubigerinteresse Anders als die Rechtsfigur der Vertrauenshaftung, die in Anlehnung an Arbeiten im deutschen Schrifttum in das schweizerische Recht übernommen wurde,417 hat der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in der Schweiz keine nennenswerte praktische Bedeutung erlangen können. Das schweizerische Schrifttum steht dieser Konstruktion einer vertraglichen Dritthaftung seit jeher verbreitet kritisch gegenüber, weil man in der Annahme eines Drittschutzinteresses der Hauptvertragsparteien eine bloße Fiktion sieht;418 es finden sich aber auch befürwortende Stellungnahmen.419 Die Rechtsprechung hat einen Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter zwar vereinzelt beiläufig angesprochen, eine Haftung aber stets abgelehnt420 (und zwar auch schon vor Anerkennung der Vertrauenshaftung gegenüber Dritten, als das Bedürfnis für eine nicht-deliktische Dritthaftung durchaus spürbar war). Die entscheidende Klarstellung traf das schweizerische Bundesgericht sodann im Jahre 2003 in seiner wegweisenden „Liegenschaftenschätzer“-Entscheidung: Es hielt darin fest, dass eine Gutachterhaftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nach Schweizer Recht nur denkbar wäre, sofern der Gutachtenauftrag im Einverständnis mit dem zu schützenden Dritten erteilt und 415
Oben bb). Oben dd). 417 Siehe zur Vertrauenshaftung in der Schweiz und den Vorarbeiten von Canaris bereits oben unter IV 2. 418 CR CO I/Thévenoz, Art. 97 OR Rn. 48 f.; Gauch, Werkvertrag, Rn. 860; ders./Sweet, in FS Keller (1989), S. 117, 125; Hofstetter, AJP 1998, 261, 262 f.; Honsell, in FS Nobel (2005), S. 939, 947: „deutsche deliktserweiternde Vertragsfiktion von höchst zweifelhaftem Wert“; Kaiser, Haftung für Rat, S. 97 Fn. 266: „Derartige Fiktionen sind auf jeden Fall abzulehnen“; Koller, OR AT, § 61 Rn. 13 f.: „glatte Fiktion“; Loser, Vertrauenshaftung, Rn. 1014; Schönenberger, Haftung für Rat und Auskunft gegenüber Dritten, S. 115; Schwenzer, OR AT, Rn. 87.05. 419 Bucher, OR AT, S. 484 f.; Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT, Rn. 3948; Kramer, in Berner Komm., Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR, Rn. 145; Walter, ZBJV 1996, 273, 290; Wiegand, in Basler Komm., Einl. zu Art. 97–109 Rn. 9. 420 So etwa in BGer, 15.8.1991, BGE 117 II 315, 320; BGer, 27.6.1995, BGE 121 III 310, 315 f. E. 4a. 416
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dem Gutachter diese „gemeinsame Interessenlage“ offen gelegt wurde, während die Annahme einer Schutzwirkung bei gegenläufigen Interessen von Auftraggeber und Drittem – insoweit anders als nach der deutschen Rechtsprechung, auf deren gegenteilige Position das Bundesgericht ausdrücklich hinweist – jedenfalls ausscheide.421 Die Literatur stimmt dem zu.422 Damit kommt auch eine Haftung von Rating-Agenturen auf dieser Grundlage in der Schweiz nicht in Frage,423 weil die Interessen von Emittent und Investoren, wie bereits erörtert, gerade gegenläufig sind. c) Nach U.S.-amerikanischem Recht: Keine Einordnung dritter Investoren als „third-party beneficiaries“ Die Vertragsrechte der U.S.-amerikanischen Gliedstaaten erkennen dagegen seit langem an, dass auch Drittbegünstigten (third-party beneficiaries) Ansprüche aus einem Vertrag zustehen können.424 Sie nehmen damit eine Haltung ein, die von derjenigen des englischen Rechts abweicht,425 aber in vielerlei Hinsicht Parallelen zur Rechtsfigur des echten Vertrags zugunsten Dritter des deutschen Rechts (§ 328 BGB) aufweist.426 U.S.-amerikanische Gerichte hatten auf dieser Grundlage mehrfach über Klagen von Investoren zu entscheiden, die behaupteten, als third-party beneficiaries zu den Begünstigten des Ratingvertrages zwischen dem Emittenten und der Rating-Agentur zu zählen.427 Die Voraussetzungen, die im U.S.-amerikanischen Recht für die Einordnung als Drittbegünstigter gelten, sind jedoch deutlich strenger als die Bedingungen, die das deutsche Recht für eine Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrages aufstellt. In den U.S.A. wird verlangt, dass die Vertragsparteien die Begünstigung des Dritten beabsichtigt haben müssen, was im Wege der Vertragsauslegung zu ermitteln ist:428 Stuft man daher (wie hier vertreten429) die Nichtbeachtung der Verhaltenskodizes der Rating-Agenturen als zentralen Haftungsgrund ein, so muss eine Drittbegünstigung von Investoren schon an den in 421
BGer, 23.12.2003, BGE 130 III 345, 348 E. 1 („Liegenschaftenschätzer“). Loser, Vertrauenshaftung, Rn. 1014; Walter, ZBJV 1996, 273, 291 f.; vgl. auch Schroeter, in FS Schwenzer (2011), S. 1565, 1573. 423 Im Ergebnis wie hier Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 103; Loser, Vertrauenshaftung, Rn. 1014; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 155; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 896. Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 8 Rn. 35 ff. zieht die Anwendung der Rechtsfigur mit Blick auf Finanzanalysen immerhin in Betracht, verneint aber jedenfalls die Gläubigernähe dritter Investoren. 424 Die Leitentscheidung, ergangen zum New Yorker Recht, ist Lawrence v. Fox, 20 N.Y. 268 ff. (1859). 425 Vgl. Murray on Contracts, S. 872. 426 Vgl. nur Murray on Contracts, S. 869 f. Im U.S.-amerikanischen Recht stehen dabei Zahlungsansprüche im Vordergrund, ohne dass andere Anspruchsinhalte zugunsten des Dritten ausgeschlossen wären; vgl. § 304 Restatement (Second) of Contracts, Comment c. 427 So in Quinn v. McGraw-Hill, 16.2.1999, 168 F.3d 331 ff. (7th Cir. 1999); Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155 ff. (S.D.N.Y. 2009). 428 § 302(1) Restatement (Second) of Contracts; Farnsworth on Contracts, § 10.3. 429 Siehe § 27 I 2 b) bb) (2) (c). 422
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
den Kodizes (und damit dem jeweiligen Ratingvertrag) enthalten Klauseln scheitern, die Ansprüche Dritter explizit ausschließen.430 Aber auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Vertragsregelung soll eine starke Vermutung dafür sprechen, dass die Vorteile aus einem Vertrag nur den Vertragsparteien selbst zugute kommen sollen431 – eine Annahme wie diejenige der deutschen Rechtsprechung, ein vertraglicher Drittschutz sei auch bei gegenläufigen Interessen von Vertragspartei und Drittem beabsichtigt,432 würde daher nach U.S.-amerikanischem Recht als bloße Fiktion verworfen. Verlangt wird vielmehr eine ausdrückliche vertragliche Benennung des Dritten als begünstigte Nichtpartei oder aber sonstige Anzeichen, die vergleichbar deutlich sind, um einen Begünstigungswillen der Vertragsparteien bejahen zu können.433 Das New Yorker Recht geht noch darüber hinaus, indem es voraussetzt, dass nur der Drittbegünstigte im Falle eines Vertragsbruchs zur Geltendmachung von Ersatzpflichten berechtigt sein soll.434 Investoren, die sich auf Ratings verlassen haben, sind danach nicht als thirdparty beneficiaries anzusehen, weil der Ratingvertrag und die in dessen Erfüllung erstellten Ratings unmittelbar nur dem Emittenten dienen sollen.435 Die Investoren werden dagegen nur indirekt, d.h. im Sinne einer Reflexwirkung begünstigt,436 selbst wenn Rating-Agenturen nur deshalb beauftragt werden, damit das erstellte Rating auch durch Investoren genutzt werden kann.437 Nichts anderes soll sich auch daraus ergeben, dass die Rating-Agenturen im Ratingvertrag eine fortdauernde Überwachung des Ratings versprechen,438 obgleich diese Pflicht erkennbar nur der Investorenöffentlichkeit und nicht dem Emittenten nutzt, dessen Papiere bereits am Sekundärmarkt gehandelt werden. Im Ergebnis machen die U.S.-amerikanischen Gerichte mit einer Vertragsauslegung unter Berücksich430 Siehe bereits oben VI 2. In den bislang ergangenen U.S.-amerikanischen Entscheidungen zu diesem Themenfeld sind die Gerichte nicht auf die genannten Klauseln eingegangen. 431 155 Harbor Drive Condominium Ass’n v. Harbor Point, Inc., 7.2.1991, 568 N.E.2d 365, 375 (Ill. App. 1 Dist. 1991). 432 Oben VI 3 a) bb) (1). 433 Zum Recht des U.S.-Staates New York Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 184 f. (S.D.N.Y. 2009); Lockwood v. Standard & Poor’s Corp., 13.6.1997, 682 N.E.2d 131, 133 (Ill.App. 1 Dist. 1997); zum Recht des U.S.-Staates Illinois 155 Harbor Drive Condominium Ass’n v. Harbor Point, Inc., 7.2.1991, 568 N.E.2d 365, 375 (Ill. App. 1 Dist. 1991); Quinn v. McGraw-Hill, 16.2.1999, 168 F.3d 331, 334 (7th Cir. 1999). 434 Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 184 f. (S.D.N.Y. 2009); Lockwood v. Standard & Poor’s Corp., 13.6.1997, 682 N.E.2d 131, 134 (Ill.App. 1 Dist. 1997). 435 Vgl. Quinn v. McGraw-Hill, 16.2.1999, 168 F.3d 331, 334 f. (7th Cir. 1999): „Quinn [der Kläger] has underestimated the direct value of a rating to the issuer. Once the issuer knows the rating its instruments will earn, it has a better idea of which customers are likely to be interested, what interest rate (or other element of price) to attach to the placement, and where it stands relative to others in its line of business. In short, this is a perfectly reasonable – perhaps even indispensable – contract for AHAC [den Emittenten] to have entered for its own purposes“; Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 184 f. (S.D.N.Y. 2009). 436 Quinn v. McGraw-Hill, 16.2.1999, 168 F.3d 331, 334 f. (7th Cir. 1999). 437 Im Schrifttum (vorsichtig) in diesem Sinne Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 353. 438 Quinn v. McGraw-Hill, 16.2.1999, 168 F.3d 331, 334 (7th Cir. 1999).
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tigung der Vertragsparteiinteressen ernst,439 in die Billigkeitserwägungen zugunsten eines implizierten Schutzes dritter Nichtparteien – wie sie im deutschen Recht verbreitet vorkommen – kaum Eingang finden. Eine Haftung der RatingAgenturen auf dieser Grundlage scheidet folglich regelmäßig aus. d) Nach Hongkonger Recht: Kein vertraglicher Drittschutz Nach dem Recht Hongkongs fehlt es dagegen bereits von vornherein an einer Grundlage für vertragliche Dritthaftungsansprüche. Hongkong folgt insoweit dem englischen Common Law,440 das keine Dritthaftung für Informationen auf vertraglicher Grundlage kennt, weil dieser sowohl das Erfordernis einer consideration als auch das Prinzip der privity of contract entgegen steht.441 Der britische Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999, durch den eine vertragliche Drittbegünstigung erstmals in das englische Recht eingeführt wurde, hat für Hongkong (da erst nach dem handover im Jahre 1997 ergangen) keine Bedeutung erlangt,442 und auch eine zwischenzeitlich erwogene Reform des Hongkonger Rechts443 wurde nicht umgesetzt. In Hongkong gelten daher unverändert die strikten Grundsätze der englischen Leitentscheidung Dunlop Pneumatic Tyre Company Ltd v. Selfridge and Co. Ltd aus dem Jahre 1915.444 Ansprüche dritter Investoren gegen Rating-Agenturen aufgrund einer Verletzung des Ratingvertrages mit dem Emittenten scheiden daher aus, wie zum englischen Recht – wenngleich obiter durch ein U.S.-amerikanisches Gericht – bereits entschieden wurde.445
4. Ergebnis Nach allen hier untersuchten Rechtsordnungen besteht damit im Ergebnis, wenn auch nicht in der dogmatischen Begründung Einigkeit darüber, dass aus dem Ratingvertrag zwischen Emittenten und Rating-Agentur keine vertraglichen Schutzwirkungen zugunsten dritter Investoren abzuleiten sind. 439
Vgl. § 302(1)(b) Restatement (Second) of Contracts; Murray on Contracts, S. 880. Fisher/Greenwood, Contract Law in Hong Kong, S. 431 f.; Hall, Law of Contract in Hong Kong, S. 785. 441 Die englische Leitentscheidung ist Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v. Selfridge & Co Ltd, 26.4.1915, [1915] AC 847; vgl. näher Büttner, Dritthaftung von Experten, S. 17 f.; Gottwald, Haftung für Auskunft, S. 10; Sprenger, Int. Expertenhaftung, S. 79 f. 442 Fisher/Greenwood, Contract Law in Hong Kong, S. 433; Reifenrath, Vertragsrecht Hongkongs, S. 311. 443 Vgl. Law Reform Commission of Hong Kong, Report: Privity of Contract (Sept. 2005), S. 110 ff. 444 So B & B Construction Ltd v. Sun Alliance & London Insurance, 3.5.2000, [2000] 2 HKC 295 Tz. 15 (per Godfrey VP): „But here, in Hong Kong, the law remains as magisterially stated by Viscount Haldane LC in Dunlop Pneumatic Tyre Company Ltd v. Selfridge and Co. Ltd“; Fisher/ Greenwood, Contract Law in Hong Kong, S. 434; Hall, Law of Contract in Hong Kong, S. 786 f. 445 Vgl. Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 184 (S.D.N.Y. 2009): „Defendants make clear, and plaintiffs do not dispute, that if English law were to apply, plaintiffs would not be entitled to bring a claim as a third-party beneficiary to the contracts at issue in this case …“. 440
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VII. Haftung der Rating-Agentur wegen Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1, 2 EG-RatingVO Die unionsrechtliche Haftungsnorm des Art. 35a EG-RatingVO, die im Rahmen der Haftung von Rating-Agenturen gegenüber Emittenten bereits behandelt wurde,446 sieht daneben auch eine Haftung europäischer Rating-Agenturen gegenüber Anlegern vor. Die Haftung gegenüber Anlegern stand bei Entwicklung des Art. 35a EG-RatingVO sogar im Vordergrund, weil der Kommissionsvorschlag447 sich noch gänzlich auf diese Haftungsrichtung beschränkt hatte; erst im Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens448 erhielt die Haftungsnorm sodann ihre heutige einheitliche Konzeption, welche Rating-Agenturen unter ähnlichen Voraussetzungen Emittenten oder Anlegern gegenüber haftbar macht.449 Im Einzelnen kann ein Anleger nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1 EG-RatingVO dann, wenn eine Rating-Agentur vorsätzlich oder grob fahrlässig eine der in Anhang III zur EG-RatingVO aufgeführten Zuwiderhandlungen begangen und diese sich auf ein Rating ausgewirkt hat, von der Rating-Agentur Ersatz des ihm aufgrund dieser Zuwiderhandlungen entstandenen Schadens verlangen. Er hat hierzu nachzuweisen, dass er sich bei seiner Entscheidung, in ein geratetes Finanzinstrument zu investieren, dieses Instrument weiter zu halten oder zu veräußern, mit gebührender Sorgfalt auf das Rating verlassen hat.450 Die Haftungsvoraussetzungen sind also überwiegend dieselben, die auch bei der Ratinghaftung gegenüber Emittenten zu erfüllen sind und in jenem Zusammenhang bereits erörtert wurden,451 wenngleich sie hier in gleichsam gegenläufiger Richtung auftreten. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf die Besonderheiten, welche die unionsrechtliche Ratinghaftung gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit auszeichnen, während im Übrigen auf § 27 IV verwiesen wird. Wie an anderer Stelle ebenfalls bereits erwähnt,452 tritt die europäische Ratinghaftung ausweislich Art. 35a Abs. 5 EG-RatingVO neben bestehende zivilrechtliche Haftungsansprüche nach nationalem Recht. Die oben im Text behandelten möglichen Anspruchsgrundlagen zugunsten abonnierender Investoren453 wie auch der allgemeinen Investorenöffent-
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Siehe § 27 IV. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen vom 15.11.2011, KOM(2011) 747 endg. 448 Vgl. dazu überblicksartig Haar, DB 2013, 2489, 2492 ff. 449 Zu dieser Ausweitung des Haftungskonzepts Lamberth, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 251, 261: „An important change …“. 450 Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 EG-RatingVO; siehe dazu noch näher unter 2 b). 451 Siehe § 27 IV 2–7. 452 Siehe § 27 IV. 453 Siehe § 29. 447
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lichkeit454 bleiben folglich unberührt und beeinflussen die Haftung nach Art. 35a EGRatingVO nur mittelbar, sofern und soweit zum Zwecke der Lückenfüllung auf darin enthaltene Begriffe des nationalen Rechts zurückgegriffen werden muss.
1. Ergänzend anwendbares Haftungsstatut Infolge ihres Charakters als hybride unionsrechtliche Haftungsnorm455 normiert Art. 35a EG-RatingVO auch die Voraussetzungen einer Haftung gegenüber Anlegern nicht vollständig, sondern überlässt wichtige Detailfragen dem subsidiär anwendbaren nationalen Recht.456 Die kollisionsrechtliche Ermittlung des ergänzend anzuwendenden Haftungsstatuts ist dabei auch im Rahmen der Ratinghaftung gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit umstritten: Überwiegend wird im Schrifttum davon ausgegangen, dass gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO das am Schadenseintrittsort geltende Recht eingreift und als Schadenseintrittsort der Sitz des bewerteten Emittenten anzusehen ist, weil die Vermögensinteressen des Anlegers durch das Rating hier zuerst betroffen seien.457 Die Auswirkungen auf das Vermögen des Anlegers will man dagegen als bloße „indirekte Schadensfolgen“ bei der Bestimmung des Schadenseintrittsortes ausklammern,458 sodass im Ergebnis sämtliche Ersatzansprüche wegen ein und desselben durch eine Pflichtverletzung beeinflussten Ratings – gleich ob von Emittenten- oder Anlegerseite, und unabhängig von Wohnort bzw. Sitz des einzelnen Anlegers – einheitlich dem ergänzenden nationalen Heimatrecht des betroffenen Emittenten unterstehen würden. Der beschriebene Ansatz verdient in zweierlei Hinsicht Zustimmung: Zum einen darin, dass die Haftung von Rating-Agenturen gegenüber Anlegern nach Art. 35a EG-RatingVO als außervertragliche Haftung zu qualifizieren und daher der Rom II-VO zu unterstellen ist, und zum anderen darin, dass eine einheitliche Anknüpfung des subsidiären Haftungsstatuts anzustreben ist, bei der es auf die örtlichen Verhältnisse des einzelnen geschädigten Investors nicht ankommen sollte. Der letztgenannte Punkt findet eine zusätzliche Stütze in der Entstehungsgeschichte des Art. 35a EG-RatingVO: Das Europäische Parlament hatte im Rahmen des Rechtsetzungsverfahrens nämlich eine Regelung vorgeschlagen, die das am gewöhnlichen Aufenthalt des geschädigten Anlegers zum Zeitpunkt des Schadenseintritts geltende Recht berufen hätte,459 aber gerade keinen Eingang in die verabschiedete Haftungsnorm gefunden hat. 454
Oben I.–VI. Zur dogmatischen Konzeption des Art. 35a EG-RatingVO schon § 27 IV 1 a). 456 Art. 35a Abs. 4 EG-RatingVO. Siehe zur lückenfüllenden Funktion nationalen Rechts im Rahmen des Art. 35a EG-RatingVO bereits ausführlich § 27 IV 1. 457 Dutta, WM 2013, 1729, 1731; ders., IPRax 2014, 33, 39; Haar, DB 2013, 2289, 2294. 458 Dutta, WM 2013, 1729, 1731; Haar, DB 2013, 2289, 2294. 459 Vorschlag eines Art. 35a Abs. 5a EG-RatingVO in Europ. Parlament, Bericht vom 23. Aug. 2012 über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen (COM(2011)0747 – C7–0420/ 2011 – 2011/0361(COD)), Ausschuss für Wirtschaft und Währung, Berichterstatter: Leonardo Do455
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Allerdings ist nach hier vertretener Ansicht nicht an den Emittentensitz, sondern den Sitz der Rating-Agentur anzuknüpfen: Die im Text460 im Zusammenhang mit der Haftung gegenüber Emittenten dargelegten Gründe greifen auch hier, sodass als ergänzendes Haftungsstatut richtigerweise das Herkunftsmitgliedstaatenrecht der Rating-Agentur anzuwenden ist.
2. Haftungsbegründender Tatbestand Der haftungsbegründende Tatbestand des Art. 35a EG-RatingVO gleicht bei der Ratinghaftung gegenüber Anlegern weitgehend demjenigen bei der Haftung gegenüber Emittenten, weist in Detailfragen aber Unterschiede auf. a) Pflichtverletzung der Rating-Agentur und Beweislast Übereinstimmung besteht darin, dass die Rating-Agentur – die auch hier nach Maßgabe der EG-RatingVO registriert sein muss, ihren Satzungssitz also nicht (wie namentlich die U.S.-amerikanischen Agenturen Standard & Poor’s und Moody’s) außerhalb der EU haben darf461 – für Zuwiderhandlungen gegen Anhang III zur EG-RatingVO haftet,462 sofern sich diese kausal auf die Ratingeinstufung des konkret betroffenen Investitionsobjekts ausgewirkt463 haben. Die unterschiedliche Eignung einzelner Aufsichtsrechtsverstöße zur Beeinflussung der Ratinghöhe464 kommt daher ebenfalls zum Tragen, wobei die jeweilige Pflicht in gleichsam gegenläufiger Richtung verletzt worden sein muss, um anstelle des Emittenten die Anleger zu schädigen. Bestimmte Verbotstatbestände des Anhang III dürften dabei vor allem oder gar ausschließlich im Verhältnis zu Anlegern haftungsbegründend wirken: Dies gilt etwa für Fälle, in denen die Rating-Agentur nicht darauf verzichtet, ein strukturiertes Finanzinstrument zu raten, obwohl keine verlässlichen Daten vorliegen oder die Struktur des neuen Typs von Finanzinstrument oder die Qualität der verfügbaren Informationen nicht zufriedenstellend sind oder ernsthafte Fragen dahingehend aufwerfen, ob ein glaubwürdiges Rating erstellt werden kann465 – hätte sie hier nämlich pflichtgemäß das Rating unterlassen, so wäre dem Emittenten dadurch kein Schaden entstanden. Die Frage der Beweislastverteilung war im Rahmen der Haftung gegenüber Anlegern ebenso umstritten wie bei der Haftung gegenüber Emittenten466 und erfuhr bei Schaffung des Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO dieselbe wechselhafte 460 menici, A7–0221/2012, S. 75: „Für die zivilrechtliche Haftung gilt die Regelung des Mitgliedstaats, in dem der geschädigte Anleger zum Zeitpunkt des Schadenseintritts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.“ 460 Siehe § 27 IV 1 b), vor allem unter dd). 461 Dazu § 27 IV 2. 462 Siehe § 27 IV 3 a). 463 Dazu § 27 IV 3 b). 464 Siehe § 27 IV 3 c). 465 Anh. III Abschn. I Nr. 51 EG-RatingVO. 466 Siehe schon § 27 IV 4 mit Nachw. zum Gesetzgebungsverfahren.
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Behandlung. Nach der geltenden Bestimmung hat der Anleger sowohl den Verstoß der Rating-Agentur gegen die aufsichtsrechtlichen Verbote des Anhang III als auch dessen Auswirkung auf das abgegebene Rating durch „genaue und detaillierte Informationen“ darzulegen und zu beweisen,467 wodurch die praktische Durchsetzbarkeit von Anlegeransprüchen entscheidend erschwert wird.468 Ob sich die immanente Beweisnot dadurch kompensieren lässt, dass die Gerichte zu berücksichtigen haben, „dass der Anleger möglicherweise keinen Zugang zu Informationen hat, die allein in der Sphäre der Rating-Agentur stehen“,469 ist einstweilen kaum abzusehen. Nach Art. 35a Abs. 1 EG-RatingVO ersatzfähig sind auch auf Investorenseite schließlich nur kausal durch das Rating vermittelte Schäden,470 während solche Schäden, die ein Anleger ohne Rücksicht auf das Rating allein durch die Zuwiderhandlung der Rating-Agentur erleidet, nach der EG-RatingVO zu keinem Schadensersatzanspruch führen.471 b) Nachweis vertretbaren Anlegervertrauens auf das Rating Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 EG-RatingVO verlangt vom Anleger darüber hinaus den Nachweis, dass er sich bei seiner Entscheidung, in ein geratetes Finanzinstrument zu investieren, dieses Instrument weiter zu halten oder zu veräußern, „in vertretbarer Weise im Einklang mit Art. 5a Abs. 1 EG-RatingVO [d.h. dem Verbot des „übermäßigen Rückgriffs“ auf Ratings durch regulierte Finanzmarktteilnehmer472] oder in sonstiger Weise mit gebührender Sorgfalt auf dieses Rating verlassen hat“.473 Schon der dem Investor damit obliegende Beweis, dass seine Investitions- oder Deinvestitionsentscheidung überhaupt kausal durch seine Ratingkenntnis beeinflusst wurde, ist in der Praxis nur schwierig zu führen, weil viele Anleger in Finanzinstrumente investieren, ohne sich zuvor über deren Rating zu informieren474 und neben der Bonität des Anlageobjekts stets auch andere Faktoren (wie Laufzeit und Zins) für Anlageentscheidungen bedeutsam sind;475 beides scheint gegen einen typischen Geschehensablauf und daher auch die Möglichkeit eines Anscheinsbeweises zu sprechen.476 Dass der konkrete kausale Einfluss einer Marktinformation auf eine bestimmte Investitionentscheidung aber selbst dort, wo er tatsächlich vorlag, selten oder nie bewiesen werden kann, de467
Art. 35a Abs. 2 Unterabs. 1 EG-RatingVO; vgl. dazu schon § 27 IV 4. Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 390. 469 Art. 35a Abs. 2 Unterabs. 2 EG-RatingVO. 470 Dutta, WM 2013, 1729, 1734; Wojcik, NJW 2013, 2385, 2387. 471 Dutta, WM 2013, 1729, 1734. 472 Siehe bereits in § 12 IV sowie noch in § 31 II 3. 473 Eine diesbezügliche Beweisbelastung des Anlegers hatte auch der Kommissionsvorschlag vorgesehen, der in anderer Hinsicht noch eine (später gestrichene) Beweislastumkehr enthielt; siehe dazu schon § 27 IV 4. 474 So Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 495. 475 Tönningsen, ZBB 2011, 460, 470. 476 In diesem Sinne wohl Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 495. 468
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monstriert die Rechtsprechung sowohl zum deutschen Recht (wo Schadensersatzansprüche typischerweise an diesem streng durchgehaltenen Erfordernis477 scheitern) als auch zum U.S.-amerikanischen Recht (wo dasselbe Ergebnis nur mittels der fraud on the market-Theorie vermieden wird478) mit erdrückender Deutlichkeit. Angesichts der im Ersten Teil der vorliegenden Untersuchung berichteten empirischen Befunde zu Marktreaktionen auf Ratingänderungen479 könnte man erwägen, ob hier nicht doch ein typischer Geschehensablauf dergestalt zu konstatieren ist, dass jedenfalls die Herabstufung eines Ratings in den „non-investment grade“-Bereich hinein480 zu Veräußerungsentscheidungen auf Investorenseite führt. Allerdings sind schon die Marktreaktionen nach Heraufstufungen und bei Ratingänderungen dies- oder jenseits der „investment grade“-Schwelle nicht gleichermaßen einheitlich, und mit Blick auf Investitions- oder Halteentscheidungen sind ratinginduzierte typische Geschehensabläufe kaum erkennbar. Wenn man zudem in Rechnung stellt, dass die nachgewiesenen Marktreaktionen zu wesentlichen Teilen auch durch die Regulierungsfunktion des Ratings verursacht sein dürften481 (auf die es unter Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 EG-RatingVO, wie sogleich zu erörtern, nicht ankommen soll), so sprechen die besseren Gründe bei dem gegenwärtigen Stand der empirischen Kapitalmarktforschung doch gegen die Annahme eines Anscheinsbeweises.
Die vom Anleger zu beweisende Beeinflussung seines Anlageverhaltens durch ein Rating wird sodann noch durch die weitere Vorgabe qualifiziert, dass der Anleger sich „in vertretbarer Weise“ im Einklang mit Art. 5a Abs. 1 EG-RatingVO oder in sonstiger Weise mit gebührender Sorgfalt auf das Rating verlassen haben muss.482 Mit dieser Einschränkung versucht der Unionsgesetzgeber einem Dilemma Rechnung zu tragen, in das er durch sein in jüngerer Zeit betontes Vorgehen gegen das „mechanische Sichverlassen“ auf Ratings483 geraten ist: Wenn derselbe Rechtsakt, durch den der hier behandelte Schadensersatzanspruch sich auf Ratings verlassender Anleger eingeführt wurde,484 institutionelle Investoren zur Vornahme eigener Kreditrisikobewertungen verpflichtet und ihnen das ausschließliche oder automatische Sich-auf-Ratings-Stützen untersagt,485 liegt erkennbar ein gewisser Widerspruch vor. Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 EG-Ra477 Vgl. nur (jeweils zur Haftung nach § 826 BGB) BGH, 19.7.2004, BGHZ 160, 134, 143 ff. („Infomatec“); BGH, 4.6.2007, NJW 2008, 76 Tz. 13 ff. („Comroad IV“); ebenso zur Haftung nach §§ 37b, 37c WpHG BGH, 13.12.2011, NJW 2012, 1800 Tz. 61 ff. („IKB“). 478 Grundlegend Basic, Inc. v. Levinson, 7.3.1988, 485 U.S. 224, 247, 108 S.Ct. 978 (1988): „Because most publicly available information is reflected in market price, an investor’s reliance on any public material misrepresentations, therefore, may be presumed for purposes of a Rule 10b–5 action“. 479 Siehe § 5 II. 480 Zu den besonders heftigen Marktreaktionen auf entsprechende downgrades siehe schon § 5 II 2 c). 481 Siehe dazu schon § 5 III 1 a) cc) (2). 482 Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 EG-RatingVO. 483 Siehe zur Aufnahme einschlägiger Vorgaben in das europäische Fondsrecht schon § 12 IV; zu Sinn und Wirksamkeit solcher Normen noch näher in § 31 II 3. 484 Nämlich die ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 485 Art. 5a Abs. 1 EG-RatingVO.
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tingVO versucht vor diesem Hintergrund einen Kompromiss, der den RatingAgenturen jedoch kaum den naheliegenden Einwand verbauen dürfte, der Anleger habe sich gar nicht in vertretbarer Weise auf das Rating verlassen können, weil er sich ja sorgfaltsgemäß auch auf andere Informationen sowie seine eigene Risikoeinschätzung stützen musste.486 Gleichzeitig dürften Investoren die Beeinflussung ihres Anlageverhaltens durch ein Rating nicht länger mit dem bloßen Hinweis auf eine Ratingschwelle in ihren Anlagerichtlinien487 belegen können, weil hierdurch zwar die Transaktionskausalität einer Ratingänderung indiziert werden mag, eine solche Reaktion jedoch angesichts diesbezüglicher neuerer Vorgaben488 wohl nicht gebührend sorgfältig wäre. Der jüngeren Rechtsprechung zum U.S.-amerikanischen Recht lässt sich immerhin eine Argumentationslinie entnehmen, die auch vor den kaum geglückten Schranken des Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 2 EG-RatingVO bestehen könnte: So wurde dort ein angemessenes Sichverlassen auf Ratings (reasonable reliance) mit der Begründung bejaht, dass bestimmte Informationen über strukturierte Finanzinstrumente nur den Rating-Agenturen, nicht aber den Investoren zugänglich waren, weshalb jene sich letztlich auf das Rating verlassen durften.489 Entsprechend wird man auch auf vertrauliche Informationen von Emittentenseite verweisen können, die den Rating-Agenturen beim beauftragten Anleiherating zugänglich gemacht werden490 und von Anlegern ebenfalls nur über das Rating aufgenommen werden können – auch hierin mag man einen Grund dafür erblicken, dass Investoren sich „in vertretbarer Weise“ auf Ratings verlassen dürfen.
3. Bewertung Im Ergebnis wird nach alledem zu Recht davon ausgegangen, dass die Haftung europäischer Rating-Agenturen – die praktisch auch innerhalb der EU viel bedeutsameren U.S.-amerikanischen Agenturen werden von vornherein gar nicht erfasst491 – gegenüber Anlegern nach Maßgabe des Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1, 2 EG-RatingVO nur selten zu durchsetzbaren Schadensersatzansprüchen führen wird; der Vermögensschutz der Investorenöffentlichkeit wird durch die hybride unionsrechtliche Haftungsnorm im Ergebnis also kaum gestärkt.492 486 Ulfbeck, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 309, 315; kritisch Wojcik, NJW 2013, 2385, 2388. 487 Vgl. dazu schon § 12 III. 488 Vgl. auf unionsrechtlicher Ebene nur die Regelungen in Art. 51 Abs. 1 Unterabs. 1 EGOGAW-Richtlinie; Art. 18 Abs. 1a EG-EBAV-Richtlinie; Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 EU-AIFMRichtlinie und Art. 5a EG-RatingVO; zur einstweilen sehr zurückhaltenden Umsetzung dieser Vorgaben in der Aufsichtspraxis der BaFin § 12 IV 1. 489 Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 17.8.2012, 888 F.Supp.2d 431, 462 ff. (S.D.N.Y. 2012); King County, Wash. v. IKB Deutsche Industriebank, 3.1.2013, 916 F.Supp.2d 442, 452 (S.D.N.Y. 2013). 490 Dazu bereits § 2 IV 3 b) aa) sowie § 5 III 1 a) cc) (1). 491 Siehe oben VII 2 a) sowie ausführlich § 27 IV 2. 492 Blaurock, EuZW 2013, 608, 611: „Steine statt Brot“; Dutta, IPRax 2014, 33, 41.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
VIII. Zusammenfassende Würdigung 1. Zusammenfassung der Ergebnisse In den untersuchten Rechtsordnungen steht jeweils ein ganzes Spektrum von Rechtsgrundlagen bereit, die potentiell eine Haftung von Rating-Agenturen gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit, also „dritten“ Investoren begründen könnten und in dieser Hinsicht in Rechtsprechung sowie Schrifttum erörtert werden. Eine detaillierte Untersuchung ergibt jedoch, dass eine solche Haftung letztlich nur ganz ausnahmsweise angenommen werden kann: So wird eine Prospekthaftung von Rating-Agenturen allein im Schweizer Recht für denkbar gehalten,493 während in den übrigen Rechtsordnungen schon eine Prospektverantwortlichkeit der Agenturen jedenfalls im Ergebnis ausscheidet,494 und auch in der Schweiz tritt eine Haftung nur bei „Unrichtigkeit“ des Ratingangabe ein (die im Grund nur bei fehlerhaftem Abdruck des Ratings denkbar ist). Einheitlich wird sodann in allen Rechtsordnungen eine Haftung für vorsätzliches Fehlverhalten der Rating-Agenturen angenommen,495 das jedoch nur selten vorkommen und noch seltener beweisbar sein wird. Bei der Frage nach einer deliktischen Haftung für fahrlässig verursachte Vermögensschäden divergieren die Grundansätze schließlich ganz erheblich: Während im deutschen Recht eine deliktische Haftung für fahrlässige Schädigungen des „reinen“ Vermögens von vornherein unbekannt ist496 (und deshalb verschiedene vertragliche und quasi-vertragliche Alternativlösungen entwickelt wurden), sieht das Schweizer Recht eine solche Haftung grundsätzlich vor, verneint aber die notwendige Rechtswidrigkeit des Agenturhandelns, weil die Rating-Agenturen keine Rechtspflicht zum Schutz von Investorenvermögen trifft.497 Das U.S.-amerikanische Recht kennt verschiedene deliktische Haftungsfiguren,498 die haftungsauslösende Pflichten allerdings jeweils nur gegenüber einem begrenzten Personenkreis499 oder bei bestehender Nähebeziehung annehmen500 und daher allenfalls bei „privaten“ Ratings eingreifen501 – eine Differenzierung zwischen allgemein publizierten und lediglich im Rahmen von Privatplatzierung eingesetzten Ratings, die aus anderen Haftungszusammenhängen bekannt ist. Im Hongkonger Recht, das insoweit dem englischen Recht folgt, wird eine deliktsrechtliche Haftung für fahrlässig fehlerhaft erteilte Informationen schließlich davon abhängig gemacht, dass die Person des vertrauenden Dritten und konkrete Details von dessen Investition bei Informati493
Oben II 2. Oben II 1 (zum deutschen Prospekthaftungsrecht); II 3 (zum U.S.-amerikanischen Prospekthaftungsrecht); II 4 (zum Hongkonger Prospekthaftungsrecht). 495 Oben III. 496 Oben IV 1. 497 Oben IV 2. 498 Oben IV 3. 499 Zu § 552(2) Restatement (Second) of Contracts oben IV 3 a) aa). 500 Zur Haftung für negligent misrepresentation nach Common Law oben IV 3 a) bb). 501 Oben IV 3 a) bb) a.E. 494
§ 30 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber der Investorenöffentlichkeit
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onserteilung erkennbar waren, woran es jedenfalls bei allgemein zugänglichen Ratingveröffentlichungen fehlen wird.502 Ansätze für eine rechtsgeschäftsähnliche Informationsdritthaftung der RatingAgenturen sind sodann im deutschen und im schweizerischen Recht entwickelt worden: In Deutschland wirft die noch junge Kodifizierung der Expertenhaftung in § 311 Abs. 3 BGB in ihrer Anwendung auf Ratings zahlreiche komplexe Fragen auf,503 die nach hier vertretener Ansicht im Grundsatz dadurch zu bewältigen sind, dass man die (haftungsbegründende) Inanspruchnahme von Vertrauen durch Experten nur in Konstellationen annimmt, in denen ein Bezug zu einer konkreten Vertragsanbahnung besteht.504 Dies hat für Rating-Agenturen wiederum zur Folge, dass eine Haftung für allgemein publizierte Ratings ausscheidet, während diese bei privaten Ratings grundsätzlich in Frage käme.505 Das entscheidende Haftungshindernis ist jedoch schließlich der Inhalt der Ratingpublikationen selbst, in dem eine Nutzung der Ratings als Entscheidungsgrundlage für Investitionen ausdrücklich ausgeschlossen und damit letztlich verhindert wird, dass eine Vertrauensinanspruchnahme bejaht werden kann.506 Das Schweizer Recht folgt mit der durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung ausgebauten Vertrauenshaftung einem abweichenden dogmatischen Haftungsansatz, der in seiner Anwendung auf Ratings jedoch zu sehr ähnlichen Ergebnissen führt wie der deutsche § 311 Abs. 3 BGB;507 auch danach scheidet eine rechtsgeschäftsähnliche Haftung somit aus. Die abschließend erörterte Haftung der Rating-Agenturen infolge einer Schutzwirkung des Ratingvertrages mit dem Emittenten zugunsten dritter Investoren knüpft bereits auf den ersten Blick an einen originär deutschen Ansatz an, nämlich den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter,508 der gerade im Zusammenhang mit Ratings eine umfangreiche (und höchst kontroverse) Behandlung im Schrifttum erfahren hat. Im Ergebnis scheidet eine Einbeziehung dritter Investoren in die Schutzwirkungen des Ratingvertrages nach hier vertretener Ansicht aus, und zwar bei veröffentlichten Ratings wegen des Fehlens eines auf übereinstimmenden Parteiwillen zu stützenden Einbeziehungsinteresses,509 während sich bei privaten Ratings letztlich die mangelnde Schutzbedürftigkeit dritter Investoren auswirkt, weil diese über eigene vertragliche Ansprüche gegen den Emittenten verfügen.510 Das Schweizer wie auch das Hongkonger Vertragsrecht lehnen eine Erstreckung vertraglicher Schutzwirkungen auf Dritte dagegen per se ab.511 Das U.S.-amerikanische Recht kennt schließlich zwar den vertraglichen 502 503 504 505 506 507 508 509 510 511
Oben IV 4. Oben V 1. Oben V 1 b) bb). Oben V 1 b) bb) (2). Oben V 1 b) cc). Oben V 2. Oben VI 1, 3 a). Oben VI 3 a) bb). Oben VI 3 a) dd). Zum Schweizer Recht VI 3 b); zum Hongkonger Recht VI 3 d).
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
Schutz von third-party beneficiaries, lässt diesen jedoch nach einheitlicher Rechtsprechung keinen am Ratingvertrag nicht beteiligten Investoren zukommen, weil die Ratingerstellung nach dem Parteiwillen (nur) dem beauftragenden Emittenten nutzen soll512 – eine ungekünstelte Vertragsauslegung, deren Übernahme durch die deutsche „Gutachter“-Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter man sich wünschen mag. Im Ergebnis keinen nennenswerten Haftungsrisiken dürften die Rating-Agenturen auch durch die hybride unionsrechtliche Haftungsnorm des Art. 35a EGRatingVO ausgesetzt sein, die auf Ratings vertrauenden Investoren einen Schadensersatzanspruch zubilligt, wenn eine Rating-Agentur gegen bestimmte aufsichtsrechtliche Pflichten verstoßen hat:513 Der bereits an anderer Stelle behandelte begrenzte Anwendungsbereich der Vorschrift,514 die allfälligen Beweisschwierigkeiten der klagenden Anleger515 sowie das Erfordernis eines „vertretbaren“ Vertrauthabens auf das Rating516 dürften in ihrem Zusammenwirken zur Folge haben, dass darauf gestützte Ansprüche nur selten erfolgreich geltend gemacht werden.
2. Würdigung Eine Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dritten Investoren wird nach den Ergebnissen der obigen Untersuchung fast durchgehend abgelehnt, und zwar – trotz einer Vielzahl dogmatischer Unterschiede zwischen den diversen Haftungsinstituten – ohne Ansehens der konkret anwendbaren Rechtsordnung. Die institutionsschützenden Vorgaben der nationalen Verfassungen, die sich in den in §§ 27–29 behandelten Haftungskonstellationen verschiedentlich auswirkten, kommen dabei fast gar nicht zum Tragen, weil Ansprüche gegen die RatingAgenturen bereits aufgrund von Anforderungen des einfachgesetzlichen Haftungsrechts scheitern. Diese im Rechtsvergleich nahezu einheitliche Haltung mag auf die Erkenntnis zurückzuführen sein, dass es sich bei Ratings um globale Marktinformationen handelt, die den Investoren kostenfrei zugänglich sind, von diesen aber zugleich ohne vertragliche Grundlage oder sonstige Nähebeziehung zu den Rating-Agenturen wahrgenommen und benutzt werden. Die Statuierung einer Haftung im Verhältnis von Rating-Agentur zu allgemeiner Investorenöffentlichkeit hätte vor diesem Hintergrund eine potentielle Schadensersatzpflicht jedenfalls der großen Rating-Agenturen gegenüber einer unabsehbaren Zahl von Anlegern zur Folge – eine Aussicht, die zur Zurückhaltung mahnt.517 Der denkbare Einwand, die Rating-Agenturen hätten bei Anwendung hinreichender Sorg512
Oben VI 3 c). Oben VII. 514 Siehe § 27 IV 2. 515 Dazu oben VII 2 a) sowie § 27 IV 4. 516 Dazu oben VII 2 b). 517 In diesem Sinne auch In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 827 (S.D.Tex. 2005): „This Court has previously discussed the significant rule played by the Credit Rating Agencies in the efficient operation of capital markets, which would be 513
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falt gar keine Haftung zu fürchten, dürfte die Gefahr von Rückschaufehlern unterschätzen, die sich aufgrund der ubiquitären Nutzung von Ratings in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung multiplizieren könnten. Auch in der in diesem Kapitel untersuchten Haftungskonstellation ist dabei wiederum die Bedeutung der allgemein zugänglichen Veröffentlichung von Ratings erkennbar geworden, die Wesensmerkmal ihrer Marktinformationsfunktion ist und zugleich, wie soeben ausgeführt, eine gewisse Zurückhaltung in Fragen der Haftung rechtfertigt: Da dieses Merkmal dort fehlt, wo „private“ Ratings von vornherein nur einem begrenzten Adressatenkreis als Information zugedacht sind, erscheint in diesem Bereich auch eine verstärkte Haftung angemessen. Ob der Befund der Untersuchung auch dort zu einer zurückhaltenden Bewertung zwingt, wo die Rolle der Haftung als präventiver Schutz- und Steuerungsmechanismus518 in Rede steht,519 ist damit nicht gesagt: Von der durchgehend anerkannten Haftung für vorsätzliches Fehlverhalten der Rating-Agenturen dürfte jedenfalls ein Verhaltensanreiz ausgehen, dessen praktische Steuerungswirkung freilich von den Anforderungen an das Wissens- und Wollenselement und dessen Beweis520 abhängt. Im Übrigen spricht einiges für die Annahme, dass eine verbesserte Berücksichtigung des begrenzten Aussagegehalts von Ratings auf Seiten der Investoren sowie eine staatliche Regulierung der Grundanforderungen an die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen521 tauglichere Mittel zur Regulierung des Ratings darstellen als eine verstärkte und möglicherweise übermäßige Haftungsgefahr.522
518 chilled by unlimited potential liability for creditworthiness ratings, while public policy clearly encourages ‚continued vigorous participation in the activity.‘ [A]llowing anyone to sue credit rating agencies who had read the credit rating reports and claimed to have relied upon them and lost money in any endeavour that person undertook would be far more deleterious than beneficial to society as a whole.“ 508 Siehe § 26 I 2. 519 So etwa Deipenbrock, WM 2005, 261, 263 (zum deutschen Haftungsrecht). 520 Zu neueren Entwicklungen im U.S.-amerikanischem Kapitalmarktrecht in dieser Hinsicht oben III 2 b). 521 Dazu bereits § 25 I. 522 In diesem Sinne auch Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1692: „liability to disappointed investors is too blunt an instrument with which to chastise rating agencies for their inaccurate prophesies“; Listokin/Taibleson, 27 Yale J. on Reg. (2010), 91, 101; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 355; Sullivan, 94 Minn. L. Rev. (2010), 2136, 2161 ff.
Fünfter Abschnitt: Kontrolle der Regulierungsfunktion
§ 31 Systemische Risiken der Regulierungsfunktion des Ratings und ihre Vermeidung I. Problemstellung Die Mechanismen einer Regulierung des Ratings, die im Dritten Teil der vorliegenden Untersuchung bisher behandelt wurden, zielten auf die Bewältigung von Problemlagen ab, die aus einem Fehlverhalten der Rating-Agenturen oder der beträchtlichen Bedeutung ihrer Ratings für Finanzmarktteilnehmer und das Funktionieren der Finanzmärkte resultieren. Davon zu unterscheiden sind solche regelungsbedürftigen Risiken, die ihren Grund in dem erreichten Ausmaß rechtlicher Bezugnahmen auf Ratings haben, also dem Umfang ihrer Regulierungsfunktion: Das Bestehen zahlreicher gesetzlicher und vertraglicher „rating trigger“, die sämtlich auf Ratingeinstufungen derselben Rating-Agenturen Bezug nehmen und rechtliche Folgen an diese knüpfen, kann Ratingänderungen mit unvorhersehbaren Wirkungen versehen.1 Das ökonomische Schrifttum spricht insoweit von systemischen Risiken2 und unterscheidet weiter zwischen mikro- und makrosystemischen Risiken.3 In die erste Kategorie fallen Risiken, die sich aus der ubiquitären Verwendung rechtlicher Ratingbezugnahmen für das einzelne Unternehmen ergeben und im Text bereits mit dem Begriff des „Klippeneffekts“ umschrieben wurden:4 Infolge der Herabstufung eines Ratings unter eine bestimmte Ratinggrenze – üblicherweise das „investment grade“5 – sieht sich das betroffene Unternehmen einer ganzen Reihe belastender Rechtsfolgen ausgesetzt, die zwar auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen beruhen, aber gleichzeitig (und damit „systemisch“) ausgelöst werden. Die Regulierungsfunktion des Ratings kann damit im Extremfall die In-
1
Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 127. Eine einheitlich verwandte Definition existiert bislang nicht; vgl. etwa Financial Stability Board, Guidance to Assess the Systemic Importance of Institutions, Markets and Instruments: Initial Considerations (Oct. 2009), Tz. 5: „Establishing what constitutes systemic importance has proved difficult, and most G-20 members do not have a formal definition. Nonetheless, in practice G-20 members consider an institution, market or instrument as systemic if its failure or malfunction causes widespread distress, either as a direct impact or as a trigger for broader contagion.“ Mit Blick auf Ratings ähnlich Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 33: „systematisches Risiko“; Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 127: „Systemrisiko“. 3 Vgl. de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 29. 4 Siehe § 16 III 2, IV 2. 5 Zur verbreiteten Verwendung des „investment grades“ zu Regulierungszwecken bereits § 17 IV. 2
§ 31 Systemische Risiken der Regulierungsfunktion des Ratings
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solvenz des Unternehmens verursachen,6 wie die Beispiele Enron und Pacific Gas and Electric7 sowie in jüngerer Zeit Lehman Brothers8 und AIG9 gezeigt haben. Ein makrosystemisches Risiko kann sich aus der regulatorischen Ratingverwendung dagegen zum einen mittelbar, nämlich infolge der systemischen Bedeutung betroffener Unternehmen ergeben, deren Zusammenbruch zunächst andere Unternehmen und sodann das Finanzsystem insgesamt beeinträchtigt („Dominoeffekt“).10 Zum anderen wird die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems dadurch betroffen, dass die drohenden, aber nicht klar vorhersehbaren Folgen allgegenwärtiger „rating trigger“ das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Marktfunktionen untergraben11 und damit, so wird prognostiziert, selbst Finanzkrisen verursachen oder verschlimmern können.12 Die skizzierten systemischen Risiken können durch eine Regulierung der Rating-Agenturen nicht bewältigt werden, weil die Regulierungsfunktion des Ratings derivativen Charakter besitzt13 und daher von außen, d.h. durch dritte Regelsetzer an die Rating-Agenturen herangetragen wird. Die zentrale Schwierigkeit besteht dabei darin, dass zahlreiche unterschiedliche (staatliche wie private) Regelsetzer unabhängig voneinander auf dieselben Bonitätsbeurteilungen Bezug nehmen und das einzelne Unternehmen von der Existenz dieser „rating trigger“ gar keine Kenntnis besitzen muss, wie etwa am Beispiel interner Anlagerichtlinien institutioneller Investoren14 deutlich wird: Diese mögen auf die Anleihenkurse eines Emittenten sowie seine Refinanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt entscheidende Auswirkungen zeitigen, ohne dass der Emittent selbst ihren Inhalt beeinflussen kann noch über ihre Existenz informiert sein muss. Es geht damit im Ergebnis um die Regulierung systemischer Wirkungen, die sich aus
6 Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532; Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 1. 7 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 209; Hill, 35 Conn. L. Rev. (2003), 1145, 1150; dies., 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 68. 8 So jedenfalls Lannoo, Intereconomics 2008, 265: „Lehman’s fate was sealed when its credit rating was cut to junk status“. 9 Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 112: „it is generally understood that the expected downgrade of AIG was going to trigger capital calls that the company could not meet; hence, the government’s intervention“. 10 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 127; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 210. 11 Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 487: „The operation of rating triggers can precipitate liquidity crises, sharp declines in investor confidence …“. 12 Financial Stability Board, Principles for Reducing Reliance on CRA Ratings (Oct. 2010), S. 1: „financial-stability threatening herding and cliff effects“; Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2010, S. 119; Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 213 befürchten etwa „Kettenreaktionen […], die das globale Finanzsystem in eine Schieflage geraten lassen“; Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16; Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 37; Volk, ZKredW 2004, 1258, 1259: „birgt eine Gefahr für den Bankensektor als Ganzes“. 13 Dazu schon § 1 II 2. 14 Siehe § 12 III.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
dem kumulativen, aber unkoordinierten Zusammenspiel rechtlicher Ratingbezugnahmen ergeben.15
II. Ratingbezugnahmen in Regelungen staatlichen Ursprungs Zur Entwicklung eines Lösungsansatzes empfiehlt es sich, zwischen Ratingbezugnahmen in gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen staatlichen Ursprungs, deren Bestand im Zweiten Teil der Untersuchung rechtsvergleichend ermittelt wurde,16 und den in einem separaten Abschnitt abzuhandelnden „rating triggern“ privater Regelsetzer17 zu unterscheiden.
1. Abschaffung oder Reduktion staatlicher Ratingbezugnahmen a) Vollständige Abschaffung staatlicher Ratingbezugnahmen? Die radikalste Remedur bestünde offenkundig darin, Ratingbezugnahmen in gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen vollständig abzuschaffen und die Regulierungsfunktion des Ratings in dieser Spielart damit ausnahmslos zu beseitigen. aa) Ansatz in Rechtsetzung und Schrifttum Dieser Ansatz wurde zunächst im internationalen Schrifttum vorgeschlagen18 und fand ab 2008 auch Eingang in U.S.-amerikanische Regelungsentwürfe, in denen ein solcher Schritt zumindest erwogen wurde.19 Legislativ verwirklicht wurde er in den U.S.A. dann durch den Dodd–Frank Act aus dem Jahre 2010,20 der in Reaktion auf die globale Finanzkrise 2007–09 die grundsätzliche Abschaffung aller bundesrechtlichen Ratingbezugnahmen anordnete und damit – wie im Zweiten Teil der Untersuchung vielfach angesprochen – die Umgestaltung zahlreicher gesetzlicher und aufsichtsrechtlicher Bonitätsvorgaben erzwang.21 Ein weniger weit gehender Ansatz im Schrifttum tritt demgegenüber für eine wesentliche Zurückführung staatlicher Ratingverwendungen ein, ohne jedoch 15 Vgl. die Einschätzung von Baums, ZHR 166 (2002), 375, 382: „Dieses Problem ist durch eine Regulierung nur schwer zu bewältigen …“. 16 Dazu II. 17 Dazu unter III. 18 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 704; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 110; Darbellay, Regulating Ratings, S. 54; Kiff, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 34, 37; für den Bereich der Bankenregulierung ebenso Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 10. 19 SEC Release 34–58070 „References to Ratings of Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (Proposed Rule) vom 1. Juli 2008, 73 FR 40088 ff. (11. Juli 2008); SEC Release 33– 8940, 34–58071 „Security Ratings“ (Proposed Rule) vom 1. Juli 2008, 73 FR 40106 ff. (11. Juli 2008). 20 Siehe zunächst vor § 6. 21 Dazu § 17 I 4 b).
§ 31 Systemische Risiken der Regulierungsfunktion des Ratings
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deren vollständige Abschaffung zu verlangen.22 Ihm haben sich verschiedene internationale Fachgremien23 ebenso angeschlossen wie wohl die Europäische Union, die in jüngster Zeit eine Überprüfung des Unionsrechts auf solche Ratingbezugnahmen hin begonnen hat, die dazu führen oder führen könnten, dass sich Behörden oder Finanzmarktakteure „ausschließlich oder automatisch“ auf Ratings verlassen und dabei im Sinne eines mittelfristigen Ziels24 die Streichung aller unionsrechtlichen Vorschriften anvisiert, welche die Nutzung oder Abgabe von Ratings zu aufsichtsrechtlichen Zwecken erfordern oder gestatten, „sofern geeignete Alternativen für die Bewertung des Kreditrisikos gefunden und umgesetzt worden sind“.25 bb) Das Problem der fehlenden regelungstechnischen Alternative Mit dem soeben genannten Kriterium ist zugleich das Hauptproblemfeld des beschriebenen Regelungsansatzes angesprochen: Dieses liegt nicht in seiner mangelnden Effizienz – die Gefährdungspotentiale der Regulierungsfunktion des Ratings würden zusammen mit der Regulierungsfunktion selbst entfallen –, sondern in der Frage, welcher Parameter in den zu ändernden Rechtsregeln an die Stelle des Ratings treten soll.26 Das Auffinden tauglicher regelungstechnischer Alternativen zu Ratingbezugnahmen hat sich in der Praxis als außerordentlich schwierig herausgestellt.27 So mussten die U.S.-amerikanischen Aufsichtsbehörden im Zuge der Umsetzung des Dodd–Frank Acts28 nicht selten eingestehen, dass ein überzeugender Ratingersatz schlicht nicht ersichtlich sei,29 und verein22 In diesem Sinne etwa Behr, Wirtschaftsdienst 2008, 628; Deipenbrock, RIW 2010, 612, 613; Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50, 58; Spindler, AG 2010, 601, 611. 23 Financial Stability Board, Principles for Reducing Reliance on CRA Ratings (Oct. 2010), S. 1 ff.; de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 69: „should be significantly reduced over time“; ebenso auch Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2010, S. 119. 24 Nämlich bis zum 1. Januar 2020. 25 Art. 5c EG-RatingVO, eingefügt durch ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. 26 GAO, Report 10–782 (Sept. 2010), S. 96: „SEC’s previous experience highlights the importance of developing a plan to ensure that (1) any adopted alternative standards of creditworthiness for a particular rule facilitate its purpose …“; Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 233; Darbellay, Regulating Ratings, S. 56; Hill, 15 Chapman L. Rev. (2011), 133, 144; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 466. 27 Kiff, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 34, 38. 28 Siehe zum darin enthaltenen Abschaffungspostulat bereits § 17 I 4 b). 29 Federal Reserve System Release „Regulatory Capital Rules: Regulatory Capital, Implementation of Basel III, Capital Adequacy, Transition Provisions, Prompt Corrective Action, Standardized Approach for Risk-weighted Assets, Market Discipline and Disclosure Requirements, Advanced Approaches Risk-Based Capital Rule, and Market Risk Capital Rule“ (Final Rule) vom 9. Juli 2013, 78 FR 62018, 62087 (11. Okt. 2013): „The agencies therefore evaluated a number of alternatives to credit ratings to provide a more granular risk weight treatment for corporate exposures. […] However, the agencies viewed each of the possible alternatives as having significant drawbacks, including their operational complexity, or insufficient development“; SEC Release 34– 67448 „Commission Guidance Regarding Definitions of Mortgage Related Security and Small Business Related Security“ (Interpretation; solicitation of comment) vom 17. Juli 2012, 77 FR 42980, 42981 (23. Juli 2012): „difficult task“, „have raised concerns that replacing the benchmark of credit ratings with another standard could, among other things, be harmful to investors, increase risk to financial institutions, distort financial markets, and increase burdens and costs“.
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zelt wurden vom Gesetzgeber gestrichene gesetzliche Ratingbezugnahmen auf untergesetzlicher Ebene „vorübergehend“ wieder eingeführt, um eine Lücke im Aufsichtsrecht jedenfalls solange erneut durch einen Ratingverweis zu schließen, bis eine Regelungsalternative gefunden sei.30 In internationaler Regelsetzung und Literatur werden im Wesentlichen vier Alternativen diskutiert, die an die Stelle der rechtlichen Indienstnahme von Ratings treten könnten: (1) Credit Spreads So ist zum einen eine andere Marktinformation als regulatorischer Ratingersatz vorgeschlagen worden, nämlich die Risikoprämie (credit spread) für Kreditausfallswaps.31 Unter staatlichen Regelsetzern32 wie auch im Schrifttum33 ist dieser Vorschlag allerdings weit überwiegend auf Ablehnung gestoßen, weil eine ganze Reihe von Gründen gegen eine Erhebung von credit spreads zum Tatbestandsmerkmal staatlicher Gesetze sprechen: So weisen sie zum einen eine hohe Volatilität auf und ändern sich ständig,34 während den Bonitätsbeurteilungen der Rating-Agenturen infolge des gängigen through the cycle-Ansatzes35 eine gewisse Stabilität innewohnt;36 es wird dadurch verhindert, dass sich regulierte Marktteilnehmer täglich wechselnden Gesetzesbefehlen gegenüber sehen und deren prozyklische Wirkung entsprechend zunimmt.37 Der zum Ausgleich dieses Mankos vorgeschlagenen Verwendung 30- oder 90tägiger Durchschnittswerte von credit default swap spreads38 würde dagegen die einfache Ermittelbarkeit und Verständ30 So zur aufsichtsbehördlichen Interpretation des vormals ausdrücklich ratingbasiert definierten Gesetzesbegriffes „mortgage related security“ SEC Release 34–67448 vom 17. Juli 2012, 77 FR 42980, 42981; siehe dazu schon § 10 II 3 a) dd). 31 Mit ausführlicher Begründung Flannery/Houston/Partnoy, 158 U. Pa. L. Rev. (2010), 2085, 2095 ff.; ebenso Jahn, BKR 2009, 25, 26; Partnoy/Skeel, 75 U. Cin. L. Rev. (2007), 1019, 1026 f. 32 So in den U.S.A. diverse Bankenaufsichtsbehörden in Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 62087: „For example, the agencies considered market-based alternatives, such as the use of credit default and bond spreads, and use of particular indicators or parameters to differentiate between relative levels of credit risk. However, the agencies viewed each of the possible alternatives as having significant drawbacks, including their operational complexity, or insufficient development.“ In der Sache ebenso U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 126. 33 Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1, 9; Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 233; Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1688; Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 768 f.; Pettit, in: Fuchita/Litan, Financial Gatekeepers, S. 100, 101; Richter, WM 2008, 960, 962 ff. 34 Cahn, Konzern 2009, 67, 74; Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1, 9; Hull/ Predescu/White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2800; Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1688; Pettit, in: Fuchita/Litan, Financial Gatekeepers, S. 100, 101. 35 Siehe § 5 II 2 a). 36 Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 15; Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 158; Richter, WM 2008, 960, 964. 37 Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1, 9; Rosner, 14 J. Struct. Fin. (Winter 2009), 7, 12; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 10. 38 Partnoy, 25 J.I.B.L.R. (2010), 188, 198.
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lichkeit von Ratings fehlen, die diese erst zum Einsatz in Rechtsnormen geeignet macht. Zum anderen bilden credit spreads (anders als Ratings) nicht allein das Kreditrisiko des betreffenden Finanzinstruments ab, sondern werden gleichermaßen durch dessen Liquidität (oder die Liquiditätseinschätzung des Marktes)39 sowie weitere Risikofaktoren beeinflusst.40 Schließlich ist problematisch, dass Kreditausfallswaps gerade am Primärmarkt (anders als Ratings) nicht als Risikoindikator zur Verfügung stehen41 und es daher nicht erlauben würden, die Regelungsadressaten insoweit Risikovorgaben zu unterwerfen.42 Im Ergebnis stellen sich Bezugnahmen auf credit spreads damit nicht als taugliche Alternative zur Regulierungsfunktion des Ratings dar. (2) Risikobeurteilung durch staatliche Behörden Es kommt des Weiteren eine Risikobeurteilung durch staatliche Regulierungsbehörden in Frage,43 die nach dem bereits Gesagten44 freilich einen erheblichen Ressourcenausbau erfordern würde, weil allein Standard & Poor’s 1,25 Mio. laufende Ratings unterhält.45 Die vereinzelten Forderungen nach der Einrichtung staatlicher Rating-Agenturen46 zielen letztlich in dieselbe Richtung und sehen sich demselben Gegenargument gegenüber. Beide Möglichkeiten würfen zudem das Problem der mangelnden Unabhängigkeit der beurteilenden Stelle auf, wann immer es um eine Beurteilung staatlicher Bonitäten (anstelle von sovereign ratings) geht. (3) Risikobeurteilung durch andere unabhängige Dritte Zu erwägen ist ferner die Ersetzung von Ratings durch sonstige Risikoeinschätzungen, die anstatt von Rating-Agenturen durch andere unabhängige (privatrechtlich organisierte) Dritte erstellt werden. Sie setzt freilich das Vorhandensein tauglicher Drittbeurteiler für das regulierte Risiko voraus, die an den Finanzmärkten bislang kaum vorkommen.47 Praktische Anwendungsfälle für einen solchen Ratingverwendungsersatz beschränken sich daher auf das Beispiel der Na39 Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1075; Perraudin/Taylor, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2769, 2780. 40 Hunt, 60 S. C. L. Rev. (2009), 749, 772; ders., Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 150; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14, 17; Richter, WM 2008, 960, 964. 41 Pettit, in: Fuchita/Litan, Financial Gatekeepers, S. 100, 101; Portes, Rating agency reform, S. 145, 148. 42 Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14, 18: „creates potentially large holes in the regulatory scheme.“ 43 White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 53. 44 Siehe § 17 II 1. 45 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 150. 46 Siehe schon § 20 I 2 b). 47 Vgl. SEC Release 34–67448 vom 17. Juli 2012, 77 FR 42980, 42987: „could a third-party be required to verify that the security meets the definitional standard? If so, what type of entity could perform the verification and who would be responsible for compensating the third-party for this work?“.
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tional Association of Insurance Commissioners (NAIC),48 eines Zusammenschlusses U.S.-amerikanischer Versicherungsaufsichtsbehörden, welche ihre Anforderungen an die risikoabhängige Eigenmittelausstattung (risk-based capital requirements) von Versicherungsunternehmen – also des regulatorischen Gegenstücks zu den Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II/III“49), das in der Europäischen Union unter dem Schlagwort „Solvency II“ behandelt wird – traditionell an eine Risikoeinstufung von deren Wertpapierportfolio band, die sich ihrerseits nach den NRSRO-Ratings der gehaltenen Wertpapiere richtete.50 Seit dem Jahr 2009 stellt die NAIC für die Risikoeinstufung von Residential Mortgage-Backed Securities (RMBS) und Commercial Mortgage-Backed Securities (CMBS)51 stattdessen auf die Risikoeinschätzung eines institutionellen Marktteilnehmers (nämlich der Investmentgesellschaft Pacific Investment Management Co. (PIMCO) für RMBS und der Beratungsgesellschaft BlackRock Solutions für CMBS) ab, die insoweit52 also an die Stelle der NRSRO-Rating-Agenturen und ihrer Ratings gerückt sind.53 Bevor angenommen wird, dass Risikobeurteilungen sonstiger unabhängiger Dritter ein tauglicher Ratingersatz sind, muss freilich stets geprüft werden, inwieweit die alternativen Risikobewertungen diejenigen Charakteristika54 aufweisen, aufgrund derer die Regulierungsfunktion des Ratings in der Vergangenheit ständig an Bedeutung gewonnen hat. Zu diesen zählen – neben der Unabhängigkeit der beurteilenden Stelle55 und deren fachlicher Expertise – namentlich die einfache Verständlichkeit, die kostenfreie Zugänglichkeit und die fortlaufende Aktualisierung des Risikourteils. Hinzu tritt die marktabdeckende Verfügbarkeit von Ratings, die sich infolge der global einheitlichen Ausgestaltung der Bonitätsbeurteilungen großer Rating-Agenturen sowohl auf inländische wie viele ausländische Finanzmärkte erstreckt. Selbst den Risikoeinstufungen durch PIMCO und BlackRock fehlen infolge ihrer Kostenpflichtigkeit (Versicherungsunternehmen müssen für ihre Erstellung und Nutzung bezahlen) und mangelnden fortlaufenden Aktualisierung (sie werden nur einmal jährlich zum Ende des Kalenderjahres vorgenommen) gleich zwei der vorgenannten Merkmale, sodass eine 48
Siehe zur NAIC näher Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1674 ff. Zu diesen oben in § 6. 50 NAIC, Understanding the NAIC Filing Exemption (FE) Rule 1 (25 Feb. 2004), S. 1. Vgl. vgl. zur diesbezüglichen Vorgehensweise des zuständigen Securities Valuation Office (SVO) der NAIC auch Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1674 ff. 51 Siehe allgemein zu diesen Spielarten komplexer Finanzinstrumente § 10 I 1 a). Die Umstellung erfolgte ab dem Jahr 2009 zunächst für RMBS und wurde ab 2010 sodann auch auf CMBS ausgedehnt. 52 Die Risikobeurteilung aller übrigen Fremdkapitalinstrumente (vor allem „traditioneller“ Anleihen) richtet sich nach den Regeln der NAIC dagegen auch weiterhin nach NRSRO-Ratings. 53 Vgl. NAIC, RFP 1344 – Assessment of Residential Mortgage-Backed Securities (RMBS) (23 Oct. 2009), S. 9 ff.; zum Hintergrund näher NAIC, Evaluating the Risks Associated with NAIC Reliance on NRSRO Credit Ratings (28 Apr. 2010). 54 Zu diesen bereits in § 17 II 1. 55 Siehe mit Blick auf Rating-Agenturen schon § 25 I. 49
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flächendeckende Erstreckung der NAIC-Alternativlösung auf andere Regelungszusammenhänge schon aus diesem Grunde ausscheiden dürfte. Das Beispiel des reformierten NAIC-Risikobewertungsregimes weist zugleich darauf hin, dass der Ersatz von Ratings durch alternative Parameter nicht notwendigerweise das hier in Rede stehende Ziel verfolgen muss, systematische Risiken der Regulierungsfunktion des Ratings zu reduzieren: Es ist bezeichnend, dass die bis dahin maßgeblichen NRSRORatings erst für nicht hinreichend verlässlich erklärt wurden, nachdem Ratings von RMBS im Zuge der Finanzkrise stark herabgestuft worden waren und entsprechende Finanzinstrumente im Portfolio der Versicherungsunternehmen in der Folge mit einem erheblich höheren Eigenmittelanteil – nach Schätzungen einem Gesamtbetrag von 9 Mrd. USD – hätten unterlegt werden müssen.56 Die Regulierungsfunktion der Ratings wurde also just in dem Moment abgeschafft, als die viel kritisierten übermäßig positiven Ratingeinstufungen auf eine sachgerechte Höhe gesenkt worden waren – entscheidender Reformanlass dürfte daher die als misslich empfundene Belastung regulierter Versicherungsunternehmen durch die Rechtsfolgen gewesen sein, die an die (wieder) adäquaten Bonitätsbeurteilungen durch Rating-Agenturen anknüpften.57
(4) Risikobeurteilung durch den Regulierten selbst Schließlich ist als Alternative denkbar, die bislang durch Rating-Agenturen vorgenommene Risikobewertung künftig allein dem Regulierten selbst zu übertragen. Während dieser Ansatz im Schrifttum nur vergleichsweise selten propagiert worden ist,58 wurde er in der jüngeren U.S.-amerikanischen Rechtsetzungspraxis überraschend häufig verwandt: So haben diverse Aufsichtsbehörden bei der durch den Dodd–Frank Act auferlegten Aufgabe, bestehende Ratingbezugnahmen in Rechtsvorschriften durch alternative Bonitätsmaßstäbe zu ersetzen,59 in sehr ähnlicher Form auf die Einschätzung des regulierten Risikos durch den regulierten Martteilnehmer selbst verwiesen. Als Folge hängen seit jüngerer Zeit die Risikolosigkeit von Investitionen in Anleihen im Rahmen der Anlagebeschränkungen für Geschäftsbanken von der Kreditwürdigkeitseinschätzung durch die betreffende Bank60 und das Bestehen eines lediglich minimalen Kreditrisikos von der Einschätzung des in die betreffende Anleihe investierenden broker-dealers61 ab. Vergleichbare Neuregelungen wurden vorgeschlagen, aber bislang noch nicht umgesetzt mit Blick auf das Vorliegen eines nur minimalen Kreditrisikos bei Investitionen durch U.S.-amerikanische Geldmarktfonds (das sich nach der Einschätzung der Fondslei56 So auch Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1679: „it was the unattractive prospect of raising that capital that sparked the industry’s successful campaign to get the NCAI’s ratingbased capital rules changed.“ 57 Vgl. Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1671, der von einem „rule bailout“ spricht, welches „allows an industry to change rules the moment those rules become inconvenient“. 58 So etwa durch Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 110. 59 Siehe § 17 I 4 b). 60 Siehe § 7 I 1 d). 61 So nach der 2014 neu gefassten „net capital rule“ unter dem Securities Exchange Act of 1934; siehe dazu § 7 II 2 a) cc).
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tung richten soll62) sowie das Vorliegen einer außergewöhnlich großen Fähigkeit eines Emittenten zur Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen (die ebenfalls von der Einschätzung des Leitungsorgans des regulierten Fonds bzw. des von diesem beauftragten Fondsmanagers abhängen soll, der ein Wertpapier dieses Emittenten bei Repo-Geschäften als Sicherheit akzeptieren will63) und finden sich auch in einem Kommissionsvorschlag für eine EU-Geldmarktfondsregulierung, wo das Abstellen auf die Risikoeinschätzung der Fondsleitung im Rahmen von Anlagebeschränkungen dadurch notdürftig kaschiert wird, dass man in terminologischer Anlehnung an den Basel II-Akkord von „internen Ratings“ spricht.64
Die beschriebene Ersetzung von Bonitätsbeurteilungen der Rating-Agenturen durch die bloße „Selbsteinschätzung“ des jeweils Regulierten taugt letztlich nicht zur Reduktion der Risiken der Regulierungsfunktion des Ratings.65 Dabei erscheint noch hinnehmbar, dass dieser Regelungsansatz deshalb weniger effizient und insofern volkswirtschaftlich nachteilhaft ist, weil die Bonitätsbeurteilung ein und desselben Ratingobjekts nun durch eine Vielzahl verschiedener Beurteiler vorgenommen werden muss,66 denn dieser Nachteil wird durch die Beseitigung des systemischen Risikos, das aus dem Abstellen auf immer dieselben Ratings resultiert, noch aufgewogen. Deutlich schwerer wiegt der bereits an anderer Stelle67 im Einzelnen behandelte Einwand, dass die meisten Finanzmarktteilnehmer mit der Vornahme von Bonitätsbeurteilungen zumindest komplexer Finanzinstrumente schlicht überfordert sind, weil ihnen die nötige Informationsaufnahme-, verarbeitungs- und -beurteilungskompetenz fehlt.68 Der hier kritisierte Regelungsansatz übersieht aber vor allem, dass der Einsatz gesetzlicher Ratingbezugnahmen auf eine Erkenntnis zurückgeht, bezüglich derer unter staatlichen Regelsetzern rechtsordnungsübergreifend Einigkeit besteht (oder jedenfalls bestand): Es ist erforderlich, bei der Beurteilung regulierungsbedürftiger Risiken allein oder jedenfalls auch auf die Einschätzung eines unabhängigen Dritten abzustellen, weil die Einschätzung des regulierten Marktteilnehmers selbst stets dazu neigen wird, das Risiko in Zweifelsfällen als tendenziell gering einzustufen, um die resultierende regulatorische Belastung zu reduzieren.69 Diese Gefahr eines opportunistischen Verhaltens trifft – ungeachtet aller berechtigten Kritik an den Rating-Agenturen – unverändert zu und verdient weiterhin 62 Vorgeschlagene Neufassung der Rule 2a–7 unter dem Investment Company Act of 1940; siehe zu dieser § 12 II 3 a) cc). 63 Vorgeschlagene Neufassung der Rule 5b–3 unter dem Investment Company Act; siehe schon § 12 II 4 c) bb) (3). 64 Siehe § 12 III 3 b) bb). 65 Wie hier auch Hunt, 60 S. C. L. Rev. (2009), 749, 762; ders., Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 150. 66 So die Kritik bei Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1124. 67 Siehe § 5 IV 1 b), § 5 IV 2 a). 68 Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 233; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 229: „The assumption that investors must do an independent analysis without relying on agencies ignores the realities of the industry“; Murphy, 62 Okla. L. Rev. (2010), 735, 781. 69 Siehe hierzu bereits § 17 II 1.
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Beachtung. Aus diesem Grund ist es nicht nur untunlich, sondern gefährlich, rechtliche Ratingbezugnahmen durch Risiko-„Selbsteinschätzungen“ zu ersetzen, auf dies es im Anwendungsbereich der betreffenden Vorschriften gerade nicht ankommen soll.70 Geschieht dies gleichwohl, so ist eine Risikozunahme zulasten geschützter Individuen71 sowie ggfs. der Finanzmarktstabilität insgesamt die unvermeidbare Folge. Einzelne Regelsetzer – wie etwa die SEC – sind sich des beschriebenen Interessenskonflikts immerhin bewusst,72 sahen sich aber gleichwohl nicht in der Lage, von dem hier kritisierten Abstellen auf die Selbsteinschätzung regulierter Marktteilnehmer abzusehen. Der Grund hierfür war letztlich das übermäßig streng gefasste (oder zumindest so verstandene) Abschaffungspostulat des Dodd–Frank Acts, das mutmaßlich keine Rücksichtnahme auf das Fehlen eines tauglichen Ratingersatzes zuließ und so zur Beseitigung rechtlicher Ratingbezugnahmen zwang, ohne die nachteiligen Folgen dieses Schrittes hinreichend in Rechnung stellen zu können.
cc) Ergebnis Es bleibt damit im Ergebnis festzuhalten, dass ein tauglicher Ersatz für Ratings als Bonitätsindikatoren bislang nicht ersichtlich ist.73 Einstweilen dürfte eine vollständige Abschaffung der staatlich zugewiesenen Regulierungsfunktion des Ratings daher ausscheiden.74 70 SIFMA, European Commission’s Proposal for a Regulatory Framework for CRAs and Embedded Ratings Policy Options (29. Sept. 2009), S. 12: „Embedded credit ratings form an important minimum ‚backstop‘ audit of credit investments to be used in the context of internal risk analysis; reflexively stripping them out of regulation is a drastic remedy for a limited problem“; Hunt, 60 S. C. L. Rev. (2009), 749, 762; ders., Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 150; ders., 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1688 f.: „fairly obvious conflicts of interest“. 71 So zur Beseitigung von Ratingbezugnahmen infolge des Dodd–Frank Acts Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1123. 72 Vgl. SEC Release 34–67448 vom 17. Juli 2012, 77 FR 42980, 42987: „Issuers, underwriters, and investors may have incentives to determine that a security meets the definitional standard in order to get favorable treatment under statutes and regulations using the terms ‚mortgage related security‘ or ‚small business related security.‘ Given this potential conflict, could a third-party be required to verify that the security meets the definitional standard? …“; ebenso SEC Release 34– 71194 „Removal of Certain References to Credit Ratings Under the Securities Act of 1934“ (Final rule) vom 27. Dez. 2013, 79 FR 1522, 1529 (8. Jan. 2014): „The Commission is cognizant of the potential conflict of interest inherent in a requirement that relies to some extent on the subjective judgment of the broker-dealer to determine whether a lower haircut should apply to a commercial paper, nonconvertible debt, or preferred stock position, as noted by some commenters. For example, a broker-dealer may want to hold securities with higher yields to earn more interest but at the same time apply lower haircuts to the positions to increase its net capital. This could bias the broker-dealer’s credit assessment towards finding the security has only a minimal amount of credit risk.“ 73 Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 206: „There are no close substitutes for credit ratings“; Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 768: „no viable alternative proxy for credit risk exists.“ 74 Wie hier Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 627; García Alcubilla/Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 253; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 149: rating-basierte Regulierung als „least bad approach to a fundamental problem of financial regulation“.
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b) Beschränkung staatlicher Ratingbezugnahmen auf Fälle der Kreditrisikoregulierung Zugleich dringend und unschwer umzusetzen ist demgegenüber das Postulat, gesetzliche Ratingbezugnahmen ausschließlich dort einzusetzen, wo eine Beurteilung des Kreditrisikos in Rede steht. Wie die Untersuchung im Zweiten Teil dieser Arbeit ergeben hat, wird dieses Postulat augenblicklich in einer großen Anzahl staatlicher Regelungen missachtet, in denen Ratings als Indikator des Liquiditätsrisikos, des Marktrisikos, des Volatilitätsrisikos und sogar der Corporate Governance des Emittenten im Allgemeinen verwandt werden.75 Die damit verbundene Überdehnung der Regulierungsfunktion von Ratings ist in mehrerer Hinsicht gefährlich, weil Ratings zum einen nichts über die genannten Risiken aussagen76 und den Zweck ihrer regulatorischen Verwendung folglich gar nicht erreichen können. Zum anderen dürfte sie gleichzeitig zur Förderung des unter Marktteilnehmern verbreiteten Missverständnisses beitragen, Ratings stellten ein „allgemeines Gütesiegel“77 und damit, im Falle einer hohen Ratingeinstufung, einen Indikator völliger Risikofreiheit dar – eine Fehlvorstellung, der ergänzend durch eine verbesserte Schulung von Investoren sowie aufsichtsrechtliches Einschreiten78 entgegengewirkt werden mag. Künftig sollten gesetzliche Ratingbezugnahmen jedenfalls streng auf den Bereich der kreditrisikobezogenen Regulierung beschränkt werden. Die Notwendigkeit, taugliche Alternativen für die abzuschaffenden Ratingbezugnahmen zu finden,79 sollte einen solchen Schritt nicht verzögern, weil es insoweit bereits den geltenden Regelungen an Tauglichkeit fehlt.
2. Systemrisikoreduzierende Ausgestaltung staatlicher Ratingbezugnahmen Soweit Ratingbezugnahmen in staatlichen Regelungen beibehalten (oder gar neu geschaffen) werden, kann im Übrigen deren sachgerechte Ausgestaltung dazu beitragen, dass das systemische Risiko zumindest reduziert wird. Gegenüber dem heutigen Rechtszustand sind Verbesserungen sowohl bei Ausgestaltung des Tatbestands als auch der Rechtsfolge staatlicher „rating trigger“ denkbar:
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Siehe im Einzelnen § 17 III 2 a). Zum Volatilitätsrisiko bei Commercial Papers in diesem Sinne Stigum/Crescenzi, Stigum’s Money Market, S. 982 (mit Verweis auf die Folgen der Asienkrise 1998 auf den U.S.-amerikanischen Markt für Commercial Paper). 77 Siehe dazu schon § 17 III. 78 Dafür de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 124 mit darauf aufbauender Recommendation 12: „… investors and in particular asset managers must not rely (as has too often been the case) on credit rating agencies assessments; they must exercise informed judgement; penalties should be enforced by supervisors when this is not applied.“ Siehe im Folgenden noch unter 3. 79 Vgl. nur Kessler, BB 2013, 1098, 1099: „Weder Marktpreis- noch operationelle Risiken oder die Verbindung von beiden lassen sich anhand wissenschaftlich allgemein akzeptierter Regeln berechnen oder abschätzen.“ 76
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a) Tatbestände staatlicher Ratingbezugnahmen Mit Blick auf den Tatbestand entsprechender Regelungen ist vor allem eine zurückhaltende Verwendung der „investment grade“-/„non-investment grade“Schwelle anzumahnen, die heute international einheitlich in einer überaus großen Anzahl von Regelungen Verwendung findet.80 Das Abstellen staatlicher Regelsetzer auf andere Ratingschwellen kann deshalb dazu beitragen, dass der bei Herabstufung in den „non-investment grade“-Bereich zu beobachtende credit cliffEffekt reduziert wird, zumal eine entsprechende Änderung der Regelungsusancen in der privaten Vertragspraxis81 ungleich schwerer zu erreichen sein wird. Zur Vermeidung von Klippeneffekten kann daneben auch das Ersetzen „harter“ Ratingschwellen durch tolerantere Ratingbandbreiten beitragen, weil auf diese Weise schon das Auslösen des gesetzlichen „rating triggers“ hinausgeschoben und ggfs. gänzlich verhindert wird. Diese Lösung wurde etwa in der Eigenmittelregulierung von Banken bei der Reform des Basel II-Akkords durch „Basel III“ gewählt, wo Kreditabsicherungen bislang nur dann anerkannt wurden, wenn der Sicherungsgeber mindestens ein „A–“-Rating besitzt,82 während nunmehr auch ein aktuelles Rating von „BBB–“ (also investment grade) genügt, sofern der Sicherungsgeber zum Abschlusszeitpunkt der Kreditabsicherung mindestens ein „A–“-Rating hatte.83 Eine vergleichbare Regelung findet sich in den aktuellen Anforderungen der Europäischen Zentralbank an notenbankfähige Wertpapiere.84 Der flexiblere Ratingkorridor, der danach nach anfänglichem Überschreiten einer Mindestratingschwelle eröffnet wird, sichert freilich notwendigerweise auch das dauerhafte Bonitätsniveau nur in geringerem Maße und muss insofern mit dem konkreten Regelungszweck der Mindestbonitätsschwelle kompatibel sein. b) Rechtsfolgeanordnungen staatlicher Ratingbezugnahmen Bei der Ausgestaltung der Rechtsfolge geht es hingegen vor allem um eine flexible Gestaltung des „ob“ und des „wie“ der ratinginduzierten Rechtsfolgewirkung.85 Hier ist zum einen über Ausnahmeklauseln (escape clauses) nachzudenken,86 die bei Herabstufung des Ratings unter das vorgeschriebene Mindestrating nicht aus80
Siehe § 17 IV. Siehe dazu unter III. 82 Basel II-Akkord, Tz. 195 in der Fassung vor „Basel III“. 83 Basel II-Akkord, Tz. 195 in der Fassung von Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 120. 84 EZB, Leitlinie vom 20. Sept. 2011 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems (Neufassung) (EZB/2011/14) in der Fassung vom 26. Nov. 2012, Tz. 6.3.2 lit. b, wo hinsichtlich der Bonitätsbeurteilung von Asset-Backed Securities durch externe Rating-Agenturen ein „AAA“/„Aaa“-Rating bei Emission und ein „Single A“-Rating während der Laufzeit des Wertpapiers verlangt wird. 85 Zutreffend Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 15: „it would seem that a flexible response to such credit events by institutions is desirable in the interests of overall financial stability …“. 86 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 127. 81
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nahmslos eine Veräußerungspflicht bzw. eine sonstige Rechtsfolge eintreten lassen, sondern diese von einer vorherigen Angemessenheitsprüfung durch die regulierte Person bzw. Institution abhängig machen.87 Beispiele finden sich im europäischen Bankenaufsichtsrecht,88 im deutschen Pfandbriefrecht,89 im U.S.amerikanischen Fondsrecht90 und auch in der internationalen Fondspraxis, wo Downgrades unter das (hier: in internen Anlagerichtlinien) vorgeschriebene Mindestrating überwiegend keinen sofortigen Verkauf der Wertpapiere erzwingen.91 Zum anderen kann ersatzweise oder zusätzlich eine zeitliche Flexibilität eingeräumt werden, wie dies etwa im Schweizer Anlagefondsrecht der Fall ist: Hier schreibt das Gesetz bei Absinken des Ratings unter das geforderte Mindestrating nur vor, „das Reverse Repo unter Wahrung der Interessen der Anlegerinnen und Anleger innerhalb einer angemessenen Frist zu kündigen.“92 Ähnlich verfahren das deutsche Sozialversicherungsaufsichtsrecht, das für die Veräußerung einer herabgestuften Anleihe eine Frist von einem Monat gewährt,93 sowie die neuen „Basel III“-Vorgaben zur Mindestliquiditätsquote von Banken.94 87 In diese Richtung zielt auch Art. 5c EG-RatingVO mit seinem Auftrag an die EU-Kommission, solche Ratingbezugnahmen im EU-Recht zu überprüfen und ggfs. anzupassen, die Finanzmarktakteure zu einem „ausschließlichen oder automatischen“ Sichverlassen auf Ratings veranlassen. 88 Zur „escape clause“ in Art. 12 Nr. 12 Unterabs. 3 der (mittlerweile ersetzten) EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG siehe schon § 6 II 2. 89 Dort in Gestalt des § 20 Abs. 1 Nr. 3 PfandBG, der als Deckungswert für Öffentliche Pfandbriefe ausnahmsweise Forderungen gegen Schuldner der Bonitätsstufe 2 ausreichen lässt, sofern der Schuldner zum Zeitpunkt der Eintragung der konkreten Forderung in das Deckungsregister noch der Bonitätsstufe 1 zugeordnet war (in seinem Rating also zwischenzeitlich herabgestuft wurde) und die betroffenen Forderungen insgesamt 20% des Gesamtbetrages der ausstehenden Öffentlichen Pfandbriefe der Pfandbriefbank nicht übersteigen; vgl. dazu Smola, PfandBG, § 20 Rn. 54, der von einem „gewissen Bestandschutz“ spricht. 90 Vgl. Rule 2a–7(c)(6)(i)(A) unter dem Investment Company Act of 1940 (dazu schon § 12 II 3 a) bb) (3) (c)), der zufolge bei einem Downgrade unter das Mindestrating „the board of directors of the money market fund shall reassess promptly whether such security continues to present minimal credit risks and shall cause the fund to take such action as the board of directors determines is in the best interests of the money market fund and its shareholders“. 91 Vgl. aus der empirischen Kapitalmarktforschung Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 22: der Einschätzung der Investmentmanager werde überwiegend gewisser Spielraum gewährt; Haight/Engler/Smith, 15 JOI (Fall 2006), 47, 50: weniger als 25% der Anlagerichtlinien 200 untersuchter U.S.-amerikanischer college endowment funds schrieben bei Herabstufung unter das Mindestrating explizit einen Verkauf vor. 92 Art. 15 Abs. 2 KKV-FINMA; fast wortgleich auch Art. 8 Abs. 2 und Art. 33 Abs. 2 KKVFINMA. Für eine solche flexible Gestaltung schon früh Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 124. 93 BVA, Rundschreiben vom 1.12.2000 zur Anlage der Rücklage der Sozialversicherungsträger nach § 83 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV – Schuldverschreibungen, S. 4 (wo grds. ein Mindestrating von Aa3 oder AA– verlangt wird): Wird eine geratete Schuldverschreibung nach dem Erwerb bis einschließlich A3 oder A– herabgestuft, so ist die Entwicklung zu beobachten (Monitoring); erfolgt eine weitere Abstufung, „sollte“ die Schuldverschreibung innerhalb eines Monats veräußert werden, wenn sie von einer Agentur mit zumindest Baa1 oder BBB+ oder schlechter gewertet wird. 94 Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013), Tz. 43: „Um die ‚Klippeneffekte‘ zu mildern, zu denen es kommen kann, wenn ein anrechenbarer Vermögenswert z.B. wegen einer Rating-
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c) Risiken Es darf bei alledem freilich nicht übersehen werden, dass eine Flexibilisierung ratingbasierter Rechtsvorschriften nicht nur deren Rigidität, sondern zwangsläufig auch deren Schutzwirkung reduziert: Das mit der regulatorischen Ratingverwendung verfolgte Ziel, den Entscheidungsspielraum der regulierten Akteure durch Bezugnahme auf das Urteil eines unabhängigen Dritten zu begrenzen,95 wird durch eine nachgiebige Regelung weniger sicher erreicht als durch eine strikte Bonitätsvorgabe.96 Der erhöhte Schutz vor systemischen Risiken wird daher mit einem geringeren Schutz einzelner Individuen erkauft – eine Konzession, die gleichwohl sinnvoll erscheinen und u.U. durch den ergänzenden Einsatz anderer Schutzmechanismen ausgeglichen werden kann.
3. (Ergänzende) Verpflichtung regulierter Marktteilnehmer zur Vornahme eigener Bonitätseinschätzungen Als weiteres rechtliches Instrument zur Reduktion systemischer Risiken finden sich schließlich gesetzliche Vorschriften, die regulierte Marktteilnehmer verpflichten, sich ein eigenes Urteil über Bonitätsrisiken zu bilden und sich nicht ausschließlich, „automatisch“ oder „mechanisch“97 auf Ratings zu verlassen. Entsprechende Bestimmungen sind neben gesetzlichen Ratingbezugnahmen, aber auch in Regelwerken anzutreffen, die selbst gar nicht auf Ratings verweisen; ihr Verpflichtungsgehalt kann mit anderen Worten auf die Regulierungsfunktion des Ratings, dessen Marktinformationsfunktion oder aber beide Funktionen zielen. Ihr Zweck besteht jeweils in der Bekämpfung des viel beklagten Phänomens der over-reliance, also eines übermäßigen oder gar „blinden“ Vertrauens von Marktteilnehmern auf Ratings.98 Sie lassen sich damit auch als Beitrag zur Bewältigung systemischer Risiken des Ratings verstehen.
95 herabstufung nicht mehr anrechenbar ist, ist es einer Bank erlaubt, den Vermögenswert für weitere 30 Kalendertage in ihrem Bestand an liquiden Aktiva zu behalten. So erhielte die Bank mehr Zeit, um ihren Bestand anzupassen oder den Vermögenswert zu ersetzen.“ 95 Dazu schon oben unter II 1 a) bb) (4). 96 Kritisch daher Richter, Verwendung von Ratings, S. 150 f., der die Einschränkung des Anlegerschutzes bemängelt (zu Rule 2a–7 unter dem U.S.-amerikanischen Investment Company Act). 97 Vgl. die Konkretisierung des Begriffs „ausschließlich oder automatisch“ in EBA, EIOPA and ESMA, Joint Consultation Paper on Mechanistic references to credit ratings (7 Nov. 2013), Tz. 12: „It is considered that there is sole or mechanistic reliance on credit ratings (or credit rating outlooks) when an action or omission is the consequence of any type of rule solely based on credit ratings (or credit rating outlooks) without any additional discretion.“ 98 Siehe hierzu bereits die Nachweise in § 17 III 1. Andere Stimmen bestreiten die Existenz dieses Phänomens hingegen; vgl. etwa Cantor, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 27, 30: „In general, if you survey investors, you find that institutional investors and large investors do not employ ratings in a highly mechanistic way“.
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a) Rechtsvergleichende Bestandsaufnahme Vorschriften des beschriebenen Typs finden sich in den hier untersuchten Rechtsordnungen in beträchtlicher Zahl; sie sind allerdings überwiegend noch neueren Datums. Ein vergleichsweise frühes Beispiel bietet allein das U.S.-amerikanische Fondsaufsichtsrecht, das eine dahingehende Vorschrift bereits seit dem Jahre 1991 aufweist;99 diese stellt zugleich instruktives Anschauungsmaterial für die begrenzte Wirksamkeit entsprechender Postulate dar. In die übrigen Rechte fanden Bestimmungen der genannten Art dagegen erst seit 2008 im Eindruck der globalen Finanzkrise (und im Anschluss an ein entsprechendes Papier des Financial Stability Board 100) Aufnahme, so etwa in das schweizerische Versicherungsaufsichtsrecht,101 das deutsche Bankenaufsichtsrecht102 und jüngst in multipler Form in das europäische Finanzmarktaufsichtsrecht103 sowie das europäische Fondsrecht.104 Allein das Hongkonger Recht enthält, soweit ersichtlich, bis heute keine entsprechenden Klauseln. b) Zweck der Regelungen Die Bewertung der Sinnhaftigkeit der beschriebenen Vorgaben fällt nicht leicht. Dies gilt zunächst deshalb, weil über ihren Zweck keine Einigkeit und gelegentlich auch wohl keine hinreichende Klarheit besteht: So sollen sie ausweislich einer einschlägigen EU-Richtlinie dem Ziel dienen, „die Qualität der von EBAV, OGAW und AIF [also regulierten Investmentfonds] getätigten Anlagen zu verbessern und dadurch die Anleger dieser Fonds zu schützen“,105 das aber nur dann 99 Rule 2a–7 zum Investment Company Act verlangt seitdem ausdrücklich, dass in Ergänzung zum darin vorgeschriebenen Mindestrating eine eigene Bonitätsprüfung durch die Fondsleitung erfolgen muss, „which determination must be based on factors pertaining to credit quality in addition to any rating assigned to such securities by an NRSRO“ (näher dazu § 12 II 3 b) cc) (2)). 100 Financial Stability Board, Principles for Reducing Reliance on CRA Ratings (27 Oct. 2010). 101 Dort seit 2008 FINMA, Rundschreiben 2008/18 Anlagerichtlinien Versicherer vom 20. Nov. 2008, Rn. 192: „Die Bewertung der inhärenten Risiken verbriefter Forderungen sollte grundsätzlich auf der eigenen Analyse und nicht ausschliesslich auf der Einschätzung von Rating-Agenturen basieren.“ 102 Dort seit 2009 MaRisk, BTO 1.2.4: „Die Verwendung externer Bonitätseinschätzungen enthebt das Institut nicht von seiner Verpflichtung, sich ein Urteil über das Adressenausfallrisiko zu bilden und dabei eigene Erkenntnisse und Informationen in die Kreditentscheidung einfließen zu lassen.“ 103 Seit 2013 Art. 5a Abs. 1 EG-RatingVO: „Die in Artikel 4 Absatz 1 genannten Einrichtungen [d.h. Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen, Rückversicherungsunternehmen, Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, Verwaltungs- und Investmentgesellschaften, Verwalter alternativer Investmentfonds und zentrale Gegenparteien] müssen eigene Kreditrisikobewertungen vornehmen und dürfen sich bei der Bewertung der Bonität eines Unternehmens oder eines Finanzinstruments nicht ausschließlich oder automatisch auf Ratings stützen.“ 104 Seit 2013 (allerdings lt. Art. 4 Abs. 1 EU-Richtlinie 2013/14/EU mit Umsetzungsfrist für die EU-Staaten bis zum 21. Dezember 2014) Art. 51 Abs. 1 Unterabs. 1 EG-OGAW-Richtlinie, Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 EU-AIFM-Richtlinie und Art. 18 Abs. 1a EG-EBAV-Richtlinie. Siehe dazu schon § 12 IV 1. 105 So Erwägungsgrund 2 zur Richtlinie 2013/14/EU vom 21. Mai 2013, durch die entsprechende Klauseln in diverse EU-Richtlinien zum Fondsrecht eingefügt wurden.
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erreichbar wäre, wenn von Fondsleitungen realistischerweise präzisere Bonitätseinschätzungen erwartet werden könnten als von Rating-Agenturen. Der schon an anderer Stelle zitierte Ausspruch von Coffee, wonach „‚do-it-yourself‘ financial analysis of opaque debt instruments is no more feasible for most financial institutions than ‚do-it-yourself‘ brain surgery“,106 bringt die in dieser Hinsicht angebrachte Skepsis treffend zum Ausdruck. Der Zweck der Verbote eines mechanischen Sichverlassens auf Ratings liegt daher richtigerweise nicht im Schutz bestimmter Finanzmarktteilnehmer, sondern im Schutz der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes insgesamt vor systemischen Auswirkungen des Ratingeinflusses. Zur Verwirklichung dieses Zwecks reicht es theoretisch aus, die Einheitlichkeit der Reaktion der Marktteilnehmer auf Ratingänderungen aufzubrechen, weil dadurch die systemische Natur der Ratingeffekte beseitigt oder jedenfalls reduziert würde. Die hier erörterten Vorgaben sind hierzu im Grundsatz geeignet, wenn und soweit ihre Befolgung dazu führt, dass ein nennenswerter Teil der Marktteilnehmer nach Durchführung einer eigenständigen Bonitätsprüfung anders reagiert als die ratingtreue Marktmehrheit – entscheidend ist also die Beseitigung der Einheitlichkeit der Marktreaktion und nicht die Herbeiführung einer bestimmten Reaktion einzelner Marktteilnehmer. c) Bewertung Die Verpflichtung regulierter Marktteilnehmer zur Vornahme eigener Bonitätseinschätzungen teilt dabei als rechtliches Instrument im Wesentlichen die Risiken, die auch dem grundsätzlichen Abstellen auf die Risikobeurteilungen des Regulierten selbst107 und der flexiblen Ausgestaltung staatlicher Ratingbezugnahmen mit dem Ziel der Systemrisikoreduktion108 innewohnen und im Text bereits behandelt wurden, vor allem also die Aufweichung des Schutzgehaltes der einzelnen Norm. Sein Risikogehalt liegt insoweit unterhalb desjenigen eines alleinigen Abstellens auf die Bonitätseinschätzung des regulierten Akteurs (weil die Leitwirkung des Ratings demgegenüber nicht völlig beseitigt wird) und oberhalb desjenigen einer punktuellen Ausweichklausel (weil darin festgelegte Grenzen für die ausnahmsweise Abweichung vom ratinginduzierten Pflichtenprogramm109 hier fehlen). Eine weitere Parallele besteht mit Blick auf den zu erwartenden Normeffekt, weil auch hier zweifelhaft erscheinen muss, ob regulierte Marktteilnehmer sich in ihren Entscheidungen letztlich von Ratings lösen werden – das opportunistische Interesse an der Reduktion des drohenden Haftungs-
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Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 233. Oben II 1 a) bb) (4). 108 Oben II 2. 109 Vgl. beispielsweise die Verwendung eines „Ratingkorridors“ (dazu oben II 2 a)) oder die gesetzliche Einräumung einer bestimmten Frist zur Vertragsbeendigung nach Unterschreitung einer vorgegebenen Ratingschwelle (oben II 2 b)). 107
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risikos durch Handeln in Übereinstimmung mit dem Rating- und Markttrend (moral hazard)110 wird durch das beschriebene Verbot ja nicht beseitigt. Im Ergebnis spricht daher viel dafür, dass es sich bei Rechtspflichten zur ergänzenden Vornahme eigener Bonitätseinschätzungen um nicht mehr als ein regulatorisches Plazebo handelt, das letztlich weder die Bedeutung der Marktinformations- und Regulierungsfunktion des Ratings noch die daraus erwachsenden systemischen Risiken nennenswert reduzieren wird. Es mag sich freilich als Plazebo mit Nebenwirkungen erweisen, weil die Normierung entsprechender Vorgaben den Rating-Agenturen in Haftungskonstellationen den Einwand erleichtert, der klagende Investor habe sich von Rechts wegen gar nicht auf das Rating verlassen dürfen – ein Aspekt, der bei der Haftung nach Art. 35a EG-RatingVO bereits diskutiert wird111 und künftig auch in anderen haftungsrechtlichen Zusammenhängen Bedeutung erlangen dürfte.
III. Ratingbezugnahmen in privaten Regelwerken („rating trigger“) Die Kontrolle „privater“ Ratingbezugnahmen, die etwa in internen Anlagerichtlinien institutioneller Investoren112 oder in Verträgen113 enthalten sind, wirft im Vergleich zur Anpassung von Ratingbezugnahmen in staatlichen Gesetzen noch größere Schwierigkeiten auf.
1. Offenlegungspflichten für „rating trigger“ als Lösung? Als problematisch erweist sich dabei bereits, dass schon die Existenz von privaten Ratingbezugnahmen, ihr Ausmaß und ihre Ausgestaltung häufig unklar sind.114 Während zumindest in Deutschland eine gesellschaftsrechtliche Pflicht der Unternehmensleitung zur Kenntnis der „rating trigger“ in wirtschaftlich bedeutenden Verträgen des Unternehmens bestehen dürfte,115 sind diese für außen stehende Dritte (wie etwa Gläubiger des Unternehmens) typischerweise nicht erkennbar. Als zentraler regulatorischer Ansatz wird daher verbreitet die Herstellung von Transparenz bezüglich vertraglicher Ratingbezugnahmen genannt.116 110
Vgl. nur Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1074. Siehe schon § 30 VII 2 b). 112 Dazu § 12 III. 113 Siehe § 16. 114 Johnson, 13 J. Fixed Income (2004), 25, 26: „Creditors have expressed concern that they never heard of rating triggers attached to other creditors’ claims“; Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532; Moloney, EC Securities Regulation, S. 690. 115 Vgl. dazu § 14 II 3 b). 116 CESR’s Technical Advice on Possible Measures Concerning Credit Rating Agencies (March 2005), Tz. 177: „Transparency and disclosure are important features that could help mitigate some of the negative aspects of rating triggers“; Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2010, S. 119: „Eine Verpflichtung für institutionelle Investoren zur Offenlegung, in welchem Umfang sie 111
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a) Rechtsvergleichender Befund zu gesetzlichen Offenlegungspflichten Legt man eine marktchronologische Systematisierung gesetzlicher Publizitätspflichten117 zugrunde, so sind Pflichten zur Offenlegung von „rating triggern“ sowohl als Bestandteil der Markteintritts- als auch der Marktteilnahmepublizität denkbar. Wie die rechtsvergleichende Bestandsaufnahme deutlich machen wird, sind diesbezügliche Pflichteninhalte bislang ganz unterschiedlich verbreitet: Während sie im Schweizer und Hongkonger Recht unbekannt sind,118 kommen sie im U.S.-amerikanischen und im unionsrechtlich harmonisierten Recht vor, wenngleich auch hier erst seit jüngerer Zeit. Der Anlass für die Einführung spezifischer Offenlegungspflichten durch amerikanische wie europäische Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden dürfte dabei, so darf vermutet werden, übereinstimmend in den Erfahrungen mit dem Zusammenbruch des U.S.-amerikanischen Enron-Konzerns im Jahre 2001 gelegen haben: Hier hatte eine Herabstufung des Ratings von Enron auf „BBB–“ (also noch im „investment grade“) einen „rating trigger“ in einem Darlehensvertrag ausgelöst und bewirkt, dass Enron als Darlehensnehmerin entweder zusätzliche Sicherheiten stellen oder die gesamte Darlehenssumme in Höhe von 690 Mio. USD sogleich zurückzahlen musste. Enron hatte in seinem Quartalsbericht (Form 10–Q) dabei erst die bereits erfolgte Auslösung des „rating triggers“ offen gelegt,119 dessen Existenz (die anscheinend nicht einmal der eigenen amtierenden Unternehmensleitung bekannt war) zuvor aber nie publiziert120 – zwei Wochen später musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Im Zuge der regulatorischen Aufarbeitung dieses spektakulären Ereignisses geriet auch die mangelnde Publizität vertraglicher „rating trigger“ in den Fokus.
aa) Offenlegung von „rating triggern“ als Teil der Markteintrittspublizität Nach Auffassung des CESR121 und einer Meinung im Schrifttum122 kennt das unionsrechtlich harmonisierte Prospektrecht seit dem Inkrafttreten der EG-ProspektVO eine Pflicht zur Offenlegung von „rating triggern“ in Wertpapierprospekten. Da die EG-ProspektVO und ihre umfangreichen Anhänge jedoch keinerlei spezifische Regelung zu Ratingklauseln enthalten, ist die Verortung einer diesbezüglichen Angabepflicht unklar: Während die Literatur je nach Lage des
sich117auf Ratingurteile stützen und welche Rolle Ratings in ihren Anlagemandaten spielen, könnte die Anreize für eine kritische Würdigung externer Ratings erhöhen“; Cormier, 21 Am. Bankr. Inst. J. (2002), 16. 117 Siehe zu dieser Merkt, Unternehmenspublizität, S. 351 ff. 118 So für die Schweiz Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 152. 119 Enron Corp., 10–Q-Bericht vom 19. Nov. 2001, S. 10. 120 Vgl. U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 114: „Enron officials told S&P that current Enron management had not even known about the $690 million obligation; it was a surprise to them when the trustee for the affected entity had exercised the trigger.“ 121 CESR’s Technical Advice on Possible Measures Concerning Credit Rating Agencies (March 2005), Tz. 179 ff. 122 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 210; Moloney, EC Securities Regulation, S. 690; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 312.
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Falles für eine Nennung unter der Rubrik „Risikofaktoren“123 oder der Rubrik „finanzielle Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten“124 in Prospekten für Schuldtitel und derivative Wertpapiere eintritt,125 verlangt das CESR eine Angabe in Prospekten für Aktien unter der Rubrik „Eigenkapitalausstattung“,126 weil hier bereits verletzte sowie gefährdete Bedingungen zu Kreditabreden (covenants) offen zu legen127 und zu diesen auch „rating trigger“ zu zählen seien.128 Nach hier vertretener Auffassung sprechen die besseren Gründe dafür, eine etwaige Angabepflicht auf die Rubrik „Wesentliche Verträge“129 zu stützen, die sowohl in Prospekten für Aktien wie auch für die unterschiedlichen Schuldtitelarten vorgeschrieben ist und in sachlicher Hinsicht besser passt. Zudem kennt auch das U.S.-amerikanische Recht – wie noch zu zeigen sein wird130 – im Bereich der Regelpublizität eine vergleichbare Einordnung. Ganz unabhängig von dieser Frage weist die Offenlegung von „rating triggern“ im Wege der Prospektpublizität aber strukturelle Schwächen auf, aufgrund derer sie als zur Bewältigung systemischer Risiken wenig geeignet erscheinen: So richtet sich ein Wertpapierprospekt zum einen an die potentiellen Erwerber der konkreten Emission und nicht die Marktöffentlichkeit insgesamt, weshalb selbst darin offengelegte Ratingklauseln nur einem Teil der von ihrer Wirkung betroffenen Personen bekannt werden. Vor allem bieten die Prospektangaben aber in zeitlicher Hinsicht nur eine Momentaufnahme und können daher jedenfalls dann kein zutreffendes Bild des möglicherweise nach Prospektemission ausgeweiteten Bestandes an „rating triggern“ bieten, wenn man – wie zutreffend angenommen wird131 – eine diesbezügliche Pflicht zur Prospektaktualisierung132 nur in besonders gelagerten Fällen bejaht. Die Regelung der „Trigger“-Transparenz als Teil der Markteintrittspublizität erscheint daher allein wenig zielführend. 123
Anh. IV, Tz. 4 u. Anh. V, Tz. 2 zur EG-ProspektVO. Anh. IV zur EG-ProspektVO, Tz. 13. 125 So Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 210 Fn. 143; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 312. 126 Anh. I zur EG-ProspektVO, Tz. 10.4: „Informationen über jegliche Beschränkungen des Rückgriffs auf die Eigenkapitalausstattung [in der englischen Textfassung: on the use of capital resources], die die Geschäfte des Emittenten direkt oder indirekt wesentlich beeinträchtigt haben oder u.U. können“; so CESR’s Technical Advice on Possible Measures Concerning Credit Rating Agencies (March 2005), Tz. 179 f. 127 Diese Publizitätspflicht stützt man auf Anh. I, X zur EG-ProspektVO, Tz. 10; so CESR’s Recommendations for the Consistent Implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses No 809/2004 (Jan. 2005), Tz. 37; Just/Voß/Ritz/Zeising/Fingerhut/Voß, Anh. I EU-ProspektVO Rn. 170. 128 CESR’s Technical Advice on Possible Measures Concerning Credit Rating Agencies (March 2005), Tz. 181. 129 Anh. I, Tz. 22, Anh. IV, Tz. 15, Anh. IX, Tz. 12, Anh. X, Tz. 22 und Anh. XI, Tz. 12 zur EG-ProspektVO. 130 Unter bb) (1). 131 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 210. 132 Art. 15 EG-Prospektrichtlinie. 124
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bb) Offenlegung von „rating triggern“ als Teil der Marktteilnahmepublizität Demgegenüber sind Pflichten zur Offenlegung von „rating triggern“ im Recht der Marktteilnahmepublizität häufiger anzutreffen, und zwar vor allem im Bereich der Regelpublizität,133 seltener auch der ad hoc-Publizität.134 (1) U.S.-amerikanisches Recht: Pflicht zur Offenlegung von Ratingklauseln mit „wesentlicher“ Bedeutung im Rahmen der Regelpublizität In der U.S.-amerikanischen Regelpublizität finden sich seit jeher sowohl im Jahresabschlussbericht (Form 10–K) als auch in den Quartalsberichten (Form 10– Q) zwei Rubriken, unter denen Rating-Trigger offen gelegt werden konnten (und in der Praxis vielfach auch wurden), nämlich zum einen die allgemeine Kategorie von „Risikofaktoren“135 sowie die als Teil der „Management’s Discussion and Analysis of Financial Condition and Results of Operations“ vorgesehene Rubrik „Tabular disclosure of contractual obligations“,136 in der ausdrücklich die ergänzende Angabe von „provisions that create, increase or accelerate obligations“ angeregt („may“),137 aber eben nicht vorgeschrieben wird. Diese Publizitätspflichten wurde 2003 durch die Aufnahme einer neuen Rubrik verschärft, die seitdem die Offenlegung von sog. off-balance sheet arrangements vorschreibt, sofern diesen eine „wesentliche“ Bedeutung für die finanzielle Situation des Unternehmens zukommen kann, und zwar einschließtlich „[a]ny known event, demand, commitment, trend or uncertainty that will result in or is reasonably likely to result in the termination, or material reduction in availability to the registrant, of its off-balance sheet arrangements that provide material benefits to it“.138 Dass damit gerade auch „rating trigger“ gemeint sind, ergibt sich eindeutig aus den Entstehungsmaterialien zu dieser Regelung,139 die erkenn133
Sogleich (1), (2). Dies übersieht Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 298. Unter (3). 135 Item 1A („Risk Factors“) des Form 10–K sowie das gleichlautende Item 1A in Part II des Form 10–Q, jeweils i.V.m. Item 503(c) Regulation S–K. 136 Item 7 des Form 10–K und Item 2 des Form 10–Q, jeweils i.V.m. Item 303 Regulation S–K. 137 Item 303(a)(5)(i) Regulation S–K: „The tabular presentation may be accompanied by footnotes to describe …“. 138 Item 303(a)(4)(i)(D) Regulation S–K. 139 SEC Release 33–8182, 34–47264 „Disclosure in Management’s Discussion and Analysis About Off-Balance Sheet Arrangements and Aggregate Contractual Obligations“ (Final Rule) vom 28. Jan. 2003, 68 FR 5982, 5989 (5. Feb. 2003): „Under this requirement, a registrant must disclose, for example, any material contractual provisions calling for the termination or material reduction of an off-balance sheet arrangement. The disclosure also should address factors that are reasonably likely to affect the registrant’s ability to continue using off-balance sheet arrangements that provide it with material benefits. For example, if a registrant’s credit rating were to fall below a certain level, some off-balance sheet arrangements may require the registrant to purchase the assets or assume the liabilities of an unconsolidated entity. In addition, a change in a registrant’s credit rating could either preclude or materially reduce the benefits to the registrant of engaging in offbalance sheet arrangements. In such cases, the registrant will have to disclose known circumstances that are reasonably likely to cause its credit rating to fall to the specified level and discuss the material consequences of the drop in ratings.“ 134
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bar in Reaktion auf den Enron-Zusammenbruch geschaffen wurde. Es handelt sich damit in der Sache um eine auf Ratingklauseln geradezu zugeschnittene Publizitätspflicht. Eine Schwäche dieser Offenlegungspflicht ergibt sich freilich daraus, dass sie explizit auf „rating trigger“ in solchen Verträgen beschränkt ist, die für das publizitätspflichtige Unternehmen „wesentlich“ sind: Da Umfragen in der Vergangenheit aber gerade ergaben, dass 77,5% der U.S.-amerikanischen Unternehmen die Existenz von Rating-Triggern in ihren Verträgen deshalb nicht offen legen, weil sie diese nicht als für ihre finanzielle Lage wesentlich einstuften,140 lässt sich erahnen, dass diese Voraussetzung die Wirksamkeit der Offenlegungspflicht stark beeinträchtigen kann. Hinzu tritt der Umstand, dass sich eine wesentliche Wirkung auch aus dem Zusammenwirken mehrerer „rating trigger“ ergeben kann, die jeweils in nicht-wesentlichen Vertragswerken enthalten sind – auch dieses Charakteristikum eines systemischen Risikos wird von der geltenden U.S.-amerikanischen Regelung nicht berücksichtigt. (2) Deutsches und europäisches Recht: Pflicht zur Offenlegung (auch ratingabhängiger) Change of Control-Klauseln im jährlichen Lagebericht Das deutsche Recht der Regelpublizität verpflichtet börsennotierte Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, „wesentliche Vereinbarungen der Gesellschaft [bzw. des Mutterunternehmens], die unter der Bedingung eines Kontrollwechsels infolge eines Übernahmeangebots stehen, und die hieraus folgenden Wirkungen …“ als Teil des Jahresabschlusses im Lage- bzw. Konzernlagebericht offen zu legen.141 Diese Regelungen für Gesellschaften, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind – die Notierung nur von Fremdkapitaltiteln genügt nicht142 – setzen Vorgaben der europäischen Übernahmerichtlinie um;143 sie existieren daher in vergleichbarer Form in der gesamten EU. Schon ausweislich ihres entstehungsgeschichtlichen Hintergrundes dienen sie vorrangig dem Schutz potentieller Bieter, die in die Lage versetzt werden sollen, sich vor der Abgabe eines Angebots ein umfassendes Bild über die mögliche Zielgesellschaft und ihre Struktur sowie etwaige Übernahmehindernisse zu machen144 und damit die „Marktfähigkeit“ von Zielgesellschaften einzuschätzen.145 Ob die Publizitätspflicht darüber hinaus auch die Information jedes, d.h. 140 Williams, 21 Int’l Fin. L. Rev. (Aug. 2002), 4, 5 unter Verweis auf eine Untersuchung aus dem Jahre 2002. 141 § 289 Abs. 4 Nr. 8 HGB und, nahezu wortgleich, § 315 Abs. 4 Nr. 8 HGB. 142 Baumbach/Hopt/Merkt, § 289 Rn. 4; Lange, in MünchKomm-HGB, § 289 Rn. 130. 143 Art. 10 Abs. 1 lit. j EG-Übernahmerichtlinie. 144 BT-Drs. 16/1003, S. 24; Baetge/Brüggemann/Haenelt, BB 2007, 1887, 1891; Ensthaler/ Lezius, § 289 Rn. 47; van Kann/Just, DStR 2006, 328, 332. Ebenso zur EG-Übernahmerichtlinie Krause, BB 2004, 113, 116; Lanfermann/Maul, BB 2004, 1517; Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 221, 222; dies., AG 2004, 306, 308. 145 Ensthaler/Lezius, § 289 Rn. 47; Fülbier/Pellens, in MünchKomm-HGB, § 315 Rn. 60; Merkt/Binder, BB 2006, 1285, 1291.
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auch des ohne Übernahmeabsicht handelnden Anlegers im Hinblick auf eine informierte Investitionsentscheidung146 oder gar des Marktes insgesamt147 bezweckt, ist umstritten, aber letztlich nicht entscheidend, weil die betreffenden Angaben anerkanntermaßen unabhängig davon zu publizieren sind, ob ein Übernahmeangebot vorliegt oder zu erwarten ist.148 Sie stehen daher jedenfalls faktisch zur Information des Marktes zur Verfügung. Sachlich erfasst die Publizitätspflicht in Gestalt der nicht näher definierten „wesentlichen Vereinbarungen“ der Gesellschaft auch Kreditverträge149 und Schuldverschreibungen,150 also Vereinbarungstypen, in denen „rating trigger“ häufig vorkommen.151 Sie bezieht sich aber eben nur auf solche Verträge, die unter der Bedingung eines Kontrollwechsels infolge eines Übernahmeangebots stehen, und deckt damit von vornherein nur einen Teil der in der Vertragspraxis vorkommenden „rating trigger“ ab, nämlich ratingbasierte „change of control“oder „material adverse change“-Klauseln.152 Ungeklärt ist des Weiteren, in welchem Umfang die Inhalte der erfassten vertraglichen „Bedingung“ (d.h. der Ratingklauseln) nach §§ 289 Abs. 4 Nr. 8, 315 Abs. 4 Nr. 8 HGB offen gelegt werden müssen: Während manche Stimmen zu Recht davon ausgehen, dass sowohl die Voraussetzungen der vereinbarten Gestaltungsrechte (triggering events), insbesondere die Kontrollwechseldefinition153 (und damit auch vorgesehene Ratingschwellen) als auch der Inhalt der Gestaltungsrechte („Wirkungen“, wie etwa Kündigungs- oder Änderungsrechte der anderen Vertragspartei)154 anzugeben sind, wollen sich andere mit Blick auf die Übersichtlichkeit und Klarheit der Lageberichterstattung mit einer Zusammenfassung des wesentlichen Vereinbarungsinhalts begnügen,155 was den Informationswert für den hier untersuchten Zweck ganz erheblich mindern würde. Das sich auch hier stellende Problem des Umgangs mit ratingabhängigen Vereinbarungen, die zwar nicht allein, aber ku146 So ausdrücklich BT-Drs. 16/1003, S. 15; Kirsch/Köhrmann, in Beck HdR (Stand: Dez. 2007), B 510 Rn. 223; Seibt/Heiser, AG 2006, 301, 315; ebenso zur EG-Übernahmerichtlinie dies., ZGR 2005, 200, 236. 147 Fülbier/Pellens, in MünchKomm-HGB, § 315 Rn. 60; Merkt/Binder, BB 2006, 1285, 1291; Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193, 2196; in diese Richtung wohl auch Wiesner, ZIP 2004, 343, 347. 148 BT-Drs. 16/1003, S. 24; Kirsch/Köhrmann, in Beck HdR (Stand: Dez. 2007), B 510 Rn. 224; Lange, in MünchKomm-HGB, § 289 Rn. 130; ebenso zur EG-Übernahmerichtlinie Lanfermann/ Maul, BB 2004, 1517, 1518; Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 306, 308. 149 Zur EG-Übernahmerichtlinie Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 306, 309. 150 Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 237. 151 Siehe § 16. 152 Lange, in MünchKomm-HGB, § 289 Rn. 138; Seibt/Heiser, AG 2006, 301, 316; ebenso zur EG-Übernahmerichtlinie Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 306, 309; Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193, 2198; dies., ZGR 2005, 200, 238. 153 Kirsch/Köhrmann, in Beck HdR (Stand: Dez. 2007), B 510 Rn. 252; Sailer, AG 2006, 913, 918: Wortlautwiedergabe aber nicht notwendig; Seibt/Heiser, AG 2006, 301, 316. 154 Sailer, AG 2006, 913, 918; Seibt/Heiser, AG 2006, 301, 316. 155 BT-Drs. 16/1003, S. 25; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Wiedmann, § 289 HGB Rn. 44; Ensthaler/Lezius, § 289 Rn. 56; Glade/Haak/Hellich, Konzern 2004, 455, 461. Ebenso zur EGÜbernahmerichtlinie Lanfermann/Maul, BB 2004, 1517, 1520.
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Dritter Teil: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
mulativ für die Gesellschaft „wesentlich“ sind, wird im deutschen und europäischen Übernahmerecht hingegen sachgerecht gelöst – nach überwiegender und zutreffender Ansicht ist insoweit eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen und folglich ggfs. alle Verträge offen zu legen.156 Wiederum eingeschränkt werden die §§ 289 Abs. 4 Nr. 8, 315 Abs. 4 Nr. 8 HGB durch eine Schutzklausel für Angaben, die der Gesellschaft einen erheblichen Nachteil zufügen können; in einem solchen Fall kann deren Offenlegung völlig unterbleiben.157
(3) Offenlegung von „rating triggern“ als Teil der anlassabhängigen Marktteilnahmepublizität Ergänzt wird die trigger-bezogene Regelpublizität durch Offenlegungspflichten der anlassabhängigen Marktteilnahmepublizität oder „ad hoc“-Publizität, die jedoch nur begrenzt hilfreich sind: So müssen börsennotierte Unternehmen im U.S.-amerikanischen Recht mittels des Form 8–K158 mittlerweile zwar schon die Vereinbarung von „wesentlichen“ (material) direkten Finanzverbindlichkeiten oder Verbindlichkeiten unter einem off-balance sheet arrangements offen legen, und zwar inklusive etwaiger darin enthaltener „wesentlicher“ Fälligkeits- oder Ausweitungsklauseln.159 Dies ist eine zu begrüßende zeitliche Vorverlagerung gegenüber der schon älteren Offenlegungspflicht bezüglich (erst) des tatsächlichen Eintretens klauselauslösender trigger events, die weiterhin besteht160 und auch bei ausgelösten „rating triggern“ eingreift161 – sie könnte allein aber nur bewirken, dass die Marktöffentlichkeit wie im Fall Enron erst dann von risikoreichen Rating-Triggern erfährt, wenn deren Risiko sich bereits materialisiert hat. Der Form 8–K-Publizität ist dabei immanent, dass die zeitnahe Offenlegung einzelner „rating trigger“ keinen Überblick über die den kumulativ wirkenden Gesamtbestand solcher Klauseln bei der jeweiligen Gesellschaft sicher stellen kann; während dies unter Zugrundelegung der Hypothese informationseffizienter Kapitalmärkte keine Schwierigkeit darstellt, reduziert es nach hier vertretener Ansicht die Adressatengerechtheit der Publizitätsregelung ganz wesentlich.162 Dem will man in der Schweiz vereinzelt dadurch begegnen, dass man die Ad hoc-Pu156 Baetge/Brüggemann/Haenelt, BB 2007, 1887, 1891; Kirsch/Köhrmann, in Beck HdR (Stand: Dez. 2007), B 510 Rn. 251; Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193, 2198; a.A. Sailer, AG 2006, 913, 915 (Offenlegung nur bei Umgehungssachverhalten). 157 Siehe ausführlich (zur EG-Übernahmerichtlinie) Glade/Haak/Hellich, Konzern 2004, 455, 461 f. 158 Siehe dazu schon § 11 II 1 c) aa). 159 Item 2.03(a)(2), (b)(2) Form 8–K („Creation of a Direct Financial Obligation or an Obligation under an Off-Balance Sheet Arrangement of a Registrant“): „if applicable, a brief description of the material terms under which it may be accelerated or increased …“. 160 Item 2.04 des Form 8–K („Triggering Events That Accelerate or Increase a Direct Financial Obligation or an Obligation under an Off-Balance Sheet Arrangement“) mit Instruction 2: „No disclosure is required under this Item 2.04 unless and until a triggering event has occurred …“. 161 Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 298. 162 Vgl. zu diesen informationstheoretischen Ansätzen bereits § 5 III, IV.
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blizitätspflicht des Emittenten nach Art. 53 KR eingreifen lässt, sobald die kumulierten Auswirkungen vereinbarter Rating-Trigger geeignet sind, den Börsenkurs im Falle eines Downgrades erheblich zu beeinflussen163 – ein unterstützenswerter Ansatz, der bislang jedoch anscheinend keine weitere Zustimmung gefunden hat. b) Beschränkte Tauglichkeit der Risikoprävention durch Offenlegung Im Ergebnis erweist sich die Offenlegung von „rating triggern“ damit als Lösungsansatz, der zurückhaltend zu beurteilen ist. Die bestehenden Publizitätspflichten führen in der Sache dazu, dass Rating-Trigger entweder zum falschen Zeitpunkt und/oder gegenüber der falschen Adressatengruppe offen gelegt werden: Während die Prospektpublizität nur die Adressaten der konkreten Emission erreicht und die Ad hoc-Publizität sich zwar an den Markt insgesamt richtet, aber (jedenfalls in der geltenden Ausgestaltung des U.S.-amerikanischen Rechts) nur zur Information über jeweils einzelne trigger-behaftete Verträge verpflichtet, kann die Regelpublizität auf der einen Seite ein umfassendes Bild über bestehende Rating-Trigger bieten, das aber auf der anderen Seite (vor allem bei der Jahresabschlusspublizität) schnell veralten kann. Die abnehmende Aktualität der Informationen über ratingbasierte „change of control“Klauseln wurde bei Schaffung der EG-Übernahmerichtlinie zwar als Problem erkannt, aber letztlich hingenommen: Sofern die im Jahresabschluss gemachten Angaben im Laufe eines Geschäftsjahres unrichtig werden, bedarf es einer sofortigen Offenlegung nur, soweit der Tatbestand einer sonstigen Publizitätsvorschrift (wie etwa §§ 15, 21, 22 WpHG) erfüllt ist;164 eine eigenständige Pflicht zur unterjährigen Aktualisierung des Lageberichts hatte man diskutiert, im Ergebnis aber verworfen.165
In ihrer Effektivität werden die bestehenden Publizitätspflichten für „rating trigger“ schließlich dadurch beeinträchtigt, dass sie durchgehend erst bei „Wesentlichkeit“ der betroffenen Verträge oder Ratingklauseln eingreifen, deren Beurteilung stets mit Unsicherheiten behaftet ist166 und die zudem nur schlecht für Faktoren passt, die – wie eben Ratingklauseln – ihre „wesentliche“ Wirkung erst durch ihr Zusammenspiel, d.h. ihr gleichzeitiges und bei derselben Ratingschwelle ausgelöstes Eingreifen erlangen. Hier bedürfte es also einer Offenlegung, die nicht nur das kumulative Zusammenwirken separater 163 So der Vorschlag von Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 152 (noch zu Art. 72 KR a.F.). Siehe bereits § 11 I b). 164 Glade/Haak/Hellich, Konzern 2004, 455, 460; Seibt/Heiser, ZIP 2002, 2193, 2198; dies., ZGR 2005, 200, 239. 165 Krause, BB 2004, 113, 116; Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 239. 166 So soll die Wesentlichkeitsschwelle im europäischen und deutschen Übernahmerecht grundsätzlich hoch anzusetzen sein (so etwa Sailer, AG 2006, 913, 915), während eine entsprechende Interpretationsleitlinie dem U.S.-amerikanischen Regelpublizitätsrecht nicht bekannt ist (in der Praxis werden „rating trigger“, wie im Text erwähnt, in der U.S.A. gleichwohl häufig nicht offen gelegt).
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Rating-Trigger erfassen, sondern diese auch zeitnah abbilden kann – da es an einer solchen Regel fehlt,167 stellt sich Publizität aktuell nicht als taugliche Lösung dar.168
2. Ausgleich systemischer Wirkungen von „rating triggern“ durch kompensierende aufsichtsrechtliche Regelungen Zumindest abmildern lassen sich systemische Auswirkungen von „rating triggern“ dadurch, dass die Existenz solcher Klauseln bei Ausgestaltung sektorspezifischer (aufsichts-)rechtlicher Vorgaben in Rechnung gestellt wird. Dies geschieht bislang allerdings noch selten; ein Beispiel findet sich jedoch in den „Basel III“Mindestliquiditätsvorgaben für Banken aus dem Jahre 2013:169 Dort wird von dem schon konstatierten Befund170 ausgegangen, dass auch viele von Banken geschlossene Finanzierungsverträge, Derivate und sonstige Kontrakte ratingbasierte Klauseln aufweisen, die bei Herabstufung des Ratings der Bank die Hinterlegung zusätzlicher Sicherheiten, die Inanspruchnahme von Eventualfazilitäten oder die vorzeitige Tilgung von bestehenden Verbindlichkeiten verlangen und dadurch einen erhöhten Liquiditätsbedarf der Bank auslösen können.171 Die „Basel III“-Vorgaben tragen dem präventiv dadurch Rechnung, dass Banken als Teil des vorgeschriebenen Stressszenarios unterstellen müssen, dass sie bei jeder Herabstufung ihres langfristigen Ratings um bis zu drei Stufen 100% der zusätzlichen Sicherheiten oder Barauszahlungen stellen müssen172 – die vertraglich vereinbarten Folgen eines Ratingdowngrades werden also in typisierter Form „eingepreist“, indem die aufsichtsrechtlichen Liquiditätsanforderungen von vornherein entsprechend angehoben werden. Freilich ist erkennbar, dass eine solche „dezentrale“, weil Anpassung zahlreicher aufsichtsrechtlicher Regelung erfordernde vorausschauende Kompensation jeweils nur begrenzte Auswirkungen zeitigt. Für „rating trigger“, die durch die Vielzahl nicht aufsichtsrechtlich regulierter Unternehmen vereinbart werden, eignet sie sich nicht. Sie dürfte daher als Lösungsansatz nur dazu taugen, die Aus-
167 Zur insofern aussichtsreicheren Offenlegung von Ratingklauseln gegenüber den RatingAgenturen siehe noch unter III 4. 168 Eine Missachtung der bestehenden Publizitätspflichten führt jedenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Rating-Trigger, obgleich das Europäische Parlament, Entschließung zu der Rolle und den Methoden von Rating-Agenturen (2003/2081(INI)) vom Feb. 2004, Tz. 15 dies meint: „… ist der Auffassung, dass die Benutzer von Ratings, ob im privaten oder im öffentlichen Sektor, die Ratings unter angemessener Berücksichtigung der Stabilität der Kapitalmärkte verwenden sollen, indem sie insbesondere mögliche Rating-Klauseln in den Kreditvereinbarungen offen legen oder andernfalls Gefahr laufen, dass solche Klauseln für null und nichtig erklärt werden“. (Von einer solchen „Gefahr“ kann nach geltendem Recht keine Rede sein.). 169 Siehe zu diesen schon § 7 II 1 a). 170 Siehe § 16. 171 Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013), Tz. 118. 172 Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013), Tz. 118.
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hebelung spezifischer Aufsichtsrechtsvorgaben durch vertragliche Ratingbezugnahmen zu verhindern, ohne jedoch eine effektive Bewältigung systemischer Risiken zu ermöglichen.
3. Gesetzliche Verbote vertraglicher Ratingbezugnahmen und ihre Grenzen Vor dem dargestellten Hintergrund ist zu fragen, ob an Stelle einer Regulierung durch Publizität nicht eine Regulierung durch materiellrechtliche Vorgaben, d.h. ein gesetzliches Verbot vertraglicher Ratingbezugnahmen den Vorzug verdient. Die Angemessenheit eines solchen Verbots unterliegt dabei zunächst dem rechtspolitischen Urteil des jeweiligen Gesetzgebers,173 der die in § 17 II 1 zusammengefassten Vorteile einer Regulierung durch Ratings gegen deren systemische Risiken abzuwägen hat. Der europäische Gesetzgeber hat sich dabei in jüngster Zeit für einen Mittelweg entschieden und die mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden verpflichtet, die Verwendung vertraglicher Bezugnahmen auf Ratings durch regulierte Finanzinstitute zu bewerten und ggfs. „Anreize“ zur Abmilderung der Auswirkungen von „rating triggern“ zu setzen,174 ohne jedoch deren Verbot vorzuschreiben. Mit Blick die Durchsetzung eines möglichen Verbotstatbestandes ist zu unterscheiden: Soweit Ratingbezugnahmen in internen Anlagerichtlinien institutioneller Investoren175 in Rede stehen, könnte ein Verbot im Zusammenhang mit den aufsichtsrechtlichen Genehmigungserfordernissen ansetzen, denen Investmentfonds ebenso wie sonstige professionelle Finanzmarktteilnehmer regelmäßig ohnehin unterliegen176 und die nicht selten auch die Vorlage interner Regelungen zu Anlagepolitik und Risikovorsorge verlangen.177 In inhaltlicher Hinsicht werden Kapitalverwaltungs- und Investmentgesellschaften etwa im deutschen Recht im Übrigen schon heute verpflichtet, bei der Ausübung ihrer Tätigkeit auch im Interesse der Integrität des Marktes zu handeln,178 während im Hongkonger Recht immerhin der zuständigen Aufsichtsbehörde die Reduzierung systemischer Risiken in der Finanzindustrie als Aufgabe vorgegeben wird.179 Ganz vereinzelt finden sich bereits in geltenden aufsichtsbehördlichen Regelun173 Für ein solches Verbot eintretend Financial Stability Board, Principles for Reducing Reliance on CRA Ratings (Oct. 2010), S. 5. 174 So Art. 5a Abs. 2 EG-RatingVO (in Kraft seit dem 20. Juni 2013); vgl. dazu Blaurock, EuZW 2013, 608. 175 Dazu § 12 III. 176 Zu Investmentfonds im deutschen Recht § 163 Abs. 1 KAGB (früher § 7 Abs. 1 InvG); im schweizerischen Recht § 13 KAG. 177 Im schweizerischen Recht gemäß § 15 KAG; vgl. dazu Dörig, RIW 2007, 169, 170. 178 § 26 Abs. 2 Nr. 2, 5, § 119 Abs. 1 Nr. 1, 2, § 128 Abs. 1 Nr. 1, 2, § 147 Abs. 1 Nr. 1, 2, § 153 Abs. 1 Nr. 1, 2 KAGB. Entsprechende Regelungen enthalten auch Art. 14 Satz 3 lit. a, b und e EGOGAW-Richtlinie. 179 § 4(e) Securities and Futures Ordinance (Cap. 571): „to reduce systemic risks in the securities and futures industry“.
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gen auch Vorgaben zu Ratingbezugnahmen, wie etwa im schweizerischen Recht zu Stiftungssatzungen.180 Erheblich komplexer stellt sich die Situation dagegen mit Blick auf „rating trigger“ in sonstigen Vertragswerken dar,181 die – wie im Regelfall – weder einer behördlichen Genehmigung noch sonstiger präventiver Überwachung unterliegen.182 Die Schwierigkeit liegt hier im wesentlichen darin, dass ein Verbot entsprechender Ratingklauseln die Vermeidung des Zusammenwirkens zahlreicher entsprechender Rating-Trigger bezweckt und damit einem überindividuellen Zweck dient, der mit den Interessen der beiden kontrahierenden Vertragsparteien – denen eine Ratingbezugnahme die gewünschte Kreditrisikoverteilung inter pares erlaubt – nicht übereinstimmen muss. Funktional vergleichbare gesetzliche Verbote sind im geltenden Recht, soweit ersichtlich, selten. Ein Beispiel findet sich jedoch im deutschen Währungsrecht, wo das Indexierungsverbot des § 2 PaPkG Vertragsklauseln verbietet, nach denen der Betrag von Geldschulden unmittelbar und selbsttätig durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt wird, die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind. Dieses Indexierungsverbot bezweckt dabei nicht den Schutz der Vertragsparteien, sondern der nationalen Wirtschaft und ihrer Stabilität183 und weist damit gewisse Parallelen zu einem Verbot von „rating triggern“ auf. Allerdings ist bezeichnend, dass der Bereich des Geld- und Kapitalverkehrs – zu dem neben Schuldverschreibungen, Schatzbriefen und ähnlichen Finanzierungsinstrumenten auch Kreditverträge gezählt werden184 – ausdrücklich vom Indexierungsverbot ausgenommen wird.185 Begründet wird diese Bereichsausnahme nicht zuletzt damit, dass sich ein Indexierungsverbot bei Finanzdienstleistungen in einem einheitlichen europäischen Geld- und Kapitalmarkt nicht durchsetzen ließe186 – eine Einsicht, die umso mehr für vertragliche Bezugnahmen auf Ratings gelten dürfte, die als Risikoindikator weltweit einheitlich Verwendung finden. Ein gesetzliches Verbot von „rating triggern“ in Verträgen dürfte daher als Remedur ausscheiden.
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Bundesamt für Sozialversicherungen, Anforderungen an Anlagestiftungen: Praxis der Aufsicht Berufliche Vorsorge zu den Anforderungen an Anlagestiftungen unter ihrer Aufsicht (Nov. 2009). 181 Dazu § 16. 182 Vgl. zur Kontrolle vertraglicher Rating-Trigger Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 68 Fn. 121: „thorny question“. 183 Schmidt-Räntsch, NJW 1998, 3166, 3166 f.; Vogler, NJW 1999, 1236, 1237. 184 Jauernig/Mansel, § 245 Rn. 24; Schmidt-Räntsch, NJW 1998, 3166, 3168. 185 § 2 Abs. 1 Satz 3 PaPkG. 186 Heymann/Horn, § 361 Rn. 26; Schmidt-Räntsch, NJW 1998, 3166, 3168 (mit dem Hinweis, dass kein anderer Teilnehmerstaat der europäischen Währungsunion ein Indexierungsverbot nach deutschem Vorbild kennt).
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4. Adressatengerechte Publizität als Lösung: Die Offenlegung vertraglicher Ratingbezugnahmen gegenüber den Rating-Agenturen Die Lösung des beschriebenen Dilemmas dürfte nach alledem doch in einer Offenlegung vertraglicher „rating trigger“ liegen,187 die zu diesem Zweck aber – im Unterschied zu den bestehenden gesetzlichen Publizitätspflichten188 – adressatengerecht auszugestalten wäre.189 Als taugliche Adressaten kommen insoweit wohl nur die Rating-Agenturen selbst in Frage, weil diese in der Lage sind, die durch die Emittenten mitgeteilten Ratingbezugnahmen in ihrer kumulativen Wirkung einzuschätzen190 und bereits während der Ratingerstellung zu berücksichtigen.191 In der Folge wäre denkbar, dass die Rating-Agentur eine unangemessen hohe Zahl bestehender Rating-Trigger oder deren in systemischer Hinsicht bedenkliche Gestaltung – wie etwa bei einer verbreiteten Verwendung der „investment grade“-Schwelle – bei der Bonitätsbeurteilung als negativen Faktor einstuft.192 In einer solchen Verfahrensweise würde zwar in der Tat eine Art Vorwegnahme des trigger events liegen,193 die jedoch deshalb hinnehmbar erscheint, weil damit mittelbar ein Anreiz für den Emittenten zur Vermeidung entsprechender Vertragsklauseln geschaffen würde.194 Ratingbezugnahmen in solchen Vertragswerken, an denen der zu beurteilende Emittent selbst nicht als Partei beteiligt ist – wie namentlich Mindestratings in Anlagevorschriften dritter institutioneller Investoren – würden durch eine solche Offenlegung freilich nicht erfasst. Hier bliebe damit de lege ferenda nur die Schaffung gesetzlicher Verbotstatbestände, die im Text195 thematisiert wurde.
Im Ergebnis führt die vorgeschlagene Offenlegung vertraglicher „rating trigger“ gegenüber den Rating-Agenturen damit zu einer Rückbindung ihrer derivativen Regulierungsfunktion an ihre originäre Marktinformationsfunktion. Systemische Risiken der Regulierungsfunktion würden auf diese Weise einer systeminternen Bewältigung zugeführt. 187 Zur aktuellen Praxis der Rating-Agenturen insofern Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 15: „… encourage more disclosure of such mechanisms [d.h. rating trigger], though this is by no means complete“. 188 Oben III 1. 189 Zu diesem allgemeinen Postulat des Publizitätsrechts § 18. 190 Einzelne Rating-Agenturen haben Emittenten insoweit bereits in der Vergangenheit befragt und entsprechende Daten erhoben; vgl. Samson, Identifying Rating Triggers (March 2002). 191 Samson, Identifying Rating Triggers (March 2002); Williams, 21 Int’l Fin. L. Rev. (Aug. 2002), 4, 5; Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 4. Einer allgemein zugänglichen Publikation des „rating trigger“-Bestandes, der ihr gegenüber durch die Emittenten offen gelegt wurde, von Seiten der Rating-Agentur steht dagegen ihre Vertraulichkeitspflicht gegenüber dem Emittenten (§ 25 IV) entgegen; vgl. Williams, a.a.O., 5. 192 Vgl. aus Sicht einer Rating-Agentur Stumpp, Unintended Consequences of Rating Triggers, S. 9: „We will incorporate the serious negative consequences of those triggers in our ratings and in our research.“ 193 Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 299. 194 Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 68: „Discouraging rating triggers might be a start …“. 195 Unter III 3.
Schlussbetrachtung Der Einfluss der Rating-Agenturen und ihrer Ratings an den heutigen Finanzmärkten kann auf zwei zu unterscheidende Funktionen zurückgeführt werden, die dem Rating zukommen: Während das Rating originär lediglich eine Marktinformationsfunktion besaß, in deren Wahrnehmung die Rating-Agenturen der Marktöffentlichkeit Bonitätsbeurteilungen über Emittenten oder Emissionen zur Verfügung stellen, wird ihm seit einiger Zeit zusätzlich eine Regulierungsfunktion zugewiesen, weil Gesetzgeber und private Regelsetzer zunehmend in rechtlichen Regelungen auf Ratings Bezug nehmen.1 Das Hinzutreten dieser (derivativen) Regulierungsfunktion, die in den hier untersuchten Rechtsordnungen Deutschlands, der Schweiz, der U.S.A. und Hongkongs in jüngerer Zeit ständig an Bedeutung gewonnen hat, verstärkt die Rolle der Rating-Agenturen und verändert sie zugleich, weil die regulatorische Indienstnahme von Ratings Rückwirkungen auf deren Marktinformationsfunktion zeitigt. Dass Ratings an den Finanzmärkten seit jeher zu den wichtigsten Marktinformationen zählen, dürfte dabei nach hier vertretener Ansicht vor allem auf ihre „Codierung“ in Form von Ratingkürzeln („AAA“, „BB+“) zurückzuführen sein, die „realen“ Marktteilnehmern eine unproblematische Aufnahme und Verarbeitung der Information erlaubt.2 Eine Regulierung durch Ratings lässt sich dabei heute im Rechtsvergleich auf einer großen Anzahl von Sachgebieten nachweisen: So werden Ratings in ihrer Regulierungsfunktion namentlich in der Bankenregulierung eingesetzt, wo sie schon seit den 1930er Jahren Verwendung finden und seit Umsetzung des „Basel II“Akkords international fast einheitlich über die Eigenmittelanforderungen an Banken entscheiden.3 Auf Ratings wird aber ebenso in rechtlichen Regelungen Bezug genommen, welche den Markteintritt und die -teilnahme von Emittenten oder die zulässigen Investitionen institutioneller Investoren (wie Versicherungsgesellschaften, Investmentfonds und Pensionsfonds) betreffen;4 besonders zahlreich sind Verweise auf Ratings dabei in Regeln zu komplexen Finanzinstrumenten.5 Darüber hinaus spielen sie bei der Anwendung rechtlicher Standards zur Kapitalaufbringung und -erhaltung von Kapitalgesellschaften6 und zur Anlage-
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§ 1. § 5. §§ 6 f. §§ 8 ff. § 10. § 13.
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Schlussbetrachtung
beratung von Privatanlegern7 sowie schließlich als Klauselbestandteile in Finanzierungsverträgen8 eine maßgebliche Rolle. Die Gründe für diesen verbreiteten rechtlichen Rekurs auf Bonitätsurteile privater Rating-Agenturen ähneln sich dabei stets: Im Vordergrund steht das Bestreben, regulatorische Mindestvorgaben hinsichtlich der Bonität weder an die diesbezügliche Einschätzung regulierter Marktteilnehmer noch staatlicher Aufsichtsbehörden, sondern vielmehr eines unabhängigen fachkundigen Dritten anzuknüpfen, dessen Bonitätsbeurteilungen zudem leicht verständlich sind und nationale wie internationale Finanzinstrumente gleichermaßen abdecken. Soweit Ratings dagegen als Ersatz für die gesetzlich geregelte Publizität (wie etwa der Pflicht zur Veröffentlichung von Wertpapierprospekten) akzeptiert werden, reagieren die Regelsetzer damit auf die Beobachtung, dass Investoren Ratings in der Realität vielfach ohnehin an Stelle der gesetzlichen Pflichtpublizität als alleinigen Risikoindikator verwenden.9 Die Regulierungsfunktion des Ratings erhöht dabei nicht nur die Bedeutung des Ratings insgesamt, indem sie dessen Beachtung zwingend vorschreibt und damit vom Vertrauen der Marktteilnehmer unabhängig macht, sondern versieht das Rating ihrerseits mit neuem Gefährdungspotential: So verkennen Regelsetzer nicht selten, dass ein Rating auch bei seiner regulatorischen Verwendung ausschließlich eine Beurteilung der Bonität ausdrückt und kein „allgemeines Gütesiegel“ darstellt, als welches es jedoch in mancherlei Rechtsvorschrift eingesetzt wird.10 Bedenklich erscheint auch, dass in gesetzlichen wie vertraglichen Ratingbezugnahmen weit überwiegend auf die „investment grade“-Schwelle verwiesen wird, wodurch eine einheitliche Reaktion zahlreicher Marktteilnehmer auf Ratingherabstufungen erzwungen und ein (unbeabsichtigter) „Synchronisierungseffekt“ erzeugt wird.11 Schließlich weist die große Bedeutung des Ratings als private Marktinformation darauf hin, dass die bestehenden gesetzlichen Publizitätsregelungen ihrerseits daran leiden, dass sie vielfach nicht adressatengerecht ausgestaltet sind – es wird daher einer Neuorientierung bei der Gestaltung des Publizitätsrechts bedürfen, welches künftig stärker auf die Aufnehmbarkeit und Verarbeitbarkeit der offenzulegenden Informationen Acht geben sollte.12 Im Ergebnis macht die Bedeutung des Ratings in seiner Marktinformationswie seiner Regulierungsfunktion damit eine rechtliche Ordnung des Ratingwesens, also eine „Regulierung des Ratings“ erforderlich. Diese wird sich nicht auf Versuche zur Förderung des Wettbewerbs am Markt der Rating-Agenturen beschränken können, weil die traditionelle Dominanz des globalen Ratingmarktes durch lediglich drei Rating-Agenturen (die gemeinsam 95% aller weltweit veröffentlichten Ratings erstellen) damit erklärbar sein dürfte, dass es sich um ein natürliches Oligopol handelt: Eine größere Anzahl an Ratinganbietern dürfte den 7 8 9 10 11 12
§ 15. § 16. § 17 II. § 17 III 2. § 17 IV. § 18.
Schlussbetrachtung
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Vorteil der Komplexitätsreduktion, der Ratings auszeichnet, wieder entfallen lassen und wird daher kaum umsetzbar sein.13 Jede Regulierung der Rating-Agenturen muss freilich die institutionsschützenden Wirkungen der Pressefreiheit beachten, von denen die Rating-Agenturen in allen hier untersuchten Rechtsordnungen profitieren und die einer staatlichen Kontrolle wie auch privatrechtlichen Haftungsregelungen bestimmte (im Rechtsvergleich uneinheitliche) Grenzen setzt.14 Nach geltendem Recht unterliegen Rating-Agenturen dabei vor allem Vorschriften zur staatlichen Anerkennung solcher Agenturen, welche die Verwendbarkeit ihrer Ratings für Zwecke regulatorischer Bezugnahmen ermöglichen wollen und sich daher freiwillig bestimmten Anerkennungsfolgepflichten unterwerfen.15 Daneben sieht das Recht der Europäischen Union seit Inkrafttreten der EG-RatingVO sogar ein unterschiedsloses Zulassungserfordernis für alle Rating-Agenturen vor, welches allerdings in der bestehenden Form dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht genügen und daher mit der Garantie der Pressefreiheit nach höherrangigem Unionsrecht unvereinbar sein dürfte; die ganz ähnliche Zulassungsregel des Hongkonger Rechts ist dagegen in ihrer Ausgestaltung rechtmäßig.16 Aus dem Bestand an Anerkennungsfolgepflichten, dem Inhalt der freiwilligen Verhaltenskodizes der Rating-Agenturen sowie einzelnen nicht ratingspezifischen Rechtsnormen der nationalen Rechte lässt sich bereits heute ein Corpus von Organisations- und Verhaltenspflichten ableiten, dem die am Markt anerkannten Ratinganbieter zu genügen haben.17 Im Zentrum steht dabei die Sicherung ihrer Unabhängigkeit, die bislang nur unzureichend gewährleistet sein dürfte.18 Neben der präventiven Kontrolle kann im Ratingkontext zudem der privaten Rechtsdurchsetzung Bedeutung zukommen, wenn nämlich von Seiten der Emittenten19 oder der Investoren20 eine privatrechtliche Haftung der Rating-Agenturen geltend gemacht wird. Die Anforderungen an eine solche Haftung werden im Rechtsvergleich ganz uneinheitlich definiert und sind mit zahlreichen Unsicherheiten und Streitfragen behaftet, die ihren Grund im Wesentlichen in dem Umstand finden, dass Ratings – trotz ihres unbestreitbaren Einflusses am Finanzmarkt – eben doch nur Prognosen der künftigen Zahlungsfähigkeit des Emittenten sind. Schon ein Fehlverhalten der Rating-Agenturen ist daher regelmäßig nur schwierig zu belegen, bevor die Frage einer Haftungsbegründung (vor allem gegenüber „dritten“ Investoren) noch weitere Schwierigkeiten aufwirft. Als ähnlich komplex erweist sich schließlich die Frage, wie systemischen Risiken infolge 13 14 15 16 17 18 19 20
§ 20. § 21. § 23. § 22. § 25. § 25 I. §§ 27 f. §§ 29 f.
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Schlussbetrachtung
der verbreiteten regulatorischen Inbezugnahme von Ratings rechtlich begegnet werden kann.21 Im Ergebnis wird man davon ausgehen können, dass die Bedeutung des Ratings in seinen unterschiedlichen Funktionen auf absehbare Zeit fortbestehen wird. Die einzelnen Spielarten seiner Regulierungsfunktion werden sich dabei voraussichtlich verändern und, so steht zu hoffen, zunehmend so gestaltet werden, dass sie dem begrenzten Aussagegehalt des Ratings als bloßer Bonitätsbeurteilung besser gerecht werden als bislang. Der Bedarf für eine aufnehm- und verarbeitbar codierte Marktinformation wie das Rating dürfte jedenfalls so lange fortbestehen, wie Investoren an immer komplexer werdenden Finanzmärkten Kreditrisiken einschätzen müssen.
21
§ 31.
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Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 8.7.1986 – Lingens ./. Österreich, EuGRZ 1986, 424 ff. (deutsche Übersetzung) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 20.11.1989 – markt intern Verlag GmbH ./. Deutschland, EuGRZ 1996, 302 ff. (deutsche Übersetzung) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 28.3.1990 – Groppera Radio AG ./. Schweiz, EuGRZ 1990, 255 ff. (deutsche Übersetzung) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 22.5.1990 – Autronic AG ./. Schweiz, EuGRZ 1990, 261 ff. (deutsche Übersetzung) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 26.11.1991 – Observer and Guardian ./. Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1995, 16 ff. (deutsche Übersetzung) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 19.6.1995 – Tolstoy Miloslavsky ./. United Kingdom, (1995) 20 EHRR 442 ff. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 8.7.1995, Nr. 23536/94 und 24408/94 – Baskaya und Okcuoglu ./. Türkei, NJW 2001, 1995 ff. (deutsche Übersetzung) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 24.2.1997 – De Haes und Gijsels ./. Belgien, Rep. 1997-I, 236 ff. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 19.2.1998, Nr. 141/1996/760/961 – Bowman ./. Vereinigtes Königreich, Rep. 1998-I, 175 ff. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 25.8.1998, Nr. 59/1997/843/1049 – Hertel ./. Schweiz, GRUR Int. 1999, 156 ff. (deutsche Übersetzung) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 8.7.1999, Nr. 23168/94 – Kartaș ./. Türkei Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 22.5.1999, Nr. 25390/94 – Rekvényi ./. _ Ungarn, NVwZ 2000, 421 ff. (deutsche Übersetzung)
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Deutschland Bundesverfassungsgericht, 15.1.1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 ff. („Lüth“) Bundesverfassungsgericht, 6.10.1959 – 1 BvL 118/53, BVerfGE 10, 118 ff. Bundesverfassungsgericht, 5.8.1966 – 1 BvR 586/62, 610/63 und 512/64, BVerfGE 20, 162 ff. („Spiegel“) Bundesverfassungsgericht, 1.3.1967 – 1 BvR 46/66, BVerfGE 21, 207 ff. Bundesverfassungsgericht, 4.4.1967 – 1 BvR 414/64, BVerfGE 21, 271 ff. („Südkurier“) Bundesverfassungsgericht, 14.10.1969 – 1 BvR 30/66, BVerfGE 27, 89 ff. Bundesverfassungsgericht, 25.4.1972 – 1 BvL 13/67, BVerfGE 33, 52 ff. Bundesverfassungsgericht, 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 ff. („Soraya“) Bundesverfassungsgericht, 28.11.1973 – 2 BvL 42/71, BVerfGE 36, 193 ff. Bundesverfassungsgericht, 22.6.1982 – 1 BvR 1376/79, BVerfGE 61, 1 ff. („Wahlkampf“) Bundesverfassungsgericht, 15.11.1982 – 1 BvR 108, 438, 437/80, BVerfGE 62, 230 ff. („Boykott“) Bundesverfassungsgericht, 10.5.1983 – 1 BvR 385/82, BVerfGE 64, 108 ff. Bundesverfassungsgericht, 25.1.1984 – 1 BvR 272/81, BVerfGE 66, 116 ff. („Wallraff“) Bundesverfassungsgericht, 13.1.1988 – 1 BvR 1548/82, BVerfGE 77, 346 ff. („Presse-Grosso“) Bundesverfassungsgericht, 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 ff. („Handelsvertreter“) Bundesverfassungsgericht, 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 ff. („Josefine Mutzenbacher“) Bundesverfassungsgericht, 9.10.1991 – 1 BvR 1555/88, BVerfGE 85, 1 ff. („Kritische Bayer-Aktionäre“) Bundesverfassungsgericht, 3.5.1994 – 1 BvR 737/94, ZIP 1994, 972 ff. („Heberger“) Bundesverfassungsgericht, 8.10.1996 – 1 BvR 1183/90, BVerfGE 95, 28 ff. („Werkszeitung“) Bundesverfassungsgericht, 14.1.1998 – 1 BvR 1861/93, 1864/96, 2073/97, BVerfGE 97, 125 ff. („Caroline von Monaco“) Bundesverfassungsgericht, 12.12.2000 – 1 BvR 1762/95, 1 BvR 1787/95, BVerfGE 102, 359 ff. („Benetton“) Bundesverfassungsgericht, 26.6.2002 – 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91, BVerfGE 105, 252 ff. („Glykolwarnung“) Bundesverfassungsgericht, 28.7.2004 – 1 BvR 2566/95, NJW-RR 2004, 1710 ff. („gerlach-report“) Bundesverfassungsgericht, 25.10.2004 – 1 BvR 1437/02, NJW 2005, 1036 ff. Bundesverfassungsgericht, 6.12.2006 – 2 BvM 9/03, BVerfGE 117, 141 ff. („Argentinien-Anleihe“)
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Bundesverfassungsgericht, 12.12.2006 – 1 BvR 2576/04, BVerfGE 117, 163 ff. Bundesverfassungsgericht, 27.2.2007 – 1 BvR 538/06 u.a., BVerfGE 117, 244 ff. („CICERO“) Bundesverfassungsgericht, 29.8.2007 – 1 BvR 1223/07 u. 1 BvR 1224/07, BVerfGK 12, 85 ff. Bundesverfassungsgericht, 26.2.2008 – 1 BvR 1602/07 u.a., NJW 2008, 1793 ff. („Caroline von Hannover“) Bundesfinanzhof, 13.12.2006 – VIII R 6/05, NJW 2007, 3310 ff. Reichsgericht, 15.3.1902 – I 392/01, RGZ 51, 92 ff. Reichsgericht, 27.9.1910 – VII 545/09, RGZ 74, 197 ff. Reichsgericht, 17.1.1913 – III 287/12, RGZ 81, 214 ff. Reichsgericht, 14.3.1914 – I 242/13, RGZ 84, 294 ff. Reichsgericht, 12.10.1932 – 152/32 IX, RG 1933, 1254 f. Bundesgerichtshof, 26.11.1957 – VIII ZR 232/56, NJW 1958, 138 ff. Bundesgerichtshof, 15.1.1963 – 1 StR 478/62, NJW 1963, 665 ff. („Call-Girl-Prozess“) Bundesgerichtshof, 4.2.1964 – VI ZR 25/63, BGHZ 41, 123 ff. Bundesgerichtshof, 11.1.1966 – VI ZR 175/64, NJW 1966, 386 ff. („Warentest“) Bundesgerichtshof, 21.6.1966 – VI ZR 231/64, BGHZ 45, 296 ff. („Höllenfeuer“) Bundesgerichtshof, 17.2.1970 – III ZR 139/67, BGHZ 53, 245 ff. („Anastasia“) Bundesgerichtshof, 5.4.1971 – VII ZR 163/69, BGHZ 56, 81 ff. Bundesgerichtshof, 15.6.1971 – VI ZR 262/69, BGHZ 56, 269 ff. Bundesgerichtshof, 5.12.1972 – VI ZR 120/71, NJW 1973, 321 ff. Bundesgerichtshof, 14.3.1973 – VIII ZR 137/71, NJW 1973, 843 ff. („Nottestamentsmappe“) Bundesgerichtshof, 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325 ff. Bundesgerichtshof, 9.12.1975 – VI ZR 157/73, BGHZ 65, 325 ff. („Stiftung Warentest II“) Bundesgerichtshof, 6.4.1976 – VI ZR 246/74, BGHZ 66, 182 ff. („Fall Bittenbinder“) Bundesgerichtshof, 24.11.1976 – VIII ZR 137/75, BGHZ 67, 359 ff. („Schwimmschalter“) Bundesgerichtshof, 18.10.1977 – VI ZR 171/76, NJW 1978, 751 ff. Bundesgerichtshof, 8.2.1978 – VIII ZR 20/77, BGHZ 70, 356 ff. („Börsendienst“) Bundesgerichtshof, 24.4.1978 – II ZR 172/76, BGHZ 71, 284 ff. Bundesgerichtshof, 14.1.1979 – VI ZR 196/67, WM 1969, 173 ff. („Kredithaie“) Bundesgerichtshof, 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 ff. Bundesgerichtshof, 26.6.1981 – I ZR 73/79, BGHZ 81, 75 ff. („Carrera“) Bundesgerichtshof, 22.6.1982 – VI ZR 251/80, NJW 1982, 2246 ff. Bundesgerichtshof, 12.7.1982 – II ZR 175/81, NJW 1982, 2823 ff. („Beton- und Monierbau“) Bundesgerichtshof, 23.2.1983 – VIII ZR 3425/81, BGHZ 87, 27 ff. Bundesgerichtshof, 21.4.1983 – I ZR 15/81, NJW 1983, 2505 ff. („Tonbandgerät“) Bundesgerichtshof, 2.11.1983 – IV a ZR 20/82, NJW 1984, 355 ff. Bundesgerichtshof, 17.4.1984 – VI ZR 246/82, BGHZ 91, 117 ff. („Mordoro“) Bundesgerichtshof, 29.11.1984 – I ZR 158/82, BGHZ 93, 96 ff. („DIMPLE“) Bundesgerichtshof, 23.1.1985 – IVa ZR 66/83, NJW-RR 1986, 484 ff. Bundesgerichtshof, 7.10.1986 – VI ZR 187/85, NJW 1987, 372 ff. („Verzinkungsspray“) Bundesgerichtshof, 26.11.1986 – IVa ZR 86/85, NJW 1987, 1758 ff. Bundesgerichtshof, 3.12.1986 – IVa ZR 90/85, NJW 1987, 1070 ff. Bundesgerichtshof, 3.2.1987 – VI ZR 32/86, BGHZ 100, 13 ff. Bundesgerichtshof, 4.2.1987 – IVa ZR 134/85, WM 1987, 531 ff. („EMM“)
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Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
Bundesgerichtshof, 10.3.1987 – VI ZR 144/86, NJW 1987, 2222 ff. („Stiftung Warentest IV“) Bundesgerichtshof, 18.10.1988 – XI ZR 12/88, NJW-RR 1989, 696 f. Bundesgerichtshof, 21.2.1989 – VI ZR 18/88, NJW 1989, 1923 ff. („Stiftung Warentest V“) Bundesgerichtshof, 11.4.1989 – VI ZR 293/88, NJW 1989, 2941 ff. Bundesgerichtshof, 17.10.1989 – XI ZR 173/88, NJW 1990, 506 ff. Bundesgerichtshof, 31.5.1990 – VII ZR 340/88, BGHZ 111, 314 ff. Bundesgerichtshof, 17.6.1991 – II ZR 171/90, NJW-RR 1991, 1241 ff. Bundesgerichtshof, 31.3.1992 – XI ZR 70/91, NJW-RR 1992, 879 ff. Bundesgerichtshof, 14.4.1992 – XI ZR 196/91, BGHZ 118, 126 ff. Bundesgerichtshof, 5.10.1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305 ff. („Klöckner-Genussscheine“) Bundesgerichtshof, 5.7.1993 – II ZR 194/92, BGHZ 123, 106 ff. Bundesgerichtshof, 6.7.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 ff. („Bond-DM-Anleihe“) Bundesgerichtshof, 18.10.1993 – II ZR 255/92, ZIP 1993, 1785 ff. Bundesgerichtshof, 8.2.1994 – VI ZR 286/93, ZIP 1994, 648 ff. („Heberger“) Bundesgerichtshof, 10.10.1994 – II ZR 95/93, NJW 1995, 130 ff. Bundesgerichtshof, 10.11.1994 – III ZR 50/94, BGHZ 127, 378 ff. Bundesgerichtshof, 27.2.1996 – XI ZR 133/95, NJW 1996, 1744 f. Bundesgerichtshof, 2.7.1996 – X ZR 104/94, BGHZ 133, 168 ff. („Nitrierofen“) Bundesgerichtshof, 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 ff. („ARAG/Garmenbeck“) Bundesgerichtshof, 21.4.1997 – II ZR 317/95, BGHZ 135, 260 ff. („Allweiler“) Bundesgerichtshof, 17.6.1997 – VI ZR 114/96, NJW 1997, 2593 ff. („Stiftung Warentest VI“) Bundesgerichtshof, 13.11.1997 – X ZR 144/94, NJW 1998, 1059 ff. Bundesgerichtshof, 25.11.1997 – VI ZR 306/96, NJW 1998, 1223 ff. Bundesgerichtshof, 2.4.1998 – III ZR 245/96, BGHZ 138, 257 ff. („Abschlussprüfung“) Bundesgerichtshof, 23.4.1998 – I ZR 2/96, NJW 1998, 3561 ff. („Preisvergleichsliste II“). Bundesgerichtshof, 21.1.1999 – III ZR 289/97, NJW 1999, 1031 ff. Bundesgerichtshof, 23.2.1999 – VI ZR 140/98, NJW 1999, 2736 ff. Bundesgerichtshof, 24.2.1999 – IX ZB 2/98, BGHZ 140, 395 ff. Bundesgerichtshof, 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651 ff. Bundesgerichtshof, 9.5.2000 – XI ZR 159/99, NJW-RR 2000, 1497 ff. („Fokker-DM-Anleihe“) Bundesgerichtshof, 29.5.2000 – II ZR 280/98, NJW 2000, 3346 f. Bundesgerichtshof, 20.11.2003 – I ZR 151/02, BGHZ 157, 55 ff. („20 Minuten Köln“) Bundesgerichtshof, 7.2.2002 – III ZR 1/01, NJW 2002, 1196 ff. Bundesgerichtshof, 24.11.2003 – II ZR 171/01, BGHZ 157, 72 ff. („November-Urteil“) Bundesgerichtshof, 20.4.2004 – X ZR 250/02, BGHZ 159, 1 ff. Bundesgerichtshof, 13.5.2004 – III ZR 368/03, NJW-RR 2004, 1356 ff. Bundesgerichtshof, 8.6.2004 – X ZR 283/02, NJW 2004, 3420 ff. Bundesgerichtshof, 24.6.2004 – I ZR 26/02, NJW 2004, 3032 ff. („Werbeblocker“) Bundesgerichtshof, 19.7.2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134 ff. („Infomatec“) Bundesgerichtshof, 22.7.2004 – IX ZR 132/03, NJW 2004, 3630 ff. Bundesgerichtshof, 15.12.2005 – III ZR 424/04, ZIP 2006, 854 ff. Bundesgerichtshof, 19.1.2006 – III ZR 105/05, BGHZ 166, 29 ff. Bundesgerichtshof, 24.1.2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 ff. („Kirch ./. Deutsche Bank AG und Breuer“) Bundesgerichtshof, 21.3.2006 – XI ZR 63/05, WM 2006, 851 ff.
Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
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Bundesgerichtshof, 6.4.2006 – III ZR 256/04, BGHZ 167, 155 ff. Bundesgerichtshof, 11.12.2006 – II ZR 243/05, ZIP 2007, 224 ff. Bundesgerichtshof, 19.12.2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 ff. („kick-back“) Bundesgerichtshof, 14.5.2007 – II ZR 48/06, NJW 2007, 2118 ff. Bundesgerichtshof, 4.6.2007 – II ZR 147/05, NJW 2008, 76 ff. („Comroad IV“) Bundesgerichtshof, 14.6.2007 – III ZR 300/05, NZG 2007, 663 ff. Bundesgerichtshof, 28.2.2008 – III ZR 149/07, VuR 2008, 178 ff. Bundesgerichtshof, 11.3.2008 – VI ZR 7/07, NJW 2008, 2110 ff. („Gen-Milch“) Bundesgerichtshof, 14.7.2008 – II ZR 224/00, NJW 2008, 3361 ff. Bundesgerichtshof, 25.9.2008 – VII ZR 37/07, VersR 2010, 350 ff. Bundesgerichtshof, 7.10.2008 – XI ZR 89/07, BGHZ 178, 149 ff. („kmi“) Bundesgerichtshof, 1.12.2008 – II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 ff. („MPS“) Bundesgerichtshof, 3.2.2009 – VI ZR 36/07, ZIP 2009, 765 ff. („Fraport-Manila-Skandal“) Bundesgerichtshof, 21.4.2009 – XI ZR 78/08, NJW 2009, 2051 ff. Bundesgerichtshof, 7.5.2009 – III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 ff. („BaFin-Sonderprüfung“) Bundesgerichtshof, 14.7.2009 – XI ZR 152/08, WM 2009, 1647 ff. Bundesgerichtshof, 22.9.2009 – VI ZR 19/08, NJW 2009, 3580 ff. („Rücktritt Schrempp“) Bundesgerichtshof, 27.10.2009 – XI ZR 337/08, ZIP 2009, 2377 ff. Bundesgerichtshof, 19.11.2009 – III ZR 108/08, NJW 2010, 1277 ff. Bundesgerichtshof, 27.1.2010 – 5 StR 224/09, NJW 2010, 882 ff. („freenet“) Bundesgerichtshof, 1.3.2010 – II ZB 1/10, AG 2010, 244 („IKB“) Bundesgerichtshof, 8.7.2010 – III ZR 249/09, ZIP 2010, 1548 ff. Bundesgerichtshof, 22.2.2011 – VI ZR 120/10, NJW 2011, 2204 ff. („Bonitätsindex 500“) Bundesgerichtshof, 31.5.2011 – II ZR 141/09, NJW 2011, 2719 ff. („Dritter Börsengang Deutsche Telekom“) Bundesgerichtshof, 27.9.2011 – XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 ff. („Lehman Brothers-Basketzertifikate“) Bundesgerichtshof, 27.9.2011 – XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 ff. („Lehman Brothers-Indexzertifikate“) Bundesgerichtshof, 13.12.2011 – XI ZR 51/10, NJW 2012, 1800 ff. („IKB“) Bundesgerichtshof, 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. Bundesgerichtshof, 13.12.2012 – III ZR 282/11, NJW 2013, 386 ff. Bundesgerichtshof, 21.3.2013 – III ZR 182/12, NJW 2013, 2343 ff. („Lehman Brothers III“) Bundesgerichtshof, 17.9.2013 – XI ZR 332/12, ZIP 2013, 2001 ff. („Lehman Brothers IV“) Bundessozialgericht, 18.7.2007 – B 1 A 2/05 R, SGb 2007, 103 ff. Bundesverwaltungsgericht, 18.4.1985 – 3 C 34.84, BVerwGE 71, 183 ff. Bundesverwaltungsgericht, 14.1.1989 – 1 C 29.88, BVerwGE 84, 86 ff. Kammergericht, 24.8.1995 – 2 W 4557/94, NJW-RR 1996, 1060 ff. Kammergericht, 12.5.2006 – 9 U 127/05, WM 2006, 1432 ff. („Scope-Fondsrating“) Oberlandesgericht Bamberg, 17.7.2006 – 5 U 246/05, unveröff. („Argentinien-DM-Anleihe“) Oberlandesgericht Bamberg, 17.5.2010 – 4 U 241/09, ZIP 2010, 1225 ff. („Lehman Brothers-Zertifikate“) Oberlandesgericht Braunschweig, 13.9.1993 – 3 U 11/93, ZIP 1993, 1462 ff. („Bond-DM-Anleihe“) Oberlandesgericht Braunschweig, 13.9.1993 – 3 U 175/92, ZIP 1993, 1457 ff. („Polly-Peck-DM-Anleihe“)
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Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
Oberlandesgericht Braunschweig, 12.6.1996 – 3 U 78/95, WM 1996, 1484 ff. („Polly-Peck-DM-Anleihe“) Oberlandesgericht Bremen, 30.8.2006 – 1 U 33/04b, OLGR Bremen, 856 ff. Oberlandesgericht Celle, 25.11.1992 – 3 U 303/91, NJW-RR 1993, 500 ff. („Bond-DM-Anleihe“) Oberlandesgericht Celle, 15.3.2000 – 9 U 209/99, NZG 2000, 1178 ff. Oberlandesgericht Celle, 28.5.2008 – 9 U 184/07, AG 2008, 711 ff. Oberlandesgericht Celle, 13.5.2009 – 3 U 137/08, WM 2009, 1652 ff. Oberlandesgericht Celle, 4.3.2010 – 3 U 9/10, ZIP 2010, 876 ff. („Lehman Brothers-Zertifikate“) Oberlandesgericht Dresden, 29.5.1996 – 8 U 531/96, NJW-RR 1997, 1456 ff. Oberlandesgericht Dresden, 19.11.1996 – 5 U 157/96, NJW-RR 1997, 1001 ff. Oberlandesgericht Düsseldorf, 8.7.1994 – 17 U 14/94, ZIP 1994, 1256 ff. („Polly-Peck-DM-Anleihe“) Oberlandesgericht Düsseldorf, 24.4.1996 – 15 U 155/95, OLGR Düsseldorf 1996, 193 ff. Oberlandesgericht Düsseldorf, 2.6.2009 – I-23 U 108/08, DB 2009, 2369 ff. Oberlandesgericht Düsseldorf, 19.6.2009 – I-22 U 2/09, WM 2009, 1655 ff. Oberlandesgericht Düsseldorf, 9.12.2009 – I-6 W 45/09, ZIP 2010, 28 ff. („IKB“) Oberlandesgericht Frankfurt a.M., 6.11.1988 – 17 U 35/87 u. 203/87, NJW-RR 1988, 562 ff. Oberlandesgericht Frankfurt a.M., 1.2.1994 – 5 U 213/92, NJW-RR 1994, 946 ff. („Bond-DM-Anleihe“) Oberlandesgericht Frankfurt a.M., 19.11.1998 – 6 U 262/98, NJW-RR 1999, 1236 ff. Oberlandesgericht Frankfurt a.M., 25.4.2002 – 16 U 136/01, NJW-RR 2002, 1697 ff. („FINANZtest“) Oberlandesgericht Frankfurt a.M., 18.7.2002 – 20 W 451/01, NJW-RR 2002, 1660 ff. Oberlandesgericht Frankfurt a.M., 6.7.2004 – 5 U 122/03, ZIP 2004, 1411 ff. („EM.TV II“) Oberlandesgericht Frankfurt a.M., 15.12.2004 – 23 U 281/03, VersR 2005, 797 f. („Argentinien-DM-Anleihe“) Oberlandesgericht Frankfurt a.M., 1.11.2006 – 23 U 141/05, OLGR Frankfurt 2007, 537 ff. Oberlandesgericht Frankfurt a.M., 3.12.2009 – 20 VA 12/09, unveröff. Oberlandesgericht Frankfurt a.M., 17.2.2010 – 17 U 207/09, ZIP 2010, 567 ff. („Lehman Brothers-Schmetterlingszertifikate“) Oberlandesgericht Frankfurt a.M., 28.11.2011 – 21 U 23/11, ZIP 2012, 293 ff. Oberlandesgericht Hamburg, 15.5.2009 – 1 U 85/08, WM 2009, 2036 ff. („General Motors-Anleihe“) Oberlandesgericht Hamburg, 16.5.2012 – 14 U 291/10, VuR 2012, 484 ff. („Lehman Brothers-Zertifikate“) Oberlandesgericht Hamm, 8.10.2003 – 31 U 117/03, unveröff. („Argentinien-DM-Anleihe“) Oberlandesgericht Hamm, 9.1.2004 – 25 U 117/03, unveröff. („Argentinien-DM-Anleihe“) Oberlandesgericht Hamm, 12.7.2012 – I-27 U 12/10, DB 2012, 1975 ff. Oberlandesgericht Hamm, 29.5.2013 – I-12 U 178/12, JuS 2013, 935 Oberlandesgericht Jena, 8.8.2000 – 8 U 1387/98, NZG 2001, 86 ff. Oberlandesgericht Karlsruhe, 4.7.2001 – 7 U 68/98, OLGR Karlsruhe 2002, 177 ff. („Fokker-DM-Anleihe“) Oberlandesgericht Karlsruhe, 21.10.2008 – 17 U 222/07, WM 2009, 512 ff.
Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
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Oberlandesgericht Koblenz, 7.5.1999 – 8 U 272/97, ZIP 1999, 1667 ff. („Fokker-DM-Anleihe“) Oberlandesgericht Köln, 17.9.1993 – 20 U 251/92, ZIP 1993, 1538 ff. Oberlandesgericht Köln, 18.10.2006 – 13 U 216/05, ZIP 2007, 1598 ff. Oberlandesgericht München, 6.8.2008 – 7 U 5628/07, AG 2009, 294 ff. („MAN“) Oberlandesgericht München, 19.11.2008 – 7 U 2405/08, ZIP 2009, 718 ff. („MWG Biotech AG“) Oberlandesgericht München, 17.2.2011 – 31 Wx 246/10, ZIP 2011, 567 ff. Oberlandesgericht Nürnberg, 28.1.1998 – 12 U 2131/97, ZIP 1998, 380 ff. („Fokker-DM-Anleihe“) Oberlandesgericht Nürnberg, 19.12.2001 – 12 U 2976/01, ZIP 2002, 611 ff. („Daewoo-DM-Anleihe“) Oberlandesgericht Oldenburg, 13.3.2003 – 8 U 161/02, NJW-RR 2003, 1047 f. Oberlandesgericht Oldenburg, 22.6.2006 – 1 U 34/03, DB 2006, 2511 ff. Oberlandesgericht Oldenburg, 25.02.2010 – 8 U 10/10, unveröff. („Lehman Brothers-Alpha-Express-Zertifikate“) Oberlandesgericht Schleswig, 30.11.1995 – 5 U 79/94, NJW-RR 1996, 556 („Hafnia-Anleihe“) Oberlandesgericht Schleswig, 13.11.1996 – 4 U 108/94, MDR 1997, 130 Oberlandesgericht Schleswig, 20.9.2007 – 5 U 44/07, OLGR Schleswig 2008, 783 ff. („Argentinien-Anleihen“) Oberlandesgericht Stuttgart, 15.12.2005 – 13 U 10/05, WM 2006, 1100 ff. Oberlandesgericht Stuttgart, 25.11.2009 – 20 U 5/09, NZG 2010, 141 ff. Oberverwaltungsgericht Münster, 22.6.2009 – 16 A 3137/08, WM 2009, 2080 ff. („Reservefonds WestLB“) Landgericht Bielefeld, 17.10.1969 – 3a T 106/69, NJW 1970, 203 Landgericht Düsseldorf, 10.8.2004 – 7 O 74/04, BKR 2004, 413 ff. („Argentinien-DM-Anleihe“) Landgericht Essen, 15.7.1993 – 18 O 3/93, NJW-RR 1993, 1392 ff. („Bond-DM-Anleihe“) Landgericht Frankfurt a.M., 6.10.1992 – 3/11 O 173/91, NJW-RR 1993, 502 ff. („Bond-DM-Anleihe“) Landgericht Frankfurt a.M., 7.10.1997 – 3/11 O 44/96, AG 1998, 488 ff. („MHM-Aktie“) Landgericht Frankfurt a.M., 14.3.2003 – 2/21 O 509/02, JZ 2003, 1010 ff. („Argentinien-Anleihe“) Landgericht Frankfurt a.M., 31.10.2003 – 2/21 O 381/02, NJW-RR 2004, 1053 f. („Argentinien-Anleihe“) Landgericht Frankfurt a.M., 13.6.2006 – 3–5 O 110/04, NZG 2006, 868 ff. („SAI Automotive“) Landgericht Itzehoe, 26.2.1992 – 2 O 842/91, WM 1993, 205 ff. („Bond-DM-Anleihe“) Landgericht Hamburg, 10.1.1992 – 303 O 232/91, WM 1993, 196 ff. („Bond-DM-Anleihe“) Landgericht Hamburg, 1.7.2009 – 325 O 22/09, WM 2009, 1363 ff. („Lehman Brothers-Zertifikate“) Landgericht Köln, 20.3.1998 – 87 O 148/97, NJW-RR 2000, 1056 ff. Landgericht München I, 13.1.2006 – 3 O 6959/05, WM 2006, 1073 ff. Landgericht München I, 31.3.2009 – 33 O 25598/05, unveröff. („Kirch Group Litigation Pool ./. Deutsche Bank AG“) Landgericht Münster, 28.5.2003 – 14 O 580/02, BKR 2003, 764 ff. („Argentinien-DM-Anleihe“)
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Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
Landgericht Münster, 1.7.2003 – 14 O 17/03, BKR 2003, 762 ff. („Argentinien-DM-Anleihe“) Landgericht Stuttgart, 17.7.2009 – 8 O 129/09, WM 2009, 1697 ff. („Lehman Brothers-Zertifikate“)
England Al Saudi Banque and Others v. Clark Pixley, High Court of Justice, Chancery Division, 28.7.1989, [1990] Ch. 313 ff. Caparo Industries plc v. Dickman and Others, House of Lords, 8.2.1990, [1990] 2 AC 605 ff. Chapman v. Lord Ellesmere, Court of Appeal, 22.3.1932, [1932] 2 KB 431 ff. Cookson v. Harewood, Court of Appeal, 19.10.1931, [1932] 2 KB 478 ff. Derbyshire County Council v. Times Newspapers Ltd, House of Lords, 18.2.1993, [1993] AC 534 ff. Derry v. Peek, House of Lords, [1889] 14 App Cas 337 ff. Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v. Selfridge & Co Ltd, House of Lords, 26.4.1915, [1915] AC 847 ff. Hedley Byrne & Co Ltd v. Heller & Partners Ltd, House of Lords, 28.5.1963, [1963] 2 All ER 575 ff. Howard Smith Ltd. v. Ampol Petroleum Ltd, Judicial Committee of the Privy Council, 14.2.1974, [1974] AC 821 ff. Jameel v. Wall Street Journal Europe, House of Lords, 11.10.2006, [2007] 1 AC 359 ff. James McNaughton Paper Group Ltd v. Hicks Anderson & Co., Court of Appeal, 31.7.1990, [1991] 2 Q.B. 113 ff. M’Pherson v. Daniel, Court of King’s Bench, 1.1.1829, [1829] 109 ER 448 ff. Phillips v. Eyre, Court of Exchequer Chamber, 23.6.1870, (1870) L.R. 6 Q.B. 1 ff. Rantzen v. Mirror Group Newspapers Ltd, Court of Appeal, 31.3.1993, [1994] QB 670 ff. Reynolds v. Times Newspapers Ltd, House of Lords, 28.10.1999, [2001] 2 AC 127 ff. Sim v. Stretch, House of Lords, 1.1.1936, [1936] 2 All ER 1237 ff. The Capital and Counties Bank Limited v. George Henty & Sons, House of Lords, 1.8.1882, [1882] 7 App Cas 741 ff.
Frankreich Cour de cassation, 2ème Chambre civile, 9.6.1993, Bull. civ., II, Nr. 204 Cour d’appel de Rouen, 10.2.1965 – Société Bauer-Marchal et Cie ./. Gouvernement Turc, Rev. crit. dr. int. privé 1965, 565 ff.
Hong Kong Andrew Nicholas Barber v. Securities and Futures Commission, Hong Kong Court of Appeal, 13.9.2006, [2006] HKCA 356 ff. B & B Construction Ltd v. Sun Alliance & London Insurance, Hong Kong Court of Appeal, 3.5.2000, [2000] 2 HKC 295 ff. Cheng and Another v. Tse Wai Chun, Court of Final Appeal of the Hong Kong Special Administrative Region, 13.11.2000, [2000] 3 HKLRD 418 ff. Cheung Ng Sheong Steven v. Eastweek Publisher Ltd and Another, Hong Kong Court of Appeal, 20.10.1995, [1995] 3 HKC 601
Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
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Hong Kong Wing On Travel Service Ltd v. Hong Thai Citizens Travel Services Ltd, Hong Kong Court of First Instance, 25.5.2001, [2001] 2 HKLRD 481 ff. Koon Wing Yee v. Insider Dealing Tribunal, Court of Final Appeal of the Hong Kong Special Administrative Region, 18.3.2008, [2008] 3 HKLRD 372 ff. Leung Alfred Cheuk Wah v. Ernst & Young LLP China/Hong Kong and Others, Hong Kong Court of First Instance, 27.7.2006, [2006] HKCFI 862 ff. Luen Hing Fat Coating & Finishing Factory Ltd v. Waan Chuen Ming, Court of Final Appeal of the Hong Kong Special Administrative Region, 21.1.2011, [2011] 2 HKLRD 223 ff. Ng Ka Ling v. Director of Immigration, Court of Final Appeal of the Hong Kong Special Administrative Region, 29.1.1999, [1999] 2 HKCFAR 4 ff. („Right of Abode“) Oriental Daily Publisher Ltd v. Ming Pao Holdings Ltd, Hong Kong Court of First Instance, 28.5.2010, [2010] HKCFI 471 ff. Oriental Press Group Ltd and Another v. Fevaworks Solutions Ltd, Court of Final Appeal of the Hong Kong Special Administrative Region, 4.7.2013, [2013] KHCFA 47 ff. Peregrine Investment Holdings Ltd v. The Associated Press, Hong Kong Court of First Instance, 9.7.1997, [1997] HKLRD 1073 ff. R. v. Sin Yau-ming, Hong Kong Court of Appeal, 30.9.1991, [1991] 1 HKPLR 88 ff. Secretary for Justice v. Ocean Technology Ltd. and Others, Hong Kong Court of First Instance, 12.12.2008, [2009] 1 HKC 271 ff. Secretary for Justice v. Ocean Technology Ltd and Others, Magistrate of the Hong Kong Special Administrative Region Douglas Yau, Esq., 8.1.2008, unveröff. Susan Field v. Barber Asia Ltd, Hong Kong Court of Appeal, 15.7.2004, [2004] 3 HKLRD 871 ff. Susan Field v. Barber Asia Ltd, Hong Kong Court of First Instance, 17.6.2003, [2003] HKCU 712 ff. Tam Hing Yee v. Wu Tai Wai, Hong Kong Court of Appeal, 28.11.1991, [1991] HKCA 201 ff. The Stock Exchange of Hong Kong Ltd v. New World Development Co. Ltd and Others, Court of Final Appeal of the Hong Kong Special Administrative Region, 6.4.2006, [2006] HKCFA 44 The Hua Tian Long, Hong Kong Court of First Instance, 4.6.2008, [2008] 4 HKC 131 ff. Thomsen v. Johnson Burglar Alarms Co Ltd, Hong Kong Court of First Instance, 12.10.2001, [2001] HKLRD 571 ff. William Reidy v. BNP International Financial Services (Hong Kong) Ltd, Hong Kong Court of First Instance, 15.12.2000, [2000] HKCFI 539 ff.
Italien Corte Suprema di Cassazione, 5.12.1966 – Consorzio Agrario della Tripolitania ./. Federazione Italiana Consorzi Agrari und Cassa di Risparmio della Libia, 65 ILR (1984), 265 ff.
Österreich Oberster Gerichtshof, 10.3.2008 – 10Ob11/07a, ÖBA 2008, 1504 ff. („Argentinien-DMAnleihe“)
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Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
Schweiz Bundesgericht, 20.9.1911 – Gutknecht gegen Benninger und Konsorten, BGE 37 I 381 ff. Bundesgericht, 11.2.1954 – P. gegen I., BGE 80 III 41 ff. Bundesgericht, 18.5.1956 – Jaccard contre Loriol, BGE 82 IV 71 ff. Bundesgericht, 3.5.1961 – Sphinx-Film SA contre Conseil d’Etat du canton de Neuchâtel, BGE 87 I 114 ff. Bundesgericht, 20.1.1965 – X gegen Bank Y. und Obergericht des Kantons Zürich, BGE 91 I 11 ff. Bundesgericht, 14.12.1965 – Weber gegen Hofmann, BGE 91 II 401 ff. Bundesgericht, 1.11.1966 – Foufounis contre Charlier, BGE 92 II 299 ff. Bundesgericht, 13.6.1967 – Schweizerischer Technischer Verband gegen Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein, BGE 93 II 135 ff. Bundesgericht, 21.3.1969 – Club Méditerranée (Bureau Suisse) SA gegen Tages-Anzeiger für Stadt und Kanton Zürich AG, BGE 95 II 481 ff. („Club Medityrannis“) Bundesgericht, 24.6.1970 – Aleinick gegen Cour de justice et Procureur général du canton du Genève, BGE 96 I 586 ff. Bundesgericht, 3.6.1971 – Metzler gegen Philanthropische Gesellschaft Union und Mitbeteiligte, BGE 97 II 97 ff. („Philanthropische Gesellschaft Union“) Bundesgericht, 3.10.1972 – Sauter und Dirler gegen Mesana AG, BGE 98 II 305 ff. Bundesgericht, 18.9.1973 – Steffan gegen Artella AG, BGE 99 II 176 ff. Bundesgericht, 30.11.1973 – X. gegen Eidg. Bankenkommission, BGE 99 Ib 409 ff. Bundesgericht, 23.5.1975 – Fink, Rubi, Zenzünen und Wild gegen Generalprokurator des Kantons Bern, BGE 101 IV 167 ff. Bundesgericht, 8.3.1978 – Schweizerische Journalisten-Union und Hanspeter Bürgin sowie Gasser AG und Kons. gegen Regierung des Kantons Graubünden, BGE 104 Ia 88 ff. Bundesgericht, 16.3.1978 – B. contre L., BGE 104 IV 11 ff. Bundesgericht, 24.5.1978, ZBl 1978, 505 ff. Bundesgericht, 1.7.1981 – X. gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwalt des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde), BGE 107 Ia 45 ff. Bundesgericht, 25.11.1982 – R., S. und Z. gegen Obergericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde), BGE 108 Ia 316 ff. Bundesgericht, 9.6.1983 – X. gegen Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG, DRS (Berufung), BGE 109 II 353 ff. Bundesgericht, 26.11.1985 – X. gegen Bank D. (Berufung), BGE 111 II, 471 ff. Bundesgericht, 3.6.1986 – H. gegen S. AG (Berufung), BGE 112 II, 347 ff. Bundesgericht, 12.11.1986 – 1. Association Vaudoise des Journalistes et consorts et 2. Société anonyme des Editions Domaine public contre Grand Conseil du canton de Vaud (recours de droit public), BGE 112 Ia, 398 ff. Bundesgericht, 2.3.1987 – Verband der Schweizer Journalisten (VSJ) und Mitbeteiligter gegen Kanton Aargau (staatsrechtliche Beschwerde), BGE 113 Ia 309 ff. Bundesgericht, 7.4.1987 – M. gegen F. und M.S. (Berufung), BGE 113 II 52 ff. Bundesgericht, 28.4.1987 – X. gegen Luftseilbahn Zermatt-Schwarzsee-Klein Matterhorn AG (Berufung), BGE 113 II 246 ff. Bundesgericht, 30.8.1988 – „Badener Tagblatt“ gegen Grüne Aargau und Thür (Berufung), BGE 114 II 385 ff. Bundesgericht, 28.2.1989 – I. AG gegen B. (Direktprozess), BGE 115 II 15 ff. Bundesgericht, 20.9.1990 – X. gegen Y. (Berufung), BGE 116 II 695 ff.
Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
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Bundesgericht, 11.12.1990 – Schweizerische Kreditanstalt und CS Holding gegen Eidgenössische Bankenkommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde), BGE 116 Ib 331 ff. („CS Holding“) Bundesgericht, 15.8.1991 – X. S.A. contre Y. en liquidation concordataire (recours en réforme), BGE 117 II 315 ff. Bundesgericht, 24.1.1992 – F. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft und H. (Nichtigkeitsbeschwerde), BGE 118 IV 41 ff. Bundesgericht, 22.5.1992 – S. gegen Schweizerische Eidgenossenschaft (verwaltungsrechtliche Klage), BGE 118 Ib 163 f. Bundesgericht, 18.3.1993 – G. gegen W. AG (Berufung), BGE 119 II 127 ff. Bundesgericht, 25.2.1994 – H. gegen Fachverband Elektroapparate für Haushalt und Gewerbe in der Schweiz (FEA) (Berufung), BGE 120 II 76 ff. („Mikrowellenherd I“) Bundesgericht, 20.5.1994 – X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde), BGE 120 IV 122 ff. Bundesgericht, 15.11.1994 – Wibru Holding AG gegen Swissair Beteiligungen AG (Berufung), BGE 120 II 331 ff. („Swissair“) Bundesgericht, 27.6.1995 – T. gegen Bank X. (Berufung), BGE 121 III 310 ff. Bundesgericht, 10.10.1995 – Fédération Suisse de Lutte Amateur contre Grossen (recours en réforme), BGE 121 III 350 ff. („Ringer“) Bundesgericht, 8.3.1996 – X. Corporation gegen Q. (Berufung), BGE 122 III 176 ff. Bundesgericht, 21.11.1996 – R. AG gegen W. (Berufung), BGE 122 III 449 ff. („Firmensanierer“) Bundesgericht, 7.11.1997 – B. gegen X. und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde), BGE 123 IV 211 ff. („Rinderwahnsinn“) Bundesgericht, 9.3.1998 – A. AG gegen B. (Berufung), BGE 124 III 188 ff. Bundesgericht, 16.4.1998 – Musikvertrieb AG gegen Motor-Columbus AG (Berufung), BGE 124 III 297 ff. Bundesgericht, 2.11.1999 – B. gegen Anwaltskammer des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde), BGE 125 I 417 ff. Bundesgericht, 27.6.2001 – Wottreng gegen Präsident des Obergerichts des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde), BGE 127 I 145 ff. Bundesgericht, 20.3.2002 – Association suisse des annonceurs et consorts contre Grand Conseil du canton de Genève (recours de droit public), 2P.207/2000, BGE 128 I 295 ff. Bundesgericht, 3.4.2002 – Erika Bertschinger Eicke gegen X. (Berufung), 4C.175/2001, BGE 128 III 428 ff. Bundesgericht, 14.5.2002 – Dominique Giroud et cons. contre Anne-Christine Bagnoud, Brigitte Hauser, Catherine Donnet et le Ministère public du canton du Valais (pourvoi en nullité), 6S. 664/2001, BGE 128 IV 53 ff. („Giroud“) Bundesgericht, 21.6.2002 – A. SA gegen B. AG (Berufung), 4C.82/2002, BGE 128 III 324 ff. Bundesgericht, 25.9.2002 – A. SA contre B. SA (recours en réforme), 4C.171/2002, BGE 129 III 71 ff. Bundesgericht, 23.12.2003 – A. gegen B. (Berufung), 4C.230/2003, BGE 130 III 345 ff. („Liegenschaftenschätzer“) Bundesgericht, 1.6.2004 – Banque A. contre banque B. (recours en réforme), BGE 130 III 462 ff. Bundesgericht, 21.2.2006 – A., B., C., D., E., F., G. und H. AG (Klägerinnen und Berufungsklägerinnen) gegen Bank X. (Beklagte und Berufungsbeklagte), 4C.20/2005, n.v. („Leukerbad-Anleihe“)
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Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
Bundesgericht, 22.6.2006 – Kessler-Bösch gegen Lange (Berufung), 5C.1/2006, BGE 132 III 641 ff. („Chefarzt“) Bundesgericht, 28.8.2006 – A. und B. gegen C. und Mitb. (Berufung), 4C.136/2006, BGE 132 III 715 ff. Bundesgericht, 4.1.2007 – X. gegen Y. AG (Berufung), 4C.270/2006, BGE 133 III 97 ff. Bundesgericht, 12.6.2007 – A. gegen Kanton Uri (Berufung), 4C.28/2007, BGE 133 III 449 ff. Bundesgericht, 13.5.2008 – X. AG gegen Y. AG und A. (Beschwerde in Zivilsachen), 4A_ 499/2007, BGE 134 III 390 ff. Bundesgericht, 28.9.2009 – Politische Gemeinde St. Gallen gegen GSoA Schweiz (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten), 1C_434/2008, BGE 135 I 302 ff. („Unterschriften St. Gallen“) Bundesgericht, 3.8.2010 – SAir Group in Nachlassliquidation gegen Nordea Bank Danmark A/S, 5A_358/2008 und 5A_473/2009 („SAir ./. Nordea Bank“) Bundesgericht, 1.12.2010 – SIX Swiss Exchange AG gegen A. (Beschwerde in Zivilsachen), 4A_533/2010, BGE 137 III 37 ff. Bundesgericht, 3.2.2012 – X. gegen Y. (Beschwerde), 4A_525/2011 („Lehman CPU Plus“) Bundesgericht, 20.11.2012 – A. und Mitb. gegen X. AG (Beschwerde in Zivilsachen), 4A_ 375/2012, BGE 139 III 24 ff.
Vereinigte Staaten von Amerika 155 Harbor Drive Condominium Ass’n v. Harbor Point, Inc., Appellate Court of Illinois, First District, Fourth Division, 7.2.1991, 568 N.E.2d 365 ff. (Ill. App. 1 Dist. 1991) Abood v. Detroit Board of Education, Supreme Court of the United States, 23.5.1977, 431 U.S. 209 ff., 97 S.Ct. 1782 ff. (1977) Abrams v. United States, Supreme Court of the United States, 10.11.1919, 250 U.S. 616 ff., 40 S.Ct. 17 ff. (1919) Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., United States District Court, S.D. New York, 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155 ff. (S.D.N.Y. 2009) Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., United States District Court, S.D. New York, 17.8.2012, 888 F.Supp.2d 431 ff. (S.D.N.Y. 2012) All-Tech Telecom, Inc. v. Amway Corp., United States Court of Appeals, Seventh Circuit, 7.4.1999, 174 F.3d 862 ff. (7th Cir. 1999) American Savings Bank, FSB v. UBS PaineWebber, Inc., United States District Court, S.D. New York, 16.12.2002, 2002 WL 31833223 (S.D.N.Y.) Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., United States Court of Appeals, Second Circuit, 14.8.2012, 690 F.3d 98 ff. (2d Cir. 2012) Anschutz Corp. v. Merrill Lynch & Co. Inc., United States District Court, N.D. California, 27.3.2011, 785 F.Supp.2d 799 ff. (N.D.Cal. 2011) Aronson v. Lewis, Supreme Court of Delaware, 1.3.1984, 473 A.2d 805 ff. (Del.Supr. 1984) Basic, Inc. v. Levinson, Supreme Court of the United States, 7.3.1988, 485 U.S. 224 ff., 108 S.Ct. 978 ff. (1988) Baurer v. Planning Group, Inc., United States Court of Appeals, District of Columbia Circuit, 4.12.1981, 669 F.2d 770 ff. (D.C. Cir. 1981) Bell Press, Inc. v. Philipps, Supreme Court of Colorado, 21.8.1961, 364 P.2d 398 ff. (Colo. 1961) Bigelow v. Virginia, Supreme Court of the United States, 16.6.1975, 421 U.S. 809 ff., 95 S.Ct. 2222 ff. (1975)
Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
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Bily v. Arthur Young & Co., Supreme Court of California, 27.8.1992, 834 P.2d 745 ff. (1992) Bixler v. Central Pa. Teamsters Health-Welfare Fund, United States Court of Appeals, Third Circuit, 28.12.1993, 12 F.3d 1292 ff. (3rd Cir. 1993) Blaise D’Antoni & Associates, Inc. v. SEC, United States Court of Appeals, Fifth Circuit, 20.4.1961, 289 F.2d 276 ff. (5th Cir. 1961) Board of Trustees of State University of New York v. Fox, Supreme Court of the United States, 29.6.1989, 492 U.S. 469 ff., 109 S.Ct. 3028 ff. (1989) Boca Raton Firefighters and Police Pension Fund v. Bahash, United States Court of Appeals, Second Circuit, 20.12.2012, 506 Fed.Appx. 32 ff. (2nd Cir. 2012) Bolger v. Youngs Drug Products Corp., Supreme Court of the United States, 24.6.1983, 463 U.S. 60 ff., 103 S.Ct. 2875 ff. (1983) Branzburg v. Hayes, Supreme Court of the United States, 29.6.1972, 408 U.S. 665, 689 ff., 92 S.Ct. 2646 ff. (1972) Brehm v. Eisner, Supreme Court of Delaware, 9.2.2000, 746 A.2d 244 ff. (Del.Supr. 2000) Bussian v. RJR Nabisco, Inc., United States District Court, S.D. Texas, 2.9.1998, 21 F.Supp.2d 680 ff. (S.D.Tex. 1998) Central Hudson Gas & Electric Corp. v. Public Service Comm’n of New York, Supreme Court of the United States, 20.6.1980, 447 U.S. 557 ff., 100 S.Ct. 2346 ff. (1980) Chas H. Tompkins Co. v. Lumbermens Mut. Casualty Co., United States District Court, E.D. Virginia, 16.3.1990, 732 F.Supp. 1368 ff. (E.D. Va. 1990) Clark v. John Lamula Investors, Inc., United States Court of Appeals, Second Circuit, 24.8.1978, 583 F.2d 594 ff. (2nd Cir. 1978) Cohen v. Cowles Media Co., Supreme Court of the United States, 24.6.1991, 501 U.S. 663 ff., 111 S.Ct. 2513 (1991) Commercial Financial Services v. Arthur Andersen, Court of Civil Appeals of Oklahoma, Division No. 4, 6.4.2004, 94 P.3d 106 ff. (Okla.Civ.App. Div. 4 2004) Commodity Trend Service, Inc. v. Commodities Futures Trading Commission, United States Court of Appeals, Seventh Circuit, 17.6.1998, 149 F.3d 679 ff. (7th Cir. 1998) Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, United States Court of Appeals, Sixth Circuit, 23.8.2007, 499 F.3d 520 ff. (6th Cir. 2007) Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, United States District Court, E.D. Michigan, Southern Division, 23.7.2002, 273 F.Supp.2d 914 ff. (E.D.Mich. 2002) Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, United States District Court, E.D. Michigan, Southern Division, 10.6.2004, 222 F.R.D. 124 ff. (E.D.Mich. 2004) Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, United States District Court, E.D. Michigan, Southern Division, 7.7.2004, 324 F.Supp.2d 860 ff. (E.D.Mich. 2004) Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, United States District Court, E.D. Michigan, Southern Division, 26.5.2005, 371 F.Supp.2d 898 ff. (E.D.Mich. 2005) Connecticut v. Moody’s Corp., United States District Court, D. Connecticut, 30.9.2009, 664 F.Supp.2d 196 ff. (D.Conn. 2009) Corrigan v. Dun & Bradstreet, United States District Court, D. Rhode Island, 26.5.1950, 91 F.Supp. 424 ff. (D.R.I. 1950) Coufal Abogados v. AT & T, Inc., United States Court of Appeals, Ninth Circuit, 2.8.2000, 223 F.3d 932 ff. (9th Cir. 2000) County of Orange v. McGraw Hill Companies, United States District Court, C.D. California, Santa Ana Division, 18.3.1999, 245 B.R. 151 ff. (C.D.Cal. 1999) Credit Alliance Corp. v. Arthur Andersen & Co., Court of Appeals of New York, 2.7.1985, 65 N.Y.2d 536, 493 N.Y.S. 2d 435, 483 N.E.2d 110 (1985)
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Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
Csordas v. Smith Barney, Harris Upham & Co., Inc., Florida Circuit Court, Ninth Judicial District, Orange County, 16.7.1992, 1992 WL 426460 (Fla.Cir.Ct.) Cuyler v. Sullivan, Supreme Court of the United States, 12.5.1980, 446 U.S. 335 ff., 100 S.Ct. 1708 ff. (1980) Daniel v. Dow Jones & Co., Civil Court, City of New York, 13.10.1987, 520 N.Y.S. 2d 334 ff. (N.Y. City Civ. Ct. 1987) Dewakuku v. Martinez, United States Court of Appeals, Federal Circuit, 5.11.2001, 271 F.3d 1031 ff. (Fed. Cir 2001) Dun & Bradstreet v. Greenmoss Builders, Supreme Court of the United States, 26.6.1985, 472 U.S. 749 ff., 105 S.Ct. 2939 ff. (1985) Duquesne Light Co. v. Westinghouse Elec. Corp., United States Court of Appeals, Third Circuit, 12.9.1995, 66 F.3d 604 ff. (3rd Cir. 1995) Durning v. First Boston Corp., United States District Court, W.D. Washington, Seattle Division, 7.1.1986, 627 F.Supp. 393 ff. (W.D. Wash. 1986) East River S.S. Corp. v. Transamericana Delaval, Inc., Supreme Court of the United States, 16.6.1986, 476 U.S. 858 ff., 106 S.Ct. 2295 ff. (1986) Ehrenfeld v. Bin Mahfouz, Court of Appeals of New York, 20.12.2007, 881 N.E.2d 830 ff. (N.Y. 2007) Erie v. Thompkins, Supreme Court of the United States, 25.4.1938, 304 U.S. 64 ff. (1938) Federal Mogul Corp. v. Universal Constr. Co., Court of Civil Appeals of Alabama, 8.8.1979, 376 So.2d 716 ff. (Ala.Civ.App. 1979) First Alabama Bank of Montgomery, N.A. v. Martin, Supreme Court of Alabama, 20.8.1982, 425 So.2d 415 ff. (Ala. 1982) First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s Corp., United States Court of Appeals, Second Circuit, 2.3.1989, 869 F.2d 175 ff. (2nd Cir. 1989) First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s, United States District Court, S.D. New York, 28.9.1987, 670 F.Supp. 115 ff. (S.D.N.Y. 1987) First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s Corp., United States District Court, S.D. New York, 22.7.1988, 690 F.Supp. 256 ff. (S.D.N.Y. 1988) First Nat. Bank of Boston v. Bellotti, Supreme Court of the United States, 26.4.1978, 435 U.S. 765 ff., 98 S.Ct. 1407 ff. (1978) First Union Brokerage v. Milos, United States District Court, S.D. Floria, 12.5.1989, 717 F.Supp. 1519 ff. (S.D.Fla. 1989) Flaherty & Crumrine Preferred Income Fund v. TXU, United States Court of Appeals, Fifth Circuit, 8.4.2009, 565 F.3d 200 ff. (5th Cir. 2009) Florida State Board of Administration v. Green Tree Financial Corporation, United States Court of Appeals, Eighth Circuit, 25.10.2001, 270 F.3d 645 ff. (8th Cir. 2001) Flynn ex rel. Moody’s Corp. v. McDaniel, United States District Court, S.D. New York, 23.2.2010, 689 F.Supp.2d 686 ff. (S.D.N.Y. 2010) Forge v. Smith, Supreme Court of Michigan, 14.7.1998, 580 N.W.2d 876 ff. (Mich. 1998) Franklin Sav. Bank in City of New York v. Levy, United States District Court, S.D. New York, 24.12.1975, 406 F.Supp. 40 ff. (S.D.N.Y. 1975) Gale v. Value Line, Inc., United States District Court, D. Rhode Island, 24.7.1986, 640 F.Supp. 967 ff. (D.R.I. 1986) Gearren v. McGraw-Hill Companies, Inc., United States District Court, S.D. New York, 10.2.2010, 690 F.Supp.2d 254 ff. (S.D.N.Y. 2010) Gertz v. Robert Welch, Inc., Supreme Court of the United States, 25.6.1974, 418 U.S. 323 ff., 94 S.Ct. 2997 ff. (1974)
Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
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Gete v. I.N.S., United States Court of Appeals, Ninth Circuit, 4.8.1997, 121 F.3d 1285 ff. (9th Cir. 1997) Gitlow v. New York, Supreme Court of the United States, 8.6.1925, 268 U.S. 652 ff., 45 S.Ct. 625 ff. (1925) Glennie v. Abitibi-Price Corp., United States District Court, W.D. Michigan, Southern Division, 26.1.1996, 912 F.Supp. 993 ff. (W.D.Mich. 1996) Gochenaur v. A.G. Edwards & Sons, Inc., United States Court of Appeals, Eleventh Circuit, 20.2.1987, 810 F.2d 1042 ff. (11th Cir. 1987) Golden Tee, Inc. v. Venture Golf Schools, Inc., Supreme Court of Arkansas, 14.5.1998, 969 S.W.2d 625 ff. (Ark. 1998) Gutter v. Dow Jones, Inc., Supreme Court of Ohio, 19.3.1986, 490 N.E.2d 898 ff. (Ohio 1986) Haas v. DaimlerChrysler Corp., Court of Appeals of Minnesota, 13.6.2000, 611 N.W.2d 382 ff. (Minn. Ct. App. 2000) Haberman v. Public Power Supply System, Supreme Court of Washington, 8.10.1987, 109 Wash.2d. 107, 744 P.2d 1032 ff. (Wash. 1987) Harte-Hanks Communications v. Connaughton, Supreme Court of the United States, 22.6.1989, 491 U.S. 657 ff., 109 S.Ct. 2678 ff. (1989) Harvard College v. Amory, Supreme Judicial Court of Massachusetts, 10.1.1831, 26 Mass. (9 Pick.) 446 ff. (March Term 1830) Herbert v. Lando, Supreme Court of the United States, 18.4.1979, 441 U.S. 153 ff., 99 S.Ct. 1635 ff. (1979) Hilton v. Guyot, Supreme Court of the United States, 3.6.1895, 159 U.S. 113 ff. (1895) Hong Kong Export Credit Ins. v. Dun & Bradstreet, United States District Court, S.D. New York, 29.12.1975, 414 F.Supp. 153 ff. (S.D.N.Y. 1975) Hood v. Dun & Bradstreet, Inc., United States Court of Appeals, Fifth Circuit, 14.9.1973, 486 F.2d 25 ff. (5th Cir. 1973) Hustler Magazine v. Falwell, Supreme Court of the United States, 24.2.1988, 485 U.S. 46 ff., 108 S.Ct. 876 ff. (1988) In re Bartol et al., Supreme Court of Pennsylvania, 11.10.1897, 182 Pa. 407 ff. In re Burlington Coat Factory Securities Lit., United States Court of Appeals, Third Circuit, 10.6.1997, 114 F.3d 1410 ff. (3rd Cir. 1997) In re Cook’s Trust Estate, Court of Chancery of Delaware, 23.3.1934, 20 Del.Ch. 123, 171 A. 730 (Del.Ch. 1934) In re Detre’s Estate, Supreme Court of Pennsylvania, 20.3.1922, 117 A. 54 ff. In re Dynegy, Inc. Securities Litigation, United States District Court, S.D. Texas, Houston Division, 7.10.2004, 339 F.Supp.2d 804 (S.D.Tex. 2004) In re Edward M. Johnson & Assocs., United States Court of Appeals, Second Circuit, 4.5.1988, 845 F.2d 1395 ff. (6th Cir. 1988) In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litigation, United States District Court, S.D. Texas, 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742 ff. (S.D.Tex. 2005) In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litigation, United States District Court, S.D. Texas, 5.6.2007, 2007 WL 1662658 (S.D.Tex. 2007) In re Fitch, United States Court of Appeals, Second Circuit, 21.5.2003, 330 F.3d 104 ff. (2nd Cir. 2003) In re Hall et al., Court of Appeals of New York, 2.10.1900, 164 N.Y. 196 ff. In re IndyMac Mortgage-Backed Sec. Litig., United States District Court, S.D. New York, 21.6.2010, 718 F.Supp.2d 495 ff. (S.D.N.Y. 2010)
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In re Lehman Brothers Mortgage-Backed Securities Litigation, United States Court of Appeals, Second Circuit, 11.5.2011, 650 F.3d 167 ff. (2nd Cir. 2011) In re Lehman Brothers Securities & ERISA Litigation, United States District Court, S.D. New York, 1.2.2010, 681 F.Supp.2d 495 ff. (S.D.N.Y. 2010) In re Lehman Brothers Securities & ERISA Litigation, United States District Court, S.D. New York, 17.2.2010, 2010 WL 545992 (S.D.N.Y.) In re National Century Financial Enterprises, Inc. Investment Litigation, United States District Court, S.D. Ohio, 22.7.2008, 580 F.Supp.2d 630 ff. (S.D.Ohio 2008) In re NBW Commercial Paper Litigation, United States District Court, D. Columbia, 11.12.1992, 813 F.Supp. 7 ff. (D.D.C. 1992) In re Pan Am Corp., United States District Court, S.D. New York, 7.12.1993, 161 B.R. 577 ff. (S.D.N.Y. 1993) In re Petroleum Prods. Antitrust Litigation, United States Court of Appeals, Second Circuit, 18.5.1982, 680 F.2d 5 ff. (2nd Cir. 1982) In re Refco, Inc. Secs. Litig., United States District Court, S.D. New York, 30.4.2007, 503 F.Supp.2d 611 ff. (S.D.N.Y. 2007) In re Republic Nat’l Life Ins. Co., United States District Court, S.D. New York, 14.1.1975, 387 F.Supp. 902 (S.D.N.Y. 1975) In re Scott Paper Company Securities Litigation, United States District Court, E.D. Pennsylvania, 30.11.1992, 145 F.R.D. 366 ff. (E.D.Pa. 1992) In re Taxable Municipal Bond Securities Litigation, United States District Court, E.D. Louisiana, 29.12.1993, Civ. MDL 863, 1993 WL 591418 (E.D.La. 1993) In re Time Warner Inc. Securities Litigation, United States Court of Appeals, Second Circuit, 30.11.1993, 9 F.3d. 259 ff. (2nd Cir. 1993) In re Unisys Savings Plan Litigation, United States District Court, E.D. Pennsylvania, 26.1.1995, 1995 WL 29048 (E.D.Pa. 1995) In re Unisys Savings Plan Litigation, United States District Court, E.D. Pennsylvania, 24.11.1997, 1997 WL 732473 (E.D.Pa. 1997) In re Unisys Savings Plan Litigation, United States Court of Appeals, Third Circuit, 22.3.1999, 173 F.3d 145 ff. (3rd Cir. 1999) In re Wells Fargo Mortgage-Backed Certificates Litigation, United States District Court, N.D. California, 22.4.2010, 2010 WL 1661534 (N.D. Cal. 2010) In re Westinghouse Securities Litigation, United States District Court, W.D. Pennsylvania, 27.7.1993, 832 F.Supp. 948 ff. (1993) In re Winburn’s Will, Surrogate’s Court, Westchester County, New York, 28.4.1931, 249 N.Y.S. 758 ff. In re Worlds of Wonder Securities Litigation, United States District Court, N.D. California, 20.1.1993, 814 F.Supp. 850 ff. (N.D.Cal. 1993) Jaillet v. Cashman, Court of Appeals of New York, 30.1.1923, 235 N.Y. 511 (N.Y. 1923) Jaillet v. Cashman, Supreme Court, New York County, New York, May 1921, 189 N.Y.S. 743 (Sup.Ct. 1921) Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, United States District Court, D. Colorado, 4.4.1997, 988 F.Supp 1341 ff. (D.Colo. 1997) Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, United States Court of Appeals, Tenth Circuit, 4.5.1999, 175 F.3d. 848 ff. (10th Cir. 1999) Jones v. Harris Associates L.P., United States Court of Appeals, Seventh Circuit, 8.8.2008, 537 F.3d 728 ff. (7th Cir. 2008) Joseph Burstyn v. Wilson, Supreme Court of the United States, 26.5.1952, 343 U.S. 495 ff. (1952)
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J & R Marketing, SEP v. General Motors Corp., United States Court of Appeals, Sixth Circuit, 5.3.2008, 519 F.3d 552 (6th Cir. 2008) Kalisch-Jarcho, Inc. v. City of New York, Court of Appeals of New York, 29.3.1983, 448 N.E.2d 413 ff. (N.Y. 1983) Kennedy v. Flo-Tronics, Inc., Supreme Court of Minnesota, 24.6.1966, 143 N.W.2d 827 ff. (Minn. 1966) King County, Washington v. IKB Deutsche Industriebank AG, United States District Court, S.D. New York, 3.1.2013, 916 F.Supp.2d 442 ff. (S.D.N.Y. 2013) Kline v. First Western Government Securities, United States Court of Appeals, Third Circuit, 2.5.1994, 24 F.3d 480 ff. (3rd Cir. 1994) LaSalle National Bank v. Duff & Phelps Credit Rating Co., United States District Court, S.D. New York, 26.11.1996, 951 F.Supp. 1071 ff. (S.D.N.Y. 1996) Lawrence v. Fox, Court of Appeals of New York, December Term 1859, 20 N.Y. 268 ff. (1859) Leece v. Griffin, Supreme Court of Colorado, 7.5.1962, 371 P.2d 264 ff. (Colo. 1962) Leib v. Merril Lynch, Pierce, Fenner and Smith, United States District Court, E.D. Michigan, 30.10.1978, 461 F.Supp. 951 ff. (E.D.Mich. 1978) Lockwood v. Standard & Poor’s Corp., Appellate Court of Illinois, First District, Sixth Division, 13.6.1997, 682 N.E.2d 131 ff. (Ill.App. 1 Dist. 1997) Lohr v. Medtronic, Inc., Supreme Court of the United States, 26.6.1996, 518 U.S. 470 ff., 116 S.Ct. 2240 ff. (1996) Lovell v. City of Griffin, Supreme Court of the United States, 28.3.1938, 303 U.S. 444 ff., 58 S.Ct. 666 ff. (1938) Lowe v. SEC, Supreme Court of the United States, 10.6.1985, 472 U.S. 181 ff., 105 S.Ct. 2557 ff., 86 L.Ed.2d 130 ff. (1985) Mallinckrodt Chemical Works v. Goldman, Sachs & Co., United States District Court, S.D. New York, 13.9.1976, 420 F.Supp. 231 ff. (D.C.N.Y. 1976) Marilyn Manson, Inc. v. New Jersey Sports & Exp., United States District Court, D. New Jersey, 7.5.1997, 971 F.Supp. 875 ff. (D.N.J. 1997) McConnell v. Federal Election Commission, United States District Court, D. Columbia, 1.5.2003, 251 F.Supp.2d 176 ff. (D.D.C. 2003) Metropolitan Life Insurance Company v. Noble Lowndes International, Court of Appeals of New York, 25.10.1994, 643 N.E.2d 504 ff. (N.Y. 1994) Miami Herald Publishing Co. v. Tornillo, Supreme Court of the United States, 25.6.1974, 418 U.S. 241 ff., 94 S.Ct. 2831 ff. (1974) Milkovich v. Lorain Journal Co., Supreme Court of the United States, 21.6.1990, 497 U.S. 1 ff., 110 S.Ct. 2695 ff. (1990) MissPERS (Public Employees’ Retirement System of Mississippi) v. Goldman Sachs Group, Inc., United States District Court, S.D. New York, 12.1.2011, 2011 WL 135821 (S.D.N.Y.) MissPERS (Public Employees’ Retirement System of Mississippi) v. Merril Lynch & Co. Inc., United States District Court, S.D. New York, 1.6.2010, 2010 WL 2175875 (S.D.N.Y.) Montcalm County v. McDonald & Co. Securities, United States District Court, W.D. Michigan, S.D., 12.7.1993, 833 F.Supp. 1225 ff. (W.D.Mich. 1993) Murdock v. Commonwealth of Pennsylvania and seven other cases, Supreme Court of the United States, 3.5.1943, 319 U.S. 105 ff. (1943) NAACP v. Alabama, Supreme Court of the United States, 30.6.1958, 357 U.S. 449 ff., 78 S.Ct. 1163 ff. (1958)
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National Life Ins. Co. v. Philipps Pub. Inc., United States District Court, D. Maryland, 9.6.1992, 793 F.Supp. 627 (D.Md. 1992) National Medical Care v. Home Medical of America, Supreme Court, New York County, New York, 20.5.2002, 2002 WL 1461769 (N.Y.Sup.) Near v. State of Minnesota, Supreme Court of the United States, 1.6.1931, 283 U.S. 697 ff., 51 S.Ct. 625 ff. (1931) Nebraska Press Association v. Stuart, Supreme Court of the United States, 30.6.1976, 427 U.S. 539 ff., 96 S.Ct. 2791 ff. (1976) New Jersey Carpenters Vacation Fund v. Royal Bank of Scotland Group, PLC, United States District Court, S.D. New York, 26.3.2010, 720 F.Supp.2d 254 ff. (S.D.N.Y. 2010) New York State Elec. & Gas Corp. v. Westinghouse Elec. Corp., Superior Court of Pennsylvania, 14.9.1989, 564 A.2d 919 ff. (Pa.Super. 1989) New York Times v. Sullivan, Supreme Court of the United States, 9.3.1964, 376 U.S. 254 ff., 84 S.Ct. 710 ff. (1964) No. 84 Employer-Teamster Joint Council Pension Trust Fund v. America West Holding, United States Court of Appeals, Ninth Circuit, 13.2.2003, 320 F.3d 920 ff. (9th Cir. 2003) Oberman v. Dun & Bradstreet, Inc., United States Court of Appeals, Seventh Circuit, 5.4.1972, 460 F.2d 1381 ff. (7th Cir. 1972) Ohio Police & Fire Pension Fund v. Standard & Poor’s Financial, United States District Court, S.D. Ohio, Eastern Division, 26.9.2011, 813 F.Supp.2d 871 ff. (S.D.Ohio 2011) Olivia N. v. National Broadcasting Co., Court of Appeal, First District, Division 4, California, 7.12.1981, 126 Cal.App.3d 488 ff. (Cal.App. 1981) Parnes v. Bally Entertainment Corp., Supreme Court of Delaware, 25.1.1999, 722 A.2d 1243 ff. (Del. Supr. 1999) Petition of Burnett, Superior Court of New Jersey, Law Division, Union County, 27.8.1993, 635 A.2d 1019 ff. (N.J.Super.L. 1993) Philadelphia Newspapers, Inc. v. Hepps, Supreme Court of the United States, 21.4.1986, 475 U.S. 767 ff., 106 S.Ct. 1558 ff. (1986) Pinter v. Dahl, Supreme Court of the United States, 15.6.1988, 486 U.S. 622 ff., 108 S.Ct. 2063 ff. (1988) Pittman v. Dow Jones & Company, Inc., United States District Court, E.D. Louisiana, 19.6.1987, 662 F.Supp. 921 ff. (E.D.La. 1987) Pittsburgh Press Co. v. Pittsburgh Comm’n on Human Relations, Supreme Court of the United States, 21.6.1973, 413 U.S. 376 ff., 93 S.Ct. 2553 ff. (1973) Plumbers’ Union Local No. 12 Pension Fund v. Nomura Asset Acceptance Corp., United States Court of Appeals, First Circuit, 20.1.2011, 632 F.3d 762 ff. (1st Cir. 2011) Polak v. Continental Hosts, Ltd., United States District Court, S.D. New York, 28.6.1985, 613 F.Supp. 153 ff. (S.D.N.Y. 1985) Prudential Ins. Co. of Am. v. Dewey, Ballantine, Bushby, Palmer & Wood, Court of Appeals of New York, 19.11.1992, 590 N.Y.S. 2d 831 ff., 605 N.E.2d 318 ff. (1992) Quinn v. McGraw-Hill, United States Court of Appeals, Seventh Circuit, 16.2.1999, 168 F.3d 331 ff. (7th Cir. 1999) Red Lion Broadcasting Co. v. F.C.C., Supreme Court of the United States, 9.6.1969, 395 U.S. 367 ff., 89 S.Ct. 1794 ff. (1969) Republic of Argentina v. Weltover, Inc., Supreme Court of the United States, 12.6.1992, 504 U.S. 605 ff., 112 S.Ct. 2160 ff. (1992) Riegel v. Medtronic, Inc., Supreme Court of the United States, 20.2.2008, 128 S.Ct. 999 ff. (2008).
Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
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Riley v. Murdock, United States District Court, E.D. North Carolina, 13.6.1995, 890 F.Supp. 444 ff. (E.D.N.C. 1995) Robinson v. Pittsburgh Oil Refinery Corp., Court of Chancery of Delaware, 2.4.1924, 126 A. 46 ff. (Del.Ch. 1924) Rosanova v. Playboy Enterprises, Inc., United States District Court, S.D. Georgia, 6.4.1976, 411 F.Supp. 440 ff. (S.D. Ga. 1976) Rosenstein v. Standard & Poor’s Corp., Appellate Court of Illinois, First District, Third Division, 26.5.1993, 636 N.E.2d 665 ff. (Ill. App. 1 Dist. 1993) Rozny v. Marnul, Supreme Court of Illinois, 28.5.1969, 250 N.E.2d 656 ff. (Ill. 1969) San Diego Bldg. Trades Council v. Garmon, Supreme Court of the United States, 20.4.1959, 359 U.S. 236 ff., 79 S.Ct. 773 ff. (1959) San Leandro Emergency Med. Plan v. Philip Morris, United States Court of Appeals, Second Circuit, 25.1.1996, 75 F.3d 801 ff. (2nd Cir. 1996) Sanders v. John Nuveen & Co., Inc., United States Court of Appeals, Seventh Circuit, 9.6.1972, 463 F.2d 1075 ff. (7th Cir. 1972) Scalp & Blade, Inc. v. Advest, Inc., Supreme Court, Appellate Division, Fourth Department, New York, 30.12.2002, 300 A.D.2d 1068 ff. (N.Y.A.D. 4 Dept. 2002) SEC v. Am. Bd. of Trade, Inc., United States Court of Appeals, Second Circuit, 26.12.1984, 751 F.2d 529 ff. (2d Cir. 1984) SEC v. Hirsch Organization, United States District Court, S.D. New York, 25.10.1982, 8 Media L. Rep. 2421 (S.D.N.Y. 1982) SEC v. Peerless-New York, Inc., United States District Court, S.D. New York, 3.1.1958, 157 F. Supp. 328 ff. (S.D.N.Y. 1958) Securities Industry Ass’n v. Federal Reserve Sys., United States Court of Appeals, Second Circuit, 8.2.1988, 839 F.2d 47 ff. (2nd Cir. 1988) Seely v. White Motor Co., Supreme Court of California, 23.6.1965, 403 P.2d 145 ff. (1965) Smith v. Van Gorkom, Supreme Court of Delaware, 19.1.1985, 488 A.2d 858 ff. (Del.Supr. 1985) Sommer v. Federal Signal Corp., Court of Appeals of New York, 12.5.1992, 593 N.E.2d 1365 ff. (N.Y. 1992) St. Amant v. Thompson, Supreme Court of the United States, 29.4.1968, 390 U.S. 727 ff., 88 S.Ct. 1323 ff. (1968) State v. Morgan, Supreme Court of South Dakota, 19.3.1891, 48 N.W. 314 ff. Taucher v. Born, United States District Court, D. Columbia, 21.6.1999, 53 F.Supp.2 464 ff. (D.D.C. 1999) Thomas v. Collins, Supreme Court of the United States, 8.1.1945, 323 U.S. 516 ff., 65 S.Ct. 315 ff. (1945) Thompson v. Adelberg & Berman, Inc., Court of Appeals of Kentucky, 1.10.1918, 205 S.W. 558 f. (Ky. 1918) Thompson v. Western States Medical Centre, Supreme Court of the United States, 29.4.2002, 535 U.S. 357 ff., 122 S.Ct. 1497 ff. (2002) Thornhill v. Alabama, Supreme Court of the United States, 22.4.1940, 310 U.S. 88 ff., 60 S.Ct. 736 (1940) Time, Inc. v. Hill, Supreme Court of the United States, 9.1.1967, 385 U.S. 374 ff., 87 S.Ct. 534 ff. (1967) Time, Inc. v. Pape, Supreme Court of the United States, 24.2.1971, 401 U.S. 279 ff., 91 S.Ct. 633 ff. (1971) Touche Ross & Co. v. Redington, Supreme Court of the United States, 18.6.1979, 442 U.S. 560 ff. (1979)
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Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., Supreme Court of the United States, 14.6.1976, 426 U.S. 438 ff. (1976) Tsereteli v. Residential Asset Securitization Trust 2006-A8, United States District Court, S.D. New York, 11.3.2010, 692 F.Supp.2d 387 ff. (S.D.N.Y. 2010) Ultramares Corp. v. Touche, Court of Appeals of New York, 6.1.1931, 174 N.E. 441 ff. (1931) United States v. Crockett, United States Court of Appeals, Fifth Circuit, 28.6.1976, 534 F.2d 589 ff. (5th Cir. 1976) United States v. McGraw-Hill Companies, Inc., United States District Court, C.D. California, Southern Division, 16.7.2013, 2013 WL 3762259 (C.D.Cal.) United States v. Rachal, United States Court of Appeals, Fifth Circuit, 8.2.1973, 473 F.2d 1338 ff. (5th Cir. 1973) United States v. Roylance, United States Court of Appeals, Tenth Circuit, 2.8.1982, 690 F.2d 164 ff. (10th Cir. 1982) United States v. Tashjian, United States Court of Appeals, First Circuit, 30.9.1981, 660 F.2d 829 ff. (1st Cir. 1981) University Hill Foundation v. Goldman, Sachs & Co., United States District Court, S.D. New York, 27.10.1976, 422 F.Supp. 879 ff. (S.D.N.Y. 1976) Virginia v. Hicks, Supreme Court of the United States, 16.6.2003, 539 U.S. 113 ff., 123 S.Ct. 2191 ff. (2003) Virginia State Board of Pharmacy v. Virginia Citizens Consumer Council, Supreme Court of the United States, 24.5.1976, 425 U.S. 748 ff., 96 S.Ct. 1817 ff. (1976) von Bulow by Auersperg v. von Bulow, United States Court of Appeals, Second Circuit, 10.2.1987, 811 F.2d 136 ff. (2nd Cir. 1987) Wildmon v. Berwick Universal Pictures, United States District Court, N.D. Mississippi, 8.9.1992, 803 F.Supp. 1167 ff. (N.D.Miss. 1992) Woodling v. Knickerbocker, Supreme Court of Minnesota, 28.11.1883, 17 N.W. 387 f. (Minn. 1883) Zeller v. Bogue Electric Mfg. Corp., United States Court of Appeals, Second Circuit, 22.3.1973, 476 F.2d 795 ff. (2nd Cir. 1973)
Sachverzeichnis Die Zahlen verweisen auf die Seiten; Hauptfundstellen sind kursiv gesetzt. Abonnementvertrag 875 ff. – anwendbares Recht 881 f. acta iure gestionis 519 actual malice-Standard 570 ff., 800, 848, 869, 906 – defamation 821 f. – Rule 10b–5 894 ff. – vertragliche Haftung 800, 802 ff., 813, 815, 882 f. – volenti non fit iniuria 829 Ad hoc-Publizitätspflicht 292 ff., 762 – der Rating-Agenturen 315 ff. Adressatengerechtheit von Publizitätsregelungen 243, 498 ff., 763 Aktien und Ratings 180 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 822, 857 ff. A.M. Best 35, 535, 624, 646, 656 American International Group (AIG) 456, 957 Anerkennung von Rating-Agenturen 632 ff. – Basel II-Akkord 636 ff. – EU-CRR 638 f. – Freiwilligkeit 634 – Marktakzeptanz als Voraussetzung 665 ff. Anknüpfung siehe kollisionsrechtliche Anknüpfung Anlageberatung 422 ff. Anlageempfehlung 17 f. Anlagerichtlinien 70, 78, 367 ff., 957, 981 – Fonds 367 ff. – Haftung 951 – investment grade 369 f. – Ratingschwelle 194, 951 Anlagevorschriften 138 ff., 194 Anlegervertrauen, vertretbares 949 f. Anleihen, nachrangige 186 Anzeigepflicht für Finanzanalysten 627
Äquivalenzlösung 622, 678 ff. ARAG/Garmenbeck-Entscheidung 404 ARUG 384 ff. asiatische Finanzkrise 47 Asset-Backed Securities 244 ff., 245, 252, 255, 563, siehe auch Verbriefungen – Zentralbankfähigkeit 164 f. Aufsichtsbehörde, nationale 836 f. Ausfallrisiko 15 Ausnahmeklausel 967 Ausschuss der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR) 698 ff. Banken – Anlagevorschriften für 138 ff. – Eigenmittel 100 ff., siehe auch Basel IIAkkord – Eigenmittel, Risikogewicht 102 – Liquiditätsrisiko 150 ff. – Mindestbonitätsvorgaben für Investitionen 139 f. – Regulierung von 100 Basel I-Akkord 102 ff. Basel II-Akkord 7, 35, 100 ff., 113 ff., 658 – Anerkennung von Rating-Agenturen 636 ff. – ECAI siehe External Credit Assessment Institution – investment grade-Schwelle 120 f. – IRB-Ansatz siehe IRB-Ansatz – Klippeneffekt 121 – Kreditrisiko 114 ff. – Marktdisziplin 117 ff. – Staatsanleihen 133 ff. – Standardansatz 114 ff. – strukturierte Finanzinstrumente 266 ff. – Verbriefungen 119 ff., 266 ff. Basel III-Akkord 100 ff., 123 f., 967, 968, 980 – Dodd–Frank Act 128 f.
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– Liquiditätsregime 152 f. Basic Law (Hong Kong) 599 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht 102 f. Bausparkasse 148 ff. beauftragtes Rating 38 f. begrenzte Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität realer Publizitätsadressaten 502 ff. behavioral economics siehe Verhaltensökonomik Beratung durch Rating-Agenturen 731 ff. Bereichsöffentlichkeit 296 Berufsfreiheit 585 Beton- und Monierbau-Entscheidung 205, 501 Beweislast 810 f., 845 ff., 948 f. Bill of Rights Ordinance 598 ff. Blankettnormen 640 Blue Sky Laws 891 Board of Federal Reserve 159 Bond-Rechtsprechung 200 ff., 423 ff. Bonität 15 Bonitätsbeurteilung siehe Rating Börse – Hongkonger siehe Hongkonger Börse – Mittelstandssegmente 183 ff. – New Yorker siehe New York Stock Exchange – Schweizer siehe Schweizer Börse Börsendienst-Entscheidung 877 Börsenzulassung 251, 272 – Investment grade-Rating als Voraussetzung 179 ff. bounded rationality 88 Brandeis, Louis 499 breaking the buck 343 broker-dealer 154 ff., 642 bucket system 799 Buffett, Warren 729 business judgment rule 379, 396, 403 ff. cancellation fee 760 CAPM-Modell 82 Cash Pooling 389, 398 CESR siehe Ausschuss der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden; siehe auch ESMA Change of Control-Klausel 976 ff.
Charta der Grundrechte der Europäischen Union 580 ff. civil penalty 781 Clearingsystem 170 Code of Conduct der Rating-Agenturen 694 ff., 702, 782, 928 – Haftungsbegründung 808 f. – Offenlegungspflicht 738 Code of Conduct for Persons Providing Credit Rating Services 682 Codierung von Informationen 22 ff., 57, 66, 87 ff., 202 – als Grund des Informationswertes von Ratings 87 ff. – und Informationsaufnahmekapazität 89 ff. – und internationale Verständlichkeit 885 – und Verhaltensökonomik 93 f. Collateral Bond Obligation 245 Collateral Debt Obligation 245, 279, 719 Collateral Loan Obligation 245 comity-Doktrin 787 Commercial Mortgage-Backed Securities (CMBS) 245, 962 Commercial Paper 230 ff., 344 ff. commercial speech 562 ff., 582, 599 commission model siehe Provisionsmodell comply or explain 697 Comptroller of the Currency 43, 111, 139, 159 – Anlagevorschriften 139 f. Confidentiality Agreement 303, 801 consideration 945 Continuing Disclosure Agreement 311 ff. Control of Exemption Clauses Ordinance 814 f. Corporate Governance 17, 255 ff., 400 ff., 966 Corporate Governance-Rating 401 Counterparty Rating 366 covenant 384, 453 credit cliff-Effekt siehe Klippeneffekt credit default swap 60, 960 f. – und Informationswert von Ratings 63 Credit enhancements 284 f., 290 Credit Linked Note 246, 273 Credit Rating Agency Duopoly Relief Act 525, 607
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Credit Rating Agency Reform Act of 2006 644 ff., 868 ff. Credit Spreads 960 f. credit union 350 Creditreform Rating AG 187, 614 Cuomo-Vergleich 724 ff., 740 Datenüberprüfung, Pflicht zur 751 ff. Deckungsstockfähigkeit 149 f. defamation 576, 788, 789 f., 820 ff., 828, 848 f., 867, 869, 870 ff., 896 – actual malice-Standard 821 f. defensive rating 779 Deliktsstatut 818, 834 ff., 852 f. dépeçage 835 Derivatgeschäft 366 ff. derivative product companies 171 Deutschland 9 f. disclosure philosophy 218 Discount Window 164 Dodd–Frank Act 98, 160, 265 f., 275, 350 f., 365, 525, 566, 608, 958 ff. – Basel III-Akkord 128 f. – Rule 10b–5 894 ff. – Streichung rechtlicher Ratingbezugnahmen 145 f., 160 ff., 169, 224 f., 226, 236 f., 326 f., 474 ff. Dominoeffekt 957 Doppeltes Rating 720 downgrade siehe Ratingherabstufung Drittwirkung, mittelbare 585 Drittwirkung, unmittelbare 591 Duff & Phelps 730 Dun & Bradstreet v. Greenmoss Builders 573 Duopol 524 Economic Loss Rule 825 f. Efficient Capital Market Hypothesis 72 ff., 241, 293, 711 – Informationsaufnahmekapazität 88 – Prospekthaftung 889 – Prospektrecht 232 ff. – Publizitätsrecht 500 ff. EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 106 f. EG-Prospektrichtlinie 206 ff. EG-ProspektVO 206 ff., 273 EG-RatingVO – doppeltes Rating 276 f., 291, 720
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– Haftungsnorm 830 ff., 946 ff. – personeller Anwendungsbereich 839 ff. – private enforcement 841 – registrierte Rating-Agenturen 187, 614 Egan-Jones Ratings 646, 667 f. Eidgenössische Bankenkommission (EBK) 210, 650 Eigenkapitalanforderungen siehe Banken, Eigenmittel Eigenkapitalquote 380 f. Ein-plus-Rating(s)-Usance 543 ff. – Marktsegmente mit 290 f., 719 f. – Rule 3a–7 259 Eingriffsnorm 786 Emissionsprospekt 212 ff. Emissionsrating 28 ff., 919 Emittenteninformationen, vertrauliche 75 ff. Emittentenrating 28, 186, 918 Enron 47, 91, 445, 459, 485, 576, 709, 957, 973 Equal Access Rule 742 escape clause 967 ESMA 187, 580, 699, 838, 842 ff. EU-CRR 125, 638 – und Marktrisiko 108 EU-GeldmarktfondsVO 353 ff. Euler Hermes Rating 187, 614 Europäische Menschenrechtskonvention 580 ff. europäische Rating-Agentur 527 f. Europäische Zentralbank 163, 967 – Zentralbankfähigkeit von Wertpapieren 166 ff. expectation gap 488 Expertenhaftung 909 ff. – nach U.S.-amerikanischem Recht 890 f. External Credit Assessment Institution (ECAI) 636, 652 – Basel II-Akkord 121 ff. externe Lücke 832 externes Rating siehe Rating, externes fair comment 872 fair disclosure siehe Regulation FD faktischer Konzern 385 fall away covenant 454 fallen angels 29, 820 falsches Rating siehe unrichtiges Rating
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Fannie Mae 262 f. Federal Deposit Insurance Corporation 159 Federal Housing Finance Board 159 Federal Reserve Bank of New York 163 Financial Institutions Reform, Recovery, and Enforcement Act of 1989 (FIRREA) 781 ff. Financial Stability Board 970 financial strength rating 28 Finanzanalyse 685 f. Finanzanalyst 18, 589, 684 ff. Finanzierungsstruktur von Unternehmen 378 f. Finanzinstrumente, komplexe siehe komplexe Finanzinstrumente Finanzinstrumente, strukturierte siehe komplexe Finanzinstrumente FINMA 650 First Amendment 557 ff., 767, 848 – als Eingriffsnorm 786 – als globaler Mindestinstitutionsschutzstandard 789 – defamation 821 f. – prior restraint 609 ff. Fitch 34, 523, 536, 614 – Geschichte 43 ff. – Hauptverwaltungen 784 – Ratingskala 24 ff., 539 f. – Sitz 784 Folgepflichten, aufsichtsrechtliche 806 f. Fondskategorien-Richtlinie 351 ff. Form 8–K zum Securities Exchange Act of 1934 308 ff., 978 Form S–3 zum Securities Act of 1933 232 ff., 273 Franken Amendment 715 f. französisches Recht 819 fraud on the market-Theorie 81 f., 889, 950 Freddie Mac 262 f. free rider-Problem 37, 42, 714 Freiheit der Meinungsäußerung 580, siehe auch Meinungsfreiheit Freitagsregel 767 ff. Freizeichnung siehe Haftungsbeschränkung Funktionen der zivilrechtlichen Haftung 777 ff.
Funktionen des Ratings 5 ff. Funktionsschutz des Kapitalmarkts 514 ff. gatekeeper 56 f., 684 Gegenpartei für Derivatgeschäfte 171 Geheimhaltung von Unternehmensdaten 744 Geldmarktfonds 267, 341 ff. Gemeinschaftsgut siehe public good Genehmigungserfordernis für Unternehmensanleihen 174 f. gesetzliche Publizitätspflichten – Adressatenmodell 79 – Efficient Capital Market Hypothesis als Grundlage 79 ff. – Rationalmodell als Grundlage 79 ff. Ginnie Mae 262 f. Glass–Steagall Act 138 f. Gläubigerinteresse 932 ff. Gleichbehandlung, informationelle 317 ff. globale Finanzkrise 2007–09 48, 154, 504 Gramm-Leach-Biley Act 168 f. grandfathering 637, 643 Griechenland-Staatsschuldenkrise (ab 2010) 48 ff., 135, 166 ff. Gutachter-Rechtsprechung 932 f., 934 Gutachterhaftung 916 ff. – vom Staat anerkannte Sachkunde 934 ff. Gütesiegel, allgemeines 16 f., 66, 236, 242, 287, 421, 452, 473, 486 ff., 669, 819 f., 936, 966 Haftung der Rating-Agenturen siehe Haftung für Ratings Haftung für Ratings 777 ff. – allgemeines Persönlichkeitsrecht 822, 857 ff. – anwendbares Recht siehe kollisionsrechtliche Anknüpfung – Beweislast 845 ff., 948 f. – ersatzfähiger Schaden 849 – französisches Recht 819 – gegenüber abonnierenden Investoren 873 ff. – gegenüber dem Emittenten beim beauftragten Rating 791 ff.
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– gegenüber dem Emittenten beim unbeauftragten Rating 852 ff. – gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit 885 ff. – gerichtliche Zuständigkeit 783 – Haftungsbeschränkungen siehe Haftungsbeschränkungen – IPR siehe kollisionsrechtliche Anknüpfung – Kausalitätserfordernis 809 f., 841 – Kollisionsrecht siehe kollisionsrechtliche Anknüpfung – Kreditgefährdung 853 ff. – mangelnder Empfehlungscharakter von Ratings 920 f. – Marktakzeptanz 936 – nach Art. 35a EG-RatingVO gegenüber Emittenten 946 ff. – nach Art. 35a EG-RatingVO gegenüber Investoren 830 ff. – Präventionsfunktion 778 f. – Ratingvertrag 792 ff. – Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 822, 860 ff. – Rufschädigung 819 ff., 863 ff. – Tatsachenäußerung 853 ff. – Übertragbarkeit der Warentest-Rechtsprechung 748 ff., 862 f., 865 f. – Verschulden der Rating-Agentur 812 f. – Vertrauenshaftung nach Schweizer Recht 922 ff. – volenti non fit iniuria 811 ff., 827 ff. – Vorsatz 817, 892 ff. Haftungsausschluss im Ratingvertrag 847 Haftungsbeschränkung 813 ff., 822, 881 ff., 921 haircut 156 handover 12 hardwiring 336, 446 Heberger-Entscheidung 857 ff. Herfindahl-Hirschmann-Index 524 Herkunftslandprinzip 838 f. Herkunftsmitgliedstaat 837 ff. High Yield-Anleihe 454 homo oeconomicus 72, 79, 81 Hong Kong Monetary Authority 163, 652 – Marktrisikoregulierung 112 f. Hongkong 11 ff., 32
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Hongkonger Börse 188 f., 228, 251 f., 272, 314 f., 656 Hongkonger Trustee Act 340 hybride Finanzierung 381 f. hybride Haftungsnorm 823 f., 947 Hypothese des effizienten Kapitalmarktes siehe Efficient Capital Market Hypothesis IKB-Beschluss 406 Immunität, völkerrechtliche 520 incorporation by reference 237 f. Individualschutz der Anleger 514 ff. informationelle Chancengleichheit 316 informationelle Gleichbehandlung 317 ff. informationeller Netzwerkeffekt 23, 94, 538 Informationsasymmetrie 50 ff. Informationsaufnahmekapazität 88 ff. – und Codierung 89 ff. Informationsdritthaftung, rechtsgeschäftsähnliche 908 ff. Informationseffizienz 72 ff. Informationsintermediär – Rating-Agentur als 36 ff., 51 ff. – Reputation 55 f. Informationskosten 83 Informationsmodell 6 Informationsökonomik, neoklassische Theorie 88 ff. Informationsverarbeitung und Codierung 93 ff. Informationswert von Ratings 58 ff. Insiderinformation 295 ff. Insiderrechtliches Weitergabeverbot 318 f. Insiderverzeichnis 329 ff. institutionelle Investoren 335 ff. – Anlagebeschränkungen 194 Institutionsschutz der Rating Agenturen 556 ff. Integrated Disclosure System 233 Interessen, gegenläufige 933 f. Interessenskonflikt der Rating-Agenturen siehe Unabhängigkeit der Rating-Agenturen Internal Rating Based Approach siehe IRB-Ansatz
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Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte 598 ff., 625 Internationales Privatrecht siehe kollisionsrechtliche Anknüpfung interne Anlagerichtlinien siehe Anlagerichtlinien internes Rating siehe Rating, internes Investment Advisers Act of 1940 427, 689 ff. investment grade – als Mindestbonitätsvorgabe 142 ff. – Anlagerichtlinien 369 f. – Begriff 141 – Dodd–Frank Act 145 f. – Geschichte 140 ff. – globale Verwendung als Ratingschwelle 493 ff. – Marktreaktionen 70 – siehe auch Synchronisierungseffekt des Rechts investment grade-/non-investment gradeSchwelle 967 – Marktreaktionen 70 investment securities 139 Investmentfonds 194, 335 ff. investor education 488 investor pays-Geschäftsmodell 36 ff., 712 ff. – Abonnementvertrag 873 ff. – Geschichte 44 – und Regulierungsfunktion des Ratings 715 IOSCO-Kodex 606, 682, 695 ff., 808 – kein Schutzgesetz 898 IRB-Ansatz 116 ff. issuer pays-Geschäftsmodell 36 ff., 781 – Abschaffung 712 ff. – Geschichte 44 – Unabhängigkeit der Rating-Agenturen 409, 705 ff. Jahresabschlussbericht (Form 10–K) 309, 975 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s 77, 552, 867 f. Jhering, Rudolf 898 journalist’s privilege 557 junk bond 29 junk bond prohibition 142
Kapitalaufbringung und -erhaltung 383 ff. Kapitalausstattung von Rating-Agenturen 735 ff. Kardinalpflichten 813 f. Kartellverbot 549 ff. Kausalitätserfordernis 809 f., 841 Key Investor Document 507 Klippeneffekt 121, 446, 455 ff., 458 f., 485, 956, 967 kollisionsrechtliche Anknüpfung – Abonnementvertrag 881 f. – akzessorische 818 – Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb 853 – Art. 35a EG-RatingVO ergänzendes Haftungsstatut 833 ff., 947 ff. – außervertragliche Haftung 818 – deliktische 818, 852 f. – Deliktsstatut 834 ff. – dépeçage 835 – Eingriffsnorm siehe Eingriffsnorm – Haftung der Rating-Agenturen 783 ff. – Herkunftsmitgliedstaat 837 ff. – Niederlassung 784 ff. – Ratingvertrag 793 f. – Rechtswahl siehe Rechtswahl – Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 926 f. – zulassungsakzessorische 836 f. komplexe Finanzinstrumente 244 ff., 674, 709 – Basel II-Akkord 266 ff. – Beispiele 245 ff. – private Ratings 279 f. – Rating-Agenturen als Berater 288 f. – Ratingkürzel 765 – Ratingpublikation 765 ff. – Softwarefehler 757, 845 – Tranchierung 286 – Transparenz der Ratingmethoden 740 f. – Zentralbankfähigkeit 164 f. – Zwei-plus-Ratings-Usance 543 ff. Komplexitätsreduktion 676 Konvention XIX 209 ff. Kotierungsprospekt 214 ff. Kotierungsreglement 214 ff., 304 ff. Kreditauskunftei 21, 41 ff., 573, 854
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Kreditgefährdung 853 ff. Kreditinstitute siehe Banken Kreditrisiko 15, 105 – Basel II-Akkord 114 ff. Kreditwürdigkeit 15 Kursbeeinflussungspotential 297, 305 Lagebericht 976 ff. Ländergruppenrating 518, 771 ff. Länderrating siehe sovereign rating Lauterkeitsrecht siehe Wettbewerb, unlauterer law of defamation siehe defamation legal investment list 142, 336, 339 f. Lehman Brothers 248, 432, 957 Lehman Minibonds 248 Leistungsnähe 931 f. lender of last resort 165 f. lex fori executionis 787 libel 787, 820, 870 ff. Libel Terrorism Protection Act 788 ff., 848 f. Liegenschaftenschätzer-Entscheidung 942 f. Liquiditätsrisiko 16, 150 ff., 162, 286 f., 364, 966 Mandatory Provident Fund Scheme 337 ff. Mandatory Provident Fund Scheme Authority 655 f. mapping 115, 150 Marktakzeptanz als Anerkennungsvoraussetzung 665 ff. Marktdisziplin 117 ff. Markteintrittspublizität 190 ff., 198 ff. Marktinformationsfunktion des Ratings 5 f., 50 ff., 192 ff., 280, 480 ff., 560 Marktreaktionen – auf Ratingänderungen 60 ff. – auf Verfeinerung der Moody’s-Ratingskala 84 f. Marktrisiko 16, 287, 346 f., 361, 364, 966 – Regulierung 104 ff. Marktteilnahmepublizität 292 ff. Marktteilnehmer, reale 87 ff. – begrenzte Informationsaufnahmekapazität 88 Material Adverse Change-Klausel 403
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matter of public concern 559, 571 ff., 872 Medienfreiheit 581 ff., 593 ff. Meinung 20, 574 f., 585 f. Meinungsäußerung siehe Meinung Meinungsäußerungsfreiheit siehe Meinungsfreiheit Meinungsfreiheit 581 ff., 585 ff., 595 ff., 859 – Warentest-Rechtsprechung 749 Mezzanine-Finanzierung 381 ff. MiFID 170, 424 f. Mindestliquiditätsvorgabe 968, 980 mittelbare Drittwirkung 591 f., 865 f., 918 Mittelstandsanleihe 183 ff. Mittelstandssegment 183 ff. Modellfehler 847 Modellrisiko 285 MoMiG 384 ff. money market fund siehe Geldmarktfonds Moody, John 43 Moody’s 34, 290, 523, 614, 729, 839 – EG-RatingVO 839 f. – Geschichte 43 ff. – Ratingskala 23 ff., 539 f. – Ratingskala, Verfeinerung (1982) 84 f. – Sitz 784 – Softwarefehler 757 – strukturierte Finanzinstrumente 249 moral hazard 972 mortgage related securities 262 ff. mortgage-backed securities 245, 262 Mündelsicherheit und Rating 482 municipal securities 32, 311 ff. Nachrang 29 National Association of Insurance Commissioners 961 National Credit Union Administration 159 Nationally Recognized Statistical Rating Organization 140, 157 ff., 344, 530, 535, 642 ff., 660 f., 807 – Entstehung als Kategorie 157 ff. – Investment Advisers Act siehe Investment Advisers Act – und Basler Akkord 128 natürliches Oligopol 531 ff. negligence 823 ff.
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negligent misrepresentation 876, 903 ff. neoinstitutionalistische Theorie 83 ff. neoklassische Theorie 72 ff. net capital rule 154 ff., 642 – als Liquiditätsregelung 156 – und Dodd–Frank Act 160 ff. Netzwerkeffekt, informationeller 23, 94, 538 Neutralität der Rating-Agenturen siehe Unabhängigkeit der Rating-Agenturen New York Stock Exchange 182 f. New Yorker Recht 783 ff., 900, 929 – Libel Terrorism Protection Act 788 ff. Niederlassungen 784 ff. no action letter 158, 271, 642 ff., 644 non-collaterised structured product 251 non-investment grade, Marktreaktionen 70 Notes 210 ff. November-Urteil 388 ff. NRSRO siehe Nationally Recognized Statistical Rating Organization Objektivität der Ratingmethode 754 ff. off-balance sheet arrangement 975, 978 Offenlegungspflicht siehe auch Transparenz – Adressatengerechtheit siehe Adressatengerechtheit – der Rating-Agenturen 710 ff. – für rating trigger 972 ff., 983 Offenmarktgeschäft 163 ff. öffentliches Gut siehe public good Office of Postsecondary Education 159 OGAW-Richtlinie 351 ff., 355 ff. Ökonomie 8 f. Oligopol 522 ff. Oligopol, natürliches 531 ff. Optionsschein 273 Organisations- und Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen 681 ff. over-reliance 133, 287, 348, 487, 969 overreaction effect 69 Pacific Gas and Electric 957 Paradoxon zusätzlicher Transparenz 671 ff. Parmalat 47 Penn Central-Zusammenbruch 45
Pensionsfonds 194 Pensionsgeschäft 163 ff., 359 ff. Persönlichkeitsrecht, allgemeines 822, 857 ff. Pfandbrief 153 Pfandbriefrecht 149 f. Pflicht zur Erläuterung von Ratings 437 ff. Pflicht zur Ratingbeachtung 410 f. Pflichtpublizität, gesetzliche und private Marktinformationen 54 ff. plain-vanilla debt 173 pleading standard 894 ff. point in time-Rating 775 Poor, Henry 42 Präventionsfunktion 778 pre-trial discovery 567 ff., 577 preferred stock 30 f., 211 Pressefreiheit 556 ff., 580, 585 ff., 586 ff., 620, 714, 789, 859 – als Eingriffsnorm 786 – mittelbare Drittwirkung 591, 865 f., 918 – unmittelbare Drittwirkung 579, 591, 801 ff. pricing grid 447 f. principal-agent-Problem 336 prior restraint 609 ff., 614 f., 716, 768 private enforcement 777, 832, 841 privates Rating 563 ff., 924, 939 – Haftung für 902 – komplexe Finanzinstrumente 279 f. Privatplatzierung 195 Privilegierung, steuerliche 189 ff. privity of contract 945 Produktdifferenzierung 537 professional negligence siehe negligence profits tax concession scheme 189 f. Prospekthaftung 199 ff. – der Rating-Agenturen 886 ff. – von Emittenten 780 Prospektpublizität 198 ff. – Ziel 202 Prospektsubstitut, Rating als 229 ff. Prospektzusammenfassung 507 Provisionsmodell 721 ff., 291, 891 prudent investor rule 340 f. prudent person rule 373 f. public good 38, 713, 938
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Publizität als Regelungsinstrument 498 ff. Publizitätspflichten, gesetzliche siehe gesetzliche Publizitätspflichten Publizitätsrecht, funktionelle Grenzen 510 f. qualified institutional buyer 278 qualifizierter Anleger 278 Quartalsbericht (Form 10–Q) 309, 975 race to the top 554 f., 677 f., 698, 701 Rating – als allgemeines Gütesiegel 16 f., 66, 236, 242, 287, 421, 452, 473, 486 ff., 669, 819 f., 936, 966 – als allgemeines Werturteil 3 – als Anlageberatung 683 – als Beurteilungsergebnis 4 – als Beurteilungsvorgang 4 – als Empfehlung 685 f. – als Marktinformation siehe Marktinformationsfunktion – als Meinung 19 ff., 559, 797 ff., 855, siehe auch Meinung – als Prognose 19, 755 – als Prospektsubstitut 229 ff. – als public good siehe public good – als relatives Wahrscheinlichkeitsurteil 797 ff. – als Voraussetzung der Börsenzulassung 179 ff. – als Werturteil 20, 855 – Alternativen zum 99, 959 ff. – Begriff 14 ff. – Codierung 22 ff., 57, 66 – Corporate Governance 255 ff., 400 ff. – doppeltes 276 f., 291, 720 – downgrade siehe Ratingherabstufung – Eingang vertraulicher Emittenteninformationen 75 ff. – empirische Kapitalmarktforschung 59 ff. – Erstellung 38 f. – Erstellung durch Banken 10 f. – externes 35 – falsches siehe unrichtiges Rating – Funktionen 5 ff. – Haftung für siehe Haftung für Ratings
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– Haftungsbeschränkungen siehe Haftungsbeschränkungen – Herabstufung siehe Ratingherabstufung – Heraufstufung siehe Ratingheraufstufung – in der Anlageberatung 422 ff. – Informationswert 58 ff. – Insiderinformation 295 ff. – internes 35, 116 ff. – investor related 39 – komplexe Finanzinstrumente 244 ff. – laufende Überwachung 775 ff. – Liquiditätsrisiko 152 ff. – mangelnder Empfehlungscharakter 17 f., 920 f. – Marktinformationsfunktion 5 f., 50 ff. – Marktreaktionen auf 60 ff. – Marktrisiko 104 ff. – Missverständnisse bezüglich Aussagegehalt 486 ff. – Mittelstandssegmente 183 ff. – Objektivität 754 f. – privates siehe private Ratings – Prognosecharakter 797 f., 925 – Publikation 761 ff. – Ratingbericht siehe Ratingbericht – Regulierungsfunktion siehe Regulierungsfunktion – Tatsachenäußerung 853 ff. – through the business cycle-Methode 67, 132, 960 – unbeauftragtes siehe unbeauftragtes Rating – unrichtiges siehe unrichtiges Rating – unsolicited siehe unbeauftragtes Rating – Unternehmensfinanzierung 377 ff. – upgrade siehe Ratingheraufstufung – Verbot des übermäßigen Rückgriffs auf 370 ff. – Verfahrensschritte 38 f. – Zentralbankfähigkeit von Wertpapieren 163 ff. Rating Advisory 684 Rating-Agentur 34 ff. – Ad hoc-Publizitätspflicht der 315 ff. – als Informationsintermediär 36 ff., 51 ff. – Anerkennung für regulatorische Zwecke 529 f.
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– Beratung durch 288 f., 731 ff. – Code of Conduct siehe Code of Conduct – europäische 527 f. – Gatekeeper-Rolle 56 f., 283 ff. – Geschichte 41 ff. – in Hongkong zugelassene 624 – Institutionsschutz 556 ff. – Kapitalausstattung 735 ff. – Marktanteile 523 – nach der EG-RatingVO registrierte 187, 614 – Niederlassungen 784 ff. – Offenlegungspflichten 710 ff. – Oligopol 522 ff. – Organisations- und Verhaltenspflichten 681 ff. – Pflicht zur Beauftragung 382 f. – Pflicht zur Geheimhaltung von Unternehmensdaten 744 – Pflicht zur Transparenz 737 ff. – Pflicht zur Unabhängigkeit 702 ff. – private Standardsetzung 379 f. – Prospekthaftung der 886 ff. – Provisionsmodell siehe Provisionsmodell – Reputation 55 f. – Selbstregulierung 694 ff. – Sorgfaltspflichten 745 ff., 801 ff. – Tochtergesellschaften 785 f. – umsatzbezogener Ausschlussgrund 726 ff. – und Regulierung von Finanzanalysten 684 ff. – underwriter 891 – Verschulden der 812 f. – Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan 843 – Wertpapierdienstleistungsunternehmen 683 – Wettbewerb 289 ff., 522 ff., 546 ff. Ratingbeachtung als safe harbour 411 ff. Ratingbericht 27, 791, 795, 866, 919 Ratingerstellung 38 f. Ratingherabstufung – Marktreaktionen 60 ff., 68 ff. – Thyssen-Krupp AG (2003) 85 ff. Ratingkategorien 21 f. Ratingkomitee 39
Ratingkürzel 23 ff. – komplexe Finanzinstrumente 765 Ratingmethode – Objektivität 754 f. – Offenlegungspflicht 842 – Publizität 676 – Softwarefehler 757, 845 – Transparenz der 740 f. Ratingobligatorium, allgemeines 173 ff. Ratingpublikation 761 ff. rating shopping 289 ff., 543 f., 548, 723 Ratingskala – Fitch 24 ff. – komplexe Finanzinstrumente 765 – Moody’s 23 f. – Moody’s, Verfeinerung (1982) 84 f. – Standard & Poor’s 24 ff. – Tendenz zur Vereinheitlichung 539 Ratingsymbol siehe Ratingkürzel; siehe auch Ratingskala rating trigger 78, 397, 445 ff., 531, 957, 972 ff. – existenzbedrohender 417 f. – Offenlegungspflicht 972 ff., 983 – Transparenzgebot 450 ff. – Verbot 981 ff. Ratingüberwachung, laufende 775 ff. Ratingverbot 516 f., 566, 584, 613, 768 Ratingvertrag 792 ff. – Haftungsausschluss 847 Rationalmodell 72 ff. – und Informationsaufnahmekapazität 88 Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 822, 860 ff. Rechtsvergleichung als Methode 8 f. Rechtswahl 786, 793 registration statement 217 Registrierung von Rating-Agenturen 604 ff., 626 ff. – Begriff 605 Registrierungsformular 207 Registrierungspflicht 611 regulated activity 623 Regulation AB 270 ff. Regulation FD 76, 321, 323 ff. Regulation S–K 217 ff., 227 regulatory license theory 62, 74, 77, 157, 463, 530 – Kritik 74 ff.
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Regulierung des Ratings 513 ff. Regulierung durch Ratings 97 ff. – Anlagevorschriften für Banken 138 ff. Regulierung durch Transparenz 671 ff., 710 ff. Regulierungsfunktion des Ratings 6 ff., 461 ff., 564 – Abschaffung 958 ff. – aufsichtsrechtliche Folgepflichten 806 f. – derivative Natur 481 – Fehlverwendung von Ratingbezugnahmen 488 ff. – Geschichte 144 f. – investment grade/non-investment grade-Schwelle 70 f. – investor pays-Geschäftsmodell 715 – Liquiditätsrisiko 152 ff., 162 – Marktrisiko 104 ff., 154 – Mittelstandssegmente 183 ff. – Ratingobligatorium 173 ff. – staatliche Anerkennung für Zwecke der 632 ff. – systemische Risiken 956 ff. – unbeauftragte Ratings 664 f. – Volatilitätsrisiko 154 – Zentralbankfähigkeit von Wertpapieren 163 ff. – Zurückdrängung 473 ff. reine Vermögensschäden, Haftung für 823 ff., 897 ff. Repo-Geschäft siehe Pensionsgeschäft Reputation 55 f. Reputationskapital 534, 708 Residential Mortgage-Backed Securities 245, 279, 962 Reynolds v. Times Newspaper Ltd 871 f. Risiken, systemische 554 Rotationssystem 728 Rückschaufehler 410 Ruferhaltung, Interesse an 707 ff. Rufschädigung, Haftung für 819 ff., 863 ff. Rule 10b–5 zum Securities Exchange Act of 1934 894 ff. Rule 144A zum Securities Act of 1933 195 Rule 15c2–12 zum Securities Exchange Act of 1934 311 ff.
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Rule 2a–7 zum Investment Company Act of 1940 258, 267, 341 ff. Rule 3a-7 zum Investment Company Act of 1940 253 ff. Rule 436(g) zum Securities Act of 1933 222 ff., 271 f., 890 Sachkunde, vom Staat anerkannte 934 ff. Sachwalterhaftung 913, 916 ff. safe harbour bei Ratingbeachtung 395 f. Schaden, ersatzfähiger 849 Schulnoten 95 Schutz staatlicher Emittenten 515 ff. Schutzgesetz 897 f. Schweiz 10 f. – Selbstregulierung 10, 209 ff. Schweizer Börse 214 ff., 238 f., 252 f. Schweizerische Bankiervereinigung 209 ff. Schweizerische Nationalbank 163, 651 scienter 894 Secondary Mortgage Market Enhancement Act of 1984 262 ff., 274 Securities and Exchange Commission 6, 43, 158 ff., 162 Securities and Futures Commission 655, 736 Securities and Futures Ordinance 429, 623 securities fraud 893 ff. securities lending siehe Wertpapierleihe Selbstregulierung 10 – der Rating-Agenturen 694 ff. selective disclosure 324 Servicer 285 shareholder derivative suit 780 shelf registration 237 f., 273 Sherman Antitrust Act of 1890 550 f., 578 shield law 568 ff. SIX Swiss Exchange siehe Schweizer Börse slander 820, 870 ff. solicited rating 38 f. Solvency II 962 Sorgfalts-und Verfahrenspflichten, vertragliche 801 ff. sovereign ceiling 33 sovereign rating 31 ff., 49, 109, 208, 618
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– aufsichtsrechtliche Sonderregeln 516 ff. – Freitagsregel 767 ff. – Jahreszeitplan 767 ff. – Prospektpflichtigkeit 208 – Publikation 766 ff. – Überprüfung 517 Sozialversicherungsträger 337 SPEECH Act 788 ff., 848 f. split rating 541 f. Staatenimmunität 32 staatliches Genehmigungserfordernis für Unternehmensanleihen 174 f. staatliches Gütesiegel 669 Staatsanleihe 519, 766 ff., siehe auch sovereign rating – Eigenmittelanforderungen an Banken 133 ff. Staatsschuldenkrise im Euro-Raum 48 ff. Standard & Poor’s 34, 523, 614, 839 – EG-RatingVO 839 f. – FIRREA 782 – Geschichte 43 ff. – Methodenänderung (2003) 85 ff. – Ratingpublikationen 873 – Ratingskala 24 ff., 539 f. – Sitz 784 Standardansatz 114 ff. Stellungnahmerecht des Emittenten 757 ff. – und Haftung 829 f. steuerliche Privilegierung 189 ff. Stiftung Warentest 589, 591, 748 ff., 855, 862 ff., 865 f. – Haftung 746 ff. strukturierte Finanzinstrumente siehe komplexe Finanzinstrumente Strukturierung, Rating-Agenturen als Berater 288 f. subprime mortgages 245, 283, 285 Substitution 936 surveillance fee 775 Symmetriegebot 450 Synchronisierungseffekt des Rechts 370, 491 ff. systemische Risiken der Regulierungsfunktion des Ratings 956 ff. Systemrisikoreduktion 971
Tappan, Louis 41 Tatsachenäußerung 853 ff. third-party beneficiary 943 ff. through the business cycle-Methode 67, 132, 960 ThyssenKrupp AG 775 – Ratingherabstufung 85 ff., 301 Tochtergesellschaft 785 f. tombstone advertisement 225 ff. track record 534 Tranche 286 Transaktionskosten 83 Transparenz 185, 671 ff., 710 ff. – Pflicht der Rating-Agenturen zur 737 ff. – Ratingmethoden 740 f. – und vertrauliche Emittenteninformationen 739 Treu und Glauben 756 Triopol 524 Trittbrettfahrer-Problem siehe free riderProblem Trust fund 339 f. Trust law (Hongkong) 340 Trustee 373 U.S.A. 11 Überdeckung, sichernde 149 f. übermäßiger Rückgriff auf Ratings, Verbot 370 ff. Übernahme von Ratings 679, 767 – Haftungsfolgen 839 f. umsatzbezogener Ausschlussgrund 726 ff. Unabhängigkeit der Rating-Agenturen 702 ff. – Bedeutung der Marktstruktur 717 ff. – issuer pays-Geschäftsmodell 705 ff. – Offenlegungspflichten 710 ff. – politische 704 unbeauftragtes Rating 39 f., 561, 705 – als Insiderinformation 297 ff. – Dritthaftung 926 – equal access rule 742 f. – Haftung für 852 ff. – Informationswert 76 – Marktreaktionen auf 71, 76 – Pflicht zur Kennzeichnung 762 ff. – Regulierungsfunktion 664 f.
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underwriter 891 Uniform Foreign Money Judgments Recognition Act 787 Universal Credit Rating Group 12 f. unmittelbare Drittwirkung 591 unrichtiges Rating 745 f., 795 ff. unsolicited rating siehe unbeauftragtes Rating Unternehmensanleihen, staatliches Genehmigungserfordernis 174 f. Unternehmensrating siehe Emittentenrating Upstream-Darlehen 385 Verbot des übermäßigen Rückgriffs auf Ratings 370 ff. Verbot politischer Empfehlungen 773 ff., 844 Verbot unbeauftragter Ratings von EUStaatsanleihen 40, 516 f., 566, 584 Verbriefung 30 – Basel II-Akkord 119 ff. Verhaltenskodex siehe Code of Conduct Verhaltensökonomik 88 – und Codierung 93 f. Verschulden der Rating-Agentur 812 f., 847 ff. Verschwiegenheitspflicht der Unternehmensleitung 415 f. Versicherungsunternehmen 194, 337 Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 910 f., 926 ff., 930 ff. – fehlende Schutzbedürftigkeit 940 f. – kollisionsrechtliche Anknüpfung 926 f. Vertrauenshaftung der Rating-Agenturen 922 ff. vertrauliche Emittenteninformationen 75 ff. – und Transparenz 739 Vertraulichkeitsausnahme 302 ff. Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM) 370 ff. Volatilitätsrisiko 16, 154, 287, 769, 966 volenti non fit iniuria 811 ff., 827 ff. völkerrechtliche Immunität 520 Vollwertigkeit von Ansprüchen 384 ff., 390 ff.
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Vorsatz, Haftung für 817 vorsätzliche Schädigung von Investoren durch Ratings 892 ff. Vorzensur 618 Vorzugsaktie 30 f., 211 Währungsrisiko 16 Warentest siehe Stiftung Warentest Wasserfallprinzip 286 watchlist 69 Wertpapierbeschreibung 207 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 683 Wertpapierleihe 357 ff. Wertpapierprospekt, Pflicht zur Angabe von Ratings 199 ff. Werturteil 20 WestLB 171 Wettbewerb der Rating-Agenturen 289 ff., 522 ff., 546 ff. Wettbewerb, unlauterer 550 ff., 822, 853, 866 f. Wettbewerbsverhältnis 866 Widerrechtlichkeitstheorie, objektive 827, 899 Widerspruchsrecht des Emittenten 589, 759 ff. – und Haftung 828 f. wirtschaftliches Eigeninteresse am Vertragsschluss 911 f. WorldCom 47 Zentralbankfähigkeit von Sicherheiten 163 ff. Zertifikat 246, 273 Zertifizierung von Rating-Agenturen 679 Zinsklausel, ratingbasierte 448 ff. Zulassung von Rating-Agenturen 604 ff., 606 ff. – Begriff 605 Zulassungsfreiheit für Presseunternehmen 620 Zulassungspflicht 611 Zuständigkeit, gerichtliche 783 Zwei-plus-Ratings-Usance 259, 539, 540 ff. – Marktsegmente mit 718