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German Pages 210 [208] Year 1995
Manoschek »Serbien ist •
judenfrei«
Beiträge
zur
Militärgeschichte
Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Band 38
R.
Oldenbourg Verlag München 1995
»Serbien ist
judenfrei«
Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42 Militärische
Von
Walter Manoschek 2.
R.
Auflage
Oldenbourg Verlag München 1995
Skizze: Zeichen-, Karten- und
Reprostelle des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes
Die Deutsche Bibliothek CIP-Einheitsaufnahme -
Manoscheck, Walter: "Serbien ist judenfrei" : militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42 / von Walter Manoschek. 2. Aufl. München : Oldenbourg, 1995
(Beiträge zur Militärgeschichte ; Bd. 38) zugl.: Wien, Univ., Diss. -
ISBN 3-486-56137-5
NE:GT
© 1993 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Maria-Elisabeth Marschalt, Militärgeschichtliches Forschungsamt, Freiburg i.Br. Druck und Bindung: R. ISBN 3-486-56137-5
Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München
Inhalt
Vorwort des
Einführung
Herausgebers
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Kartenskizze »Serbien
Einleitung
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deutscher
unter
Militärbesatzung
1941/42«
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I. »Unternehmen
Strafgericht« 1. Die Bombardierung Belgrads 2. Die militärische Besatzungsstruktur in Serbien 1941 3. Von der Kapitulation Jugoslawiens bis zum Rußlandfeldzug 4. Die ersten Maßnahmen gegen die Juden in Serbien 5. Die Zusammenarbeit von Wehrmacht und Polizeiorganen 6. Wehrmacht und Partisanenbekämpfung in Serbien
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II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der männlichen Juden in Serbien 1. General Franz Böhme: Bevollmächtigter Kommandierender General in ...
Serbien Die 342. Infanteriedivision im Raum Sabac
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2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
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Der »Kladovo-Transport« Der »Blutmarsch« Das geplante Konzentrationslager in Zasavica General Hinghofers Aktion im Save-Drina-Dreieck Das Konzentrationslager in §abac Der Partisanenüberfall bei Topóla »Legt an übt Rache!« Die Ermordung der männlichen Juden des »Kladovo-Transportes« 2200 Juden und Zigeuner für Valjevo
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....
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»Eichmann
schlägt
Erschießen
vor«
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III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941 1. Die Cetniks des Kosta Pecanac 2. Dimitrije Ljotic und die »Zbor«-Bewegung 3. Die Cetniks des Draza Mihailovic
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a) Die Geschichte der Cetnik-Bewegung. b) Die politischen Ziele der Mihailovic-Cetniks
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7 8 10
11
15 18 26 31 35 40 49 55
55 56 62 63 66 69 75 79 86 91 96 102 109
110 111 111 112 114
6
Inhalt
c) Das Widerstandskonzept der Cetniks d) Die Haltung der Briten gegenüber Mihailovic e) Die jugoslawische Exilregierung und die Cetniks
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4. Die Partisanen
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a) Politische Ziele, Widerstandskonzept und soziale Struktur der Kommunistischen Partei Jugoslawiens Die Sowjetunion und die Partisanen 1941 b) 5. Der Kampf der Partisanen und Cetniks im Jahre 1941 a) Die partielle militärische Kooperation Partisanen Cetniks im .
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Herbst 1941
b) c)
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Der Kampf der Mihailovic-Cetniks gegen die Partisanen Die Kollaborationsversuche von Mihailovic mit den deutschen Besat.
zern
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d) Die Zerschlagung des rV. Massaker der Wehrmacht
an
militärischen Widerstandes in Serbien
.
der serbischen Zivilbevölkerung im Herbst 1941
1. Das Massaker in Kraljevo 2. »Vorwärts zu neuen Taten!« Das Massaker in
.
Kragujevac
.
115 117 119 122 123 126 131
134 142 145 149 155 155 158
V. Die Vergasung der jüdischen Frauen und Kinder aus dem Konzentrationsla-
Sajmiste 1. Die Abstellung des Gaswagens
ger
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169 169
2. »SS-Untersturmführer Herbert Andorfer
Arbeitsgebiet: Abteilung III,
ohne besondere
Zusammenfassung und Schlußfolgerungen Quellen- und Literaturverzeichnis Ortsregister Personenregister VI.
Aufgaben«
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175
185 197 207
209
Vorwort des
Herausgebers
Dieses Buch hat bereits vor seinem Erscheinen die Gemüter erregt. Ein Vorabdruck in der Wochenzeitung »DIE ZEIT« löste eine Fülle von auch ablehnenden Reaktionen aus. Sie dokumentieren, wie kontrovers, ja emotionalisiert die Rolle der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg generell noch immer bewertet wird. Das gilt insbesondere in bezug auf den Balkan, für den die vorliegende Veröffentlichung das Geschehen in Serbien von 1941 bis 1942 grundlegend untersucht. In seiner von der Universität Wien angenommenen und mit dem »Fraenkel Prize for Contemporary History« der Wiener Library London 1992 ausgezeichneten Dissertation setzt sich Herr Dr. Walter Manoschek mit den von deutschen und österreichischen Soldaten in Serbien verübten Massakern auseinander. Er analysiert hierbei Motive, Methoden und Wirkungen, bewertet schließlich diese Aktionen vor dem Hintergrund der deutschen Kriegführung. Dabei zeigt sich, daß nicht erst der Feldzug gegen die Sowjetunion, sondern bereits die Mordaktionen in Jugoslawien wie auch schon die deutsche Besatzungspolitik in Polen eindeutige Symptome eines nationalistisch-rassistisch begründeten Vernichtungskrieges aufweisen. Ein weiterer Problemkreis des Buches liegt in der Darstellung der Nationalitätenkonflikte, die seit der Jahrhundertwende die Geschichte des Balkanraumes prägten und in denen der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn eine nicht unwichtige Rolle spielte. Verschärft wurde die Krisenlage im Südosten Europas durch das Aufeinanderprallen machtpolitischer Interessen der europäischen Großmächte, die zu den Balkankriegen eskalierten und letztlich entscheidend zum Ersten Weltkrieg beitrugen. Ihre Fortsetzung fanden jene nationalen Gegensätze in der Rivalität sich zum Teil bekriegender Partisanenund Widerstandsgruppen während des Zweiten Weltkrieges Konflikte, die letztlich bis in die aktuelle Gegenwart hineinreichen. Der Autor versteht es, die deutsch-österreichische Perspektive der Besatzer überzeugend zu vermitteln, zugleich betrachtet er detailliert das Schicksal der besetzten Völker, also der Betroffenen und Opfer. Es gelingt ihm, zwischen den Interessenlagen der verschiedenen Partisanengruppen genau zu unterscheiden, deren spezifische Motivationen und Zielvorstellungen sowie jeweilige Abhängigkeit vom Ausland zu bestimmen. Insgesamt vermag Manoschek die Bedeutung des vermeintlichen Nebenkriegsschauplatzes Jugoslawien für die Gesamtentwicklung des Krieges stringent zu erklären. Die Ergebnisse der ebenfalls in dieser Schriftenreihe erschienenen Arbeit von Gerhard Schreiber über »Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943 bis 1945« erfahren dadurch Bestätigung und Ergänzung. —
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Dr. Günter Roth
Brigadegeneral und Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes
Einführung
Die wissenschaftliche Aufarbeitung der deutschen Besatzungsherrschaft in Serbien ist bis heute nicht zureichend geleistet. Sie blieb neben dem Engagement zahlreicher Historiker für die Aufklärung der Tendenzen und Realität der deutschen Herrschaft in Polen und der Sowjetunion geradezu nebensächlich. Jahrzehntelang war unsere Kenntnis nicht
unerheblich auf die Memoirenliteratur und auf Beiträge von politischen und militärischen Zeitzeugen angewiesen. Dies gilt auch für das Thema »Endlösung der Judenfrage« in Serbien, dem sich seit 1978 als erster Christopher Browning in mehreren Aufsätzen mit Blick auf die Beteiligung des Heeres gewidmet hat. man muß wohl sagen Die erste umfassende Gesamtdarstellung dieser Geschichte deutsch-österreichischer militärischer Besatzungspolitik und -herrschaft hat Walter Manoschek nunmehr vorgelegt. Aus zwei Gründen macht die Beschränkung auf Serbien und die Jahre 1941/42 Sinn: Serbien unterstand der deutschen Militärverwaltung. Serbien erfreute sich besonderer deutscher, vor allem aber österreichischer Rachegefühle. Die »Lösung der Judenfrage« erfolgte im wesentlichen schon im Verlaufe des Jahres 1941 im Umfeld einer besonders rücksichtslosen Bekämpfung des serbischen Widerstandes. Als wichtiges Ergebnis der Arbeit ist für 1941 die Verantwortung des Heeres bei Planung und Durchführung der Vernichtung der Juden festzuhalten. Im Unterschied zur Kooperation Heer SD in der Sowjetunion lag in Serbien 1941 die Leitung der beim Einsätze einschlägigen »Bevollmächtigten Kommandierenden General in Serbien«, dem aus dem österreichischen Bundesheer kommenden General Böhme. Zwar hatten seine Vorgänger schon im Sommer 1941 die Dezimierung der Belgrader und der verschleppten Banater Juden betrieben: Ohne Zustimmung der Militärbefehlshaber Schröder und Danckelmann konnte die Einsatzgruppe Fuchs nicht agieren. Unter Böhme nahm das Heer diese Aktionen im Herbst 1941 nun selbst in die Hand. Mit Befehl vom 4. Oktober 1941 läutete er die Massenexekution von Juden und Zigeunern ein; als Mittel zur Bekämpfung der Tito-Partisanen absolut untaugliche Mordaktionen. Juden und Zigeuner waren aus den Konzentrationslagern Belgrad und Sabac an Erschießungskommandos des Heeres zu übergeben. Im Befehlsweg OKW WB-Südost Bevollmächtigter General in Serbien erfolgte die letzte Verschärfung und Zuspitzung der Vernichtungsbefehle durch den Mann in Belgrad. Böhme, den Feldmarschall List, OB der 12. Armee und Wehrmachtbefehlshaber Südost, als »besonders geeignete Persönlichkeit« für den Posten des Inhabers der vollziehenden Gewalt in Serbien vorgeschlagen hatte, brachte Systematik in die brutalen und zugleich sinnlosen Aktionen. Dieser Hintergrund war bisher schon gesichertes Ergebnis der Forschung. Manoschek hat darüber hinaus die Durchführung auf der Truppenebene mit reichhaltigem Material belegt und damit ein Kapitel spezieller Zusammenarbeit Heer SD aufgearbeitet, das sich wegen der dominanten Rolle des Heeres von der blutigen Praxis in der Sowjetunion noch negativ —
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Einführung
9
abhebt. Nicht nur, daß mit der »Sühnequote« 1:100 ernstgemacht wurde, auch die Beteiligung am Aufbau des Konzentrationslagers Zasavica und anderer Lager veranschaulicht die besondere »Qualität« der Mitwirkung des Heeres am Holocaust in Serbien. Das Reichssicherheitshauptamt hatte entschieden, daß die in Serbien lebenden oder dorthin verbrachten Juden dort umzubringen seien. Der Bevollmächtigte General Böhme war noch schneller als das Ergebnis der Verhandlungen RSHA Auswärtiges Amt im Herbst 1941. Aus eigenem Entschluß befahl er zur Sühne für deutsche Verluste als erste Maßnahme die Erschießung von 2200 Serben vorrangig Juden und Zigeuner. Mitte Oktober 1941 konnten Vertreter des RSHA verblüfft feststellen, daß General Böhme »die Lösung des Problems« in Angriff genommen hatte. AOK 12 und damit Feldmarschall List waren über alle Aktionen orientiert. Bis zum November 1941 ist der größte Teil der männlichen Juden vom 14. Lebensjahr an aufwärts sowie der Zigeuner ermordet worden. Manoschek konnte aufgrund der militärischen und politischen Akten nachweisen, daß dieses Vorgehen ein Ergebnis der einvernehmlichen Kooperation von Heer und SD in Belgrad gewesen ist. Die Motive auf militärischer Seite lassen sich als ein Knäuel ideologischer und logistischer Gesichtspunkte charakterisieren (man brauchte die Lager für serbische Gefangene und Geiseln) sowie als Racheakte wegen militärischer Rückschläge im Partisanenkrieg, die mit den Vorgängen in Topóla und in Valjevo und Kraljevo zusammenhingen. Kraljevo und Kragujevac, wo von der 717. I.D. im Oktober 1941 über 7000 Geiseln erschossen worden sind, stehen für die grausamen Methoden deutscher Besatzungsherrschaft, aber auch für das österreichische Spezifikum die Bekämpfung der »Balkanmentalität«. Das Schicksal der Juden und Zigeuner ist bei der Behandlung dieser Prozeduren in der Literatur meist wenig oder gar nicht beachtet worden. Eine Darstellung, wie sie mit Manoscheks Untersuchung nunmehr vorliegt, basierend auf dem Material der in Frage kommenden in- und ausländischen Archive, war seit langem überfällig. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist überdies die Möglichkeit eines interpretatorischen Neuansatzes für die Charakterisierung der Rolle des Heeres im Krieg gegen die Sowjetunion. Der Übergang zur Politik der Judenvernichtung vollzog sich 1941. Eine Unterscheidung zwischen Blitzkriegsphase und dem »totalen« Krieg seit 1942, wie sie Arno J. Mayer in seinem Buch »Why did the Heavens not darken?« trifft, wird jedenfalls vom Beispiel Serbien widerlegt. Dies macht nachdenklich für die Kooperation Heer Einsatzgruppen in der Sowjetunion im Jahre 1941. Zwischen Mayers Ansatz und den Forschungsergebnissen Raul Hilbergs, Gerald Flemings, Helmut Krausnicks, Jürgen Försters und Christian Streits liegt ein breiter Graben. Walter Manoschek verstärkt mit seiner auch als Fallstudie militärischer und politischer Motivationen zu lesenden Arbeit die Zweifel an Mayers These vom Zusammenhang zwischen Holocaust und Scheitern der Wehrmacht im Osten. Seine Untersuchung wird die Diskussion zwischen Intentionalisten und Funktionalisten beleben. Sie fügt der Geschichte der Wehrmacht im NS-System ein aufschlußreiches Kapitel an. Manoschek ist für sein Buch der »Fraenkel-Preis« 1992 des Institute of Contemporary History and Wiener Library London zugesprochen worden. —
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Manfred Messerschmidt
10
Serbien unter deutscher
Militärbesatzung
^BUDAPEST
Debrecen
1941/42
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3
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Kecskemet
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(1941 ung.)
a
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Miffsytegk^. miPrinz Eugen«, die die Worte >Stadt und Festung
Die Antwort des OKW, »betreffend die grundsätzliche Haltung gegenüber dem Serbentum«, kam schnell und machte deutlich, daß man in Berlin nicht gewillt war, sich mit historischen Reminiszenzen abzugeben. Das OKW teilte
Übereinstimmung mit dem Auswärtigen Amt und dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda folgendes mit: Deutschland hat kein Interesse daran, in Serbien, das uns immer feindlich gesinnt bleiben wird, eine kulturelle Betreuung zu betreiben [...]. Die einzige Richtschnur für unsere Haltung ist in der nüchternen Wahrung der aus unserer Eigenschaft als Besatzungsmacht sich ergebenden rein deutschen Belange zu sehen. Alles, was über dieses rein deutsche Interesse hinausgeht, ist un»in
angebracht80.«
Konkret hieß diese Phrase, daß die Besatzer mit allen Mitteln die Ruhe im Land garantieren sollten. Über dieses Ziel herrschte unter den deutschen Besatzungsorganen (Wehrmacht, Militärverwaltung, Auswärtiges Amt, Einsatzgruppe) bei allen sonstigen Differenzen Einigkeit. Der stellvertretende Leiter des SS-Einsatzkommandos Belgrad, Hans Helm, brachte die Haltung der deutschen Besatzer im Jahre 1941 bei seiner Vernehmung durch die jugoslawische Militärstaatsanwaltschaft 1946 auf den Punkt: »Die Richtlinie, die in Serbien zur Anwendung kam, [...] war der Richtsatz der ehernen Faust und uns war befohlen, bei Durchführung des Systems der ehernen Faust Exempel zu statuieren. In den höheren Stäben der Polizei in Berlin, die uns diesbezüglich Weisungen erteilten, herrschte die Meinung vor, wir hätten uns um die Stimmung der Bevölkerung nicht viel zu bekümmern, der Krieg mit Rußland sei ohnehin in wenigen Monaten aus und später wäre es ein leichtes, die Verhältnisse in Ordnung zu bringen81.« 79
Ebd.
80
Ebd., OKW, Wehrwirtschaftsstab/Wehrmachtspropaganda (Ia) an den Militärbefehlshaber in Serbien für Propagandaabteilung »S«, 12.7.1941. Serbien wurde für den Bruch des »Drei-Mächte-Paktes« ver-
81
antwortlich gemacht. Dafür sollten das Land und seine Bevölkerung »büßen«. Im übrigen war die Haltung Deutschlands gegenüber Serbien primär durch einen kriegswirtschaftlichen Pragmatismus (Ausbeutung der Rohstoffe und der Arbeitskraft) bestimmt. Über das Schicksal Serbiens innerhalb der geplanten Nachkriegsordnung gab es von deutscher Seite zu keinem Zeitpunkt klare Vorstellungen. Ganz allgemein ging das Auswärtige Amt davon aus, daß in der Zukunft wieder ein serbischer Staat in der einen oder anderen Form geschaffen werden sollte, mit dem Deutschland diplomatische Beziehungen haben würde (Marjanovic, The German Occupation System in Serbia in 1941, S. 263 ff.). Auf die Unklarheit in der Politik gegenüber den Serben zu Beginn der Besatzungszeit verweist auch der stellvertretende Militärverwaltungschef Kiessei: »Alle Mitteilungen, die von oben kamen, haben einen negativen Charakter getragen und waren voller Unstimmigkeiten gegenüber Serbien« (Erklärung Kiesseis beim Verhör im jugoslawischen Armeegefängnis in Belgrad, 24.3.1947, zit. nach: Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 31). Bundesarchiv Koblenz (im folgenden: BA), All.Proz. 6 (Eichmann-Prozeß), Anklagedokument 1434, Vernehmungsprotokoll Hans Helm vor der Militärstaatsanwaltschaft der jugoslawischen Armee, 8.9.1946. SS-Sturmführer Helm war vor dem Überfall auf Jugoslawien Polizeiattache bei der deutschen Gesandtschaft in Belgrad. Er kam im Mai 1941 zur Einsatzgruppe Fuchs und wurde mit dem Aufbau des Einsatzkommandos Belgrad betraut. Helm wurde im Frühjahr 1942 als Polizeiattache nach Agram versetzt, wo er u. a. an der Deportation der kroatischen Juden nach Auschwitz mitwirkte. Er wurde 1947 in Jugoslawien zum Tode verurteilt und hingerichtet.
4. Die ersten
Maßnahmen gegen die Juden in Serbien
35
Durch politische, wirtschaftliche und terroristische Präventivmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung sollte in der Phase vor dem Überfall auf die Sowjetunion eine Stabilisierung der Okkupation und eine Erneuerung des Wirtschaftslebens im Interesse der deutschen Kriegswirtschaft erreicht werden. Um Ruhe und Ordnung zu garantieren, wurden Kriegsrecht, Kriegsdienstverpflichtung und Ausgangssperre verhängt und Kommunisten verhaftet82. Deutsche Konzentrationslager wurden inspiziert, da nach deren Muster in Serbien ähnliche Lager errichtet werden sollten83. Darüber hinaus wurden von den deutschen Besatzern von Beginn an Geiselerschießungen durchgeführt. Die mit aller Brutalität vollzogene Tötung von Zivilisten hatte demonstrativen Charakter und verfolgte das Ziel, durch die abschreckende Wirkung jeden Widerstand gegen die Besatzer schon im Keim zu ersticken. Vor dem Beginn des bewaffneten Aufstandes erfolgten die Geiselerschießungen mittels eines arbeitsteiligen Verfahrens: Nach einem Anschlag von Partisanen oder Cetniks gegen militärische oder verwaltungstechnische Einrichtungen führten Wehrmachteinheiten »Säuberungen« im jeweiligen Gebiet durch. Dabei nahmen sie in der Regel alle Verdächtigen fest, wobei als verdächtig alle Männer und Jugendlichen galten, die in der Umgebung aufgegriffen werden konnten. Die Truppe übergab die Gefangenen der serbischen Quisling-Polizei, die eine gewisse Anzahl von ihnen unter der Aufsicht von Angehörigen der SS-Einsatzgruppe Belgrad oder eines ihrer Außenkommandos erschoß. Die Überlebenden wurden als Geiseln in die Gefangenenlager der Einsatzgruppe sowie der Feld- und Kreiskommandanturen eingeliefert84. Bei der Verfolgung, Gefangennahme und Tötung von serbischen Zivilisten erfolgte bis Ende Juni 1941 zwischen der Art der politischen Gegner keine Differenzierung. Nur eine Bevölkerungsgruppe wurde von Beginn an gezielt und systematisch ausgesondert und verfolgt: die Juden. 4. Die ersten
Maßnahmen gegen die Juden in Serbien
Die ersten Maßnahmen gegen Juden erfolgten nach dem bereits im »Altreich«, der »Ostmark« und in den besetzten Gebieten gehandhabten Schema: Registrierung Kennzeichnung Beraubung Ausgrenzung. Am 16. April 1941, also schon vor der Kapitulation Jugoslawiens, gab der Chef der Einsatzgruppe der Sipo und des SD per Anschlag bekannt: —
—
—
»Alle Juden haben sich am 19.4. des Jahres um 8 Uhr morgens bei der Städtischen Schutzpolizei im Feuerwehrkommando am Tas-Majdan zu melden. Juden die dieser Meldepflicht nicht nachkommen, werden erschossen85.« 82
83 84
85
Schon vor dem Überfall auf die Sowjetunion wurde am 9.6.1941 vom kommissarischen Regierungschef Acimovic die Verhaftung von 150—200 führenden Kommunisten beschlossen (Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 47). Ebd. Zuerst wurden für die Kriegsgefangenen von den Feldkommandanturen Mannschaftsstammlager (Stalags) eingerichtet (IfZ München, MA 687, KTB Ib (Quartiermeisterabteilung beim Befehlshaber Ser-
bien, 21.5.1941). German Archive,
AVJJ,
40—4—4.
36
I.
Von den
»Unternehmen
Strafgericht«
dem Krieg in Belgrad lebenden Juden meldeten sich 9145 bei der Schutzpolizei86. Dort wurden sie von Mitarbeitern des Judenreferats bei der Gestapo unter der Leitung des SS-Untersturmführers Fritz Stracke registriert. Aufgrund dieser Angaben fertigte das Judenreferat drei Karteien an: eine allgemeine Kartei, eine Vermögenskartei und eine Kartei der Ehepartner von Juden, die im Staatsdienst beschäftigt waren87. In enger Zusammenarbeit mit der Gestapo erließ der Leiter der lokalen militärischen Dienststelle, der Feldkommandant von Belgrad, Oberst von Kaisenberg, die erste Judenca.
12000
vor
verordnung: in Belgrad können Lebensmittel und sonstige Waren auf den Märkten und Plätzen täglich nur von 10.30 h. weiter einkaufen [...] 2) Bei den öffentlichen Brunnen und sonstigen Plätzen wo die Bürger in Reihen warten, können sich die Juden erst dann anstellen, nachdem sich alle übrigen Bürger Arier mit den betreffenden Artikeln
»1) Alle Juden wohnhaft
versorgen; 3) Es wird allen Kaufleuten verboten, zu erhöhten Preisen und überhaupt unter der Hand den Juden Lebensmittel und sonstige Waren zu verkaufen; 4) Alle Juden, welche gegen diese Verordnung verstoßen, werden mit bis zu 30 Tagen Arrest oder mit Geldstrafen bis zu Din. 10000 bestraft werden. Nach Gutdünken werden sie auch in Konzentrationslager geschickt werden88.«
Doch die Feldkommandantur erließ nicht nur Verordnungen und führte gemeinsam mit der Gestapo die Registrierung der Belgrader Juden durch, sondern wurde auch selbst praktisch tätig. Die ihr unterstehende Feldgendarmerie beschlagnahmte die jüdischen Geschäfte und Wohnungen sowie das dazugehörige Inventar; dann wurden die geraubten beweglichen Güter in Lagerhallen deponiert, wo sie gegen Bescheinigungen, die von der Verwaltungsgruppe der Feldkommandantur ausgestellt wurden, von allen Angehörigen der Besatzungsmacht zu günstigen Preisen erstanden werden konnten89. Der Rest der geraubten Waren wurde der Nationalsozialistischen Volksfürsorge der Deutschen Volksgruppe in Belgrad übergeben, mit dem von der Feldkommandatur 599 in Belgrad erteilten Auftrag, die Waren zu mäßigen Preisen an die Deutsche Volksgruppe zu verkaufen90. In den Feld- und Kreiskommandanturen wurden auch Juden zur Zwangsarbeit eingesetzt sonst waren Juden dort allerdings unerwünscht: Als Dr. Erich Adler, der mit seiner Frau schon 1938 aus Österreich vertrieben wurde und nach Belgrad geflüchtet war, bei der Kreiskommandantur um eine Ausreisebewilligung vorsprechen wollte, las er zu seiner Überraschung am Eingangstor: »Juden ist der Zutritt verboten91.« —
86 87
The Crimes of the Fascist Occupants and Their Collaborators Against Jews in Yugoslavia, Summary, S. 1. Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 102.
AVJJ, German Archive, 12—1—66. Die Feldkommandanten, ebenso wie die Kreis- und Ortskommandanten, unterstanden dem Befehlshaber Serbien (IfZ München, MA 515, OKH, Befehlsstab Generalquartiermeister: Dienstanweisung für den Militärbefehlshaber in Serbien, 17.4.1941). 89 Siehe dazu die Zeugenaussagen der Angehörigen der Feldkommandantur 599 (Belgrad) Willi J. und Anton W, ZStL, 503 AR 12/62, Beiakte Bd 6. 90 BA, R 26 VI/602, Rechnungshof des Deutschen Reiches an Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft in Serbien, betr.: Örtliche Erhebungen und Prüfungen bei der Verwaltung des Judenvermö88
91
gens, 20.1.1943. Interview mit Dr. Erich
Adler,
22.11.1988.
4. Die
ersten
Maßnahmen gegen die
Juden
37
in Serbien
Nach bewährtem Muster baute die Gestapo eine innerjüdische Organisationsstruktur auf. Um die reibungslose Registrierung der Juden voranzutreiben, wurde ein Judenrat gebildet. Über diese Stelle ergingen auch die Anordnungen an die jüdische Bevölkerung. Die Aufstellung einer »Judenpolizei« sollte zudem eine effektivere Aufsicht gewährleisten92. Sodann begannen die Besatzer mit der planmäßigen »Arisierung« des jüdischen Vermögens. Zu diesem Zweck traf Anfang Mai 1941 der Chef des Referates D III (Judenfragen) des Auswärtigen Amtes, Legationsrat Rademacher, in Belgrad ein, um dort die Interessen seiner Dienststelle zu vertreten. In den Besprechungen mit dem Gesandten und den Vertretern des SD sowie der Militärverwaltung konnte er gänzliche Interessengleichheit konstatieren. Der Erlaß von Judenverordnungen sollte nach dem Muster der Militärverwaltung in Frankreich erfolgen, wobei Rademacher darauf hinwies, daß der nunmehrige Leiter der Militärverwaltung in Serbien, Staatsrat Turner, Judenverordnungen schon aus seiner Praxis als ehemaliger Militärverwaltungschef von Paris und Frankreich-Ost kannte, wo er einschlägige Erfahrungen mit dem Raub von jüdischen Kunstschätzen gesammelt hatte93. Turner solle in Serbien nur nach bewährtem Muster vorgehen. Einzig in Hinblick auf die Verwertung des Judenvermögens unterbreitete Rademacher Vorschläge, denen die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet des Vermögensraubes zugrunde lagen: Die Juden sollten nach einem vom österreichischen SS-Obersturmführer Dr. Erich Rajakowitsch in Holland entwickelten Plan94 dazu gebracht werden, ihr Ver92
93
94
Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 102. Gemeinsam mit dem »Einsatzstab Rosenberg« und der Geheimen Feldpolizei (GFP) hatte Turner im ersten halben Jahr der Besatzung in Frankreich Kunstschätze im Wert von einer halben Milliarde Reichsmark gestohlen (Centre de Documentation Juive Contemporaine Paris [im folgenden: CDJCP], CCLI-59, Schreiben Rosenbergs an Hitler, 13.11.1940). Göring war mit Turners Leistung sehr zufrieden: »Die weitere Erfassung jüdischen Kunstbesitzes in Frankreich geschieht in der bisher bewährten Form durch den Einsatzstab Rosenberg in Zusammenarbeit mit dem Chef der Militärverwaltung Paris« (ebd., 5.11.1940). Dr. Erich Rajakowitsch war schon 1938 als Rechtsexperte für den »Auswanderungsfond Wien« tätig, der eng mit Eichmanns »Zentralstelle für jüdische Auswanderung Wien« zusammenarbeitete, um die vermögensrechtlichen Fragen der Vertreibung der österreichischen Juden zu regeln. Nach der Gründung der »Zentralstelle Prag« wurde er von Eichmann zum Leiter des »Auswanderungsfonds« in Prag ernannt. In dieser Funktion entwickelte Rajakowitsch ein Finanzierungssystem, bei dem
Juden Geldsummen einerseits zur Finanzierung des »Auswanderungsfonds« und andererseits zur Emigration armer Juden einzahlen mußten. Im April 1941 wurde Rajakowitsch nach Holland versetzt, um auch dort im Rahmen einer geplanten »Zentralstelle für jüdische Auswanderung« einen »Auswanderungsfond« zu errichten. Wie der österreichische Höhere SS- und Polizeiführer in Holland, Hanns Rauter, in einem Brief vom April 1941 an den Reichskommissar von Holland, Arthur Seyß-Inquart, ankündigte, sollte in Holland eine »Zentralstelle für jüdische Auswanderung« geschaffen werden, »which would serve as an example of the solution of the Jewish question for all European countries« (in engl. Übersetzung zit. nach: Michman, Planning for the Final Solution Against the Background of Developments in Holland in 1941, S. 153). In den Machtkämpfen zwischen dem Reichskommissariat und der SS um die Zuständigkeit für Judenangelegenheiten in Holland blieb vorerst Seyss-Inquart gegenüber Rauter erfolgreich. An Stelle der Gründung eines »Auswanderungsfonds« durch den SS-Mann Rajakowitsch übernahm der Vertraute von Seyss-Inquart und ehemalige »ostmärkische« Finanzminister, Dr. Hans Fischböck, der seine —
I. »Unternehmen
38
Strafgericht«
mögen selbst zu liquidieren und einen Juden-Sonderfonds zu gründen, aus dem (im Gegen-
bisherigen Einrichtung von Sperrkonten) das Geld auch für deutsche Zwecke verwendet werden könnte, etwa für den Kauf kriegswichtiger Bergwerksbetriebe in Serbien. Ebenso könnten aus einem solchen Judenfonds die Ausgaben für die in Sabac internierten jüdischen Flüchtlinge bestritten werden, die bereits bis dato 200000 Dinar betrügen. Nur die wichtigsten Objekte sollten von Deutschen selbst »arisiert« werden. Der überwiegende Rest des gestohlenen Eigentums war als Gratifikation für Volksdeutsche und potentielle serbische Kollaborateure vorgesehen. Da Rademacher bei der Besprechung mit den Vertretern der Gesandtschaft, des SD und der Militärverwaltung restlose Übereinstimmung erzielte, sah er keinen Anlaß mehr, an der vom Militärbefehlshaber, General Schröder, einberufenen Sitzung (14. Mai 1941) teilzunehmen95. An diesem Tag trafen sich im Belgrader Parlamentsgebäude die Vertreter von Wehrmacht, SS, Sipo und SD, der Gesandtschaft sowie des Wirtschaftsstabes und einigten sich auf das weitere Vorgehen gegen die serbischen Juden: satz zur
»1.
Erfassung aller Juden, ihre Kenntlichmachung. Für die Bestimmung der Juden ist allein die Abstammaßgeblich. Entfernung der Juden aus allen öffentlichen Ämtern.
mung 2. 3.
Arisierung der Geschäfte und Betriebe und Einsetzung von Treuhändern. Die Einsetzung von Treuhändern soll, wenigstens soweit es sich um Großbetriebe handelt, auf Vorschlag des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft durch die Feldkommandanturen erfolgen. In kleineren Betrieben werden die Einsetzungen unmittelbar durch die Feld-, Kreis- und Ortskommandanturen erfolgen. [...] Durch den Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft sind bisher etwa 50 Großbetriebe arisiert worden. 4. Sicherstellung von jüdischem Grundvermögen. Die Erfassung des Vermögens wird zunächst durch den Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft erfolgen. 5. Aufstellung jüdischer Arbeitsgruppen. Eine Bezahlung wird entsprechend der effektiven Leistung
erfolgen. 6. Erfassung aller jüdischen Organisationen.
Jüdische Ärzte müssen zunächst noch für die Behandlung von arischen Personen zugelassen werJedenfalls aber dürfen Volkstumsdeutsche sich nicht durch sie behandeln lassen. 8. Festsetzung besonderer Einkaufszeiten für die Juden. Die Benutzung der Straßenbahn für Juden 7.
den. ist
nur
im
9. Besuch
Anhängerwagen zugelassen.
von
Gaststätten, Kinos, Theatern etc. wird den Juden verboten. In Belgrad werden zwei beson-
dere Gaststätten allein für
Juden zugelassen.
Beschäftigung von Juden
in arischen Betrieben,insbesonders als chen Gaststätten, ist verboten96.« 10.
Bedienungspersonal
in öffentli-
Darüber hinaus wurde erwogen, alle Belgrader Juden in dem Südbanater Dorf Majdanpek anzusiedeln und die dort lebende serbische Bevölkerung in andere Ortschaften umzusiedeln. Dieser Plan wurde durch die reale Entwicklung rasch bedeutungslos.
Fähigkeiten bei der Beraubung jüdischen Vermögens schon
1938 in Wien erfolgreich unter Beweis stellen konnte (Witek, »Arisierungen« in Wien, S. 199 ff.) die vermögensrechtlichen Agenden bei der »Lösung der Judenfrage« in Holland (Michman, Planning for the Final Solution Against the Background of Developments in Holland in 1941 ' 'ff.). 65/4. Aufzeichnung Rademachers über PA-AA, Inland II A/B (Juden in Jugoslawien 193 seine Besprechungen in Belgrad, 23.5.1941. Ebd., Botschaft Belgrad, Judenangelegenheiten Bd 62/ü, Aufzeicnnu ig üb.r Besprechung über Judenfragen beim Militärbefehlshaber in Serbien am 14.5 1 —
v
95
96
'
4. Die ersten
Maßnahmen gegen die
Juden
in Serbien
39
oblag dem Chef von Sipo und SD, Verordnung des Militärbefehlshabers bekanntgegeben97. Aufgrund dieser Verordnung befahl Fuchs eine erweiterte Registrierung der Juden, bei der nun auch alle 14- bis 16jährigen männlichen Juden und alle Juden, gleich welcher Staatsbürgerschaft, die innerhalb der letzten 10 Jahre aus dem Ausland nach Belgrad übersiedelt waren, mit einbezogen wurden:
Die Ausarbeitung der Dr. Fuchs. Sie wurden
angeführten am
zehn Punkte
30. Mai 1941 in einer
Feststellung der Zahl der Juden wird angeordnet, daß die untergeordneten Organe schnellstens Berichte über den Stand und die Zahl sowohl unserer als auch ausländischer Juden einsenden; bei den letzteren ist mitzuteilen, woher sie kamen und wessen Staatsbürger sie sind. Im Zeitraum von 5 Tagen haben alle Juden, die unsere Staatsbürgerschaft haben, in die Orte zurückzukehren, in denen sie vor dem 6. April lebten98.« »Zum Zwecke der
Zwischen Ende April und Mitte Juni 1941 wurden alle arbeitsfähigen männlichen Juden zwischen 14 und 60 und alle Jüdinnen zwischen 16 und 60 Jahren zur Zwangsarbeit herangezogen. In Belgrad kamen etwa 3500—4000 Juden bei der Aufräumung von zerbombten Häusern zum Einsatz. Mit der Registrierung der Juden, ihrer Kennzeichnung durch gelbe Armschleifen mit der Aufschrift »Jude«, Kontributionszahlungen in Form von Abgaben, der »Arisierung« ihres Grundvermögens und der Einsetzung von »Treuhändern« in jüdischen Betrieben, dem Ausschluß aus dem öffentlichen und der Verdrängung aus dem gesellschaftlichen Leben99 hatten die deutschen Besatzer in knapp zwei Monaten die erste Phase der Entrechtung und Beraubung der Juden in Serbien abgeschlossen. Per Verordnung des Militärbefehlshabers vom 30. Mai 1941 erfolgte vorerst eine Gleichstellung von Juden und Roma100. Schon wenig später erfuhr die Verordnung aber insofern eine Änderung, als nunmehr nach seßhaften und nomadisierenden Roma unterschieden wurde101. Die jeweilige Zuweisung sollte über ihr weiteres Schicksal entscheiden. 97
98
99
100
101
Jevrejski Istorijski Muzej Beigrade (Jüdisches Historisches Museum Belgrad, im folgenden: JIMB), 21—1-1/20, Verordnung betreffend die Juden und Zigeuner, 30.5.1941.
Zit. nach: Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 102. Bereits Ende April 1941 wurde den Juden in Belgrad das Benutzen der Straßenbahnen verboten. Im Banat trat eine Einkaufsordnung in Kraft, laut derer den Juden das Einkaufen nur zwischen 11 Uhr und 12 Uhr gestattet war. Die Juden in Belgrad durften nur vor 11 Uhr einkaufen. Juden wurde der Besuch von Theatern, Kinos und anderen öffentlichen Veranstaltungen verboten (ebd., S. 103). »§ 18: Zigeuner werden wie Juden behandelt. § 19: Zigeuner ist der, der mindestens drei zigeunerische Großeltern hat. Zigeunermischlinge, die mit Zigeunerinnen verheiratet sind, gelten als Zigeuner. S 20: Zigeuner werden gesondert registriert« (Verordnung des Militärbefehlshabers vom 30.5.1941, die Vernichtung eines Volkes im NS-Staat, S. 88). zit. nach: Kenrick/Puxon, Sinti und Roma Am 25.7.1941 wurde einer Anregung der kommissarischen serbischen Regierung zur Unterscheidung in seßhafte und nomadisierende Zigeuner vom Militärbefehlshaber Rechnung getragen. Die »Juden- und Zigeunerverordnung« wurde insofern novelliert, als »zur Beseitigung gewisser Härten [...] serbische Staatsangehörige zigeunerischer Abstammung, die einen geachteten Beruf ausüben, einen ordentlichen Lebenswandel führen und deren Vorfahren nachweislich mindestens seit dem Jahre 1850 seßhaft sind, vorerst nicht nach den Paragraphen 18 bis 20 der obengenannten Verordnung zu behandeln« sind (PA-AA, Botschaft Belgrad, Judenangelegenheiten 62/6, Stellvertretender —
40
I. »Unternehmen
Strafgericht«
Die Maßnahmen gegen die Juden wurden von allen Besatzungsorganen getragen und in gemeinsamen Besprechungen akkordiert. Da dem Befehlshaber der Wehrmacht in Serbien als oberstem Besatzungsorgan alle Besatzungsstäbe direkt oder indirekt unterstellt waren, bedurften auch alle antijüdischen Maßnahmen seiner Zustimmung. Luftwaffengeneral Schröder hatte den Worten Görings, des Oberbefehlshabers der Luftwaffe, »der Kampf gegen Juden, Freimaurer und die ihnen verbündeten und sonstigen weltanschaulichen und gegnerischen Mächte [...]« sei »eine vordringliche Aufgabe des Nationalsozialismus während des Krieges«102, in seinem Wirkungsbereich zur Geltung verholfen. 5. Die Zusammenarbeit
von
Wehrmacht und
Polizeiorganen
Bei den Judenmaßnahmen vom Frühjahr 1941 in Serbien funktionierte die Kooperation zwischen den obersten Besatzungsstellen der Wehrmacht und dem SD reibungslos. Die Zusammenarbeit der Wehrmacht und der Organe Himmlers konnte auf eine gemeinsame Geschichte zurückblicken, die bereits mit dem Überfall auf Polen begonnen hatte. Noch im September 1939 waren die polizeilichen Sonderformationen formalrechtlich dem Heer unterstellt worden103 und sollten von den militärischen Dienststellen bei ihren
»volkspolitischen Aufgaben«104 unterstützt werden. Doch vom »Blutrausch der Polizei im Osten«105 gegen Juden und die polnische Intelligenz überrascht, erhob sich starker
Protest seitens der Wehrmacht gegen die Praktiken von SS und Polizei. Im Winter 1939/40 ging dieser Protest soweit, daß verschiedene Befehlshaber ihre Ablehnung gegenüber der Eröffnung einer Westoffensive mit Hinweisen auf die Mordaktionen der Polizeiorgane in Polen untermauerten106. Der Konflikt zwischen Heer und SS wurde von Brauchitsch im Frühjahr 1940 auf pragmatische Weise beigelegt. Er akzeptierte vorbehaltlos die Mordaktionen der Einsatzgruppen, garantierte, daß sich die Truppe in die Praxis der SS nicht einmischen werde und bestand lediglich darauf, daß diese Form der »Gegnerbekämpfung« von der Truppe ferngehalten werden müsse107. Damit akzeptierte die Heeresführung grundsätzlich die geplante von Heydrich dem Generalstab schon im September 1939 vorgetragene Vernichtungspolitik im Osten gegen Juden, Intelligenz, Geistlichkeit und Adel. —
—
Militärverwaltungschef Kiessei an Kommissarischen Leiter des Innenministeriums, 11.7.1941). In Jugoslawien lebten insgesamt etwa 300000 Roma, davon allein in Serbien etwa 150000. Der überwiegende Teil der serbischen Roma war seßhaft (Kenrick/Puxon, Sinti und Roma die Vernichtung eines Volkes im NS-Staat, S. 87). 102 PA-AA, Botschaft Belgrad, Judenangelegenheiten, Bd 62/6, Anweisung Görings zur Unterstützung des Stabes Rosenberg, 1.5.1941. 103 Die Angehörigen dieser Polizeiverbände (darunter auch die SS-Totenkopfverbände) galten als Wehrmachtgefolge und waren somit auch der Militärgerichtsbarkeit unterworfen (Krausnick/Wilhelm, Die Truppe des Weltanschauungskrieges, S. 33 f.). 104 Siehe den genauen Wortlaut des Schreibens des damaligen Oberbefehlshaber des Heeres, von Brau—
chitsch, in: Müller, Das Heer und Hitler, S. 667 f. Zit. nach: Messerschmidt, Harte Sühne am Judentum, S. 106 Ebd., S. 115. 107 Ebd., S. 115f. 105
115.
5. Die Zusammenarbeit
von
Wehrmacht und
Polizeiorganen
41
Nach den Erfahrungen in Polen mußte Hitler erkennen, daß »es ihm noch nicht gelungen war, aus dem Heer des nationalsozialistischen Staates ein Heer von Nationalsozialisten zu machen«108. Er begnügte sich vorerst mit der bedingungslosen Duldung und technischen Förderung der »politisch-polizeilichen Sonderformationen« durch das Heer. Die Konflikte im Polenfeldzug waren der Grund für die formale Trennung von Wehrmacht und »Sonderorganisationen« (SS, SD, Sipo, Polizei, Einsatzgruppen und -kommandos) im Zuge der Vorbereitung des Überfalls auf die Sowjetunion. Der Generalquartiermeister des Heeres, General Wagner, und Heydrich einigten sich, die Einsatzgruppen im Operationsgebiet, sowohl disziplinarisch und gerichtlich, als auch fachlich dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD zu unterstellen. Das bedeutete, daß die Befehle an die Einsatzgruppen direkt vom Reichsführer-SS Himmler oder von Heydrich kamen und die Armeen nur für Marschversorgung und Unterbringung dieser »Sonderkommandos der Sicherheitspolizei« verantwortlich waren109. Im OKH-Befehl über die »Regelung des Einsatzes der Sicherheitspolizei und des SD im Verbände des Heeres«110 wurde als Auftrag der Einsatzgruppen bzw. -kommandos im rückwärtigen Heeresgebiet die »Erforschung und Bekämpfung der Staats- und reichsfeindlichen Bestrebungen« genannt. Im rückwärtigen Armeegebiet bestand ihre Aufgabe in der »Sicherstellung vor Beginn von Operationen festgelegter Objekte (Material, Archive, Karteien von reichs- oder staatsfeindlichen Organisationen, Verbänden, Gruppen usw.) sowie besonders wichtiger Einzelpersonen (führende Emigranten, Saboteure, Terroristen usw.)«. Im Rahmen dieser Aufträge wurden die »Sonderorganisationen« ermächtigt, »in eigener Verantwortung Exekutivmaßnahmen gegenüber der Zivilbevölkerung
zu
treffen«111.
Diese grundlegenden Vereinbarungen zum Verhältnis von Heer und politisch-polizeilichem Terrorapparat, die zwischen Heydrich und General Wagner ausgehandelt worden waren, lagen am Tag des Sturzes der eben erst dem Dreimächtepakt beigetretenen jugoslawischen Regierung, am 26. März 1941 im Entwurf vor und wurden am 28. April 1941 unterzeichnet. Nachdem sich Hitler für den militärischen Überfall auf Jugoslawien und Griechenland entschieden hatte, wurde dieser ursprünglich für die »Operation Barbarossa« vorgesehene Befehlsentwurf auch auf diesen Kampf- bzw. Besatzungsraum ausgedehnt. Fast wortwörtlich wurde er am 2. April 1941 für den »Fall Fünfundzwanzig« (Jugoslawien) und für den »Fall Marita« (Griechenland) übernommen. Die wenigen Abweichungen aber markierten einen qualitativen Sprung in der Gegnerbekämpfung. Die »besonders wichtigen Einzelpersonen«, welche die beiden vorgesehenen Einsatzgruppen der Sipo und des SD (je eine in Serbien und Griechenland) »sicherstellen« sollten, waren von Halder, dem Chef des Generalstabes und zeitweiligen Haupt der Opposition von 1938/39, um zwei Gegnergruppen erweitert worden: neben »Emigranten, Saboteuren, Terroristen 108 109
110
>«
Krausnick/Wilhelm, Die Truppe des Weltanschaungskrieges, S.
128.
Befehl des Oberbefehlshabers des Heeres zur Regelung des Einsatzes der Sicherheitspolizei und des SD im Verband des Heeres beim Überfall auf die UdSSR, 28.4.1941 (abgedruckt in: Müller, Deutsche Besatzungspolitik, S. 42 ff.). Ebd. Ebd.
I. »Unternehmen
42
Strafgericht«
wurden auch »Kommunisten und Juden« explizit aufgelistet112. In diesem Befehl, wie Messerschmidt betont »im Kern die grundsätzliche Einstellung der Heeresführung zum Vorgehen der Sicherheitspolizei und des SD gegen die jüdische Bevölkerung«113 enthält, wird offensichtlich, daß die Wehrmachtführung nicht erst beim Rußlandfeldzug, sondern schon beim Überfall auf den Balkan das Konzept eines »Weltanschauungskrieges« berücksichtigt hatte. Wenige Tage vorher, am 30. März 1941, hatte Hitler in seiner berühmten Rede vor der versammelten Generalität die zukünftigen Aufgaben der Wehrmacht umrissen und die Heeresspitze auf den rücksichtslosen Entscheidungskampf gegen den Bolschewismus, jenseits der Regeln des Völker- oder Kriegsrechts, eingeschworen114. Die Identifikation der Heeresleitung mit den ideologischen, militärischen und außenpolitischen Zielsetzungen des NS-Regimes hatte zwischen dem Frankreichfeldzug und dem Krieg gegen die Sowjetunion ein kaum erwartetes Ausmaß erreicht. Außenpolitische Rücksichtnahmen (wie sie etwa beim Oberbefehlshaber Ost während des Polenfeldzuges noch auftauchten) waren ebenso wie völker- oder kriegsrechtliche Bedenken nach den »Blitzsiegen« auch bei der Heeresspitze einem absoluten und schrankenlosen Siegeswillen gewichen, der in der Übernahme der vom NS-Regime propagierten Ideologie vom »Kreuzzug gegen den jüdischen Bolschewismus« (Keitel) seinen Ausdruck fand. Nunmehr ging es gegen den Bolschewismus, und da mußte die Truppe, wie Halder notierte, auch »den weltanschaulichen Kampf mit durchfechten«115. Mit dem OKH-Befehl vom 2. April 1941 war die funktioneile Aufgabentrennung der einzelnen Besatzungsorgane in Serbien festgelegt. Halder beschrieb den Sinn der neuen kooperativen Funktionstrennung sehr pragmatisch: usw.«
der
—
—
»Das Heer kann nicht mit allen Aufgaben belastet werden, daher Zusammenarbeit mit Reichsführer SS in polizeilicher, dem Reichsmarschall in wirtschaftlicher und dem Reichsleiter Rosenberg in politischer Hinsicht116.«
abgewandelter Form117 kam dieses Schema in Serbien bis zum Sommer 1941 Tragen. Mit dem Einsetzen von Sabotage- und Widerstandsaktionen wurde der OKHBefehl vom 2. April 1941 in Serbien praktisch wirksam. Wie eine Anordnung des Befehlshabers von Serbien, General Schröder, vom 17. Juli 1941 an Kommandostab, Feldkommandanturen, Einsatzgruppe, Wehrmacht-Verbindungsstelle, Geheime Feldpolizei und an das Pol. Res. Bat. 64 zeigt, versuchte die Militärverwaltung von Beginn der Widerstandshandlungen an, eine enge Kooperation zwischen den Heeresorganen und der Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD herzustellen. Den Feldkommandanturen wurde ein »sicherheitspolitischer Berater« aus der Dienststelle der Einsatzgruppe zur Seite In
etwas
zum
112
113
OKH, GenStdH/GenQu., Abt. Kriegsverwaltg. Nr. 11/0308/41 g. K. Chefs, bis zum »Operationsbe-
ginn«, vom 2.4.1941 (zit. nach: Krausnik/Wilhelm, Die Truppe des Weltanschauungskrieges, S. 137). Messerschmidt, Harte Sühne am Judentum, S. 117. Bd 2, S. 335 ff.
114
General Halder,
115
Ebd., Eintragung vom 6.5.1941, S. 399. Zit. nach: Krausnik/Wilhelm, Die Truppe des Weltanschauungskrieges, S.
116 117
Kriegstagebuch
134.
Rosenberg spielte in Serbien keine Rolle. Dafür waren 1941 der Reichsführer SS durch Verwaltungschef Turner und der Chef des RSHA, Heydrich, durch die »Einsatzgruppe Ser-
Das Amt
den bien«
unter
Leitung von Wilhelm
Fuchs in Serbien
vertreten.
5. Die
Zusammenarbeit
von
Wehrmacht und
43
Polizeiorganen
und der Feldkommandantur angegliedert118. In direkter Bezugnahme auf den OKH-Befehl vom 2. April 1941 betraute der Militärbefehlshaber Serbien die Einsatzgruppe mit der Bekämpfung des Widerstandes:
gestellt
»Die mir unterstellte staatspolizeiliche Einsatzgruppe bearbeitet demnach in eigener Zuständigkeit mit Ausnahme der Abwehrangelegenheiten, für die die Geheime Feldpolizei zuständig ist die gleichen Aufgaben wie im Reich. Demgemäß ist sie bei der von mir befohlenen verschärften Bekämpfung kommunistischer Umtriebe federführend119.« —
—
Nachdem sich die Besatzer Mitte Juli 1941 einig waren, daß »jede militärische Aktion mit den vorhandenen, unausgebildeten Truppen zum Fehlschlag verurteilt« wäre, entschlossen sie sich, den Widerstand »nur mit dem Einsatz polizeilicher Mittel« zu bekämpfen: »Hierzu steht von deutscher Seite zur Verfügung: die Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD, die Geheime Feldpolizei, ein Polizeibataillon bestehend aus 3 Kompanien, die Feldgendarmerie120.«
euphemistischen Umschreibung »Einsatz polizeilicher Mittel« war u.a. die Erschießung von Zivilisten gemeint. Da nach dem Überfall auf die Sowjetunion von den Besatzungsstellen mit dem Einsetzen von Widerstandsaktionen gerechnet wurde, war schon vorsorglich ein »Geiselreservoir« angelegt worden. Es setzte sich wie nach dem Beginn des »Weltanschauungskrieges« gegen den »jüdischen Bolschewismus« nicht anders zu erwarten war aus Juden und Kommunisten zusammen. Noch am Tag des Überfalls auf die Sowjetunion hatte der Chef des Verwaltungsstabes, Turner, dem provisorischen serbischen Innenminister Acimovic die Verhaftung sämtlicher führender Kommunisten und Spanienkämpfer und ihre Internierung in einem Belgrader Konzentrationslager befohlen121. Zugleich mußte ab diesem Zeitpunkt die jüdische Gemeinde Belgrad täglich 40 Geiseln bereitstellen122. Sie wurden im Belgrader Lager Topovske Supe interniert. Diese beiden Gruppen wurden als erste Geiselopfer herangezogen. Der Befehl zur ersten Massenerschießung wurde am 28. Juni 1941 gegeben, nachdem in einem Haus in der Nähe des Platzes, auf dem an diesem Tag bei einer Veranstaltung Mit der
—
—
118
119 120
121
122
BA-MA, RW 40/79, Befehl betr. Einsatz der Sicherheitspolizei und des SD, 17.7.1941. Ebd. Als Anlage war der OKH-Befehl vom 2. April 1941 beigefügt. BA, NS 19, 1730, Lagebericht des stellvertretenden Verwaltungschefs Dr. Kiessei an den Wehrmachtbefehlshaber Südost, 23.7.1941. NOKW-Dokument 1148, Turner an Acimovic, 22.6.1941. Nach Aussage Kiesseis vor dem Belgrader Militärgericht wurde die Verhaftung der Kommunisten und Spanienkämpfer bei einer Besprechung zwischen dem Militärbefehlshaber Schröder, Vertretern der Militärverwaltung, der Sipo und der provisorischen serbischen Regierung beschlossen und von Sipo und serbischer Gendarmerie gemeinsam durchgeführt. Die Verhaftungsaktion war in den verschiedenen Gemeinden unterschiedlich erfolgreich: z. B. wurden in Kragujevac nur 3 Kommunisten verhaftet, in Jagodina lehnte der Gemeindevorsteher Verhaftungen sogar erfolgreich ab. Bis zum 1.7.1941 wurden in Serbien etwa 400 Personen aus dem kommunistischen Umfeld verhaftet (Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 49f.). Der Großteil der den Behörden bekannten Kommunisten floh in die Wälder und bildete dort den Grundstock für die ersten Partisaneneinheiten. Nur für die Aufrechterhaltung der Untergrundarbeit unerläßliche Parteimitglieder und Symphatisanten blieben in den Städten zurück (Interview mit Milo Dor, 11.12.1989). BA, 70 Jugoslawien/33, Anklageschrift gegen den Befehlshaber der Sipo-SD Belgrad, Dr. Emanuel
Schäfer,
S. 19.
I. »Unternehmen
44
Strafgericht«
der Volksdeutschen auch Militärbefehlshaber Schröder sprechen sollte, von der deutschen Polizei 423 Pakete Sprengstoff gefunden worden waren. Am 5. Juli 1941 wurden dafür zur »Sühne« 13 Juden und Kommunisten erschossen123. Am gleichen Tag wurde das erste Konzentrationslager in der Banjica, einer ehemaligen Kaserne in Belgrad, eingerichtet124. Von nun wurden fast täglich »Sühnemaßnahmen« in Form von Geiselerschießungen und Brandschatzungen zur Anwendung gebracht. So etwa wurden am 8. Juli 1941 wieder nach der Entdeckung von Sprengmitteln 10 angebliche Kommunisten und 3 Juden erschossen125. Am 18. Juli 1941 wurde wegen eines durchschnittenen Fernkabels in Belgrad vom Militärbefehlshaber die Erschießung von 16 Kommunisten und Juden angeordnet und von der serbischen Polizei ausgeführt126. Am 25. Juli 1941 versuchte der 16jährige Jude Haim Almuzlino in Belgrad mehrere deutsche Militärfahrzeuge mit Benzinflaschen in Brand zu setzen127. Obwohl er sich nach dem Anschlag selbst stellte, sollten zur »Sühne« 100 Juden erschossen werden128. Die Zahl wurde noch erhöht, und am 29. Juli 1941 wurden wegen dieses Sabotageaktes 100 Juden und 22 Kommunisten hingerichtet129. Anhand der Monatsberichte der Wehrmachtpropagandaabteilung in Serbien läßt sich die von da an die gezielte Stilisierung des »Feindbild Jude« als politisches Repressionsinstrument aufzeigen. Die »Propagandaabteilung S« in Serbien war eine Außenstelle der Abteilung Wehrmachtpropaganda des OKW in Berlin und richtete ihre Berichte direkt an diese Stelle. Die etwa ein Dutzend Mitarbeiter umfassende Abteilung war im Mai 1941 von Wien nach Belgrad verlegt worden und unterstand dem Militärbefehlshaber Serbien. Ihre Aufgabe bestand darin, in den Bereichen Presse, Rundfunk, Kino und bei öffentlichen Veranstaltungen sowohl die Besatzungstruppe als auch die serbische Bevölkerung mit nationalsozialistischer Ideologie und Kriegspropaganda zu versorgen. Die Abteilung wurde von Wehrmachtangehörigen geleitet, hatte aber einige Parteibeamte als Mitarbeiter und wirkte eng mit einschlägigen nationalsozialistischen Parteistellen zusammen (Hauptamt Film usw.). Die Lageberichte der Abteilung sind Pamphlete, die nur wenig über die tatsächliche Situation und Stimmung der serbischen Bevölkerung aussagen, hingegen viel—
123
124
—
NOKW-Dokument 902, KTB Ia des Kommandierenden Generals und Befehlshabers Serbien, Juli 1941. Untersturmbannführer Dr. Georg Kiessei, der Stellvertreter Turners im Verwaltungsstab, sprach bei seiner Einvernahme vor der jugoslawischen Kriegsverbrecherkommission im Zusammenhang mit dieser Erschießungsaktion von 15 Personen, »die mit der Sache gar nichts zu tun hatten, von denen aber 5 gerade auf ausdrücklichen Befehl von Schröder Juden gewesen sein sollen« (NOKWDokument 1637). Hronologija narodnooslobodilacke borbe naroda Jugosl. 1941—1945, Belgrad 1963, S. 63, zit. nach: Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S.52.
125
126
127 128 129
NOKW-Dokument 1660, Tagesmeldung des AOK Ic/AO an OKW Wehrmachtführungsstab und OKH Generalstab d. Heeres, Operationsabt. 2, 8.7.1941. Nürnberg Organisations(NO>Dokument 2942, Ereignismeldung UdSSR Nr. 27, 19.7.1941. NO-Dokument 2952, Ereignismeldung UdSSR Nr. 37, Chef Sipo-SD Belgrad, 29.7.1941. NOKW-Dokument 1660, Tagesmeldung AOK 12 Ic/AO, 28.7.1941. NO-Dokument 2952, Ereignismeldung UdSSR Nr. 37; siehe auch, Eichmann-Prozeß, Anklagedokument 1432.
5. Die Zusammenarbeit
mehr die
von
Wehrmacht und
Polizeiorganen
45
ideologischen Tendenzen der Propagandaarbeit widerspiegeln. Die Abteilung
versuchte, eine Zusammenarbeit mit jenen serbischen Gruppen zu erreichen, die ähnliches
Gedankengut
vertraten
wie der Nationalsozialismus. Neben den Volksdeutschen
Organisationen arbeitete die Propagandastelle auch mit der faschistischen nationalserbischen »Zbor«-Bewegung des Dimitrije Ljotic zusammen, die besonders in südserbischem Gebiet über eine gewisse Verankerung in der Bevölkerung verfügte und »schon seit Jahren ähnlich antijüdische und antifreimaurerische Bestrebungen verfolgt«130. Noch bevor es zu den ersten militanten Widerstandsaktionen gekommen war, wurden die Juden für die deutschfeindliche
Stimmung in
Serbien verantwortlich
gemacht:
»Erkundungen über die Stimmung der serbischen Bevölkerung lassen erkennen, daß die negative Einstellung der intellektuellen Kreise sich noch keineswegs geändert hat. Hierbei spielen die Juden eine gewichtige Rolle. In vielen Fällen teilen sie gehamsterte und versteckt gehaltene Waren an arme Leute aus Belgrad aus und bemerken dazu, daß sie lieber ihren Besitz verschenken, als ihn den Deutschen in die Hand fallen lassen131.« Die
Abteilung ging auch
sofort
zu
aktiver antisemitischer
Propaganda
über:
»Die Vorbereitungen für den Start einer großangelegten Anti-Judenpropaganda sind getroffen worden. Für den Rundfunk wurden sechs Vorträge zusammengestellt, in welchen die Judenfrage in Serbien behandelt wird. Die Gruppe Presse und Film bereiten [...] ebenfalls das notwendige Material für die Anti-
Judenpropaganda vor132.« Als die ersten Überfälle und Sabotageaktionen in Serbien einsetzten, bot sich ein neues antisemitisches Betätigungsfeld. Befriedigt stellte die Abteilung fest, daß
»seitens des Militärbefehlshabers mit aller Energie gegen Banditen und Saboteure, sowie ihre Hintermänner, vorgegangen (wird). Die Erschießung von bisher insgesamt rund vier Dutzend Kommunistenhäuptlingen und Juden hat ihren Eindruck auf die Öffentlichkeit nicht verfehlt. Selbstverständlich stellte auch die Abteilung einen Großteil ihrer Tätigkeit darauf ab, die zuständigen Organe des Militärbefehlshabers bei der Bekämpfung der politischen Umtriebe mit Rat und Tat zu unterstützen133.«
Als erste Maßnahme wurden »mehrere antijüdische und antikommunistische Wortund Bildplakate herausgebracht«134. Im weiteren kam das nationalsozialistische Feindbild von der »jüdisch-bolschewistischen Gefahr« zur Anwendung, wobei »Kommunisten und ihre jüdischen Drahtzieher«135 als Verantwortliche für alle Widerstandsaktionen dargestellt wurden. Der serbischen Presse wurde daher »laufend Material gegen die kommunistische Propaganda sowie solches über das Treiben des Judentums auf dem Balkan zur Verfügung gestellt«136. Aus diesen Tätigkeitsberichten läßt sich die eingeschlagene propagandistische Argumentationslinie erkennen: Die Kommunisten wurden als die Akteure, die Juden als die eigentlichen Hintermänner und Drahtzieher des Widerstandes bezeichnet. 130
131 132
BA-MA, RW4/v. 231, Lage- und Tätigkeitsbericht Ebd. Ebd.
133
Ebd.,
134
Ebd.
135
Ebd.,
136
Ebd.
26.6.-25.7.1941. 26.7.-30.8.1941.
vom
26.5.-25.6.1941.
46
I. »Unternehmen
Strafgericht«
Daß diese hetzerische antisemitische Propaganda auch in Wehrmachtbefehle Eingang fand, zeigt der Befehl des Feldkommandanten von Belgrad, Oberst von Kaisenberg, zur Ausrufung des Belagerungszustandes in Belgrad. Der Absatz über die Vorverlegung der Sperrstunde auf 20 Uhr enthielt eine kommentierte Sonderregelung für die Belgrader Juden: »Diefuden, die auch hier wieder im Trüben zu fischen versuchen, dürfen sich nur von 6—18 UHR draußen zeigen. Weitere Einschränkungen für sie werden vorbehalten (Hervorhebungen im Original)137.« Wie die Wehrmachtpropaganda vor Augen führt, wurden in der Phase Juli/August 1941 nach dem Eintreffen des von den Besatzungsorganen Wehrmacht, Einsatzgruppe und
»Judenexperten« des Auswärtigen Amtes, Veesenmayer, auch von den Beauftragten des Auswärtigen Amtes, die gemeinsam zu bekämpfenden Gegner »definiert«: Juden und —
—
Kommunisten. Wie tief die Gleichsetzung »Juden Kommunisten« verwurzelt war, wird an einer Prozeßaussage des ehemaligen SS-Obersturmbannführers Ludwig Teichmann nach dem Krieg deutlich: —
»Mit dem Auftauchen der Widerstandsbewegung, als der BDS (Befehlshaber der Sicherheitspolizei)138 noch keine im Inneren des Landes eingerichteten Dienststellen besaß, verständigten sich die Organe des BDS untereinander über die Maßnahmen, die im allgemeinen, aber besonders in Belgrad unternommen werden mußten. Dabei wurde vereinbart, die Verhaftung verdächtiger Personen, die als Kommunisten gekennzeichnet waren, nachdrücklicher zu betreiben139.«
Natürlich liefen in den Straßen Belgrads nicht die Kommunisten mit einem roten Stern herum, sondern die Juden mit der verordneten gelben Schleife. Durch die nationalsozialistische Ideologie von der »jüdisch-bolschewistischen Gefahr« waren aber die Juden pauschal zu Kommunisten erklärt worden. Das brachte für die Einsatzgruppe den praktischen Vorteil, daß die Juden »als Kommunisten gekennzeichnet waren« und damit problemlos »identifiziert« und liquidiert werden konnten. In den Ereignismeldungen der Einsatzgruppe vom Sommer 1941 findet sich dann auch stereotyp die Formel von zur »Sühne erschossenen Juden und Kommunisten« wieder. Die deutschen Besatzer in Serbien sahen sich in diesen Monaten mit einem neuen Gegner konfrontiert. Erstmals im Zweiten Weltkrieg hatten sie nicht feindliche Armeen zu bekämpfen, sondern sahen sich einer militanten Guerilla gegenüber, auf die die Besatzungstruppe weder taktisch noch von ihrer Ausbildung her vorbereitet war. Die Bekämpfung solcher Gegnergruppen war bisher die Aufgabe von Polizei, Einsatzgruppen und SD gewesen. Die Überstellung eines Polizeibataillons Ende Juni 1941 nach Serbien und die Beauftragung der Einsatzgruppe mit der Bekämpfung des kommunistischen Aufstandes durch den Militärbefehlshaber entsprach der traditionellen Rollenteilung zwischen der Wehrmacht und dem politisch-polizeilichen Repressionsapparat, wie sie noch zu Beginn des Balkankrieges festgelegt worden war. Doch schon zu diesem Zeitpunkt verwischten sich die Grenzen zwischen den Aufgabenbereichen der Wehrmacht einerseits und des 137
AVJJ, Bestand 50,
4/4.
Einsatzgruppe Fuchs wurde im Januar 1942 aufgelöst. An ihre Stelle trat der Befehlshaber der Sicherheitspolizei, Dr. Schäfer, siehe Kapitel V. 139 BA, All. Proz. 6 (Eichmann-Prozeß), Beweisdokument 1437, Vernehmungsprotokoll der Militärstaatsanwaltschaft der jugoslawischen Armee mit Ludwig Teichmann, 17.9.1946. 138
Die
5. Die Zusammenarbeit
von
Wehrmacht und
Polizeiorganen
47
Polizei- und SD-Apparates andererseits zunehmend. Nicht nur der »NichteinmischungsPakt« zwischen dem OKH und Heydrich, sondern auch die ideologische Übereinstimmung unter den Besatzungsorganen in Hinblick auf die politische und rassische Definition des Gegners schlössen prinzipiell jeglichen Protest seitens der Wehrmacht gegen die Maßnahmen aus, die Polizei und Einsatzgruppe zur Gegnerbekämpfung in Eigenverantwortung ergriffen. Durch die Zuteilung von Angehörigen der Einsatzgruppe zu den vier Heeres-Feldkommandanturen wurde neben der institutionalisierten Zusammenarbeit von SS und Wehrmacht im Besatzungsapparat über den Militärverwaltungschef beim Militärbefehlshaber, SS-Gruppenführer Dr. Turner, nun auch noch die Einsatzgruppe personell in Wehrmachtsstellen mit einbezogen. Die enge technische und organisatorische Zusammenarbeit mit den Feldkommandanturen ermöglichte der Einsatzgruppe eine effizientere und umfassendere Erledigung ihrer sicherheitspolitischen Aufgaben. Die Feldkommandanten, die mit den Verwaltungs- und Gerichtsaufgaben betraut waren, stellten den Vertretern der Einsatzgruppe Informationen über den politischen Hintergrund und den Aufenthaltsort bestimmter Personen zur dem SD die Ausforschung und Verhaftung u. a. von »Sühneopfern« wodurch Verfügung, wesentlich erleichtert wurde. Die organisatorische und personelle Zusammenarbeit von Wehrmachtdiensstellen und Einsatzgruppe hatte aber auch andere Auswirkungen. Durch die oben beschriebene »Definition« der Widerstandskämpfer, war eine Bereitschaft der Wehrmachtangehörigen zum (zumindest inneren oder passiven) Widerstand gegen antisemitische oder kriegs- und völkerrechtswidrige Handlungen kaum vorhanden. Durch die partielle Eingliederung der Einsatzgruppe in die Wehrmachtdienststellen wurden etwaige Hemmschwellen noch weiter
abgebaut.
Der systematische Abbau von Hemmschwellen bei den Wehrmachtorganen in Serbien wird in der Frage der Gerichtszuständigkeit besonders deutlich. Grundlage für die Gerichtsbarkeit in Serbien war der »Gerichtsbarkeitserlaß für den Fall Barbarossa« vom 13. Mai 1941, worin den Militärgerichten die Zuständigkeit für Strafsachen gegen sowjetische Zivilpersonen entzogen wurde. Bei Zivilisten, die eines Angriffes auf die Wehrmacht und das Gefolge verdächtigt wurden, sollte ein Offizier über ihre Erschießung entscheiden140. Der Gerichtsbarkeitserlaß wurde vom OKH am 25. Juli 1941 dahingehend ergänzt, wie die Truppe
mit jenen Personen, die nicht der Militärgerichtsbarkeit unterstanden, verfahren sollte: »Verdächtige Elemente, denen zwar eine schwere Straftat nicht nachgewiesen werden kann, die aber hinsichtlich Gesinnung und Haltung gefährlich erscheinen, sind an die Einsatzgruppen bzw. Kommandos der SP
(SD) abzugeben141.«
In Serbien
waren
die Besatzer schon
Tage vorher zum gleichen Schluß gekommen:
Truppe in Gefechtsberührung mit Banditen kommt, erfolgt bei Verhaftung durch sie ein standrechtliches Verfahren und Erschießung durch die Truppe, wobei bei dem Einvernehmen die deutsche Sicherheitspolizei beteiligt wird. Alle anderen Aktionen überläßt die Truppe der Polizei142.« »Wenn die
Kriegsgerichtsbarkeitsbefehl vom 13.5.1941 (abgedruckt in: Müller, Deutsche Besatzungspolitik, S. 64 ff.) NOKW-Dokument 182, Befehl General Müllers vom 25.7.1941 (zit. nach: ebd., S. 121). 142 BA, NS 19, 1730, Lagebericht des stellvertretenden Verwaltungschef Dr. Kiessei an den Wehrmacht140
141
befehlshaber Südost, 23.7.1941.
I. »Unternehmen
48
Strafgericht«
Einsatzgruppen und SD mit diesen Personen taten, war der Wehrmacht sehr wohl bekannt. Hatte die Gegnerbekämpfung durch die Organe Himmlers im Polenfeldzug in Heereskreisen noch heftigen Widerstand ausgelöst, so waren nunmehr durch die formale Aufgabentrennung die Probleme zwischen Heer und Polizeiapparat bereinigt
Was
das Heer konnte seine Hände in Unschuld waschen. In Serbien hingegen hatte Anfang August 1941 die Kooperation zwischen Wehrmacht und Einsatzgruppe hinsichtlich der Gerichtsbarkeit bereits einen Grad erreicht, der weit über die einschlägigen Abmachungen zwischen OKH und Reichsführer SS hinausging. Wie aus einem Brief des Feldkommandanten von Nis, Oberst von Bothmer, an den neuen Militärbefehlshaber Danckelmann hervorgeht, wurde in Serbien seitens der Wehrmacht der Druck immer größer, die Anwendung der »gerichtlichen Methoden« des SD auch der Wehrmacht zu ermöglichen. Nach einem Handgranatenanschlag auf das Park-Hotel in Nis, bei dem mehrere Wehrmachtangehörige durch unbekannte Attentäter getötet wurden, versuchte der Standortälteste der Stadt den Feldkommandanten von Bothmer zu bewegen, Repressionsmaßnahmen nach der Art von Polizei und SD anzuordnen, der dies jedoch ablehnte: —
»Wie mir soeben der Standortälteste Nis mitteilte, herrscht in der Truppe des Standortes Beunruhigung und Verständnislosigkeit, weil noch nicht entsprechend früheren Ankündigungen für jedes deutsche Opfer 10 Serben vom Leben zum Tode befördert sind (also entweder 30, wenn nur die Toten gerechnet werden, 70, wenn alle Getroffenen mitgezählt werden). Auf meine wiederholte Frage, wer eigentlich erschossen werden sollte, wußte der Herr Standortälteste auch keine Antwort. Mein Hinweis unter Bezugnahme auf andere Vorfälle in Serbien, daß die Erschießung nichtkommunistischer Elemente den zweifellos kommunistischen Tätern vollkommen gleichgültig sei, vielleicht sogar begrüßt werden würde, fand anscheinend Verständnis. Zur Zeit ist hier nur noch eine kleine Zahl von Kommunisten in Haft. Ich halte mich nicht für berechtigt, diese Kommunisten einfach erschießen zu lassen. Meiner Ansicht nach kann ein Feldkommandant, der zugleich Gerichtsherr ist, nur aufgrund von bestätigten Urteilen Erschießungen vornehmen lassen. Als Ausnahme kann nur in Frage kommen, wenn für einen bestimmten Fall Geiseln festgenommen sind unter Ankündigung, daß sie erschossen werden, falls der bestimmte Fall eintritt. Alles andere muß ich nach gewissenhafter Prüfung aufgrund meines Rechtsgefühls und an meiner ganzen inneren Einstellung ablehnen. Sollten andere Maßnahmen erforderlich sein, bzw. höheren Orts für erforderlich gehalten werden, so sind meines Wissens dafür Sonderorganisationen vorhanden, deren Maßnahmen ich weder zu beurteilen habe, noch zuzulassen habe, noch hindern kann. Sollte meine Einstellung nicht gebilligt werden, so muß ich zugeben, daß ich nicht am richtigen Platze bin, also anderweit verwendet werden muß. Ich kann niemals von dem Standpunkt abgehen, daß ich als Gerichtsherr nur gesetzmäßig vorzugehen habe, bzw. als Soldat und zwar mit voller Rücksichtslosigkeit —, sobald es sich um Einschreiten nach frischer Tat bzw. gegen Leute handelt, die in verdächtiger Weise mit Waffen angetroffen werden. Irgendwelchen Forderungen nach Erschießungen von unbeteiligten Personen kann ich nicht Folge leisten, zumal meistens anzunehmen ist, daß die betroffenen Attentäter davon gar nicht berührt werden. Freiherr von Bothmer143.« —
Oberst von Bothmer widersetzte sich mit einer moralischen und rechtlich stichhaltigen Begründung der Durchführung von Maßnahmen zur Gegnerbekämpfung, die nach dem geltenden »Gerichtsbarkeitserlaß« nicht Aufgabe der Wehrmacht waren, sondern eindeutig in den Zuständigkeitsbereich der »Sonderorganisationen« (womit die Organe Himm143
NOKW-Dokument 1011.
6. Wehrmacht und
Partisanenbekämpfung in
Serbien
49
gemeint waren) fielen. Von Bothmers entrüstetes Schreiben liest sich fast wie eine angekündigte Befehlsverweigerung. Es ist zudem das einzige Dokument, in dem ein Wehrmachtvertreter in Serbien mit rechtlichen und moralischen Argumenten gegen die zunehmende Schrankenlosigkeit der Wehrmacht bei der Wahl der Repressionsmittel protestierte. Dieser, für die Verhältnisse in Serbien ungewöhnliche Einspuch, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich Bothmers Pochen auf ein »gesetzmäßiges Vorgehen« der Wehrmacht auf den »Gerichtsbarkeitserlaß« bezog, durch den mit Billigung des Heeres dem SD Tür und Tor für Völker- und kriegsrechtswidrige Handlungen gegen die Zivilbevölkerung geöffnet worden war. In Serbien schickte sich die Wehrmacht an, die »gerichtlichen Methoden« der Organe Himmlers und Heydrichs selbst zu übernehmen. lers
6. Wehrmacht und
Partisanenbekämpfung in Serbien
Die Reaktion des Feldkommandanten von Nis zeigt, daß im Juli 1941 bei den Militärs in Serbien noch Unsicherheit sowohl hinsichtlich ihrer Zuständigkeit als auch der Auswahl der Methoden bei der Partisanenbekämpfung bestand. Mit der Übernahme der Partisanenbekämpfung durch die Wehrmacht sollten etwaige Skrupel aber bald beseitigt sein. Der nach dem tödlichen Flugzeugabsturz General Schröders neu ernannte Befehlshaber Serbien, General Danckelmann, plante, die Widerstandsbewegung durch verstärkten Einsatz von Polizei zu bekämpfen. Wegen der »Verschlechterung der Lage« und »zur Durchführung aktiver Bekämpfung« des serbischen Widerstandes forderte er vom OKW »die Zuführung von zusätzlich 2 Polizei-Bataillonen und mindestens 200 SD-Leuten«144. Doch das Ansuchen wurde vom OKW mit der Begründung abgelehnt, daß Polizei und SD für diese Aufgaben im Osten dringender benötigt würden. An Stelle der Polizei sollte unverzüglich die Wehrmacht den Kampf gegen die Widerstandsbewegung aufnehmen:
»Wegen Zunahme der Aufruhr- und Sabotageakte erwartet der Führer nunmehr Einsatz der Truppe, um
durch schnelles und schärfstes
Eingreifen Ruhe
und
Ordnung baldigst wiederherzustellen145.«
Umgehend wurden in Serbien die Weichen gestellt, um den Erwartungen Hitlers gerecht zu werden. Schon zwei Tage nach Erhalt des OKW-Schreibens beauftragte der Befehlshaber Serbien das Höhere Kommando LXV146 mit der sofortigen Aufnahme des Angriffs144
145 146
BA-MA, RW40/5, KTB Ia, Anlage 5, Schreiben Danckelmann an List, 4.8.1941. Ebd., KTB la, Chef OKW, nachrichtlich an Militärbefehlshaber Serbien, 9.8.1941.
Diesem Kommando unter dem späteren Befehlshaber Serbien, General Bader, waren die vier Besatzungsdivisionen und die Landesschützen unterstellt. Militärbefehlshaber Danckelmann und sein Kommandostab sollten nur im Notfall den Einsatz und die Verwendung der Truppen als Territorialbefehlshaber leiten. Die Ursache dieser Zweigleisigkeit lag darin, daß der Posten des »Befehlshabers Serbien« nach den Vereinbarungen des OKH mit der Personalabteilung des Reichsluftfahrtministeriums einem General der Luftwaffe zustand. Da aber das OKH bestrebt war, einem Luftwaffengeneral keine Heeresdivisionen zu unterstellen, wurde vom OKH ein eigener Stab (Höh. Kdo. LXV) mit dem kommandierenden General Bader an der Spitze geschaffen. Dieses, durch wehrmachtinterne personelle Machtkämpfe entstandene ineffiziente Nebeneinander von zwei Militärstäben verkomplizierte die Entscheidungsbildung und blockierte die Durchführung von Maßnahmen erheb-
I. »Unternehmen
50
Strafgericht«
kampfes gegen die Partisanen147. Noch am selben Tag wurde eine Kompanie des Pol. Res. Bat. 64 direkt dem Wehrmachtkommando (Höheres Kommando LXV) unterstellt und der Feldkommandantur 816 (Oberst von Stockhausen) in Uzice zugewiesen148. Tags
darauf versammelten sich die auf dem Balkan agierenden Wehrmachtspitzen, um unter den neuen Bedingungen die weitere Vbrgangsweise in Serbien zu besprechen. An diesem Tag trafen sich Glaise von Horstenau und der Chef des Generalstabes, Gravenhorst, beim Generalstabschef des Wehrmachtbefehlshabers Südost in Athen, um die genauen Richtlinien für die Partisanenbekämpfung festzulegen: »Die Bekämpfung der Banden und die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, die bisher ausschließlich Aufgabe der Polizei und Gendarmerie waren, sind dem Höheren Kommando LXV übertragen149.«
einigte sich darauf, die Polizeiorgane beim Partisaneneinsatz der stellen. Die Bataillonskommandeure wurden angewiesen, Man
»in jedem Unterkunftsbereich 1—2 Jagdkommandos in Stärke
von
1
Truppe zu unter-
Offizier und 30—50 Mann aufzu-
stellen, die auf LKW verlastet, in Verbindung mit den serbischen Polizeikommandos angriffsweise die kommunistischen Banden aufzusuchen, aufzustöbern [haben], Hinterhalte legen, ihnen an der Klinge bleiben, sie vernichten oder zu Tode hetzen. Diesen Jagdkommandos sind Angehörige der Polizei, des SD, serbische Gendarmen und Dolmetscher zuzuteilen150.« Die Zusammenarbeit von Wehrmacht und SD bei Jagdeinsätzen wurde bei den nunmehr täglich beim Wehrmachtbefehlshaber stattfindenden Chefbesprechungen aller Besatzungsorgane koordiniert. Durch die Aufstellung »gemischter Jagdeinheiten«, bestehend aus Polizei, SD und Wehrmachteinheiten, wurde die Truppe auch mit den Kampfmethoden von Polizei und SD vertraut gemacht und von den Einheiten des Reichssicherheitshauptamtes und der Ordnungspolizei in deren spezieller Art der Gegnerbekämpfung geschult. Als flankierende politische Maßnahme beschlossen die Besatzer wenige Tage später die Einsetzung einer serbischen Regierung unter dem ehemaligen serbischen Verteidigungsminister, Generaloberst Milan Nedic. Am 28. August 1941 übernahm Nedic die Regierungsgeschäfte von der bisherigen provisorischen Regierung Acimovic mit dem Auftrag, in Serbien unter deutscher Aufsicht eine möglichst selbständige Verwaltung zu etablieren151. Mit der Bestellung von Nedic zum Regierungschef hofften die Besatzer zum einen eine Entlastung im zivilen Verwaltungsbereich herbeizuführen, zum anderen die politische Verantwortlichkeit für unliebsame Maßnahmen auf die Marionettenregierung abschieben zu können und damit größeren politischen Spielraum für ihre Aktionen zu gewinnen. Dann begannen die Besatzer den Rahmen für das militärische Vorgehen gegen die Widerstandsbewegung abzustecken: lieh (BA, NS 19, 1730, Bericht des
Verwaltungschefs SS-Gruppenführer Turner an den Reichsfüh-
SS, 16.2.1942). BA-MA, RW40/5, 11.8.1941. Ebd., KTB Befehlshaber Serbien, 11.8.1941. Ebd., RH 19 XI/81, Die Bekämpfung der Aufstandsbewegung im Südostraum, T. 1, S. rer
>47 '4S 149
Ernst
Wisshaupt
15. Der erste
und wurde bearb. durch Oberheeresarchivrat Juni August im Auftr. des Chefs des Generalstabes Oberbefehlshaber Südost.
Teil umfaßt die Zeit
vom
1941 bis
1942
150
Ebd.
151
BA-MA, RW 40/5, Anlage zur KTB-Eintragung vom 28.8.1941, Chef des Verwaltungsstabes an Feldund Kreiskommandanten.
6. Wehrmacht und
Partisanenbekämpfung in Serbien
51
»Weiterer Einsatz der Jagdkommandos, außerdem größere Unternehmungen. Brutales Durchgreifen, Niederbrennen von Gebäuden bezw. Dörfern aus denen Überfälle auf deutsche Wehrmacht stattfinden, rücksichtsloses Erschießen im Kampf, Aufhängen überführter Attentäter gegen deutsche Wehrmacht und ihre Interessen.«
Die
Übernahme der Partisanenbekämpfung löste in der Wehrmacht einen qualitativen
Veränderungsprozeß aus. Die Wehrmacht begann sich in Serbien von einer Organisation mit klar festgelegten Kompetenzen, Richtlinien und militärischen Gesetzlichkeiten zu einem Verband zu entwickeln, dessen Methoden der Gegnerbekämpfung sich sukzessive denen der Organe Himmlers und Heydrichs anzugleichen begannen. Ein Schreiben des Verwaltungschefs, SS-Gruppenführer Turner, läßt erahnen, wie weit schon wenige Tage später die Kompetenzüberschneidungen zwischen Wehrmacht und Einsatzgruppe bzw. Polizei in der Praxis vorangeschritten waren. Turner wies die Wehr-
machtstellen an, sich nicht in Tätigkeitsbereiche einzumischen, die auch nach der Übernahme der Partisanenbekämpfung durch die Wehrmacht zu den Spezialaufgaben der Einsatzgruppe zählten: »Es ist in wiederholten Fällen klargestellt worden, daß der Chef der Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD laut Befehl des OKH vom 2.4.1941 [...] zuständig ist für die ihr in der Heimat gestellten
Aufgaben, d. i. insbesondere die Bekämpfung von reichs- und staatsfeindlichen Organisationen, Kom-
munisten, Juden, Terroristen und Saboteuren, die gesamten Fragen der Freimaurer, Kirche usw. Trotz-
dem ist wiederholt von nachgeordneten Dienststellen auf diesen Sachgebieten eigenmächtig vorgegangen worden. Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß von allen Ereignissen auf diesen Sachgebieten der Chef der Einsatzgruppe der SP und des SD, bezw. die diesem unterstellten Dienststellen, insbesondere der Sachbearbeiter bei den Feldkommandanturen umgehend zu unterrichten sind. Lediglich bei Gefahr im Verzug können selbständige Handlungen vorgenommen werden, jedoch unter sofortiger Verständigung der Sicherheitspolizei und des SD153.«
Die Unterstellung des Polizeibataillons unter das Höhere Kommando LXV zum Zwecke des militärischen Einsatzes hatte die Machtposition Turners geschmälert. In der Übernahme der Partisanenbekämpfung durch die Wehrmacht sah Turner nicht zu Unrecht einen weiteren Einbruch des Militärs in die angestammten Aufgabengebiete des Polizeiund SD-Apparates, vornehmlich im Bereich der politisch-polizeilichen Bekämpfung von Zivilisten. Der OKH-Befehl vom 2. April 1941 über die Trennung der Kompetenzen von Wehrmacht und Polizei, der die Wehrmacht zumindest von der direkten Teilnahme an der polizeilichen Gegnerbekämpfung bewahren sollte, begann in Serbien ins Gegenteil umzuschlagen. Turner hatte das Polizeibataillon an den Militärstab abgeben müssen. Nun versuchte er vehement, eine weitere Einschränkung der Zuständigkeit der Einsatzgruppe im Bereich der zivilen Gegnerbekämpfung abzuwenden. Die institutionalisierte Zusammenarbeit von SD, Polizei und Wehrmacht in Form der mobilen Jagdkommandos brachte nicht den erwarteten militärischen Erfolg. Im Gegenteil der Chef des Generalstabes, Gravenhorst, berichtete in seiner 10-Tage-Meldung vom 21. August 1941, daß »die Tätigkeit der Banden im Verhältnis zum ersten Monatsdrittel nicht geringer geworden ist. Besonders Terrorakte gegen deutsche Wehrmacht und —
152 153
Ebd., Lagebericht über den Zeitraum vom 21.—31.8.1941. Ebd., RW 40/79, Schreiben des Chefs des Verwaltungsstabes,
27.8.1941.
I. »Unternehmen
52
Strafgericht«
Bevölkerung hätten zugenommen«. Hatte die Wehrmacht von Besatzungsbeginn bis Ende Juli weniger als 10 Tote aus ihren Reihen zu beklagen, so betrugen ihre Verluste in dem vom Bericht erfaßten Zeitraum bereits 22 Tote154. In den besagten 10 Tagen wurden rund 100 Sabotageakte gegen Eisenbahnen, Fernsprechleitungen, Gemeinde- und Gendarmeriestationen, Bergwerke, Fabriken und Wehrmachtkraftwagen verzeichnet155. Ernüchtert mußte die Wehrmachtführung in Serbien eingestehen, daß »der Einsatz der Jagdkommandos und der völlige Einsatz der übrigen Truppenteile in Zusammenarbeit mit verstärkter Gendarmerie bisher die erwartete Entspannung nicht gebracht hat. [...] Beabsichtigte Maßnahmen: Auch weiterhin stärkster Einsatz der Jagdkommandos, deren Wirkung durch die sich ergebende Schulung in diesem ausgesprochenen Guerillakrieg gegen
steigende Erfolge versprechen156.« Militärische Erfolge blieben aber auch weiterhin aus. Resigniert stellten die Besatzer fest, daß, wo immer die Jagdkommandos auch auftauchten, die Partisanen bereits geflüchtet waren.
Darum begannen die Jagdkommandos nun, den Angriffskampf verstärkt gegen die Zivilbevölkerung zu führen. Als am 18. Juli 1941 bei Uzice auf den österreichischen General Adalbert Lontschar ein Attentat verübt wurde, (sein Adjutant wurde dabei schwer verwundet, Lontschar selbst blieb unverletzt157), führte eine im Raum des Anschlages liegende Wehrmachteinheit gemeinsam mit der SD-Einsatzgruppe, deutschen Polizeikräften und serbischer Gendarmerie eine »Säuberungsaktion« durch. In jeder Ortschaft wurden 10 Geiseln gefangengenommen und »52 Kommunisten, Juden und Angehörige von Bandenmitgliedern in den Orten Uzice, Valjevo und Cacak«158 erschossen. Danach raubten die Besatzer in den umliegenden Dörfern Lebensmittel und Vieh. Auch die 717. LD war an der Aktion beteiligt: In Cacak hatte eine Kompanie 11 Männer und eine Frau festgenommen, anschließend der serbischen Gendarmerie übergeben, die sie unter Aufsicht des SD erschoß159. Doch diese Praxis stieß bald an ihre Grenzen. Kurze Zeit später kam es im selben Gebiet zu einem weiteren Partisanenüberfall auf ein deutsches Polizeifahrzeug, wobei ein Polizist getötet und einer gefangengenommen wurde. Daraufhin wurden auf Befehl des Feldkommandanten von Uzice, Oberst von Stockhausen, »aus der Umgebung des Tatortes [...] 81 Personen zusammengeholt und durch serbische Gendarmerie erschossen«160. Wie 154
Ebd., RW40/5, 21.8.1941.
155
Ebd. Ebd. General Lontschar wurde im November 1941 Stadtkommandant von Belgrad. Zuständig für die Sicherung der Stadt, hatte er unmittelbare Befehlsgewalt über alle in und bei der Stadt liegenden Truppenteile, ebenso über die zivilen Dienststellen (BA-MA, RW 40/14, KTB Ia des Bevollmächtigten Kommandierenden Generals in Serbien, 15.12.1941 und RH 24—18/86, KTB-Anlagen des XVIII. AK, 26.11.1941). Lontschar wurde 1947 wegen befohlener Geiselerschießungen in Jugoslawien zum Tode verurteilt und hingerichtet (Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien 1941-1949, Bd 1/2, S. 18). NO-Dokument 2944, Chef Sipo und SD, Ereignismeldung UdSSR Nr. 30, 22.7.1941. BA-MA, RH 26-117/12, Tagesmeldung der 717. BD vom 21.7.1941. Ebd. RW40/5, KTB Befehlshaber Serbien, 9.8.1941.
156
157
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6. Wehrmacht
und
Partisanenbekämpfung in
Serbien
53
der Gesandte Benzler zugeben mußte, hatte der Feldkommandant »auf dem Feld bei Erntearbeiten beschäftigte und völlig unbescholtene Personen verhaften und ohne Verfahren durch serbische Gendarmerie erschießen lassen, die hierzu durch deutsches Militär mit vorgehaltenem Gewehr gezwungen wurden161.« Die Mordaktion war Anlaß für eine Ministerkrise der kommissarischen Kollaborationsregierung, die sogar ernsthaft ihren Rücktritt erwog. Als Konsequenz weigerte sich die serbische Gendarmerie, weiterhin Erschießungen von Landsleuten auszuführen. Der Befehlshaber Serbien vermerkte dazu: »Erheblicher Teil serbischer Gendarmerie hat keinerlei Lust zum Einsatz, ließ sich stellenweise von Banden entwaffnen. Unzuverlässigkeit der Gendarmerie wurde in vielen Fällen unter Beweis gestellt. Banden bestehen aus Kommunisten und Nationalserben. Bevölkerung steht durchaus nicht in der Mehrzahl den Banden feindlich gegenüber und liefert Lebensmittel. [...] Lage ist sonst, entgegen Bericht des Auswärtigen Amtes, sehr gespannt. Geeignete Maßnahmen sind im Gange162.«
Zudem hatte die Erschießung völlig unbeteiligter Zivilisten auch militärisch negative Aus-
wirkungen:
»Es ist erklärlich, daß die Truppe, die von den kommunistischen Banden aus dem Hinterhalt beschoswird, nach Vergeltung schreit. Es werden hierbei oft irgendwelche, auf den Feldern befindliche Leute verhaftet und erschossen. In den meisten Fällen wird man aber nicht die Schuldigen fassen, die
sen
längst verschwunden sind, sondern Unschuldige und damit nur erreichen, daß auch die bisher loyale Bevölkerung aus Furcht oder Verbitterung zu den Banden übergeht. [...]. Daß von deutschen Soldaten Frauen, außer wenn sie mit der Waffe in der Hand gegen die Truppe vorgehen, unter keinen Umständen ohne gerichtliche Aburteilung erschossen werden dürfen, ist selbstverständlich163.« Somit wurde es auch für die Wehrmacht notwendig, nach geeigneteren »Zielgruppen« für Repressionsmaßnahmen Ausschau zu halten, deren Liquidierung zu keinen politischen Auseinandersetzungen mit den einheimischen Quisling-Stellen Anlaß bieten würde. Die Besatzungsmacht war im Sommer 1941 noch daran interessiert, bei der serbischen Bevölkerung eine möglichst deutschfreundliche Einstellung zu erreichen. In diesem Sinne waren Erschießungen von Kollaborateuren und völlig unschuldigen serbischen Bauern schwere politische Fehlgriffe, die Haß und Ablehnung der serbischen Bevölkerung gegen die Okkupanten noch mehr steigerten und zudem zu schweren innenpolitischen Konflikten mit der serbischen Kollaborationsregierung führten. Eine Anweisung, die vor der Erschießung eines Gefangenen die Absprache mit der serbischen Gendarmerie vorsah, um auf diese Weise die politische Haltung des Delinquenten zu überprüfen, war in der Praxis schwer einzuhalten. Damit stand die Truppe vor dem kaum lösbaren Problem, ohne ausreichenden SD-Apparat und mit nur beschränkt kooperationswilligen und
einheimischen Polizeiorganen geeignete Opfer aufzuspüren. Die Wehrmacht stellte fest, daß Polizei und SD weniger Schwierigkeiten hatten, geeignete »Sühneopfer« zu finden. Denn ihnen stand zumindest eine Opfergruppe zur Verfügung, die eindeutig definiert und gekennzeichnet war und deren Liquidierung auf keine Proteste stieß: die Juden.
vertrauenswürdigen
161
162 i«
PA-AA, Büro des Staatsekretärs betr. Jugoslawien, Telegramm Benzler, BA-MA, RW40/5, KTB Befehlshaber Serbien, 9.8.1941. Ebd., Chef des Höh. Kd. LXV, Bader, an alle Kompanien, 23.8.1941.
1.8.1941.
54
I. »Unternehmen
Strafgericht«
Die Ermordung von Juden gehörte in Serbien bereits zur gängigen Praxis des Polizeiund SD-Apparates. Die Wehrmacht hingegen war bisher nur mit der militärischen Administration von Judenmaßnahmen befaßt gewesen164. Die Truppe selbst war mit dieser rassistischen Form der Geiselaktionen noch nicht direkt in Berührung gekommen. Wie die Wehrmachtpropaganda in Serbien zeigt, fiel der Antisemitismus des NS-Regimes auch in Wehrmachtkreisen auf fruchtbaren Boden165. Durch den gemeinsamen Einsatz mit Polizei und SD sollte die Truppe bald unmittelbar mit den rassistischen Auswahlkriterien für »Sühneopfer« konfrontiert werden. Nach der Übernahme der Partisanenbekämpfung durch die Truppe, schien es nur mehr eine Frage der Zeit, bis auch die Wehrmacht bei der Gegnerbekämpfung auf dieses Feindbild zurückgreifen würde.
164
165
So etwa wurden die Judenverordnungen vom Frühjahr 1941 von der Einsatzgruppe Fuchs ausgearbeitet und vom Militärbefehlshaber unterzeichnet. Genau zum selben Zeitpunkt war die Wehrmacht auch auf anderen Kriegsschauplätzen auf der Suche nach geeigneten »Sündenböcken«. Der Oberbefehlshaber der in der Ukraine operierenden 17. Armee, General Stülpnagel, ordnete am 30.7.1941 an: »Kollektive Maßnahmen nicht wahllos treffen! Soweit die auslösende Tat der ukrainischen Ortseinwohnerschaft nicht nachgewiesen werden kann, sind die Ortsvorsteher anzuweisen, in erster Linie jüdische und kommunistische Einwohner zu nennen. Durch solchen Druck soll die Bevölkerung zur Anzeigepflicht gezwungen werden. [...] Zahlreicher zurückgeblieben sind die Angehörigen der russischen] Staatsjugend (Komsomolzen). Auf sie kann bei Notwendigkeit raschen Zugriffs notfalls zurückgegriffen werden. Besonders die jüdischen Komsomolzen sind als Träger der Sabotage und Bandenbildung Jugendlicher anzusehen«. Auch antisemitische Hetzkampagnen durch die Wehrmachtpropagandastellen waren nichts Unübliches. Zum selben Zeitpunkt, als die Wehrmachtpropaganda-Abteilung in Serbien die nationale Presse mit antisemitischer Propaganda versorgte, forderte General Stülpnagel von der Abt. Wehrmachtpropaganda im OKW: »Vermehrter Kampf gegen Judentum [...] nachdrücklichste Aufklärung über Judentum« (Krausnick/Wilhelm, Die Truppe des Weltanschauungskrieges, S. 219 f.).
II. Die Wehrmacht und die
männlichen
Juden
Ermordung der
in Serbien
1. General Franz Böhme:
Bevollmächtigter Kommandierender General
in Serbien
»Die Räume sind zu groß! Die eingesetzten Truppen zu schwach!1« so lautete die verzweifelte Meldung der Militärbesatzer Ende August 1941. Die Verlegung von 410 Landesschützen2 aus der »Ostmark«, einer Panzerjägerabteilung aus Griechenland, des 125. IR und des III. Bataillons des 433. IR3 reichte bei weitem nicht aus, um des sich immer massiver ausbreitenden Aufstandes Herr zu werden. Resümierend konstatierte Turner, »daß die hier zur Verfügung stehenden Truppen für den Kampf gegen die aufständischen Elemente bei den hiesigen Geländeverhältnissen, wie sich ergab, völlig ungeeignet waren4.« Auch die bisher durchgeführten »Sühnemaßnahmen« und »Geiselerschießungen« hatten nicht zum erhofften Ziel geführt: »Sofortige Sühnemaßnahmen gegen Sabotageakte gegenüber der deutschen Wehrmacht, bei denen bis Ende August insgesamt rund 1000 Kommunisten und Juden erschossen oder öffentlich aufgehängt worden sind, bei denen Häuser von Banditen, sogar ein ganzes Dorf niedergebrannt wurden, konnten dem —
ständigen Anwachsen des bewaffneten Aufstandes
nicht Einhalt
Bei der Aufbringung neuer »Geiselopfer« kam es
zu
gebieten5.«
organisatorischen Änderungen. Die
der Truppe festgenommenen Zivilisten überstellte man in das Belgrader Lager. Das Lager wurde von der Feldkommandantur Belgrad dem Verwaltungsstab Turners übergeben, in »Konzentrationslager Serbien, Belgrad« umbenannt und von der Sipo und SDEinsatzgruppe verwaltet und bewacht6. Das Belgrader Geisellager verlor damit seine ausschließlich lokale Zuständigkeit. Der Nimbus von der Unbesiegbarkeit der Wehrmacht war in Serbien gehörig ins Wanken geraten. Die Moral der Truppe war durch die zahlreichen operativen Fehlschläge angeschlagen; hinzu kam, daß die stolze Wehrmacht von den Partisanen öffentlich lächerlich gemacht wurde7. von
1
BA-MA, RW 24-30/277, Höh. Kdo. LXV
2
Die Landesschützen versahen in der
an
Wbfh. Südost, 28.8.1941.
Regel nur Bewachungsaufgaben. 3 NOKW-Dokument 1660, Tagesmeldung AOK 12 Ic/AO, 4.9.1941. Das Bataillon sollte das als »Wachregiment Belgrad« eingesetzte 734. IR der 704. ID verstärken. BA-MA, RW 40/187, 5. Lagebericht des Verwaltungsstabes beim Befehlshaber Serbien, 6.10.1941. 5 4
Ebd. NOKW-Dokument 1141, Befehlshaber Serbien, 11.9.1941. 7 Johann K., Angehöriger des zu diesem Zeitpunkt in Serbien eingesetzten ANR 521, erinnert sich noch heute lebhaft an ein Ereignis, das sich wie ein Lauffeuer unter der Truppe und der Bevölkerung verbreitete: Ein von den Partisanen gefangengenommener Wehrmachtsoldat wurde, nachdem ihm die Uniform abgenommen worden war, nur mit der Unterhose bekleidet, davongejagt (Interview mit Johann K., 11.8.1988).
6
56
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
Im September 1941 schien es, als könne Serbien von den deutschen Truppen nicht mehr lange gehalten werden. Um die Kontrolle über Serbien nicht ganz zu verlieren, forderte Wehrmachtbefehlshaber List vom OKH und vom OKW die Zuführung einer zusätzlichen Kampfdivision und die Bestellung eines Generals, in dessen Person die gesamte vollziehende Gewalt in Serbien vereinigt werden sollte: »Als hierfür besonders geeignete Persönlichkeit, weil zugleich vorzüglicher Kenner der Balkanverhältnisse, kommt General der Infanterie Böhme in Frage8.«
September 1941 ernannte Hitler General Böhme zum Bevollmächtigten Kommandierenden General in Serbien9. Zwei Tage später traf der ehemalige Leiter des österreichischen Heeres-Nachrichtendienstes und designierte Chef des österreichischen Generalstabes in Belgrad ein. Böhme erhielt den Auftrag, »im serbischen Gebiet die Verkehrswege und die für die deutsche Kriegswirtschaft wichtigen Objekte zu sichern und dann auf weite Sicht im Gesamtraum mit den schärfsten Mitteln die Ordnung wiederherzustellen. [...] Für die Dauer der Durchführung dieser Aufgabe sind alle im Aufstandsgebiet befindlichen, beziehungsweise dorthin zuzuführenden Kräfte des Heeres unter dem Befehl des Kommandierenden Generals des XVIII. A. K., General der Infanterie Böhme, zusammenzufassen. Dieser übt im Aufstandsgebiet selbst nach Anweisung des W.Bfh. Südost die vollziehende Gewalt aus. Alle militärischen und zivilen Dienststellen sind insoweit an seine Anwei-
Am 16.
sungen
gebunden10.«
Nicht zuletzt um Ansehen und Prestige der Wehrmacht wiederherzustellen, wurde General Böhme als »trouble shooter« nach Serbien beordert. Hitler ließ seinem Landsmann freie Hand bei der Wahl der einzusetzenden Mittel. Böhme sollte diese Vollmacht als einen Freibrief zum Massenmord gebrauchen. 2. Die 342. Infanteriedivision im Raum
Sabac
Als General Böhme in Serbien eintraf, präsentierte sich ihm die militärische Situation außerhalb Belgrads, von wenigen Orten abgesehen, als Zustand völliger Anarchie11. Gemeinsam mit Böhme und seinem Stab (dem Generalkommando des XVIII. Armeekorps) wurden zwei Kampfeinheiten zur Verstärkung nach Serbien entsandt und dem XVIII. Armeekorps direkt unterstellt: das 125. IR aus Griechenland und die 342. ID aus Frankreich, eine kampferprobte, aus 12000 Mann bestehende Truppe12 unter dem Kommando des aus Österreich stammenden Generals Dr. Walter Hinghofer. 8
9
i° 11
12
Fernschreiben List an OKW und OKH, 12.9.1941 (zit. nach: BA-MA, RH 19 XL/81, Die Bekämpfung der Aufstandsbewegung im Südostraum, T. 1, S. 34). Führerweisung Nr. 31a, 16.9.1941 (zit. nach: Hitlers Weisungen für die Kriegführung 1939—1945, S. 149 f.). Ebd.
BA-MA, RW 40/187, Lagebericht Turner, 6.10.1941.
Ebd., RH 26—342/107, Tätigkeitsbericht des Divisionsintendanten,
1.10.1941.
2. Die 342. Infanteriedivision im Raum
Sabac
57
Generalfeldmarschall List hatte Böhme den Auftrag mitgegeben, mit der neu zugeführten 342. LD und dem 125. LR ein militärisches Unternehmen im sogenannten Save-DrinaBogen durchzuführen13. Dieses Gebiet, etwa 100 km westlich von Belgrad, war seit Anfang September eines der Hauptzentren des bewaffneten Widerstandes in Serbien. Die in diesem Raum stationierten drei Kompanien des 750. IR der 718. LD waren zwar schon vor dem Eintreffen Böhmes um eine Kompanie des Pol. Res. Bat. 64 und um 450 serbische Gendarmerieangehörige verstärkt worden14. Dennoch hatten sich in diesem Gebiet an der serbisch-kroatischen Grenze rund um die Stadt Sabac immer mehr Widerstandsgruppen formiert. Nach den militärischen Erfolgen der Partisanen begannen Anfang September einzelne Cetnik-Unterführer mit ihren Mannschaften, vorerst ohne Zustimmung ihrers Führers Draza Mihailovic15, mit den Partisanenverbänden gemeinsame Operationen durchzuführen16. Die Stärke der Partisanen und Cetnik-Einheiten in diesem Raum wurde von den Besatzern auf 2000 bis 10000 Mann geschätzt, die ihnen militärisch organisiert gegenüberstanden: »Die kommunistischen und uns feindlichen nationalgetarnten serbischen Banden im Aufstandsgebiet haben sich in letzter Zeit so organisiert, daß man schon von feindlichen Verbänden sprechen kann. Ihre militärische Gliederung kennt Kompanien und Bataillone, die häufig unter verantwortlicher Führung von ehemals serbischen Offizieren stehen17.«
Kompanien der Widerstandskämpfer verfügten neben Gewehren über leichte und einige schwere MG, dennoch gab es bei ihnen auch noch zahlreiche unbewaffnete Leute, Die
die dann als Ablösung die Waffen von Fall zu Fall übernahmen18. Das Manko an Waffen wurde aber durch den Rückhalt in der Bevölkerung aufgewogen: Resigniert stellten die in Sabac stationierten Kompanien der 718. ID fest, »daß die serbische Aufstandsbewegung über gute Führung verfügt. Bodengestaltung und Nationalcharakter begünstigen den Kleinkrieg in ganz hervorragender Weise, der Spähdienst und die Nachrichten13
Ebd., RW40/11, KTB-Eintragung,
15.9.1941.
Die serbische Gendarmerie hatte sich aber schon wenige Tage später als unzuverlässig herausgestellt: »Von serbischer Regierung mit Zustimmung Befehlshaber Serbien eingesetzte Gendarmerieabteilungen keinen Kampf mit Kommunisten aufgenommen. In einem Fall Kampfaufnahme verweigert. In anderem Fall hat 60—80 Mann starke Gendarmerieabteilung auf Marsch zu befohlenem Standort kampflos den Kommunisten ihre Waffen übergeben« (ebd., KTB Befehlshaber Serbien, Anlage 33, 12.9.1941). 15 Bei einem Treffen mit Wehrmachtvertretern im November 1941 sagte Mihailovic über die militärischen Operationen vom September 1941 gegen Sabac folgendes: »Der Überfall auf Sabac ist das Werk ungehorsamer (Cetnik-)Elemente. Ich habe hier den Rückzug befohlen, weil es sinnlos ist, Sabac anzugreifen, nachdem das linke Ufer nicht genommen werden kann« (ebd., RH 24—18/168, Niederschrift über das Treffen mit dem serb. Generaloberst Draza Mihailovic am 11. und 12.11.1941). 16 Siehe dazu Kapitel III.5. 12 BA-MA, RW 40/11, Befehlshaber Serbien, Chef des Generalstabes Gravenhorst, Betr.: Aufstandsbewegung, 16.9.1941. Zu diesem Zeitpunkt verfügten die Partisanen in Serbien bereits über eine militärische Gliederung: »Kompanien in der Stärke von 80—100 Mann, gegliedert in Züge und Gruppen; nächstgrößere taktische Einheit ist das Bataillon, das aus zwei bis vier Kompanien zusammengesetzt ist; eine größere Einheit als das Bataillon ist der Verband, der aus drei bis vier Bataillonen besteht«, Bericht des Oberkommandos der Volksbefreiungsverbände Bosniens und der Herzegowina über die Beschlüsse der Beratung in Stolice (zit. nach: Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg, S. 65). 18 Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg, S. 65. 14
58
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
durch die Mitarbeit der gesamten Bevölkerung außerordentlich erleichtert19.« General Böhmes Befehl zur »Säuberung des Save-Bogens« ließ keinen Zweifel über die neue Gangart, die unter seinem Kommando in Serbien eingeschlagen werden sollte. Böhme ging es nicht mehr primär um die direkte Bekämpfung des militärischen Widerstandes, sondern um die Ausmerzung der sozialen, logistischen und versorgungsmäßigen Basis der Widerstandsbewegung, also um die direkte Bekämpfung der serbischen Zivilbevölkerung:
Übermittlung werden
unter der Führung ehemaliger serbischer Offiziere sind im Save-Bogen westlich der Linie (Sremska) Mitrovica, Sabac und südlich davon in dem ausgedehnten Berggelände gemeldet. Die Bevölkerung in der Niederung zwischen Drina und Save hat sich der Aufstandsbewegung angeschlossen. Frauen und Kinder besorgen den Nachrichtendienst und halten die Verpflegung der herumziehenden Banden aufrecht. Die Gesamtheit der Bevölkerung ist somit an dem Aufstand beteiligt. 2. Die Niederung im Drina- und Savebogen, die die Verpflegungsbasis der Aufständischen darstellt, ist unter Vernichtung auftretender Banden zu säubern, um den Aufständischen die weitere Versorgung aus dieser Gegend auf lange Zeit abzuschneiden. Durch rücksichtslose Maßnahmen muß erreicht werden, daß ein abschreckendes Beispiel, das in kurzer Zeit in ganz Serbien bekannt wird, geschaffen wird. [...] Feindlicher Widerstand ist rücksichtslos zu brechen. Alle Beteiligten, die sich in irgendeiner Form am Kampf beteiligen, sind als Freischärler anzusehen und als solche zu behandeln. Alle Siedlungen, aus denen oder in deren Nähe die deutsche Truppe beschossen wird, oder in deren Nähe Waffen und Munition gefunden werden, sind niederzubrennen. Die gesamte männliche Bevölkerung von 15—60 Jahren ist festzunehmen und zunächst in von der Division einzurichtende Gefangenen-Sammelstellen abzuführen. Sie ist später abschnittsweise zum Arbeitseinsatz, insbesondere zur Niederlegung der Maisfelder an Durchgangsstraßen und zum Einbringen der Ernte zu verwenden. Die gesamte weibliche Bevölkerung ist vom ersten Tag an zu den gleichen Arbeiten heranzuziehen oder zum Arbeitseinsatz zu zwingen. Auf besonderen Befehl sind die Gefangenen in besondere vom Bfh. Serbien einzurichtende Konzentrationslager nördl. der Save abzuschieben und die weibliche Bevölkerung auf das Cer-Gebirge nach Süden abzudrängen und die Ortschaften und Gehöfte unter Schonung der Erntevorräte niederzubrennen. Viehbestände sind laufend in Viehsammelstellen, die von der Division unmittelbar beiderseits der Save einzurichten sind, zusammenzutreiben [...J20.«
»1. Feindliche Banden
Böhme wollte ein Exempel statuieren. Gegner war die gesamte Bevölkerung dieses Gebietes. Verhaftung aller Männer und Verschickung in Gefangenen- bzw. Konzentrationslager, Vertreibung der Frauen und Kinder ins Gebirge, Arbeitsdienst, Niederbrennen aller verdächtigen Ortschaften und Raub der Viehbestände, stellten die eigentlichen Ziele der Aktion dar. Um dieses Vorgehen mit den übrigen Dienststellen abzusprechen, traf Böhme mit den Spitzen der anderen Besatzungsorgane zusammen. Schon einen Tag nach dem Eintreffen Böhmes in Serbien war der Bevollmächtigte General in Agram, Glaise von Horstenau, nach Belgrad geflogen, um den neuen Befehlshaber in Serbien über die Situation in Kroatien zu unterrichten. Es ist anzunehmen, daß die beiden ehemaligen österreichischen k. u. k. Offiziere, die nunmehr in der deutschen Wehrmacht die höchsten Positionen in Jugoslawien einnahmen, ihre Vorstellungen über das weitere Vorgehen in dem für Österreicher so geschichtsträchtigen Raum austauschten. Erst wenige Jahre zuvor war Glaise von Horstenau als damaliger Direktor des österreichischen Kriegsarchivs mit den Kriegsverbrechen, die die k.u.k. Armee 1914 in Sabac begangen hatte, befaßt gewesen. 19
20
NOKW-Dokument 1214. BA-MA, RH 24—18/87, Befehl Böhmes
zur
Säuberung des Save-Bogens,
22.9.1941.
Sabac
2. Die 342. Infanteriedivision im Raum
59
war in Sabac die neuerbaute orthodoxe Kirche vom jugoslawischen König Alexander eingeweiht worden. Bei diesem Anlaß wies der König auf die Geschichte der Bevölkerung und der Kirche dieser Stadt im Ersten Weltkrieg hin: »Es gibt keine Religion, kein Dorf, keine Familie, die (während des Ersten Weltkriegs in Serbien WM.) nicht ihre Opfer gebracht hätten. Aber niemand hat das erduldet, was die Stadt Sabac und ihre
Im Juni 1934
—
Umgebung erduldet haben. Das Schicksal von Sabac und seiner ganzen Gegend war das grausamste und härteste. Es stand ganz im Zeichen des Feuers und Schwertes, der Zerstörung und Vernichtung, im Zeichen der Wildheit und Gottlosigkeit des Feindes21.«
hervor, daß Sabac in die Geschichte des Weltkrieges als furchtbarer Beweis der Barbarei Österreich-Ungarns eingehe22. Der österreichische Gesandte hatte dazu eine Demarche im jugoslawischen Außenministerium überlegt, wollte aber zuvor die Vorwürfe kriegsaktenmäßig recherchiert haben. Der Direktor des österreichischen Staatsarchivs, Generalstaatsarchivar Glaise von Horstenau, wurde beauftragt, die historische Berechtigung der jugoslawischen Vorwürfe zu prüfen. Laut dieser Vorwürfe war Sabac 1914 von der österreichisch-ungarischen Armee bombardiert, und u.a. auch die mit Meßgängern gefüllte orthodoxe Kirche vorsätzlich mit Granaten zerstört worden. Glaise von Horstenau konnte nicht umhin, die jugoslawischen Vorwürfe zu bestätigen und der österreichischen Gesandtschaft von einem Protest abzuraten: Der orthodoxe Patriarch hob
»Schabatz spielte, wie auch
aus
den Akten des k. u. k. Ministeriums (Pressedepartement) ersichtlich sein
dürfte, von Anbeginn in der Kriegsgreuelpropaganda eine große Rolle. Tatsache ist, daß z. B. die ohne unser Wissen von Betern und Beterinnen angefüllte Kirche zusammengeschossen wurde, weil sich auf dem Turm ein serbischer Beobachtungsposten befand. Ebenso hat der Komitadschikrieg nach der Besetzung von Schabatz im August 1914 zu mancherlei Gegenmaßnahmen geführt, die völkerrechtlich gewiß nicht gutzuheißen waren. Eine diplomatische oder publizistische Gegenaktion gegen die Schabatzer Reden würde uns daher in keine besonders günstige Lage versetzen23.«
Die Möglichkeit, sich mit der Leugnung der Rechtsnachfolge Österreichs aus der Affäre zu ziehen, beurteilte Glaise von Horstenau ebenfalls negativ. Der Standpunkt, daß Österreich kein Rechtsnachfolger sei, lasse sich »in moralischer Beziehung nicht mehr ganz aufrechterhalten, seit wir sonst in Wort und Schrift so intensiv an die Überlieferungen Altösterreichs anknüpfen«24. Die Kriegsverbrechen der österreichisch-ungarischen Armee in Sabac im Jahre 1914 waren Glaise von Horstenau gut bekannt. In Kenntnis darüber, daß General Böhme eben in diesem Landstrich Serbiens eine Aktion gegen die Zivilbevölkerung plante, welche die Kriegsverbrechen von 1914 in den Schatten stellen würde, bot Glaise von Horstenau dem Bevollmächtigten General Böhme seine militärstrategischen Kenntnisse an: »Marschall Kvaternik (der Kommandant der kroatischen Armee WM.) hält es auf Grund der in diesem Raum gemachten Erfahrungen für zweckmäßig, den Angriff der verstärkten 243. ID (Glaise meinte offensichtlich die 342. ID WM.) aus Syrmien anzusetzen. [..] Ich kann mich, auch nach den im Herbst 1914 gemachten Erfahrungen, der Auffassung Kvaterniks nur anschließen25.« —
—
21
Zit. nach:
22
Ebd. Ebd.
23 24 25
Suppan, Nachbarschaft
zwischen
Kooperation
Ebd., S. 430. BA-MA, RH 24—30/270, Fernschreiben Glaise
von
und Konfrontation, S. 429.
Horstenau
an
List,
12.9.1941.
II. Die Wehrmacht und die
60
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
Doch Böhme legte weder auf die Operationsvorschläge des k. u. k. Militärs noch auf das kriegsgeschichtliche Wissen des Militärhistorikers Glaise von Horstenau großen Wert. Er befahl entgegen dem Vorschlag Glaises General Hinghofer, einen der Hauptstützpunkte der Partisanen in der Gegend des Cer-Gebirges nahe der Stadt Sabac zu »säubern«. In Anspielung auf die historischen Ereignisse von 1914 wies Böhme in einem von altösterreichischem Serbenhaß durchdrungenen Befehl an die Offiziere und Mannschaften der 342. ID auf die historische Dimension ihrer kommenden Aufgabe hin. Böhme ließ keinen Zweifel daran, daß die 1914 gescheiterte Strafexpedition gegen Serbien unter dem k. u. k. Feldmarschall Conrad von Hötzendorf nun unter seinem Kommando erfolgreich zu Ende geführt werden sollte: —
—
Aufgabe ist in einem Landstreifen durchzuführen, in dem 1914 Ströme deutschen Blutes durch die Hinterlist der Serben, Männer und Frauen, geflossen sind. Ihr seid Rächer dieser Toten. Es muß ein abschreckendes Beispiel für ganz Serbien geschaffen werden, das die gesamte Bevölkerung auf das Schwerste treffen muß. Jeder, der Milde walten läßt, versündigt sich am Leben seiner Kameraden. Er wird ohne Rücksicht auf die Person zur Verantwortung gezogen und vor ein Kriegsgericht gestellt26.« »Eure
Die 342. ED wurde sofort nach ihrem Eintreffen nach Sabac und Sremska Mitrovica (auf kroatischem Gebiet) dirigiert27. Um den Fluchtweg der Partisanen und Cetniks nach Kroatien abzuriegeln, sicherte sich Böhme die Zustimmung Glaises von Horstenau zur Verstärkung der schon im Raum Sabac und jenseits der serbischen Grenze in Sremska Mitrovica liegenden Kompanien der 718. ED durch weitere Einheiten dieser Division28. Der nach Sabac dirigierte Stab des II. Bataillons und die 8. Kompanie des 750. ER29 wurden Hinghofers Division unterstellt30. Beim Eintreffen der Truppen in Sabac tobten in und um die Stadt bereits heftige Kämpfe31. Das II. Bataillon des 750. IR meldete, daß am 23. September 1941 Sabac von allen Seiten mit etwa 1000 Mann angegriffen worden war, Kampfgruppen bereits in die Stadt eingedrungen wären und eine Fabrik und das Elektrizitätswerk besetzt hielten32. Erstmals hatten die Widerstandskämpfer eine von deutschen Truppen belegte Stadt angegriffen. Nach einem zehnstündigen Straßenkampf, bei dem von deutscher Seite auch ein Panzer eingesetzt wurde, zogen sich die Angreifer wieder aus der Stadt zurück33. Noch am selben Abend rückte ein Bataillon der 342. ED in Sabac ein. Es erhielt von Böhme den Auftrag, am nächsten Tag überfallartig die gesamte männliche Bevölkerung der Stadt im Alter zwischen 14 und 70 Jahren gefangenzunehmen. Alle Einwohner (auch Frauen), die sich am Straßenkampf in Sabac beteiligt hatten, seien sofort zu erschießen, ebenso alle Männer, in deren Wohnungen Waffen oder Munition gefunden würden, oder die zu fliehen versuchten. Die gefangengenommenen Männer seien auf kroatischem Gebiet Ebd., Ebd., 28 Ebd., 29 Ebd., 30 Ebd., 3' Ebd., 32 Ebd., 33 Ebd., 26 27
RH 26—342/8, Böhme an alle Einheiten der 342. ID, 25.9.1941. RH 26—342/102, KTB Quartiermeisterabteilung, 21.9.1941. RH 24-18/87, KTB Ia, Bev. Kdr. General in Serbien, 20.9.1941. RH 26-118/3, KTB-Eintragung, 21.9.1941.
KTB-Eintragung, KTB-Eintragung,
26.9.1941. 24.9.1941.
Fernschreiben II. Bat./750 an Höh. Kdo. LXV, 23.9.1941. II./IR 750 an 750. IR, 23.9.1941.
2. Die 342. Infanteriedivision im Raum
Sabac
61
in ein durch die Division anzulegendes Konzentrationslager nördlich der Save zu bringen. Außer dem was sie am Leib trugen, durften die Gefangenen nur einen Mantel, eine Decke, ein Eßgeschirr mit Löffel und Mundvorrat aus ihren eigenen Beständen mitnehmen34. Zur gleichen Zeit begann ein Pionierbataillon der 342. LD nördlich von Sabac mit dem Bau eines KZ auf kroatischem Boden35. Am 24. September 1941 begannen Einheiten der 342. ID und des H. Bataillons des 750. IR, mit Unterstützung der 3. Kompanie des Pol. Res. Bat. 64, mit der Verhaftung aller Männer und Jugendlichen der Stadt36. Vom Stadtrand aus in Richtung Zentrum drang die Truppe systematisch in alle Wohnungen und Geschäfte ein, plünderte Hab und Gut und zerrte alle Männer zu einer Sammelstelle im Westteil der Stadt37. Die 342. Division richtete zwei Dienststellen ein. Die eine sollte den Abschub der gefangenen Männer in die Wege leiten, die andere wurde mit der Unterbringung des geplünderten Gutes beauftragt. Hinghofer stellte persönlich die Richtlinien für die Tätigkeit der Dienststelle »Gefangenenabschub« auf:
»a) Übernahme der von den Regimentern zugeleiteten Gefangenen. Allgemeine Zählung. In besonde-
Fällen namentliche listenmäßige Feststellung. b) Aussonderung von Volksdeutschen und unberechtigt Festgenommenen. c) Durchsuchung der Gefangenen auf Waffen und Munition. Abnahme der Waffen und Munition, einschl. Hieb- und Stichwaffen. Namentliche Feststellung der Waffen- und Munitionsträger nach anliegender Liste und deren Übergabe an das Standgericht. Der Besitz von Messern, die nicht als Stichwaffe anzusehen sind, berechtigt nicht zur Übergabe an das Standgericht. Sämtliche Messer sind dennoch abzunehmen. [...] f) Bewachung der Gefangenenlager. g) Abschub der Gefangenen in rückwärtige Läger. Kommandeur Pz. Jag. Abt. 342 meldet täglich 21,00 ren
Uhr an Division und Artl. Kdr. über Gefangenenzahl, Erschießungen, Waffenabnahme und besondere
Vorkommnisse38.«
Als nach drei Tagen die Aktion beendet war, hatte Hinghofers Truppe 4459 männliche Zivilisten gefangengenommen. Bei der systematischen Säuberung der Stadt waren aber weder Waffen gefunden worden, noch waren die Soldaten auf bewaffneten Widerstand gestoßen39. Es fanden sich auch keine Anzeichen dafür, daß sich die Bevölkerung der Stadt aktiv an den Kämpfen beteiligt hätte. Doch darum ging es Böhme auch gar nicht. Böhme wollte mit Hilfe von Hinghofers Division die erste kollektive Bestrafung der serbischen Zivilbevölkerung durchführen. Demgemäß blutig war auch die Bilanz der Säuberung. Obwohl sich die Bevölkerung »gefaßt« zeigte, und die Männer »ohne erhebliche Widersetzlichkeiten«40 zusammengetrieben werden konnten, erschossen die eingesetzten Kompanien im Zuge der Aktion 75 Männer aus Sabac, 5 weitere wurden als verstorben gemeldet41. Ebd., Ebd., 36 Ebd., 34 35
37
Ebd.
RH 26—342/11, General Böhmes Befehl zur Räumung von Sabac, 23.9.1941. RH 26-342/8, KTB Ia der 342. ID, 24.9.1941. RH 26—342/11, Fernschreiben Ia der 342. ED an Bev.Kdr. General in Serbien, 24.9.1941.
Ebd., RH 26-342/8, Betr.: Gefangenenabschub, 25.9.1941. Ebd., KTB-Eintragung, 27.9.1941. 40 Ebd., RH 26-342/11, Tagesmeldung Ia der 342. ID an XVIII. AK, 25.9.1941. 41 Ebd., Anlagen zum KTB. Die Zahl der bei der »Säuberung« von Sabac erschossenen Männer ergibt 38 39
sich
aus
der
Zusammenstellung der Tagesmeldungen
zwischen dem 24. und 27.9.1941.
62
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der männlichen Juden
3. Der
in Serbien
»Kladovo-Transport«
Unter den von Wehrmachteinheiten in Sabac zusammengetriebenen Männern befanden sich auch etwa 450 Juden. Aber nur wenige unter ihnen stammten aus Sabac selbst. Die
übrigen waren Juden aus Österreich, aus Berlin, Danzig und der Tschechoslowakei Mitglieder des »Kladovo-Transportes«, der sich aus etwa 800 österreichischen, 200 Berliner und Danziger sowie etwa 100 tschechischen Juden zusammensetzte. Sie hatten schon —
im November 1939 Wien verlassen, um in Schiffen donauabwärts und über das Schwarze Meer illegal, d. h. ohne Einreisezertifikate der britischen Mandatsregierung, nach Palästina zu gelangen. Doch bereits zu Weihnachten 1939 blieben die Schiffe im jugoslawischen Donauhafen Kladovo stecken. Die rumänischen Behörden hatten ihnen die Weiterfahrt über die Donau bis zum Schwarzen Meer verweigert. Ab diesem Zeitpunkt erhielt die Flüchtlingsgruppe den Namen »Kladovo-Transport«42. Bis September 1940 lebten die Flüchtlinge teils auf Schiffen, teils an Land in Kladovo, ehe sie nach Sabac verlegt wurden. Nach den tristen und hoffnungslosen Lebensbedingungen in Kladovo, brachte die Übersiedlung in die etwa 15000 Bewohner zählende Industriestadt Sabac eine entscheidende Verbesserung ihrer Lebenssituation. Die Gruppe, die mittlerweile um etwa 200 jüdische Flüchtlinge angewachsen war, wurde in einer mehrstöckigen ehemaligen Mühle, in einer stillgelegten chemischen Fabrik, in adaptierten Getreidemagazinen und in Privatquartieren untergebracht und von der jüdischen Gemeinde in Belgrad mit dem —
—
Allernotwendigsten versorgt. Mehrere Male versuchte der für den Flüchtlingstransport
verantwortliche Mossad43, Schiffe für die Weiterfahrt nach Palästina aufzutreiben. Doch vergeblich. Der Jewish Agency gelang es bis März 1941 etwa 250 legale Einreisezertifikate zu organisieren. Mit diesen Zertifikaten konnten Ende März 1941, wenige Tage vor dem deutschen Überfall auf Jugoslawien, noch mehr als 200 meist jugendliche Mitglieder des Transportes nach Palästina entkommen. Die über 1000 Zurückgebliebenen wurden wenige Tage später durch den Überfall auf Jugoslawien von den Nazis eingeholt. Bis August 1941 waren die deutschen Besatzer in der Stadt nur durch Wehrmachtorgane vertreten44. Am 20. Juli 194145 wurden die Kladovo-Flüchtlinge von Soldaten aus ihren Unterkünften abgeholt und in einem Internierungslager etwas außerhalb von Sabac am Saveufer zusammengelegt. In Gruppen wurden sie zur Arbeit im Krankenhaus, in der Feldkommandantur, in den Kasernen, aber auch in den Privatunterkünften der deutschen Offiziere gezwungen46. Bereits wenige Wochen später wurden die Flüchtlinge Tatzeugen bei den ersten Judenmorden in Sabac. Unmittelbar nach der Unterstellung der Partisanenbekämpfung unter die Ägide der Wehrmacht wurden Teile der 3. Kompanie 42
43
44
45 46
Die Geschichte dieses Transportes wird behandelt bei Anderl/Manoschek, Gescheiterte Flucht. Der jüdische »Kladovo-Transport« auf dem Weg nach Palästina 1939—42. Der Mossad war eine Organisation, die innerhalb der Haganah (des militärischen Arms des zionistischen Establishments in Palästina) in den Jahren 1938/39 für die Organisierung der illegalen Einwanderung nach Palästina gegründet wurde. Die Verwaltung der Stadt oblag der Ortskommandantur 847. Glisic, The Concentration Camps in Serbia (1941—1944), S. 711. Jovanovic, »Wir packen, wir auspacken ...«, S. 257.
4. Der
»Blutmarsch«
63
des Pol. Res. Bat. 64 nach Sabac verlegt, um die dort stationierten Kompanien der 718. ID bei der offensiven Partisanenbekämpfung zu unterstützen. Als am 18. August 1941 ein Jagdkommando aus Angehörigen der 718. ID bei seinem ersten »Jagdausflug« etwa 20 km westlich von Sabac in ein Feuergefecht mit Partisanen verwickelt wurde, kam ihnen die Polizeitruppe zu Hilfe. Bei den Kämpfen wurden etwa 30 Partisanen erschossen, drei Soldaten und ein Polizist fielen, 10 Soldaten wurden verwundet47. In der Nacht vom 20. auf den 21. August führten die Besatzer eine »Sühneaktion« für die Gefallenen durch. In der Dunkelheit wurde etwa ein Dutzend Juden aus Sabac aus ihren Wohnungen geholt und auf offener Straße erschossen48. Am nächsten Morgen wurden die Leichen am Stadtplatz gesammelt und die jüdische Flüchtlinge des Kladovo-Transportes aus dem Internierungslager geholt und zum Stadtplatz geführt. Die Flüchtlinge mußten die Ermordeten demonstrativ durch die ganze Stadt tragen und sie anschließend zur öffentlichen Abschreckung inmitten der Stadt an elektrischen Leitungsmasten aufhängen49. 63 Mitglieder der Sabacer Judengemeinde50, die vor dieser Nacht 89 Seelen gezählt hatte51, wurden daraufhin in das Internierungslager im Norden der Stadt getrieben, in dem bisher nur die Kladovo-Flüchtlinge untergebracht waren. Einige wenige vermögende Sabacer Juden konnten sich von der Internierung freikaufen. Auf Anordnung des Kreiskommandanten von Sabac wurde »von den in Sabac wohnenden Juden, die eine Wohnung innehatten, als Entschädigung dafür, daß diese vorläufig nicht im Lager untergebracht wurden, ein Betrag von Dinar 520000.- eingehoben52.« Auch diese hohe Erpressungssumme (sie entsprach etwa 25000 Reichsmark) konnte die wohlhabenden Juden weder vor der späteren Internierung noch vor ihrer Ermordung retten; denn in einem Schreiben vom Dezember 1941, in dem es um die weitere Veranlassung des als »Judengeld« bezeichneten Betrags geht, heißt es weiter unten zynisch: »Soweit der Einheit bekannt geworden ist, weilen die männlichen Juden der Stadt Sabac infolge der gewesenen Unruhen nicht mehr
unter
den Lebenden53.«
4. Der »Blutmarsch«
Hinghofers 342. ID hatte im Zuge der Aktion in Sabac auch die männlichen Juden aus dem Internierungslager geholt und sie zu den anderen gefangenen Männern der Stadt ge47 48
BA-MA, RW40/5 Bericht über den Einsatz der 3. Kompanie des Pol. Res. Bat. 64, 19.8.1941. Jovanovic, »Wir packen, wir auspacken ...«, S. 259. Die Tagesmeldung des AOK 12 an das OKW vom 22.8.1941 berichtet nur, daß Strafmaßnahmen
49 50 51 52
53
eingeleitet worden sind. Die Meldung erwähnt aber weder die Zahl der Ermordeten, noch die durchführende Einheit (NOKW-Dokument 1660, Tagesmeldung AOK 12 Ic/AO, 22.8.1941). The Crimes of the Fascist Occupants and Their Collaborators Against Jews in Yugoslavia, S. 40 f.
Ebd., S. 40. Gilbert, Endlösung, S. 62. BA, R 26 VI/682, Verwaltungsstab des Bevollmächtigten Komm. Generals in Serbien an den Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft in Serbien, 27.12.1941. Ebd.
64
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
trieben. Bei der Zusammenstellung des Transportes kam es abermals zu einem Massaker, bei dem wiederum 80 Gefangene wegen »Widersetzlichkeit« erschossen wurden54. Doch damit hatte das Martyrium dieser Menschen erst begonnen. Nun begannen Teile der Divisionsreserve der 342. ED mit dem Abtransport der Gefangenen. Eine Kompanie von Panzerjägern und die Radfahrerschwadron der 342. ED übernahmen am 26. September 1941 die Bewachung des Transportes der rund 5000 gefangenen Männer in das nördlich von Sabac eingerichtete KZ Jarak55. Damit begann der in der jugoslawischen Literatur als »Blutmarsch« bezeichnete Leidensweg der Gefangenen. Mehrere Gruppen wurden jeweils in einer langen Kolonne im Laufschritt in Marsch gesetzt und ohne Aufenthalt oder Rast vorerst bis in den Ort Klenak getrieben. Dort blieben sie zwei Tage und zwei Nächte ohne Nahrung. In Klenak hatten sich den deutschen Bewachern kroatische Heeresangehörige angeschlossen. Von Gewehrkolben schlagen angetrieben, wurden die Gefangenen im Laufschritt in das etwa 20 km entfernte KZ Jarak getrieben: »Wer nicht Schritt halten konnte und unterwegs zurückblieb, wurde mitleidlos an Ort und Stelle erschosssen.
Da viele alte und schwache Leute dabei waren,
war
die Zahl der
Opfer sehr groß56.«
Im KZ Jarak sollten die
Gefangenen nicht lange bleiben. Am 27. September 1941 hatte Gefangenenwesen zuständige Quartiermeister General Böhmes das KZ besichAusbau durch die Pionierabteilung der 342. ED war nahezu beendet, sogar ein Der tigt. Entlausungswagen war schon aufgestellt. Doch entschied die Quartiermeisterabteilung, daß das KZ wegen seiner militärisch ungünstigen Lage nicht mit den Gefangenen belegt werden sollte57. Statt dessen begann man mit der Einrichtung eines provisorischen KZ der für
in Sabac selbst58. Als die Männer im KZ Jarak völlig erschöpft eintrafen, wurden sie auf der Stelle wieder in die umgekehrte Richtung nach Sabac zurückgetrieben. Diesmal übernahm die 1. Kompanie des Pol. Res. Bat. 64 die Transportbewachung. Diese Kompanie war als Bewachungsmannschaft für das KZ Jarak vorgesehen gewesen59. Nach der Entscheidung gegen die Inbetriebnahme des KZ Jarak wurde die Kompanie mitsamt den Gefangenen nach Sabac
zurückdirigiert:
»Etwa Sept. 41 mußte unsere Kompanie in Jarak einen Gefangenentransport von der Wehrmacht übernehmen. Es handelte sich um etwa tausend Männer im Alter von 16—65 Jahren, die aus dem Raum Sabac stammten und die wir nach Sabac zurückbringen mußten, damit sie dort in einem Lager überprüft werden konnten. Auf dem Fußmarsch nach Sabac, es waren etwa 30 km, hörte ich von Gefangenen, daß beim ersten Transport bereits Männer von der Wehrmacht erschossen worden seien60.«
Gefangenen wurden nicht als geschlossener Transport, sondern in Gruppen nach Sabac zurückgebracht, denn »auf dem Rückweg begegneten sie (die Gefangenen W M.) Die
—
54
BA-MA, RH 26-342/11,
55
Ebd. International
56 57 58
Tagesmeldung Ia,
Military Tribunal, Trial
342. ID
vom
26V27.9.1941
an
XVIII. AK.
of the War Criminals, Bd 6, S. 609.
BA-MA, RH 24-18/212, KTB-Eintragung der Quart. Abt. XVIII. AK,
26.9.1941.
Ebd., RH 26-342/104, besondere Anordungen für die Versorgung, Quart.Abt. 342. ID, 30.9.1941.
Konzentrationslager Jarak ist durch 342. Div. an Pol. Res. Bat. 64 zu übergeben, welches unmitVerbindung aufgenommen hat« (ebd., RH 26-342/11, KTB Ia der 342. ID, 27.9.1941). 60 ZStl, 503 AR 12/62, Bd 2, Vernehmung Michael Th. 59
»Das
telbar
4. Der
65
»Blutmarsch«
einer anderen Gruppe von 800 Bauern, die denselben Weg zurücklegen mußten, aber noch grausamer behandelt wurden. Sie wurden gezwungen, mit hocherhobenen Händen zu gehen und zu laufen, wobei sie unterwegs systematisch umgebracht wurden61.« Einige Angehörige der mit dem Rücktransport der Gefangenen beauftragten Polizeikompanie konnten sich nach dem Krieg noch gut an die »Kladovo-Flüchtlinge« erinnern: »Ende September rückte unsere Kompanie (1. Kompanie des Pol. Res. Bat. 64 WM.) von Belgrad nach Klenak aus. Hier übernahmen wir ca. 400 jüdische Männer, vorwiegend deutsche Juden, von einer deutschen Heereseinheit. Ihre genaue Bezeichnung war mir nicht bekannt. Unsere Kompanie brachte diese Juden im Fußmarsch bis zu dem etwa 25 km entfernt gelegenen Sabac. Diese Juden bildeten den Grundstock zu einem Sammellager. Sie verblieben jedoch nur kurze Zeit in Sabac.« —
Auch einem anderen Polizeikompanieangehörigen hatten sich die jüdischen Flüchtlinge ins Gedächtnis eingeprägt: »Als Sammelpunkt war das Lager Sabac bestimmt worden, das schon vorher als Lager gedient hatte. Mir ist damals erzählt worden, daß in diesem Lager schon Juden und Serben verwahrt worden waren. Bei den Juden handelte es sich, soweit ich mich entsinne, zum Teil um jüdische Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich. Wie ich damals nun erfahren habe, ist mit diesen Leuten ein Gewaltmarsch von Klenak nördlich Sabac, nach Sabac gemacht worden.[...] Auf diesem Marsche wurden alle, die nicht mehr weiter konnten, oder überhaupt für den Marsch zu schwach waren, von dem begleitenden Wehrmachtskommando an Ort und Stelle erschossen. Über die Zahl der Opfer kann ich heute nichts mehr sagen. Auf jeden Fall war es so, daß bei unserem Eintreffen in Sabac etwa 400 Juden noch im Lager waren, die in vier Hundertschaften zusammengefaßt waren63.« Anna
Mann
Hecht, eine Teilnehmerin des »Kladovo-Transportes«64, mußte zusehen, wie ihr
Siegfried zum
»Blutmarsch«
abgeholt
wurde:
»Im September 1941 hat man alle Häftlinge des Lagers auf eine große Wiese geführt und Männer und Frauen wurden getrennt aufgestellt. Die Männer wurden weggeführt und kamen erst 14 Tage später wieder zu uns zurück, wobei 21 Männer fehlten, die wie wir später erfuhren inzwischen gestorben waren. Was die Männer in der Zwischenzeit gemacht haben und wo sie waren, weiß ich nicht, weil mein Mann mir nur sehr wenig erzählte, was er machte und ich auch mit anderen Leuten nur sehr wenig Kontakt hatte. Ich erfuhr nur, daß die Männer weit in eine Kaserne geführt wurden und dann wieder ins Lager zurückkamen65.« —
—
Neben dem Judenlager an der Save war mittlerweile in Sabac ein zweites KZ in und vor den Baracken der ehemaligen Kaserne eingerichtet worden, in dem neben den von der 342. LD gefangenen Zivilisten für einige Tage auch die männlichen Juden des »Kladovo-Transportes« gefangengehalten wurden, ehe sie am 4. Oktober 1941 wieder zu den zurückgebliebenen Transportteilnehmern in die Pionierbaracken an der Save rücküber61
62 63
64
65
International Military Tribunal, Trial of the War Criminals, Bd 6, S. 609. ZStL, 503 AR 12/62, Beiakte zu Bd 4, Aussage von Willy H. Ebd., Bd 3, Vernehmung Bruno W. Nach jugoslawischen Schätzungen wurden auf dem »Blutmarsch« insgesamt etwa 150 Menschen ermordet (Savpstenja, Belgrad, 1945, Nr. 34—53, S. 403—416, zit. nach: Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 73). Anna Hecht hatte sich als Christin mit ihrem jüdischen Ehemann dem Transport angeschlossen. Als Christin überlebte sie den Holocaust in Serbien. Yad Vashem Archives, 017/80 (im folgenden: YVA), Interview mit Anna Hecht, (Wien, Dezember
1955).
66
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der männlichen Juden in Serbien
stellt wurden66. In der Kaserne selbst war die 1. Polizeikompanie, welche die mittlerweile nach Belgrad abgerückte 3. Kompanie abgelöst hatte, untergebracht67. Sie war für die Bewachung, Verwaltung und Verpflegung der Gefangenen zuständig68. Es war geplant, daß diese Baracken bis zur Errichtung eines größeren KZ als provisorisches Gefangenenlager dienen sollten. Als nächstes Gefangenenkontingent wurden vom II. Bataillon des 750. IR aus Sremska Mitrovica 2250 Männer nach Sabac in Bewegung gesetzt69. Auf dem Weg dorthin unternahm eine Gefangenengruppe einen Fluchtversuch: »Um 13.00 Uhr wurde der Abt. Ib durch einen Angehörigen der Volksdeutschen Bewegung gemeldet, daß aus einem Gefangenen-Transport, der von Mitrovica nach Jarak geführt und von kroatischen militärischen Einheiten und nur wenigen Wehrmachtsangehörigen begleitet wurde, auf der Straße Mitrovica—Jarak etwa 150 Gefangene geflohen seien. Etwa 90 der Geflohenen lägen erschossen an der Straße Mitrovica—Jarak, der Rest sei in den Maisfeldern in nördlicher Richtung entkommen. Eine sofort unter Führung von Oblt. Brunn eingeleitete Absperr- und Suchaktion bis etwa 17.00 Uhr erfolglos. Von kroatischem Militär usw. wurde im Laufe der Nacht der größere Teil der Flüchtlinge wieder auf-
gebracht«70
der Radfahrschwadron der 342. ED nach Sabac eskortiert71. Die etwa 6000— Gefangenen aus Sabac und Sremska Mitrovica bildeten den Grundstock des KZ Sabac. Das KZ wurde dem Militärverwaltungschef Turner unterstellt, der sofort einen SD-Trupp zur 342. ID nach Sabac entsandte, um die internierte Bevölkerung auf Grundlage der beim SD vorliegenden Unterlagen über Kommunisten zu überprüfen72.
und
von
7000
5. Das
geplante Konzentrationslager in
Zasavica
Das KZ Sabac war von Anfang an nur als Zwischenlösung gedacht. Das chaotische Impro-
visieren war notwendig geworden, da für die Gefangennahme von tausenden Zivilisten weder die organisatorischen noch die infrastrukturellen Voraussetzungen vorhanden waren. In fieberhafter Eile begann abermals die Suche nach einem geeigneten Standort für ein zentrales KZ in Serbien. Aus Sicherheitsgründen sollte es möglichst von der Außenwelt abgeschirmt sein. Somit würde ein kleines Kontingent Wachmannschaften für die Lagerbewachung genügen. Schon am 6. Oktober 1941 war die Entscheidung gefallen. Als günstigstes Gelände wurde die Gegend um das Dorf Zasavica angesehen. Um die Gefangenen des KZ Sabac innerhalb von zwei Wochen in das neue KZ Zasavica überführen zu können, sollte das Lager im Eiltempo unter freiem Himmel errichtet werden. Das Bauwerkzeug stellte die Quartiermeisterabteilung Böhmes zur Verfügung; das Bau66
Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von
1941 bis
S. 112. 67
68 69 70 71
72
ZStZ, 503 AR 12/62, Beiakte zu Bd 4, Aussage von Hermann K. ZStL, 503 AR 12/62, Beiakte zu Bd3, Aussage des Chefs der 1. Kompanie, Adolf G. BA-MA, RH 26—342/104, Fernspruch II./750 an 342. ID, 1.10.1941. Ebd., RH 26-342/104, Tagesmeldung 342. ED, Abt. Ib an Abt. Ia, 1.10.1941. Ebd., RH 26—342/11, KTB Ia, Betrifft: Gefangenenabschub, 30.9.1941. Ebd., RH 24-18/165, Anlagen zum KTB Ia des XVIII. AK, 28.9.1941.
1944,
5. Das
geplante Konzentrationslager in Zasavica
67
holz wurde an Ort und Stelle geschlagen, nicht zuletzt um die Übersichtlichkeit des Geländes zu verbessern. Es war vorgesehen, daß die Adaptierung des Lagers für zunächst etwa 30000 Gefangene schon am 20. Oktober 1941 abgeschlossen sein sollte. Erst in einem weiteren Schritt sollte die Ortschaft Zasavica als Winterquartier in das eigentliche Lager mit einbezogen werden73. Wie aus einer SD-Meldung hervorgeht, plante man, das KZ Zasavica letzendlich zu einem gigantischen KZ für ganz Serbien auszubauen: »Für die bei der Säuberungsaktion der Wehrmacht festgenommenen Personen und auch für die sonstigen festgenommenen Personen durch die deutsche Wehrmacht im Savebogen bei Mitrovica wird Sammellager errichtet. Dieses Lager wird durch die OT (Organisation Todt W. M.) gebaut. Es wird zunächst ein Fassungsvermögen für 50000 Personen haben, das bis auf 500000 erhöht werden kann. Das Lager wird nach dem Muster der deutschen Konzentrationslager gebaut74.« —
Die Auswahl des Standortes wurde primär aus strategischen Gründen getroffen. Wegen der geringen Zahl verfügbarer Wachorgane stand im Vordergrund das Ziel, mit möglichst wenigen Kräften eine maximale Anzahl von Gefangenen bewachen zu können. Dafür schien Zasavica am geeignetsten. Zasavica liegt im nördlichsten Teil des Save-Drina-
Bogens und war damals der nördlichste Punkt des serbischen Besatzungsgebietes. Das vorgesehene Lagergelände hatte mit einer Länge von mehr als 12 km und einer Breite von 3,5 km riesige Ausmaße. Nach Norden, Osten und Westen war es von der Save dem serbisch-kroatischen Grenzfluß bogenförmig begrenzt, während im Süden das Sumpfgebiet des Flusses Zasavica eine natürliche Grenze bildete. Das Gelände war nur von Norden aus über die auf der kroatischen Seite der Save liegende Stadt Sremska Mitrovica zu erreichen. Vom Westrand der Stadt aus spannte sich eine alte, baufällige Schiffs-
—
—
brücke über die Save ins serbische Zasavica. Nur auf serbischer Seite, wo das Gelände von der Save, der Zasavica und dem Sumpfgebiet natürlich eingegrenzt war, gab es im Südwesten einen etwa 600 Meter breiten Landstreifen, der aus Sicherheitsgründen mit Stacheldraht abgezäunt werden mußte75. Die 342. ID wurde beauftragt, sofort mit der Evakuierung der gesamten Bevölkerung des betroffenen Gebietes zu beginnen und sie in andere Ortschaften umzusiedeln76. Bereits am nächsten Tag hatte ein Feldgendarmerietrupp der 342. LD die Bevölkerung des Gebietes vertrieben77. Nunmehr konnte mit dem Aufbau des Lagers begonnen werden. Am Morgen des 8. Oktober 1941 übernahm die Radfahrschwadron der 342. LD vom SD-Lagerleiter des KZ Sabac, Sturmbannführer Paul, 400 Gefangene und eskortierte sie nach Sremska Mitrovica. Es handelte sich um eine Gruppe ausgesuchter Handwerker (Zimmerleute, Tischler, Schmiede), die zum Bau des KZ Zasavica eingesetzt werden sollte78. Noch an diesem Abend übergab die Radfahrschwadron die überführten Gefange73 74
75
76 77 78
Ebd., RH 26-342/105, Abt. Ib des Bev. Kdr. Generals in Serbien an Abt. Ib der 342. ID, 6.10.1941. NO-Dokument 3156, Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Ereignismeldung UdSSR Nr. 108, 9.10.1941. BA-MA, RH 24—18/213, Bericht des Saniätsoffiziers des Dulag 183 über die genenlagers in Zasavica-Gorna, 27.10.1941.
Errichtung eines Gefan-
Ebd.
Ebd., RH 26—342/102, KTB-Eintragung Abt. Ib der 342. ID, 7.10.1941. Ebd., RH 26—342/11, Befehl der Abt. Ia der 342. BD an die Radfahrschwadron der 342. ID, 7.10.1941.
II. Die Wehrmacht und die
68
Ermordung der
männlichen Juden in Serbien
einer Einheit des II. Bataillons des 750. IR der 718. ID in Sremska Mitrovica und kehrte wieder nach Sabac zurück79. Das II. Bataillon, welches nach dem Abschluß der »Säuberungsaktion« durch die 342. ED in Sabac und Sremska Mitrovica stationiert geblieben war, um die Sicherung diese Gebietes zu übernehmen, war auch für die Bewachung dieser Gefangenen zuständig. Die Einheiten der 718. ED, so auch das II. Bataillon, waren eigentlich für Sicherungsaufgaben in Kroatien vorgesehen und unterstanden demnach formal dem Deutschen General in Agram, Glaise von Horstenau. Dieser hatte das II. Bataillon im August »leihweise« dem Kommandierenden General in Serbien überlassen, forderte aber nunmehr von General Böhme das Bataillon zurück: nen
hervorgerufene Spannung in Kroatien ist so groß, daß ich kraft der mir durch Führerauftrag zukommenden Verantwortung eine Verwendung der 718. ID außerhalb des Landes (deutsches Besetzungsgebiet) nicht befürworten könnte80.« »Die durch Kommunisten und Tschetnici
Die sich auf die Autorität des Führerauftrags berufende und im Konjunktiv vorgetragene Rückforderung seiner Einheiten beeindruckte Böhme wenig. Ein nochmaliges Insistieren Glaises um Rückstellung des II. Bataillons beantwortete Böhme am 13. Oktober 1941
abschlägig:
»Austausch der in Mitrovica und Sabac liegenden Teile der 718. Inf. Div. z. Z. nicht tragbar, da 1 L.(andes) S.(chützen) Batl. für Sicherung der Macva zu schwach und nicht geeignet81.«
Böhme brauchte das II. Bataillon in Sremska Mitrovica zur Bewachung der Gefangenen beim Bau des KZ in Zasavica. Doch die Errichtung des Lagers stieß von Beginn an auf größte Schwierigkeiten. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen der Lagerverwaltung Dulag 183 und dem II. Bataillon. Um den Aufbau des Lagers schnell voranzutreiben, forderte die Lagerverwaltung die Zuführung weiterer 2000 Häftlinge als Arbeitskräfte: »Der Versuch, zunächst wenigstens 500 Mann einzusetzen und eine Umzäunung für weitere 2000 Mann mit Beschleunigung durchzuführen, scheiterte an den Einwänden des Regiments 750. Es erklärte die Wachen für unzureichend und nicht in der Lage zu sein, weitere Wachmannschaften für längere Zeit zu stellen. Auf den Einwand, daß ein eventuelles Entweichen einzelner Gefangener keine Rolle spiele, die Hauptsache das Vorantreiben der Arbeit mit größerem Einsatz sei, wurden taktische Gründe entgegengehalten. Ein mögliches Entweichen einer größeren Zahl gefährdet die Umgegend, für deren Sicher-
heit das
Regiment die Verantwortung trage82.«
Von den 400
von
Sabac nach Sremska Mitrovica gebrachten Gefangenen wurden unter
II. Bataillons wechselweise nur jeweils 150 Mann zum KZ-Bau eingesetzt83. Doch schon nach kurzer Zeit erwies sich auch dieses Gelände als völlig ungeeignet für die geplante Unterbringung zehntausender Gefangener. Nachdem starke Niederschläge eingesetzt hatten, verwandelte sich der schwere, stark lehmhaltige und damit völlig wasserundurchlässige Boden innerhalb kürzester Zeit in einen 25 cm tiefen Morast, wodurch ein Befahren des Geländes mittels LKW unmöglich wurde. Durch den hohen
Bewachung des
Ebd., RH 24-18/213, Meldung Abt. Ib der 342. ID an die Abt. Ib des XVIII. AK, 8.10.1941. Ebd., RW 40/20, Brief Glaises von Horstenau an Böhme, 4.10.1941. si Ebd., RH 24—18/87, Ia des XVIII. AK an Deutschen General in Agram, 13.10.1941. 82 Ebd., RH 24—18/213, Bericht Dulag Ia an Ib-Abteilung des Bev. Kdr. Generals in Serbien, 27.10.1941. 79
80
83
Ebd.
6.
General
Hinghofers Aktion
im Save-Drina-Dreieck
69
Grundwasserspiegel waren bald sämtliche Brunnen verseucht. Die Verpflegung des Lagers nur über Sabac möglich gewesen, was einen Transportweg von rund 100 km bedeutet hätte. Die Errichtung eines Freilagers im Oktober unter den unzulänglichen baulichen und hygienischen Bedingungen hätte mit Sicherheit zu Diphtérie-, Typhus- und Fleckfieberepidemien und damit unweigerlich zum Tod der meisten Insassen geführt. Die Lagerleitung des Dulag 183 erklärte sich unter diesen Bedingungen außerstande, ein
wäre
KZ in Zasavica einzurichten84. Am 29. Oktober 1941 wurde von der Quartiermeisterabteilung Böhmes »mit sofortiger Wirkung [...] der Ausbau des Konz.Lagers Zasavica eingestellt«; die Lagermannschaft des Dulag 183 wurde angewiesen, »die in Zasavica z. Zt. eingesetzten Häftlinge nach Sabac
zurückzuführen«85. Zwischenzeitlich hatten sich die deutschen Besatzungsorgane in Serbien auf ein neues Gelände für ein KZ geeinigt. In Semlin, heute eine Vorstadt Belgrads, auf der damals kroatischen Seite der Save, sollte auf einem ehemaligen Messegelände das zentrale KZ Serbien errichtet werden. Zu diesem Zweck überführte das Dulag 183 den für das KZ Zasavica angelieferten Stacheldraht sofort in das ehemalige Messegelände von Saj miste und übergab ihn dort der Organisation Todt86. Nach dem Ausbau »eines KZ Semlin ist Überführung der z. Zt. in Sabac untergebrachten Häftlinge dorthin beabsichtigt (nicht vor 1.12.41)87.« Doch die Verlegung von serbischen Gefangenen aus Sabac nach dem KZ Sajmiste erfolgte erst im Frühjahr 1942. Vorher sollte das von der Quartiermeisterabteilung Böhmes in Auftrag gegebene und Anfang Dezember 1941 fertiggestellte KZ Sajmiste noch einem anderen Zweck dienen. 6. General
Hinghofers Aktion im Save-Drina-Dreieck
Während die von General Glaise von Horstenau nach Serbien abgestellten Einheiten der 718. LD mit der Sicherung des Save-Drina-Dreiecks und mit der Bewachung des Bautrupps für das KZ Zasavica beschäftigt waren, begann General Hinghofers Kampfdivision Ende September 1941 mit der eigentlichen »Säuberung« des Gebietes. In den nächsten drei Wochen sollte die 342. LD in dem etwa 300 km2 großen Gelände zwischen Sabac, Sremska Mitrovica und dem Cer-Gebirge eine blutige Spur in der Zivilbevölkerung hinterlassen, die den Greueltaten der SS im Osten um nichts nachstand. Die von General Hinghofer erlassenen Kampfanweisungen orientierten sich dabei fast wörtlich am Befehl Böhmes vom 22. September 194188. Die Gegnergruppe wurde von Hinghofer allerdings noch um serbische Beamte und um die serbische Exekutive erweitert: 84
Ebd., RH 24—18/213, Bericht der Gruppe Verwaltung Dulag 183, ebenso Bericht des Sanitätsoffiziers des
85 86
87 88
Dulag
183 und des Kommandanten des Dulag 183, 27.10.1941. Bev. Kdr. Generals in Serbien, betr.: Konz. Lager Zasavica, 29.10.1941.
Ebd., Qu. Abt. des Ebd. Ebd.
Ebd.,
RH 24—18/87, Befehl Böhmes
zur
Säuberung des Save-Bogens,
22.9.1941.
II. Die Wehrmacht und die
70
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
»Alle Personen, die sich in irgendeiner Form am Kampf beteiligen, sind als Freischärler anzusehen und als solche zu behandeln. [...] Serbische Beamte, Polizei und Gendarmerie sind zu entwaffnen, gesondert festzunehmen und zu erschießen.[...] Die gesamte männliche Bevölkerung von 14 bis 70 Jahren ist festzunehmen und in die von der Division eingerichteten Gefangenen-Sammelstellen über Mitrovica bzw. Sabac sofort abzuführen. Volksdeutsche oder Angehörige verbündeter oder neutraler Nationen dürfen bei der Aktion nicht zu Schaden kommen89.«
Praktisch bedeutete dieser Divisionsbefehl nichts anderes als die Aufforderung zur Ermordung bzw. Inhaftierung aller serbischen Männer, die im Aktionsgebiet angetroffen wurden. Vorsorglich wurde wegen der Gefahr von Seuchen auch gleich angeordnet, daß »für die Beerdigung von erschossenen Zivilisten [...] die Truppe Sorge zu tragen«90 habe. Noch am 27. September 1941 hatte Böhme Ministerpräsident Nedic über das geplante Unternehmen, welches »mit den schärfsten Mitteln durchgeführt« werden würde, unterrichtet. Böhme bot Nedic an, zu demissionieren, doch dieser lehnte ab91. Offensichtlich war sich Böhme über die politischen Konsequenzen seines militärischen Vorgehens in Serbien im klaren, doch war er nicht bereit, auf mögliche politische Auswirkungen irgendwelche Rücksichten zu nehmen. Durch den politischen Rückhalt von Nedic zusätzlich abgesichert, fuhr Böhme am nächsten Tag zum Stab der 342. ED, um auf dem Divisionsgefechtsstand in der Ortsmitte von Sabac mit General Hinghofer die Lage zu besprechen. Hinghofer berichtete ihm: »Aufständische und Bewohner haben überall Dörfer verlassen, die Straßen sind leer92.« Böhme ließ sich davon nicht beirren. Vielmehr machte er Hinghofer »besonders auf die Gefahr während der Nacht aufmerksam, wo das Gesindel vermutlich aus seinen Verstecken herauskommen wird. Alle herumstreifenden Männer sind rücksichtslos zu erschießen93.« Von dieser Aufforderung sollte die 342. ED in den nächsten Wochen ausführlich Gebrauch machen. Noch am selben Tag begann die Division mit dem Angriff im Save-Drina-Bogen. Durch einen Vorstoß von Norden über Sremska Mitrovica und von Süden her über Sabac sollte das Gebiet eingekesselt und »restlos von Aufständischen« gesäubert werden94. Als Vorwand für das blutige Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung, wurde einfach apodiktisch behauptet, daß »die gesamte Bevölkerung [...] an dem Aufstand beteiligt«95 sei. Mit welcher Mordlust die Division die Aktion begann, verdeutlicht ein Fernschreiben der Abteilung Ic des XVIII. AK an die 342. ED, in dem gebeten wird, »Vorkehrungen zu treffen, daß zumindest einzelne Bandenmitglieder, von denen zu erwarten ist, daß sie über Gliederung, Bewaffnung, Absichten usw. Kenntnisse besitzen, lebend eingebracht und vernommen werden«96. Ebd., RH 26—342/11, Divisionsbefehl General Hinghofers vom 27.9.1941. Ebd., RH 24—342/104, Abt. Ib, Besondere Anordnungen für die Versorgung, 30.9.1941. 91 Ebd., RH 24—30/270, Bericht Böhmes an den Wehrmachtbefehlshaber Südost über die Besprechung mit Ministerpräsident Nedic, 28.9.1941. 92 Ebd., RH 24—18/87, KTB-Eintragung vom 28.9.1941. 89
90
93
Ebd.
94
Ebd., RH 26-342/8, KTB Ia der 342. ID, 27.9.1941. Ebd., RH26-342/11, KTB Ia, 27.9.1941. Ebd., KTB Ia, Fernschreiben vom 27.9.1941.
95 96
6. General
Hinghofers Aktion
im Save-Drina-Dreieck
71
Bereits am ersten Tag des Angriffs wurden vier Orte niedergebrannt. Die Partisanen und Cetniks hatten offensichtlich den Angriff erwartet und sich zurückgezogen. Es kam zu keinen Kämpfen. Auch wurden außer einem 10-cm-Geschütz keine Waffen gefunden. Die männlichen Einwohner hatten ihre Dörfer meist rechtzeitig verlassen. Trotzdem erschoß die 342. ID an diesem Tag 70 Männer und brachte 440 Gefangene ins KZ Sabac97. Auch am nächsten Tag traf die Division auf keinen Feindwiderstand und konstatierte, daß der bewaffnete Gegner »im wesentlichen das Gebiet geräumt« habe, und auch in den nächsten Tagen »mit größerer Feindtätigkeit nicht zu rechnen« sei. Die Bevölkerung erschien der Truppe jedoch »im wesentlichen terrorisiert durch Kommunisten und Cetnik-Verbände«, die Truppe erschoß allein an diesem Tag 310 Männer und deportierte 1630 weitere ins KZ Sabac98. Tags darauf hatte die 342. LD ihre ersten Verluste: während der Nacht fielen zwei Soldaten allerdings durch eigenes Feuer. Die Partisanen und die Cetnik-Verbände waren schon längst in Richtung Cer-Gebirge abgezogen. Dementsprechend gering waren auch die Waffenfunde: ein MG und ein paar Gewehre mit Munition waren die spärliche Ausbeute. Um so erfolgreicher war der Kampf gegen die zurückgeblieben Bevölkerung: —
—
»Truppe meldet 1870 Gefangene. [...] 84 Mann erschossen.[...] Aus den Gefangenen konnten durch Vernehmungen 190 Mann ausgesondert werden, die eine kommunistische Gruppe des Ortes Uzveze dar-
stellen. Die Leute werden heute erschossen99.«
In einem Bericht
an General Böhme beschrieb Generalleutnant Hinghofer die Leistunseiner Division ihrer seit Anwesenheit in Serbien: gen einwöchigen
»Auf der Gegenseite wurden 830 Mann erschossen und 8400 Festgenommene abgeführt. Die Waffenbeute bestand nur aus einem Geschütz, 2 MG, einigen Gewehren mit wenig Munition, einem Troßfahrzeug und einem Motorboot. [...] Gesundheitszustand und Stimmung der Truppe recht gut100.«
Am 9. Oktober 1941 beendete die 342. LD die Aktion im Save-Drina-Dreieck und legte ihre Erfolgsbilanz vor. In den zwei Wochen ihrer Stationierung in Serbien hatte die Divison 1127 Zivilisten erschossen, 21440 festgenommen und ins KZ Sabac gebracht im selbst waren 88 Kampf Gegner gefallen101. Die Division hatte bei dem Unternehmen —
durch
Feindeinwirkung einen einzigen Gefallenen zu verzeichnen102! Trotz dieser Bilanz war das Unternehmen militärisch gescheitert. Die bewaffneten Widerstandsverbände konnten von der Division nicht eingeschlossen werden. Sie waren rechtzeitig nach Westen ins Cer-Gebirge ausgewichen. Doch damit hatte das Morden, Plündern und Brandschatzen noch kein Ende. Nachdem der Save-Drina-Bogen entvölkert worden war, gruppierte Hinghofer die Division zu einem Angriff gegen das Cer-Gebirge. Zu diesem Einsatz zog Hinghofer sämtliche Truppenteile der 342. ID heran. Zur Sicherung verblieben nur einige Kompanien des II. Bataillons Ebd., Ebd., 99 Ebd., 100 Ebd., 101 Ebd., 102 Ebd., 97
98
Tagesmeldung 342. ID an XVIII. AK, 27V28.9.1941. Tagesmeldung vom 29.9.1941. Tagesmeldung vom 29./30.9.1941. 10—Tagesbericht vom 30.9.1941. Ia-Meldung vom 15.10.1941. RH 26—342/107, Tätigkeitsbericht des Divisionsarztes,
7.10.1941.
72
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
des 750. IR in den Städten Sabac und Sremska Mitrovica. Die gesamte 342. ID sammelte sich zu einer Aktion mit dem Ziel, den Feind im Cer- und Javorak-Gebirge überraschend anzugreifen und zu vernichten. Des weiteren befahl Hinghofer, alle im Einsatzraum liegenden Orte »restlos niederzubrennen und von der Bevölkerung zu räumen. Jeglicher Lebensunterhalt ist zu vernichten, Vieh ist nach Sabac abzuführen103.« Schon am ersten Angriffstag zeigte sich, daß auch dieser Einsatz im Cer-Gebirge ein militärischer Mißerfolg zu werden drohte. Der erhoffte Überraschungseffekt war ausgeblieben: »Feind hat anscheinend das Cer-Gebirge unter Zurücklassung kampfkräftiger Teile namentlich am Ostund Westflügel mit Hauptkräften in letzten Tagen geräumt. Auch Zivilbevölkerung erscheint im westlichen Teil vorzeitig abgezogen zu sein104.«
Die Bevölkerung wußte mittlerweile, was sie beim Eintreffen der Wehrmacht zu erwarten hatte und war vor Hinghofers Truppe geflüchtet. Als das Unternehmen im Cer-Gebirge am 15. Oktober 1941 beendet wurde, stand der militärische Fehlschlag fest: »Das Endergebnis der Räumung des Cer-Gebirges wird keine erheblichen Gefangenen- und Beuteziffern bringen. Starke Teile des Feindes sind frühzeitig ausgewichen. Andere Teile befinden sich zweifellos unter den noch lebenden Festgenommenen und den bereits Erschossenen105.«
Beim Unternehmen im Cer-Gebirge waren 15 Divisionsangehörige gefallen und 76 verwundet worden. Die Feindverluste wurden mit 546 Gefallenen beziffert. 1081 Zivilisten waren von der Division erschossen, 4295 Männer festgenommen und ins KZ Sabac gebracht worden106. Danach drang die 342. ED weiter nach Süden in Richtung der Stadt Krupanj vor. In seinem Einsatzbefehl für die »Aktion Krupanj« vom 13. Oktober 1941 wies C^neral Hinghofer seine Truppe an, alle Soldaten und Zivilisten, die unterwegs angetroffen werden, zu
erschießen107.
An diesem Tag traf bei der Division ein Befehl General Böhmes ein, der die Mordaktionen der 342. ED mit einer kriegsrechtlichen Begründung versah und genaue Richtlinien
über die Zahl der zu Exekutierenden enthielt: Zur »Sühne« für jeden in Serbien getöteten deutschen Soldaten ordnete General Böhme die Erschießung von 100, und für jeden Verwundeten die Erschießung von 50 Geiseln an108. Erst ab diesem Zeitpunkt wurden von der 342. ED die täglichen Erschießungen von Zivilisten mit »Sühnemaßnahmen für deutsche Verluste« begründet. Sofort nach dem Eintreffen von Böhmes »Sühnebefehl« erließ der Divisionsstab einen Funkspruch an die Kampfeinheiten, der die neue Begründung für die Massenmorde an der Zivilbevölkerung enthielt:
»Zivilgefangene erschießen 103
als Sühne für deutsche Verluste
unter
Bekanntgabe
des Grundes109.«
Ebd., RH 26—342/11, Divisionsbefehl Hinghofers für den Angriff auf den Feind im Cer-Gebirge, 8.10.1941.
Ebd., 105 Ebd., 106 Ebd., 107 Ebd., 108 Ebd., 109 Ebd., 104
Abendmeldung Ia der 342. ID an Bev. Kdr. General in Serbien, 10.10.1941. Tagesmeldung Abt. Ia der 342. ED vom 14./15.10.1941. RH 26—342/14, Zehntagesbericht Hinghofers an Böhme, 20.10.1941. RH 26—342/11, Divisionsbefehl Hinghofers für Unternehmen auf Krupanj, RH 26-104/14, Befehl Böhmes vom 10.10.1941. RH 26-342/11, Funkspruch Ia der 342. ID an JR. 698, 13.10.1941.
13.10.1941.
6. General
Hinghofers Aktion
73
im Save-Drina-Dreieck
Vormittag des 15. Oktober 1941 ergingen weitere Funksprüche an die Divisionsregimenter mit konkreten Erschießungsbefehlen. So erhielt etwa das JR. 699 den Befehl: Am
»Alle in der Kirche Prnjavor Aufrufes. Nach Möglichkeit
In der neuen
Festgenommenen sind zu erschießen unter vorheriger Bekanntgabe des übrige Bevölkerung bei der Aktion hinzuziehen110.«
selben Abend erstellten Punkt »Sühne«: am
Tagesmeldung der 342. ID
hieß
es
dann
unter
dem
»Für die aus den eigenen Verlusten sich ergebenden Erschießungen wurden heute 400 durchgeführt. Es verbleiben noch 1900. Bei den 400 Erschossenen handelt es sich um Leute, die im Kampfgebiet um Draginac festgenommen wurden. Der Rest der heute gemeldeten Festgenommenen hat sich freiwillig unter
den Schutz der deutschen Wehrmacht
zum
Abtransport
Im wehrmachtinternen Bericht des Heeresarchivars des
Hinghofers
»Aktion
Krupanj« heißt
ins
Konzentrationslager gestellt111.«
Oberbefehlshabers Südost über
es:
die 342. ID auf Krupanj an und besetzte noch am gleichen Tage gegen geringen Feindwiderstand diesen Ort. Die Aufständischen hatten gegenüber der 342. BD nach Brechung des Widerstandes südlich des Jadar überhaupt keinen erheblichen Widerstand mehr geleistet und waren mit ihrer Masse auch aus der Gegend von Krupanj nach Süden und Südwesten ausgewichen. Ein Geschütz und zwei M. G. wurden bei diesen Unternehmungen erbeutet. Die Verluste der 342. ID betrugen 10 Tote und 44 Verwundete. Als Verlust der Serben wurde die große Zahl von 1 800 (Erschos»Am 20. Oktober
trat
senen) angegeben112.«
Offensichtlich erschien sogar dem keineswegs zart besaiteten Archivar in Anbetracht des geringen Feindwiderstandes die Zahl der von der Division Erschossenen ungewöhnlich hoch. Jene Männer, welche nicht sofort ermordet wurden, überstellte man ins KZ Sabac. Entgegen der Meldung Hinghofers erfolgte der Abtransport dorthin keineswegs freiwillig. Hinghofer hatte in jeder Ortschaft verlautbaren lassen, daß sich alle Männer zwischen 15 und 60 Jahren bei den Bürgermeistern ihrer Ortschaften sammeln und der Division zur Verfügung stellen mußten. In dieser Bekanntmachung erwähnte Hinghofer wohlweislich nicht, daß ihr weiteres Schicksal die Einweisung ins KZ Sabac sein sollte:
Nichtbefolgung dieser Anordnungen werden schärfste Vergeltungsmaßnahmen ergriffen. OrtschafBevölkerung oder Teile derselben der Deutschen Wehrmacht widersetzen oder die Aufständischen durch Nachrichtenübermittlung, Abgabe von Lebensmitteln, Verstecken von Bandenmitgliedern, Anlegen von Sperren, Zerstören von Brücken usw. unterstützen, werden ohne weitere Ankündigung durch Bombenabwürfe der Stuka zerstört113.« »Bei
ten, in denen sich die
Insgesamt hatte Hinghofers Division in den ersten vier Wochen ihres Einsatzes in Serbien mindestens 4408 Zivilisten erschossen und 25735 ins KZ Sabac Verluste der Division betrugen 26 Tote und 120 Verwundete114. 110 111 112
113 114
Ebd., Funkspruch Ia der 342. ID an JR. 699, 15.10.1941. Ebd., Tagesmeldung vom 14./15.10.1941. Ebd., RH 19 XI/81, Die Bekämpfung der Aufstandsbewegung Ebd., RW 40/20, Bekanntmachung Hinghofers, ohne Datum. Die Zahlen
im
eingeliefert.
Die
Südostraum, T. 1, S. 56.
ergeben sich aus der Zusammenstellung der Berichte über die Einsätze der 342. ID im
Save-Drina-Dreieck, im Cer-Gebirge und bei der »Aktion Krupanji«. Wie immer wird auf die Zahlenangaben von deutscher Seite Bezug genommen. Die Zahlen der getöteten Zivilisten sind dem-
II. Die Wehrmacht und die
74
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
Entvölkerung ganzer Landstriche durch die Ermordung, Vertreibung und Gefangennahme der Bewohner, veranlaßte General Böhme auch die wirtschaftliche Ausplünderung dieses Raumes. Schon zu Beginn der Strafaktion befahl er die gezielte und umfassende wirtschaftliche Ausbeutung des Gebietes:
Neben der
Versorgung der Heimat und der Besatzungstruppe gebietet planmäßige Erfassung der Wirtschaftsgüter des Gebietes im Save-Drinabogen als einem der reichsten Landstriche Serbiens. Es muß daher jede unsinnige Vernichtung von Vieh, Pferden, Getreide- und Futtervorräten sowie sonstiger Wirtschaftsgüter unterbleiben115.« »Die
Auf Befehl der Kompaniechefs durfte die Truppe während der Aktion das zur Erhaltung der Kampfkraft Erforderliche requirieren116. Was dann an Wirtschaftsgütern noch übrig blieb, sollte unter Anleitung der Militärverwaltung von Volksdeutschen abtransportiert werden: durch besondere Armbinden gekennzeichnet zur Pflege des Viehs und der Pferde. b) Abschub des Zuchtviehs und der Getreidevorräte. Erfassung kriegsverwendungsfähiger Pferde durch die Wehrmacht. c) Einbringen und Abtransport der Maisernte, Bergung des Futters, Abschub von Schlachtvieh. d) Herbstbestellung, Räumung restlicher Wirtschaftsgüter und Abschub der Zugtiere117.«
»a) Einrücken Volksdeutscher
—
—
Aus dem kroatischen Landstrich Syrmien trafen etwa 1000 Volksdeutsche ein, die der 342. ID rechtlich und disziplinär unterstellt wurden. General Hinghofer wies die Volksdeutschen Arbeitskommandos unmißverständlich auf ihre Aufgabe im Rahmen der Deutschen Wehrmacht hin: »Ich erwarte, daß die Angehörigen der Arbeitskommandos sich der Ehre bewußt sind, der siegreichen Wehrmacht des Großdeutschen Reiches, der größten und besten Wehrmacht der Welt, wertvolle Dienste leisten zu dürfen, und daß diese Volksdeutschen im Bewußtsein dessen voll und ganz ihre Pflicht tun und sich davor hüten, strafbare Handlungen oder auch nur disziplinäre Übertretungen zu begehen118.«
Unschwer läßt sich aus der Anweisung des österreichischen Militärs Hinghofer an die Volksdeutschen sein eigener Stolz, nunmehr selbst Teil der »größten und besten Wehrmacht« zu sein, herauslesen eine Ehre, der Hinghofer durch besonderen Einsatz gerecht zu werden trachtete. —
115
»28 129 130 131 132
7. Das
Konzentrationslager in Sabac
71
nenverdächtigen Elemente« weiter zu internieren. Die übrigen, als »friedliebend« eingestuften Gefangenen, sollten nach Feststellung der Personalien wieder entlassen werden. Bedenkt man, daß Böhme davon ausging, daß die gesamte Bevölkerung am Aufstand beteiligt war, ist diese Vorgangsweise an sich schon widersprüchlich. Hinzu kam, daß die Besatzungsmacht in diesem Raum weder über eine ausreichende Anzahl von V-Leuten, noch über zuverlässige lokale serbische Kollaborationsorgane verfügte, was für ein solches Vorgehen unabdingbare Voraussetzung gewesen wäre: denn die im Säuberungsgebiet angetroffenen serbischen Beamten und Vertreter der Exekutive waren auf Hinghofers Befehl hin sofort erschossen worden. Die SD-Mannschaft und die Polizeikompanie waren mit der Aufgabe, mehr als 20000 Menschen zu verhören und sie auf »Partisanenverdacht« hin zu prüfen, völlig überfordert. Bis zum 20. Oktober 1941 waren durch den SD von den 22658 Häftlingen im KZ Sabac 5004 wieder entlassen worden133. In einem Schreiben an Böhme kritisierte Hinghofer die Entlassungen scharf. Er sah sich dadurch um die Früchte seiner Arbeit gebracht: »Bei der Säuberung der Macva (Save-Drina-Dreieck WM.) von Aufständischen hauptsächlichst kommunistischen Banden durch die Division wurde befehlsmäßig die männliche Bevölkerung zwischen 14 und 70 Jahren in ein Konzentrationslager abgeführt. Durch diese Maßnahme wurde der vorgehenden Truppe der Rücken frei gehalten und dadurch ihr Vorgehen wesentlich erleichtert. [...] Daß tatsächlich viele Aufständische bei der Bevölkerung zurückgeblieben waren, beweist der Umstand, daß gleich in den ersten Tagen der Säuberungsaktion aus dem Konzentrationslager in Sabac 233 Kommunisten herausgeholt werden konnten, die von den Mitfestgenommenen als solche und als Teilnehmer an den Bandenkämpfen genannt wurden; sie wurden erschossen. [...] Durch die Freilassung eines großen Teiles der im Konzentrationslager festgehaltenen Bevölkerung wurde die Säuberung des Cer-Gebirges zum Teil unwirksam, weil sich herausgedrückte Aufständische in den in der Nähe des nördlichen Gebirgsflusses gelegenen Ortschaften leicht unerkannt unter die Bevölkerung mischen konnten. [...] Tatsächlich hat sich, wie aus vielen Angaben hervorgeht, eine noch nicht bestimmte aber sicherlich größere Zahl von Bandenmitgliedern teils bewaffnet wieder in ihre Ortschaften in der Macva zurückbegeben. [...] Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die Aufstandsbewegung in der Macva durch die Freilassung vieler Leute aus dem Konzentrationslager wesentlich erleichtert, nach Abrücken der Division in ein anderes Verwendungsgebiet wieder aufleben wird134.« —
—
—
Weniger Sorgen als über die Entlassungen machte sich Hinghofer über die Ermordung der ins KZ Sabac überstellten Zivilisten. Die von Hinghofer mit Stolz gemeldete Exekution von 233 angeblichenen Partisanen aus dem KZ Sabac schon in den ersten Tagen stellte nur den Beginn regelmäßiger den dar. Wie der an Lagerinsassen Erschießungsaktionen
Militärverwaltungschef Turner dem Kommandierenden General Böhme berichtete, waren bis
20. Oktober 1941 bereits etwa 1000 KZ-Insassen erschossen worden135. Exekutionen Die wurden nicht von der Wehrmacht, sondern von den für die Verwaltung und Bewachung des Lagers zuständigen Angehörigen der 1. Kompanie des Pol. Res. Bat. 64 durchgeführt. Der Polizei-Kompanieangehörige Albert N. gab bei einem Ermitt133
134 135
zum
Ebd., RH 24—18/87, Zehntagemeldung Böhmes an Wehrmachtbefehlshaber Südost, 20.10.1941. Über die Entlassungen aus dem KZ Sabac entschied der SD (ebd., RH 24—342/11, Fernschreiben Bev. Kdr. General in Serbien, Qu. abt., 7.10.1941). Ebd., RW 40/20, Hinghofer an Böhme, 15.10.1941. Ebd., RH 24—18/213, Bericht Turner über den Lagerstand in Sabac, 20.10.1941.
78
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
lungsverfahren gegen Angehörige seines Bataillons ein anschauliches Bild über die Lager-
situation in
Sabac:
September 41 kam ich mit der 1. Kompanie nach Sabac. Hier befand sich ein großes Auffanglager, welches von unserer Kompanie bewacht wurde. Meiner Schätzung nach befanden sich durch»Etwa Ende
schnittlich ca. 20000 Männer in diesem Lager. [...] Diese Menschen hielten sich im Freien auf, während unsere Kompanie in einem kasernenähnlichen Gebäude untergebracht war. Außer uns befand sich noch serbischer und deutscher SD im Lager. Soweit mir noch bekannt ist, haben sich die Lagerinsassen gegenseitig denunziert, Partisan zu sein. Diese so denunzierten Personen wurden vom SD verhört und unter Bewachung in einem Gebäude untergebracht. [...] In den Zimmern des Hauses, die normale Größe besassen, waren teilweise bis zu 100 Personen eingesperrt. Meiner Erinnerung nach handelte es sich um 3 Räume, so daß die Menschen entsprechend der jeweiligen Belastung getrennt waren. In einem Raum befanden sich jeweils die Todeskandidaten136.«
Aus mehreren Zeugenaussagen von Kompanieangehörigen willigen Denunziationen< zustande kamen:
geht hervor, wie diese Frei-
Lager bestand aus vielen Gruppen, die jeweils eine Dorfgemeinschaft darstellten. Über Lautsprecher wurden die Insassen dann jeweils von dem serbischen Sprecher aufgefordert, sich vor der Kommandantur einzufinden. Nun beobachtete ich, wie jeweils der Bürgermeister der Gruppe ins Haus trat. Dieser stand dann hinter der Gardine des geschlossenen Fensters und seine Dorfgemeinschaft mußte dann einzeln vortreten und die Kopfbedeckung abnehmen. Durch Klopfzeichen an die Fensterscheibe entschied dann der Bürgermeister, ob der Betreffende nach rechts oder nach links abtreten konnte. Die so getroffene Auswahl wurde dann bezüglich der negativ beurteilten Personengruppe vom serbischen SD verhört. Diese Leute wurden dann später, jeweils etwa nach 8 Tagen, er»Das ganze
schossen137.« Der
Zugführer Bruno
St. schilderte die Verhörmethoden des SD:
war nun so, daß jeweils ein Zug der Kompanie ausschließlich zum Wachdienst eingesetzt wurde und wir Zugführer, d.h. U, M. und ich im Wechsel die Wachvorgesetzten waren. Vom Kompanietroß wurde die eigentliche Verwaltung des Lagers in die Hand genommen. Einige Tage nach unserem Eintreffen kam dann ein SS-Obersturmbannführer aus Belgrad, der uns erklärte, er sei für die politische Leitung des Lagers verantwortlich. Etwa zur gleichen Zeit traf SD und serbische Geheimpolizei ein, die das Lager durchprüfen sollten, wer Partisan oder Gegner der Deutschen Wehrmacht war. [...] Diese begannen unmittelbar nach ihrem Eintreffen mit einer Überprüfung der Bewohner und holten sich die nach ihrer Meinung verdächtigen Personen aus dem Lager heraus in besondere Barakken, wo sie >behandelt< wurden. Hieran waren sowohl die Serben als auch der SD, der sich in weitgehendem Maße aus Volksdeutschen zusammensetzte, beteiligt. [...] Diese Leute gingen nun in tierischer Form gegen die Festgenommenen vor, indem sie sie schlugen und blutig mißhandelten. [...] Ich selbst wollte aus eigener Wissenschaft (sie!) erfahren, was sich dort abspielte. Ich habe darum an einem Tag mir die Vernehmungsmethoden angesehen. So weiß ich, daß mit Ochsenziemern auf die Leute, auf Hände und andere Gliedmaßen eingeschlagen wurde, oder aber auch mit kleinen Stöcken laufend auf den Kopf getrommelt wurde, damit sie Aussagen machten, die sie einer Straftat überführten. Aber nicht nur diese Formen der Methoden wurden angewandt, sondern es wurden die Leute auch gefesselt und dann blutig geschlagen. Wer bei diesen Schlägereien nicht mehr vernehmungsfähig war, und aus vielen Wunden blutete, wurde einfach vor die Tür geworfen, wo irgendeiner der Vernehmungspersonen, sei es ein Serbe, sei es ein Volksdeutscher SD-Mann, einen Fangschuß auf die Schwerverletzten abgab«138.
»Es
136 137
138
ZStL, 503 AR 12/62, Beiakte, Vernehmung Albert Ebd., Beiakte zu Bd 4, Vernehmung Hermann K.
Ebd., Beiakte
zu
Bd 3,
Vernehmung Bruno W.
N.
8. Der
Partisanenüberfall bei
Topóla
79
Diejenigen Gefangenen, welche die Verhöre überlebten, wurden wenig später von Exekutionskommandos der 1. Kompanie erschossen: »Die Todeskandidaten wurden auf LKW's verladen, da die Erschießungen nicht im Lager stattfanden. Bei den jeweiligen Erschießungen mußten zwei Züge der Kompanie mitfahren, während ein Zug als Wache im Lager zurückblieb. Soweit ich mich noch erinnern kann, fanden solche Erschießungen etwa 2—3 mal im Monat statt. Die Zahl der zu erschießenden Personen schwankte zwischen 20 und 50139. Der Abtransport erfolgte auf fremden Fahrzeugen. Das Erschießungskommando fuhr getrennt ab. [...] Die Erschießungen fanden in der Form statt, daß die Delinquenten mit dem Rücken zum Erschießungskommando standen. Es mußten jeweils zwei Schützen auf einen Todeskandidaten schießen. Ein Arzt war anwesend, der den Tod feststellte. Unsere Zugführer hatten die Aufgabe, den Erschossenen zusätzlich Fangschüsse ins Genick zu geben. Von Zivilisten140 wurden die Erschossenen dann in die vorher ausgehobenen Gruben geschafft. Ich selbst habe mehrfach an solchen Erschießungen teilgenommen, wie oft insgesamt, kann ich heute nicht mehr sagen. Die Teilnahme erfolgte nicht freiwillig, sondern geschah jeweils im Kompanieverband auf Befehl des Kompanie-Chefs. Für uns waren die Delinquenten Partisanen, die nach geltendem Kriegsrecht erschossen wurden141.«
Kompanie des Pol. Res. Bat. 64 wurden im KZ Sabac etwa 1000 Menschen erschossen. Im selben Zeitraum brachte es Hinghofers Division bei ihren »Säuberungsunternehmen« auf über 2200 Zivilisten, die nicht im Kampf, sondern von ExekutionsVon der 1.
kommandos der Divison erschossen wurden142.
8. Der Partisanenüberfall bei
Topóla
Als General Böhme Mitte September 1941 in Belgrad eingetroffen war, hatten das Polizei-Reserve-Bataillon 64 und der SD bereits hunderte männliche Juden umgebracht. Bis dahin war die Ermordung der Juden mit Wissen und Zustimmung der Wehrmachtbefehlshaber Schröder und Danckelmann erfolgt. Die Auswahl der zu Erschießenden hatten der Chef der Militärverwaltung, Turner, und die Einsatzgruppe Fuchs vorgenommen, die auch die Erschießungskommandos aus Polizei-und SD-Angehörigen zusammengestellt hatte. Die Wehrmachttruppen waren bis dahin an Judentötungen nicht aktiv betei-
ligt
gewesen.
Die von Böhme sofort eingeleitete Strafexpedition konnte die militärische Schlagkraft des serbischen Widerstands nicht brechen. Ende September war Böhme gezwungen, die 139
140
141 142
Die Angaben sowohl über die Anzahl der Exekutionen als auch über die Zahl der jeweils Erschossenen schwanken erheblich. Andere Kompanieangehörige sprechen von wöchentlichen Exekutionen mit jeweils 60—80 Opfern. Nach Aussage des Kompanieangehörigen Willy H. wurden die Erschossenen von Zigeunern aus dem Lager Sabac in die ausgehobenen Gruben geworfen und verscharrt (ZStL, 503 AR 12/62, Beiakte zu Bd 4, Vernehmung Willy H.). Ebd., Beiakte zu Bd 4, Vernehmung Albert N. Die Zahl der im Zeitraum 21.9.—15.11.1941 von der 342. ID erschossenen »Sühneopfer« betrug 2685. Bei eigenen Verlusten von 32 Toten und 127 Verwundeten bedeutete dies, daß nach Böhmes »1:100-Schlüssel« noch 5960 Erschießungen ausstanden, die nicht durchgeführt werden konnten, da die Geiseln schon an das KZ Sabac abgeführt worden waren (BA-MA, RH 26—342/16, Ia, Meldung nach dem Stand vom 15.11.1941 einschl. über Erschießungen, Festnahmen von Geiseln und über Sühnemaßnahmen in der Zeit vom 21.9.—15.11.1941).
II. Die Wehrmacht und die
80
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
Städte Uzice und Cacak von deutschen Truppen zu räumen; damit hatten sich die Partiund Cetniks den Zugang zu den Waffenfabriken in den beiden Städten erkämpft. Die Kampfhandlungen erreichten unmittelbar nach der Ankunft Böhmes in Serbien einen neuen Höhepunkt: Zwischen dem 4. und 17. Oktober 1941 wurden 13 Angriffe auf deutsche Truppen registriert, wobei die deutschen Verluste insgesamt 70 Tote und 107 Verwundete betrugen143. Das für die Wehrmacht verlustreichste Gefecht mit Partisanen ereignete sich am 2. Oktober 1941, etwa 20 Kilometer südlich von Topóla. Am Morgen des 1. Oktober 1941 erhielt Oberleutnant Lehr, Kompaniechef der 4. Kompanie der in Belgrad stationierten II. Abteilung des Armeenachrichtenregiments 521 (ANR 521), den Auftrag, einen starken Geleitzug aus Angehörigen der 3. und 4. Kompanie zusammenzustellen. Diese Truppen sollten am nächsten Tag von Belgrad aus in Richtung Topóla aufbrechen, um die in dieser Gegend eingesetzten Nachrichtentrupps der Kompanie wie üblich mit Lebensmitteln und Materialnachschub zu versorgen und gleichzeitig bei der 717. ED Erkundungen einholen, ob der in der Gegend verschwundene Störtrupp aus Angehörigen der 5. Kompanie schon wieder aufgetaucht sei144. Im Sommer 1941 war die II. Abteilung des aus insgesamt drei Abteilungen zusammengesetzten Regiments, bestehend aus der 3., 4., 5. und 6. Kompanie, von Griechenland nach Serbien verlegt worden, um die von der Widerstandsbewegung in Serbien systematisch zerstörten Nachrichtenverbindungen wiederherzustellen. Das Stammregiment kam ursprünglich aus Westfalen, wurde aber seit 1939 mit Rekruten aus dem Wehrkreis XVII (Ost-Österreich) aufgefüllt; die Nachrichtenersatzabteilung des Regiments befand sich in der Wiener Breitenseerkaserne. Nach Einsätzen bei der Besetzung des Sudetenlandes, im Frankreich- und Polenfeldzug, machte das Regiment den Überfall auf Griechenland und den Kampf um Kreta mit. Die Mannschaften des ANR 521 setzten sich zu diesem Zeitpunkt zumindest zur Hälfte aus Österreichern zusammen145. Am Morgen des 2. Oktober 1941 brachen 44 Mann (10 Mann aus der 3. und 34 Mann aus der 4. Kompanie) mit zwei PKW und drei LKW aus Belgrad in Richtung Topóla auf. Sie waren für einen Geleitzug ungewöhnlich schwer bewaffnet. Neben Karabinern führten sie 8 Maschinenpistolen, 4 Maschinengewehre, ca. zehntausend Schuß Munition und 100 Handgranaten mit sich146. Am frühen Nachmittag wurde die Fahrzeugkolonne zwischen Topóla und Kragujevac vom I. Bataillon der 1. schumadischen »Odred«-Partisanenabteilung angegriffen. Die kampfunerfahrenen Soldaten waren auf ein Gefecht
sanen
143 144
145
146
NO-Dokument 3404, Chef Sipo und SD, Ereignismeldung UdSSR Nr. 119, 20.10.1941. Am 28.9.1941 waren sechs Mann eines Störtrupps der 5. Kompanie/ANR 521 bei Usée in ein Gefecht mit Partisanen verwickelt worden. Sie blieben unverletzt und wurden von den Partisanen gefangengenommen. Ein Suchtrupp der 717. ID fand nur mehr die beiden Fahrzeuge. Zwei bei den Fahrzeugen befindliche Zivilisten wurden vom Suchtrupp sofort erschossen (BA-MA, RH 24—18/166, Bericht des Abteilungskommandeurs der II./ANR 521 Major Duvigneau betreffend Überfälle kommunistischer Banden auf Angehörige der Abteilung, 6.10.1941). Die beiden Angehörigen der 4. Kompanie, Johann Kerbler und Robert Kaliwoda sprechen von ca. 50 % (Kerbler) bzw. 60% (Kaliwoda) Österreichern (Interview mit Johann Kerbler, 11.7.1988, Interview mit Robert Kaliwoda, 18.7.1988). BA-MA, RH 20/293, Bericht der II. Abteilung/ANR 521 über den »Überfall auf den Geleitzug Oberleutnant Lehr bei Stragari südlich Topóla«, 6.10.1941.
8. Der Partisanenüberfall bei
Topóla
81
mit der
aus etwa 150 Mann bestehenden Partisaneneinheit nicht vorbereitet147. So waren die mitgeführten Handgranaten in plombierten Kisten verstaut. In dem folgenden Kampf fielen mehrere Wehrmachtangehörige, zwei blieben schwer verletzt bei den brennenden Fahrzeugen liegen. Ein Teil der Mannschaft stellte das Feuer ein, ergab sich oder wurde überwältigt. Trotz der Aufforderung des Truppführers, Oberleutnant Lehr, das Feuer einzustellen, kämpfte der Rest der Einheit weiter. 10 Mann des Begleittrupps konnten flüchten und sich in Maisfeldern verstecken. Die übrigen Soldaten, auch die Verwundeten, wurden von den Partisanen gefangengenommen und von der Straße über eine Böschung weggeführt. Dann wurden ihnen Uniform und Stiefel abgenommen. 6 Mann, darunter der serbokroatisch sprechende österreichische Obergefreite Herbert Kaliwoda, wurden ausgesucht, um das von den Partisanen erbeutete Material und die Waffen abzutransportieren. Dann bauten die Partisanen zwei der erbeuteten MG vor den Gefangenen auf. Oberleutnant Lehr versuchte mit den Partisanen über einen Gefangenenaustausch zu verhandeln: »Lehr antwortete auf die Frage des Bandenführers, was er möchte, dahingehend, daß für sie (die ge-
fangenen Wehrmachtsoldaten W. M.) in Belgrad gefangen gehaltene Kommunisten freigegeben werden würden. Die beiden MG-Schützen, die kein Deutsch verstanden, ließen sich von dem gut Deutsch sprechenden Anführer diesen Vorschlag von Oberleutnant Lehr übersetzen. Mit einem höhnischen Gelächter dieser beiden Schützen und dem Wort >Nix!< sowie einer Andeutung, die meines Erachtens besagte, die Serben würden in Belgrad aufgehängt, wies man dieses Ansuchen von Oberleutnant Lehr —
zurück148.«
Wie aus der Vernehmung zweier später gefangengenommener Partisanen der 3. Kompanie des I. Batl. der ersten schumadischen »Odred«-Partisanenabteilung hervorgeht, war beim Überfall auf das ANR 521 das gesamte Bataillon, bestehend aus drei Kompanien zu je 40—60 Mann, eingesetzt (ebd., RH 24—18/168, Vernehmung des Dragoslav Jovanovic und des Radislav Sokolovic durch die IcAbteilung der 714. ED, 3.11.1941).
H 20/293, Vernehmung Obergefreiter Johann Kerbler, 8.10.1941. Die Partisanen wußten, daß sich die höheren Wehrmachtstellen in Serbien weigerten, sie als Kombattanten anzuerkennen und Gefangenen den Status von Kriegsgefangenen zu gewähren. Hingegen hatten sich die Partisanen und Cetniks hinsichtlich der Behandlung von Kriegsgefangenen bis zu diesem Zeitpunkt an die Kriegsgesetze gehalten. Wie aus zahlreichen Berichten aus der Gefangenschaft geflüchteter oder von den Partisanen und Cetniks freigelassener Wehrmachtangehöriger hervorgeht, wurden sie auch noch während der »Strafexpedition« General Böhmes als Kriegsgefangene behandelt. Obwohl die Verbände der Partisanen und Cetniks ständig mobil waren, wurden Gefangene mitgenommen und Verwundete in Lazaretten behandelt. »In Loznica festgehaltene gefangene bzw. verwundete deutsche Soldaten wurden von den Cetnici gut behandelt«, (ebd., RH 26—18/166, Betr.: Lage im Raum Sabac, Bev. Kom. General in Serbien, Ic, 24.9.1941). Ebenso: »Im Laufe der bisherigen Aktionen konnten etwa 30 deutsche Gefangene befreit werden. [...] In Krupanj befanden sich etwa 200—300 Gefangene, die nach neuen Nachrichten weiter nach Süden fortgeführt worden sind. Die Behandlung soll nach wie vor gut sein. In einem Fall wird indessen von Prügelstrafe berichtet« (ebd., RH 24—18/167, Betr. Feindnachrichten, 342. BD, Ic, 17.10.1941). Die 342. ID erstellte diesen Bericht über die deutschen Gefangenen in Krupanj 5 Tage nachdem zwei Bataillone der 342. ID mit folgendem Befehl in die Stadt marschiert waren: »Krupanj ist einzuschließen, was dort getroffen wird zu erschießen, der Ort niederzubrennen« (ebd., RW 40/20, Bev. Kom. General in Serbien, Ia an 342. ID, 12.10.1941). Die Wehrmacht hingegen machte keine Gefangenen, sondern erschoß prinzipiell jeden, der im Kampf gefangen oder auch nur mit der Waffe in der Hand angetroffen wurde. Ebenso wurden Zivilisten, die als »partisanenverdächtig« galten, von der Wehrmacht erschossen.
Ebd.,
II. Die Wehrmacht und die
82
Ermordung der
männlichen
Juden
in Serbien
Dann traf ein Kurier der Partisanen ein und meldete, daß 18 Wehrmacht-LKW im Anmarsch wären149. Daraufhin erschossen die Partisanen vierzehn der gefangenen Soldaten, darunter auch zwei Verwundete150. Die sechs Mann der Gruppe Kaliwoda wurden als Gefangene mitgenommen. Sie konnten einige Wochen später fliehen und zur Truppe zurückkehren151. Einzig Johann Kerbler überlebte schwer verwundet die Erschie-
ßung, indem er sich tot stellte. Der Nachrichtentrupp hatte über Funk den Überfall gemeldet. Sofort wurde ein Suchkommando von 155 Mann zum Kampfplatz geschickt. Der Kommandant berichtete über den Ort des Geschehens:
»Die Deichen waren zum Teil verstümmelt, Schädeldecken eingeschlagen, Füße zerschnitten, Gesicht zerschnitten. [...] Die Leichen wurden durch die auf meinen Befehl festgenommenen Serben (zufällig vorbeigekommene Bauern W.M.) zu unseren Wagen gebracht. Die Serben waren festgenommen als Geiseln. Beim Anhalten der Kolonne waren plötzlich 19 Bauernfahrzeuge hinter unserer Kolonne. Als Sicherung und Schutz vor Überraschung mußten die Fahrer festgenommen werden. Nach dem Einziehen der Posten und Sicherungen ließ ich sämtliche Serben bis auf 3 Minderjährige erschießen«152 —
insgesamt
26
Menschen153.
—
Wehrmachttrupp hatte 22 Tote (20 von der 4. und 2 von der 3. Kompanie) und 3 Verletzte aus der 4. Kompanie zu verzeichnen; 10 Soldaten wurden vermißt, 10 Angehörige des Kommandos waren unverletzt geblieben154. Zumindest drei der Toten und zwei der Verwundeten waren Österreicher155. Nach der Überstellung der Leichen nach Belgrad wurde am 4. Oktober 1941 eine gerichtsmedizinische Untersuchung durchgeführt. Über das Ergebnis der Obduktion wurden schon am nächsten Tag die höheren Kommandostäbe in Serbien und das AOK 12 in Griechenland informiert: Der
»An Verteiler. Aufgrund einer telefonischen
Meldung der 714. Div.
und schriftlichen
Meldungen der 4./ANR
521
[...] über Verstümmelungen von Gefallenen hat die Abteilung eine ärztliche Untersuchung in Gegen149
150
Ebd., RH 24—18/169; Vernehmungsniederschrift Kaliwoda, Geppert und Kodras, 21.11.1941. Ebd., RH 26—104/14, Bericht des Suchkommandos des 724. IR der 704. ID, 3.10.1941. Es war das erste Mal, daß gefangene Wehrmachtangehörige von Partisanen erschossen wurden. Es scheint plausibel, daß die Erschießung eine Reaktion auf die seit zwei Wochen laufende »Strafaktion« General Böhmes war. Kaliwoda meint, um sich vor der anrückenden Wehrmachteinheit rechtzeitig in Sicher-
heit zu bringen, hätten die Partisanen nur die Möglichkeit gehabt, die Soldaten freizulassen oder zu erschießen. Die Mitnahme der Verwundeten hätte zu viel Zeit gekostet (Interview mit Robert
151
152 153
154
155
Kaliwoda, 18.7.1988). BA-MA, RH 24—18/169, Vernehmungsniederschrift Kaliwoda, Geppert und Kodras, 21.11.1941. Alle drei waren Österreicher. Ebd., RH 26—104/14, Bericht des Suchkommandos des 724. IR der 704. ID, 3.10.1941. Ebd., RH 26-104/15, Bericht 724. Regiment an 704. und 717. ID, 16.10.1941 und RH 26-117/3, Auswertung der Einsätze der 717. ID, Meldung vom 3.10.1941. Kerbler spricht in seiner Verneh-
mung am 8.10.1941 von 14 erschossenen serbischen Zivilisten (ebd., RH 24—18/166). Im Interview darauf angesprochen, konnte sich Kerbler an die Erschießung der Zivilisten nicht mehr erinnern. Die Daten sind nach den Angaben des Berichts II./ANR 521 vom 6.10.1941 berechnet (ebd., H 20/293). Angaben von Johann Kerbler, Interview vom 18.7.1988.
8. Der Partisanenüberfall bei
83
Topóla
Lt. Lockemann durch den Abteilungsarzt befohlen. Ferner wurde hinzugezogen ein Fotograf der Propaganda-Abteilung Serbien, um den Zustand der Leichen und Verwundeten bildlich festzuhalten. Nach Feststellung des Abteilungsarztes sind nachweislich keine Verstümmelungen oder Mißhandlungen vorgenommen. Beiliegend überreicht die Abteilung den Befund der Untersuchung der 22 Gefallenen. [...] Bilder wurden vom AOK 12, Ic 714. ID, Militärbefehlshaber in Serbien unmittelbar angefordert und dem Bevollmächtigten Kommandierenden General (Böhme) bereits vorgelegt. Verteiler: AOK 12, Befehlshaber Serbien, Höheres Kommando LXV, Bevollmächtigter Kommandierender General XVIII AK, Ic 714. BO, ANR 521156.« wart von
Obwohl die Stabsstellen also wußten, daß die Partisanen an den getöteten Soldaten keine Verstümmelungen vorgenommen hatten, wurden die Mannschaften bewußt nicht über diese Tatsache aufgeklärt. Die angeblichen Verstümmelungen kamen General Böhme sehr gelegen. In derselben Woche hatten sich zwei Wehrmachttrupps zahlenmäßig überlegenen Partisanen- und Cetnikeinheiten ergeben und waren von diesen gefangengenommen worden. Böhme war über diese »unsoldatische« Handlungsweise, die seine Vorstellung über eine Strafexpedition ad absurdum führte, erzürnt. In einem Befehl, der in kürzester Zeit allen Truppenteilen zur Kenntnis zu bringen war, verbot er jegliche Verhandlungen über eine Kapitulation; Kapitulationsverhandlungen würden zu einem »für einen deutschen Soldaten unwürdigen Ausgang« führen: »Es wurde auf eigener Seite der schwerwiegende Fehler gemacht, daß man mit den Aufständischen verhandelte. Die Truppe ließ sich durch das Versprechen eines »ehrenvollen Abzugs« überlisten, anstatt sich bis zur letzten Patrone zu verteidigen. Aufgrund dieser Vorfälle befehle ich: 1.) Mit Aufständischen sind keinerlei Verhandlungen zu pflegen. 2.) Parlamentäre der Aufständischen genießen nicht den Schutz, der Parlamentären einer regulären Truppe zugebilligt werden muß. Erscheinen Unterhändler vor Eröffnung einer Kampfhandlung, sind sie festzunehmen und standgerichtlich als Freischärler abzuurteilen. Erscheinen Unterhändler während oder nach einem Feuergefecht, ist sofort das Feuer auf sie zu eröffnen157.«
Dieser Befehl Böhmes hatte zur Folge, daß Wehrmachtsoldaten, die aus der Gefangenschaft flüchteten oder befreit wurden, wegen »Feigheit vor dem Feind« ein Kriegsgerichtsverfahren drohte158. Vor dem Hintergrund dieses, für die Soldaten letztlich selbstmörderischen Befehls, wird die psychologische Bedeutung der »Verstümmelungslegende« verständlich. Böhme konnte sicher sein, daß er durch das Operieren mit Männerängsten sein Ziel erreichen würde: Schließlich war es ehrenvoller, mit der letzten Patrone zu sterben, als nach der Kapitulation geschlechtlich verstümmelt zu werden. 156 157 158
BA-MA, H 20/293, II./ANR 521 Major Duvigneau,
5.10.1941. RH 26—104/15, Befehl Böhmes betreffend Verhandlungen mit Aufständischen, 8.10.1941. Johann Kerbler, der mit mehreren Schußwunden schwerverletzt im Lazarett lag, wurde am Tag nach seiner Einlieferung von Stabsoffizieren einvernommen. Sie wollten herausfinden, ob aufgrund des Tatherganges ein Kriegsgerichtsverfahren gegen ihn einzuleiten wäre. Die Propagandakompanie »S« versuchte Kerbler der weder bei seinen Vernehmungen 1941 noch beim Interview im Jahre 1988 von Verstümmelungen beim Kampf bei Topóla gesprochen hatte als »Greuelpropagandaerzähler« für die Truppe anzuwerben. Kerbler lehnte dieses Angebot ab (Interview mit Johann Ker-
Ebd.,
—
—
bler, 11.7.1988). Ebenso berichtet der aus der Gefangenschaft geflüchtete Robert Kaliwoda, daß befürchtete hätte, vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden (Interview mit Robert Kaliwoda,
er
18.7.1988).
84
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der
männlichen
Juden in Serbien
Noch am 4. Oktober 1941 erließ Böhme einen Befehl, der die Liquidierung der männlichen Juden und Zigeuner in Serbien in Form von Massenexekutionen durch die Wehrmacht einleitete: »Am 2.10. wurden bei einem Überfall auf Einheiten des Armeenachrichtenregiments zwischen Bel-
grad und Obrenovac 21 Soldaten159 von kommunistischen Banden auf bestialische Weise zu Tode gequält. Als Repressalie und Sühne sind sofort für jeden ermordeten deutschen Soldaten 100 serbische Häftlinge zu erschießen. Chef der Militärverwaltung wird gebeten, 2100 Häftlinge in den Konzentrationslagern Sabac und Belgrad (vorwiegend Juden und Kommunisten) zu bestimmen und Ort, Zeit sowie Beerdigungsplätze festzulegen. Die Erschießungskommandos sind von 342. Division (für KZ Sabac) und Korpsnachrichtenabteilung 449 (für KZ Belgrad) zu stellen. Sie sind vom Chef der Militärverwaltung über Bevollmächtigten Kommandierenden General in Serbien anzufordern. Chef der Militärverwaltung wird gebeten, die Lagerleitung anzuweisen, den Häftlingen den Grund der Erschießung zu eröffnen160.« Mit diesem Befehl leitete Böhme in mehrfacher Hinsicht eine neue Phase seiner Strafexpedition ein. Allein bei dieser »Geiselerschießungsaktion« sollten von den Besatzern mehr Menschen umgebracht werden als von April bis September 1941 in ganz Serbien. Um die Erschießung von 2100 Menschen durchzuführen, reichte die personelle Kapazität der bisher mit »Geiselexekutionen« betrauten SD-Einsatzgruppe und der Polizei nicht aus. Deshalb mußte Böhme die Erschießungen effizienter und arbeitsteiliger organisieren: Die Erschießungen sollten von nun an von jenen Wehrmachteinheiten durchgeführt werden, die selbst Verluste erlitten hatten. Böhme bat über seinen Quartiermeister Faulmüller am 4. Oktober 1941 den Chef der Militärverwaltung, Turner, 2100 Geiseln aus dem KZ Sabac und dem KZ Belgrad für eine »Geiselerschießungsaktion« als »Sühne« für die deutschen Verluste bei Topóla bereitzustellen161. Gleichzeitig wies Böhme seinen Quartiermeister an, in seinem Namen den Befehl an die 342. ED und an die Korpsnachrichtenabteilung 449 weiterzuleiten, 2100 Personen, vornehmlich Juden und Kommunisten, aus dem KZ in Belgrad und dem KZ in Sabac zu erschießen162. Der KZ-Lagerleitung der Einsatzgruppe Fuchs blieb nur mehr die Aufgabe, die zum Erschießen bestimmten Personen zusammenzustellen und den Erschießungskommandos der Wehrmacht zu übergeben. Böhme ließ Turner freie Hand bei der Bestimmung des Zeitpunktes und des Ortes der Exekutionen nicht aber bei der Auswahl der »Geiselgruppen«: Er befahl, »vorwiegend Juden und Kommunisten« zu erschießen. Damit übernahm General Böhme die Initiative bei der Vernichtung der männlichen Juden in Serbien. Wenige Tage nachdem er die »Geiselerschießungen« durch die Wehrmacht als »Sühne« für die Verluste bei Topóla angeordnet hatte, erließ Böhme einen Befehl an alle Wehrmachttruppen in Serbien, der die formelle Grundlage für die darauf folgenden Massaker der Wehrmacht an Juden, Zigeunern und Serben bildete: —
159
160
Ein schwerverletzter Soldat war mittlerweile noch verstorben, so daß die Verluste auf 22 Tote angestiegen waren. In der späteren »Sühnequote« wurde von der endgültigen Todeszahl ausgegangen. BA-MA, RH 24—18/213, fernmündlicher Befehl General Böhmes an Quartiermeisterabteilung, 4.10.1941.
i" >«
NOKW-Dokument 192. NOKW-Dokument 1665.
8. Der
Partisanenüberfall bei
85
Topóla
»1.) In Serbien ist es auf Grund der >Balkanmentalität< und der großen Ausdehnung kommunistischer und national getarnter Aufstandsbewegungen notwendig, die Befehle des OKW in der schärfsten Form durchzuführen. Rasche und rücksichtslose Niederwerfung des serbischen Aufstandes ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag zum deutschen Endsieg. 2.) In allen Standorten in Serbien sind durch schlagartige Aktionen umgehend alle Kommunisten, als solche verdächtige männliche Einwohner, sämtliche Juden, eine bestimmte Anzahl nationalistischer und demokratisch gesinnter Einwohner als Geiseln festzunehmen. Diesen Geiseln und der Bevölkerung ist zu eröffnen, daß bei Angriffen auf deutsche Soldaten oder auf Volksdeutsche die Geiseln erschossen
werden. [...]
3.) Treten Verluste an deutschen Soldaten oder Volksdeutschen ein, so haben die territorial zuständigen Kommandeure bis zum Regimentskommandeur abwärts, umgehend die Erschießung von Festgenommenen in folgenden Sätzen anzuordnen: a) Für jeden getöteten oder ermordeten deutschen Soldaten oder Volksdeutschen (Männer, Frauen oder Kinder) 100 Gefangene oder Geiseln. b) Für jeden verwundeten deutschen Soldaten oder Volksdeutschen 50 Gefangene oder Geiseln. Die Erschießungen sind durch die Truppe vorzunehmen. Nach Möglichkeit ist der durch den Verlust betroffene
Truppenteil zur Exekution heranzuziehen. (...) 5.) Die bei Kampfhandlungen von der Truppe gefangenen Kommunisten sind grundsätzlich am Tatort als abschreckendes Beispiel zu erhängen oder zu erschießen. 6.) Ortschaften, die im Kampf genommen werden müssen, sind niederzubrennen, desgleichen Gehöfte, aus denen auf die Truppe geschossen wird1.« Dieser Befehl Böhmes war nicht, wie er selber schrieb, die »schärfste« Interpretation der Befehle seiner übergeordneten Dienststellen (OKH, OKW, Wehrmachtbefehlshaber Südost), sondern ging in zwei zentralen, im Hinblick auf das Kriegsrecht relevanten Aspekten, darüber hinaus. Keitels Befehl zur Bekämpfung der »kommunistischen Aufstandsbewegung in den besetzten Gebieten«, der am Tag von Böhmes Ernennung zum Befehlshaber in Serbien, am 16. September 1941, erlassen worden war, legte als Richtlinien fest: »Als Sühne für ein deutsches Soldatenleben muß in diesen Fällen im allgemeinen die Todesstrafe für 50—100 Kommunisten als angemessen gelten. Die Art der Vollstreckung muß die abschreckende Wir-
kung noch erhöhen164.«
Am 28. September 1941 hatte Keitel den Befehl noch ergänzt und die für Geiselerschie-
ßungen in Frage kommenden politischen Gruppen um nationalistische und demokratisch-bürgerliche Kreise erweitert165. Der Wehrmachtbefehlshaber Südost wiederum hatte angeordnet, daß die in Konzentrationslagern vorhandenen Geiseln zu erschießen seien, »für den Fall, daß in dem gesäuberten Gebiet oder in ihren Heimatortschaften Banden auftreten oder irgendetwas gegen die Wehrmacht unternommen wird166.« In Böhmes Befehl hingegen mußten die zu tötenden Zivilisten weder in einem politischen noch in einem geographischen Zusammenhang mit dem Anlaßfall stehen. Böhme ging es offensichtlich um die kollektive Bestrafung aller männlichen Serben. Zusätzlich nahm Böhme von sich aus
ohne ausdrücklichen Befehl von oben
—
163 164
—
die Juden, unab-
BA-MA, RH 26-104/14, Befehl Komm. General in Serbien, 10.10.1941. Ebd., Chef des OKW, Keitel, 16.9.1941. Dieser Befehl war mit ausschlaggebend dafür, daß Keitel
Nürnberger Prozeß zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde (International Military Tribunal, Trial of the Major War Criminals, Bd 2, S. 554). 165 Ebd., RH24-18/213, Keitel an OKH/Gen. Quart, und Wbfh. SO, 28.9.1941. 166 Ebd., RH 24—18/27, List an Böhme, 4.10.1941. im
86
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
hängig von ihrer politischen Zuordnung, als eigene »Geiselgruppe« auf. Von Juden war weder bei Keitel noch bei List die Rede gewesen. Berichte und Korrespondenzen verschiedener Wehrmachteinheiten, von Böhmes Stabsabteilungen, vom Militärverwalter Turner und von der Einsatzgruppe Fuchs (Sipo und SD Serbien) zeigen ganz klar, daß in den 14 Tagen nach Böhmes Befehl vom 10. Oktober 1941 sowohl die Übersicht über die Zahl der bereits Erschossenen und noch zu Erschießenden, als auch über die herangezogenen »Geiselgruppen« verlorengegangen war. Dies erscheint nicht weiter verwunderlich, bedenkt man, daß allein in diesen beiden Wochen von Wehrmachteinheiten insgesamt mehr als 9000 Juden, Zigeuner und andere Zivilisten exekutiert worden sind! Die Anzahl der Exekutionen und die Zahl der Opfer wurden zu einem rechnerischen Problem. Die verwaltungsmäßige Verarbeitung geriet ins Stocken, die bürokratische Bearbeitung begann den tatsächlich durchgeführten Massenmorden nachzuhinken. Um die »Bürokratie der Massenmorde« wieder besser in den Griff zu bekommen, wurden von der Quartiermeisterabteilung Böhmes ab Mitte Oktober 1941 gedruckte Formblätter für Geiselerschießungen herausgegeben, in die maschinschriftlich nur mehr das Datum, der zu »sühnende« Vorfall, die Zahl der zu Exekutierenden und die Exekutionseinheit eingesetzt werden mußten. 9.
»Legt
an
—
übt Rache!«
Schon am 9. Oktober 1941 wurden das OKH und das OKW in einer Tagesmeldung vom Wehrmachtbefehlshaber Südost informiert, daß als »Sühne« für die 22 Gefallenen bei Topóla 2200 Kommunisten und Juden erschossen werden sollten167. Noch am selben Tag begann die Wehrmachttruppe mit der Durchführung. Böhmes Befehl erfolgte erst tags darauf und sanktionierte rückwirkend die Aktion. Aus den vorhandenen Dokumenten und den Zeugenaussagen im Ermittlungsverfahren gegen den Leiter des Exekutionskommandos, den Chef der 3. Kompanie des ANR 521, den ehemaligen Oberleutnant Walter L.168, läßt sich der Hergang des Geschehens rekon-
struieren. Der Abteilungskommandant des ANR 521, Major D., hatte von seiner übergeordneten Stelle, der Korpsnachrichtenabteilung 449 des XVIII. Armeekorps Böhmes, den Auftrag erhalten, ein Erschießungskommando aus Angehörigen des ANR 521 zusammenzustellen, um die bei Topóla Gefallenen durch die Erschießung von 2200169 »Geiseln« zu "•7 168
Tagesmeldung AOK Ic/AO, 9.10.1941. ZStL, 503 AR-Z 2/1966, Ermittlungsverfahren gegen Walter L. Die Rekonstruktion des Tatgeschehens basiert, wenn nicht anders angegeben, auf Zeugenaussagen von Angehörigen der 3. Kompanie des Erschießungskommandos. Es wurden nur jene Passagen aus den Zeugenaussagen zitiert, die in einem NOKW-Dokument 1660,
plausiblen Kontext mit den schriftlichen Quellen stehen. Aus dem Verfasser unbekannten und unerklärlichen Gründen wurden weder von bundesdeutschen noch von österreichischen Behörden Angehörige der 4. Kompanie die ebenfalls Soldaten für das Exekutionskommando bereitgestellt hatten vernommen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden nur die Initialen der Zeugen angegeben. —
169
Nachdem schon am 2.10.1941 der Tod von 22 Soldaten feststand, wurde bis zum 8.10.1941 auch die Zahl der zu Erschießenden (im Verhältnis 1:100), von 2100 auf 2200 erhöht.
—
9.
»Legt
87
übt Rache!«
an —
»rächen«. Am 8. Oktober 1941 gab Major D. den Befehl an Oberleutnant L. weiter und beauftragte ihn, ein Exekutionskommando aus Angehörigen der 3. und 4. Kompanie zusammenzustellen. Im Abstand von einigen Tagen sollten die in Belgrad stationierten Mannschaften der 3. und 4. Kompanie drei Erschießungsaktionen durchführen. L. teilte den Soldaten der beiden Kompanien mit, daß er Freiwillige für ein Erschießungskommando benötige. Nach seiner Aussage meldeten sich dafür mehr Soldaten, als notwendig waren, insgesamt ca. 30 bis 40 Mann. Ihre Namen sind unbekannt. Die Aussage des österreichischen Zeugen Wilhelm D., es hätten sich unter ihnen keine Österreicher befunden, ist aufgrund der landsmannschaftlichen Zusammensetzung der Kompanien nur als patriotische Schutzbehauptung zu werten. Denn allein von den insgesamt 14 vernommenen Österreichern aus der 3. Kompanie gaben fünf Personen zu, an den Exekutionen allerdings nur als Absperrposten teilgenommen zu haben. Alle anderen Kompanieangehörigen, die sich zu diesem Zeitpunkt in Belgrad befunden hatten170, wurden ebenso wie die Exekutionsschützen selbst mit Gewehr, Munition und Stahlhelmen ausgerüstet. Gemeinsam fuhren sie am 9. Oktober 1941 in mehreren LKW von Belgrad aus in die Nähe der 30 km entfernt liegenden Banater Stadt Pancevo. An zwei aufeinander folgenden Tagen wurden die Exekutionen auf dem Übungsam Stadtrand von schießplatz Avala, Belgrad, fortgeführt. Nachdem die Mannschaft abgesessen war, fuhren die LKW mit dem Erschießungskommando in die Hauptstadt zurück, um die »Geiseln« aus dem KZ Belgrad abzuholen. Die übrigen Soldaten sicherten inzwischen das Gelände und postierten sich als Absperrposten. Nach einiger Zeit wurden die Opfer mit den LKW zum Erschießungsgelände gebracht und dort abgeladen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wußten die Kompanieangehörigen, daß ein Großteil der Geiseln Juden waren: Der österreichische Kompanieangehörige Alfred A. erinnerte sich, »daß nur Männer aller Altersstufen, etwa zwischen 20 und 70 Jahren, gebracht wurden und viele von ihnen den Judenstern trugen«171. Bei den beiden nächsten Erschießungsaktionen war es den Soldaten klar, daß es sich bei den Delinquenten mehrheitlich um Juden handelte. Als der österreichische Kompanieangehörige Franz H. von seinem Urlaub nach Belgrad zurückkehrte, waren die Erschießungen gerade im Gange. Bei der Kompanie eingetroffen, wurde er mit den Worten begrüßt: »Gehst' mit Juden erschießen172?« In Intervallen von ca. 15 Minuten wurden jeweils 10 Delinquenten abgeholt und zum eigentlichen Erschießungsort, der außer Hörweite der LKW lag, eskortiert und dort erschossen. Die nächsten 10 Opfer mußten die zuvor Erschossenen in etwa 40 Meter lange und 3 Meter breite Gruben werfen und sich anschließend selbst, mit dem Gesicht zur Grube gewandt, davor aufstellen. Dann gab Oberleutnant Liepe den Schützen den Befehl: »Legt an übt Rache173!« und die nächsten 10 Männer wurden erschossen. Jene, die —
—
—
—
—
—
insgesamt etwa 120 Soldaten der beiden Kompanien, dürfte sich nach Erinnerung eines beteiligten Kompanieangehörigen etwa die Hälfte in Belgrad befunden haben. Der andere Teil war als Entstörtrupp im Landesinneren eingesetzt (Interview mit A.A., 22.2.1990). 171 170
172 173
Von den
Interview mit A.A., 28.8.1989. ZStL, 503 AR-Z 2/1966, Zeugenaussage Franz H., 11.5.1965. Drei an den Exekutionen beteiligte Angehörige des ANR 521 gaben bei ihrer gerichtlichen Verneh-
II. Die Wehrmacht und die
88
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
noch Lebenszeichen von sich gaben, wurden von Ernst K. mit einem Kopfschuß getötet. Ernst K. war auch mit dem Einsammeln von Pretiosen beschäftigt. In einem Fall schnitt er einem Toten den Finger ab, um den darauf befindlichen Ring zu bekommen. Die eingesammelten Wertgegenstände der Erschossenen wurden in einer Schüssel gesammelt. Nach der Zeugenaussage des österreichischen Absperrpostens Johann St., soll Kompaniechef L., Wochen nach der Erschießungsaktion, vor versammelter Kompanie seine Soldaten aufgefordert haben, sich zu melden, falls sie für ihre Frau oder Braut etwas von den eingesammelten Pretiosen benötigen sollten174. Am 15. Oktober 1941 legte die II. Abteilung des ANR 521 einen Bericht über durchgeführte Erschießungen von Juden vor. Er wurde u. a. an den Bevollmächtigten Kommandierenden General in Serbien, den Befehlshaber Serbien (den durch Böhmes Eintreffen seiner Funktionen de facto beraubten General Danckelmann), an das Höhere Kommando LXV und sogar an die höchste Wehrmachtdienststelle im Südosten, das AOK 12 in Griechenland, verteilt175. Der große Verteilerkreis läßt darauf schließen, daß der Bericht offensichtlich als Erfolgsmeldung gewertet wurde. Der von Oberleutnant Liepe verfaßte, ungeschminkte Bericht gibt neben dem Ablauf der Erschießungsaktion einen tiefen Einblick in die Stimmung und Atmosphäre, in der Wehrmachteinheiten in Serbien ein Stück des Holocaust an den Juden vollzogen:
»Liepe, Oberleutnant und Kompaniechef
13.10.1941
Feldpostnummer 26 557
Bericht
am 9. und 11.10.1941. 1. Auftrag: Am 8.10.41 wurde die Erschießung von 2200 Juden, die sich im Lager von Belgrad befinden, befohlen. 2. Leitung und Teilnahme: Oberleutnant Liepe und Kameraden der Feldeinheiten 26 557 (3. Kompanie, II. Abteilung/ANR 521 W.M.) und 06 175 (4. Kompanie, II. Abteilung/ANR 521 W.M.) von denen 2 Offiziere und 20 Mannschaften gefallen und 16 vermißt und 3 verwundet sind. 3. Ärztliche Betreuung und Aufsicht: Oberarzt Dr. Gasser, Feldeinheit 39 107 und Sanitätsunteroffizier Bente der Einheit 26557. 4. Transport und Fahrzeuge:
über die
Erschießung von Juden
-
-
Transport und Bewachung der Gefangenen erfolgte durch die beteiligten Einheiten. Fahrzeuge wurden der Fahrbereitschaft der Feldkommandantur Belgrad zur Verfügung gestellt. Der Transport der beteiligten Soldaten erfolgte mit Heeresfahrzeugen. 5. Ort der Handlung: Am 9.10.41 Wald etwa 12 km nordostwärts Kovin (Umgebung von Pancevo WM.). Am 11.10.41 Umgebung Schießstand Belgrad an der Straße nach Nisch (Truppenschießstand Avala W.M.).
von
—
—
6. Sicherheit und —
Erfolgte
Verschleierung:
im engsten Einvernehmen mit der
7. Film und Aufnahme:
—
Sicherheitspolizei
in
Belgrad und Pancevo.
Propaganda-Kompanie »S«176. mung
zu
Feuer frei!«, sondern »Legt Anton Seh. und Karl Z.).
Protokoll, daß der Feuerbefehl nicht wie üblich: »Legt an
gelautet hatte (ebd., Zeugenaussage Alfred A., 174 Ebd., Zeugenaussage Johann St., 23.3.1965. an
übt Rache!«
—
—
i« 176
BA-MA, RH 24-18/213, 15.10.1941.
Die Exekutionen wurden von der Propagandakompanie »S« gefilmt und fotografiert. Offensichtlich hatten aber auch die Soldaten selbst voll Stolz ihre »soldatischen Heldentaten« bildlich festge-
9.
»Legt
89
übt Rache!«
an —
8.
Aufsicht:
Liepe, Leutnant Viebrans, Leutnant Lüstraeten, SS-Oberscharführer Enge, Sicherheitspolizei Belgrad. 9. Ausführung: Nach gründlicher Erkundung des Platzes und Vorbereitung erfolgte die erste Erschießung am 9.10.1941. Die Gefangenen wurden mit ihrem Notgepäck von dem Lager in Belgrad um 05.30 Uhr abgeholt. Durch Ausgabe von Spaten und sonstigem Arbeitsgerät wurde ein Arbeitseinsatz vorgetäuscht. Jedes Fahrzeug wurde nur mit 3 Mann bewacht, damit aus der Stärke der Bewachung keine Vermutungen über die wahre Handlung aufkommen sollten. Der Transport erfolgte ohne jegliche Schwierigkeiten. Die Stimmung der Gefangenen während des Transportes und der Vorbereitung war gut. Sie freuten sich über die Entfernung vom Lager, da angeblich ihre Unterbringung dort nicht wunschgemäß wire. Die Gefangenen wurden 8 km von der Erschießungsstelle beschäftigt und später nach Gebrauch zugeführt. Der Platz wurde ausreichend bei der Vorbereitung sowie Erschießung gesichert. Die Erschießung erfolgte mit Gewehr auf eine Entfernung von 12 Meter. Für jeden Gefangenen wurden 5 Schützen zum Erschießen befohlen. Außerdem standen dem Arzt 2 Schützen zur Verfügung, die nach Anweisung des Arztes den Tod durch Kopfschüsse herbeiführen mußten. Die Wertgegenstände und überflüssigen Sachen wurden unter Aufsicht abgenommen und später der NSV bzw. der Sicherheitspolizei zugeführt. Die Haltung der Gefangenen beim Erschießen war gefaßt. Zwei Leute versuchten die Flucht zu ergreifen und wurden dabei sofort erschossen. Einige brachten ihre Gesinnung dadurch zum Ausdruck, daß Oberleutnant
sie noch ein Hoch auf Stalin und Rußland ausbrachten. Es wurden am 9.10.41 180 Mann erschossen. Die Erschießung war um 18.30 Uhr beendet. Besondere Vorkommnisse waren nicht zu verzeichnen. Die Einheiten rückten befriedigt in ihre Quartiere ab. Die zweite Erschießung konnte wegen Bauarbeiten an der Donaufähre erst am 11.10.41 stattfinden. Infolge der Bauarbeiten mußte die nächste Erschießung in der Umgebung von Belgrad stattfinden. Dazu war die Erkundung eines neuen Platzes erforderlich und eine doppelte Vorsicht geboten. Die nächste Erschießung erfolgte am 11.10.41 in der Umgebung des Schießstandes. Sie verlief planmäßig. Es wurden 269 Mann erschossen. Bei beiden Erschießungen ist kein Gefangener entwischt und die Truppe hatte keine besonderen Ereignisse und Zwischenfälle zu verzeichnen. Zur Verstärkung der Sicherheit war noch ein Zug von der Einheit Major Pongruber unter Führung von Leutnant Hau eingesetzt. Im ganzen wurden am 9. und 11.10.41 449 Mann von den genannten Einheiten erschossen. Leider mußte aus Einsatzgründen eine weitere Erschießung von den genannten Einheiten eingestellt werden und eine —
Übergabe des Auftrages an die Einheit Major Pongruber erfolgen. _
Kompanie-Chef177.«
halten. Stabschef Pemsel sah sich gezwungen, einen scharfen Befehl an die Kompanien wegen »Verstößen gegen die Wahrung des Dienstgeheimnisses im Briefverkehr« herauszugeben: »Aus den Berichten der Feldpoststelle geht wiederholt hervor, daß die Angehörigen der in Serbien untergebrachten Einheiten immer wieder ausführlich den Einsatz in Serbien teils auch mit Angabe der eigenen Verluste und die deutschen Vergeltungsmaßnahmen (Massenhinrichtungen) in der in die Heimat abgehenden Post besprechen. Mehrfach sind den Briefen sogar fotografische Aufnahmen von Hinrichtungsszenen beigefügt. Dieses Vorgehen stellt nicht nur einen Verstoß gegen die Wahrung des Dienstgeheimnisses (Paragraph 25 des Wehrgesetzes) dar, sondern muß im gegenständlichen Falle als fahrlässiger Landesverrat nach Paragraph 90d bzw. 90e des Reichsstrafgesetzbuches gewertet werden. Zur Kenntnis des Gegners gelangt, bieten derartige Nachrichten einen willkommenen Angriffspunkt für propagandistische Zwecke. Darüber hinaus tragen solche Schilderungen eine unerwünschte Beunruhigung in die Heimat. Die in Serbien eingesetzten Einheiten und Dienststellen sind eindringlich und wiederholt über diese Verstöße und deren Folgen durch die Einheitsführer und Dienststellenleiter zu belehren. Die Truppe ist darauf hinzuweisen, daß in Hinkunft mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gegen derartige Verstöße eingeschritten wird« (ebd., RH 24—18/169, 25.11.1941). Ebd., RH 24-18/213. —
—
177
Liepe (handschriftlich).
Oberleutnant und
90
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der
männlichen
Juden
in Serbien
Liepe erwähnt in diesem Bericht nur zwei Judenerschießungsaktionen, bei denen von Angehörigen der 3. und 4. Kompanie des ANR 521 insgesamt 449 Juden und Zigeuner erschossen wurden. Nach übereinstimmenden Aussagen von Beteiligten und nach Liepes eigenen Angaben führte das Erschießungskommando zumindest noch eine dritte Exekution von Juden auf dem Belgrader Schießplatz Avala durch. Eine indirekte Bestätigung dafür findet sich im Schreiben der Quartiermeisterabteilung des XVIII. AK (mit der Unterschrift des Stabschefs Pemsel und einem handschriftlichen Zusatz des Quartiermeisters Faulmüller) an den Höheren Nachrichtenführer (Gebirgskorps-Nachrichtenabteilung 449) vom 20. Oktober 1941, in dem in bezug auf den Bericht Liepes vom 13. Oktober 1941 gebeten wird, nunmehr eine abschließende Meldung über die Durchführung der Sühnemaßnahmen vorzulegen178. Eine solche abschließende Meldung findet sich in den Akten nicht. Allerdings ist im Kriegstagebuch des Quartiermeisters vom 23. Oktober 1941 verzeichnet: »Meldung EL/ANR 521 über Durchführung
von Erschießungen«179. Aber auch nach der Wahrscheinlichkeit von Liepes Kompanien durchgeführten dritten Juden- und großer 2200 Opfern noch nicht erreicht. In der Ereignisdas Soll war von Zigeunererschießung Chef der Sipo und des SD in Berlin vom 20. Oktober 1941 meldung UdSSR Nr. 119 des heißt es noch:
mit
»Als Vergeltungsmaßnahme für 21 gefallene deutsche Soldaten der Wehrmacht 2 100 Juden aus Judenlager zur Exekution. Auf Anordnung Generalkommando XVIII zur Verfügung gestellt. Exekution wird durch Wehrmacht durchgeführt180.«
Doch zu diesem Zeitpunkt dürfte bereits eine andere Einheit Liepes Erschießungskommando ersetzt haben. Höchstwahrscheinlich die in Liepes Bericht vom 13. Oktober 1941 erwähnte »Einheit Major Pongruber«. Diese Annahme wird in einem Bericht von Liepes Vorgesetztem, dem Chef der EI. Abteilung/ANR 521, Major Duvigneau, vom 15. Oktober 1941
bestätigt:
»Die weiteren Erschießungen konnten von der Abteilung (unter dem Kommando Liepes W M.) nicht durchgeführt werden, da wegen des Einsatzes zur Wiederherstellung der Fernsprechleitungen SabacLosnica eine Gestellung von Mannschaften unmöglich wurde. Durch Herrn Oberst Wurster wurde die Korps-Nachr.Abt. Pongruber mit der Durchführung weiterer Exekutionen beauftragt181.« —
Mit der
»Korps-Nachr.Abt. Pongruber« war die Gebirgskorps-Nachrichtenabteilung (GKNA) 449 gemeint, jene Einheit, die Böhme direkt unterstand und die ursprünglich den Befehl Böhmes für die »Geiselerschießungsaktion« Topóla erhalten und ihn über Major Duvigneau (ANR 521) an Liepe zur Durchführung weitergeleitet hatte. Die Einheit Major Pongruber hatte ja bereits Erfahrung mit Judenerschießungen gesammelt. Wie Liepe in seinem Bericht erwähnt, war »zur Verstärkung der Sicherheit [...] noch ein Zug von der Einheit Major Pongruber unter Führung von Lt. Hau eingesetzt«. Nach der Verlegung von Liepes Einheiten ging die »Einheit Major Pongruber« nun selbständig an die Arbeit. 178 179 '8° 181
Ebd., Ebd.,
20.10.1941. 23.10.1941. NO-Dokument 3404. BA-MA, RH 24-18/213, Major Duvigneau an AOK 12, Bev. Komm. Gen.in Serbien, Befehlshaber Serbien, Höh. Komm. LXV, Höh. Nachr. Führer, ANR 521 (zweimal), 15.10.1941.
10. Die
Ermordung der
männlichen
Juden des »Kladovo-Transportes«
91
Über Major Ignaz Pongruber läßt sich nur eruieren, daß er Stabsoffizier der Korps-Nachrichtenabteilung 449 war, geboren 1892 in Seekirchen am Wallersee, Salzburg. Pongrubers Vorgesetzter, Oberst (und später Generalleutnant) Wurster, der Kommandeur der
449. GKNA, wurde vom jugoslawischen Militärgericht zum Tode verurteilt und am 20. Dezember 1948 hingerichtet182. Wie die »Ereignismeldung UdSSR Nr. 120« vom 21. Oktober 1941 zeigt, dürfte die Einheit Major Pongruber sehr effizient zu Werke gegangen sein. In dieser Meldung werden die
Exekutionen bereits als vollstreckt
gemeldet und die Zahl der Erschossenen korrigiert:
»Für einen Überfall auf den Geleitzug bei 2200 Serben und Juden erschossen183.«
Topóla, bei dem 22 Wehrmachtsangehörige ums lieben kamen,
Doch nur ein Teil der angeführten 2200 Juden und Serben (es waren in Wirklichkeit wahrscheinlich großteils Zigeuner), die von den Kompanien des ANR 521 und der Einheit Major Pongrubers erschossen wurden, stammten aus dem KZ Topovske Supe in Belgrad. Mehr als ein Drittel der Opfer wurden dem Judenlager in Sabac entnommen, in dem fast ausschließlich die mehr als 1000 Flüchtlinge des »Kladovo-Transportes« interniert
waren.
10. Die
Ermordung der männlichen Juden
des
»Kladovo-Transportes«
Tage vor dem Beschluß zur Errichtung eines KZ in Zasavica hatte am 4. Oktober 1941 die Quartiermeisterabteilung des XVEEI. AK auf mündlichen Befehl Böhmes als »Sühne« für die bei Topóla gefallenen Soldaten des ANR 521 die Erschießung von 2100 HäftZwei
lingen (vorwiegend Juden und Kommunisten) aus den Lagern in Belgrad und Sabac angeordnet. Der Befehl wurde dem Chef der Militärverwaltung und jenen Einheiten zugesandt, welche die Erschießungen durchführen sollten: »Die Erschießungskommandos sind 342. Div. (für Konz.Lager Sabac) und Kps. Nachr. Abt. 449 von
(für Konz.Lager Belgrad)
zu
stellen184.«
Dieser Befehl präzisierte noch nicht, wieviele Opfer die beiden Einheiten jeweils erschießen sollten. Erst fünf Tage später, am 9. Oktober 1941, gab der SD dem Ortskommandanten in Sabac die exakte Zahl der Männer bekannt, die von der 342. ED erschossen werden sollten185. In derselben Ereignismeldung des SD vom 9. Oktober 1941, in der die Errichtung des KZ Zasavica angekündigt wurde, findet sich auch die Zahl der Opfer aus Sabac, die zur »Sühne« für den Überfall bei Topóla ermordet werden sollten:
Zigeuner werden aus dem Lager Sabac, der Rest aus dem jüdischen Durchgangslager Belgrad entnommen186.« »805 Juden und
182 183 '84 185
186
Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien 1941—1949, Bd 1/2, S. 22. NO-Dokument 3402, 21.10.1941. NOKW-Dokument 192. Romano, Jevreji Jugoslavije 1941—1945. Zrtve Genocida i Ucesnici Narodnooslobidilackog Rata, (Die Opfer des Genozids und die Phasen des Volksbefreiungskampfes), S. 77. NO-Dokument 3156, 9.10.1941. Nachdem der Chef der Militärverwaltung für die Auswahl der
92
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der
männlichen
Juden in
Serbien
Offensichtlich hatte der SD alle männlichen Juden und Zigeuner zusammengezählt, die sich im KZ Sabac bzw. im Judenlager von Sabac befanden. Außer der Handvoll Juden aus Sabac selbst befanden sich im Judenlager von Sabac ausschließlich die österreichischen, deutschen und tschechischen Flüchtlinge des »KladovoTransportes«. Etwa 400 von ihnen dürften Männer und Jugendliche im Alter zwischen 14 und 70 Jahren gewesen und als Opfer für die »Sühneaktion« ausgewählt worden sein. Anna Hecht konnte sich sogar an das genaue Datum erinnern, an dem ihr Mann und die anderen
jüdischen Flüchtlinge
aus
dem
Lager abgeführt worden sind:
»Am 11. Oktober 1941 kamen um sechs Uhr abends SS-Leute ins Lager, und alle Männer mußten sich in der alphabetischen Reihenfolge aufstellen. Mein Mann war damals gerade bei einer Arbeit außerhalb des Lagers; er wurde geholt und mußte sich auch dazustellen. Dann wurde das Kommando gegeben: >rechts um!< und man hat sie nie mehr gesehen187.«
Auch der Zugführer der 1. Kompanie des Pol. Res. Bat. 64, Bruno W, gabe der Kladovo-Flüchtlinge dabei:
war
bei der Über-
»Die im Lager verwahrten 400 Juden wurden wahrscheinlich auf Befehl des SS-Obersturmbannführers eines Tages aus dem Lager herausgeholt und einer Wehrmachteinheit übergeben. [...] Welche Wehrmachteinheit es gewesen ist, ist mir nicht in Erinnerung188.«
Aus den Dokumenten und den spärlichen Aussagen läßt sich nicht mehr eindeutig rekon-
struieren, welche Wehrmachteinheit die jüdischen Erschießungsopfer aus dem Lager Sabac
abgeholt hat. Wir sind dabei auf mehr oder weniger plausible Vermutungen angewiesen. Mit größter Wahrscheinlichkeit scheidet die ursprünglich für die Erschießungen vorgesehene 342. LD aus, da die gesamte Division zu diesem Zeitpunkt bei der Säuberungsaktion im Cer-Gebirge eingesetzt war. Viel eher kommt eine Kompanie des in Sabac stationierten II. Bataillons des 750. LR in Frage, die seit der Verlegung der 342. LD ins CerGebirge für die Sicherheit des Gebietes zwischen Sabac und Sremska Mitrovica verantwortlich war. Als weitere Möglichkeit kommen zwei Züge der 2. Kompanie der Gebirgskorps-Nachrichtenabteilung 449 in Frage, deren 108 Mann seit dem 6. Oktober 1941 der 342. LD unterstellt waren189. Für diese Annahme spricht, daß wegen des
gleichen Anlaßfalles (die »Sühne« für die Einheit dieser Abteilung zum selben Zeitdeutschen Soldaten bei eine gefallenen Topóla) die dem aus von Judenlager in Belgrad durchführte. Eine sichepunkt Ermordung Juden re Klärung, welche Wehrmachteinheit die Juden des »Kladovo-Transportes« in Sabac übernommen hat, wäre nur durch die Aussage von Wehrmachtangehörigen selbst möglich. Doch diese schweigen. Mein Versuch, dieses Ereignis beim »Eichenlaub-Treffen« der 750. LD im Juni 1989 in Innsbruck zweifelsfrei zu klären, scheiterte an den vorgeschützten Gedächtnislücken der alten Kameraden ...
erschießenden Personen zuständig war, hatte er Böhmes Befehl, vorwiegend Juden und Kommuzu erschießen, in einem Punkt abgewandelt: Neben Juden sollten an Stelle von Kommunisten Zigeuner erschossen werden. YVA, 0 17/80, Interview mit Anna Hecht. ZStL, 503 AR 12/60, Beiakte zu Bd 3, Vernehmung Bruno W. BA-MA, RH 26—342/104, Abt. Ib der 342. ID, Besondere Anordnungen für die Versorgung, zu
nisten
187 188 189
6.10.1941.
10. Die
Ermordung der männlichen Juden des »Kladovo-Transportes«
93
Wahrscheinlich unter Vorspiegelung der falschen Tatsache, sie würden als Arbeitskräfte zum Aufbau des KZ in Zasavica gebraucht, wurden die Juden und Zigeuner von Sabac nach Zasavica gebracht. Seit zwei Tagen gingen in diesem Gebiet sintflutartige Regenfälle nieder. Es muß ein trauriger Anblick gewesen sein, als die Gruppe nach dem »Blutmarsch« im September nunmehr ein zweites Mal innerhalb von zwei Wochen den Weg Richtung Norden einschlug. Sie wußten noch nicht, daß es dieses Mal ihr Todesmarsch sein würde. Miloral Mica Jelesic ist der Einzige, der ein Zeugnis ihres Todes hinterlassen hat. Jelesic, ein Landarbeiter aus dieser Gegend, hatte sich im Zuge der Säuberungsaktion im Save-Drina-Dreieck der 342. ED gestellt und war ins KZ Sabac verschleppt worden. Dort hatte er sich zur Gruppe der 400 Männer gemeldet, die zum Bau des KZ Zasavica ausgesucht worden waren: »Vor dem Michaelstag meldete ich mich zur Arbeit, denn man frug, wer will, nur damit ich aus dem Lager herauskomme. Und so wurde eine Gruppe von ca. 400 Menschen nach Klenak überführt und von dort aus mittels Zug nach Sremska Mitrovica. In Sremska Mitrovica waren wir 3 Tage in den Wag-
gons ohne Nahrung, in denen wir hergebracht wurden und während des Tages auf einem Felde. Am vierten Tag begannen sie (eine Wacheinheit des II. Bataillons der 750. ED W.M.) einzelne Partien für Arbeit auszuscheiden, und wenn diese am Abend zurückkehrten, erlaubten sie ihnen nicht, mit uns zusammenzukommen. Am Michaelstag selbst führten sie mich auch mit einer Gruppe von 40 Menschen weg und überführten mich nach Macvanska Mitrovica (einem Vorort von Sremska Mitrovica W. M.) und von dort nach Zasavica. Unterwegs glaubten wir, daß wir erschossen werden sollen, und unsere Furcht wurde noch größer, als wir zu einem Graben getrieben wurden, der 200 Meter lang, 2,5 Meter breit und 2,5 Meter tief war. Später erfuhr ich, daß diesen Graben Leute aus meiner Partie gegraben hatten, die in den vorhergehenden Tagen aus den Waggons geführt wurden. Man trieb uns bis zur Save, ca. 250 bis 300 Meter weit, und zwang uns, uns niederzusetzen. Der Boden war unterwässert und tümpeüg, und wir baten sie, uns nicht zu quälen, sondern uns gleich zu töten. Ein Deutscher, der serbisch sprach, sagte, daß sie uns nicht töten werden, sondern daß wir Arbeiter sind. Da sah ich, daß die Deutschen 3—4 Meter vom Graben 50 bis 70 Pfosten in die Erde trieben, ca. 10 cm dick und ca. 50 cm hoch. Dann führten sie uns näher zum Graben, ca. 50—60 Meter, und in diesem Moment kam eine deutsche Truppe von ca. 150 Mann (Soldaten). Hier wurde den Deutschen das Mittagessen gebracht und alle aßen zu Mittag. Nach dem Mittagessen wurde hinter einem Maisfeld in der Richtung Mitrovica zum Graben eine Gruppe von ca. 50 Menschen in Bürgerkleidung herangeführt und ich sah, daß es Juden waren. Jeder von diesen Herangeführten mußte zu jenen eingetriebenen Pfosten herantreten, die in einem Abstand von 1—2 Metern in die Erde getrieben waren und so standen, daß der Pfosten zwischen ihren Beinen war. Alle waren mit dem Gesicht zum Graben gewendet. Als dies fertig war, wurde jene Truppe hinter ihnen so verteilt, daß auf jeden Juden zwei Soldaten zielten. Die Soldaten waren von den Juden höchstens 10 Meter entfernt, und wir waren höchstens 50 Meter weit hinter den Juden. Hernach trugen 4 deutsche Soldaten eine ausgebreitete Decke und traten an jeden Juden heran, und diese warfen etwas in die Decke, wahrscheinlich Geld und einige Wertsachen. Als auch das fertig war, gab ein Offizier das Kommando und die Deutschen zielten aus den Gewehren auf das Genick je zwei auf einen Juden. Wir sind gleich im Laufschritt an den Graben herangetreten und warfen die Getöteten in den Graben und dann ordneten uns die Deutschen an, ihnen (den erschossenen Juden W M.) die Säcke zu durchsuchen und alle Wertsachen herauszunehmen, wie Uhren, Geld und außerdem ihnen von den Händen die Ringe abzunehmen. Da man die Ringe von vielen nicht abnehmen konnte, gaben mir die Deutschen eine Zange und mit dieser schnitt ich die Ringe herab und gab sie ihnen. Noch bevor sie in das Grab geworfen wurden, sah ich, wie die Deutschen von den Getöteten die goldenen Gebisse herausnahmen und wenn sie sie bei einem nicht herausnehmen konnten, schlugen sie sie mit den Stiefelabsätzen heraus. Als die erste Partie der Erschossenen fertig war, mußten wir uns wieder im Laufschritt aus der Schußreihe entfernen, und hinter dem Maisfeld wurde die zweite Partie herangeführt, mit der man auf die —
—
—
—
94
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der
männlichen
Juden
in Serbien
gleiche Weise verfuhr. Wie viele Partien an diesem Tage erschossen wurden,
kann ich nicht wissen, aber meistens waren alle Pfosten besetzt. Erst am Abend führte man uns zurück nach Sremska Mitrovica und wir alle 40 wurden in einen Waggon eingesperrt. Am nächsten Morgen wurde die ganze Partie von 40 Mann neuerlich auf dieselbe Stelle nach Zasavica geführt, und es begann das Niederschießen wie am vorangehenden Tage. Während am ersten Tag nur Juden erschossen wurden, gab es am zweiten Tag mehr unserer Zigeuner als Juden. Während der ganzen Zeit des Erschießens nahmen mehrere Deutsche etliche Aufnahmen auf, wie: die Opfer vor dem Erschießen; das Umschreiten der Pfosten; die Leichen bei den Pfosten; wir, die wir die Leichen in das Grab tragen; die aufgestellte Mannschaft und andere Momente. Mit Rücksicht auf die Anzahl der erschossenen Partien, auf die Größe des Grabes von 200 Metern, das fast ganz gefüllt wurde, außer auf einem Ende ca. 5 Meter; mit Rücksicht darauf, daß die Stelle, wo man die Taschen und andere Sachen hinwarf, die ca. 1,5 Meter hoch war, glaube ich, daß in diesen zwei Partien mindestens 1200 Bürger erschossen wurden. Den ersten Abend ließen wir das Grab mit den an diesem Tage Erschossenen offen und als wir am nächsten Tage kamen, fanden wir mehrere Hunde, die die Getöteten fraßen und einzelne Leichenteile umherschleppten. Ein Deutscher tötete den Hund und sagte: >Auch diese sind Hunde< und wobei er auf den erschossenen Hund wies190.« —
Bei diesem Massaker
auf Befehl des österreichischen Generals Franz Böhme die überwiegend aus Österreich stammenden männlichen Juden des »Kladovo-Transportes« als »Sühne« für einen Partisanenüberfall auf eine zum großen Teil aus Österreichern bestehende Wehrmachteinheit erschossen worden. Der Abtransport und die Ermordung der männlichen Juden des »Kladovo-Transportes« am 12. und 13. Oktober 1941 blieb unter der Bevölkerung in Sabac kein Geheimnis. Jakob U, ein Volksdeutscher, der damals in Sabac lebte, erklärte dazu: waren
»Ich kann nicht sagen, wer den Abtransport vorgenommen hat. Ich selbst habe es nicht persönlich gesehen, sondern nur gehört. Ich kann nicht sagen, von wem ich das gehört habe. Aber ich kann sagen, daß es in Sabac ein allgemeines Gespräch war191.«
Einem anderen Volksdeutschen aus Sabac, Josef F., blieb hingegen genau in Erinnerung, wer die jüdischen Flüchtlinge aus Sabac weggebracht hat: Eines Nachts wurden die »vertriebenen Juden aus Österreich ausgehoben von der Wehrmacht, nicht von der SS und fortgeschafft. [...] Die Juden aus Wien hat man am Saveufer erschossen, was mit den Juden aus Sabac geschehen ist, kann ich nicht sagen192.« Eine psychologisch interessante Version der »Säuberungsunternehmen« und der Ermordung der »Kladovo-Flüchtlinge« findet sich in den kurz nach dem Krieg nur für private Zwecke erstellten Aufzeichnungen des ehemaligen Regimentsadjutanten der 342. ID und späteren Oberstleutnants der Bundeswehr, Bernd P. Als Regimentsadjutant hielt er sich zum fraglichen Zeitpunkt in Sabac auf, »während die Abteilungen mit der Infanterie die Gegend säubern. Durch Ustascha (kroatische Miliz) und serbische Neditsch-Polizei werden verdächtige Männer aus den Dörfern und alle Männer eines Judenlagers haufenweise erschossen. (Es waren Wiener Juden, die die Serben dort festgehalten und ausgeplündert hatten)193.« —
190
i9' 192 193
—
YVA, 0 10/12, Zeugenaussage Miloral Mica Jelesic, aufgenommen am 20.2.1945 im Kreiskommissariat der Landeskommission Serbiens für Kriegsverbrecher in Sabac. ZStL, 503 AR 2670/67, Vernehmung Jakob U. Ebd., Vernehmung Josef F. Zit. nach: ebd., 503 AR 1756/69, beigelegte photokopierte Aufzeichnungen
von
Bernd P.
Gegen
10. Die
Ermordung der
männlichen
Juden des »Kladovo-Transportes«
95
wir Frauen und Kinder allein. Es waren so 750—800«, schrieb Dorothea Fink nach dem Ende des Krieges dem Bruder ihres ermordeten Mannes. Sie berichtete, wie die Frauen in völliger Ungewißheit über das Schicksal der abgeführten Männer von den Wachmannschaften der Polizeikompanie seelisch grausam gequält worden waren: »Nun
waren
»Die SS kam immer mit einer anderen Nachricht für uns ins Lager. Mal hieß es, die Männer machen Straßenarbeiten, und dann, die Männer sind alle erschossen. Sie weideten sich dann an den Schreien der Frauen und Kinder und sagten uns dann, wir kämen auch dran, wenn wir nicht aufhörten zu jammern.
Es
war uns
schon alles
egal194.«
Anna Hecht, eine weitere Überlebende des Transportes, bestätigt unabhängig von Dorothea Fink das sadistische Verhalten des Wachpersonals: »In den nächsten Tagen fragten einige Frauen die SS-Männer, was mit den Männern geschehen sei und
einer sagte, sie seien erschossen worden. Dann sagte wieder ein anderer, das sei nicht wahr. Daß unsere Männer ermordet wurden, habe ich eigentlich erst nach dem Krieg in Wien erfahren195.«
In der Ereignismeldung des SD
der Wehrmacht zur »Sühne« für die Gefallenen von Topóla erschossenen KZ-Insassen von Sabac zumindest indirekt ausgewiesen. Über das KZ Sabac heißt es dort: vom
20. Oktober 1941 sind die
von
»Gesamt-Gefangenenzahl ca. 22000, bisher überprüft etwa 8000, liquidiert bisher 910 durch die Wehrmacht196.«
Die im Lager zurückgebliebenen Frauen und Kinder des Transportes klammerten sich an die Hoffnung, daß die Männer doch noch am Leben seien. Auf unerklärliche Weise war es der Lagerinsassin Hansi Hahn im Dezember 1941 gelungen, eine Rot-Kreuz-Karte nach Palästina abzuschicken, die den Empfänger auch erreichte. Hansi Hahn verfaßte die Karte am 27. Dezember 1941. Wir wissen nicht, wie es ihr möglich war, diese Karte aus dem Lager zu bringen. Vielleicht befand sich jemand aus dem Lagerpersonal in Weihund hat die von an das Rote Kreuz Anfall Menschlichkeit in einem Karte nachtsstimmung weitergegeben, vielleicht wurde sie auch aus dem Lager geschmuggelt. Die wenigen ZeiBernd P. wurde 1966 ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes eingeleitet. Er hatte bei einer »Säuberungsaktion« zwei partisanenverdächtige Männer festgenommen und wie aus seinem Bericht vom 16.10.1941 zweifelsfrei hervorgeht an Ort und Stelle erschossen. Im Verfahren behauptete der nunmehrige Oberstleutnant der Bundeswehr, daß die beiden Männer auf der Flucht erschossen worden seien. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. YVA, 0 10/12, Brief von Dorothea Fink an ihren Schwager Henry Fink, 22.8.1945. Ebd., 0 17/80, Interview mit Anna Hecht. Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Ereignismeldung UdSSR Nr. 119, 20.10.1941. Die Differenz zwischen der am 9.10.1941 angeordneten Erschießung von 805 Juden und Zigeunern aus dem KZ Sabac und der Zahl der tatsächlich durch die Wehrmacht Erschossenen von 910 läßt sich nicht restlos klären. Möglicherweise wurden am 12. und 13.10.1941 von der Wehrmacht gleich alle Juden und Zigeuner des Lagers liquidiert, was eine Erklärung für die höhere Zahl wäre. Wahrscheinlicher hingegen ist eine andere Annahme: Inzwischen war ein weiterer Soldat, der beim »Topola-Überfall« verletzt worden war, verstorben. Damit erhöhte sich die Zahl der gefallenen Soldaten auf 22, was nach der »1:100-Quote« Böhmes bedeutete, daß an Stelle von 2 100 nunmehr 2200 Geiseln erschossen werden sollten. Die Annahme ist plausibel, daß 100 Häftlinge mehr als ursprünglich vorgesehen aus dem KZ Sabac erschossen worden sind. Allerdings bleibt auch dann noch eine Differenz von 5 Erschossenen, die nicht geklärt werden kann. —
—
194 195 194
96
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
len sind an Leo Klein in Haifa gerichtet, den Vater des damals 28jährigen Wiener Transportteilnehmers Walter Klein. In wenigen Worten drückt Hansi Hahn ihre Hoffnung als Gewißheit aus: »Walter in Arbeits-Außendienst. Denken an Euch, werde alles übermitteln. Abs.: Hansi Hahn, Jüdisches Auswanderer Lager Sabac, Serbien197.« Die Karte war viele Monate nach Palästina unterwegs. Am 2. August 1942 beantwortete Leo Klein das Lebenszeichen aus Sabac: »Deine Mitteilungen [...] erfreuten uns sehr. Was arbeitet Walter? Bekommt er Geld? Ist illeg. Korres-
pondenz unmöglich? Wir drei weiterhin gesund und beschäftigt. Innigste Wünsche allseits198!«
Die Wünsche erreichten Hansi Hahn und Walter Klein nicht mehr. Denn im August 1942 lebte keiner der in Sabac internierten Juden des »Kladovo-Transportes« mehr. In diesem Monat informierte Militärverwaltungschef Turner den neuen Militärbefehlshaber Südost, Generaloberst Löhr, daß die Judenfrage in Serbien bereits gelöst sei199. 11. 2200
Juden
und
Zigeuner
für
Valjevo
Noch während die als »Sühne« für Topóla durchgeführten Judenerschießungen im Gang waren, ereignete sich ein Vorfall, der Anlaß für das nächste Massaker an Juden bot. Nachdem General Böhme Ende September 1941 unter dem militärischem Druck der Partisanen- und Cetnikabteilungen bereits die wichtigen Städte Cacak und Uzice von den Einheiten der 717. ID hatte räumen lassen und sie nach Kragujevac verlegte, unterbreitete ihm das Höhere Kommando LXV den Vorschlag, die in der Stadt Valjevo stationierten Truppen rasch abzuziehen. Es schien aus militärstrategischen und infrastrukturellen Gründen nicht mehr vertretbar, den Raum um die Stadt Valjevo weiter zu verteidigen200. Doch General Böhme war nicht bereit, dem Rückzug von Einheiten der 704. DD (deren Austausch er gegen eine »andere Division gleicher Welle, die in der Ausbildung weiter fortgeschritten ist«201, noch zwei Tage zuvor beim AOK 12 beantragt hatte) zuzustimmen. Wie vom Höheren Kommando LXV befürchtet, wurden wenige Tage später Einheiten der 704. ID von Partisanen- und Cetniktruppen im Raum Valjevo eingeschlossen. Bei den Kämpfen fanden 10 Wehrmachtsoldaten den Tod, 24 wurden verwundet. 197 198
199
200
201
0 1/309, Rot-Kreuz-Brief von Hansi Hahn an Leo Klein, Ebd., Brief Leo Klein an Hansi Hahn, 2.8.1942.
YVA,
27.12.1941.
NOKW-Dokument 1486, Vortrag des Chefs der Militärverwaltung, SS-Gruppenführer Harald Turner, beim Wehrmachtbefehlshaber Südost, General Löhr, 29.8.1942. »Voraussetzung für die Umgruppierung in der vorgeschlagenen Weise ist die Aufgabe von Valjevo (704. DO). [...] Nachdem Uzice geräumt und die Antimonwerke von Krupanj verloren sind, hat die Beibehaltung von Valjevo nur noch Prestigewert. Es ist zu bedenken, daß die Versorgung von Valjevo durch Zerstörung der beiden nach Valjevo führenden Bahnstrecken und Sprengung von Brücken an den nach Valjevo führenden Straßen täglich größere Schwierigkeiten mit sich bringt« (BA-MA, RH 24—30/277, Höheres Kommando LXV an Bev. Komm. General in Serbien, 28.9.1941). Ebd., RH 24—18/87, Aktenvermerk über Orientierung des Chefs AOK 12 (Oberst Förtsch) über allgemeine Lage durch Komm. General Serbien, Stabschef Pemsel, 26.9.1941.
11. 2200
Juden
und
97
Zigeuner für Valjevo
Sein Versagen bei der operativen Planung kompensierte Böhme auf bereits bewährte Art: Er befahl die Erschießung von »Geiseln«. Seinen »1:100-Befehl« vom 10. Oktober 1941 hatte er inzwischen noch um den Aspekt der Sippenhaftung erweitert. Am 14. Oktober 1941 hatte er angeordnet, »daß zur Unterbindung der Nachrichtenübermittlung der Auf-
ständischen besonders die Angehörigen der Aufständischen zu erfassen sind, und zwar sowohl die männlichen Anverwandten als auch die Ehefrauen der Aufständischen. Für Erschießungen kommen jedoch nur die männlichen Angehörigen in Frage202.« Mittlerweile hatte sich die organisatorische Vorbereitung von Geiselerschießungen bereits eingespielt. Bei der »Topola-Aktion« hatte Böhme noch den Militärverwaltungschef Turner gebeten, entsprechende Opfer zur Verfügung zu stellen. Im Falle von Valjevo wurde Turner bereits selbst aktiv. Im Kriegstagebuch des Quartiermeisters beim Höheren Kommando LXV findet sich mit Datum vom 16. Oktober 1941 folgende Eintragung: »Chef Mil. Verw. schlägt Erschießung von 2200 Serben als Sühnemaßnahme für den Tod von 10 und die Verwundung von 24 deutschen Soldaten der in Valjevo eingeschlossenen Truppenteile vor und erbittet Erschießungskommando für 1600 (durch Pol. Res. Bat. 64 werden 600 erschossen)203.«
Am 19. Oktober 1941 wurde der Vorschlag Turners vom Stabschef Böhmes in einen Befehl an das 734. IR, das sogenannte »Wachregiment Belgrad«, umgesetzt: »In Durchführung des im Bezug genannten Befehls (>1 :100 Befehh Böhmes W.M.) werden für 10
gefallene und 24 verwundete deutsche Soldaten (Angehörige des in Valjevo eingeschlossenen Truppenteils) 2200 festgenommene Serben erschossen. Die Exekution ist an 1600 Festgenommenen durch Wachregiment Belgrad zu vollstrecken204.« —
Tags darauf übermittelte das »Wachregiment Belgrad« dem III. Bataillon des 433. IR den Befehl zur Zusammenstellung eines Erschießungskommandos. Dieses Bataillon, das aus rund 850 Mann der 9., 10., 11. und 12. Kompanie bestand, war wegen der zunehmenden Partisanentätigkeit Anfang September 1941 zur Unter734. des bei IR stützung Bewachungs- und Sicherungsaufgaben nach Belgrad verlegt worden205. Die landsmannschaftliche Zusammensetzung dieses Bataillons war klar gewichtet:
»Der Stamm des III. Bataillons
202
Ebd.,
RH 24—18/213,
204
personell aus Wienern zusammen206.«
(AOK 12),
Bev. Komm. General in Serbien
an
Wehr-
19.10.1941.
Ebd., RH 24—18/212, 16.10.1941. Ebd., RH 24—18/23, Pemsel an Höheres Kommando LXV zur Weiterleitung an Wachregiment Bel-
grad, 205
sich
Quartiermeisterabteilung beim
machtbefehlshaber Südost 203
setzte
19.10.1941.
Ebd., RH 24—18/87, Truppenunterkünfte in Serbien, Oktober 1941; Landesgericht Wien (im folgenden: LG Wien), AZ 27b/8508/62, Vorerhebungen gegen Otto K., Karl G. und Robert H. wegen Verdacht des Mordes, Zeugenaussage Adolf K., der dem Gericht die Durchschrift des Bataillonsbefehls über die
206
Versetzung nach Belgrad vom 8.9.1941 vorlegte. Vorerhebungen gegen Otto K. et al., Zeugenaussage Friedrich G.; ebenso Otto K. und Leopold St. Die Ursache für die Dominanz der Österreicher im III. Bataillon lag darin, daß im Frankreichfeld-
zug das Feldersatzbataillon 44 der 40. ostmärkischen ED als III. Bataillon in das neue IR 433 der 164. ID eingegliedert worden war; siehe Zeugenaussage Konstantin M., Chef der 10. Kompanie des III. Bataillons.
98
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
Bei einer Offiziersbesprechung informierte der stellvertretende Bataillonskommandeur, der aus Wien stammende Hauptmann Otto K.207, das Offizierkorps über den vom »Wachregiment Belgrad« erhaltenen Exekutionsbefehl und beauftragte den Chef seiner 9. Kompanie, Oberleutnant Hans-Dieter W208, mit der Zusammenstellung des Erschie-
ßungskommandos.
Hans-Dieter W. erinnerte sich bei seiner gerichtlichen Vernehmung im Jahre 1962, daß bei dieser Besprechung »seitens der anwesenden Offiziere ein Widerspruch gegen die angeordnete Maßnahme, bzw. den Befehl nicht laut« wurde, und er selbst »eine gewisse Berechtigung in einer solchen Aktion (sah), da unter uns Soldaten eine starke Erbitterung gegen die Partisanen herrschte209.« Etwa eine Woche später erhielt Oberleutnant W. von Hauptmann K. den mündlichen Befehl, mit ca. 40 Freiwilligen der 9. Kompanie in ein Belgrader Geisellager zu fahren, wo er weitere Anweisungen von der Einsatzgruppe erhalten würde. Oberleutnant W ließ daraufhin seine Kompanie antreten, informierte sie über den Auftrag, 1600 Menschen zu erschießen und fragte nach 40 Freiwilligen (Kompaniezugstärke) für die »Aktion«: »Es waren mehr als die benötigten 40 Mann, die sich für das Unternehmen freiwillig meldeten210.« Im
Morgengrauen des 27. Oktober
mentsärzten
ke
Supe.
begleitete
1941 fuhr der
von
Kompaniezug mit sechs LKW
Oberleutnant W und zwei
zum
Den weiteren Ablauf der Erschießungsaktion schilderte W.
RegiBelgrader Gefängnis Topovsvor
einem bundesdeutschen
Gericht: »Am
Lagereingang fragte ich den Posten nach dem Lagerführer und wurde daraufhin in eine Wachstusein Dienstzimmer geführt. Dem dort anwesenden SS-Führer stellte ich mich vor und teilte
be, bzw. 207
1897 in Wien, war Berufsoffizier in der k.u.k. Armee und bis 1922 seit 1935 illegales NSDAP-Mitglied (Zeugenenvernehmung Otto K. aus Voruntersuchung gegen Hans-Dieter W). Gegen Hauptmann Otto K. wurde in Österreich ein Strafverfahren u.a. wegen Mordes eingeleitet. Obwohl eindeutig erwiesen war, daß Otto K. den Exekutionsbefehl an Hans-Dieter W weitergegeben hatte, bestritt er jeglichen Zusammenhang mit der Erschießungsaktion. Dessen ungeachtet wurde das Verfahren gegen Otto K. in Österreich ein-
Hauptmann Otto K., geboren auch in der 1. Republik. Er
208
209
war
gestellt, da die Verfolgung wegen Mordes »auf jeden Fall durch Verjährung erloschen« sei und darüber hinaus die Schuldfrage zu verneinen sei, da Otto K. »aufgrund eines militärischen Befehls gehandelt (habe), welchen er in Hinblick auf die Aufruhrtätigkeit als militärische Notwendigkeit angesehen habe« (StA Wien, 15 St 27 412/62—11, Einstellungsverfügung). Hans-Dieter W. war schon in der Weimarer Republik Berufssoldat. 1959 trat er wieder als Berufssoldat im Range eines Majors in die Bundeswehr ein. Die folgenden Angaben stammen soweit keine andere Quelle angegeben ist von Zeugenaussagen aus der Voruntersuchung gegen den ehemaligen Oberleutnant der 9. Kompanie, III. Bataillon, ER 433, Hans-Dieter W, (Landgericht Konstanz, AR 146/63) bzw. aus Zeugenaussagen aus der Voruntersuchung gegen Otto K. et al. (LG Wien, 27b Vr 8508/62). Es ist schwer zu beurteilen, ob diese Aussage W.'s als Schutzbehauptung zu werten ist. Einige Gründe sprechen allerdings für die Richtigkeit der Aussage: W gab bei seiner Vernehmung unumwunden zu, daß er selbst »eine gewisse Berechtigung in einer solchen Aktion sah« warum also nicht auch die Soldaten seiner Kompanie? Auch in der Untersuchung wegen der »Topola-Sühneaktion« gab die Mehrzahl der vernommenen Zeugen an, daß sich das Exekutionskommando aus Freiwilligen zusammengesetzt hatte. —
210
—
—
11. 2200
Juden und Zigeuner für Valjevo
99
meinen Auftrag mit. [...] Der SS-Führer sagte mir nun, daß die notwendigen Anordnungen getroffen würden. Ich blieb nun einige Zeit dort im Büro, und als ich dieses verließ waren meine LKW bereits beladen. Der SS-Führer gab mir nun im Büro noch Erläuterungen über die Art der Durchführungen der Exekutionen. Er benannte mir auch den Ort, fügte jedoch hinzu, daß wir hingeführt würden. Ebenfalls wurden Schaufeln und Pickel durch die SS gestellt und in einem Fahrzeug von dort mitgenommen. Soweit ich mich erinnere, fuhren dann ca. 10 SS-Leute mit uns an den Erschießungsort. Die Zahl der zu erschießenden Personen wurde von dem SS-Führer aufnotiert und er teilte mir diese auch mit. Beim besten Willen kann ich mich heute nicht mehr an die genaue Zahl erinnern. Nach meiner Erinnerung und Schätzung waren es ca. 200 Personen, ausschließlich männlichen Geschlechts. Es wurde dann ein SS-Führer damit beauftragt, uns zu begleiten und einzuweisen. Wir kamen auch noch bei Dunkelheit aus der Stadt heraus. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie das Ziel unserer Fahrt hieß. [...] Die Fahrtzeit betrug etwa eine Stunde und so dürften wir etwa ca. 30 km von Belgrad entfernt gewesen sein211. Die SS fuhr mit ihrem Fahrzeug vorne weg und wies der Kolonne den Weg. Am Exekutionsort angelangt, wurde ich von dem uns begleitenden SS-Führer eingewiesen. Im Gelände benannte er einige Markierungspunkte, sodaß ungefähre Grenzen des Exekutionsortes damit gekennzeichnet waren. [...] Die Gefangenen mußten nun die Transportfahrzeuge verlassen und in Reihe etwa 200 bis 300 Meter in das Gelände marschieren. Von den SS-Leuten wurde das mitgebrachte Werkzeug (Spaten, Pickel, Schaufeln etc.) an den Exekutionsort gebracht. Die Gefangenen mußten das Werkzeug aufnehmen und wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe mußte für sich dann einen Graben ausheben, und zwar in einer Länge von etwa 50 bis 100 Metern, in einer Breite von etwa 150 cm und etwa 2 bis 2,5 Meter Tiefe. Die Erdarbeiten nahmen etwa 3 Stunden in Anspruch. Das ausgehobene Erdreich wurde jeweils auf eine Seite der Grube geworfen. Ich glaube, daß wir um die Mittagszeit mit dem Ausheben der Gruben fertig waren. Die äußere Sicherung wurde durch meine Soldaten übernommen. Die Soldaten waren nur mit einem Karabiner ausgerüstet. Insbesondere hatten wir darauf aufzupassen, daß von außen her niemand an den Exekutionsort gelangen konnte, und ferner, daß die Gefangenen nicht flüchten konnten. Weitere Soldaten hielten sich in unmittelbarer Nähe der beschäftigten Gefangenen auf. Zu Fluchtversuchen ist es aber nicht gekommen. [...] Nachdem die Gruben ausgehoben waren, mußten sich die Gefangenen in der Nähe aufhalten. Die Soldaten außer der Außensicherung mußten antreten. Sie wurden nun zur eigentlichen Exekution eingeteilt. Ich habe so bestimmt, daß je drei Soldaten auf einen Gefangenen zu schießen hatten. Die Gefangenen mußten sich dicht an der Grube in Reihe, Berichtigung: in Linie aufstellen. Die Blickrichtung war vom Schützen weg. Die Soldaten standen ebenfalls in Linie in einer Entfernung von etwa 12 Metern. Wie ich schon sagte, waren für einen Häftling drei Schützen bestimmt. Wenn ich also 30 Schützen zur Verfügung hatte, mußten sich 10 Häftlinge jeweils zur Exekution an der Grube aufstellen. Die Soldaten waren mit Karabinern ausgerüstet. Die drei Soldaten, die auf einen bestimmten Gefangenen zu schießen hatten, hatten ihre Schüsse auch an ganz bestimmten Stellen anzubringen. Ich habe so bestimmt, daß zwei Soldaten auf das Genick und ein Soldat auf das Herz zu zielen hatten. Dadurch glaubte ich, den Gefangenen einen möglichst schmerzlosen Tod bereiten zu können. Die Gefangenen wurden von irgendeinem Unteroffizier zur Exekution eingeteilt212. [...] Ich selbst habe mich nur bei meinen Soldaten aufgehalten. Nachdem eine Gefangenengruppe jeweils an der Grube Aufstellung genommen hatte, habe ich diesen weisungsgemäß eröffnet, daß sie auf Befehl des Führers —
—
Der Exekutionsort lag
wie schon bei einer der »Topola-Erschießungsaktionen«, auf dem Erschießungsgelände zwischen Pancevo und Jabuka, ca. 30 km nördlich von Belgrad (siehe Skizze des Erschießungsgeländes der »Valjevo-Exekutionen« durch die 9. Kompanie, 433. ER., NOKW-Dokument 905). Offensichtlich war die zerstörte Donaubrücke, deretwegen die weiteren Erschießungsaktionen der 3. und 4. Kompanie/ANR 521 Mitte Oktober 1941 von dieser Stätte auf den Schießplatz Avala in Belgrad verlegt worden waren, bereits wieder instandgesetzt. —
Nach Aussage des Schützen Josef B. nahm der österreichische Unteroffizier Karl G. die Auswahl der Schützen vor. Karl G. gab den noch nicht tödlich Getroffenen auch den Gnadenschuß.
100
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der
männlichen
Juden
in Serbien
Adolf Hitler wegen Partisanentätigkeit zum Tode verurteilt seien. Ich habe mich dabei der deutschen Sprache bedient. Ob ich von den Gefangenen verstanden worden bin, entzieht sich meiner Kenntnis. Nach dieser Erklärung gegenüber den Gefangenen gab ich meinen Soldaten den Feuerbefehl. Diese standen mit geladenen und gesicherten Karabinern in Linie. Auf meinen Befehl: >Legt an< wurde der Karabiner in Anschlag genommen und entsichert. Auf den Befehl: >Gebt Feuer!< wurde geschossen. Nach Abgabe des Schusses wurde durchgeladen, gesichert und das Gewehr abgenommen. Der Arzt und ich kontrollierten nun die erschossenen Häftlinge, ob der Tod eingetreten sei. Der Arzt ging an der Linie vorbei. Wenn sich kein Gefangener mehr bewegte, erklärte er den Tod für eingetreten. Soweit ich mich erinnere, fielen die Erschossenen immer gleich in die Grube. So wurde Gruppe für Gruppe erschossen. Die Grube wurde jeweils nur einschichtig belegt, ich möchte also sagen, daß eine Schicht nicht mit Erdreich überschüttet und dann mit einer erneuten Schicht überdeckt worden ist. Wenn eine Grube mit Toten belegt war, wurde diese von den noch lebenden Gefangenen zugeschüttet und danach erfolgte die weitere Exekution an der anderen Grube. Die Gefangenen mußten sich vor der Exekution nicht entkleiden. So wie die Gefangenen an die Richtstätte gebracht worden sind, wurden sie auch erschossen. Die SS-Leute blieben am Ort bis die Exekution beendet worden war und haben dann die Werkzeuge wieder mitgenommen. Meiner Erinnerung nach war die erste Exekution am späten Nachmittag beendet. Als wir in die Kaserne einrückten, war es bereits dunkel. [...] Alles spielte sich genau so ab, wie bei der ersten Exekution. Es waren auch in diesem Fall wieder etwa 200 Gefangene. [...] Diese zweite Exekution fand auch am selben Ort wie die erste statt. Dabei wurden die Gruben lediglich so gelegt, daß mit den anderen Gruben keine Berührung zustande kam. [...] Die dritte von mir geleitete Exekution fand etwa eine Woche nach der zweiten statt. Auch hierbei sind wieder etwa 200 Menschen erschossen worden. Während bisher nur Männer erschossen wurden, war bei dieser Exekution auch eine jüngere Frau dabei. Sie war etwa 20 bis 30 Jahre alt. [...] Bei sämtlichen Exekutionen war ein SS-Kommando dabei. Offenbar haben diese die Gefangenen, die zur Erschießung kamen, irgendwie registriert. Irgendeine Tätigkeit am Exekutionsort übten sie nicht aus. Sie brachten lediglich das Werkzeug und nahmen es nachher wieder mit. Möglicherweise haben sich diese SS-Leute auch an der Bewachung während des Transports beteiligt. Sonst war das die Aufgabe meiner Soldaten. [...] Bei meiner Einheit hat es geheißen, die Polizei werde mit den Erschießungen nicht fertig, obwohl sie täglich Erschießungn durchführen würde. [...] Zum Zeitpunkt der Durchführung der Exekutionen war meiner Erinnerung nach der Bataillonskommandeur, Hauptmann E., nicht anwesend. Den Befehl zur Durchführung dieser Exekutionen habe ich jeweils nur von Hauptmann (Otto) K. erhalten.«
Hans-Dieter W läßt in seiner, wegen ihrer Emotionslosigkeit und ihres Detailreichtums besonders grauenhaften Schilderung des Exekutionsvorganges allerdings einen Punkt ausgeklammert. Er erzählte dem Gericht nicht, wer diese etwa 600 Menschen eigentlich waren, die an drei Tagen im Oktober/November 1941 auf sein Kommando hin von seinen Kompaniekameraden erschossen worden sind. Mit keinem Wort erwähnt er einen Bericht, den er nach der Erschießungsaktion zu Allerheiligen 1941 eigenhändig verfaßt hatte: »Geheim Oberleutnant Walther O.U., den 1.11.1941 Chef 9./I.R. 433.
Erschießung von Juden und Zigeunern Nach Vereinbarung mit der Dienststelle der SS holte ich die ausgesuchten Juden bzw. Zigeuner vom Gefangenenlager Belgrad ab. Die LKW der Feldkommandantur 599, die mir hierzu zur Verfügung standen, erwiesen sich als unzweckmäßig aus zwei Gründen: Bericht über die
11. 2200
Juden und Zigeuner für Valjevo
101
Geheimhaltung ist dadurch nicht sichergestellt. so daß die Bevölkerung der Stadt sah, wen wir auf den hatten und wohin dann fuhren. wir Vor dem Lager waren Frauen der Juden versammelt, Fahrzeugen 1. Werden sie
von
Zivilisten
gefahren.
2. Waren sie alle ohne Verdeck oder
Die
Plane,
die heulten und schrien, als wir abfuhren. Der Platz, an dem die Erschießung vollzogen wurde, ist sehr günstig. Er liegt nördlich von Pancevo unmittelbar an der Straße Pancevo-Jabuka, an der sich eine Böschung befindet, die so hoch ist, daß ein Mann nur mit Mühe hinauf kann. Dieser Böschung gegenüber ist Sumpfgelände, dahinter ein Fluß. Bei Hochwasser, (wie am 29.10.) reicht das Wasser fast an die Böschung. Ein Entkommen der Gefangenen ist daher mit wenig Mannschaften zu verhindern. Ebenfalls günstig ist der Sandboden dort, der das Graben der Gruben erleichtert und somit auch die Arbeitszeit verkürzt. Nach Ankunft etwa 1,5—2 km vor dem ausgesuchten Platz stiegen die Gefangenen aus, erreichten im Fußmarsch diesen, während die LKW mit den Zivilfahrern sofort zurückgeschickt wurden, um ihnen möglichst wenig Anhaltspunkte zu einem Verdacht zu geben. Dann ließ ich die Straße für sämtlichen Verkehr sperren aus Sicherheits- und Geheimhaltungsgründen. Die Richtstätte wurde durch 3 1. M. G. und 12 Schützen gesichert: 1. Gegen Fluchtversuche der Gefangenen. 2. Zum Selbstschutz gegen etwaige Überfälle von serbischen Banden. Das Ausheben der Gruben nimmt den größten Teil der Zeit in Anspruch, während das Erschießen selbst sehr schnell geht (100 Mann 40 Minuten). Gepäckstücke und Wertsachen wurden vorher eingesammelt und in meinem LKW mitgenommen, um sie dann der NSV zu übergeben. Das Erschießen der Juden ist einfacher als das der Zigeuner. Man muß zugeben, daß die Juden sehr gefaßt in den Tod gehen sie stehen sehr ruhig, während die Zigeuner heulen, schreien und sich dauernd bewegen, wenn sie schon auf dem Erschießungsplatz stehen. Einige sprangen sogar vor der Salve in die Grube und versuchten sich tot zu stellen. Anfangs waren meine Soldaten nicht beeindruckt. Am 2. Tage machte sich schon bemerkbar, daß der eine oder andere nicht die Nerven besitzt, auf längere Zeit eine Erschießung durchzuführen. Mein persönlicher Eindruck ¡st, daß man während der Erschießung keine seelischen Hemmungen bekommt. Diese stellen sich jedoch ein, wenn man nach Tagen abends in Ruhe darüber nachdenkt. —
Walther, Oberleutnant213.«
Oberleutnant W wußte genau, wen er erschießen ließ. Er registrierte sogar die unterschiedliche Reaktion von Juden und Zigeunern angesichts ihrer bevorstehenden Erschießung. Der Bericht zeigt, daß die Tarnung der Aktion wenig sorgfältig, ja geradezu dilettantisch durchgeführt wurde. Um vom Belgrader Lager Topovske Supe nach Pancevo zu gelangen, wurden die Juden und Zigeuner auf offenen LKW durch Belgrad gefahren und konnten von jedermann gesehen werden. Es deutet einiges in Ws Bericht darauf hin, daß die Opfer (ähnlich wie bei den vorhergegangenen »Topola-Erschießungen«) erst am Exekutionsort von ihrer bevorstehenden Erschießung erfahren haben. Die 40 Mann des Wehrmacht-Exekutionskommandos wußten zweifellos genau darüber Bescheid, wer die insgesamt etwa 600 Menschen waren, die sie zu erschießen hatten. Auch unter der Annahme, vor der Durchführung des Massakers sei allgemein nur von einer »Geiselerschießung« gesprochen worden, kann es ab dem Zeitpunkt der Ankunft im KZ Belgrad für die Soldaten des Kommandos keinen Zweifel mehr gegeben haben, um welche Opfergruppe es sich handelte. Die vernommenen Angehörigen des Erschießungskommandos leugneten, gewußt zu haben, daß es sich bei den Opfern um Juden und Zigeuner handelte. Eine Vielzahl von Zeugen aus der 9. Kompanie dagegen, die von sich behaupteten, 213
BA-MA, RH 26-104/15, Tätigkeitsbericht der
704. ID.
102
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
nicht dem Exekutionskommando angehört zu haben, gaben bei ihrer Vernehmung unumwunden zu, es sei bei der Einheit bekannt gewesen, daß die Exekutierten Juden und Zigeuner waren. Spätestens am Erschießungsplatz sahen die Soldaten, welche Opfer sie vor sich hatten: Die Männer, Frauen und Jugendlichen waren mit einem gelben Armband, der auf dem Balkan gebräuchlichen Variante des »Judensterns«, gekennzeichnet. Die Erklärung und Rechtfertigung von Hans-Dieter W kann in ihrer ganzen absurden Logik als durchaus typisch für die damalige Stimmung unter den Besatzungssoldaten angesehen werden. Mit seinem Bericht vom November 1941 konfrontiert, gab der nunmehrige Major der Bundeswehr im Jahre 1962 zu Protokoll: »Mir war damals schon klar, daß es sich bei den Delinquenten um Juden und Zigeuner gehandelt hat, die aber erschossen werden mußten, um der Partisanentätigkeit entgegenzuwirken. Die Maßnahme —
—
sollte einerseits abschreckend wirken und andererseits eine Sühne für schon geschehene Verbrechen durch Partisanen sein. [...] Über all die Geschehnisse möchte ich abschließend folgendes erklären: Ich bin mir damals nicht bewußt gewesen, daß ich in der Ausführung dieses Befehles etwas Unmenschliches oder Unrechtes tun würde. Ich wurde erzogen, Befehle auszuführen und (hatte) nach der damaligen Auffassung nicht das Recht, diese Befehle zu verweigern.«
Bei den drei Exekutionen wurden insgesamt ca. 600 Juden und Zigeuner erschossen214. Da sich diese Einheit großteils aus Österreichern rekrutierte, kann man dies auch vom
Exekutionskommando annehmen. Schriftliche Aufzeichnungen darüber gibt es nicht. Im Zuge der Vorerhebungen gegen Hans-Dietrich W und Otto K. wurden nur zwei weitere österreichische Teilnehmer vernommen: der Unteroffizier Karl G., ehemaliges illegales SA-Mitglied im Range eines Sturmführers, war als Zugführer der 9. Kompanie für die Auswahl der Schützen am Exekutionsort zuständig und »erledigte« die nicht tödlich Getroffenen durch einen Schuß aus kürzester Distanz. Der Wiener Robert H. war als Schütze eingesetzt. Sowohl in der BRD als auch in Österreich wurden die wegen Mordverdachts eingeleiteten Vorerhebungen gegen sämtliche Beteiligten eingestellt. 12. »Eichmann
schlägt
So notierte Rademacher den Inhalt eines
Erschießen
vor«
September 1941 mit Eichmann geführten Telefongespräches, bei dem der Legationsrat des Auswärtigen Amtes gefragt hatte, ob eine Deportation von 8 000 Juden aus Serbien nach dem Osten möglich wäre215. Das Auswärtige Amt hatte sich schon im Mai 1941 durch Rademacher, den Leiter der Abteilung D III (Judenfragen), in die »serbische Judenfrage« eingeschaltet, als es darum gegangen war, das Vorgehen der Besatzungsorgane bei den »Arisierungen« und bei der Ausschaltung der Juden aus dem öffentlichen Leben zu inspizieren und nötigenfalls mit Ratschlägen unterstützend einzugreifen216. Im Spätsommer 1941 wurde das Auswärtige 214
215 216
am
13.
Zumindest 101 Juden und Zigeuner wurden vom 734. IR der 704. ID erschossen (NOKW 1017). Ob die restlichen rund 1500 vorgesehenen »Sühneopfer« von dem im Erschießungsbefehl erwähnten Pol. Res. Bat. 64 erschossen worden sind, ist ungeklärt. NG-Dokument 3354. Siehe Kapitel I.
12. »Eichmann
schlägt
Erschießen
vor«
103
Amt wiederum aktiv, als der Gesandte in Serbien, Benzler, die Deportation der Juden Serbiens nach Rumänien oder nach dem Osten forderte. Ab Mitte August hatten Benzler und der ihm nunmehr zur Seite gestellte Judenexperte des Auswärtigen Amtes, Edmund Veesenmayer217, in mehreren Telegrammen den Abschub der Juden aus Serbien nach-
drücklich
gefordert:
»Nachweislich haben sich bei zahlreichen Sabotage- und Aufruhrakten Juden als Mittäter herausgestellt. Es ist daher dringend geboten, beschleunigt für Sicherstellung und Entfernung zum mindesten aller männlichen Juden zu sorgen. Die hierfür in Frage kommende Zahl dürfte etwa 8000 betragen. Es befindet sich zur Zeit ein Konzentrationslager im Bau, doch erscheint es im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung ratsam, diese Juden so rasch als möglich außer Landes zu bringen, d. h. mit Leerfrachtkähnen die Donau abwärts, um sie auf rumänischem Gebiet (Insel im Donaudelta) abzusetzen218. [...] Rasche und drakonische Erledigung serbischer Judenfrage ist dringendstes und zweckmäßigstes Gebot. Erbitte vom Herrn RAM (Reichsaußenminister Ribbentrop WM.) entsprechende Weisung, um beim Militärbefehlshaber Serbien mit äußerstem Nachdruck wirken zu können219.« —
Vorschlag des Auswärtigen Amtes, die Juden in Arbeitslagern zu internieren und Zwangsarbeit einzusetzen220, lehnte Benzler mit der zynischen Begründung ab, sie
Den zur
seien »Unruhestifter« und »Gerüchtemacher«:
»Unterbringung in Arbeitslagern bei jetzigen inneren Zuständen nicht möglich, da Sicherung nicht gewährleistet. Judenlager behindern und gefährden sogar unsere Truppen. [...] Andererseits tragen Juden nachweislich zur Unruhe im Lande wesentlich bei. Im Banat hat, seit dort Juden entfernt worden sind, hier in Serbien besonders schädliche Gerüchtemacherei sofort aufgehört. Abschiebung zunächst männlicher Juden ist wesentliche Voraussetzung für Wiederherstellung ordnungsgemäßer Zustände. Wiederhole daher dringend meine Bitte (Judenabschub nach Rumänien W. M.). Falls sie erneut abgelehnt wird, bleibt nur noch sofortige Abschiebung etwa nach Generalgouvernement oder Rußland, was aber erhebliche Transportschwierigkeiten machen dürfte. Anderenfalls muß Judenaktion vorläufig zurückgestellt werden, was gegen die von Herrn RAM erteilten Weisungen«221. —
dieses Telegramms telephonierte Rademacher mit Eichmann. Rademacher notierte handschriftlich die Antwort Eichmanns:
Aufgrund
»Nach Auskunft Sturmbannführer Eichmann RSHA IV D VI (IV B 4 WM.) Aufnahme in Rußland und Generalgouvernement unmöglich, nicht einmal die Juden aus Deutschland können dort untergebracht werden222.« -
Der Vorschlag Eichmanns schlug sich indirekt in der Aufzeichnung Rademachers nieder,
die er noch am selben Tag für seinen Vorgesetzten, Unterstaatssekretär Luther, verfaßte: 217
PA-AA, Büro des Staatsekretärs, Jugoslawien, Bd 3, Telegramm Benzlers an Staatssekretär Weizäcker,
SS-Brigadeführer Veesenmayer wurde im Frühjahr 1944 als Generalbevollmächtigter des Auswärtigen Amtes nach Ungarn entsandt, um die ungarischen Behörden zur Zusammenarbeit mit der deutschen Polizei bei der Liquidierung der ungarischen Juden zu bewegen. Veesenmayer wurde 23.7.1941.
218 219 220
221 222
im »Wilhelmstraße-Prozeß« zu 20 Jahren Haft verurteilt und 2 Jahre später aus dem Gefängnis Landsberg entlassen (zur Karriere Veesenmayers siehe, Wistrich, Wer war wer im Dritten Reich?, S. 364 f.). PA-AA, Inland Hg, Telegramm Veesenmayers und Benzlers an AA, 8.9.1941. Ebd., Telegramm Veesenmayer und Benzlers an AA, 10.9.1941. Ebd., Fernschreiben Unterstaatssekretär Luthers an Benzler, 9.9.1941. Ebd., Telegramm Benzlers an AA, 12.9.1941. NG-Dokument 3354, handschriftliche Notiz Rademachers vom 13.9.1941 auf dem Telegramm Benzlers vom 12.9.1941.
104
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der männlichen Juden
in Serbien
es bei der nötigen Härte und Entschlossenheit möglich sein, die Juden auch in Serbien halten. Wenn die Juden dort nach wie vor Unruhen schüren, muß gegen sie mit verschärftem Standrecht vorgegangen werden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Juden weiter konspirieren, wenn erst eine größere Anzahl von Geiseln erschossen ist223.«
»M. E. müßte
in
Lagern
zu
Schon sichtlich gereizt durch die Hartnäckigkeit, mit der Benzler die seitens des Auswärtigen Amtes kaum durchführbare Judendeportation aus Serbien forderte, nahm Luther den radikaleren Vorschlag seines Judenexperten Rademacher auf und telegraphierte am 16. September 1941 an Benzler: —
—
»Es muß bei hartem und unnachgiebigem Vorgehen möglich sein, den Juden den Appetit daran zu nehmen, im Lande Unruhen zu verbreiten. Die in Lagern zusammengefaßten Juden müssen eben als
Geiseln für das Wohlverhalten ihrer
Rassegenossen dienen224.«
Am selben Tag ernannte Hitler General Böhme zum Bevollmächtigten Kommandierenden General in Serbien. Es ist anzunehmen, daß Böhme sofort nach seinem Eintreffen
in Belgrad (18. September 1941) von Benzler über die Schwierigkeiten, die der »raschen und drakonischen Erledigung der serbischen Judenfrage« im Wege standen, ebenso informiert wurde wie über die Vorschläge des Auswärtigen Amtes, die Juden als Geiseln zu internieren. Der Militärverwalter Turner jedenfalls unterbreitete in seinem ersten Lagebericht an Böhme konkrete Vorschläge für das weitere Vorgehen: »Ebenso wäre die schon eingeleitete Inhaftierung sämtlicher Juden in verschärfter Form durchzuführen und zugleich die Inhaftierung der Zigeuner225.«
möglicherweise monatelange Internierung von Juden stand den Plänen Böhmes allerdings diametral entgegen. Für seine geplante Strafaktion, die eine Erschießung bzw. Internierung von zehntausenden Serben vorsah, war die Kapazität der serbischen Konzentrationslager ohnehin viel zu gering, so daß Böhme sofort den Bau weiterer und den Ausbau bestehender Konzentrationslager in Angriff nahm. Eine längerfristige Internierung von rund 20000 Juden hätte die zur Verfügung stehende Lagerkapazität bei weitem über-
Eine
schritten. Durch die Interessengleichheit mit Böhme in seiner Position gestärkt, richtete Benzler sofort nach dem Beginn der Strafaktion ein persönliches Telegramm an Ribbentrop; darin beklagte er sich über die bisherige Zurückweisung seiner mehrmaligen Forderungen nach Unterstützung der Deportation serbischer Juden:
»Sofortige Lösung der Judenfrage ist im Augenblick hier politisch wichtigste Aufgabe und Voraussetzung für Inangriffnahme der Beseitigung von Freimaurern und uns feindlicher Intelligenz. Im Gange befindliche militärische Aktion zur Aufstandsbekämpfung schafft jetzt geeigneten Zeitpunkt für Beginn der Aktion. Zudem hat mich General Böhme ebenso wie Militärbefehlshaber (Danckelmann) erneut nachdrücklichst gebeten, auch in ihrem Namen möglichst sofortige Abschiebung Juden außer Landes zu erwirken. Es handelt sich um zunächst 8000 männliche Juden, deren Unterbringung in eigenen Lagern unmöglich, da diese für Unterbringung von rund 20000 Serben aus Aufstandsgebieten in Anspruch genommen werden müssen. Unterbringung in neuen Lagern und außerhalb Belgrads infolge Aufstandslage ebenfalls unmöglich. Mit restlichen, etwa 20000 Juden und Familienangehörigen226, werden wir hier 223
224 2" 226
Ebd., Memorandum Rademachers für Luther, Ebd., Luther an Benzler, 16.9.1941. NOKW-Dokument 892, 21.9.1941. Die Zahl war bei weitem überhöht.
13.9.1941.
12. »Eichmann
schlägt
Erschießen
vor«
105
fertig werden müssen. Abschiebung auf Insel im Donaudelta erscheint transportmäßig die einfachste
Lösung, da Leerfrachtkähne sofort bereit stehen. [...] Erbitte zusammen mit Veesenmayer in dieser Frage, die erste Voraussetzung für angestrebte Dauerbefriedung, dringendst Ihre Unterstützung^ .« Daß die »Judenfrage« Ende September 1941 in Serbien die »im Augenblick hier politisch wichtigste Aufgabe« gewesen sei, klingt nur aufs erste gänzlich absurd. Zu diesem Zeitpunkt war die Abwehr von Angriffen der Partisanen- und Cetnik-Truppen das einzige politisch und militärisch relevante Problem. Das wußte natürlich auch Benzler. Indirekt spielte jedoch die beabsichtigte Entfernung der Juden bei militärischen Überlegungen insofern eine Rolle, als die zusätzliche Internierung von Juden in serbischen Lagern der bereits angelaufenen Strafaktion Böhmes im Wege gestanden wäre. Die Annahme, Benzler habe das zukünftige Schicksal der Juden in Serbien erahnt und sie mittels Deportation in Sicherheit bringen wollen, würde seine Intentionen verkennen. Vielmehr waren Benzler und sein Kompagnon Veesenmayer offensichtlich bestrebt,
mit der Deportation von bereits etwa 8 000 in Konzentrationslagern internierten Juden den ersten Beitrag zu leisten, um Serbien »judenfrei« zu machen und damit wichtige Pluspunkte für die eigene Karriere zu sammeln. In dieser Periode gab es unter den nationalsozialistischen Funktionsträgern geradezu einen Konkurrenzkampf um den Triumph, den jeweiligen Machtsektor am schnellsten von Juden zu »säubern«. Aufgrund des Benzler-Telegrammes war am 4. Oktober 1941 in Berlin zwischen Unterstaatssekretär Luther und dem Chef der Sipo und des SD, Heydrich, vereinbart worden, den »Sturmbannführer Eichmann im Laufe nächster Woche in Begleitung von Legationsrat Rademacher nach Belgrad«228 zu schicken; dadurch sollte für das weitere Vorgehen in der »serbischen Judenfrage« an Ort und Stelle Klarheit geschaffen werden. General Böhme hatte mittlerweile, ohne auf Befehle aus Berlin zu warten, selbst die »Lösung der Judenfrage« in Angriff genommen. Er wußte nichts von Eichmanns drastischem Vorschlag, zog jedoch die gleichen Schlüsse. Als Luther mit Heydrich noch über die nächsten Schritte konferierte, hatte Böhme bereits angeordnet, vorerst 2200 Juden und Zigeuner als »Sühne« für die deutschen Verluste bei Topóla durch die Wehrmacht erschießen zu lassen. General Böhme erledigte damit gleich mehrere Anliegen auf einen Schlag. Sein Befehl zeugt durchaus von herrschaftstechnischer Zweckrationalität: 1. Ca. 8 000 männliche Juden waren bereits in KZ und standen somit für Erschießungen »auf Abruf« zur Verfügung. 2. Seitens der serbischen Quisling-Regierung Nedic war mit keinerlei politischen Schwierigkeiten zu rechnen. Auch von der Bevölkerung war bei Judenerschießungen kein massiver Protest zu erwarten229. In einem Gespräch mit Benzler hatte Nedic das »schärfste sofortige Vorgehen gegen Juden« als eine der Hauptaufgaben bezeichnet230. 227 228
PA-AA, Inland Hg, Telegramm Benzlers an Ribbentrop, Ebd., Fernschreiben Luthers an Benzler, 8.10.1941.
28.9.1941.
Regierung und Bevölkerung ist keinerlei Widerstand (bei Maßnahmen gegen WM.) zu erwarten, um so weniger, als bisherige Teilmaßnahmen sich bestens bewährt haben« (Ebd., Telegramm Benzlers an Auswärtiges Amt, 10.9.1941). 230 PA-AA, Inland Hg, Telegramm Benzlers an Auswärtiges Amt, 2.9.1941. 229
»Seitens serbischer
Juden
—
106
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der
männlichen
Juden
in Serbien
3. Die aus rassischen Gründen internierten Juden waren für die deutschen Besatzer politisch-militärisch weit weniger gefährlich als Personen, die in sogenannten »Aufstandsgebieten« lebten und den infrastrukturellen und versorgungsmäßigen Rückhalt für die Guerilla darstellten. Um aber diese, vom Standpunkt der Besatzer aus gesehen, wesentlich gefährlicheren Personen internieren zu können, mußten zuerst die Juden aus den Lagern entfernt werden. 4. Dem Bevollmächtigten General in Serbien waren zwar alle Besatzungsinstanzen also Wehrmacht, Militärverwaltung, SD, Gesandter und Wirtschaftsbevollmächtigter unterstellt, doch war er aufgrund der prekären militärischen Lage und der geringen Truppenpräsenz auf eine möglichst gut abgestimmte und konfliktfreie Kooperation mit den übrigen Dienststellen bedacht. Böhmes Entscheidung, vorrangig Juden und Zigeuner als sogenannte »Geiseln« erschießen zu lassen, verschaffte ihm Respekt und Zustimmung bei der SD-Einsatzgruppe und beim Militärverwaltungschef, SS-Gruppenführer Turner. Mit Genugtuung meldete die Einsatzgruppe Fuchs nach Berlin: —
—
»Nachdem bis zur Einsetzung des Bevollmächtigten Kommandierenden Generals in Serbien ein rücksichtsloses Durchgreifen der Truppe an dem NichtVorhandensein entsprechender eindeutiger Befehle scheitern mußte, ist durch den Befehl des Generals Böhme, lt. welchem für jeden erschossenen Soldaten 100 und für jeden verwundeten Soldaten 50 Serben exekutiert werden, eine vollkommene klare Linie geschaffen worden231.«
Böhme mußte auch keine Widerstände von seinen übergeordneten Dienststellen, also dem AOK 12 in Saloniki und dem OKW in Berlin, befürchten. Er meldete im Laufe des Oktober und November 1941 ständig die erfolgten Judenerschießungen an das AOK 12, ohne daß seitens dieser Stelle irgendein Ansatz von Protest oder auch nur die Frage aufgetaucht wäre, in welchem wie immer gearteten Kausalzusammenhang die Erschießung von Juden und Zigeunern zum »Partisanenaufstand« stünde232. Am 18. Oktober 1941 trafen Rademacher und die beiden RSHA-Vertreter, Sturmbannführer Regierungsrat Suhr und Untersturmführer Stuschka in Vertretung des verhinderten Eichmann in Belgrad ein, um an »Ort und Stelle zu prüfen, ob nicht das Problem der 8000 jüdischen Hetzer, deren Abschiebung von der Gesandtschaft gefordert wurde, an Ort und Stelle erledigt werden könne«233. Sie stellten zu ihrer Verblüffung fest, daß General Böhme in der Zwischenzeit bereits selbst die »Losung des Problems« in Angriff genommen hatte und nur mehr die Frage zur Diskussion stand, was mit den jüdischen Frauen und Kindern geschehen sollte. Nach Berlin zurückgekehrt, berichtete Rademacher: —
—
—
—
231 232
233
NO-Dokument 3402, SD-Ereignismeldung UdSSR Nr. 120, 21.10.1941. Als Beispiel sei hier nur die Tagesmeldung des Befehlshabers Serbien vom 9.10.1941 erwähnt, in der es heißt: »Als Sühne für 22 Ermordete des A.N.Rgt. 521 werden 2000 Kommunisten und Juden erschossen.« Diese Meldung erhielten die Abt. Ic/AO des Wehrmachtbefehlshabers Südost, das OKW (Wehrmachtführungsstab), das OKH (Fremde Heere Ost, Amt Zeppelin, Balkan, Vorderer Orient), das OKH (Generalstab des Heeres, Operationsabteilung), das OKL (Luftwaffenführungsstab, Abt. Ic) und der Befehlshaber Saloniki-Ägäis (Siehe NOKW-Dokumente 251 und 1660). PA-AA, Inland Hg, Aufzeichnung Rademachers über das Ergebnis seiner Dienstreise nach Belgrad, 7.11.1941.
12. »Eichmann
schlägt
Erschießen
107
vor«
gehende Verhandlungen mit den Sachbearbeitern der Judenfrage, Sturmbannführer Weider Dienststelle Turner, dem Leiter der Staatspolizeistelle, Standartenführer Fuchs und des-
»Ins Einzelne mann von
Judenbearbeitern ergaben: Juden sind bis Ende dieser Woche erschossen, damit ist das in dem Bericht der Gesandtschaft angeschnittene Problem erledigt. 2. Der Rest von etwa 20000 Juden (Frauen, Kinder und alte Leute) sowie rund 1 500 Zigeuner, von denen die Männer ebenfalls noch erschossen werden, sollte im sogenannten Zigeunerviertel der Stadt Belgrad als Ghetto zusammengefaßt werden. Die Ernährung für den Winter könnte notdürftig sichergestellt werden234.« sen
1. Die männlichen
Auch
Militärverwaltungschef Turner konnte noch während der Anwesenheit seiner Gesprächspartner aus dem Auswärtigen Amt und dem RSHA am 20. Oktober 1941 nach
Berlin melden:
»Erfassung aller männlichen Juden in Belgrad im Lager durchgeführt. Vorarbeiten für Juden-Ghetto in Belgrad beendet. Nach bereits durch Befehlshaber Serbien befohlenen Liquidierung der restlichen männlichen
Juden
wird das Ghetto
etwa
10000
Judenweiber und -kinder umfassen235.«
jüdische Männer sollten von der Wehrmacht am Leben gelassen werden und als Gesundheits- und Ordnungsdienst im Judenlager eingesetzt werden236. Drei Tage zuvor hatte Turner einen persönlichen Brief an seinen Freund, SS-Gruppenführer Richard Hildebrandt, geschrieben. Als Einziger unter all denen, die an den Erschießungen von Juden und Zigeunern zur »Sühne« von Partisanenangriffen beteiligt oder davon informiert waren, zeigte der SS-Gruppenführer zumindest Ansätze ambivalenter Gefühle. In eitler Überhöhung seiner eigenen Rolle, schrieb er: 500
»Habe ich dann in den letzten 8 Tagen 2 000 Juden und 200 Zigeuner erschießen lassen nach der Quote 1:100 für bestialisch hingemordete deutsche Soldaten (die Gefallenen bei Topóla W. M.) und weitere 2200, ebenfalls fast nur Juden, werden in den nächsten 8 Tagen erschossen (für die Gefallenen in Valjevo W. H.). Eine schöne Arbeit ist das nicht! Aber immerhin muß es sein, um einmal den Leuten klar zu machen, was es heißt, einen deutschen Soldaten überhaupt nur anzugreifen, und zum anderen löst sich die Judenfrage auf diese Weise am schnellsten. Es ist ja eigentlich falsch, wenn man es genau nimmt, daß für ermordete Deutsche, bei denen ja das Verhältnis 1:100 zu Lasten der Serben gehen müßte, nun 100 Juden erschossen werden, aber die haben wir nun mal im Lager gehabt- schließlich sind es auch serbische Staatsangehörige, und sie müssen ja auch verschwinden 37.« —
—
Zwischen Juni und November 1941 war der Großteil der in Serbien lebenden männlichen Juden und Teile der Zigeuner im Alter zwischen 14 und 70 Jahren von den Besatzern getötet worden. Dabei war die Initiative zur Ermordung der Juden und Zigeuner nicht von den Zentralstellen der nationalsozialistischen Vernichtungsapparate in Berlin, sondern von den regionalen Besatzungsbehörden SD, Militärverwaltung, Gesandtschaft und Wehrmachtbefehlshaber in Serbien selbst ausgegangen. Berlin wurde nur dann zu Rate gezogen, wenn bei der »Judenfrage« Probleme auftauchten, deren Lösung die hierarchisch Einschaltung übergeordneter Instanzen erforderte. —
—
234 235
236
Ebd. NO-Dokument 3404. PA-AA, Inland Ilg, Aufzeichnung Rademachers über das Ergebnis seiner Dienstreise nach Belgrad, 7.11.1941.
237
NO-Dokument 5810.
108
II. Die Wehrmacht und die
Ermordung der
männlichen
Juden
in Serbien
Doch mit der Liquidierung der Juden und Zigeuner und dem blutigen Vorgehen gegen die übrige Bevölkerung war der Widerstand im Land noch nicht gebrochen. Im Gegenteil erreichte die Kampfkraft der Partisanen- und Cetnikverbände im Oktober 1941 ihren Höhepunkt. General Böhme erkannte, daß mit den ihm zur Verfügung stehenden Truppenkontingenten eine Kontrolle ganz Serbiens nicht zu erreichen war und ordnete den taktischen Rückzug auf einige strategisch wichtige Gebiete an. Nach dem partiellen Zusammengehen der kommunistischen Partisanen und königstreuen, großserbischen Mihailovic-Cetniks erkannte Böhme die Notwendigkeit, dieses im Herbst 1941 zwischen den beiden Widerstandsbewegungen geschlossene labile militärische Zweckbündnis zu brechen, um die Hegemonie der Besatzer im Lande herzustellen. Bis zum Sommer 1941 hatten sich die Okkupanten nur wenig um die politische Zusammensetzung ihrer Gegner gekümmert. Sie gingen von der Annahme aus, daß die Unruhe im Land das Ausmaß unkoordinierter lokaler Aufstandsversuche nicht überschreiten werde. Doch die unerwartete Stärke der Widerstandsbewegung zwang die Besatzungsmacht im Herbst 1941, sich intensiv mit der politischen und militärischen Struktur der Gegnergruppen auseinanderzusetzen.
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
Über die Frage von Kollaboration und Widerstand in Serbien im Jahre
1941 wird eine kontroverse Diskussion geführt, wobei die Positionen stark vom politisch-ideologischen Hintergrund ihrer Verfechter geprägt sind. Die Kollaboration der »Zbor«-Bewegung unter Dimitrije Ljotic und des Cetnik-Führers Kosta Pecanac mit der deutschen Besatzung und der Regierung Nedic wird im allgemeinen als unumstrittene Tatsache anerkannt. Dagegen gehen die Einschätzungen über die Rolle der Cetniks unter der Führung von Draza Mihailovic sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der Memoirenliteratur teilweise diametral auseinander. Von nichtkommunistischer Seite, insbesondere von serbischen Exil-Cetniks, aber auch von einigen internationalen Historikern1, wird der Cetnik-Führer Mihailovic als Führer des serbischen Widerstandes eingeschätzt, von jugoslawischen Historikern dagegen ausschließlich als Kollaborateur und zum
Teil
extrem
—
—
Verräter2. Zu diesem
Fragenkomplex liegt eine umfangreiche Literatur vor, die zum größten Teil Jugoslawen und Exil-Jugoslawen sowie von ehemaligen Angehörigen der britischen Abwehr beziehungsweise von Mitgliedern der beim Stab von Tito oder Mihailovic zu dieser Zeit eingesetzten britischen Militärmissionen verfaßt worden ist. Aus der Fülle der Arbeiten ragen einige hervor, in denen der ernsthafte Versuch unternommen wird, auf der Grundlage umfangreicher Quellenuntersuchungen über eine politisch-ideologische Behandlung dieses konfliktreichen Themas hinauszugehen3. Da die entscheidenden Konflikte, die zur unerbittlichen Gegnerschaft zwischen den Partisanen und den Mihailovic-Cetniks führten, bereits wenige Monate nach Beginn der Besetzung zum Ausbruch kamen, sollen im folgenden die militärischen Konzeptionen, die Widerstandsaktivitäten, die politischen Ausrichtungen, das Verhältnis zu den Alliierten und die Konflikte zwischen den beiden Widerstandsbewegungen im Jahre 1941 in Serbien etwas genauer skizziert werden. Abgesehen von der forschungstheoretischen Überlegung, die Ereignisse von 1941 in Serbien nicht ausschließlich aus der Sicht der von
1
Hier sei auf die einzige bisher in Österreich erschienene Arbeit zu diesem Thema verwiesen (Rausch, Die jugoslawischen Exilregierungen und Jugoslawien 1941 bis Sommer 1943 unter besonderer Berücksichtigung der Bewegung Draza Mihailovics, phil. Diss.). Rausch kommt in seiner wenig reflektierenden ebenso wortreichen, wie argumentationsschwachen Dissertation zu dem Schluß, daß
zumindest bis Ende 1943 (also bis zum Zeitpunkt der offenen Kooperationsabkommen der Mihailovic-Cetniks mit den deutschen Besatzern) der Widerstand in Serbien auf das Konto der Cetniks unter Draza Mihailovic zu buchen ist (siehe dazu auch Rausch, Zur nationalserbischen Variante des bewaffneten Widerstandes im besetzten Serbien 1941—1943, S. 312). The Collaboration of D. Mihailovic's Chetniks with the Enemy Forces of Occupation (1941—1944). Milazzo, The Chetnik Movement and the Jugoslav Resistance; Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945; Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943; Brandes, Großbritannien und seine osteuropäischen Alliierten 1939—1943; Wheeler, Britain and the War for Yugoslavia, 1940—1943. —
2 3
—
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
110
aus der Perspektive der bewaffneten Widerstandsgruppen zu beleuchten, berühren die verschiedenen Konzeptionen und Aktionen der beiden Widerstandsbewegungen auch direkt das Thema dieser Arbeit. Den unmittelbaren Anlaß für die Massaker an der serbischen Zivilbevölkerung und die Vernichtung der männlichen Juden und Teile der Zigeuner in Serbien durch die Wehrmacht im Herbst 1941 bildete der seit Sommer des Jahres rasch um sich greifende bewaffnete Aufstand, der von der kommunistischen Partisanenbewegung unter der Leitung Titos initiiert und im wesentlichen auch getragen wurde.
Besatzer und Unterdrücker, sondern zumindest ansatzweise auch
1. Die Cetniks des Kosta Pecanac
Unmittelbar nach dem Überfall der Achsenmächte auf Jugoslawien begann Kosta Pecanac mit der Aufstellung einer bewaffneten Cetnik-Gruppierung. Als Organisator des serbischen Aufstandes von 1917 gegen die Besatzungstruppen und als Präsident der CetnikOrganisation eines streng national-serbischen, ultra-konservativen Veteranenvereins, der sich in den 20er Jahren zum Hauptagitator gegen die Kommunistische Partei entwickelt hatte rekrutierte er seine Mannschaft aus diesem ideologischen Umfeld. Bis zum Sommer 1941 stellte Pecanac im südlichen Serbien eine Gruppe von etwa 3000 Mann auf, die bis zum Winter 1941/42 auf 5255 anwuchs und unter deutscher Befehlsgewalt stand4. Daß Antikommunismus sein primäres Handlungsmotiv war, trat zutage, als Pecanac nach dem Überfall auf die Sowjetunion öffentlich verkünden ließ, seine Organisation werde keinen Widerstand gegen die deutschen Besatzer leisten5. Ende Juni 1941 verbot er seinen Untergebenen, deutsche und italienische Truppen anzugreifen, wenn sich diese gegenüber der serbischen Zivilbevölkerung korrekt verhielten. Ein Angebot von Mihailovic vom August 1941 zur Aufteilung der Einflußsphären der Cetnik-Gruppierungen (wobei Mihailovic vorschlug, daß die Cetnik-Gruppe Pecanac die Zuführung deutscher Verstärkungen aus Bulgarien und Griechenland verhindern sollte) ließ Pecanac unbeantwortet6. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Pecanac schon für die Kollaboration mit den Besatzern entschieden. Einige Tage später rief er seine Unterführer auf, Pläne für eine Operation zur Niederschlagung des Aufstands der kommunistischen Partisanen in Serbien zu entwerfen7. Gleichzeitig arrangierte er ein Treffen mit Vertretern der Wehrmachtsführung und stellte ihnen seine Leute für die Bekämpfung der Partisanen zur Verfü—
—
4
5
BA-MA, RW 40/190, 8. Lagebericht des Verwaltungsstabes beim Befehlshaber in Serbien, 6.1.1942.
In Turners Verwaltungsbericht vom Oktober 1941 heißt es dazu: »Vor Bildung der Regierung (Nedic, August 1941 W.M.) ist es gelungen, daß sich die großen Verbände der Cetnikis unter Führung des Vbjvoden Pecanac bereit erklärten, sich nicht nur von den Kommunisten abzusondern, sondern wie bereits erwähnt in weiten am Kampf gegen den Kommunismus teilzunehmen. Pecanac, der Kreisen der Bevölkerung größtes Vertrauen genießt, hat durch öffentlichen Anschlag den Kampf gegen den Kommunismus angesagt« (ebd., RW 40/187, 5. Lagebericht des Verwaltungsstabes beim Befehls—
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6 7
haber Serbien, 6.10.1941).
Milazzo, The Chetnik Movement and the Yugoslav Resistance, S. 19. Ebd.
—
2.
Dimitrije Ljotic unddie »Zbor«-Bewegung /
3. Die
Cetniks des Draza Mihailovic
111
gung8. Die bewaffneten Aktionen der Pecanac-Cetniks blieben aber im wesentlichen auf Scharmützel mit albanischen Moslems im Südwesten Serbiens beschränkt9.
2.
Dimitrije Ljotic und die »Zbor«-Bewegung
Die am italienischen Faschismus orientierte »Zbor«-Bewegung unter Ljotic existierte schon vor dem Überfall auf Jugoslawien. Wegen der weitgehenden ideologischen Verwandtschaft mit dem Nationalsozialismus stellte sich Ljotic von Anfang an auf die Seite der Okkupanten. In der kommissarischen Regierung Acimovic war die »Zbor«-Bewegung mit zwei Ministern vertreten10. Die »Zbor«-Bewegung war die einzige Gruppierung, die von den deutschen Besatzern uneingeschränkt als verläßlicher Bündnispartner eingestuft wurde. Aus diesem Grund erhielt sie nach dem Ausbruch des bewaffneten Aufstandes im August 1941 von den Deutschen das Recht zur Aufstellung bewaffneter Formationen zum Kampf gegen die kommunistischen Partisanen. Auf dem Höhepunkt des bewaffneten Aufstandes in Serbien im September 1941 waren die Ljotic-Verbände in 5 Bataillonen des sogenannten »Serbischen Freiwilligenkorps« (SDK) militärisch organisiert11. Der übrige Teil der »Zbor«-Bewegung wurde in die bewaffneten Formationen der Regierung Nedic eingegliedert12. 3. Die
Cetniks des Draza Mihailovic
Beim Überfall auf Jugoslawien befehligte Oberst Draza Mihailovic als Stabschef eine motorisierte Division in Ostbosnien. Als er von der Kapitulation der jugoslawischen Streitkräfte erfuhr, schlug er sich mit einem kleinen Teil seiner Truppe in die bosnischen Wälder. Nach einem mehrwöchigen Marsch in Richtung Serbien erreichte er Mitte Mai 1941 mit 7 Offizieren und 27 Soldaten sein künftiges Hauptquartier in der Ravna Gora in 8
9
10 11
12
Der nach Serbien entsandte Ordonanzoffizier des Chefs des AOK 12 berichtete in einem Brief an seinen Vorgesetzten vom 9.9.1941: »Oberst Pecanac hat durch Mittelsleute angeboten, mit seinen Kräften die Kommunisten zu bekämpfen. Die angeknüpften Verhandlungen zwischen dem Befehlshaber (Serbien), der neuen serbischen Regierung und den Cetniki führten zu einem Abkommen, wonach der Befehlshaber die Cetniki anerkennt, und ihnen damit das Recht gibt, sich zu rekrutieren, offen und bewaffnet aufzutreten. Die Cetniki haben sich ihrerseits verpflichtet, die Kommunisten zu bekämpfen« (BA-MA, RH 19 XI/81, Die Bekämpfung der Aufstandsbewegung im Südostraum, T 1, S. 35). Milazzo, The Chetnik Movement and the Yugoslav Resistance, S. 19. Allerdings boten die PecanacCetniks am 2.11.1941 Hinghofers 342. ID einen gemeinsamen Kampf beim Vormarsch der Division gegen die kommunistischen Stützpunkte im Gebiet um Valjevo an (BA-MA, RH 26—342/16, 10-Tagemeldung der Abt. Ia der 342. ID vom 31.10.—10.11.1941). Marjanovic, The German Occupation System in Serbia in 1941, S. 284. Matl, Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg, S. 110. Die Bataillone bestanden aus insgesamt 3021 Soldaten und 63 Offizieren (BA-MA, RW 40/190, 8. Lagebericht des Verwaltungsstabes beim Befehlshaber in Serbien, 6.1.1942). Marjanovic, The German Occupation System in Serbia in 1941, S. 288.
112
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
Westserbien. Innerhalb kurzer Zeit gelang es ihm, seine Mannschaft mit Bauern aus der Umgebung und seinen Offiziersstab mit demobilisierten Militärangehörigen der ehemaligen jugoslawischen Armee und Gendarmen aus der Umgebung aufzufüllen13.
Jahre 1893 in der Nähe seines nunmehrigen Hauptquartiers unweit der serbischen Stadt Cacak geboren, schlug Mihailovic die militärische Laufbahn ein. Von der serbischen Militärakademie zog er in den Balkankrieg von 1912/13 und war im Ersten Weltkrieg mit den serbischen Truppen in Albanien und später an der Saloniki-Front stationiert. Nach dem Krieg schloß er seine Ausbildung an der Militärakademie ab und wurde verschiedenen Stabsabteilungen zugeteilt, ehe er zwischen 1935 und 1937 als Militärattache in Sofia und Prag tätig war. Danach absolvierte er seinen Dienst bis zum Überfall auf Jugoslawien in einer Reihe von Stabsstellen und unterrichtete u.a. an der Militärakademie das Fach »Infanterietaktik«. Ab 1939 verlagerte sich sein militärisches Interesse von der Infanterie zur Guerillakriegführung, einer Kriegsstrategie, die in den vom Ottomanischen Reich besetzten Teilen Jugoslawiens (Serbien, Montenegro, Mazedonien, Herzegowina, Bosnien) Tradition hatte. Auf Anordnung des damaligen jugoslawischen Kriegsministers, General Nedic, arbeitete Mihailovic einen Bericht zur Reorganisation des jugoslawischen Heeres aus, in dem er sich für das Prinzip von miltärisch homogenen nationalen Einheiten aussprach, die nach Nationalitäten getrennt sein sollten14. Außerdem schlug er ein Verteidigungskonzept vor, das sich unter Aufgabe des nur schwer zu verteidigenden nördlichen Flachlandes auf die gebirgigen Landesteile konzentrierte15. Sein Vorschlag wurde von Nedic abgelehnt, dennoch blieb Mihailovic als Chef der Operationsabteilung im Generalstab für Fragen der Guerillakriegführung Im
zuständig.
Mihailovic wurde 1940 vom britischen Geheimdienst in Belgrad als Informant über die Haltung der jugoslawischen Armee bei einem etwaigen Putsch gegen den König kontaktiert16. Am coup d'etat im März 1941 war er aber ebensowenig wie der britische Geheimdienst aktiv beteiligt. Erst zur Zeit der deutschen Besatzung wurde Mihailovic zu einer zentralen Figur der jugoslawischen Geschichte. Als Cetnik-Führer ging er ab Frühjahr 1941 daran, seine im jugoslawischen Generalstab erlangten Kenntnisse in der Guerillakriegführung in die Praxis umzusetzen.
a)
Die Geschichte der
Cetnik-Bewegung
Seit der Ausdehnung des Osmanischen Reiches auf den Balkan im 14. Jahrhundert hatsich in den verschiedenen Ländern des Balkans Gruppen gebildet, die auf spezifische
ten
Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 122ff. Ebd., S. 131. 15 General Mihailovich. The World's Verdict, S. 9. 16 Julian Amery, der im Jahre 1940 als Angehöriger eines Zweiges des britischen Geheimdienstes (Sec13
'4
tion D) in Belgrad tätig war, erwähnt in seinen Memoiren Zusammenkünfte mit Mihailovic im Frühjahr 1940, die aber über die erwähnten Stimmungsberichte nicht hinausgingen. Amery meint retrospektiv, er wäre aufgrund dieser Treffen mit Mihailovic »far from guessing the role he was destined to play« gewesen (Amery, Approach March, S. 180).
3. Die
Cetniks des
Draza Mihailovic
113
Weise gegen die türkischen Machthaber kämpften. In Ungarn nannten sich diese Gruppen »Heiduken«, in Bulgarien »Komitaje« und in Serbien »Cetniks«17. Wohl am ehesten vergleichbar mit den Banden Robin Hoods, verließen die Bauern nach dem Winter ihre Dörfer, um sich in den Wäldern zu verstecken18. Von dort aus überfielen sie türkische Verwaltungseinrichtungen in den Dörfern, zerstörten die Steuerregister, raubten türkische Transporte aus und verteilten die Beute an die Bauern. Diese Art der Widerstandstätigkeit hatte nicht zum Ziel, die Türkenherrschaft militärisch zu besiegen, sondern war eher militanter Ausdruck der Opposition des Volkes gegen die übermächtigen Besatzer. Die Aktionen gegen die türkische Fremdherrschaft waren gleichzeitig wohl das wichtigste Element für die Herausbildung einer nationalen Identität und fanden ihren Niederschlag in der Glorifizierung von Cetnik-Führern in Volksmythen und in der Volkskunst. Die beiden serbischen Revolutionen gegen die Türken zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die faktisch zur Lostrennung Serbiens vom Osmanischen Reich führten19, nahmen ihren Ausgang von den Cetniks. Bei der Erhebung Mazedoniens gegen die Türken in den Jahren 1904 bis 1912 und in den beiden Balkankriegen, führten die Cetniks meist hinter den feindlichen Linien unter dem Kommando regulärer Truppen verschiedene militärische Spezialaufgaben aus. Im Ersten Weltkrieg zogen sich die Cetniks im Jahre 1915 gemeinsam mit der serbischen Armee vor den österreichisch-ungarischen Truppen über Korfu nach Saloniki zurück. Als das bulgarische Besatzungsregime in Südserbien immer grausamere Formen annahm, kehrte eine Cetnik-Gruppierung unter Kosta Pecanac Ende 1916 mit dem Auftrag in dieses Gebiet zurück, einen Massenaufstand der Bevölkerung solange zu verzögern, bis die serbische Armee den Kampf unterstützen könnte. Doch der Volksaufstand gegen die Bulgaren konnte von Pecanac nicht länger verhindert werden. So stellte er sich im Februar 1917 an die Spitze des sogenannten »Toplica-Aufstandes«. Nach anfänglichen Erfolgen der Aufständischen wurden sie von den bulgarischen Truppen vernichtend geschlagen. Der Niederlage folgten blutige Repressionsmaßnahmen der bulgarischen Besatzer gegen die Zivilbevölkerung. Kurz vor Kriegsende wurden die Cetnik-Verbände aufgelöst und Teile der Mannschaft in die reguläre jugoslawische Armee übernommen. Obwohl im neuen jugoslawischen Staat nur mehr in der Form eines politisch allerdings einflußreichen Veteranenvereins präsent, galten die Cetniks bei der Bevölkerung Serbiens, Mazedoniens und Montenegros als Nationalhelden. Ab 1932 leitete Kosta Pecanac die Organisation, die nach dem Vereinsbericht von über etwa 1000 Sektionen mit insgesamt 500000 Mitgliedern verfügte20. Die 1938 Cetniks, die am stärksten im ländlichen Kleinbürgertum und bei den Bauern verankert waren, verstanden sich als Schutztruppe gegen innere und äußere Feinde des Serbentums im jugoslawischen Staat. Ihre prononciert antidemokratische, antiliberale und antikom—
—
—
—
17
18
19
20
Begriff »Cetniks« leitet sich von »ceta« (»bewaffnete Banden«) ab. Die »Kampfperiode« dauerte in der Regel von der Schneeschmelze Ende April bis zum Wintereinbruch Mitte November. Danach kehrten die Bandenmitglieder für die Wintermonate wieder in ihre Dörfer zurück. Ab 1833 hatte Serbien einen autonomen Status innerhalb des Osmanischen Reiches, ehe es beim Berliner Kongreß 1878 auch formal unabhängig wurde. Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 119. Der
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
114
munistische Haltung verbanden sie mit großserbischen Zielsetzungen. Sie anerkannten nur die Slowenen, Kroaten und Serben als eigene Volksgruppen, die im jugoslawischen Staat zentralistisch durch eine serbische Führung regiert werden sollten. Die jugoslawische Heeresführung hielt wenig von einer Landesverteidigung durch Guerillaverbände und unternahm keine ernsthaften Anstrengungen in dieser Richtung. Wohl stellte die Regierung im April 1940 sechs Freiwilligenbataillone aus Cetniks auf und wies jedes einer Armee zu, doch kam nur eines davon im Balkankrieg auch tatsächlich zum Einsatz. Nach der Kapitulation der jugoslawischen Armee wurden sie wie alle anderen Heereseinheiten aufgelöst und traten als organisierte Kraft nicht mehr in Er-
scheinung21. b)
Die
politischen
Ziele der Mihailovic-Cetniks
Als Mihailovic seine Widerstandsgruppe im Mai 1941 in Serbien zu organisieren begann, handelte er nicht im Auftrag der jugoslawischen Exilregierung oder des Königs. Diese beiden staatstragenden Institutionen hatten sich kurz vor der militärischen Kapitulation Jugoslawiens Hals über Kopf nach Palästina abgesetzt, ohne zuvor die geringsten Vorkehrungen für eine Widerstandstätigkeit in Form von >post occupational work< (geheime Funkverbindungen zu den Alliierten, illegale politische Netze, Informationsbeschaffung, etc.) getroffen zu haben. Ebenso hatte es die Regierung verabsäumt, eine genügende Anzahl Militärgeräte und Angehörige der Streitkräfte außer Landes zu bringen, um damit den Grundstock für eine ernstzunehmende Exilarmee aufzubauen22. Zu Beginn der ersten Sabotageaktionen von Mihailovic-Cetniks im Frühsommer 1941 hatte Mihailovic noch keine Verbindungen zur Exilregierung und zu alliierten Nachrichtenstellen. Seine Entscheidung zum Widerstand erfolgte autonom. Dennoch deckten sich seine politischen Ziele mit denen der fast ausschließlich aus Serben zusammengesetzten jugoslawischen Exilregierung und des Königs. Nach der Niederlage der Achsenmächte, an der Mihailovic niemals zweifelte, wollten die Cetniks ein großserbisches Reich errichten, welches neben »Altserbien« auch Bosnien, Dalmatien, Herzegowina, Montenegro, die Batschka, den Banat, den Sandzak, etwa die Hälfte Kroatiens und einige rumänische und bulgarische Grenzgebiete umfassen sollte23. Mit dem übriggebliebenen Rest Jugoslawiens wollten die Cetniks eine Föderation eingehen. Den Führungsanspruch Großserbiens im Nachkriegsjugoslawien leiteten die Cetniks aus dem historischen Kampf der Serben gegen die türkische Fremdherrschaft und aus dem aktuellen Widerstand der Cetniks gegen die deutschen Okkupanten ab. Großserbien sollte »serbisiert« werden: die Cetniks planten nach dem Krieg mehr als 2,6 Millionen Jugoslawen anderer Nationalitäten aus Großserbien auszusiedeln und 1,3 Millionen Serben aus nichtserbi-
Angaben über die Geschichte der Cetnik-Bewegung stammen großteils aus: ebd., S. 115ff. jugoslawischen »Exilverbände« bestanden aus 240 Mann der Luftwaffe, 100 Marineangehörigen und 300 Angehörigen der Landstreitkräfte (Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940-1943, S. 327f.). 23 Memorandum des Mitglieds des Nationalen Cetnik-Kommitees, Stefan Moljevic, vom Juni 1941 (zit. nach: Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 166 ff.).
21
22
Die Die
3. Die
Cetniks des Draza Mihailovic
115
sehen Teilen Jugoslawiens nach Serbien rückzusiedeln, so daß Großserbien etwa zwei Drittel der Bevölkerung und des Territoriums von Jugoslawien ausgemacht hätte24. Das sozio-ökonomische Konzept der Cetniks erschöpfte sich in einem Konglomerat unausgegorener Ideen, das am ehesten als »monarchistischer Wohlfahrtsstaat unter national-serbischer Dominanz« umschrieben werden könnte. Die großserbische und gleichzeitig anti-kroatische Einstellung der Mihailovic-Cetniks wurde durch die schon im Frühjahr 1941 einsetzenden Massenmorde der Ustascha an den in Kroatien lebenden Serben noch zusätzlich verstärkt. Im Gegensatz zu den Partisanen differenzierten die Cetniks aufgrund ihrer nationalistischen Ideologie nicht zwischen der Ustascha und dem kroatischen Volk. Nach Kriegsende wollte Mihailovic mit dem kroatischen Volk blutig abrechnen. Im Kern liefen die politischen Ziele auf die Restauration des status quo ante, die Wiedereinsetzung des im englischen Exil lebenden Prinzregenten Paul aus der serbischen Königsdynastie der Karadjordjevic und die Etablierung eines föderativen jugoslawischen Staates unter großserbischer Hegemonie hinaus. Mihailovic fühlte sich gewissermaßen als »Platzhalter« des Königs und der Exilregierung. So lautete die gemeinsame Kampfparole der Mihailovic-Cetniks auch: »Für den König und das Vaterland25.«
c)
Das
Widerstandskonzept
der Cetniks
Widerstandskonzept von Mihailovic war durch die nationalistische Ideologie, die politischen Perspektiven und die Tradition der Cetnik-Kriegführung determiniert. Der explizit serbische Nationalismus der Cetniks beschränkte den Aktionsradius ihrer Widerstandstätigkeit auf Serbien und auf Gebiete, in denen vornehmlich Serben lebten (Montenegro und Teile Kroatiens); als Kämpfer und Sympathisanten wurden nur Serben geduldet. Zu Beginn des Widerstandskampfes setzten sich die Cetnikverbände einerseits aus Teilen der ländlichen Bevölkerung Serbiens zusammen, andererseits zum weitaus größeDas
Teil aus Serben, die vor dem Genozid in Kroatien nach Serbien fliehen konnten, und schließlich aus serbischen Militärangehörigen, die der deutschen Kriegsgefangenschaft dadurch entgingen, daß sie in die Wälder flüchteten und sich dort den Cetniks anschlössen. Das geringere Rekrutierungspotential der Cetniks gegenüber den Partisanen, deren militärische Widerstandsorganisation und politische Nachkriegskonzeption multiethnisch angelegt war, machte sich 1941 in Serbien naturgemäß noch wenig bemerkbar. Als sich im Laufe der weiteren Kriegsjahre die Widerstandstätigkeit von Serbien in die anderen Gebiete Jugoslawiens verlagerte, kam diesem Faktor allerdings entscheidende Bedeutung zu. Beim Aufbau von Widerstandsstrukturen griff Mihailovic auf Cetnik-Traditionen zurück. Schon das martialische Äußere lange Barte, hohe Fellmützen und um den Körper sollte historische Kontinuität ausdrücken. Die ersten geschlungene Munitionsgurte 50 200 Mann. Sie wurden jeweils von einem Kombestanden bis aus Cetnik-Abteilungen ren
—
—
24 25
Ebd., S. 169f. Ebd., S. 178.
116
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
mandanten befehligt, der den generellen Direktiven von Mihailovic unterstand, in seinem lokalen Einsatzgebiet aber über einen großen autonomen Handlungsspielraum verfügte. Die Militärorganisation der Cetniks bestand aus drei nach dem Alter der Mannschaften gegliederten Teilen: mobilen Operationsabteilungen von Kämpfern im Alter zwischen 20 und 30 Jahren; Abteilungen aus Männern zwischen 30 und 40 Jahren, die für Sabotageaktionen her—
—
angezogen
wurden;
lokalen Gruppen aus Männern zwischen 40 und 50 Jahren, deren Aufgabe in der Verteidigung ihrer Ortschaften bestand. Von diesen Abteilungen war aber nur ein geringer Teil mobilisiert. Der Großteil war nur als Cetniks registriert und sollte erst gegen Ende der Besatzungszeit eingesetzt werden. Im September 1941 umfaßten die bewaffneten operativen Einheiten der Cetniks in Serbien etwa 3000—4000 Mann, von denen aber nur ein Teil tatsächlich im Kampfeinsatz gegen die deutschen Besatzer stand26. Im ersten Jahr war die Bewaffnung der Cetniks ebenso schlecht wie die der Partisanen. Während die Partisanen ihre Anschläge auf die Besatzer und die Quisling-Organe vorrangig auch zur Erbeutung von Waffen und Munition benützten, ließ die Inaktivität der Cetniks eine solche Requirierung nicht zu. Erst ab 1942 verfügten sie durch die Kollaboration mit den Italienern, den Nedic-Formationen und ab 1943 auch mit den deutschen Besatzern über eine ausreichende Menge an Waffen und Munition, die sie aber nicht gegen die Achsenmächte, sondern gegen die Partisanen einsetzten. Die Generallinie im Widerstandskonzept von Mihailovic lief darauf hinaus, die gesamte Résistance unter seinem Oberbefehl zu organisieren, dabei aber im Untergrund zu verharren und jede Provozierung des Gegners bis zu dem Zeitpunkt zu vermeiden, wo Deutschland infolge militärischer Niederlagen auf den anderen europäischen Kriegsschau—
26
Milazzo, The Chetnik Movement and the Yugoslav Resistance, S. 18. Wheeler schätzt die Zahl der Mihailovic direkt unterstehenden Cetniks im September 1941 auf etwa 1200 Mann und gibt die Gesamtstärke der unter dem Kommando von Mihailovic stehenden Cetniks mit unter 5000 an (Wheeler,
Britain and the War for Yugoslavia, 1940—1943, S. 83 f.). Die Zahlenangaben über die Stärke der Mihailovic-Cetniks in dem hier relevanten Zeitraum Sommer/Herbst 1941 divergieren erheblich. Ende Juli 1941 hieß es in einem Bericht des Militärbefehlshabers in Serbien, General Danckelmann, daß von »serbischer fachmännischer Seite« die Gesamtzahl der Aufständischen (sowohl MihailovicCetniks als auch Partisanen) in Serbien auf etwa 30000 Mann geschätzt wird (BA-MA, RW 40/v.43, KTB Ia Komm. Gen. Serbien, Juli 1941, Bericht Danckelmann an List, 23.7.1941). Im Dezember 1941 behauptete Mihailovic, daß über 300000 Mann unter seinem Kommando stünden (Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 181). Aufgrund ihrer Organisationsstruktur ist eine genauere Schätzung der numerischen Stärke der Cetniks generell schwierig. Ein Beispiel soll illustrieren, zu welch absurden Behauptungen die Nichtberücksichtigung des organisatorischen Aufbaus der Cetniks führen kann: Obwohl die Mihailovic-Cetniks in Serbien ab 1942 ausschließlich gegen die Partisanen und nicht gegen die Besatzer und die Quisling-Organe kämpften und ab November 1943 Kollaborationsabkommen mit den deutschen Besatzern schlössen, kommt Rausch zum Schluß, »daß Serbien bis ins Jahr 1944 hinein überwiegend im Zeichen Mihailovic' gestanden hat. [...] Seine Verbände, die weite Landstriche kontrollierten, übertrafen hier um vieles die lokalen Partisanen« (Rausch, Zur nationalserbischen Variante des bewaffneten Widerstandes im besetzten Serbien 1941-1943, S. 312).
3. Die
Cetniks des
Draza Mihailovic
117
platzen seine Besatzungstruppen aus Jugoslawien abziehen würde oder aber die Alliierten mit der Landung ihrer Truppen in Südosteuropa das Signal für den allgemeinen Aufstand geben würden. Mitbestimmend für die Entscheidung zum passiven Widerstand war auch die Erinnerung an den mißglückten Aufstandsversuch von Pecanac gegen die bulgarische Besatzungsmacht im Ersten Weltkrieg und die auf ihn folgenden blutigen Repressionsmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung27. Mihailovic zweifelte mit Recht daran, daß das militärische Widerstandspotential seiner Cetniks in Serbien stark genug sei, um 1941 ohne militärische Intervention der alliierten Truppen einen erfolgreichen Aufstandsversuch gegen die deutschen Truppen durchführen zu können. d) Die Haltung der Briten gegenüber Mihailovic Die Widerstandsstrategie von Mihailovic deckte sich im Prinzip mit dem britischen Konzept bezüglich der Subversions- und Widerstandsaktivitäten in den von den Deutschen besetzten Gebieten. Mitte Juni 1941, also noch bevor die Briten von der Existenz einer Cetnik-Widerstandsorganisation in Serbien wußten, präsentierte der britische Joint Plan-
ning Staff seine Vorstellungen:
»Solche Rebellionen können nur einmal geschehen. Sie dürfen solange nicht stattfinden, bis der Schauplatz dafür hergerichtet ist, alle Vorbereitungen getroffen sind und die Situation reif ist. Die bewaffneten Streitkräfte, die den Patrioten zur Verfügung stehen, müssen stark genug sein, um lokal stationierte deutsche
Truppen auszuschalten28.«
Auch der Kriegseintritt der Sowjetunion und die ersten eintreffenden Informationen über Widerstandsaktionen in Serbien änderten nichts an der ablehnenden Haltung der Briten gegenüber einer offensiv operierenden Guerilla in Serbien29. Nachdem der Aufstand der kommunistischen Partisanen in Serbien nun einmal begonnen hatte und die Briten wegen ihrer fehlenden Verbindungen zu den Partisanen keine Möglichkeiten sahen, ihn von außen einzudämmen, entschlossen sie sich, die Cetniks zu unterstützen. Churchill wies in seiner Funktion als Vorsitzender der Chiefs of Staff das War Office im November 1941 an, alles zu tun, um den Aufstand in Serbien mit Hilfsgütern an die Cetniks voranzutreiben (»to keep the rebellion going«)30. Das geschah einerseits aus kriegspropagandistischen Gründen (Churchill wollte damit der Bevölkerung in den übrigen besetzten Ländern signalisieren, daß sie bei Widerstandsaktionen mit der Unterstützung der Briten rechnen konnte), zum anderen auch aufgrund militärstrategischer Erwägungen, da zu diesem Zeitpunkt die Wehrmacht vor den Toren Moskaus stand und der Aufstand Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 433 f. Studie des Joint Planning Staff vom 14.6.1941 (zit. nach: ebd., S. 302). 29 In einer Empfehlung des Joint Planing Staff an die Chiefs of Staff vom 9.8.1941 heißt es, daß »geheime Armeen nur dann wirksam operieren können, wenn sie von voll ausgeüsteten [regulären] Truppen unterstützt werden; ihre Organisation sollte deshalb auf jene Gebiete beschränkt bleiben [und auch nur dort mit Vorrang beim Aufbau unterstützt werden], wo [...] eine britische Offensive möglich ist«, nämlich in Nordfrankreich, Belgien, Holland und Norwegen (zit. nach: ebd., 27 28
S. 30
302).
Ebd., S. 428.
118
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
einige Divisionen in Serbien binden konnte31. Hinzu kamen politisch-ideologische Überlegungen: von den britischen Militärspitzen wurde der Aufstand nur für eine »Episode« (incident) gehalten32. Mihailovic erhielt im November 1941 erstmals britische Hilfsgüter33, wurde aber gleichzeitig aufgefordert, sich gegenüber den Deutschen eher passiv zu verhalten und vorerst in Serbien
abzuwarten. Von britischer Seite rechnete man damit, daß die Partisanen im Aufstand gegen die deutschen Besatzer von diesen vernichtet werden würden. Verhielten sich die Cetniks bei diesem Aufstand passiv und könnten somit die deutsche Offensive unbeschadet überstehen, so wären sie so die Überlegungen der Briten nach der Vernichtung der kommunistischen Partisanen die einzige Widerstandsbewegung in Serbien34. Dann wäre es Mihailovic wieder möglich, seine bisherige, durch die Dynamik des Partisanenaufstandes obsolet gewordene Strategie des Abwartens mit den britischen Widerstandskonzepten zu koordinieren35. Die Briten versicherten Mihailovic im Herbst 1941, daß sie seine passive Widerstandsstrategie, d. h. die Beschränkung auf Sabotageunternehmen, voll unterstützten36 und bemüht seien, alle Vorkehrungen zu treffen, damit britische Hilfsgüter für die Cetniks nicht in die Hände der Partisanen fielen37. Als die Briten erfuhren, daß es zwischen den Cetniks und den Partisanen im November 1941 zu —
—
Auf diese beiden Aspekte wies insbesondere das Foreign Office hin (ebd., S. 427f.). In dieser Hinsicht äußerten sich mehrmals die Chiefs of Staff im Oktober 1941 (Brandes, Großbritannien und seine osteuropäischen Alliierten 1939—1943, S. 207). 33 Mihailovic wurde am 9.11.1941 mit 20 MG, 10000 Magazinen Munition und 600 Handgranaten versorgt, die aus der Luft abgeworfen wurden (Wheeler, Britain and the War for Yugoslavia, 1940—1943, S. 90). 34 Brandes, Großbritannien und seine osteuropäischen Alliierten 1939—1943, S. 220. 35 Die Äußerungen von Premierminister Churchill auf der ersten Kriegskonferenz der westlichen Alliierten in Washington im Dezember 1941 zu einem Zeitpunkt als der Aufstand gegen die deutschen Besatzer in Serbien gerade auf seinem Höhepunkt war verdeutlichen, daß die Briten bereits von der Niederschlagung des Partisanenaufstandes in Serbien überzeugt waren und auch für die Zukunft an ihrer Widerstandskonzeption festhielten: »Wir müssen uns [...] darauf einrichten, die unterworfenacheinannen Länder West- und Südosteuropas zu befreien, indem wir an geeigneten Punkten der oder gleichzeitig britische und amerikanische Armeen an Land setzen, die stark genug sind, um den unterworfenen Völkern den Aufstand zu ermöglichen. Aus sich selbst heraus sind sie dazu nie in der Lage, weil sie die grausamsten Gegenmaßnahmen zu gewärtigen hätten« (zit. nach: Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 241). 36 Der eben bei Mihailovic eingetroffene britische Missionsangehörige Captain Duane Hudson wurde von seiner vorgesetzten Dienststelle in Kairo auf dem Höhepunkt der militärischen Kämpfe in Serbien im Oktober 1941 angewiesen, auf Mihailovic im folgenden Sinne einzuwirken: »12. Oktober. Wir und die jugoslawische Regierung schlagen Ihnen folgenden Plan vor, wenn Sie damit einverstanden sind. Sofort weniger Sabotage ausführen, beschränkt auf Bahnlinien und Lokomotiven, ohne Benutzung von Sprengstoff wie auch ohne Gegenmaßnahmen gegen die lokale Bevölkerung. Der weitere Plan wäre, alles für die gemeinsame Durchführung des Aufstandes für einen späteren Zeitpunkt vorzubereiten. [...] Wir bitten Sie, Mihailovic zu verständigen«. Und um keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, daß die britische Regierung einzig gewillt war, Mihailovic zu unterstützen, wurde eine weitere Depesche an Hudson gesandt: »12. Oktober. [...] Zu Ihrer persönlichen Information: wir sind nicht bereit, einen Guerillaführer zu unterstützen, der nicht das Vertrauen der jugoslawischen Regierung hat« (zit. nach: ebd., S. 408). 37 Brief von Glenconner, Chef der Balkansektion der Special Operations Executive (SOE) in London, an das Foreign Office, 15.11.1941 (zit. nach: ebd., S. 414).
31
32
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3. Die
Cetniks des Draza Mihailovic
119
bewaffneten Auseinandersetzungen gekommen war, stellten sie die Waffenlieferungen vorläufig ein. Von britischer Seite wurde nicht allzusehr bedauert, wenn kommunistische Partisanen von den Deutschen vernichtet wurden. Doch ging es ihnen entschieden zu weit, daß die von ihnen mit Waffen und Geld unterstützten, von der BBC-Propaganda als »jugoslawische Patriotenstreitkräfte« bezeichneten Cetniks, die angeblich in Serbien »organisierte militärische Operationen« durchführten, diese Operationen nun nicht gegen die deutschen Besatzer, sondern gegen die Partisanen richteten. Sie forderten Mihailovic auf, unverzüglich einen Waffenstillstand mit den Partisanen zu schließen. Dies sollte der erste Schritt auf dem Weg zur Etablierung von Mihailovic als uneingeschränkter Führer des Widerstandes in Serbien werden38. Gleichzeitig versuchten die Briten über Kontakte mit Moskau die Partisanen zur Unterordnung unter Mihailovic zu bewegen39. Mit der Niederschlagung des Aufstandes im Dezember 1941 und der Vertreibung sowohl der Partisanen als auch der Cetniks aus Serbien war die Möglichkeit eines gemeinsamen oder zumindest abgestimmten Vorgehens von Cetniks und Partisanen gegen die Achsenmächte endgültig zerstört. Obwohl die Briten von der 1942 einsetzenden Kollaboration der Cetniks mit den Italienern wußten und sich auch darüber im klaren waren, daß die Partisanen die militärisch wesentlich effizientere Widerstandsbewegung waren, hielten sie bis Anfang 1943 an der ausschließlichen Unterstützung der Mihailovic-Cetniks fest. Erst als durch den britischen Sieg in Nordafrika ihre militärstrategischen Zielsetzungen auf dem Balkan gegenüber den politischen in den Vordergrund traten40, begannen sie, auch die Partisanen zu unterstützen. Ende 1943 ließen sie ihren mittlerweile zum General und Kriegsminister aufgestiegenen Bündnispartner Mihailovic endgültig fallen. Der Frontwechsel der Briten zu den Partisanen bewirkte, daß die wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Italienern im Kampf gegen die Partisanen schon schwer kompromittierten Cetniks nun ihrerseits zu den Deutschen überliefen und ab 1944 mit deutschen Waffen und unter deutschem Kommando gegen die Partisanen kämpften41.
e)
Die
jugoslawische Exilregierung und die Cetniks
etwa zu den tschechischen und polnischen Exilregierungen in London besaß jugoslawische Regierung nur wenig politische Autorität gegenüber den britischen
Im Vergleich
die 38 39 40
41
Ebd., S. 444. Brandes, Großbritannien und
seine osteuropäischen Alliierten 1939—1943, S. 212. Der englische Leiter der ersten alliierten Mission, bestehend aus Briten und Amerikanern beim Stab Titos (September 1943), Fitzroy Maclean, definierte seine Aufgabe mit britischer Trockenheit: »My task was simply to help find out who was killing the most Germans and suggest means by which we could help them to kill more. Politics must be a secondary consideration« (zit. nach: Haberl, Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern/KPdSU 1941—1945, S. 59). Zur Geschichte der Mihailovic-Cetniks nach 1941 siehe insbesondere Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 196 ff. Aus der Vielzahl von Memoirenwerken britischer Missionsangehöriger im Stabe von Mihailovic seien hier nur erwähnt: Rootham, Miss-Fire: The Chronicle of a British Mission to Mihailovich, 1943—1944; Lawrence, Irregular Adventure; British Policy Towards Wartime Resistance in Yugoslavia and Greece, S. 91 ff; Bailey, British Policy Towards General Draza
Mihailovic, S.59ff.
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
120
Stellen und geringen Einfluß auf die Entwicklungen in ihrem Heimatland42. Mit Ausnahme des Führers der kroatischen Bauernpartei, Macek (er blieb in Kroatien), war die erste Exilregierung personengleich mit der Putschregierung vom 26. März 1941. Sie bestand aus 8 Serben, 2 Kroaten und einem Slowenen43. Das ungelöste Nationalitätenproblem im Vorkriegsjugoslawien, das sich auch in der auffallenden Überrepräsentanz der Serben im Kabinett niederschlug, und die Tatsache, daß alle Regierungsmitglieder entweder regionalen Honoratiorenparteien entstammten oder Parteilose und Militärs mit
wenig politischer Erfahrung waren, trugen nicht gerade dazu bei, ihr Prestige zu erhöhen. Persönliche Querelen, Intrigen und schlichte politische Unfähigkeit prägten das Bild der Regierung, die der englische Außenminister Eden gar nicht »gentlemanlike« als eine »unfähige Ministerbande« bezeichnete44. Schon im Herbst 1941 kristallisierte sich für das Foreign Office heraus, daß es diesen jugoslawischen Exilpolitikern niemals gelingen würde, Akzente in Richtung einer jugoslawischen Einheit zu setzen, und die Regierung mit Sicherheit das Kriegsende nicht überdauern würde45. Was die Haltung der Exilregierung zum Widerstand in Serbien betraf, so kam sie schon vor dem Beginn von Widerstandsaktionen in Serbien und unabhängig von den Konzeptionen der Alliierten zum gleichen Schluß wie die Briten. Die Exilregierung sah zeitlich, räumlich und militärisch koordinierte Operationen der landenden alliierten Truppen mit den bis dahin gleichsam in Reserve gehaltenen jugoslawischen Aufständischen vor. Die Mobilisierung und Organisation der Resistance sollte nicht vor einer Invasion abgeschlossen werden. Aufstände vor diesem Zeitpunkt erschienen als nutzlos, da sie nur unnötige Menschenopfer fordern würden46. Der jugoslawische Regierungschef Simovic erhielt Mitte August 1941 erstmals Kenntnis über die Existenz und die Aktivitäten der Widerstandsorganisationen der Partisanen und Cetniks. Während er die defensive taktische Grundlinie von Mihailovic guthieß (Vorbereitung von Aktionen, aber keine Provokation gegenüber den deutschen Besatzern und kein Angriff auf die deutsche Wehrmacht), verurteilte er die Offensivstrategie der Partisanen in einer Rundfunkansprache im August 1941 aufs Schärfste. Er bezeichnete die Partisanen als eine Handvoll gewissenloser Leute, die durch ihre verfrühte Aktion dem Land schwere Leiden zufügten und rief die Bevölkerung zu geduldigem Ausharren unter der Besatzung auf, bis die Exilregierung das Zeichen zur Erhebung geben würde47. Simovic wußte von der in Serbien gerade einsetzenden Repressionswelle gegen die Zivilbevöl42
43 44
45
Zum Vergleich der Politik der drei in London amtierenden Exilregierungen und ihres Einflusses auf die Widerstandsaktivitäten in den jeweiligen Heimatländern siehe die detailreiche Studie von Brandes, Großbritannien und seine osteuropäischen Alliierten 1939—1943. Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 314. Brandes, Großbritannien und seine osteuropäischen Alliierten 1939—1943, S. 180. So etwa meinte der Sekretär des Southern Departement im Foreign Office, Rose, im November 1941: »Wir müssen selbstverständlich im Augenblick alles tun, um die erschreckenden Risse (in der Exilregierung W.M.) zu überkleistern, aber nichts wird den Einsturz des Gebäudes nach dem Krieg verhindern können« (zit. nach: Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, —
S.
354).
Ebd., S. 363 f. 47 Ebd., S. 372f. 46
3. Die
Cetniks des Draza Mihailovic
121
kerung und machte dafür die Partisanen öffentlich verantwortlich. Gleichzeitig betrieb die Exilregierung ein demagogisches Doppelspiel. Nachdem Meldungen über den Aufstand in Serbien im Laufe des Sommers 1941 zum Zeitpunkt der größten militärischen Machtentfaltung des Dritten Reiches an die Weltöffentlichkeit gedrungen waren und von dieser enthusiastisch aufgenommen und mythisch überhöht wurden, setzte die Exilregierung alles daran, diese Reaktion propagandistisch für sich und ihren militärischen Vertreter Mihailovic auszuschlachten. Obwohl Regierungschef Simovic im Herbst 1941 mit Bestimmtheit über das passive Verhalten von Mihailovic gegenüber den deutschen Besatzern Bescheid wußte (und umgekehrt von deutscher Seite bis zu diesem Zeitpunkt auch keine militärischen Aktionen gegen die Mihailovic-Cetniks unternommen worden waren48), tat die Exilregierung alles, um durch Pressemitteilungen in der Öffent—
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lichkeit den Eindruck zu erwecken, daß nicht die Partisanen, sondern die Cetniks den bewaffneten Kampf gegen die deutschen Besatzer führten. Die Exilregierung unternahm sogar den Versuch, die BBC zu einem Dementi der in ihren Rundfunksendungen verlautbarten, in diesem Fall wahrheitsgetreuen deutschen Meldungen über den kommunistischen Aufstand in Serbien zu bewegen. Um Mihailovic aufzuwerten, sollte die BBC von einem Aufstand der »patriotischen Heimatkräfte« sprechen49. Wirklichkeit In forderte Simovic Ende Oktober 1941 Mihailovic noch selbst auf, »Geduld und Zurückhaltung vor einer übereilten Aktion zu üben, damit Verluste vermieden« würden. Die Botschaft endete mit dem ausdrücklichen Befehl, die deutschen Besatzer »ohne äußerste Not« nicht herauszufordern, bis das Signal zu einer gemeinsamen Aktion mit britischen Truppen gegeben werde50. Mihailovic war sich der politischen Unterstützung durch die Exilregierung und die Briten so sicher, daß er in einer Depesche an Simovic im November 1941 unverblümt zugab, was er mit den zukünftigen britischen Waffenlieferungen plante: mit diesem Rüstungsmaterial »werde er die Kommunisten sofort liquidieren können«51. Wenige Tage später wurde Mihailovic von der Exilregierung zum General befördert und im Januar 1942 in einem propagandistisch klugen Schachzug zu deren Kriegsminister ernannt.
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49
50 51
prominente proitalienische serbische Familie Bajloni war Ende Oktober 1941 aus Serbien in Lissabon eingetroffen und überbrachte den britischen Stellen und der Exilregierung einen Bericht über die aktuelle Situation in Serbien in dem es u.a. hieß: »Up until now the Germans have not pursued the followers of Mihailovic (exept for one insignificant bombing of the headquarters of Ravna Gora)« (zit. nach: Wheeler, Britain and the War for Yugoslavia, 1940—1943, S. 102f.). Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—43, S. 390f. In Kriegszeiten, in denen die Verifizierung von Meldungen nahezu unmöglich war, hatte Mihailovic mit seiner Propagandaoffensive großen Erfolg. In den Jahren 1941—1943 wurden er und seine Cetniks von den Medien zu exotischen Helden aufgebläht, die als einzige Widerstandsgruppe im deutschbesetzten Europa den Nazis Paroli bieten würden (siehe z. B. die hagiographische Schrift des Engländers Brown, Mihailovich and Yugoslav Resistance, in der er Mihailovic als »a genius« bezeichnet [S. 80] und versucht, dem englischen Durchschnittsleser die Cetniks durch Vergleiche aus der englischen Geschichte näherzubringen. Die Zeitschrift »Time« widmete Mihailovic am 25.5.1942 sogar eine Cover-Story). Zit. nach: Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 425. Zit. nach: Ebd., S. 442. Die
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
122
4. Die Partisanen
Die kommunistischen Partisanen in Jugoslawien bildeten die erste Widerstandsorganisation in den vom Dritten Reich überfallenen Ländern Europas, die den bewaffneten militärischen Kampf gegen die deutschen Besatzer aufnahmen. Fast unbeachtet von der Weltöffentlichkeit52, die gänzlich auf die Mihailovic-Cetniks fixiert war, versetzte der Kampf der Partisanen auf dem Nebenkriegsschauplatz Serbien der scheinbar unbesiegbaren Militärmaschinerie Nazideutschlands zu einem Zeitpunkt einen Schlag, als ein Sieg der Wehr-
macht auch bei ihrem Angriff auf die Sowjetunion kaum abwendbar erschien. Die Widerstandsorganisation der Partisanen wurde von der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) gegründet. Die KPJ war seit Beginn der 20er Jahre illegal. Ihre Kader waren besonders in der Zeit der Königsdiktatur schweren politischen Verfolgungen ausgesetzt53. Die schwersten Schläge erlitt die KPJ aber zweifellos durch die stalinistischen Säuberungen in den 30er Jahren, durch die ihre Kader ebenso wie die der meisten kommunistischen Parteien der Balkanländer faktisch liquidiert wurden54. Nachdem der Parteisekretär des Zentralkomitees der KPJ, Milan Gorkic, im November 1937 in Moskau vom NKWD ermordet worden war, wurde Josip Broz Tito provisorisch mit der Leitung der in Paris befindlichen Parteizentrale betraut und auf der 5. Landeskonferenz im Oktober 1940 definitiv zum Generalsekretär der KPJ ernannt55. Es steht außer Zweifel, daß die neu eingesetzte KPJ-Führung vor dem Jugoslawienfeldzug überzeugt stalinistisch und moskautreu war56. Mit ihren etwa 8000 Mitgliedern57 besaß die KPJ vor dem April 1941 in Jugoslawien wenig politischen Einfluß. Eine bedeutende Anhängerschaft hingegen hatte die KPJ unter —
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Roberts faßt die Situation im Jahre 1941 treffend zusammen: »What little news appeared in the western press mentioned only the exploits of Mihailovic. The Partisans were unknown to the world at large, and among the Allies, only the Yugoslav, British and Soviet Governments were aware of them« (Roberts, Tito, Mihailovic and the Allies 1941-1945, S. 50). 53 Zur Vorkriegsgeschichte der KPJ siehe Dedijer, Tito; Djilas, Der junge Revolutionär; ders., Der Krieg der Partisanen. 54 Die bis dato noch immer interessanteste Darstellung zu diesem Thema findet sich in dem autobiographischen Roman von Sperber, Wie eine Träne im Ozean. 55 Strugar, Der jugoslawische Volksbefreiungskrieg 1941—1945, S. 13. 56 in seinen Gesammelten Werken nicht veröffentlichten In einem Telegramm Titos an Stalin von der 5. Landeskonferenz der KPJ im Oktober 1940 sagte Tito u. a., daß die »Delegierten der Konferenz in dir, Genosse Stalin, unserem großen Lehrer, die glorreiche und unbezwingbare Bolschewikenpartei begrüßen, die unter deiner und Lenins Führung auf einem Sechstel des Erdballs die Ketten des Kapitalismus in Stücke schlug. [...] (Sie grüßen) in dir, Genosse Stalin, die freien und glücklichen Völker der UdSSR, die unter deiner Führung die herrlichsten Träume der größten Geister der Menschheitsgeschichte ins Leben rufen« (zit. nach: Simic, Dokumente widerlegen Tito, S. 58). Das Huldigungsschreiben an Stalin illustriert, daß sich die KPJ vor dem Balkankrieg in ihrer stalinistischen Hörigkeit durch nichts von den übrigen kommunistischen Parteien unterschied. Milo Dor, der bis zu seiner Verhaftung im Februar 1942 in Belgrad in der KP-Jugend aktiv war, schreibt über rigorose Maßnahmen der KPJ gegen sogenannte »trotzkistische Abweichler« (Dor, Tote auf Urlaub, S. 52). 57 Haberl, Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern/KPdSU 1941—1945, 52
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S. 16.
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123
4. Die Partisanen
den Jugendlichen, insbesondere unter den Studenten. Im Sommer 1941 umfaßte die Kommunistische Jugend etwa 15000 Mitglieder58. Seit 20 Jahren an Illegalität und Verfolgung gewöhnt, blieb die Organisationsstruktur der KPJ auch nach dem deutschen Einmarsch weitgehend intakt. Wegen des »Hitler-Stalin-Paktes« ließen die deutschen Okkupanten die Kommunisten in Serbien bis zum Überfall auf die Sowjetunion auch relativ unbehelligt. Schon unmittelbar nach Beginn der Besatzung traf die Partei organisatorische Vorarbeiten für einen bewaffneten Kampf zu einem späteren Zeitpunkt. Gleichzeitig verzichtete aber die KPJ wegen des »Hitler-Stalin-Paktes« auf eine offensive Kriegspropaganda59. Doch es gibt keinen Beleg dafür, daß die KPJ die sowjetische Doktrin von einem »Krieg zwischen den imperialistischen Staaten« in ihre Propaganda übernommen hätte. Während führende KP-Funktionäre aus anderen besetzten Ländern im Moskauer Exil lebten, befand sich die gesamte KPJ-Führung in Jugoslawien. Zwischen Jugoslawien und der Komintern in Moskau bestand lediglich eine Funkverbindung. Dieser unpersönliche Kontakt hatte eine wenn damals auch noch ungewollte relative Autonomie von Moskau zur Folge, ein Faktum, das für die weitere Entwicklung der KPJ historische Bedeutung erlangen sollte. Das Zentralkomitee der KPJ hatte noch im Frühjahr 1941 seinen Sitz nach Belgrad verlegt. Am 4. Juli 1941 beschloß das ZK der KPJ in Belgrad den Beginn des bewaffneten Aufstandes. Milovan Djilas wurde in das italienisch besetzte Montenegro gesandt, Vukmanovic-Tempo nach Bosnien beordert, während Tito selbst die Aktionen in dem von deutschen Truppen besetzten Serbien leitete60. —
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a) Politische Ziele, Widerstandskonzept und soziale Struktur der Kommunistischen Partei Jugoslawiens Gegensatz zu allen anderen Widerstandsgruppen in Jugoslawien vertraten die kommunistischen Partisanen weder ethnische noch nationalistische oder religiöse Partikularinteressen. Sie waren die einzige politische Kraft, die im ganzen Land verankert war und für territoriale Integrität und nationale Gleichberechtigung aller Völker Jugoslawiens eintrat. Das Ziel ihres Widerstandskampfes war der militärische Sieg über die Okkupanten und gleichzeitig die Zerschlagung der alten Vorkriegsordnung, die insbesondere ihre infrastrukturellen Einrichtungen wie die lokale Administration, Polizei, Gendarmerie und das Schulwesen in die Okkupationsphase hinübergerettet hatte. Auch auf personeller Ebene bestand eine gewisse Kontinuität der alten Ordnung weiter: in Mihailovic als militärischem und im ehemaligen Kriegsminister und nunmehrigen Regierungschef Milan Nedic als wenn auch schwer diskreditierten politischem Verwalter. Von Anfang an ließen die Partisanen keinen Zweifel darüber aufkommen, daß ihr Kampf langfristig nicht nur auf die Befreiung des Landes von der Besatzung ausgerichtet war, sondern vor allem auch auf die Schaffung einer revolutionären politischen, wirtschaftliIm
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Der Krieg der Partisanen, S. 10. Borkenau, Der europäische Kommunismus, S. 327 ff. Djilas, Der Krieg der Partisanen, S. 11.
Djilas,
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III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
chen und sozialen Neuordnung des Landes. Als die Partisanen im September 1941 die von den Deutschen besetzte serbische Stadt Uzice einnahmen, erklärten sie das Gebiet zur ersten freien Republik in Jugoslawien und begannen sofort mit der Einrichtung einer alternativen Verwaltung in Form sogenannter nationaler Befreiungsräte, die das Funda-
ment einer neuen Selbstverwaltung bilden sollten. In ihren langfristigen politischen Zielen standen die Partisanen somit in diametralem Gegensatz zu den Mihailovic-Cetniks, die für die Restauration des jugoslawischen Vorkriegsregimes unter großserbischer Führung mit der Königsdynastie an der Spitze kämpften. Das strategische Konzept des Widerstandskampfes der Partisanen war durch ihre politischen Ziele bestimmt. War die Strategie von Mihailovic primär darauf ausgerichtet, die deutsche Besatzung möglichst schadlos zu überstehen, um nach deren Abzug über ein militärisches Potential zur Restaurierung der Vorkriegsordnung zu verfügen, so war für die Partisanen der militärische Kampf gegen die Okkupanten untrennbar mit einer sozialen Revolution verbunden. Als die KPJ im Juli 1941 die ersten Partisanenformationen bildete, verfolgte sie zum einen das Ziel, die insbesondere im italienisch besetzten Montenegro bereits ausgebrochenen spontanen Volksaufstände in einen organisierten Kampf umzuwandeln61, und zum anderen einen Aufstand in Serbien systematisch anzufachen. Mit mobilen Abteilungen begannen die Partisanen zwischen Juli und Mitte August 1941 vorerst den bewaffneten Kampf auf niederer Ebene in Form zahlreicher Anschläge und Sabotageakte auf Verwaltungseinrichtungen der serbischen Quisling-Organe, auf Eisenbahnzüge und Kommunikationseinrichtungen und mit der Ermordung serbischer Kollaborateure. Die Aktionen konzentrierten sich zu Beginn auf die ländlichen Gebiete Serbiens, um die hier schwache militärische Präsenz der Wehrmacht auszunützen; zudem konnten die Partisanen in dieser Region aus dem Haß der Bauern auf die städtische Zentralgewalt und ihrer traditionell agrarbolschewistischen Einstellung politisches Kapital schlagen. Außerdem sollten die für eine erfolgreiche Guerilla unabdingbare Verankerung innerhalb der Bevölkerung aufgebaut und Freiwillige für den Partisanenkampf rekrutiert werden. Am 7. Juli 1941 kam es in einem Dorf bei Krupanj zur ersten bewaffneten Widerstandshandlung der Partisanen. Zwei Quisling-Gendarmen wurden erschossen, als sie versuchten, eine öffentliche Versammlung aufzulösen62. Bereits nach einem Monat gingen die Partisanen zu militärischen Aktionen gegen die deutschen Besatzer über. Erfolgreiche Überfälle auf kleinere Wehrmachtkontingente sollten der Bevölkerung Mut machen und das Prestige der Partisanen erhöhen. Gleichzeitig dienten diese Guerillaaktionen dazu, dringend benötigte Waffen zu erbeuten. Denn zu Beginn des Kampfes standen den Partisanen nur etwa 20000 veraltete Gewehre, etwa 500 automatische Waffen und 5 Artilleriegeschütze aus den Restbeständen der ehemaligen jugoslawischen Armee zur Verfügung. Erst durch die Eroberung der Stadt Uzice mit ihrer Waffenfabrik im September
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Zum Kampf der Partisanen in Montenegro zwischen Juli und Oktober 1941 siehe insbesondere die Memoiren des von Tito mit dem Partisanenkampf in Montenegro beauftragten Partisanenführers Milovan Djilas (ebd., S. lOff.). Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 134.
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4. Die Partisanen
1941 konnte der Bestand an Waffen und Munition einigermaßen gedeckt werden bis die Fabrik am 21. November 1941 explodierte63. Die Stärke der serbischen Partisanen betrug im Sommer/Herbst 1941 zwischen 4000 und 8000 Mann64. Ein Manko gegenüber den Cetniks bestand darin, daß die Partisanen nur über wenige erfahrene Militärexperten verfügten. Die meisten Angehörigen der ehemaligen jugoslawischen Armee schlössen sich Mihailovic an. Unter den Partisanen besaßen meist nur die nach Jugoslawien zurückgekehrten Spanienkämpfer ausreichende Erfahrung im bewaffneten Kampf. Aus diesem Grund ordnete Militärverwaltungschef Turner noch am Abend vor dem Überfall auf die Sowjetunion vorbeugend die Verhaftung aller Spanienkämpfer in Serbien an. Die daraufhin erfolgte Razzia blieb erfolglos. Erst im September 1941 gelang es der serbischen Spezialpolizei 49 Kommunisten des Ortskomitees Belgrad und des Kommunistischen Jugendverbandes zu verhaften und damit die beiden Organisationen kurzfristig auszuschalten. Die KPJ begann im Sommer 1941 den bewaffneten Kampf als kleine, straff organisierte Kaderpartei mit etwa 8000 Mitgliedern, hauptsächlich Arbeitern und Intellektuellen. Zu Kriegsende war die Zahl der Mitglieder auf 141066 angewachsen65. Um den kriegsbedingten Ausfall vieler geschulter Kader zu ersetzen und die Befreiungsbewegung zu stärken, mußte die KPJ ihren Mitgliederbestand laufend erneuern bzw. erweitern und griff dabei in erster Linie auf die Bauern zurück. Die KPJ stellte damit die ideologische Bedeutung des Proletariats bewußt hintan, was Djilas wie folgt rechtfertigte: »Ich hob besonders die revolutionäre Rolle der Bauernschaft hervor; praktisch reduzierte ich die Erhe—
bung in Jugoslawien auf eine Verbindung zwischen einem Bauernaufstand und der kommunistischen
Avantgarde66.«
Als Folge dieser Politik bildeten nach Beendigung des Krieges Bauern das Gros der Parteimitgliedschaft, und selbst zur Zeit des Kominform-Konflikts 1948 betrug der Anteil der Bauern noch 49 %67. Damit hatte aber die KPJ zweierlei bewiesen: daß die Bauern sehr wohl eine zentrale Funktion im revolutionären Kampf haben konnten und gerade die Strategie, sich auf die Bauernmassen zu stützen, der KPJ zum Sieg verholfen hatte. In den benachbarten Ländern dagegen war die Machtergreifung durch die kommunistischen Parteien erst nach dem Einmarsch der Roten Armee und mit Hilfe der Sowjetunion vollzogen worden. 63
Die Ursache für die Explosion wurde nie geklärt. In der jugoslawischen Historiographie wird meist angenommen, daß es sich dabei um einen Sabotageakt gehandelt hat (z.B. Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 88). Djilas der sich zum Zeitpunkt der Explosion in Uzice aufgehalten hat und den Hergang der Explosion genau beschrieb ist der Meinung, die Explosion in den für die Waffenproduktion nur provisorisch eingerichteten ehemaligen Bergwerkstollen hätte auch durch Unvorsichtigkeit ausgelöst worden sein können (Djilas, Der Krieg der Partisanen, S. 128 ff.). Wheeler beziffert die Stärke der Partisanen in Serbien im August 1941 mit 21 Abteilungen aus insgesamt 8000 Mann (Wheeler, Britain and the War for Yugoslavia, 1940—1943, S. 79). Djilas spricht davon, daß die Partisanen im Herbst 1941 mit etwa 4100 Kämpfern in Serbien aktiv waren (Djilas, Der Krieg der Partisanen, S. 128). Haberl, Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern/KPdSU 1941— 1945, S. 16. Zit. nach: ebd. Ebd. S. 16 f. —
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*>7
126
b)
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
Die
Sowjetunion
und die Partisanen 1941
In den drei Monaten zwischen dem Zusammenbruch Jugoslawiens und dem deutschen
Überfall auf die Sowjetunion befolgte die KPJ einerseits die Weisungen Moskaus (»keine
Kriegspropaganda«)68, bereitete sich aber andererseits bereits selbständig auf den bewaff-
Ernstfall vor. Anders als für die übrigen kommunistischen Parteien Europas kam für die KPJ der Überfall auf die Sowjetunion weder überraschend noch traf er sie unvorbereitet. Bereits im Frühjahr 1941 hatte die KPJ in allen regionalen Parteiführungen des Landes Militärkomitees gebildet69. Am 22. Juni 1941 sandte die Zentrale der Komintern an das Zentralkomitee der KPJ eine Funkdepesche mit dem Aufruf zum Beginn von Sabotage- und Partisanenaktionen, um dadurch die Rote Armee militärisch zu entlasten70. Noch am selben Nachmittag trat das ZK der KPJ unter dem Vorsitz Titos in Belgrad zusammen und beschloß eine Proklamation, die den Beginn des bewaffneten Kampfes für die nächste Zukunft in Aussicht stellte. Gleichzeitig wurde ein »Hauptstab der Partisanenabteilungen der Volksbeneten
freiung Jugoslawiens« gebildet71. Am 1. Juli 1941 forderte die Komintern die KPJ auf, sofort mit Widerstandsaktionen zu beginnen72. Das ZK der KPJ fällte drei Tage später eine gleichlautende Entscheidung73 und schuf gleichzeitig regionale Führungsstäbe74. Obwohl kein Zweifel darüber besteht, daß der Entschluß zur Aufnahme des bewaffneten Kampfes den Intentionen der KPJ entsprach75, erfolgte er dennoch auf Weisung Moskaus und im primären Interesse der Sowjetunion bzw. der Roten Armee. Zu diesem Zeitpunkt agierte die KPJ unbestreitbar als der verlängerte Arm Moskaus. 68
Über einen in Zagreb lebenden Komintern-Agenten stand die KPJ mit dem Generalsekretär der Kominin Moskau, Georgi Dimitrov, in ständiger Funkverbindung (Brandes, Großbritannien und sei-
tern ne 69
osteuropäischen
Alliierten 1939—1943, S. 203).
Haberl, Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern/KPdSU
1941—
1945, S. 20.
70 71
Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 371. Haberl, Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern/KPdSU
1941—
1945, S. 22.
72
73
74
Roberts, Tito, Mihailovic and the Allies 1941-1945, S. 24.
Zur Entschlußbildung bemerkt der bei der ZK-Konferenz anwesende Djilas folgendes: »Wir hatten schon seit geraumer Zeit über eine Funkverbindung zur Komintern, also zu Moskau, verfügt und hätten derart verantwortungsvolle und schicksalhafte Unternehmungen, wie es bewaffneter Kampf und ein Aufstand nun einmal sind, ohne allerhöchste Zustimmung« gar nicht beginnen dürfen« (Djilas, Der Kampf der Partisanen, S. 9). Haberl, Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern/KPdSU 1941—
1945, S. 22.
75
Djilas meint dazu: »Über diesen Beschluß gab es keine Diskussion: die Weisung der Komintern war uns bekannt, sie entsprach völlig unseren ideologischen, internationalistischen Verpflichtungen sowie unse-
Liebe zur UdSSR die für uns >Bollwerk des Weltkommunismus< und das >erste Land des Sozialisund ebenso unserer Situation und unseren Bestrebungen« (Djilas, Der Kampf der Partisanen, S. 11).
rer
—
mus< war
—
4. Die Partisanen
127
Doch schon die erste Komintern-Depesche vom 22. Juni 1941 enthielt eine Bestimmung über die politische Zielsetzung des Partisanenkampfes, die im Laufe der folgenden Entwicklung das Verhältnis der KPJ zu Moskau immer stärker trüben sollte. So eindringlich die Komintern als Sprachrohr Stalins nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion die jugoslawischen Völker und die KPJ zum bewaffneten Kampf aufrief, so sehr legte sie von Anfang an Wert auf die Feststellung, daß es in Jugoslawien in der gegenwärtigen Etappe um die Befreiung von der faschistischen Unterjochung, und nicht um eine sozialistische Revolution gehe76. Tito hingegen kündigte in einer an die Komintern gerichteten Depesche bereits am 23. August 1941 die Bildung von »Nationalen Befreiungskomitees« als einer Art zentraler Volksregierung an, die sich aus Kommunisten und Vertretern verschiedener demokratischer Strömungen zusammensetzen werde77. Die geplanten »Nationalen Befreiungskomitees« waren somit politisch-administrative Organisationen, die ein konstituierendes Element der intendierten sozialen Revolution darstellen sollten78. In dieselbe Richtung wies die von Tito im Dezember 1941 aufgestellte »1. Proletarische Stoßbrigade«, deren Bildung von der Komintern heftig kritisiert wurde79. Durch die Zielstrebigkeit, mit der die KPJ-Führung schon nach sehr kurzer Zeit ihre revolutionären Ziele in die Tat umzusetzen begann, »vollzog Tito einen totalen Bruch mit der offiziellen Politik der UdSSR, die seit sieben Jahren sorgfältig jeden Anschein des Versuchs vermieden hatte, im Ausland ein kommunistisches Regime zu errichten80.« Doch im ersten kritischen Stadium der Resistance (Herbst 1941), als die Wehrmacht militärisch massiv gegen die Partisanen vorging und die Beziehungen zwischen Partisanen und Mihailovic-Cetniks extrem angespannt waren, hoffte Tito nach wie vor fest auf baldige sowjetische Unterstützung und zeigte sich an Kontakten mit den Briten nicht interessiert81. Dies, obgleich die Illusionen der KPJ hinsichtlich einer baldigen Niederlage Deutschlands im Krieg gegen die Sowjetunion bereits verflogen waren. Durch die regelmäßigen Funkdepeschen Titos an die Komintern war man in Moskau schon im Som76 77
78 79 80
81
Zit. nach:Dedijer, Tito, S. 295. Zit. nach: Yugoslavia and the Soviet Union 1939—1973, S. 60. Die Funktion der Nationalen Befreiungskomitees wurde von der KPJ folgendermaßen definiert: »Sie sind heute wirkliche Träger der Macht, freilich vorläufige Träger. Denn ihre Aufgabe ist es, diese Funktion im Interesse des Volksbefreiungskampfes bis zu unserer Befreiung, bis zu dem Zeitpunkt auszuüben, an dem man nach der Vertreibung des Okkupators aus unserem Land an die Bildung staatlicher Verwaltungsorgane gehen kann« (zit. bei Haberl, Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern/KPdSU 1941-1945, S. 25). Strugar, Der jugoslawische Volksbefreiungskrieg 1941—1945, S. 61 f. Pijade, Das Märchen von der sowjetischen Hilfe, S. 11. Borkenau, Der europäische Kommunismus, S. 334 f. Bei seinem Besuch im Hauptquartier der Partisanen in Uzice im Oktober 1941, hatte Captain Hudson Tito die technischen Daten (Wellenlänge, Zeiten und Code) für eine Funkverbindung mit britischen Stellen im Nahen Osten angeboten und ihm ein Funkgerät zur Verfügung gestellt. Aus Rücksicht auf die Sowjetunion und aus ideologischen Gründen hatte Tito dieses Angebot aber abgelehnt (Deakin, The Embattled Mountain, S. 135).
128
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
mer 1941 verhältnismäßig gut über den Kampf gegen die deutschen Okkupanten und über die Konflikte zwischen Partisanen und Mihailovic-Cetniks unterrichtet82. Sicherlich hat Tito die Komintern auch über seine Bemühungen um ein Kooperationsabkomalso unmittelbar nach dem Beginn der men mit Mihailovic im Juli und August 1941 der von Moskau gewünschten Volksfront Sinne Partisanen im einer Kampfaktionen unterrichtet. Der Erfolg erschöpfte sich allerdings in der Unterzeichnung eines Nichtangriffspaktes83. Schon zu diesem Zeitpunkt dürfte es Tito klar gewesen sein, daß die diametral entgegengesetzten politischen Zielsetzungen der beiden Widerstandsgruppen keine dauerhafte militärische Kooperation, geschweige denn eine Art Volksfrontbündnis zulassen würden. Obwohl Moskau über die Tatsache informiert war, daß der bewaffnete Widerstand gegen die deutschen Besatzer in Serbien ausschließlich von den Partisanen getragen wurde, hielt es weiterhin an der Vorstellung eines Volksfrontbündnisses fest. Für diese Haltung dürften u. a. globale militärische Überlegungen verantwortlich gewesen sein. Die Rote Armee sah sich im Sommer/Herbst 1941 in die totale Defensive gedrängt. Die deutschen Truppen standen bereits vor den Toren Moskaus. Am 4. September 1941 forderte Stalin Churchill nachdrücklich auf, eine zweite Front zu eröffnen: —
—
»Der einzige Ausweg ist nach meiner Meinung, noch in diesem Jahr eine zweite Front irgendwo auf dem Balkan oder in Frankreich zu errichten, die 30—40 deutsche Divisionen von der Ostfront abziehen würde«84.
Stalin wußte, daß die Briten Mihailovic unterstützten und war nicht bereit, sich eindeutig auf die Seite der Partisanen zu stellen und damit die mögliche Schaffung einer von der Roten Armee so dringend benötigten Balkanfront durch die Briten, seine einzigen Verbündeten, aufs Spiel zu setzen. Die Partisanen konnten durch ihren Kampf in Serbien bestenfalls ein halbes Dutzend, ein etwaiges Eingreifen der Briten auf dem Balkan hingegen einige Dutzend deutscher Divisionen binden85. Als nach Mihailovic' Angriff —
—
Obwohl die Depeschen Titos an die Komintern zum Großteil nicht zugänglich bzw. nicht erhalten geblieben sind, besteht kein Zweifel daran, daß Moskau durch die bestehende Funkverbindung zu Tito über die Ereignisse in Serbien gut informiert wurde. Die erste Depesche, die Tito Ende Mai/Anfang Juni 1941 abfaßte, traf einige Tage nach dem Überfall auf die Sowjetunion in Moskau ein. Allein in der Zeit zwischen dem Überfall auf Jugoslawien und dem 2. August 1941 wurden zwischen der KPJ und der Komintern 94 Depeschen gewechselt (Haberl, Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern/KPdSU 1941—1945, S. 11). Vom Zeitpunkt des Überfalls auf die Sowjetunion bis zur Übersiedlung Titos von Belgrad nach Uzice Mitte September 1941 hatte Tito sechs Depeschen an die Komintern gesandt (Roberts, Tito, Mihailovic and the Allies 1941—1945, S. 40). Bei Gesprächen mit sowjetischen Vertretern in Moskau im November 1941 erhielt der britische Botschafter Cripps den sicheren Eindruck, daß die sowjetischen Stellen über den Widerstandskampf in Serbien weit besser (und wahrheitsgetreuer) informiert waren als das Foreign Office und die Vertreter der jugoslawischen Exilregierung (Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 449). 83 Dazu Näheres bei Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 140f. 84 Die unheilige Allianz, S. 58. 85 Beim Bruch Titos mit Stalin spielte die Frage der (Nicht-) Unterstützung der Partisanen durch Moskau eine wesentliche Rolle. Moscha Pijade, ZK-Mitglied der KPJ und enger Vertrauter Titos im Partisanenkampf, brachte die Haltung Moskaus im Jahre 1941 auf den Punkt: »Während dieser kritischen Phase des Kampfes der Roten Armee, vom Juli bis Dezember 1941, als an allen übrigen Fron82
4. Die Partisanen
129
auf die Partisanen Anfang November 1941 das britische Foreign Office die sowjetischen Stellen um Vermittlung in diesem Konflikt ersuchte, stieß es auf positive Resonanz86. Obwohl Moskau über die vorangegangenen Angriffe der Mihailovic-Cetniks auf die Partisanen ebenso informiert war wie über Mihailovic' Verhandlungsversuche mit Nedic und den deutschen Besatzern (zwecks Zerschlagung des Partisanenwiderstandes in Serbien), akzeptierte die Sowjetunion die Aufforderung der Briten, auf Tito hinsichtlich eines militärischen Volksfrontbündnisses unter der Führung von Mihailovic einzuwirken. Unmittelbar nach der britischen Intervention in Moskau begann »Radio Moskau« ab Mitte November 1941 mit einer Propagandaoffensive für Mihailovic, in der dieser als Führer aller Widerstandskräfte in Jugoslawien bezeichnet wurde87. Dabei wurde die absurde Behauptung aufgestellt, eine komplette Partisanenarmee, bestehend aus fünf voll ausgebildeten Divisionen in Jugoslawien würde unter dem Kommando Mihailovic' operieren88. Nach diesem Vorgehen Moskaus war das blinde Vertrauen Titos und der KPJFührer zu Stalin erstmals erschüttert. In gereiztem Ton wies Tito seinen Kominternagenten in Zagreb an, ein Telegramm nach Moskau zu senden: »Sende sofort dieses Telegramm, denn Radio Moskau verbreitet schrecklichen Unsinn über D. Mihailovic, mit dem wir über einen Monat lang einen blutigen Kampf führen. Er ist Kommandant der Cetniki. [...] Er hat uns am 2.11. überfallen und versucht, uns zu entwaffnen, aber wir haben ihn völlig zerschlagen, so daß ihm nur noch 500 Mann übriggeblieben sind. [...] Nur London zuliebe haben wir davon Abstand genommen, Draza Mihailovic vollständig zu liquidieren, aber wir werden unsere Partisanen kaum zurückhalten können, dies nicht zu tun. Erkläre ihnen, daß sie aufhören sollen, schlimmeren Unsinn zu verbreiten, als ihn Radio London verbreitet89.«
Neben der propagandistischen Unterstützung für Mihailovic aus bündnispolitischen Rücksichten auf die Briten und die jugoslawische Exilregierung90 kam von Moskau —
—
Ruhe herrschte, kann einzig von der moralischen Hilfe die Rede sein, die die Jugoslawen durch ihren Kampf der Sowjetunion und ihrer Armee geleistet haben. Wenn die Kommunistische Partei Jugoslawiens den jugoslawischen Völkern nicht allein den Willen zum Kampf für die eigene Befreiung, sondern auch das Bewußtsein eingepflanzt hatte, daß sie durch ihren Kampf der Roten Armee die größtmögliche Hilfe leisten sollen, indem sie möglichst viele deutsche Divisionen in Jugoslawien binden, so wäre wahrlich die Lage an der Ostfront zu jener Zeit nicht gerade ein Ansporn für sie gewesen, den Kampf aufzunehmen und den Aufstand >gegen jene Macht< zu erheben. Eine solche moralische Kraft können jedoch weder Gottwald noch Anna Pauker verstehen, die über die Befreiung ihrer Länder in ihren Wohnungen in Moskau an den Radioempfängern zuhörten« (Pijade, Das Märchen von der sowjetischen Hilfe, S. 12). 86 Der sowjetische Botschafter in London, Majskij, hatte bei der Vermittlung seine Dienste angeboten (Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 465). 87 Brandes, Großbritannien und seine osteuropäischen Alliierten 1939—1943, S. 212. 88 Vom britischen Geheimdienst bzw. von exiljugoslawischen Abhörorganen im Nahen Osten abgehörte Sendungen von Radio Moskau (zit. nach: Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 464). 89 Depesche vom 25.11.1941 (zit. nach: ebd. S. 465). 90 Nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion hatte Moskau die im Mai 1941 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zur jugoslawischen Exilregierung in London im Juli 1941 wieder aufgenommen. Erst nach der Anerkennung der Nationalen Befreiungskomitees im Dezember 1943 brach die Sowjetunion die diplomatischen Beziehungen zur jugoslawischen Exilregierung in London wieder ab (Matl, Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg, S. 102). ten
130
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
auch scharfe Kritik an Titos Politik. Die Führung der Komintern warf Tito politische Borniertheit und die Unfähigkeit vor, in koalitionären Dimensionen zu denken91. Tito schlug den sowjetischen Stellen erfolglos vor, nicht ständig auf ein Volksfrontbündnis mit Mihailovic zu insistieren, sondern besser eine sowjetische Militärmission analog der britischen Mission bei Mihailovic zu den Partisanen zu entsenden, die sich dann an Ort und Stelle ein Bild über die Situation in Jugoslawien machen könnte92. Nachdem schon die von Tito im Sommer 1941 erbetene Waffenhilfe nicht eingetroffen war93, wurde von der Sowjetunion auch die Entsendung einer Militärmission abgelehnt94. Anstelle der dringend benötigten Waffen und Hilfsgüter hatte Stalin den Partisanen nichts anderes als Zurechtweisungen, politischen Verrat und »Ratschläge« zu bieten. Die einzige materielle Unterstützung, die die Partisanen bis 1944 von Moskau erhielten, war die Stationierung des Radiosenders »Slobodna Jugoslavia« in Tiflis (Tbilissi), der ab November 1941 seine Programme nach Jugoslawien ausstrahlte95. Aufgrund der vollkommen realitätsfernen, politisch undurchführbaren Vorschläge Moskaus begannen Tito und die KPJ ab Sommer 1941 sich langsam aus der bis dahin starken politischen Hörigkeit gegenüber Stalin zu befreien. Eine weitere Unterwerfung unter den »Genossen Stalin, unseren großen Lehrer«96, hätte die Aufgabe, wenn nicht sogar die blutige Liquidierung des Partisanenkampfes in Jugoslawien bedeutet. Die Dynamik des Partisanenaufstandes hat—
—
Anfang März 1942 sandte die Komintern folgendes Telegramm an Tito: »Die Niederlage der faschistischen Banditen und die Befreiung von den Okkupatoren ist die Hauptaufgabe, die Aufgabe, die über allen anderen Aufgaben steht. Berücksichtigen Sie, daß sich die Sowjetunion im Bündnisverhältnis mit dem jugoslawischen König und der Regierung befindet, und daß ein offenes Auftreten gegen diese neue Schwierigkeiten in den gemeinsamen Kriegsanstrengungen und den Beziehungen zwischen der Sowjetunion einerseits, und England und Amerika andererseits schaffen würde. Die Frage Ihres Kampfes betrachten Sie nicht allein von Ihrem nationalen Standpunkt, sondern auch vom internationalen Standpunkt der englisch-sowjetisch-amerikanischen Koalition aus. Indem Sie ihre Position im Volksbefreiungskampf allseitig festigen, zeigen Sie gleichzeitig mehr Elastizität und Manövrierungsfähigkeit« (zit. nach: Pijade, Das Märchen von der sowjetischen Hilfe, S. 17). 92 Am 5.3.1942 hatte die Komintern wieder ein Telegramm an Tito geschickt, in dem sie die »Sowjetisierungspolitik« Titos scharf kritisierte: »Bei der Durchsicht Ihrer gesamten Information bekommt man den Eindruck, daß mit einer gewissen (Rechtfertigung) die Anhänger Englands und der jugoslawischen Regierung den Verdacht hegen, daß die Partisanenbewegung einen kommunistischen Charakter bekomme und daß sie sich auf die Sowjetisierung Jugoslawiens richte. Weshalb hatten Sie es, zum Beispiel, nötig, eine spezielle Proletarierbrigade zu bilden? Jetzt besteht doch die hauptsächliche und unmittelbare Aufgabe darin, daß alle antihitlerischen Elemente vereinigt, die Okkupatoren zerschlagen und die nationale Befreiung erkämpft werde« (zit. nach: ebd., S. 15). 93 Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 448. 94 Im Februar 1942 hatte Tito mehrmals um die Entsendung einer sowjetischen Militärmission gebeten (siehe die Telegramme vom 17. und 22.2.1942, zit. in: Pijade, Das Märchen von der sowjetischen Hilfe, S. 12f). Die erste sowjetische Militärmission wurde erst im Februar 1944 zum Stabe Titos gesandt (Djilas, Der Krieg der Partisanen, S. 481 ff). 95 Der Sender wurde von Veljko Vlahovic geleitet. Vlahovic war gleichzeitig Sekretär der Kommunistischen Jugendinternationale und Vertreter der KPJ bei der Komintern. Allein bis zum Jahresende 1941 wurden 51 Sendungen ausgestrahlt, (Haberl, Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern/KPdSU 1941-1945, S. 12 f., 31). 96 Mit dieser Anrede titulierte Tito in seinem Grußtelegramm von der jugoslawischen Parteikonferenz im Oktober 1940 den Generalsekretär der KPdSU (Simic, Dokumente widerlegen Tito, S. 60).
91
5. Der
Kampf der Partisanen und Cetniks im Jahre
131
1941
der schweren Rückschläge in Serbien zur Jahreswende 1941/42 den Führern der soviel KPJ politisches Selbstvertrauen gegeben, daß sie auch ohne politische und materielle Unterstützung Stalins an der von ihnen eingeschlagenen Politik festhielten. Ein Brief an Moscha Pijade verdeutlicht, in welchem Grad Tito sich schon im März 1942 von Stalin emanzipiert hatte. In einem Ton, der für andere KP-Führer undenkbar gewesen wäre, schreibt Tito: »Vor einigen Tagen erhielt ich einen kilometerlangen Brief von ihm (Stalin W.M.), in dem er mir mitteilte, daß er aus unserem Material den Eindruck gewinne, daß unsere Partisanenbewegung immer te trotz
—
mehr in kommunistische Gewässer gehe, denn wie wäre es möglich, daß die Anhänger Londons Tschetniks gegen uns organisieren. [...] Er verlangt, daß wir unsere Politik revidieren und eine breite Volksbefreiungsfront schaffen. Ich habe ihm darauf kurz und bündig geantwortet, daß er auf Grund unserer Briefe falsche Schlüsse gezogen habe, daß wir eine breite Volksbefreiungsfront haben, jedoch nicht mit der fünften Kolonne, sondern mit der riesigen Mehrheit der wahren Patrioten97.«
Der ehrfurchtslose Ton soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß Tito und die Partisanen nach wie vor davon überzeugt waren, prinzipiell im Sinne Stalins zu handeln. Die entstandenen Spannungen wurden von Tito auf taktische Überlegungen Moskaus zurückgeführt und als nur temporär eingeschätzt98. Im Gegensatz zu anderen kommunistischen Parteien Europas, die erst durch den Einmarsch der Roten Armee in ihren
Ländern an die Macht gelangten, hatte sich die KPJ durch ihren Entschluß zum bewaffneten Kampf schon 1941 eine breite Massenbasis geschaffen. Die aktive Realpolitik der KPJ in Form des Partisanenkampfes hatte Tito veranlaßt, eigene Entscheidungen zu treffen und nicht als Marionette Stalins zu agieren. Diese relative Autonomie mußte auf lange Sicht zwangsweise zu einem tiefen Konflikt zwischen der KPJ und dem mit Allmachtansprüchen ausgestatteten Führer der KPdSU führen; einem Konflikt, der in den Bruch der KPJ mit Moskau im Jahre 1948 einmünden sollte. 5. Der
Kampf der Partisanen
und Cetniks im
Jahre
1941
Die Aktionen der Partisanen in Serbien hatten schon kurze Zeit nach der Proklamation des bewaffneten Aufstandes solche Ausmaße angenommen, daß sich die deutschen Besatzer gezwungen sahen, Anfang August 1941 beim OKW allerdings erfolglos um Ver200 zwei und SD-Leute anzusuchen. Als durch Polizeibataillone mindestens stärkung Reaktion auf die Ablehnung aus Berlin wurde auf einem Gipfeltreffen der Wehrmachtspitzen auf dem Balkan Mitte August 1941 in Athen beschlossen, von nun an die Wehrmacht zur Partisanenbekämpfung in Serbien einzusetzen99. Im Juli 1941 waren sich die Deutschen weder über die Urheber noch über den Charakter der Résistance im klaren. Die Propagandaabteilung bezeichnete die Akteure des Widerstandes als »serbische Banden« und maß ihnen keine »übermäßig gefährliche Bedeutung —
97 98
99
—
Zit. nach: Pijade, Das Märchen von der sowjetischen Hilfe, S. 16. Haberl, Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern/KPdSU 1941—1945, S.U. Siehe Kapitel I.
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
132
weil es sich dabei um eine fast normal zu nennende balkanische Erscheinung handelt100.« Auch das Höhere Kommando LXV konnte nur feststellen, daß es sich bei den drei im Monat Juli auf die Truppe verübten Anschlägen »meist um Einzelaktionen kleiner Gruppen handelte, wenn auch ziemlich gleichzeitiges Aufflackern der Bandenunruhen an verschiedenen Stellen zu erkennen war [...] Eine einheitliche Führung (war) bisher nicht zu erkennen101.« Anfang August 1941 waren die deutschen Stellen bei der Feindaufklärung noch nicht viel weitergekommen. Reichlich undifferenziert wurde nunmehr behauptet: »Banden bestehen aus Kommunisten und Nationalserben102.« Im Laufe des Monats gelang es der deutschen Abwehr endlich, die Akteure des sich mittlerweile immer stärker ausdehnenden bewaffneten Widerstands zu eruieren: »Versteifung in Richtung eines bewaffneten kommunistischen Aufstandes. [...] Unverkennbar erhalten Kommunisten Weisungen durch Radio. (Geschickte Schilderungen angeblicher Überfälle an russischer Front). Beteiligung von Cetniki an Überfällen nicht feststellbar103.« zu,
diesem Zeitpunkt kristallisierte sich für die deutschen Besatzer die Struktur der Feindgruppen heraus. Die Träger und Aktivisten des Aufstandes in Serbien waren die »kommunistischen Banden«, während sich die »nationalen Banden« der Cetniks bisher nicht am Kampf gegen die Besatzungsorgane beteiligt hatten. Doch befürchtete man auf deutscher Seite, daß sich bei einer weiteren Ausbreitung des Aufstandes auch die Cetniks dem bewaffneten Kampf anschließen könnten. Am 12. September 1941 berichtet der Gesandte Benzler dem Auswärtigen Amt, daß erstmals einige Cetnik-Abteilungen Position gegen die Wehrmacht bezogen hätten, ohne sich aber aktiv an den Kämpfen Erst
zu
zu
beteiligen104.
fest, daß die Mihailovic-Cetniks bis September 1941 nicht gegen die deutschen Okkupanten gekämpft haben. Die Aktionen im Sommer 1941, bei denen allein im August 242 Attentate verübt, 22 Wehrmachtsoldaten getötet und 17 verwundet wurden105, waren allein von den Partisanen durchgeführt worden. Die Mihailovic-CetEs steht unzweifelhaft
100
i°i 102 103 104
BA-MA, RW4/v.231, Lage- und Tätigkeitsbericht der Propagandaabteilung »S« in der Zeit vom 26.6. bis 25.7.1941. Ebd., RH 24-30/276, Höh. Kd. LXV, Abt. Ia, 25.7.1941. Ebd., RW40/5, KTB Befehlshaber Serbien, 9.8.1941. Ebd., Anlage zum KTB Befehlshaber Serbien, Lagebericht über den Zeitraum 21.—31.8.1941. »Under the influence of nationalistically camouflaged communist slogans, individual Chetnik groups are now also taking positions against the German occupation troops, although so far there has been zit. no fighting involving them« (Schreiben Benzlers an AA, 12.9.1941, in englischer nach: Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 135). BA-MA, RH 19 XI/81, Die Bekämpfung der Aufstandsbewegung im Südostraum, T. 1, S. 18. Clissold zitiert eine typische Tagebucheintragung des bei der Partisanen-Abteilung in Valjevo eingesetzten Politkommissars Dragojlo Dudic über die Tagesoperation vom 1.8.1941: »1. Send out patrols. 2. Warn Presidents of Parish Councils to stop all local administration work as it only helps the enemy. In case of refusal, take hostages. 3. Distribute Communist Youth leaflets. 4. Rest of the company to help in harvesting and spread propaganda amongst the peasantry. 5. Prepare attack on Mionica gendarmerie station« (Clissold, Whirlwind, S. 37 f.).
Übersetzung,
105
5. Der
Kampf der Partisanen
und
Cetniks
im
Jahre
133
1941
niks hielten noch strikt an der Taktik des defensiven Abwartens fest und gaben keinen einzigen Schuß auf die deutschen Okkupationsorgane ab106. Eine gänzlich andere Darstellung des Widerstandes in Serbien vermitteln hingegen die Berichte, die im Laufe des Sommers durch Kuriere der Cetniks bei den britischen Stellen und bei der jugoslawischen Exilregierung eintrafen. Schon am 7. Juli 1941 erhielt die britische »Special Operations Executive« (SOE) in Kairo einen Bericht, in dem behauptet wurde, daß in Serbien nationale Gruppen in einer Stärke von 100000 Mann im Kampf stünden. Die gleichen phantastischen Zahlen kolportierte sechs Wochen später das britische »Balkan Press Reading Bureau« in Istanbul, das diese Information von zwei militanten Panserben und glühenden Mihailovic-Anhängern erhalten hatte107. Die detaillierteste, aber ebenfalls unrichtige Schilderung erhielt Ende Juli oder Anfang August 1941 ein Mitglied des britischen »Secret Intelligence Service« (SIS) in Kairo von einem aus Serbien kommenden Kurier, der ebenfalls berichtete, in Serbien stünden fast 100000 Mann unter Waffen. Als Führer dieser nationalistischen Gruppen wurde erstmals Generaloberst Draza Mihailovic erwähnt. Wahrscheinlich aufgrund dieses Berichtes entschlossen sich die britischen Stellen zur Entsendung einer Militärmission nach Serbien108. Als erste Hilfsmaßnahme übermittelten die Briten 20000 Pfund an Mihailovic109. Anfang September 1941 weitete sich der Widerstand in Serbien immer mehr zu einem Aufstand aus. Die Kampfstärke ließ die Deutschen zu dem Schluß kommen, daß sich nunmehr auch die Cetniks an den Kämpfen beteiligten. Sie hatten sogar zu Unrecht die Cetniks des Kosta Pecanac in Verdacht, am Aufstand mitzuwirken. In einem Brief an Feldmarschall List berichtete dessen nach Belgrad entsandter Ordonnanzoffizier Anfang —
September
—
1941:
»General Bader und Oberst Kewisch [...] trauen den Cetniki nicht. Es sind auch jetzt noch Befehle gefunden, die das Zusammengehen der Cetniki und Kommunisten beweisen110.«
hofften, durch die Einsetzung von Nedic als Regierungschef ein der Mihailovic-Cetniks mit den Partisanen zu verhindern111. UnmitZusammengehen telbar nach seinem Amtsantritt Ende August 1941 unternahm Nedic der sich selbst als »serbischer Petain« fühlte112 den Versuch, Mihailovic zu bewegen, mit seinen Cet-
Die deutschen Besatzer
—
—
Einschätzung der deutschen Abwehr über die militärische Passivität der Cetniks bis zum September 1941 richtig war, wird durch Dokumente der Cetniks und Cetnik-Sympathisanten aus dieser Zeit bestätigt (siehe dazu Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 135ff.). 107 Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 376. 106
Daß die
Ebd., S. 377. Deakin, The Embattled Mountain, S. 126. 110 BA-MA, RH 19 XI/81, Die Bekämpfung der Aufstandsbewegung im Südostraum, T. 1, S. 35. 111 Im Lagebericht des Befehlshabers Serbien von Ende August 1941 heißt es dazu: »Es wird erhofft, daß neue Regierung in gewisser Verbindung mit Cetniki (des Kosta Pecanac W M.) zur Wieder-
108
109
herstellung von Ruhe und Ordnung wesentlich beitragen und die national gesonnenen Serben zumindest veranlassen wird, mit Kommunisten nicht gemeinsame Sache zu machen« (BA-MA, RW 40/5, Lagebericht an das AOK 12 über den Zeitraum 21.—31.8.1941). 112 So jedenfalls zitierte ihn General Böhme (ebd., RW 40/24, Bericht Böhme an Wehrmachtbefehlshaber Südost, 15.11.1941). —
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
134
niks nach Bosnien und Herzegowina zu gehen, um dort die serbische Bevölkerung gegen die Ustascha zu unterstützen. Dafür bot ihm Nedic über Mittelsmänner jegliche Unterstützung, auch in Form von Waffen, an. Mihailovic reagierte nicht auf das Angebot. Wenige Tage später wurde ein zweiter Vorschlag von Nedic, in dem er Mihailovic aufforderte, seine Cetniks von den Partisanen abzuziehen, von den Partisanen abgefangen. Nedic' Bemühungen um die Isolierung der Mihailovic-Cetniks von den Partisanen blieben damit vorerst
erfolglos113.
Innerhalb der Wehrmachtführung in Serbien war man zu diesem Zeitpunkt über eine mögliche Zusammenarbeit mit Mihailovic geteilter Meinung. Während der Befehlshaber Danckelmann wegen der militärischen Schwäche seiner Truppen für eine Kooperation mit den Cetniks zur Niederwerfung des Partisanenaufstandes eintrat, warnte General Bader vor einem solchen Zusammengehen114. Die Erfolge der Partisanen drängten Mihailovic zunehmend ins Abseits. Er versuchte im September 1941, sich einer Entscheidung für eine der beiden Optionen Zusammengehen mit den Partisanen gegen die Okkupanten oder Kooperation mit der Wehrmacht und den Nedic-Formationen gegen die Partisanen zu entziehen. Keine der beiden Möglichkeiten entsprach seinen Zielen. Doch nicht Mihailovic, sondern die Partisanen und die Deutschen diktierten das Geschehen. Mihailovic suchte nach einer Taktik, die ihm einen Ausweg aus dieser Zwickmühle ermöglichen würde. —
—
a)
Die
partielle
militärische
Kooperation Partisanen
Cetniks im Herbst
1941
—
Durch die Ausweitung des Partisanenwiderstandes im August 1941 war die Position von Mihailovic als potentieller Resistanceführer ins Wanken geraten. Im Sommer 1941 hatte er sich und seine Cetniks den Briten und der Exilregierung fälschlicherweise, doch erfolgreich als alleiniger Träger des Widerstands in Serbien präsentiert und gehofft, auf diese Weise umgehend materielle und politische Unterstützung zu bekommen115. Die begrün1,3 114
115
Tomasevich,
War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 197f. »Beim Höh. Kdo. LXV ist man der Auffassung, der Entschluß des Befehlshabers Serbien, sich der serbischen Regierung und der Cetniki zur Bekämpfung der Kommunistenbanden zu bedienen, könne zwei große Gefahren mit sich bringen: Die Cetniki verbinden sich mit den Kommunisten und treten gemeinsam, binnen kurzem neu geordnet und organisiert, gegen die deutschen Besatzungstruppen auf. Zum zweiten: Die serbische Regierung stellt mit den Cetniki die Ruhe im Lande wieder her, organisiert gleichzeitig geradezu ein stehendes Heer, so daß die deutsche Besatzung stets mit einem gefährlichen Aufstand rechnen muß, ohne einem solchen rechtzeitig entgegentreten zu können, da die Regierung und Cetniki für sich in Anspruch nehmen werden, die Ruhe im Lande hergestellt zu haben, nachdem die Deutschen hierzu nicht in der Lage gewesen wären« (Brief des Ordonnanzoffiziers Lists, Rittmeister Campe, an List, 9.9.1941, zit. nach: BA-MA, RH 19 XI/81, Die Aufstandsbewegung im Südostraum, T. 1, S. 35 f.). Die Briten wußten zu diesem Zeitpunkt noch nichts über die Existenz der Partisanen und deren Aktivitäten. Tito war dem britischen Secret Service und der jugoslawischen Exilregierung gänzlich unbekannt, und selbst Mihailovic war bei seinem ersten Treffen mit Tito im September 1941 überzeugt, daß dieser wegen seiner »eigenartigen« Aussprache (Tito war Kroate) ein sowjetischer Agent sei. Erst Anfang November 1941 erwähnt Mihailovic in einem Funktelegramm an die Briten erstmals den »Communist leader in Serbia, under the false name >Titogeführt werden< ersetzt]« (ebd., RH 26—342/11, Tagesmeldung Ia der 342. ID vom von
—
123
3./4.10.1941).
Befehlshabers Serbien ist am 18.9.1941 festgehalten: »Haltung der Cetniks nach wie unklar. Im Drina-Gebiet und im Raum Guca Zusammengehen mit Kommunisten« (ebd., RW 40/11). Ende September hatte die Wehrmacht über die jeweilige Führung der Widerstandsverbände in den verschiedenen Gebieten Serbiens genaue Kenntnis (siehe ebd., RH 24—18/87, Bericht über die Aufstandsbewegung in Serbien in der Zeit vom 21.—30.9.1941). In einem Schreiben an den Wehrmachtbefehlshaber Südost, Generalfeldmarschall List, schilderte Böhme kurz nach seinem Eintreffen seinen Eindruck von der Lage in Serbien: »Der Aufstand ist im ganzen Lande mehr oder weniger im Gange. Kommunisten und Nationale arbeiten meiner Überzeugung nach zusammen. Die Führung liegt in den Händen serb. Offiziere. Mannschaften und milit. Führung scheinen ausreichend vorhanden zu sein. [...] Der Gegner hat Zuwachs an ausgebildeten Mannschaften und an Waffen auch durch den Übertritt von serb. Gendarmen etc. erhalten. Ausbildung wird bei den Banden, die auch scharfe Schießübungen abhalten, laufend betrieben. Die Organisation ist sicher noch nicht abgeschlossen. [...] Die jetzt entstandene Lage beweist schlagkräftig, daß man den Verhältnissen in allem zu duldsam und optimistisch gegenübergestanden und daß die Lage vollkommen verkannt worden war. Man lebte bis jetzt noch in dem Irrglauben, daß es sich um eine kommunistische Bewegung im Lande handelte und daß eine Regierung Nedic die Bereinigung herbeiführen werde. [...] Aus diesen Gründen halte ich das sofortige Abgehen des Gen. d. Fl. Danckelmann für erforderlich. [...]« (ebd., RH 24—18/87, Schreiben Böhme an List, 25.9.1941). Trotz der ungerechtfertigten Beschuldigung Danckelmanns (bis kurz vor dem Eintreffen Böhmes wurde der Aufstand in Serbien allein von den Partisanen geführt), wurde Böhmes Drängen auf Absetzung Danckelmanns von List unmittelbar entsprochen. »Die früheren Meldungen, daß Mihajlovic der Führer des Aufstandes in der Sumadija (Landstreifen südlich von Belgrad bis hin zum Hauptquartier von Mihailovic in der Ravna Gora W.M.) ist, Im KTB des
vor
124
125
—
5. Der
Kampf der Partisanen und Cetniks
im
Jahre
1941
139
In ihrem westserbischen Einsatzgebiet jedenfalls stellte General Hinghofers Division wäh-
rend ihrer
blutigen Säuberungsunternehmen (September/Oktober 1941) fest:
»Kommunisten und Cetniki haben gemeinsam gegen die Division gekämpft. Die Cetniki sind der Aufnicht nachgekommen. Beide sind unsere Feinde126.«
forderung zur Waffenniederlegung
Nach Abschluß des Unternehmens im Cer-Gebirge fertigte Hinghofer einen ausführlichen Bericht über die Feindkräfte in diesem Raum an. In diesem Bericht wurde festgehalten: »[...] 5. Die Meldungen über die Stärke der aufständischen Verbände schwanken stark. Wenn auch damit zu rechnen ist, daß sich unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse (gemeint sind die Massenmorde seiner Division an der Zivilbevölkerung W M.) ein großer Teil der Aufständischen bei beiden Verbänden verlaufen hat, so muß doch im Save-Drina-Gebiet Altserbiens eine Gesamtstärke von mindestens 6—8000 Mann angenommen werden. Wieviele davon auf den einen oder anderen Verband entfallen, ist schwer zu sagen. [...] Cetnik- und Partisanenverbände schwimmen zur Zeit völlig durcheinander. Es soll sogar eine »kombinierte« Kp. geben, die aus Cetniks und Partisanen gebildet ist127.« —
Wenige Tage zuvor hatte Hinghofer angeordnet, beim Vordringen seiner Division auf die Stadt Krupanj alle Aufständischen und Zivilisten auf der Stelle zu erschießen128. In dem Bericht, den Hinghofer unmittelbar vor der Einnahme von Krupanj durch die 342. LD verfaßte, schreibt er unter dem Punkt »Deutsche Gefangene: In
Krupanj befanden sich etwa 2—300 Gefangene, die nach neuen Nachrichten fortgeführt worden sind. Die Behandlung soll nach wie vor gut sein. In einem Falle wird indessen von Prügelstrafe berichtet129.«
weiter nach Süden
Die Behandlung der deutschen Soldaten als Kriegsgefangene beantwortete Hinghofer auf seine Weise: »Am 21.10.41
vor
Abzug der Angriffstruppen aus Raum Krupanj Stadt niedergebrannt, verdächtige
Bewohner erschossen130.«
Bei diesem Massaker der 342. LD in der Stadt
det!131 Auch im
Krupanj wurden
1800 Menschen
ermor-
Einsatzgebiet der 717. ID hatten sich Partisanen- und Cetnikabteilungen zu zusammengeschlossen. Nach der Aufgabe von Uzice und Cacak Ende 1941 das 749. und 737. IR der 717. ID mit dem Befehl nach Kraljevo waren September zurückverlegt worden, diese Stadt unter allen Umständen zu verteidigen132. Schon weni-
einer Kampffront
126 127 128 129
130 131 132
haben sich nicht bestätigt. Mihajlovic scheint derzeit mit keinem der übrigen Hauptaufstandsgebiete in Verbindung zu stehen« (ebd., Bericht der Ia-Abteilung des XVIII. AK über die Aufstandsbewegung in Serbien in der Zeit vom 21.—30.9.1941, verfaßt am 1.10.1941). Ebd., RH 26-342/11, Div. Befehl der 342. ID für den Angriff auf Feind im Cer-Gebirge, 8.10.1941. Ebd., RH 26—342/13, Feindnachrichten-Bericht Hinghofers vom 17.10.1941. Siehe S. 72. BA-MA, RH 26—342/11, Divisionsbefehl Hinghofers für Unternehmen auf Krupanj, 13.10.1941. Nachdem die 342. ID schon 40 verwundete deutsche Soldaten in Losnica befreit hatte, konnte sie bis zum 30.10.1941 bei ihrem Vormarsch in Richtung Valjevo weitere 50 deutsche Soldaten aus der Gefangenschaft befreien (ebd., RW 40/21, 10-Tagesbericht der 342. ID vom 20.—30.10.1941).
Ebd., Ebd.,
RH 26—342/15, 10—Tagesbericht Hinghofers vom 20.—30.10.1941. RH 19 XI/81, Die Aufstandsbewegung im Südostraum, T. 1, S. 56. Siehe Kapitel IV.
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
140
Tage nach Eintreffen der beiden insgesamt etwa 1600 Mann starken Regimenter in Kraljevo wurde die Stadt erstmals angegriffen, wobei der Angriff von der Wehrmacht zurückgeschlagen werden konnte133. Der nächste militärische Versuch zur Befreiung der Stadt erfolgte zwischen dem 11. und 16. Oktober 1941. Die Angreifer setzten sich aus Partisanenverbänden und Cetnikabteilungen unter dem Kommando von Major Radomir Djuric134 zusammen. Bis dahin hatte Djuric auf eigene Faust gehandelt. Erst jetzt erklärte sich auch Mihailovic mit dem Angriff der Cetnik-Abteilungen unter Führung von Djuric auf Kraljevo einverstanden135. Der fast eine Woche lang anhaltende und bis dahin massivste militärische Kampf der Befreiungskräfte gegen die Wehrmacht, bei dem die Partisanen und Cetniks erstmals auch Artillerie einsetzten, war Anlaß für einen Massenmord an der Zivilbevölkerung von Kraljevo und Umgebung. Dieses Massaker, dem zwischen 4000 und 5000 Menschen zum Opfer fielen, wurde von den beiden Regimentern der 717. ID verübt136. Doch auch die Mordaktionen der Wehrmacht hatten den Kampfwillen der Partisanenund Cetnikstreitkräfte bei Kraljevo nicht gebrochen. In einem gemeinsamen Befehl an ihre Einheiten trafen der Partisanenkommandeur Radosavljevic und der Cetnikkommandant Djuric am 31. Oktober 1941 Anordnungen für den dritten Anlauf zur Befreiung der Stadt von der deutschen Besatzung. Er sollte am nächsten Tag beginnen: ge
»Der Feind, der Kraljevo
hält, ist durch unsere dreiwöchige Belagerung völlig demoralisiert und durch täglichen Überfälle bedeutend geschwächt. [...] Seine Truppen haben sich wie Schafherden in einigen Hotels Kraljevos gesammelt, seine MG-Nester befinden sich in schwachen Erddeckungen am Rande der Stadt und auf einigen Gebäuden. Die Verbindung mit Kragujevac und Krusevac ist dem Feinde völlig abgeschnitten und er kann somit mit keiner Verstärkung aus diesen Richtungen rechnen; über Verstärkungen verfügt er nicht. Kraljevo ist von großer Bedeutung für unsere weiteren Operationen (Kämpfe) und es muß deshalb unter unsere
Einsatz unserer Leben genommen werden. [...] Es wurde festgestellt, daß wir 5 bis 6 mal stärker sind als der Feind. Zudem verfügen wir, neben unserer Artillerie, auch über Granatwerfer 81 mm, 2 Panzer von 19 Tonnen, 2 Panzerautomobile und Tromblone (Geschütze W. M.). Die mehrtägigen und genauesten Vorbereitungen zum Angriff auf Kraljevo sind beendet. Wir haben auf nichts mehr zu warten, noch dürfen wir zusehen, wie uns der Feind an Einzelabschnitten durch Ausfälle ermüdet und uns zwingt, Munition zu verbrauchen. Weiter, wir dürfen nicht mehr zusehen und gestatten, daß er seine verbrecherischen Taten: Niederbrennung von Häusern, Plünderung, Erschießung unschuldiger Menschen, Frauen und sogar Kinder in der Wiege, auch weiter ungestört durchführt [...].« —
133
Siehe Ebd.
134
BA-MA, RH 24—18/168, Aktennotiz über die Zusammensetzung der Cetnik-Verbände beim Angriff auf Kraljevo (11.—15.10.1941) an Hand von Ausweisen, Befehlen und Aufzeichnungen von Gefalle-
Major Djuric, der sich schon im Frühjahr des Jahres Mihailovic angeschlossen hatprominentesten Kommandanten. Mihailovic hatte ihn schon im August 1941 mit der Organisierung von Sabotageaktionen beauftragt. Djuric blieb bis Mai 1944 Mihailovic' Komnen, 3.11.1941.
te,
135 136
137
war
einer seiner
mandant für Südostserbien, ehe er mit einem Teil seiner Mannschaft und seiner Offiziere zu den Partisanen überlief (Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 124, 201, 347). Clissold, Whirlwind, S. 61. Siehe S. 155 ff. BA-MA, RH 24—18/169, Abschrift eines Befehls des »Stabes der Belagerung von Kraljevo, 31.10.1941«, unterzeichnet von Major Djuric (für die Cetniks) und Radosavljevic (für die Partisanen).
5. Der
Der
Kampf der Partisanen und Cetniks
abermalige Angriff auf Kraljevo begann
wie
im
Jahre
1941
141
geplant:
»Auf Kraljevo erfolgte am 1.11. nachts ein Angriff mit 2 Panzern (bei Milanovac erbeutete HotchkissPanzer), die mit Begleitmannschaften in die Stadt eindrangen, wobei die Stadt gleichzeitig aus 3 Geschützen der Partisanen mit Feuer belegt wurde138.«
Doch plötzlich wurde die Angriffsaktion abgebrochen. »Seit diesem Vorstoß unternahm der Feind keine Angriffe in diesem Raum«139, berichtete der Befehlshaber Serbien an seine vorgesetzte Stelle in Saloniki.
geschehen? Tag nach Beginn des gemeinsamen Angriffes von Partisanen- und Cetnik-Abteilungen auf Kraljevo hatten auf Befehl von Mihailovic Cetnik-Einheiten die »Partisanenhauptstadt« Uzice überfallen. Gegenüber Wehrmachtvertretern gab Mihailovic an, er hätte »am 3.11.1941 den Auftrag gegeben, daß die ihm unterstellten Cetnik-Verbände in Aktion zur Bekämpfung des Kommunismus treten, ferner daß die im Räume Kraljevo an der Zernierung der Stadt beteiligten Cetnik-Verbände, die unter seinem Befehl stehen, sofort herausgezogen werden, so daß durch diesen Akt die Zernierung der Stadt de facto aufgehoben ist140.« In einem Flugblatt vom 3. November 1941 verurteilten die Was
war
Einen
Partisanen den militärischen Verrat von Mihailovic aufs schärfste und riefen die Cetniks zum Übertritt zu den Partisanen auf:
»PARTISANEN UND CETNIKS! SERBISCHES VOLK! Die Fünfte Kolonne ist wiederum auferstanden. Trotz aller tragischen Erfahrungen, die unser Volk sammelte, ist es den Verrätern gelungen, sich an die Spitze eines Teils des Volkes zu stellen, an die Spitze der militärischen Cetnik-Abteilungen. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, daß viele führende Persönlichkeiten unter den Cetniks im Sinne der Fünften Kolonne tätig sind. Heute hat dieser Verrat im Befehl des Kommandanten der Cetnik-Abteilungen, Draza Mihailovic, seinen Gipfelpunkt erreicht, daß zum Ziele des Kampfes gegen die Partisanen-Abteilungen alle Cetnik-Truppen aus Kralje138
Ebd., RH 24—18/168, Bericht der Abwehrstelle Belgrad über die Widerstandsbewegung im Gebiet des
ehemaligen Jugoslawien,
Stand der
Entwicklung in der Zeit vom 24.10.—6.11.1941.
Ebd., RH 24—18/86, 10—Tagemeldung des Bev. Kdr. Generals in Serbien an Wehrmachtbefehlshaber Südost, 10.11.1941. 140 Ebd., RH 24—18/168, Aktenvermerk von Hauptmann Matl, betr.: Zurverfügungstellung des Oberst i.G. Draza Mihailovic zur Bekämpfung der kommunistischen Aktion, 4.11.1941. Der Rapport eines höheren Gendarmerieoffiziers an Ministerpräsident Nedic über die Vorgänge in Uzice seit Abzug der deutschen Besatzung im September 1941 bestätigt den Abzug der Cetnik-Truppen aus Kraljevo am 3.11.1941: »Die Kommunisten überfielen die Abteilung des Hauptmanns Ignatovic in Pozega am 3. d.M. und zwar mit großen Kräften. Ich befand mich in Pozega und beobachtete diesen Kampf, der die Kommunisten über 200 Tote und 150 Verwundete kostete. Die Cetniks mussten Pozega aufgeben, weil sie keine Munition mehr besaßen. Ein jeder hatte nur mehr 1—2 Schuß. Von Ravna Gora konnten sie nichts erhalten, weil dort selbst nichts mehr war. Hauptmann Ignatovic zog sich zurück und aus diesem Grunde hat Oberst Mihailovic seine Abteilungen, die Kraljevo und Valjevo belagerten, zurückberufen und angeordnet, Uzice zu überfallen« (KA Wien, B 556 Nachlaß Böhme, Bericht Ministerpräsident Nedic an General Böhme, 20.11.1941). Bei späteren Verhandlungen mit Wehrmachtvertretern bestritt Mihailovic den Vorwurf, er habe noch den Angriff vom 1.11.1941 gegen Kraljevo unterstützt. Er behauptete, bereits an diesem Tag angeordnet zu haben, »daß sich meine Truppen zurückziehen um sich für den Kampf gegen den Kommunismus zu sammeln« (BA-
139
MA, RH 24—18/168, Niederschrift über das Treffen mit dem serb. Generaloberst Draza Mihailoam 11. November 1941, 12.11.1941).
vic
142
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
abgezogen werden sollen. Die Verräter versuchen es noch einmal, der Freiheit und dem Bestand des serbischen Volkes ein Grab zu schaufeln. Das Blut unschuldiger Kinder, Frauen und Männer fällt voll auf die Führer der Cetniks. Wir haben alles dazu getan, damit es nicht dazu kommt. Die deutschen Agenten, Draza Mihailovic, Oberstleutnant Pavlovic, Dragisa Vasic, sind in letzter Stunde Hitler, Nedic und Ljotic zu Hilfe geeilt. vo
CETNIKS!
Verlaßt eure verräterischen Führer, tretet unseren Kampf-Abteilungen bei. Merzt die Anhänger der Fünften Kolonne aus, verhindert den mörderischen Bruderkrieg. Kommt mit uns in den Kampf gegen die Okkupanten und deren Lakaien. PARTISANEN! Haltet das Gewehr fest in der Hand! Von eurer festen Haltung und dem unbarmherzigen Kampf gegen die Verräter hängt das Schicksal und der Bestand unseres Volkes ab! Vorwärts in den Kampf! Tod den Okkupanten! Zerschmettern wir die Verräter! Der Stab der Volksbefreiungs-Partisanen-Abteilung Dr. Dragisa Milovic für den Kreis Cacak Cacak, den 3. November 1941141.«
Mihailovic' Angriff auf das Hauptquartier der Partisanen in Uzice bedeutete den endgültigen Abbruch der kurzfristigen militärischen Kooperation (Herbst 1941) zwischen Partisanen und Cetniks. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob bei einem Weiterbestehen des Militärbündnisses ein zumindest zeitweiliger militärischer Sieg über die deutschen Besatzungstruppen möglich gewesen wäre. Immerhin kontrollierten die Partisanen und Cetniks im Oktober 1941 etwa 4500 Quadratmeilen142, also mehr als ein Sechstel Serbiens. Auch die im Auftrag General Böhmes durchgeführten Massaker an der Zivilbevölkerung sind ein blutiges Indiz für die extrem prekäre Situation, in welche die deutschen Besatzer durch die konzentrierten militärischen Aktionen der Partisanen und Cetniks gedrängt worden waren.
b) Der Kampf der Mihailovic-Cetniks gegen die Partisanen der militärischen Kooperation einzelner Cetnik-Formationen im September/Oktober 1941 war Mihailovic schon nach seinem ersten Treffen mit Tito im September klar geworden, daß ihm langfristig durch die Partisanen mehr Gefahr drohte als von der Besatzungsmacht und der Nedic-Regierung. Mihailovic vermochte weder den Kampfgeist der Partisanen zu dämpfen noch die Bewegung seinem Kommando zu unterwerfen. Als sich seine diesbezüglichen Hoffnungen zerschlugen, entschloß er sich zur Vernichtung der Partisanen. Tito hatte Mihailovic am 20. Oktober 1941 ein 12-Punkte-Programm zur Zusammenarbeit und Beilegung der bisher aufgetretenen Konflikte zukommen lassen und ihm entsprechende Verhandlungen vorgeschlagen. Mihailovic stimmte einem Treffen zu, das am 26. Okto-
Ungeachtet
141
Ebd., RH 24—18/169, Flugblatt der Partisanen-Abteilung im Kreis Cacak (in deutscher Überset-
142
Wheeler, Britain and the
zung),
3.11.1941.
War for
Yugoslavia, 1940—1943,
S. 78.
5. Der
Kampf der Partisanen und Cetniks im Jahre
1941
143
ber 1941 in der Nähe seines Hauptquartiers stattfand. Er lehnte jedoch die zentralen Vorschläge Titos143 ab nur über einige weniger wichtige Punkte konnte Einigung erzielt werden144. Bereits bei diesen Verhandlungen dürfte Mihailovic den Entschluß gefaßt haben, die Partisanen anzugreifen. Dem britischen Missionsangehörigen, Hauptmann Hudson, der am Ort der Gespräche anwesend war, aber auf Mihailovic' Veranlassung an den Verhandlungen nicht teilnehmen durfte, gestand er noch am selben Tag: »Diesen Angriff, den ich gegen die Partisanen führen werde, und meine Beziehungen zu ihnen, ist —
ausschließlich eine
jugoslawische Angelegenheit,
und ich bin der
legitime
Vertreter meiner
Regie-
rung145.« Am Morgen des 2. November 1941 griffen Mihailovic-Cetniks das Partisanenhauptquartier in Uzice an. Der Angriff wurde von den Partisanen abgewehrt. In einem Gegenangriff vertrieben sie am nächsten Tag die Cetniks aus der Stadt Pozega. Die Kämpfe endeten für die Cetniks mit einer totalen Niederlage sie verloren etwa 1000 Mann und eine
große Anzahl von Waffen146.
—
Die Abwehrstelle der Wehrmacht hatte die Kämpfe zwischen den Partisanen und Cetniks nicht registriert147. Aufgrund der Aussagen von Gefangenen und V-Männern gewann die Abwehr allerdings den Eindruck, daß eine Veränderung im Verhältnis der beiden Widerstandsgruppen im Gange war: 1. Kombinierte militärische Operationen gegen die Deutschen und die Quislingformationen sowie die Etablierung eines gemeinsamen Hauptquartieres. 2. Die Bildung eines gemischten Stabes für die gemeiname Versorgung der Truppen. 3. Die Organisation eines interimistischen lokalen Verwaltungssystems in Form nationaler Befreiungsausschüsse einschließlich der Gründung eines nationalen Befreiungskomitees, zuständig für das gesamte befreite Territorium, die Ausschaltung der etablierten Polizei- und Gendarmerieorgane, sowie die Einsetzung neuer »Volkswachen« zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung. 4. Die Beschränkung auf Freiwillige bei der Aufstellung der Kampfverbände (Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 147f.). 144 Etwa die Absichtserklärung, Konflikte in Zukunft zu vermeiden; die gegenseitige Abgrenzung bisher befreiten Gebietes; die Einrichtung gemeinsamer gemischter Gerichte zur Aburteilung von »Banditen« und »Volksfeinden« sowie die Überlassung von 1200 Gewehren aus der Waffenfabrik in Uzice an die Cetniks (Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, 5. 438). 145 Diskussionsbeitrag von Duane Hudson auf einer Konferenz, Oxford 1962 (zit. nach: ebd., S. 439). Diese Aussage von Hudson ist aller Wahrscheinlichkeit nach authentisch, da Hudson einen Tag nach dem Treffen Tito Mihailovic am 27.10.1941 ein Funktelegramm an seine vorgesetzte britische Dienststelle absandte, in dem er die Beziehungen zwischen Tito und Mihailovic als »sehr delikat« und die gleichzeitige Aufrechterhaltung des Kontaktes zu beiden Lagern als »unmöglich« bezeichnet hatte (ebd., S. 432). 146 Eine detaillierte Schilderung der Kämpfe anhand von Partisanenaufzeichnungen und Interviews gibt Clissold, Whirlwind, S. 71 ff. 147 Erst am 14.11.1941 erfuhr die Abwehr von diesen Kämpfen und sandte die Information unverzüglich an die höchsten Dienststellen: »Abwehrstelle Belgrad wird von zuverlässiger Stelle berichtet, daß am 4.11.1941 bei Cacak ein Kampf zwischen Partisanen und Anhängern des Draza Mihailovic geführt wurde. Den Partisanen-Kommunisten gelang es, infolge ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit, einen Teil der Mihailovic-Leute zu entwaffnen oder zu vernichten« (BA-MA, RH 24—18/169, Abwehrstelle Belgrad, Betr.: Kämpfe bei Cacak, Bezug: ohne, 14.11.1941).
143
—
lu. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
144
»Sowohl bei den Partisanen, als auch bei der Mihailovic-Gruppe werden Auflösungserscheinungen gemeldet. [...] Über die Haltung von Mihailovic und seiner Gruppe laufen die verschiedensten Meldungen ein. Ein gefangener Partisan gab beim Verhör an, daß der Konflikt zwischen Partisanen und Cetniki offenen Charakter annehme. [...] Es scheint, daß Mihailovic bei einzelnen Unterführern die straffe Befehlsgewalt verloren hat148.«
Hier irrte die deutsche Abwehr. Genau das Gegenteil war der Fall. Denn Mihailovic hatte seit dem Angriff auf die Partisanen in Uzice seine Cetnik-Verbände wieder unter Kontrolle gebracht. Sein Umschwenken bewirkte aber eine Verschiebung der bisherigen Bündnisverhältnisse und schuf unter den deutschen Besatzungsorganen vorerst Verwirrung. Und es bleibt die seltsame Tatsache, daß Anfang November 1941 die Briten für kurze Zeit besser über den Ausbruch von Konflikten zwischen Cetniks und Partisanen informiert waren als die Wehrmacht in Serbien. Sofort nach Ausbruch der Kämpfe zwischen den beiden Gruppen hatte der Missionsangehörige Hudson an seine britische Dienststelle im Nahen Osten telegraphiert: »Fighting between Partisans and Cetniks broke
yesterday149.« Allerdings waren die Briten über Hintergründe und Urheber des Konfliktes falsch informiert. Am 29. Oktober 1941 hatte Mihailovic noch ein Funktelegramm um Waffenunterstützung an die Briten abgesandt und dabei versucht, den Eindruck zu erwecken, er wolle diese für den Kampf gegen die Besatzer verwenden150. Drei Tage nach dem Angriff auf Uzice sandte Mihailovic abermals ein Telegramm an den jugoslawischen Regierungschef Simovic nach London. Unter bewußter Entstellung der Tatsachen meldete er: out
»Der kommunistische Führer in Serbien unter dem falschen Namen Tito kann nicht als Führer des Widerstandes betrachtet werden. Der Kampf der Kommunisten gegen die Deutschen ist nur vorgetäuscht. [...]. Sie haben meine Truppen [...] angegriffen. Ich habe den Kampf akzeptiert und glaube, daß sein Ausgang für mich günstig sein wird. Ich wiederhole, die Kommunisten besitzen keine Widerstandsführer gegen die Deutschen. Wenn die Engländer sie unterstützen, schlage ich Hilfe aus. Die Partisanen haben die Waffen des Volkes konfisziert. Ich aber möchte dies nicht tun. Sie haben die Waffenfabrik in Uzice, aber sie geben uns nichts davon ab, und solltet ihr es nun für nötig erachten, ihnen auch noch englische Ausrüstung zu schicken, so sind wir für immer geschieden151.«
Nachdem er sich auf diese Weise als überfallenes Opfer der Partisanen präsentiert hatte, berichtete Mihailovic am 9. November 1941 unverblümt an Simovic, er könne mit den tags zuvor abgeworfenen britischen Waffen »die Kommunisten sofort liquidieren152.« Wenige Tage später schickte Mihailovic abermals eine Eilmeldung an Simovic. Er behauptete, die Kommunisten hätten seine Truppen angegriffen und die Partisanenverbände würden sich bereits dislozieren. Obwohl seine Anhänger gezwungen seien, »gleichzeitig gegen Deutsche, Kommunisten, die Ustascha und andere Fraktionen zu kämpfen«, stehe »das 148
149
150
151 152
Ebd., RH 24—18/168, Bericht der Abwehrstelle Belgrad über die Widerstandsbewegung im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, Stand der Entwicklung in der Zeit vom 24.10.—6.11.1941, 7.11.1941. Undatierter Funkspruch Hudsons, vermutlich 1./2. November 1941 vom Hauptquartier Mihailovic's abgesandt (siehe Deakin, The Embattled Mountain S. 139; Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 432). Telegramm zit. bei: Deakin, The Embattled Mountain, S. 203. Telegramm zit. nach: Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 442. Zit. nach: ebd;, S. 442.
5. Der
Kampf der Partisanen und Cetniks im Jahre
1941
145
ganze Volk auf Seite des Königs«. Hunderttausende seien ohne Waffen, und den Bewaffneten
mangele
es an
Munition:
»Viele Kämpfer, die jetzt mit den Kommunisten zusammenarbeiteten, würden zu den Cetniki überlaufen, sobald die von England zugesagte Hilfe einträfe. Ein Bürgerkrieg zöge sich lange hin, und in der Zwischenzeit würde nichts gegen die Deutschen unternommen153.«
Auf Drängen der Briten, die nach der Information über die Kämpfe zwischen den beiden Widerstandsorganisationen mit Moskau Kontakt aufgenommen hatten, um gemeinsam eine Art Volksfrontbündnis zwischen Cetniks und Partisanen unter der Führung von Mihailovic zu initieren154, fand sich Mihailovic am 18. November 1941 zu Waffenstillstandsverhandlungen mit Tito bereit. Nochmals bot ihm Tito ein gleichberechtigtes militärisches Kampfbündnis gegen die Besatzer an155. Mihailovic hingegen stellte Forderungen, die auf die Auflösung der Partisanenverbände und ihre Unterwerfung unter das Kommando der Cetniks hinausliefen156. Am 20. November 1941 einigten sich beide Parteien auf einen Abbruch der Kampfhandlungen und ein gemeinsames Vorgehen gegen die Besatzer157. In Erwartung eines deutschen Angriffes auf den Hauptstützpunkt der Partisanen in Uzice forderte Tito den Cetnik-Führer am 28. November 1941 noch einmal zu einem gemeinsamen Abwehrkampf auf. Dieser antwortete ihm, er denke nicht daran und werde sich mit seinen Leuten zurückziehen, um bessere Bedingungen für einen bewaffneten Kampf gegen die Besatzer abzuwarten158. Zu diesem Zeitpunkt hatten schon einige Kommandanten der Cetniks ihre Truppen, etwa 2000 Mann, mit Zustimmung von Mihailovic dem Befehl von Nedic unterstellt und kämpften wenige Tage später auf der Seite der Deutschen gegen die Partisanen159. Nach dem militärische Verrat vom 20. November 1941 fanden bis Kriegsende keine weiteren Verhandlungen zwischen den beiden Organisationen mehr statt. Aus potentiellen Bündnispartnern waren erbitterte Gegner geworden160.
c)
Die Kollaborationsversuche
von
Mihailovic mit den deutschen Besatzern
Um die politische Unterstützung und waffenmäßige Versorgung durch die jugoslawische Exilregierung bzw. durch die Briten nicht aufs Spiel zu setzen, hatte Mihailovic eine falsche Darstellung der Kampfhandlungen zwischen seinen Cetniks und den Partisanen verbreitet. 153
154 155
156 157 158 159
160
Zit. nach: ebd., S. 443. Knoll weist darauf hin, daß Gestalt, exakter Wortlaut und Autorenschaft dieser Depesche nicht gesichert sind. Der von Knoll ziterte Wortlaut stammt aus einem Brief von Simovic an Eden vom 13.11.1941 (ebd., S. 443). Deakin, The Embattled Mountain, S. 140ff. Funkmeldung des bei den Verhandlungen anwesenden englischen Offiziers Hudson an die englische Abwehrstelle in Kairo, 21.11.1941 (ebd., S. 141). Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 458.
Ebd., S. 459. Ebd., S. 467. Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 198; Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 467. Deakin, The Embattled Mountain, S. 145.
146
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
Selbst vor einer Denunziation der Partisanen als Kollaborateure der Deutschen war Mihailovic nicht zurückgeschreckt. In einer Depesche vom 15. November 1941 an die jugoslawische Exilregierung hatte er geschrieben, er befinde sich in einer »kritischen Lage«, die durch den »vereinten Feind« damit spielte er auf eine angebliche Kollaboration zwischen Partisanen und Deutschen an verursacht sei161. Über Mihailovic' Kontakte zu Nedic (September 1941) waren sowohl die britische als auch die sowjetische Regierung informiert162. Was sie nicht wußten war, daß Mihailovic mit Wissen der deutschen Abwehrstelle den ganzen Oktober 1941 hindurch über Mittelsmänner in Kontakt mit Nedic stand. Diese Tatsache wurde auch in der Historiographie bisher nicht erwähnt. Wie aus einer deutschen Quelle hervorgeht, waren die Besatzer über die taktischen Schritte von Mihailovic bestens informiert: —
—
»Ast (Abwehrstelle W.M.): Verhandlungen der Regierung Nedic mit Mihailovic. 4.10. Vojvode Rtanski überbringt 500000 Din und das ehrenwörtliche Versprechen des Gen. Nedic, bei den dt. Behörden alles einzusetzen, daß M. nicht in Kriegsgefangenschaft kommt oder bestraft wird. 6.10. M. teilt mit, daß er bereits Verbindung zur Partisanenführung aufgenommen habe und entschlossen sei, mit den Partisanen zu operieren. etwa 15.10. Oberst Popovic überbringt M. weitere 500000 Din und versucht im Auftrag von Gen. Nedic erneut, M. zur Zusammenarbeit zu gewinnen. 26.10. Oberst Popovic überbringt M. weitere 2500000 Din. Er bringt am 30.10. die Erklärung des M. zurück, daß er bereit sei, mit den Nedic-Truppen gegen Partisanen zu kämpfen unter der Voraussetzung, daß Min. Präs. Nedic in seinem und im Namen der deutschen Wehrmacht die Versicherung gebe, daß wegen seiner bisherigen Haltung nichts gegen ihn unternommen werde. Kerntruppe des M. soll aus 1200 Mann, aktiven und Reservetruppen der Jugoslav. Armee zusammengestellt sein, darunter 120 Offz.163.« —
Diese Unterlagen machen deutlich, daß die Zusammenarbeit der Mihailovic-Cetniks mit den Partisanen im September/Oktober 1941 rein taktischer Natur war. Zum gleichen Zeitpunkt, als Formationen von Mihailovic mit den Partisanen gemeinsam gegen die Wehrmacht und die Exekutivorgane der serbischen Quislingregierung kämpften, kassierte Mihailovic vom Regierungschef Nedic 3,5 Millionen Dinar. Nachdem sich Mihailovic zur Aufgabe der militärischen Kooperation mit den Partisanen und gleichzeitig zu deren Vernichtung entschlossen hatte, trat er sowohl mit Nedic164 als auch unmittelbar mit den deutschen Besatzungsorganen in Kontakt, um mit ihnen über eine gemeinsame Bekämpfung der Partisanen zu verhandeln. Am 28. Oktober 1941 riefen zwei Emissäre von Mihailovic, Hauptmann Mitrovic und Oberst Pantic, in der Privatwohnung des damaligen Abwehroffiziers und späteren Ordinarius für Slawistik 161
162
163 164
Zit. nach: Knoll, Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943, S. 457. Im Zuge der Bemühungen um Vermittlung zwischen Cetniks und Partisanen wurde Mitte November 1941 bei einem Treffen des englischen Botschafters in Moskau, Cripps, mit seinem sowjetischen Gesprächspartner Vysinskij, dieser Komplex angesprochen. Nach Ansicht von Cripps war Mihailovic dadurch aber nicht kompromitiert, da die Kontakte mit Nedic ohnehin ergebnislos verlaufen waren (ebd., S. 448 f). BA-MA, RH 24-18/165, KTB-Eintragung des XVIII. AK vom 2.11.1941. »Mihailovic ist in dieser Hinsicht auch mit Ministerpräsident Nedic in Verbindung getreten, der in meinem Auftrag Verhandlungen ablehnte« (zit. nach: ebd., RH 24—18/86, 10-Tagemeldung General
Böhmes
an
Wehrmachtbefehlshaber Südost,
10.11.1941).
5. Der
Kampf der Partisanen und Cetniks
im
Jahre
1941
147
und Südostforschung in Graz, Hauptmann Josef Matl, an. Die beiden Offiziere boten ihm den gemeinsamen Kampf gegen die Partisanen in Serbien an, wobei sie als Gegenleistung die Einstellung der deutschen Strafexpeditionen und Massenerschießungen in den von den Cetniks kontrollierten Gebieten forderten. Tags darauf trafen die beiden Emissäre mit Hauptmann Matl in dessen Privatwohnung zusammen. Matl, der wegen seiner serbo-kroatischen Sprachkenntnisse von General Böhme mit den Verhandlungen beauftragt worden war, teilte ihnen mit, daß Böhme Gesprächen zustimme, aber die persönliche Anwesenheit von Mihailovic wünsche165. Mihailovic ging auf diese Bedingung ein. Doch als Matl am 3. November 1941 am vereinbarten Ort eintraf, um Mihailovic nach Belgrad zu begleiten, wurde ihm von Emissären Mihailovic' mitgeteilt, die Verhandlungen müßten verschoben werden, da sich die Cetniks in schweren Kämpfen gegen die Partisanen befänden, was eine Reise von Mihailovic nach Belgrad im Augenblick unmöglich mache166. Erst nach der Beendigung der Kämpfe um das Partisanenhauptquartier Uzice kam es am 11. November 1941 zu dem geplanten Treffen zwischen Mihailovic und Vertretern der deutschen Besatzungsstellen. Schon kurz vor dem Treffen mit Mihailovic beauftragte Böhme das Höhere Kommando LXV, sofort folgende Meldung an alle unterstellten Truppenteile weiterzugeben: »Keine Verhandlungen mit Cetniks, die nicht seit längerer Zeit schon einwandfrei auf unserer Seite. Für andere Cetniks, die erst in letzter Zeit mit uns gehen oder sich anbieten, insbesondere MihailovicLeute nur bedingungslose Kapitulation, das heißt Waffenabgabe und Gefangennahme167.«
Am Vorabend des Zusammentreffens hatte Mihailovic gleichsam als Beweis für seine Vertrauenswürdigkeit die Auslieferung von 350 bei Gorni Milanovac und Mionica gefan—
gengenommenen, meist verwundeten oder kranken Partisanen an die Deutschen angeordnet168. Die 342. LD überstellte die gefangenen Partisanen nach Valjevo, wo sie bis auf wenige Ausnahmen erschossen wurden169. Gleichzeitig versuchte Mihailovic die Besat—
zer von
165
166
167 168
169
den Vorteilen einer Zusammenarbeit
zu
überzeugen:
Bericht Hauptmann Matls vom 30.10.1941 über die (Telefon-) Gespräche mit Hauptmann Nenad Mitrovic und Oberst Branislav Pantic am 28., 29. und 30.10.1941 (Marjanovic, The Collaboration of D. Mihailovic's Chetniks with the Enemy Forces of Occupation (1941—1944), S. 13 ff). BA-MA, RH 24—18/168, Aktenvermerk von Hauptmann Matl, betr.: Zurverfügungstellung des Oberst i. G. Draza Mihailovic zur Bekämpfung der kommunistischen Aktion, 4.11.1941. Siehe auch den von Hauptmann Matl übersetzten Brief Mihailovic' vom 3.11.1941, in dem dieser die Verschiebung des Treffens mit den Kämpfen gegen die Partisanen begründet. Ebd., Befehl vom 11.11.1941. Dabei dürfte es sich um einen Großteil jener Gefangenen gehandelt haben, die im Bericht der Abwehrstelle Belgrad vom 7.11.1941 erwähnt werden: »Nach unbestätigter Meldung vom 7.11. haben Mihailovic-Verbände im Raum Mionica 400 Partisanen gefangen« (ebd., Abwehrstelle Belgrad, betr.: Bericht über die Widerstandsbewegung im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, Stand der Entwicklung in der Zeit vom 24.10—6.11.1941, 7.11.1941). Marjanovic, The Collaboration of D. Mihailovic's Chetniks with the Enemy Forces of Occupation (1941—1944), S. 28. Glisic spricht von etwa 300 Partisanen und datiert die Übergabe der gefangenen Partisanen auf den 12.11.1941, also einen Tag nach den Verhandlungen von Mihailovic mit den Deutschen (Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S.91f.).
IU. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
148
»Es sind aber in Serbien Maßnahmen getroffen worden, durch welche nicht das Blut derer vergossen wird, die schuldig sind. Die Kommunisten werden auch weiterhin Vorfälle hervorrufen, um Unschuldige zu morden. [...] Es ist nicht meine Absicht, gegen den Okkupator zu kämpfen, weil ich als Gene-
ralstabsoffizier die Stärken beider Seiten kenne. Ich bin weder Kommunist, noch arbeite ich für sie. Aber ich habe versucht, ihren Terror zu mildern und zu hindern. Die Deutschen selbst haben Uzice aufgegeben, damit begann ein Wettlauf zwischen mir und den Kommunisten. Nachdem die Deutschen ihre schwachen Garnisonen zurückgezogen hatten, griffen die Kommunisten Gor. Milanovac an, ich mußte es deshalb auch tun. Sie gingen nach Cacak, ich mußte es auch. Sie gingen nach Kraljevo, ich musste es auch. [...] Ich verlange, den Kampf gegen die Kommunisten fortsetzen zu können, der am 31. Oktober begonnen hat. [...] Es ist notwendig, Munition zu haben! Damit rechnend, bin ich hierher gekommen. [...] Ich habe gehofft, noch in dieser Nacht eine beschränkte Anzahl von Munition zu bekommen und ich habe gedacht, daß diese Frage an erster Stelle behandelt würde! [...] Ich bitte im Interesse des serbischen Volkes wie im deutschen Interesse, wenn es möglich ist, mir noch heute Nacht Munition zu übergeben. Danach würde kein Überfall mehr auf deutsche Truppen durchgeführt werden. [...] Ich nehme an, daß nach dieser Erklärung mir mehr Vertrauen entgegengebracht werden könnte, was meine Aufrichtigkeit und meine Absichten anlangt, und daß man mir Hilfe leisten könnte. Ich bitte die Lage so zu begreifen, wie sie für beide Seiten nützlich ist. Ich bitte nochmals schon für diese Nacht um eine bestimmte Menge Munition! [...] Alle meine Kräfte sind für den Kampf gegen den Kommunismus zusammengezogen170.«
Mihailovic, der sich
von den Verhandlungen Waffenlieferungen für den Kampf gegen die Partisanen erwartete, erlebte eine schwere Enttäuschung. Die von Mihailovic vorgebrachten Argumente hatten auf die Deutschen keine Wirkung. Im Auftrag Böhmes wurde ihm mitgeteilt, sein Bündnisangebot sei abgelehnt worden,
»weil: 1.) die Deutsche Wehrmacht mit dem Kommunismus in kürzester Zeit allein fertig wird und 2.) der Höchstkommandierende zu Ihnen als Bundesgenossen kein Vertrauen haben kann. [...] Die Deutsche Wehrmacht hat mit der Vernichtung aller >Aufrührer< begonnen und hierbei gute Erfolge erzielt. [...] Bezüglich Ihrer Absicht, auf Schonung von serbischem Blut und Volksvermögen bin ich beauftragt, Ihnen den einzigen Weg zu nennen und dieser ist: Einstellung des Kampfes und bedingungslose
Übergabe.
Hierzu gehören: Ablieferung aller Waffen sowie der gesamten Munition und Ausrüstung. Freigabe der deutschen Gefangenen, die von ihren Gruppen eingebracht wurden oder die sich in Ihrem Bereich befinden. Es ist Ihnen, Herr Oberst, bekannt, daß die Weiterführung des Kampfes weitere Blutschuld auf Sie ladet. Dies um so mehr, als für jeden toten Deutschen 100, für jeden verwundeten Deutschen 50 Serben ihr Diben einbüßen. [...] Es ist eben sowohl vom deutschen wie auch vom serbischen Standpunkt nicht vertretbar, daß Ihre Kampfgruppen in einem geeigneten Zeitpunkte den illegalen Kampf neuerlich aufnehmen können. Und dies scheint die Absicht Ihrer Vorgesetzten, der Londoner Drahtzieher zu sein171.«
Auch Mihailovic' Angebot, deutsche Verbindungsoffiziere als militärische Beobachter zu seinem Stab abzustellen, änderte nichts an der Forderung der deutschen Delegation nach bedingungsloser Kapitulation172. Dem Wehrmachtbefehlshaber Südost wurde be170
171
172
BA-MA, RH 24—18/168, Niederschrift über das Treffen mit dem serb. Generalstabsoberst Draza Mihailovic am 11.11.1941. Ebd. Nachdem Mihailovic zu Nedic Kontakt aufgenommen hatte, wurde ihm auch über diesen Kanal mitgeteilt, daß er »keinerlei Zugeständnisse von der deutschen Wehrmacht zu erwarten habe und mit bedingungsloser Kapitulation rechnen müsse« (ebd., Bevollm. Kdr. General in Serbien an Wehrmachtbefehlshaber Südost betr.: Bericht über Oberst Mihailovic, 13.11.1941). Ebd., Bevollm. Kdr. General in Serbien an Wehrmachtbefehlshaber Südost betr.: Bericht über Oberst
Mihailovic,
13.11.1941.
5. Der
Kampf der Partisanen und Cetniks
im
Jahre
1941
149
richtet, die deutsche Verhandlungsdelegation habe den Eindruck gewonnen, Mihailovic
hoffe auf weitere Verhandlungen und Waffenlieferungen von deutscher Seite173. Die Wehrmachtseite werde aber nicht von ihrer Forderung nach bedingungsloser Kapitulation
abgehen:
»Da Oberst Mihailovic die geforderte Antwort auf bedingungslose Kapitulation nicht gab, läuft der Kampf gegen ihn weiter. Jede Verbindungsaufnahme mit ihm oder seinen Vertrauensleuten unterbleibt. Die deutschen Truppen sind angewiesen, den Kampf gegen alle Cetniki, welche nicht schon seit längerer Zeit auf Seite der deutschen Wehrmacht und der serbischen Regierung stehen, fortzuführen174.«
Mihailovic' Doppelspiel sowohl mit Unterstützung der deutschen Besatzer als auch mit Waffenlieferungen von britischer Seite die Partisanen militärisch zu bekämpfen, um sich als alleiniger Führer des Widerstandes in Serbien etablieren zu kön-
Damit
war
—
nen —
kläglich gescheitert.
d) Die Zerschlagung des
militärischen Widerstandes in Serbien
Am Tag des Treffens von Wehrmachtvertretern mit Mihailovic notierte der deutsche Feind-
lagebericht: »Die Auswirkung, der von uns an Oberst Mihailovic übermittelten Forderungen der bedingungslosen Kapitulation seiner Truppe muß abgewartet werden. In jedem Fall aber bedeutet die Stellungnahme von Mihailovic gegen den Kommunismus eine Schwächung der Aufständischen, die von uns ausgenützt werden muß175.«
Diese militärische Schwächung bot General Böhme nunmehr die Möglichkeit, die Partisanen aus dem serbischen Besatzungsgebiet zu vertreiben. Von Ministerpräsident Nedic in dieser Absicht unterstützt und bekräftigt176, wartete Böhme noch auf das Eintreffen 173
In einem Aktenvermerk über die Verhandlungen schreibt Oberstleutnant Kogard: »Hauptmann Matl hat mir während der Rückfahrt gesagt, daß von serbischer Seite gehofft würde, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen worden sei,« und fügte handschriftlich hinzu: »Auch meine Meinung über die Auffassung der Serben« (ebd., betr.: Protokoll über das Treffen mit Oberst Mihailovic,
174
Ebd., Bev. Kdr. General in Serbien an Wehrmachtbefehlshaber Südost, betr.: Bericht über Oberst Mihailovic, 13.11.1941. Ebd., Feindlagebericht des Bev. Kdr. Generals in Serbien, Abt. Ic, über die Zeit vom 30.10.—8.11.1941,
12.11.1941).
175
176
11.11.1941. In einem Bericht eines Konfidenten, den Nedic an General Böhme weitergab, wird folgendes vorgeschlagen: »Wenn die Kommunisten nicht im Laufe von dreißig Tagen liquidiert werden, werden sie noch weiter erstarken und schwer zu bekämpfen sein. Den Abteilungen, welche gegen die Kom-
munisten eingesetzt werden besonders gegen Uzice, Cacak und Pozega, wo die Kommunisten alle ihre Kräfte konzentriert haben muß mindestens die Übermacht dadurch gesichert werden, daß ihnen wenigstens je zwei Batterien Gebirgsgeschütze, oder eine Gebirgsbatterie und eine 37-mmBatterie zugeteilt werden.« Der ehemalige Kriegsminister Nedic selbst ergänzte diesen Bericht: »In Verbindung mit meinem Bericht vom 17. d.M. [...] und meinen mündlichen Ausführungen beehre ich mich Vorstehendes zur Kenntnis zu bringen und zu bitten, gemäß Ihrem Dafürhalten eine gewisse Anzahl schwerer MGs und 37-mm- oder 47-mm-Geschütze zur Verfügung stellen zu wollen, worum ich Sie bereits in einem gesonderten Schreiben bat« (KA Wien, B 556 Nachlaß Böhme, Bericht Ministerpräsident Nedic an General Böhme, 20.11.1941). —
—
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
150
einer weiteren Kampfdivision in Serbien, der 113. ID, um dann gemeinsam mit der 342. ID und einigen Bataillonen der 717. ID gegen den Hauptstützpunkt der Partisanen im Raum Uzice vorzugehen. General Hinghofer konnte trotz der blutigen Erfolge seiner 342. ID nicht mehr als Kommandeur dieser Division an dem Unternehmen teilnehmen. Er war mittlerweile von Böhme aus seiner Position entfernt worden177. In Belgrad hatten sich bereits auch der als Ersatz für den erkrankten Feldmarschall List vorübergehend eingesetzte Wehrmachtbefehlshaber Südost, General Kuntze, und General Glaise von Horstenau eingefunden, um das weitere Geschehen zu beobachten. Bei ihrem militärischen Vorstoß (ab 26. November 1941) über Valjevo, Kragujevac und Kraljevo nahmen die deutschen Verbände zunächst Cacak und Pozega. Ohne auf nennenswerten Widerstand zu treffen, trieben die übermächtigen deutschen Truppenverbände die Partisanen vor sich in Richtung Uzice her. Am 29. November 1941 begann der Angriff der 342. ID, der 113. ID und von Teilen der 717. ID auf Uzice. Gegen die Übermacht des Gegners konnte die Stadt von den Partisanen nicht gehalten werden. Bei den Gefechten um die befreiten Gebiete fielen 1415 Partisanen, 80 wurden verwundet und 718 von der Wehrmacht gefangengenommen. Die Verluste der Wehrmacht betrugen 11 Tote und 35 Verwundete. 389 gefangene Partisanen wurden auf der Stelle ermordet178. Es handelte sich bei ihnen zum Großteil um Verwundete, die beim Rückzug der Partisanen nicht mehr mitgenommen werden konnten179. Trotzdem ließen die Partisanen vor ihrem Rückzug 250 deut177
General Böhme hatte seinem Landsmann vorgeworfen, sich beim Angriff auf Valjevo nicht an seine Befehle gehalten und durch einen vorzeitigen Vorstoß die Partisanen gewarnt zu haben, so daß diese entkommen konnten (BA-MA, RH 24—18/64, 10-Tagemeldung Böhmes an Wehrmachtbefehlshaber Südost, 10.11.1941). Des weiteren hatte ihm Böhme vorgeworfen, Ende Oktober ohne seine Zustimmung mit Mihailovic-Cetniks im Raum Valjevo verhandelt zu haben. Hinghofer selbst hatte in einem Bericht an Böhme eines dieser Treffen von sich aus erwähnt: »Cetniki-Führer von Valjevo, Slovac und Lajkovac machen wichtige Angaben über Organisation und bekunden Willen, mit deutscher Truppe gegen Kommunisten zu gehen. Erbitten Waffen« (ebd., RH 26—342/14, 10-Tages-
Hinghofers an Böhme, 30.10.1941). Hinghofer in Valjevo ein Schreiben von Mihailovic erhalten, in dem dieser um Waffen zum Kampf gegen die Kommunisten bat und ihm vorschlug, die Wehrmachttruppen bericht
Am 1.11.1941 hatte
Westserbien abzuziehen, und das Territorium den Mihailovic-Cetniks zu überlassen, (Dokuin englischem Faksimile bei Marjanovic, The Collaboration of D. Mihailovic's Chetniks with the Enemy Forces of Occupation (1941—1944), S. 17ff). Die Antwort Hinghofers ist nicht bekannt. Die Rechtfertigung Hinghofers (siehe BA-MA, RH 24—18/168, Bericht Hinghofers an Böhme, betr.: Besprechung mit Cetnik-Vojvoden vom 29.10.1941, 12.11.1941) konnte die Entscheidung Böhmes nicht mehr ändern. Am 19.11.1941 wurde Hinghofer von Böhme als Kommandeur der 342. ID einer Kampfdivision abgesetzt und zum Kommandeur der 717. BD einer Besatzungsdivison degradiert (BA-MA, RH 24—18/86, Tagesmeldung Bev. Kdr. General in Serbien, Ia an Wehrmachtaus
ment
—
—
befehlshaber Südost,
—
178
Ebd., nen
179
—
19.11.1941).
XI/81, Die Aufstandsbewegung im Südostraum, T. 1, S. 78. Die gefangengenommePartisanen, die nicht sofort ermordet wurden, brachten die Deutschen in das KZ Sabac, wo RH 19
der größte Teil von ihnen erschossen wurde. Die übrigen wurden im Frühjahr 1942 als Zwangsarbeiter nach Deutschland, Italien und Norwegen deportiert (Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 89). Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 88.
5. Der
sehe ten
Kampf der Partisanen und Cetniks im Jahre
1941
151
Gefangene frei. Wie Milovan Djilas schreibt, hatte die Ermordung der verwundenachhaltige Konsequenzen:
Partisanen
»Die Erschießung der Verwundeten führte, obwohl sie für uns nicht überraschend kam, zu einer radikalen Änderung unserer Haltung gegenüber den Deutschen: ab nun vergalten die Partisanen den Deutschen Gleiches mit Gleichem und töteten die Gefangenen von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen. Wir in der Führung hätten ohnehin keine Gründe erfinden können, dies zu verhindern180.« —
Die Partisanen flüchteten über den einzigen noch offenen Rückzugsweg in das nunmehr zu Kroatien gehörende und von den Italienern besetzte Montenegro. Nur eine Partisanenkompanie blieb in Serbien zurück. Bis auf etwa 70 Mann wurde sie schon wenige
Wochen später von den Deutschen aufgerieben181. Mit dem Rückzug aus Serbien nach Montenegro und später nach Bosnien waren die Partisanen im Dezember 1941 für lange Zeit aus Serbien vertrieben worden. Erst im Sommer 1944 gelang es ihnen wieder, hier Fuß zu fassen und gemeinsam mit der Roten Armee im Herbst/Winter 1944 Serbien zu befreien. Voller Genugtuung hatte Mihailovic die Niederlage der Partisanen zur Kenntnis genommen. Er meldete der Exilregierung in London, sie seien mitsamt ihrer Führerschaft als militärische Organisation zerschlagen. Nunmehr werde er allein für die Vereinigung der Volkskräfte und die Schaffung einer Balkanfront (»unification of popular forces and the creation of a Balkan front«) kämpfen182. Als erste Maßnahme beschloß Mihailovic einen Tag nach der Niederlage der Partisanen die Cetnik-Abteilungen im Einvernehmen mit der Nedic-Regierung zu legalisieren und den bewaffneten Nedic-Formationen für Einsätze gegen die Partisanen zur Verfügung zu stellen183. Von nun ab wurden die Cetniks von der Regierung Nedic auch offiziell mit Geld, Nahrung und Kleidung unterstützt184. Nach London berichtete Mihailovic hingegen, er stünde »at war with the Germans and had entered into complete guerrilla warfare185.« Nach dem Verrat an den Partisanen und deren militärischer Niederlage fühlte sich Mihailovic als uneingeschränkter Führer des Widerstandes in Serbien. Wenn die deutschen Besatzer ihn schon nicht als vertrauenswürdig genug einschätzten, um ihn mit Waffen zur Bekämpfung der Partisanen zu versorgen, so erwartete Mihailovic als Gegenleistung für sein Angebot, die Cetniks für den Kampf der Nedic-Regierung gegen die Partisanen zur Verfügung zu stellen, von der deutschen Besatzungsmacht, zumindest weiter in Serbien geduldet zu werden186. Doch seine Rechnung ging auch in diesem Punkt nicht auf. —
—
180
181 182
Djilas, Der Krieg der Partisanen, S. 146.
Ebd., S. 147, 195. Zit. nach: Deakin, The Embattled Mountain,
S. 145.
183
Ebd.
184
Matl, Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg, S. 111. Zit. nach: Deakin, The Embattled Mountain, S.
185 186
145.
den Wehrmachtbefehlshaber Südost bemerkt der Stabschef Böhmes, General Pemsel, dazu: Mihailovic »ist der Meinung, in dem serbischen Räume selbständig operieren zu können, der für die deutsche Wehrmacht von geringerer Bedeutung sei, daher auch unbesetzt bleibe, wie z.B. Westserbien« (BA-MA, RH 24-18/168, Bericht über Oberst Mihailovic, 13.11.1941). In einem Schreiben
an
ID. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
152
Nachdem Mihailovic die Aufforderung nach bedingungsloser Kapitulation nicht beantwortet hatte, entschied die Wehrmachtführung, ihn aus Serbien zu vertreiben. Hatte die Wehrmacht zwei Divisionen und einige Bataillone aufbieten müssen, um die Partisanen zu besiegen, so nahm sie die militärische Stärke der Mihailovic-Cetniks nicht sonderlich ernst. Noch vor dem deutschen Angriff auf das Zentrum der Cetniks in der Ravna Gora betrachteten sie das >Cetnikproblem< in Serbien als so gut wie gelöst: »Die Mihailovic-Cetniks haben keinen Ausweg aus ihrer verzweifelten Lage. Oberst Mihailovic will nicht kapitulieren und kann während des Winters seine Leute nicht in den Bergen halten. Seine Absicht scheint zu sein, im Frühjahr wieder anzutreten. Soweit sich einzelne kleine Abteilungen deutschen Truppen nicht ergeben haben und einzelne Cetniki nicht zu uns übergelaufen sind, besteht die Absicht,
den Rest in regierungstreuen Abteilungen untertauchen zu lassen oder als Bauern verkleidet in ihre Heimat zu entlassen. Die notwendigen Gegenmassnahmen zur Verhinderung dieser Entwicklung sind bereits getroffen. Feindgruppe Mihailovic kann daher als in Liquidation befindlich angesehen werden. [...] Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Aufstandsbewegung in Serbien in den nächsten Tagen niedergeschlagen sein wird und die Unruhen nicht jenes Mass überschreiten werden, welches den Balkanverhältnissen ruhiger Zeiten entsprach187.«
General Böhme wurde am 2. Dezember 1941 vom OKH aus Serbien abberufen188. Mit der Vertreibung der Partisanen aus Serbien war das Widerstandsproblem faktisch gelöst. Am 6. Dezember 1941 verließ General Böhme die Stätte seines knapp dreimonatigen blutigen Wirkens. Es war ihm nicht vergönnt, die Zerschlagung der Mihailovic-Cetniks selbst mitzuerleben. Einen Tag nach seiner Abreise griff die 342. ID das Hauptquartier von Mihailovic in der Ravna Gora an, tötete 10 Cetniks und nahm 390 gefangen189. Mihailovic selbst konnte der Gefangenschaft entkommen. Mit einer kleinen Anzahl von Getreuen, deren militärische Kampfkraft gleich Null war, zog er sich ebenso wie wenige Tage vorher die Partisanen nach Montenegro zurück. Die Komödie um den serbischen Widerstandsführer< erreichte ihren Höhepunkt, als Mihailovic am 7. Dezember 1941 von König Peter II. in London zum Brigade-General befördert und zum Kommandanten der Jugoslawischen Heimatarmee< ernannt wurde just am Tage seines militärischen Debakels190. Bis Kriegsende waren die Mihailovic-Cetniks in Serbien kaum mehr präsent. Einer Anzahl seiner Leute gelang es, die bewaffneten Nedic-Formationen zu infiltrieren und kleinere Sabotageaktionen auszuführen191. Erst im Sommer 1942 gewann Mihailovic in Montenegro und der Herzegowina langsam wieder Einfluß auf die lokalen Cetnik-Gruppierungen192. Mihailovic verweigerte weiterhin militärische Aktionen und Sabotageakte gegen die Deutschen und kollaborierte mit den Italienern bis zu deren Kapitulation im Herbst 1943193. Ab 1944 kollaborier—
—
—
187
KA Wien, B 556 Nachlaß Böhme, Bericht der Abt. Ic des Bev. Kdr. Generals in Serbien
lage in Serbien«, 29.11.1941. '88 BA-MA, RH 19 XI/81, Die Aufstandsbewegung im Südostraum,
zur
»Feind-
T. 1, S.79.
Ebd., S. 80. 190 Milazzo, The Chetnik Movement and the Yugoslav Resistance, S. 41. 191 Ebd., S. 87. 192 Ebd., S. 81. 193 Nach Matl wurden von den Italienern etwa 19 000 Cetniks mit Waffen beliefert (Matl, Jugoslawien 189
5. Der
Kampf der Partisanen und Cetniks
im
Jahre
1941
153
Teile der Mihailovic-Cetniks offen mit den deutschen Besatzern und der Ustascha Serbien und Kroatien194. in Nachdem Mihailovic im September 1944 nur knapp der Gefangennahme durch die Partisanen entkommen konnte, zog er sich mit seinen Truppen nach Nordbosnien zurück. Er war überzeugt, daß es bei Kriegsende zum großen Konflikt zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion kommen und dann seine große Stunde schlagen würde. In vollkommener Verkennung der internationalen politischen Lage träumte er sogar noch nach seiner Entmachtung durch König Peter im September 1944195 von der Realisierung seines Widerstandskonzeptes aus dem Jahre 1941, das eine Invasion der Briten und Amerikaner in Dalmatien zum Zwecke des gemeinsamen Kampfes gegen die Partisanen und die >Rote Armee< vorsah. Doch weder die Briten noch die Amerikaner reagierten auf ten
seine Annäherungsversuche. Zum Jahresende 1944
schwinden:
begann sein Optimismus langsam zu
»Among the people there is a great fear that the Communists are going to acquire power in all Yugosla-
only salvation landing ...1%«.
via. The not
is
expected from
the Americans and the British. However, their troops
are
Um von den Partisanen nicht vernichtet zu werden, kollaborierte er weiterhin mit den Deutschen und bot sogar der Ustascha an, mit ihnen gemeinsam gegen die Partisanen zu kämpfen. Die Situation war für Mihailovic zu Beginn des Jahres 1945 aussichtslos. Im März 1945 konstituierte sich die jugoslawische Regierung mit Ministerpräsident Tito an der Spitze. Sie wurde von den Alliierten unverzüglich anerkannt. Anfang April 1945 unterbreitete General Löhr dem Cetnik-Führer das Angebot, mit ihm über die österreichische Grenze zu gehen und sich dann den Briten zu stellen. Während alle anderen Cetnik-Gruppen und Quisling-Organe von dieser Möglichkeit Gebrauch machten und gemeinsam mit den deutschen Truppen der Heeresgruppe E Ende April/Anfang Mai 1945 Kärnten erreichten, entschied sich Mihailovic Anfang April 1945 mit der ihm verbliebenen Mannschaft von etwa 12000 Mann zum Durchbruch nach Serbien. Von der illusionären Hoffnung besessen, in seinem Heimatgebiet den Kampf gegen die kommunistische Regierung aufnehmen zu können, führte er seine Truppen in Richtung Westserbien. Am 12. Mai 1945 wurden sie von der jugoslawischen Armee gestellt und nahezu aufgerieben: mehr als 9000 Cetniks wurden in der Schlacht bei Kalinovic getötet.
194
195
196
im Zweiten Weltkrieg, S. 103 ff.). Zur weiteren Entwicklung der Mihailovic-Cetniks bis Kriegsende siehe insbesondere Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 196ff.; Milazzo, The Chetnik Movement and the Jugoslav Resistance, S. 162 ff. Ausgewählte Dokumente zur Kollaboration der Mihailovic-Cetniks mit den deutschen und italienischen Besatzern in Jugoslawien finden sich in: The Collaboration of D. Mihailovic's Chetniks with the Enemy Forces of Occupation (1941—1944), S. 29ff. Siehe dazu insbesondere Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 315ff.; Milazzo, The Chetnik Movement and the Yugoslav Resistance, S. 162 ff. Über BBC hatte König Peter im September alle Serben, Kroaten und Slovenen aufgerufen, sich den Partisanen anzuschließen. Aus einem Brief von Mihailovic an den Botschafter der jugoslawischen Exilregierung in den USA, Constantin Fotié, vom Dezember 1944 (in englischer Übersetzung zit. in: Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 43If.).
154
III. Widerstand und Kollaboration in Serbien 1941
Mihailovic konnte mit etwa 300—400 Mann entkommen. Ohne Ausrüstung schlug sich der Haufen nach Ostbosnien durch. Obwohl Mihailovic im Juli 1945 nur mehr von etwa 60 Mann begleitet wurde, vermochten ihn die jugoslawischen Sicherheitsorgane nicht zu stellen. Die jugoslawische Regierung wollte Mihailovic lebendig, um ihn in einem Prozeß vor der Weltöffentlichkeit anzuklagen. Ständig auf der Flucht, gelang es Mihailovic, sich auch noch den Winter 1945/46 über im serbisch-bosnischen Grenzgebiet zu verstecken. Erst der Verrat eines ehemaligen Cetnik-Führers ermöglichte seine Festnahme (März 1946). Mihailovic wurde im Juli 1946 von einem jugoslawischen Gericht zum Tode verurteilt und wenige Wochen später hingerichtet197.
Angaben über das weitere Schicksal der Mihailovic-Cetniks nach 1941 wurden, wenn nicht anders ausgewiesen, entnommen aus Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941—1945, S. 398 ff.
Die
IV. Massaker der Wehrmacht an der serbischen Zivilbevölkerung im Herbst 1941
1. Das Massaker in
Kraljevo
Wie schon beim Einsatz der 342. ID zu sehen war, beschränkten sich die Mordaktionen der Wehrmacht in Serbien nicht auf Juden, Zigeuner und Kommunisten, sondern schlössen auch die übrige Bevölkerung mit ein. Während des Rückzugs aus dem südlichen Teil Serbiens im Oktober 1941 richteten die in den Städten Kraljevo und Kragujevac stationierten Wehrmachteinheiten zwei Massaker an, die heute noch als Symbol für die Kriegsverbrechen der nationalsozialistischen Besatzer in Jugoslawien gelten. Nachdem die Partisanenverbände das Operationsgebiet der 717. ID südlich von Belgrad fast gänzlich vom Nachschub abgeschnitten hatten, mußten die Besatzer Ende September 1941 unter heftigen Kämpfen die Städte Uzice (wo sich eine Waffenfabrik befand)1 und Cacak aufgeben. Die Einheiten der 717. ID wurden in Kraljevo und Kragujevac konzentriert. Mit einer Stärke von rund 2200 Mann2 besetzte die Wehrmacht die Stadt Kraljevo: »Die Räumung von Uzice und Cacak die infolge immer schwieriger werdender Versorgung notwendig wurde wird den Gegner ermutigen, weiter nach Osten zunächst auf Kraljevo nachzurücken. Eine Aufgabe von Kraljevo kommt nicht in Frage3.« Die Einheiten der 717. ID erwarteten einen Angriff. Obwohl die 717. ID, nach Böhmes Ansicht, noch nicht über die Gruppenausbildung hinaus und deshalb zu Unternehmungen nicht geeignet war4, trat sie in Kraljevo in Aktion. Bei einer Inspektionsreise nahm der Verbindungsoffizier zum Wehrmachtbefehlshaber Südost, Major Jais, die Stärken des 749. IR der 717. ID mit Befriedigung zur Kenntnis: —
—
»Kdr. Infanterieregiment 749 hat bisher gegen Aufständische scharf durchgegriffen, Erschießungen, Niederbrennen von Häusern und Festnahmen wurden laufend durchgeführt. Ein großer Teil der wehrfähigen Bevölkerung von Kraljevo (650 Mann) befinden sich in Haft in der Waggonfabrik. [...] Mjr. Desch macht einen sehr guten Eindruck und ist offensichtlich Herr der Lage5.« 1
2
3 4
5
In der Stadt befand sich die größte Waffenfabrik Serbiens. Obwohl Teile des Maschinenparks von den Besatzern schon im August 1941 abtransportiert worden waren und trotz ständiger Bombardierungsversuche durch deutsche Flugzeuge konnten die Partisanen bis zur Rückeroberung der Stadt durch die 342. ID im November 1941 über 16500 Gewehre, 2,7 Millionen Gewehrpatronen und 1000 Granaten herstellen. Damit verfügten sie erstmals über Waffen, die sie nicht dem Feind abgenommen oder nach der Kapitulation der jugoslawischen Armee versteckt hatten (Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg, S. 57). Am 1.10.1941 befanden sich folgende Wehrmachteinheiten in Kraljevo: 850 Mann des 749. IR unter Major Desch, 550 Mann des 737. IR unter Oberstleutnant Wildermuth, außerdem 320 Landesschützen und Volksdeutsche Wachmannschaften. Alle Einheiten standen unter dem Kommando der 717. ID (BA-MA, RH 24—18/87, Reisebericht Major Jais u.a. über Kraljevo vom 6.10.1941). Ebd., RW 24—30/277, Fernschreiben Höh. Kdo. LXV an 717. DO, 3.10.1941. Ebd., RH 24—18/87, Aktenvermerk zur Orientierung des Chefs AOK 12, Foertsch, über allgemeine Lage in Serbien durch General Böhme, 26.9.1941. Ebd., Reisebericht Major Jais u.a. über Kraljevo vom 6.10.1941.
156
rV. Massaker der Wehrmacht
an
der serbischen
Zivilbevölkerung im
Herbst
1941
erfolgte ein Angriff der Widerstandskämpfer auf Kraljevo, der von deutschen den Truppen allerdings zurückgeschlagen werden konnte6. Tags darauf wurde die Dornier-Flugzeugfabrik wegen »Arbeitsunzuverlässigkeit« geschlossen, und die Beschäftigten verhaftet7; ihnen folgten die Arbeiter der Waggonfabrik und die Beschäftigten bei der Eisenbahn. Gemeinsam wurden sie in einer Halle der Waggonfabrik interniert. Offensichtlich befürchteten die deutschen Besatzer Sabotageaktionen8. Am 10. Oktober 1941 meldete der Divisionskommandeur der 717. ID, General Hoffmann, daß der Gegner »Kraljevo einzukreisen und ringsum abzuriegeln versucht. [...] Die Feindverbände werden absolut zweckmäßig geführt (serbische Offiziere und Soldaten!). Ihre Kampfkraft und Führung hat sich wesentlich verbessert9.« Gleichzeitig unterbreitete General Hoffmann dem Befehlshaber in Serbien, Böhme, einige Vorschläge, wie man dem erfolgreichen Vordringen der Feindverbände »unter Berücksichtigung der >balkanischen< Gebräuche«10 seines Erachtens effektiver begegnen könnte. Sein Maßnahmekatalog reichte von der Abschiebung »herumlungernder, nichtstuender« Männer in Konzentrationslager über die Einführung eines Arbeitsdienstes bis zu Brandschatzungen, Geiselnahmen und Repressalien gegen Angehörige von entlassenen Kriegsgefangenen der ehemaligen jugoslawischen Armee11. In der Realität waren diese Vorschläge General Hoffmanns von seiner Truppe bereits zum Teil realisiert worden. In den ersten zehn Oktobertagen hatten Einheiten der 717. ID bei »Säuberungsunternehmen« in der Umgebung von Kraljevo 105 Zivilisten erschossen und zahlreiche Dörfer niedergebrannt. Im Kampf waren nur 6 Gegner gefallen, in den eigenen Reihen wurden 12 Gefallene und einige Verwundete gezählt12. Am 11. Oktober 1941 starteten Partisanen- und Cetnikabteilungen einen erneuten Angriff auf die Stadt, bei dem sie erstmals auch Artillerie einsetzten. Am 13. Oktober 1941 waren die Wehrmachttruppen in Kraljevo von gegnerischen Kräften eingeschlossen13. Am selben Tag übermittelte das Höhere Kommando LXV den »Sühnebefehl« Böhmes an die 717. LD. Tags darauf wurden von den Einheiten der 717. LD in Kraljevo »Kommunisten, Nationalisten, Demokraten und Juden soweit Bewachung möglich als Geiseln festgenommen14.« Der Angriff auf Kraljevo ging am 15. und 16. Oktober 1941 mit unverminderten Artilleriegefechten weiter, wobei von der Wehrmacht auch Aufklärungsflugzeuge und Stukas
Am 5. Oktober 1941
—
—
Ebd., RH 19 XI/81 Die Aufstandsbewegung im Südostraum, T. 1, S. 57. Nach Bombenschäden hatte das Flugzeugwerk erst im Sommer 1941 seine Produktion wieder aufgenommen (Olshausen, Zwischenspiel auf dem Balkan, S. 292). Im Frühjahr 1942 wurde die Flugzeughalle abmontiert und nach Wiener Neustadt gebracht, wo sie als »Serbenhalle« den »Rax-Werken« eingegliedert wurde. Als Außenstelle des KZ Mauthausen wurden in der Serbenhalle von KZHäftlingen Rüstungsgüter hergestellt (Freund/Perz, Das KZ in der Serbenhalle). 8 BA-MA, RW 40/20, Tagesmeldung Bev. Kdr. General in Serbien, Ia an AOK 12, 6.10.1941. 9 Ebd., RH 24—30/270, Bericht Kommandeur 717. ID, Hoffmann, an Böhme, 10.10.1941. 10 Ebd. 11 Ebd. 12 Ebd., RH 26-117/12, Einsatzbericht 717. DD, Oktober 1941. 13 Ebd., Tagesmeldung Divisionsstab 717. ID, 13.10.1941. 14 Ebd., Tagesmeldung des Divisionsstabes, 14.10.1941. 6 7
1. Das
Massaker in
Kraljevo
157
eingesetzt wurden. Die 717. BD verhängte den Ausnahmezustand über die Stadt. Als am Abend des 15. Oktober 1941 Wehrmachtsoldaten in Kraljevo aus Häusern beschossen wurden, richtete die Truppe sofort 300 Serben zur »Vergeltung« hin. Am nächsten Tag führten Verbände der 717. BD Hausdurchsuchungen in der Stadt durch; Menschen wurden aus ihren Wohnungen geholt und zusammengetrieben. Der Ortskommandant erließ einen Befehl, in dem er den Fortgang des Massakers ankündigte: »Mit dem heutigen Tag tritt für das Volk dieses Gebietes das Gesetz schwierigster Repressalien ein, d. h. es werden nicht nur 100 Serben für einen Deutschen erschossen, sondern es werden auch die Familien und der Besitz vernichtet15.«
Augenzeugenberichte von überlebenden Bewohnern der Stadt geben uns ein Bild darüber, was sich in diesen Tagen in Kraljevo ereignete: »Als sich in der
Umgebung von Kraljevo die Kämpfe abwickelten, haben die deutschen Behörden in Kraljevo angefangen, die Bevölkerung aus ihren Häusern, Straßen und Werkstätten zu treiben und in ein Lager zu sperren, welches sich im Hof der Waggonfabrik befand. Streifen der deutschen Wehrmachtkräfte gingen von Haus zu Haus und haben aus denselben alle Männer, angefangen von den Kindern im Alter von 14 Jahren bis zu Greisen von 60 Jahren und darüber, herausgejagt. Alle diese Bürger wurden mit über dem Kopf erhobenen Händen in kleineren Gruppen durch die Stadt geführt, und dann in größeren Gruppen, und so in das Lager der Waggonfabrik getrieben. Vor dem Lager wurden sie von den deutschen Soldaten gezählt, legitimiert und in Bücher eingetragen und dann in den allgemeinen Kreis des Lagers gesperrt. Aus diesem Lager wurden von den Deutschen Gruppen von je 100 Bürgern herausgenommen und aus dem Lager geführt, wo sie an dem schon vorher bestimmten Platz vor offenen Gräbern vor ein Maschinengewehr gestellt und erschossen wurden. Nachdem die so hingeführte Gruppe der Bürger unter der Feuerwirkung des Maschinengewehrs hingemacht wurde, gingen die deutschen Soldaten unter die toten Bürger und jeder, der noch ein Lebenszeichen von sich gab, oder den sie noch nicht ganz tot glaubten, wurde durch einen Schuß aus der Maschinenpistole oder Pistole vollends getötet. Nach der Liquidierung einer Gruppe führten die Deutschen auf dieselbe Art und Weise die zweite Gruppe herbei usw.16.«
Neben den Einwohnern von Kraljevo wurden auch viele in der Stadt lebende Flüchtlinge und Arbeiter aus anderen Landesteilen erschossen17. Allein am 16. Oktober 1941 erschossen Angehörige des 749. IR und des 737. IR der 717. ID als »Vergeltung« für die tags zuvor bei den Artilleriekämpfen 14 getöteten und 20 verwundeten Soldaten »insgesamt 1736 Männer und 19 kommunistische Frauen18.« Noch am selben Tag wurden an Angehörige der 717. ID zwanzig Stück E.K. II verliehen19. 15
16
17
18
"
Befehl des Ortskommandanten, 16.10.1941 (zit. bei: Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 82). NOKW-Dokument 1638, Landeskommission Serbien zur Feststellung der Verbrechen der Okkupanten und ihrer Helfershelfer. Mitteilung über festgestellte Verbrechen, 24.1.1946. Jugoslawische Quellen werden in dieser Arbeit nur herangezogen, soweit sie beim Nürnberger Gerichtshof als Beweisdokumente anerkannt worden sind (z. B. NOKW-Dokumente) und ihr Inhalt durch deutsche Dokumente verifiziert werden kann. »Diese Flüchtlinge waren großteils Arbeiter und Angestellte der Waggonfabrik und der Flugzeugfabrik in Kraljevo und ihre Familien« (NOKW-Dokument 1638). BA-MA, RH 26—117/3, Tagesmeldungen vom 15. und 16.10.1941. Diese Zahlen wurden auch an das OKW und das OKH weitergegeben und um die eigenen Verlustzahlen (zwei Gefallene und ein
Verwundeter!) ergänzt (ebd., Tagesmeldung AOK 12 Ic/AO, 18.10.1941). NOKW-Dokument 1660.
IV. Massaker der Wehrmacht
158
an
der serbischen
Zivilbevölkerung im
Herbst 1941
Doch damit war das Massaker an der Zivilbevölkerung von Kraljevo noch nicht beendet. Im Anschluß an die Exekutionen in der Stadt begann das 749. IR mit der Entvölkerung aller unmittelbar an Straße und Bahn Krusevac-Kraljevo gelegenen Ortschaften20. Bis zum 24. Oktober 1941 hielt das Massenmorden an. In dieser einen Woche erschoß die Wehrmacht in Kraljevo und Umgebung zwischen 4000 und 5000 Zivilisten21. In einem am 20. Oktober 1941 erlassenen persönlichen Tagesbefehl lobte Böhme die in Kraljevo tätigen Wehrmachteinheiten: »Weitere in der letzten Zeit von der Truppe errungenen Erfolge tragen dazu bei, das Ansehen der deutschen Wehrmacht in Serbien abermals zu stärken. [...] Am 15.10. wurde der seit Tagen vorbereitete
Angriff der Aufständischen auf Kraljevo von der im Ort liegenden Truppe unter Mitwirkung des von Krusevac anrückenden I/Inf. Rgt. 737 abgewiesen. Der Feind verlor mindestens 80 Tote, 1755 Geiseln wurden als Sühne für die eigenen Verluste erschossen. [...] Allen an diesen erfolgreichen Unternehmungen beteiligten Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften spreche ich meine Anerkennung aus.
Vorwärts
zu neuen
Taten. Böhme
2. »Vorwärts
.«
zu neuen
Taten!« Das Massaker in
Kragujevac
September 1941 wurde die 6. Kompanie des in Völkermarkt und Lienz aufgestellten 920. Landesschützen-Bataillons in Gorni Milanovac, wo sie seit Mitte Juli zur Munitionsbewachung stationiert gewesen war, von Cetniks gefangengenommen. Schon seit Wochen hatten die Cetnik- und Partisanenverbände Gorni Milanovac eingeschlossen. Die zirka 70 Mann der Kompanie waren während dieser Zeit durch Brücken- und Straßensprengungen vollständig von der Außenwelt abgeschnitten und ohne Funkverbindung zu anderen Einheiten gewesen23. Von jeglichem Nachschub abgeschlossen, gingen ihnen bereits die Lebensmittel aus. Angesichts dieser Lage bat der Kompanieführer seine Vorgesetzten am 26. September 1941 dringend um die rasche Verlegung der Kompanie nach der 35 km entfernten Stadt Kragujevac, da Gefahr bestand, »daß die Kompa-
Am 28.
20 21
Ebd., Tagesmeldung AOK 12 Ic/AO, 23.10.1941. Diese Zahl beruht auf jugoslawischen Schätzungen (siehe NOKW-Dokument 1638). Von Wehrmachtseite liegen keine exakten Angaben über die Gesamtzahl der zwischen dem 15. und 24. Oktober 1941 in Kraljevo Erschossenen vor. Im Tagesbericht vom 21.10.1941 meldete die 717. ID: »Vorstöße von Teilen JR. 749 und JR. 737 südwestlich Kraljevo mit Stukaunterstützung. 2 1. MG erbeutet. Im Bereich der Division 529 Erschießungen« (ebd., Tagesmeldung AOK 12 Ic/AO, 21.10.1941). In ihrem Monatsbericht über die »Ergebnisse der Unternehmungen im Oktober 1941« meldete das in Kraljevo eingesetzte 749. JR: »1.) Feindverluste: Tote 5037, davon 4300 als Sühne für gefallene und verwundete Soldaten, Gefangene 79 ebenfalls
22 23
erschossen,
5
erhängt.
Eigene Verluste: Tote 50 Vermißte 4 Verwundete 92« (BA-MA, RH 24-30/275, KTB Höh. Kdo. LXV, Monatsbericht der 717. ID, 7.11.1941). Die angegebenen »Feindverluste« untermauern die von jugoslawischer Seite geschätzte Opferzahl. BA-MA, RH 24-18/87, Tagesbefehl Böhmes, 20.10.1941. BA-MA, RW 40/18, Aussage des aus der Gefangenschaft entflohenen Unteroffiziers der 6. Kompanie/ Landesschützenbataillon 920, Dirnberger, 6.10.1941.
2. »Vorwärts
zu neuen
Taten!« Das Massaker in
Kragujevac
159
nie einem größeren Bandenüberfall unterliegen würde24.« Doch zur Verlegung kam es nicht mehr. Als die Landesschützen Anfang Oktober im Zusammenhang mit dem Rückzug der deutschen Truppen aus Cacac nach Kraljevo und Kragujevac abgezogen werden sollten, stellte ein Aufklärungsflieger über Gorni Milanovac verblüfft fest: »Keine Beweweder deutsche Wehrmacht noch Zivilbevölkerung25.« gung im Orte Einige Tage nach dem spurlosen Verschwinden der Landesschützen-Einheit traf ein Kompanieangehöriger in Belgrad ein und erzählte, die Landesschützen seien in Gorni Milanovac von Cetniks angegriffen worden. 10 Landesschützen seien gefallen, die restlichen 60 hätten sich aufgrund der aussichtslosen Situation ergeben und wären als Gefangene von den Cetniks mitgenommen worden26. Kurze Zeit später berichtete der aus der Gefangenschaft geflohene, aus Strobel am Wolfgangsee stammende Unteroffizier der Kompanie, Franz Egger, die serbischen Bewacher hätten die gefangenen Wehrmachtsoldaten korrekt behandelt und ihnen sowohl ihre Uniform als auch ihr Eigentum belassen: —
»Wir wurden anständig behandelt, da man uns erklärte: die Cetniks seien die freien serbischen Soldaund sie erkennen die Kriegsrechte an27.«
ten
Die durch diesen Vorfall entfesselten Racheaktionen der Wehrmacht stehen im krassesten Gegensatz zur humanen Behandlung der gefangenen Landesschützen durch die MihailovicCetniks. Böhme schickte bereits Anfang Oktober eine Einheit der 717. ID, das HI. Bataillon des 749. Regiments, mit dem Auftrag nach Gorni Milanovac, »den Ort abzubrennen und Geiseln festzunehmen, um Rückgabe der Landesschützen zu erwirken28.« Wegen eines mißverstandenen Befehles, wie der verantwortliche Bataillonskommandeur glaubhaft versichern konnte, nicht »etwa aus irgendeiner Sentimentalität«29, verließ das Bataillon am 6. Oktober 1941 Gorni Milanovac, ohne den Ort niedergebrannt zu haben. Die bereits festgenommenen 170 Geiseln wurden wieder freigelassen. Böhme war über die Kapitulation der Landesschützen und die nicht ausgeführte Sühnemaßnahme erbost. Er sah dadurch das Ansehen der Truppe gefährdet. Er verbot seinen Truppen sich zu ergeben und befahl ihnen, »sich bis zur letzten Patrone zu verteidigen«30. Am 15. Oktober 1941 kehrte der gleiche Trupp unter ständigem Feindfeuer nach Gorni Milanovac zurück, um den mittlerweile militärisch völlig sinnlos gewordenen Auftrag im zweiten Anlauf auszuführen. Im Bataillonsbericht vom 16. Oktober 1941 heißt es:
24
»Milanovac brennt, Geiseln werden
gesammelt31.«
Ebd., RW40/8, Telegraphischer Hilferuf der
6.
Kompanie
an
Feldkommandantur 610 Pancevo,
11.9.1941.
Ebd., Bericht Oberstleutnant Kogard über Aufklärungsflug, 3.10.1941. Ebd., Vernehmung des Unteroffiziers Dirnberger beim Militärbefehlshaber Serbien, 6.10.1941. 27 Ebd., Vernehmung des Unteroffiziers Franz Egger, 22.10.1941. 28 Ebd., RH 24—18/87, Fernschreiben Böhmes an Wbfh. Südost, 3.10.1941. Eine kurze Zusammenfassung über die Aktion in Gorni Milanovac gibt Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschi25
26
29
30 31
stischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 79f. BA-MA, RH 26—104/14, Vernehmung Hptm. Fiedler (Kommandant des HL Bataillons/749. IR) durch Ia des Höh. Kdo. LXV, Kewisch, 10.10.1941. Ebd., RH 26—104/15, Tagesbefehl Böhmes vom 8.10.1941. Ebd., RH 26-117/3, KTB Ia vom 16.10.1941.
160
rV. Massaker der Wehrmacht
an
der serbischen
Zivilbevölkerung im
Herbst 1941
Die noch im Ort befindlichen 133 Männer wurden nach Kragujevac mitgenommen. Auf dem Rückmarsch zu seinem Standort Kragujevac zerstörte das Bataillon sämtliche auf der Strecke liegenden Ortschaften. Ebenso wie beim Anmarsch, war die Einheit auch auf dem Rückweg in Kämpfe mit gegnerischen Kräften verwickelt, die das Gebiet um Kraljevo und Kragujevac militärisch kontrollierten. Insgesamt hatte das Bataillon dabei 10 Tote und 26 Verwundete zu verzeichnen32. Kragujevac war vom Stab und vom I. Bataillon des 724. IR besetzt. Als Regimentskommandeur fungierte der österreichische General Adalbert Lontschar. Er war im Juli 1941 Ziel eines Partisanenanschlages gewesen, hatte aber keine Verletzungen erlitten33. Nach einem Erholungsurlaub hatte er sich am 10. Oktober 1941 in Belgrad bei General Böhme als wieder einsatzfähig gemeldet. Nachdem Lontschar beim Stab Böhmes über seine Erfahrungen mit den Aufständischen berichtet hatte, kehrte er zu seinem Regiment nach Kragujevac zurück34. Als das Bataillon aus Gorni Milanovac eintraf, erging der Befehl, den Stab des 724. IR aus Kragujevac nach Valjevo zu verlegen. Es ist aktenmäßig nicht zu klären, wann Lontschar Kragujevac verlassen und damit den direkten Befehl über seine Einheiten übergeben hat35. Major König, der das I. Bataillon des 724. LR befehligte, wartete bereits auf die Rückkehr der in Gorni Milanovac eingesetzten Truppe, da er mit vereinten Kräften eine »umfassende Sühneaktion«36 in Kragujevac durchführen wollte. Nach dem Eintreffen des Bataillons aus Gorni Milanovac (18. Oktober 1941) wurde dieser Plan in die Tat umgesetzt. Der erste Schritt zum Massenmord an Zivilisten in Kragujevac erfolgte noch am selben Tag mit der Verhaftung aller männlichen Juden und aller angeblichen Kommunisten, insgesamt 66 Personen37. Sie wurden zum Erschießen bestimmt. Um aber auf die entsprechende Anzahl an »Geiseln« für die 10 toten und 26 verwundeten Wehrmachtssoldaten zu kommen, benötigte man 2300 Opfer. Wie aus einem Bericht des Kreiskommandanten hervorgeht, versuchte dieser zu verhindern, daß die fehlenden Geiseln aus der 42000 Einwohner zählenden Stadt Kragujevac 32
33 34 35
36 37
Ebd., Einsatzbericht der 717. ID für Oktober 1941, IIL/749 vom 17—25.10.1941, Aktion Gorni Milanovac. Ohne Quellen anzugeben, beziffert Glisic die deutschen Verluste mit 20 Toten und 26 Verwundeten (Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 80). Siehe S. 52. BA-MA, RH 24-18/87, KTB Ia des XVIIL Gebirgs-AK, 10.10.1941. Am 28.10.1941 traf Lontschar wieder in Belgrad ein und übernahm als Stadtkommandant die militärische Sicherung Belgrads (ebd., Eintragung im KTB vom 28.10.1941). Obwohl sich der Aufenthalt Lontschars zwischen dem 18. und 28.10.1941 aus den Akten nicht schlüssig eruieren läßt, spricht einiges dafür, daß er in diesem Zeitraum nicht mehr Regimentskommandeur war, sondern diese Funktion dem Standortältesten und Chef des I. Bataillons des 724. IR, Major König, übergeben hat. Ebd., RH 26—104/16, Bericht des Regiments 724 an 704. und 717. ID, 16.10.1941. Ebd., Bericht über den Einsatz des I./724 für die Zeit vom 17.—25.10.1941. Glisic gibt die Zahl der in Kragujevac am 18.10.1941 festgenommenen Personen mit 70 an. (Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 80).
2. »Vorwärts
zu neuen
Taten!« Das Massaker in
Kragujevac
161
genommen würden, weil dort »nicht ein einziger deutscher Wehrmachtangehöriger oder
Volksdeutscher verwundet oder erschossen worden ist38.« Stattdessen riet er Major König, die »seit langem als vollkommen kommunistisch verseucht bekannten Dörfer in der näheren und weiteren Umgebung von Kragujevac zu umzingeln und die nötige Anzahl von Opfern dort zu holen39.« Der Vorschlag wurde von Major König positiv aufgenommen. Am 19. Oktober 1941 brannten Einheiten des 724. und 749. IR mehrere Dörfer in der Gemeinde Groznice nieder. Der Kreiskommandant, Hauptmann Bischofshausen, meldete: »Dabei wurden 422 männliche Personen ohne eigene Verluste gleich an Ort und Stelle in den Dörfern
erschossen, darunter ein Pope, auf dessen Kirchturm Munition versteckt gefunden worden war40.« Überlebende Tatzeugen aus der Gemeinde Groznice schilderten den Ablauf der Massenexekution: »Am 19. Oktober 1941 sowie auch einige Tage vorher haben deutsche Flugzeuge Flugzettel abgeworfen, in welchen der Bevölkerung im Gebiet der Gemeinde Groznice unter Todesstrafe befohlen wurde, bei ihren Häusern zu verbleiben. So ist die Mehrzahl der Bauern in den Dörfern Groznice, Mala Pcelica, Erdeca, Viciste, Adzine-Livade und Tresnjevik der Gemeinde Groznice bei ihren Häusern gewesen, viele aber wegen des Sonntags und der Feier des heiligen Thomas in der Dorfkirche, als die Strafexpedition des Major König, der schon bekannt wegen seiner verbrecherischen Tätigkeit in Serbien, am 19. Oktober 1941 aus Richtung Kragujevac in zwei Gruppen vor das Dorf Groznice kam. Eine der Gruppen kam in breiter Front, die zweite auf Lastkraftwagen auf der Hauptstraße wegen leichterer
und schnellerer Blockierung des Dorfes. Schnell haben die bis zu den Zähnen bewaffneten deutschen Soldaten ihre >Ritterlichkeit< und ihren >Kampfgeist< gegenüber den ruhigen und hilflosen Bauern dieses Dorfes gezeigt. Mehrere Gruppen deutscher Soldaten verbreiteten sich im Dorf und griffen sämtliche männlichen Einwohner auf, wo sie sie auch antrafen, im Haus, auf der Straße oder in der Kirche. Auf jene aber, die durch Flucht versuchten sich zu retten, wurde Feuer aus allen Waffenarten eröffnet und sie wurden getötet. Die Eingefangenen wurden in Gruppen von 30—50 Mann ohne irgendwelche Erklärung mit dem Maschinengewehr erschossen, und jene, die noch ein Lebenszeichen von sich gaben, wurden mit Revolverschüssen vollends getötet. So haben sie den Hirten Lubisa Manica, der nur 14 Jahre alt war, von seiner Herde weggetrieben und erschossen. Den Geistlichen Nikola Aleksica, der in der überfüllten Kirche die Messe las, sowie alle männlichen Einwohner aus der Kirche herausgetrieben und erschossen. Die ganze männliche Bevölkerung aus der Gemeinde Groznice wurde getötet, eine große Anzahl Familien blieb ohne Männer. [...] Die Deutschen fanden die Schuld der Bauern aus der Gemeinde Groznice in der Zerstörung der Brücke neben dem Ort Groznice, welche von unbekannten Tätern ausgeführt wurde, das offenbar nur einen scheinbaren Grund darstellte, um sich zu rechtfertigen41.«
Am nächsten Tag ging das Morden in Kragujevac weiter. Der Kreiskommandant von Bischofshausen schreibt, daß die noch in der Stadt verbliebene Männer und Jugendlichen aus ihren Wohnungen gezerrt, auf der Straße festgenommen, selbst ganze Klassen mit ihren Lehrern aus Schulen geholt und auf einem Platz zusammengetrieben wurden42. 38
BA-MA, RW 40/12, Brief des Kreiskommandanten von Kragujevac, Hptm. von Bischofshausen, an
die Feldkommandantur 610 in Pancevo und an den Befehlshaber Serbien Ia, 20.10.1941. Ebd. «Ebd. 41 NOKW-Dokument 1638, Staatliche jugoslawische Kommission zur Feststellung der Verbrechen der Okkupatoren und ihrer Helfershelfer. 3>
42
Ebd.
162
IV. Massaker der Wehrmacht
an
der serbischen
Zivilbevölkerung im Herbst
1941
Tages hatten die beiden Wehrmachteinheiten die 2300 Geiseln beisammen43. In einem Bericht der jugoslawischen »Staatlichen Kommission zur Feststellung der Verbrechen der Okkupatoren und ihrer Helfershelfer« beschreiben überlebende Bewohner von Kragujevac den am 20. und 21. Oktober 1941 von der Wehrmacht durchgeführten Massenmord: »[...] Schon vorher, am 1. Oktober 1941, hat der Kreiskommandant Baron von Bischofshausen bei den Direktoren und Verwaltern der Kragujevacer Schulen darauf insistiert, daß die Schüler laufend die Schule besuchen. Unterdessen, da die Schüler auch weiter die Schule nicht besuchten, hat von Bischofshausen am 17. Oktober 1941 wieder alle Direktoren zusammengerufen und ihnen befohlen, daß alle Schüler unausbleiblich die Schule zu besuchen hätten, da sie widrigenfalls, die Schüler wie auch ihre Eltern,
Am Ende des
als Saboteure angesehen und als solche erschossen werden würden. Unter solchen Drohungen haben die Schüler angefangen, die Schule regelmäßig zu besuchen. Der 20. Oktober, der Tag der allgemeinen Razzia, fand die Schulen voll. Am 18. Oktober 1941 haben die deutschen Soldaten in Kragujevac auf Grund eines besonderen Verzeichnisses alle männlichen Juden und alle jene, die nach ihrer Meinung Kommunisten waren, gefangengenommen. Diese wurden in die Baracken des ehemaligen Autokommandos am Stanovijaner-Feld eingesperrt. Hier wurden sie fast ohne Nahrung gefangengehalten bis zum 20. Oktober 1941, wo sie am Abend um 6 Uhr alle erschossen wurden. Ihre Leichen wurden in den Baracken, wo sie untergebracht waren, und im Hof zerstreut in allen Richtungen, vorgefunden, so wie sie versuchten in ihrer panischen Todesangst dem Tod zu entkommen. Hier wurden ungefähr 60 Menschen getötet unter ihnen auch einige Frauen. Die Sachen der Getöteten nahmen die Deutschen an sich. Am 20. Oktober 1941 fing das allgemeine Zusammentreiben der Männer in Kragujevac an. Die Deutschen haben alle Ausgänge der Stadt blockiert. Aber in die Stadt wurden die Bauern aus den umliegenden Dörfern, welche in Geschäften nach Kragujevac kamen, hineingelassen, um sie später gefangenzunehmen und zu erschießen. [...] Die Deutschen sind in die Gymnasien und Lehranstalten eingedrungen und haben während des Unterrichts die Professoren und Schüler, angefangen von der 5. Klasse aufwärts, herausgeholt, sie in Dreierreihen formiert und abgeführt. Zusammengetrieben wurden alle Arbeiter, die an den Arbeiten an der Lepenica (Fluß bei Kragujevac W M.) beschäftigt waren. Unter diesen waren auch viele Kinder. Auch diese wurden mitgeschleppt. Umstellt wurden alle Behörden, und alle die sich darinnen befanden, wurden zusammengetrieben und abgeführt. [...] Es wurden Geistliche und Mesner in den Kirchen verhaftet, ohne Rechnung über die notwendige Achtung der Kirche gegenüber zu tragen. Zuletzt übergab der Polizeivorsteher Stosic den Deutschen alle Inhaftierten, die politischen sowie auch die kriminellen. Eine große Zahl von Personen wurde auch in ihren Häusern gefangengenommen und unter Drohung oder Vorspiegelung falscher Tatsachen abgeführt. Die Deutschen haben nämlich ständig wiederholt, sie würden nur zum Austausch ihrer Ausweispapiere geführt, und daß ihnen ihre deutsche Kultur verbiete, Erschießungen vorzunehmen. So ist es ihnen gelungen, die Leute widerstandslos und passiv zu erhalten. [...] Alle Verhafteten wurden in den Hof der Kaserne des 3. Art. Reg. geführt und durchsucht, und es wurde ihnen alles abgenommen, wie: Tabak, Feuerzeug, Taschenmesser, Uhren, Füllfederhalter u. a. Im Kasernenhof wurden jene abgesondert, die aus dem Gefängnis kamen, über 50 an der Zahl, und auch sie wurden noch am Abend desselben Tages auf das Stanovijaner-Feld geführt, wo das Massenerschießen durch Maschinengewehrfeuer ausgeführt wurde. Nur einigen wenigen gelang es zu flüchten, teils daß sie gelegentlich der Erschießung nur verwundet wurden, was den Deutschen entging, und diese sie nicht vollends töteten. Die anderen Gefangenen wurden in die Kanonenschuppen gesperrt, wo sie eine schreckliche Nacht verbrachten, zusammengedrückt wie Sardinen, ohne Nahrung und Wasser. [...] Am nächsten Tag, dem 21. Oktober 1941, hat das Massenerschießen um 7 Uhr in der Früh angefangen. Die Deutschen haben eine Gruppe nach der anderen aus den Baracken herausgeführt und die Abson—
43
BA-MA, RH 26-104/16, Bericht über den Einsatz des I./724, 17.-25.10.1941.
2. »Vorwärts
zu neuen
Taten!« Das Massaker in
163
Kragujevac
derungen vorgenommen. Eine kleine Anzahl, hauptsächlich Spezialhandwerker und Personen fremder Nationalität, wurden ausgesondert. Die anderen wurden in Gruppen von 60—120 unter Bewachung der Deutschen in voller Kriegsausrüstung zum naheliegenden Bach geführt, und es wurde ihnen befohlen, sich in zwei Reihen aufzustellen und dann wurden sie mit schwerem Maschinengewehrfeuer niederge-
macht. Sodann wurden die Erschossenen untersucht, und wer noch das kleinste Lebenszeichen von sich gab, dessen Leben beendeten sie mit Revolver- und Gewehrschüssen. Man bedeckte sie mit Maisstengeln und ging singend um die neue Gruppe. So ging es den ganzen Vormittag bis 2 Uhr. Als alles beendet war, machten sie eine Parade durch die Stadt. Während des Erschießens selbst, erschien Major König selbst um nachzuschauen, wie das Erschießen fortschreite. Von den Verhafteten, die nicht erschossen wurden, trennte man einen Teil, ungefähr 400, und diese wurden als Geiseln zurückbehalten, die anderen wurden freigelassen, nachdem ihnen vorher Marisav Petrovic (ein Mitglied der mit den Besatzern kollaborierenden Ljotic-Gruppe W.M.) im Beisein eines deutschen Offiziers einen Vortrag hielt über die Großzügigkeit des Deutschen Reiches und sie aufforderte >Heil Hitler« zu rufen. Gelegentlich der Erschießungen ist es nur einer kleinen Anzahl gelungen sich zu retten, entweder durch Flucht oder daß sie zufällig nur verwundet wurden. Um weitere Fluchtversuche zu verhindern, haben die Deutschen die letzten Gruppen mit Stricken oder sogar mit Stacheldraht zusammengebunden. Bis jetzt (der Kommissionsbericht wurde im August 1945 abgefaßt W.M.) wurden 31 Massengräber nebst vielen Einzelgräbern festgestellt, außerdem wurden 2324 Namen der Erschossenen festgestellt. Unter den Erschossenen gab es auch viele Jünglinge unter 18 Jahren sowie auch Kinder. Gleichfalls gibt es auch Personen über 70 Jahren. Berufsmäßig waren alle Stände vertreten, auch Intellektuelle und Arbeiter und Bauern. Es waren Professoren, Schüler und Geistliche, Kaufleute, Gewerbetreibende, Beamte, Richter, Arbeiter und Lehrlinge. Erschossen wurden 8 Geistliche, 16 Lehrer, 15 Professoren, 59 Schüler, 17 Lehrlinge, wie es auf Grund erstatteter Anzeigen festgestellt wurde. Bis jetzt wurde festgestellt, daß folgende Anzahl Kinder unter 18 Jahren getötet wurde: 5 Kinder von 12 Jahren, 3 Kinder von 13 Jahren, 4 Kinder von 14 Jahren, 9 Kinder von 15 Jahren, außerdem 20 Kinder von 16 Jahren, 37 Kinder von 17 Jahren und 66 Jugendliche von 18 Jahren. Insgesamt 144. 11 Personen über 70 Jahren wurden ebenfalls erschossen. Es gab Fälle, wo sie kranke Personen aus ihren Häusern herauswarfen und sie auf Lastkraftwagen warfen, um sie zur Hinrichtung zu fahren. Abgeführt wurden auch Invalide und Personen ohne Füße. Einige Freiwillige unter Führung von I. R. Zila Zdravkoveca haben sich zur Aufgabe gemacht, alle Zigeuner einzusammeln. Unter den Zigeunern waren 4 Greise, welche nicht bewegungsfähig waren. Die Freiwilligen warfen sie wie Säcke auf die Lastkraftwagen44. Während der Hinrichtungen ereigneten sich schreckliche Zwischenfälle verschiedenster Art. So wurden z.B. Milosav M. Radojkovice mit seinem Vater zur Hinrichtungsstelle geführt. Gelegentlich der Sortierung wurde der Vater des Genannten von der Gruppe ausgesondert, die zur Hinrichtung bestimmt war. Als er sah, daß sein Sohn zum Erschießen bestimmt ist, schlug er einem deutschen Offizier vor, an Sohnes Stelle erschossen zu werden. Der Deutsche nahm ohne weiteres den Austausch an. Ein zweiter Fall: die Deutschen haben aus der zur Erschießung bestimmten Gruppe 4 Kinder abgesondert. Der hinzugekommene Marisav Petrovic ersuchte die Deutschen, von den zu Erschießenden noch 2 herauszunehmen und bot ihnen zum Austausch 5 andere an. Als die Deutschen einstimmten, gab ihnen Marisav Petrovic 5 Jünglinge, unter welchen sich 2 schon früher befreite befanden. Einem von ihnen gelang es sich zu retten, daß an seiner Stelle sein Vater erschossen wurde, der zweite jedoch, Sohn des Bosko Petijanski, wurde erschossen. Nach Beendigung der Hinrichtungen haben die Deutschen und die Freiwilligen während die Leichen eingegraben wurden dieselben ausgeplündert. In der Stadt ist eine Masse der geplünderten Gegenstände aufgetaucht. —
—
—
—
Es wurden waren
etwa
erschossen, die am Tag des Massakers zufällig in die Stadt gekommen Sinti und Roma die Vernichtung eines Volkes im NS-Staat, S. 91).
200 Roma
(Kenrick/Puxon,
—
164
IV. Massaker der Wehrmacht
an
der serbischen
Zivilbevölkerung im
Herbst 1941
Neben Personen aus Kragujevac und Umgebung wurde auch eine Gruppe von Personen aus Gornji Milanovac herbeigeführt, welche gleichfalls am 21. Oktober erschossen wurde. Nach beendetem Verbrechen gestatteten die Deutschen keinem der Verwandten Zutritt zu den Leichen. Sie schössen auf jeden, der es trotzdem versuchte. Eine besondere Gruppe von Leuten wurde engagiert um das Eingraben der Leichen vorzunehmen, mit dem Befehl, keine Spuren der Begräbnisstätte zu hinterlassen. Um alle amtlichen Spuren zu verbergen, die diese schrecklichen Verbrechen zeichneten, verboten die deutschen Behörden eine öffentliche Seelenmesse abzuhalten. Nur Geistliche durften anwesend sein. Auf den kirchlichen Totenscheinen durfte auf Befehl der deutschen Behörden als Todesursache >Erschießen< nicht angegeben werden. Die deutschen Behörden gingen noch weiter und stellten den Angehörigen der Erschossenen Bescheinigungen aus, aus welchen hervorgeht, daß die Erschossenen ihr Leben angeblich bei den Kämpfen in Kragujevac am 21. Oktober 1941 verloren haben45.«
Nach außen versuchten die deutschen Behörden, den Massenmord zu vertuschen46. Gegenüber General Böhme war Zurückhaltung nicht vonnöten. In ihrem Einsatzbericht meldete das unter dem Befehl der 717. LD stehende I. Bataillon des 724. IR aus Kragujevac
wahrheitsgemäß und lapidar:
»20.10. Am Abend werden die schon
am 18.10. verhafteten Kommunisten und Juden und 53 Strafgefangene aus dem Ortsgefängnis hinter dem Beutelager erschossen. 21.10. Früh 7 Uhr beginnt die Auswahl und Erschießung der Verhafteten. Damit ist die Aktion abgeschlossen, insgesamt wurden 2300 Serben verschiedenen Alters und Berufes erschossen47.«
Die Soldaten hatten General Böhmes »zur Aneiferung der Truppe«48 herausgegebenen Tagesbefehl beherzigt und ihren Eifer bei dem Gemetzel unter Beweis gestellt. Nun konnten sie zu Recht erwarten, für das Massaker belobigt zu werden. Im Kriegstagebuch von Böhmes XVHI. Armeekorps heißt es am 23. Oktober 1941, daß die »erfolgreichen Unternehmungen der Divisionen des Höh.Kdo. LXV auf eine erfreuliche Zunahme des An45 46
47
48
NOKW-Dokument 1638. Trotz dieses halbherzigen Verschleierungsmanövers war das Massaker innerhalb kürzester Zeit in ganz Serbien bekannt geworden. Djilas berichtet, daß die serbische Bevölkerung nach den deutschen Aktionen in Kraljevo und Kragujevac verängstigt war und die Partisanen anschließend wesentlich zaghafter unterstützte als zuvor (Djilas, Der Krieg der Partisanen, S. 119). Auch die jugoslawische Exilregierung in London wurde durch Mihailovic über die beiden Massaker informiert. Mihailovic berichtete, daß in Kraljevo 2100 und in Kragujevac 2300 Menschen von der Wehrmacht erschossen worden seien (Wheeler, Britain and the War for Yugoslavia, 1940—1943, S. 89). BA-MA, RH 26—104, Bericht über den Einsatz des I./724. IR, 17.—25.10.1941. Jugoslawische Historiker geben die Zahl der Ermordeten mit bis zu 7000 Menschen an, ohne allerdings dafür Quellen zu nennen (z. B. Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg, S. 72). Glisic vermerkt, daß nach Angaben von Opfern und erhalten gebliebenen Aufzeichnungen des Verwaltungschefs des Banats, Danilo Mihajlovic, die Zahl der Getöteten zwischen 7000 und 7300 lag (Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 81 ff.). Die offizielle Totenliste der »Staatliche Kommission zur Festeilung der Verbrechen der Okkupatoren und ihrer Helfershelfer« enthält allerdings nur 2324 Namen. Da die von deutscher Seite angefertigten Opferlisten von den deutschen Organen 1943 vernichtet wurden, läßt sich die tatsächliche Zahl der Getöteten nicht zweifelsfrei klären. Da die im Bericht des I. Bat./724. IR angeführte Zahl der erschossenen Geiseln in Kragujevac (2300) mit der Zahl der deutschen Verluste (10 Gefallene, 26 Verwundete) im Schlüssel 1:100 übereinstimmt, erscheint die Zahl von 2300 Erschossenen am wahrscheinlichsten. BA-MA, RH 24-18/87, Anlagen zum KTB XVUI. Geb. AK, 20.10.1941.
2. »Vorwärts
zu neuen
Taten!« Das Massaker in
Kragujevac
165
griffsgeistes und der Initiative der bisher ohne Zweifel zur Passivität neigenden Truppe
schließen«49 lassen. Der »Eifer« und »Angriffsgeist« begann an manchen Punkten dem eigentlichen Zweck der >Befriedung< Serbiens nämlich der Ausbeutung der Resourcen und Arbeitskräfte des Landes für die deutsche Kriegswirtschaft zuwiderzulaufen. Das OKW bemerkte, daß die von Böhme und seinen Truppen praktizierte Strategie des hemmungslosen Massenmordens schon teilweise kontraproduktive Auswirkungen hatte. So hatte die Wehrmacht in Kraljevo etwa 40 Ljotic-Anhänger, meist V-Leute, trotz Protest des Wehrmachtverbindungsstabes erschossen50. Am 21. Oktober 1941 sandte Böhmes Generalstabschef Pemsel auf Grund einer Mitteilung des OKW einen Funkspruch an das 749. IR in Kraljevo, der die Weisung enthielt, die 600 festgenommenen Arbeiter der Flugzeugfabrik Dornier in Kraljevo nicht zu erschießen, sondern sie nach Belgrad zu überstellen51. Und am 25. Oktober 1941 lobte Böhme zwar nochmals ausdrücklich die Truppe, die »in vorbildlicher Weise und mit der gebotenen Härte die zur Niederwerfung der Aufstandsbewegung notwendigen Maßnahmen ergriffen hat«52, regte aber gleichzeitig an, von der wahllosen Erschießung der Bevölkerung zu einer planmäßigen Steuerung der Geiselerschießungen überzugehen, da die Erschießungen von »ganzen Belegschaften dt. Rüstungsbetriebe nicht wiedergutzumachende Fehlgriffe«53 gewesen seien. Schließlich sollte die wirtschaftliche Ausplünderung nicht gestört werden; allein im Zeitraum zwischen Juni und September 1941 waren aus Serbien Waren im Wert von rund 1/3 der Gesamtjahresausfuhr Jugoslawiens im Jahre 1939 nach Deutschland geschafft worden54. Die Rücksichtnahme auf wirtschaftliche Interessen bedeutete aber nicht, daß die Mordaktionen aufhörten. Nur die Auswahl der Geiselopfer erfolgte nunmehr gezielter. Bezugnehmend auf Böhmes Befehl vom Vortag wies Verwaltungschef Turner am 26. Oktober 1941 sämtliche Feld- und Kreiskommandanturen nochmals darauf hin, daß »bei der Durchführung des Befehls vom 10.10.41 [...] an einigen Orten von der Truppe Erschießungen vorgenommen worden (waren), die zu bedenklichen Folgen geführt haben55.« Indirekt gab er auch zu, daß zwecks Erfüllung von Böhmes 1:100 Quote von der Wehrmacht bisher wahllos Menschen massakriert worden waren: »Die Truppe ist hiernach bei der Erstellung von Geiseln nicht nur zu beraten, sondern die Feld- und Kreiskommandanturen müssen [...] in der Lage sein, der Truppe eine Reihe von Geiseln ohne weiteres zu stellen. Wahrscheinlich wird bei den Verhältnissen 1:100 bei getöteten bzw. 1:50 bei verwundeten —
—
Ebd., KTB Ia, XVIII. Geb. AK., 23.10.1941. Ebd., RH 24—18/165, KTB Ia Bev. Kdr. Gen. in Serbien, 19.10.1941. 5i Ebd., RH 24—18/213, Anlagen zum KTB, Quartiermeister Bev. Kdr. General in Serbien, 22.10.1941. 52 Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (im folgenden: DÖW), Akt 3609, Befehl 49
50
53 54
55
Böhmes Ebd.
vom
25.10.1941.
Wien, B/556, Nachlaß Böhme, Karton 50, folio 209, Bericht des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft in Serbien, Gruppenführer Neuhausen, über die Versorgungslage in Serbien an Wehrmachtbefehlshaber Südost, 25.11.1941. NOKW-Dokument 802, Befehl Turner an sämtliche Kreis- und Feldkommandanturen, 26.10.1941. KA
166
IV. Massaker der Wehrmacht
an
der serbischen
Zivilbevölkerung im Herbst
1941
deutschen Soldaten häufig der Fall eintreten, daß Geiseln in der erforderlichen Anzahl von den Feldund Kreiskommandanturen nicht mehr gestellt werden können, wenn einigermaßen ein gewisser Schuldbegriff, auch nur auf Grund der allgemeinen Haltung der Festzunehmenden, in Betracht gezogen werden soll56.«
Bei zwei Gruppen von Geiseln mußten die Feld- und Kreiskommandanturen allerdings auf so verschwommene Kriterien wie die »allgemeine Haltung der Festzunehmenden« keine Rücksicht nehmen: sie standen aufgrund der rassischen Kriterien der Besatzer weiter uneingeschränkt als Erschießungsopfer zur Verfügung: »Grundsätzlich ist festzulegen, daß Juden und Zigeuner ganz allgemein ein Element der Unsicherheit und damit Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen. Es ist der jüdische Intellekt, der diesen Krieg heraufbeschworen hat und der vernichtet werden muß. Der Zigeuner kann auf Grund seiner inneren und äußeren Konstruktion kein brauchbares Mitglied einer Volksgemeinschaft sein. Es ist festgestellt worden, daß das jüdische Element an der Führung der Banden erheblich beteiligt und gerade Zigeuner für besondere Grausamkeiten und Nachrichtendienst verantwortlich sind. Es sind deshalb grundsätzlich in jedem Fall alle jüdischen Männer und alle männlichen Zigeuner als Geiseln der Truppe zur Verfügung zu stellen57.«
Als Böhme nach nur knapp drei Monaten am 2. Dezember 1941 aus Serbien abberufen wurde58, hinterließ er eine mörderische Bilanz. Den 160 Toten und 278 Verwundeten der eigenen Truppe standen offiziell 3562 gefallene Gegner und 11164 erschossene Geiseln gegenüber59. Die Angaben waren aber bei weitem nicht vollständig, da die »Erschießungsbilanzen« mehrerer Einheiten nicht vorlagen. In Wahrheit dürfte die Zahl der in Serbien zwischen Ende September und Anfang Dezember 1941 von Wehrmachteinheiten unter dem Kommando General Böhmes erschossenen »Geiseln« zwischen 20000 und 30000 gelegen haben60. In einer Art »Buchhaltung des Massenmordes« wurde, von den unvollständigen 56
Ebd.
57
Ebd, Befehl Turners
58
59
60
an sämtliche Kreis- und Feldkommandanturen, 26.10.1941. Am 7.12.1941 übernahm der bisherige Chef des Höheren Kommandos LXV, General der Artillerie Bader, die Geschäfte des Bevollmächtigten Kommandierenden Generals Böhme (NOKW-Dokument 1660, Tagesmeldung AOK 12 Ic/AO, 7.12.1941). BA-MA, RW 40/23, KTB Qu. Abt. Bev. Kdr. General in Serbien, Aktennotiz Sühnemaßnahmen bis 5.12.1941. Die genaue Zahl der Opfer läßt sich anhand der Dokumente nicht feststellen. Erpenbeck nennt die Zahl von 11164 »Geiselopfern« (Erpenbeck, Serbien 1941, S. 127). Diese Zahl stammt aus der oben erwähnten »Erschießungsbilanz«, die beim Abgang General Böhmes erstellt worden war. Wie aus dem Dokument selbst hervorgeht, ist die angeführte Opferzahl allerdings bei weitem nicht vollständig. Militärverwaltungschef Turner schrieb in seinem Lagebericht vom 6.11.1941, daß die Zahl der im Kampf »bzw. als Repressalie erschossenen Serben, Juden und Zigeuner [...] gegen 20000« beträgt (KA Wien, B/556, Nr. 50, Nachlaß Böhme, Lagebericht vom 6.11.1941, S. 2). Nach Benzler hätte die Zahl der Geiselopfer im Laufe des Jahres 1941 etwa 20000 betragen. Nedic spricht in seinem Bericht für Generaloberst Löhr vom 29.12.1942 im selben Zeitraum von etwa 17000 durchgeführten Erschießungen (Glisic, Der Terror und die Verbrechen des faschistischen Deutschland in Serbien von 1941 bis 1944, S. 95). Bei Glisic findet sich eine unvollständige Auflistung von Massenerschießungen für Oktober 1941; allein für diesen Monat beziffert Glisic die Zahl der Erschossenen mit über 10000, und kommt dabei zum allerdings von ihm quellenmäßig nicht belegten Schluß, daß die meisten dieser Verbrechen von der 717. ID begangen worden waren (ebd., S. 77ff). Ohne Angabe von —
—
2. »Vorwärts
zu neuen
Taten!« Das Massaker in
Kragujevac
167
Angaben ausgehend, exakt aufgeschlüsselt, daß bei der geltenden »Sühnequote« von 1:100
bzw. 1:50 noch 20174 Geiseln zu erschießen wären61. Ebensowenig wie die genaue Gesamtzahl der Erschossenen läßt sich aus den vorhandenen Akten nicht exakt die Zahl der Opfer des unter dem Vorwand von »Geiselerschießungen« von der Wehrmacht vollzogenen Genozids an den männlichen Juden in Serbien eruieren. Die Auswertung der spärlichen und teils widersprüchlichen Zahlenangaben der Besatzer ergibt für diesen Zeitraum eine Mindestzahl von 6000 erschossenen Juden und Roma. Zum Abschied bedankte sich Böhme in einem Tagesbefehl auf seine Art bei der Truppe: »Der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht hat das Generalkommondo XVIII. (Geb.) A. K. zu neuen Aufgaben ausserhalb Serbiens berufen. Zum Abschied spreche ich allen mir bisher unterstellten Truppen und Dienststellen meinen Dank und meine Anerkennung für ihre Leistungen im Kampf gegen den Kommunismus und für ihre Tätigkeit in der Befriedung des Landes aus. In kurzer Zeit wurde die Aufstandsbewegung von der deutschen Truppe mit Unterstützung von Teilen der Luftwaffe und der Marine niedergeschlagen. In teilweise hartnäckigen Kämpfen gegen einen heimtückischen Feind wurden trotz ungünstiger Witterung und schwierigen Geländeverhältnissen Erfolge erzielt, auf die alle beteiligten Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften mit Stolz zurückblicken können. In gleicher Weise spreche ich meinen Dank und meine Anerkennung der Militärverwaltung und allen deutschen zivilen Dienststellen für ihre unermüdliche Einsatzbereitschaft aus. Die unermüdliche und treffliche Arbeit dieser Dienststellen erfolgte immer in mustergültiger Zusammenarbeit mit der Truppe. Vorwärts zu neuen Taten! Es lebe der Führer! Böhme General der Infanterie62.«
Die militärische »Durchschlagskraft« Böhmes beeindruckte auch Glaise von Horstenau. Zum Abschied wünschte er Böhme »alles Soldatenglück für die weitere Laufbahn als ruhmvoller Führer siegreicher deutscher Streiter63.«
61
62 63
Quellen schreiben Müller/Zöller, daß in Serbien »allein bis zum Dezember 1941 [...] 34900 Menschen erschossen oder erhängt« worden sind (Müller/Zöller, Okkupationsverbrechen der faschistischen Wehrmacht gegenüber der serbischen Bevölkerung im Herbst 1941, S. 707). Addiert man die im Kampf gefallenen Widerstandskämpfer und die Geiselopfer, so dürfte diese Zahl der Realität am nächsten kommen. BA-MA, RW 40/23, KTB Qu. Abt. Bev. Kdr. General in Serbien, Aktennotiz Sühnemaßnahmen bis 5.12.1941. Ebd., RH 24—18/87, Tagesbefehl Böhmes vom 5.12.1941. KA Wien, Nachlaß Böhme, Karton 50, folio 13, Funkspruch Glaise von Horstenaus an Wehrkreiskommando XVIII, General Böhme, 11.12.1941. Nachdem in der offiziellen Buchreihe des Österreichischen Bundesheeres zur Instruktion der Truppen der Überfall auf Jugoslawien als »beachtenswerte Führungsleistung« bezeichnet wird, ist zumindest
implizit eine vorsichtige Distanzierung zu den Massakern der Wehrmacht in Kraljevo und Kragujevac festzustellen: »Völkerrechtswidrige Handlungen gegenüber Wehrmachtangehörigen führten zu nachhaltigen Repressalien, die sich gegen die schuldlose Zivilbevölkerung richteten. Allein in Kragujevac wurden am 21. Oktober 1941 etwa 7000 Personen erschossen, in Kraljevo am gleichen Tag weitere 2000 Menschen. Vom September bis Dezember 1941 wurden in Serbien angeblich 35000 Geiseln getötet. Diese Terrormaßnahmen führten den Tschetniks und den Partisanen neue Kämpfer zu« (Wiener, Partisanenkampf am Balkan, S. 88, 111).
168
rV. Massaker der Wehrmacht
an
der serbischen
Zivilbevölkerung im
Herbst 1941
Nach der Niederwerfung des Aufstandes in Serbien und dem Abgang General Böhmes wurde die Durchführung von Geiselerschießungen von der Wehrmacht an die Militärverwaltung und den SD übergeben. Die Truppe war nur noch mit der Festnahme von Geiseln beauftragt; die gefangengenommenen Geiseln wurden von nun an sofort von der Truppe an die Polizei zur weiteren Behandlung übergeben. Mit dem Eintreffen des aus Österreich stammenden Höheren SS- und Polizeiführers August Meyszner im Januar 1942 ging die Bekämpfung der politischen Gegner (Kommunisten, Juden usw.) an die Polizei über. Die beiden im Herbst 1941 zugeführten Kampfdivisionen (342. LD und 113. ID) konnten wieder abgezogen und die militärischen Besatzungskräfte auf die drei ursprünglich in Serbien stationierten Divisionen (704. LD, 714. LD und 717. LD) reduziert werden.
V. Die
Vergasung der jüdischen Frauen und Kinder aus dem Konzentrationslager Sajmiste
1. Die »Einsatzkommando mit
Abstellung des Gaswagens
Spezialwagen Saurer auf dem Landwege mit Spezialauftrag unterwegs1.«
So oder ähnlich lautete das Telegramm, welches der Befehlshaber der Sicherheitspolizei (BdS) Serbien, Dr. Emanuel Schäfer, etwa Mitte März 1942 vom Chef der Gestapo in Berlin, SS-Obergruppenführer Müller, erhielt2. Schäfer war sich »sofort darüber im klaren, daß mit diesem Spezialwagen ein Gaswagen gemeint war und damit die Juden des Lagers Semlin (Sajmiste W.M.) vergast werden sollten3.« Folgerichtig dachte er, daß sich Berlin nun auch für die Ermordung der jüdischen Frauen und Kinder entschieden habe, nachdem er schon zuvor erfahren hatte, daß im Herbst des Vorjahres die männlichen Juden von der Wehrmacht erschossen worden waren4. Er bestritt in seinem Nachkriegsprozeß allerdings, daß der Gaswagen von ihm selbst oder seiner Dienststelle angefordert worden sei. Ebensowenig sei er während seines Antrittsbesuchs bei Heydrich (Januar 1942) über den Einsatz eines Gaswagens in Serbien informiert worden5. Das Verdienst, den Gaswagen bestellt zu haben, beanspruchte Turner für sich. In einem privaten Brief an den Chef des Persönlichen Stabes von Himmler, SS-Obergruppenführer Karl Wolff, berichtete er im April 1942 voller Stolz: —
Monaten habe ich alles an Juden im hiesigen Lande Greifbare erschießen und sämtliche Judenfrauen und Kinder in einem Lager konzentrieren lassen und zugleich mit Hilfe des SD einen
»Schon
1
2
vor
Staatsanwaltschaft (StA) Hannover, 2 Js 299/60 gegen Pradel et al (im folgenden: Prozeß Pradel), Zeugenaussage Emanuel Schäfer, 2.5.1966. Über die Vergasung der Juden in Serbien sind nur wenige schriftliche Dokumente erhalten geblieben. Von den jüdischen Lagerinsassen in Semlin überlebte nur etwa ein halbes Dutzend Menschen, die inzwischen bereits verstorben sind. Bei der Darstellung des Geschehens sind wir mit Ausnahim wesentlichen me einiger überlieferter Berichte und Interviews bzw. Briefe der Überlebenden auf die Prozeßaussagen der Täter angewiesen. Trotz dieser ungünstigen Quellenlage läßt sich der Tathergang in den wesentlichsten Grundzügen zweifelsfrei rekonstruieren. Prozeß Pradel, Zeugenaussage Emanuel Schäfer, 2.5.1966. Bereits als Gestapo-Chef in Kattowitz hatte Schäfer vom Einsatz von Gaswagen zur Ermordung von geistig Behinderten gehört. Ein »Sonderkommando« unter Herbert Lange hatte von Ende 1939 bis Sommer 1940 in Heilanstalten von Pommern, Ostpreußen und Polen diese Aktion durchgeführt (Browning, Fateful Months, S. 74—77; zur Euthanasieaktion des Sonderkommandos Lange im Frühjahr und Sommer 1940 in Ostpreußen siehe Beer, Die Entwicklung der Gaswagen. Schäfer wußte, daß das Sonderkommando Lange ab Winter 1941/42 für die Ermordung von deutschen und polnischen Juden und Zigeunern in einem stationären Gaswagen im polnischen Chelmno (Kulmhof) eingesetzt war. Mit Unterbrechungen wurden bis August 1944 in Chelmno mindestens 150000, wahrscheinlich aber an die 300000 Menschen vergast (Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas, S. HOff.). Landesgericht Wien, 27e, Vr 2260/67, Verfahren gegen Herbert Andorfer (im folgenden: Prozeß Andorfer), Beiakte, Aussage Schäfer. —
—
3 4
5
170 V. Die Vergasung der jüdischen Frauen und Kinder
aus
dem
Konzentrationslager Sajmiste
>Entlausungswagen< angeschafft, der nun in etwa 14 Tagen bis 4 Wochen auch die Räumung des Lagers endgültig durchgeführt haben wird [...]6.« Ob Turner tatsächlich das von ihm als »Entlausungswagen« bezeichnete Gasauto in Berlin selbst angefordert hat, ist ungewiß. Browning hält besagten Brief für eine der typi-
schen, selbstgefälligen Übertreibungen, durch die Turner Berlin auf seine Aktivitäten aufmerksam machen wollte, zumal seine Position seit dem Eintreffen des neu bestellten Höheren SS- und Polizeiführers (HSSPF) für Serbien, August Meyszner, im Januar 1942
stark geschwächt war7. Wäre Turner wirklich Initiator der Vergasungsaktion gewesen, so hätte er dies Browning zufolge nicht nur in einem privaten Brief an Wolff, sondern auch in seinen erhalten gebliebenen offiziellen monatlichen Verwaltungsberichten nach Berlin gebührend herausgestrichen8. Shelach hingegen hält es durchaus für denkbar, daß Turner den Einsatz eines Gaswagens von Berlin angefordert hatte, um sich des leidigen »Judenproblems« und der damit verbundenen finanziellen und bürokratischen Belastungen ein für allemal zu entledigen9. Turners Behauptung im Jahre 1942, er habe den Gaswagen in Berlin angefordert, entsprang ebenso eigennützigen Motiven wie die Aussage Schäfers in dessen Nachkriegsprozeß, er habe an Berlin kein Ansuchen um die Abstellung eines Gaswagens nach Serbien gestellt. Die Tatsache, daß sich die beiden Aussagen ergänzen, beweist noch nicht ihre Richtigkeit. Dennoch gibt es Gesichtspunkte, die Turners Version unterstützen. Turner war bei der Belgrader »Judenkonferenz« im Oktober 1941 gemeinsam mit dem Gesandten Benzler am vehementesten für eine möglichst baldige Deportation der jüdischen Frauen und Kinder nach dem Osten eingetreten. Nachdem der Gesandte Benzler Anfang Dezember 1941 bei seiner Reise nach Berlin erfahren hatte, daß sich die für das Frühjahr 1942 versprochene Deportation verzögern würde, besprach er sicherlich diese neue Entwicklung bei seiner Rückkehr nach Belgrad mit Turner. Obwohl Turner in seinen Berichten und Briefen nach Berlin seine eigene Rolle bei der »Lösung der Judenfrage« in eitler Selbstüberhöhung gerne überzeichnete, indem er sich als Alleinverantwortlichen für die bisher getroffenen Judenmaßnahmen (Erschießung der männlichen Juden und Internierung der Frauen und Kinder) präsentierte, war er bis zur Ankunft Meyszners und Schäfers ohne Zweifel eine treibende Kraft bei der Verfolgung und Ermordung der Juden Serbiens. Als SS-Gruppenführer und Militärverwaltungschef war er in Judenangelegenheiten das Bindeglied zwischen der Einsatzgruppe Fuchs und dem Militärbefehlshaber. Als Verwaltungschef war Turner gemeinsam mit dem Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft schon ab Frühjahr 1941 für die »Arisierung« des jüdischen Besitzes zuständig; im Sommer 1941 erschoß das ihm unterstellte Pol. Res. Bat. 64 zur »Sühne« hunderte Juden Belgrads, und auch im Herbst 1941 assistierte das Polizeibataillon der Wehrmacht bei den »Geiselerschießungen«10. Turner war —
—
372/59, auszugsweise Abschrift eines Briefes von Turner an Wolff, Biographie August Meyszners siehe Birn, Die Höheren SS- und Polizeiführer. 8 Browning, Fateful Months, S. 77. 9 Shelach, Sajmiste An Extermination Camp in Serbia, S. 250 f. 10 Browning, Fateful Months, S. 80 f. 6
ZStL,
7
Zur
503 AR-Z
—
11.4.1942.
1. Die es
Abstellung des Gaswagens
171
auch, der General Böhme den Vorschlag unterbreitet hatte, bei »Sühnemaßnahmen«
auf Juden und Roma zurückzugreifen, Turner veranlaßte die Internierung der männlichen Juden und anschließend die der Frauen und Kinder; und schließlich trug er auch für Aufbau und Finanzierung des KZ Sajmiste die Verantwortung. Bei der Judenverfolgung stand Turner ständig an vorderster Front, immer darauf bedacht, durch die Betonung seiner Eigeninitiative seine Position bei den Zentralstellen in Berlin zu festigen. Es ist daher wahrscheinlich, daß Turner auch bei der rascheren »Lösung der Judenfrage« aktiv wurde, als er von der zu erwartenden Verzögerung der Deportation der jüdischen KZ-Insassen nach dem Osten erfahren hatte. Eine Beschleunigung stand nicht in seinem Einflußbereich; ebenso war es ihm nicht möglich, eine Vernichtung der jüdischen Frauen und Kinder unter dem bisher angewandten militärischen Vorwand von »Sühneerschiezu bedurfte es sowohl eines anderen Vorwandes als auch Dazu ßungen« legitimieren. einer neuen technischen Dösung. Seit Herbst 1941 hatte der Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, gemeinsam mit Heydrich eine neue Technik zum »Verschwinden« der Juden entwickeln lassen, die für die Situation in Serbien wo die jüdischen Frauen und Kinder von der Wehrmacht weder erschossen noch in absehbarer Zeit deportiert werden konnten maßgeschneidert erschien: die Vernichtung im Gaswagen. Der Gaswagen, in den zeitgenössischen Dokumenten zur Tarnung als Sonderwagen, Spezialwagen, S-Wagen, Sonderfahrzeug oder als Entlausungswagen (Turner) bezeichnet, war die Weiterentwicklung einer bereits bei der Ermordung geistig und körperlich behinderter Menschen (der sogenannten Euthanasie) angewendeten Tötungsmethode. Zu Beginn des Gaswageneinsatzes, im Herbst 1939, wurden Kohlenmonoxidflaschen in die Euthanasieanstalten gebracht und das Gas in die als Dusch- oder Inhalationsräume getarnten Vergasungskammern geleitet, in denen sich bereits die Opfer befanden. Schon Ende 1939 wurde vom Sonderkommando Lange der erste mobile Gaswagen eingesetzt: zuerst
—
—
»Für den senes
Abtransport der Kranken führte das Sonderkommando [...] ein großes, hermetisch abgeschlosFahrzeug in der Art eines Möbelwagens mit sich, vor das eine Zugmaschine (ein Sattelschlepper)
gespannt
war
und das
an
beiden Seiten die Aufschrift >Kaisers-Kaffee-Geschäft
Gaswagen< zu liquidieren, welche laut seinen Anweisungen in Deutschland angefertigt worden seien15.« Polizei und SD hatten bei der Entwicklung des Gaswagens ab Sommer 1941 eng miteinander kooperiert und den Einsatz der Gaswagen ab Dezember 1941 gemeinsam geleitet16. Möglicherweise hatte sich Turner, nachdem er über Benzler von der Verzögerung der Deportationen der serbischen Juden erfahren hatte, noch vor der Ankunft Meyszners und Schäfers (also noch im Dezember 1941 oder Januar 1942) direkt an Himmler gewandt und auf eine raschere »Lösung der Judenfrage« gedrängt. Wahrscheinlicher hingegen ist, daß Turner die Lage mit dem Chef der Einsatzgruppe, Wilhelm Fuchs, der unmittelbar für die Verwaltung und Bewachung des KZ Sajmiste verantwortlich war besprach. Vielleicht wußte Fuchs bereits, daß die Chefs der Einsatzgruppen in der Sowjetunion zur Ermordung von Juden gerade mit dem neusten Tötungsgerät ausgestattet wurden17, Im
—
—
—
—
13
Beer, Die
Entwicklung der Gaswagen,
S. 409.
Massentötungen durch Giftgas, S. 83 f. 15 21.12.1945 (zit. nach: Krausnick/Wilhelm, Die Truppe des WeltanschauungskrieAussage Jeckeln, ges, S. 548). 14
Nationalsozialistische
16
Der Chef des Persönlichen Stabes des Reichsführers SS, Karl Wolff, führte ab 1940 einen ausgedehnten Briefwechsel mit dem Sonderkommando Lange über ausstehende Zahlungen für den Einsatz des »Kaisers-Kaffee-Wagens«. Nebe, Leiter der Abteilung V im RSHA, hatte Heydrich den Vorschlag zur Entwicklung eines mobilen Gasautos im Herbst 1941 unterbreitet (Beer, Die Entwicklung der
17
Gaswagen, S.408f.).
Während die unteren Dienstgrade bei den
Gaswageneinsätzen zur strengsten Verschwiegenheit ver-
1. Die
Abstellung des Gaswagens
173
und forderte daher in Absprache mit Turner vom RSHA auch für Serbien einen Gaswagen an. Die Vorstellung eines solchen Ablaufes gewinnt durch die Bemerkung Turners an Plausibilität, er habe »mit Hilfe des SD (gemeint ist der Einsatzgruppenchef Fuchs
W.M.)
einen
Entlausungswagen angeschafft18.«
Im Januar 1942 wurde Fuchs zur Einsatzgruppe A versetzt, deren Führung er 1943 für einige Monate übernahm19. Turner wurde durch die Einsetzung des HSSPF Meyszner auch in »Judenangelegenheiten« weitgehend entmachtet. Dem schon erwähnten Brief
—
Wolff zufolge, war die endgültige »Räumung des Lagers [...] seit Eintreffen von Meysund Übergabe dieser Lagerdinge an ihn, von ihm weitergeführt worden20.« In seiner Vernehmung vor dem jugoslawischen Militärgericht bestritt Meyszner, für das Schicksal der Juden im KZ Sajmiste direkte Verantwortung zu tragen. Er behauptete, daß »für die Behandlung der Juden [...] der BdS (Schäfer) unmittelbare Anordnungen aus Berlin (erhielt). an
ner
Der BdS berichtete mir in großen Zügen über alle erteilten Anordnungen, so daß ich unterrichtet war, wie man mit den Juden verfahren müsse. [...] Diese Juden betreute der BdS, der in dieser Angelegenheit unmittelbar Berlin unterstand. Mich interessierte nicht die Judenfrage, denn damit hatte sich selbständig der BdS zu befassen. [...] Schäfer machte mich in seinen Berichten mit den Maßnahmen bekannt, die gegen die Juden unternommen wurden. [...] Es ist mir bekannt, daß mir Schäfer, ich glaube im Jahre 1942, meldete, daß aus Berlin in Sajmiste ein Kommando mit einem Gaskraftwagen angekommen sei und die Aufgabe hätte, ausschließlich Juden zu vergasen. Das Auto stand zwei Monate oder so etwas in Verwendung und in ihm wurden Juden dem Erstickungstod zugeführt. Ich weiß ganz bestimmt, daß in diesem Kraftwagen keine anderen Menschen als Juden erstickt wurden. Schäfer und das genannte Spezialkommando hatte den strikten Auftrag ausschließlich Juden im Kraftwagen umzubringen. Als der Kraftwagen mit der Vergasungskammer Sajmiste verließ, gab es da keine Juden mehr, denn alle waren auf diese Weise liquidiert worden21.«
Diese Darstellung Meyszners vermittelt stark den Eindruck einer Schutzbehauptung, doch dürfte sie in den wesentlichsten Punkten stimmen. Turners Bemerkung, daß die
pflichtet wurden, hatten sich die Judenvergasungsaktionen mittels »Entlausungswagen« unter den SS-Spitzen rasch herumgesprochen. So wußte der Chef des Persönlichen Stabes Himmlers, Karl Wolff, offensichtlich genau, was Turner meinte, als dieser ihm im April 1942 verschlüsselt schrieb, er habe für Serbien einen »Entlausungswagen« angeschafft, mit Hilfe dessen die »Räumung des Lagers« von Juden bald abgeschlossen sein würde. 18 Wie sich weiter aus dem Brief Turners sinngemäß ergibt, hatten er und Fuchs den Gaswagen höchstwahrscheinlich vor dem 15.1.1942 in Berlin angefordert. Turner wollte mit dem Schreiben an Wolff die Beantwortung eines Briefes, den er am 15.1.1942 an Himmler geschrieben hatte, erreichen. Dieser Brief Turners an Himmler ist nicht erhalten geblieben. Aus dem Brief an Wolff kann man aber indirekt schließen, daß Turner sich darin mit der Frage beschäftigte, was nach der geplanten Rückkehr der kriegsgefangenen serbischen Offiziere nach Serbien mit den Juden unter ihnen geschehen solle, wenn diese »nolens volens hinter die nicht mehr vorhandenen Angehörigen kommen«, was »immerhin leicht zu Komplikationen führen« könne. Somit dürfte schon am 15.1.1942 die Vergamit dem Ersuchen um Gestellung eines Gassung der jüdischen Frauen und Kinder geplant und wagens auch bereits eingeleitet worden sein. Turner hatte offensichtlich die jüdischen Frauen und Kinder im KZ Sajmiste schon im Januar 1942 gedanklich »erledigt« und stellte bereits Überlegungen hinsichtlich künftiger Probleme an. Krausnick/Wilhelm, Die Truppe des Weltanschauungskrieges, S. 644. Brief Turners an Wolff, 11.4.1942. BA, All.Proz. 6, Dok. 1435, Vernehmung Meyszner, 4.9.1946. —
—
19
20 21
174 V. Die
Vergasung der jüdischen
Frauen und Kinder
aus
dem
Konzentrationslager Sajmiste
Aufgaben der Polizeiverwaltung und damit auch die Verantwortung für die Judenangelegenheiten von ihm an Meyszner übergeben worden waren, ist bezüglich der formalen Befehlsstruktur richtig. In der Realität koordinierte Meyszner als Verantwortlicher aber nur die Maßnahmen der ihm untergeordneten Stellen des BdS Schäfer und des Befehlshabers der Ordnungspolizei (BdO) May, die ansonsten autonom nach den Befehlen ihrer jeweils vorgesetzten Dienststellen in Berlin (BdS RSHA, BdO Chef der Ordnungspolizei) handelten. Schäfer, der bei seinem Nachkriegsprozeß in der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit (und allen Grund!) gehabt hätte, die Verantwortung für die Vergasungsaktion auf Meyszner abzuschieben, bestätigte dessen Ausführungen: —
—
»Ich empfing meine Befehle unmittelbar vom RSHA in Berlin, und zwar jeweils von den zuständigen Abteilungen. Andererseits hatte ich die Pflicht, dem HSSPF von allen wichtigen Berichten, die ich nach Berlin schickte, Abschriften zu übermitteln und ihm täglich Bericht über die Lage zu erstatten. Ich war jedoch dem HSSPF weder befehlsmäßig noch disziplinarisch unterstellt, sondern unterstand unmittelbar wie bereits gesagt dem Chef der Sipo und des SD in Berlin (Dr. Kaltenbrunner und vorher Heydrich). Damit kommt zum Ausdruck, daß ich in Belgrad eine selbständige Dienststelle —
—
hatte22.«
Er, Schäfer, habe Meyszner über die Ankunft des Gaswagens informiert und sich wegen
des weiteren Vorgehens auch persönlich an den HSSPF gewandt, sei aber von diesem »mit dem Bemerken >Führerbefehl< kurz abgefertigt«23 worden. Wenige Tage nach dem fernschriftlichen Aviso aus Berlin traf der Saurer-Gaswagen mit den beiden Fahrern, den SS-Scharführern Götz und Meyer, in Belgrad ein. »Die Juden waren eine große Belastung für uns. Das Lager lag auf kroatischem Hoheitsgebiet; die Verpflegung erfolgte durch den Polizeipräsidenten von Belgrad; die Bewachung erfolgte durch deutsche
Schutzpolizei24.«
eine wahrlich lästige Angelegenheit für Schäfers Dienststelle. Da eine Deportation der Juden nach Rumänien unmöglich war, dürfte Schäfer nicht unglücklich gewesen sein, als ihm der für den Einsatz der Gaswagen zuständige Sturmbannführer Friedrich Pradel (Referat »Kraftfahrwesen der Sicherheitspolizei« im RSHA) einen Saurer-Gaswagen mit zwei Mann Bedienungspersonal nach Belgrad schickte, um das leidige Judenproblem auf diese Weise zu erledigen25. Schäfer benachrichtigte den HSSPF Meyszner von seiner neuen Aufgabe, rief seinen Gestapo-Chef, Sturmbannführer Bruno Sattler, zu sich und beauftragte ihn, bis zum Eintreffen des Gaswagens alle Vorbereitungen für den reibungslosen Ablauf der Aktion zu treffen. Als die beiden »Bedienungsexperten«, Götz und Meyer, mit ihrem Fahrzeug in Belgrad eintrafen, meldeten sie sich beim BdS Schäfer, der sie an den Gestapo-Leiter verwies. Sattler hatte mittlerweile gute Arbeit geleistet und die vorbereitenden Maßnahmen bereits abgeschlossen: Die Organisation der Aktion hatte er dem KZ-Kommandanten von Sajmiste, dem österreichischen Untersturmführer Herbert Andorfer übertragen. —
Vernehmung Schäfer, 16.1.1952. Jugoslawien, Bd33, Urteil gegen Schäfer, S. 64. 24 Staatsanwaltschaft (StA) Stuttgart, 15 Js 85/67, Verfahren gegen Edgar Enge, Zeugenaussage Ema22
Prozeß Andorfer, Beiakte,
23
BA,
70
nuel Schäfer, 28.6.1967.
25
Im
»Gaswagenprozeß« (Prozeß Pradel) gab Pradel zu, einen Gaswagen nach Serbien geschickt zu haben.
2. »SS-Untersturmführer Herbert Andorfer
Arbeitsgebiet: Abteilung III,
ohne besondere
Aufgaben«
aus Linz stammende Herbert Andorfer war erst vor kurzem in Serbien eingetroffen26. Nach seiner Tätigkeit bei der Abteilung III (Nachrichtendienst Inland) in Innsbruck und Salzburg, gelangte er nach dem Überfall auf Jugoslawien als Angehöriger des SS-Führungsstabes der Einsatzgruppe Fuchs nach Zagreb. In seinem SS-Personalbogen wurde Andorfer von seinen Vorgesetzten folgendermaßen beschrieben:
Der
»A.(ndorfer) besitzt einen einwandfreien Charakter. Er ist zuverlässig, aufrichtig, treu und kameradschaftlich. Seine Grundeinstellung und Haltung liegt auf der Linie der ns. Weltanschauung. Eine geistige Aufgeschlossenheit und Regsamkeit ist bei ihm zufriedenstellend vorhanden. Bei Erfüllung seiner Dienstobliegenheiten und auch in seinem privaten Leben zeigt A. eine betonte Selbständigkeit und viel
eigene Initiative27.«
Andorfer erwies sich auch für die Aufgaben in Jugoslawien als »unbeschränkt verwendbar«. Im Sommer 1941 bewährte er sich beim Einsatz gegen Partisanen in der Nähe von Marburg (Maribor) und avancierte zum SS-Untersturmführer, ehe er am 29. Oktober 1941 zum Befehlshaber der Sipo nach Belgrad abkommandiert wurde28. Sein erster Auftrag führte Andorfer ins Lager Sabac. Nach der Niederschlagung des bewaffneten Aufstandes im Herbst 1941 war eine relative große Zahl von Partisanen und Cetniks gefangengenommen und ins KZ Sabac eingewiesen worden. Bei seiner Ankunft befanden sich noch etwa 12000 Personen, in der Mehrzahl Partisanen und Cetniks, in diesem Lager29. Nach General Böhmes »Strafaktion« waren die Besatzungsbehörden bestrebt, die politische Identität der Gefangenen rasch zu überprüfen, die »harmlosen« Zivilisten auszusondern und nach Hause zu schicken, die Partisanen und Cetniks jedoch zur Zwangsarbeit in die serbischen Bergwerke zu verschicken oder zu erschießen. Nach eigenen Angaben war Andorfer mit der politischen Überprüfung der Cetnik-Gefangenen beauftragt30. Die Evakuierung des Lagers begann Anfang Dezember 1941 und war Mitte Januar 1942 mit der Erschießung von etwa 500 Partisanen großteils abgeschlossen31. Damit endete Andorfers Einsatz in §abac: »Nach Erledigung dieser Aufgabe [...] kamen wir wieder nach Belgrad zurück und waren sozusagen arbeitslos32.«
Andorfer blieb nicht lange arbeitslos. In Belgrad meldete er sich bei seiner Dienststelle, der Abteilung III (Nachrichtendienst Inland). Als Chef dieser Abteilung fungierte ein Landsmann Andorfers, der aus Villach stammende SS-Sturmbannführer Hans Rexeisen. 26
27
28 29 30 31 32
Die Angaben über den Werdegang Andorfers sind, wenn nicht anders angegeben, seinem Prozeßurteil entnommen (ZStL, 503 AR 2656/67, Urteil gegen Herbert Andorfer). BA, R 58/841, Personalbogen des hauptamtlichen Angehörigen des SD, Herbert Andorfer, Beurteilung des SS-Sturmbannführer Dr. v. Gelb, SD-Abschnitt Innsbruck, 23.8.1939. Ebd., SS-Personalbogen Andorfer. Glisic, Concentration Camps in Serbia (1941—1944), S. 710. Prozeß Andorfer, Verhörprotokoll Andorfer, 30.8.1967. Ebd.
Ebd., Vernehmungsprotokoll
30.8.1967.
176 V. Die
Vergasung der jüdischen
Frauen und Kinder
aus
dem
Konzentrationslager Sajmiste
Zuge der Umorganisierung der »Einsatzgruppe Fuchs« zu einer Dienststelle der Sicherheitspolizei (um die Jahreswende 1941/42) war auch er von Kroatien nach Belgrad ver-
Im
worden. Im Unterschied zu den übrigen Abteilungen der nunmehr von ca. 100 auf etwa 400 Mann gewachsenen Belgrader Dienstelle des Befehlshabers der Sicherheitspolizei33 waren in der Abteilung III »keine Beamten tätig, sondern ausschließlich Leute von der Partei, ausgesprochene Partei- und SS-Angestellte34.« Rexeisen war ein alter SD-Aktivist. Seit 1933 Illegaler, wurde er 1935 mit der Organisierung des SD in Villach betraut, wechselte Ende 1938 zum SD Klagenfurt, ehe er im Frühjahr 1941 zur »Einsatzgruppe Fuchs« nach Kroatien kam35. Rexeisen fand schnell eine passende Aufgabe für Andorfer. Im gerade errichteten KZ Sajmiste war noch der Posten des Kommandanten vakant: »Während dieser Zeit trat Rexeisen an mich heran und meinte, es sei ihm bekannt, daß ich nicht gerne Schreibtischarbeit leiste, weshalb er für mich eine andere Beschäftigung wüßte. [...] Wann ich dann tatsächlich die Lagerverwaltung übernahm, weiß ich heute nicht mehr genau. Wenn Schäfer anfangs Jänner (1942) BdS in Belgrad wurde, so muß ich die Lagerverwaltung Ende Jänner, anfangs Februar
setzt
(1942) übernommen haben. Auch als Lagerverwalter gehörte ich nicht zur Abteilung IV, sondern war bloß abgestellt. Ich stand mit den Leuten der Abt. IV überhaupt nicht in Verbindung. Mein Abteilungsleiter blieb vielmehr weiterhin Rexeisen36.« Auf die Zuständigkeit der Gestapo (Abt. TV) für »Judenangelegenheiten« angesprochen, meinte Andorfer:
»Ich weiß heute noch nicht, warum gerade ich das Amt eines Lagerverwalters übertragen erhielt, zumal ja Judenangelegenheiten vom Referat IV bearbeitet wurden. Wie ich schon erwähnt habe, gab es im
Referat III nicht allzu viel Arbeit und muß dies auch Rexeisen bestätigen können. Ich kann mir meine Heranziehung als Lagerverwalter nur so erklären, daß Schäfer von unserem geringen Arbeitsanfall wußte und mich eben mit dieser Aufgabe betraute. [...] Es kann auch sein, daß die Wahl deshalb auf mich fiel, weil Schäfer meinen Zivilberuf als Hotelfachmann kannte und die Meinung vertreten haben mag, daß ich der geeignete Mann zur Bewältigung derartiger Verwaltungsaufgaben sei37.«
33 34
Prozeß Andorfer, Beiakte, Vernehmungsprotokoll Schäfer, 25.1.1952. ZStL, AR 1256/61, Bd 2, Zeugenaussage von Ernst Werner M., ehemaliger Adjutant des BdS Schä-
fer,
16.2.1952.
BDC-Akt Hans Rexeisen. 36 Prozeß Andorfer, Vernehmungsprotokoll, 30.8.1967. Die Frage, ob Andorfer in Belgrad dem Judenreferat der Gestapo (Abteilung IV) angehörte oder nur für die Dauer seiner Funktion zum Judenreferat abgestellt war, tauchte im Prozeß immer wieder auf, konnte aber wegen der widersprüchlichen Zeugenaussagen letztlich nicht geklärt werden. 37 Prozeß Andorfer, Vernehmungsprotokoll 27.9.1967. Als Prozeßzeugen wollten sich weder Schäfer noch Rexeisen an Andorfer erinnern. Rexeisen meinte auf die Frage, ob er es für möglich hielte, daß ein Angehöriger seines Referates als KZ-Kommandant eingesetzt worden sei: »Ich kann allerdings nicht ausschließen, daß Angehörige des Referates III auch für Aufgaben herangezogen wurden, die an sich in die Kompetenz eines anderen Referates gefallen wären. Es darf ja nicht übersehen werden, daß die Dienststelle in Belgrad verhältnismäßig klein war und sozusagen alle dem Leiter (Schäfer) unmittelbar unterstanden sind. Wenn es irgendwelche Einsätze gab, wie beispielsweise Absperrungen und dergleichen, und das Personal nicht ausreichte, wurden eben alle Dienststellenangehöri-
35
gen
herangezogen« (Prozeß Andorfer, Zeugenaussage Rexeisen, 27.9.1967).
2. SS-Untersturmführer Herbert Andorfer
Ende
177
übernahm Andorfer das Kommando im KZ Sajmiste. Er löste den rangniedrigeren bisherigen Lagerleiter, Scharführer Edgar Enge ab, der ihm nunmehr als Adjutant beigeben wurde. Die Leitung des KZ war relativ einfach. Die etwa 500 jüdischen Männer administrierten das Lager in »Selbstverwaltung«. Ihnen oblag die Nah-
Januar
1942
rungsmittelverteilung, die Arbeitseinteilung und die Organisierung eines jüdischen Wachdienstes, der entlang der Stacheldrahtumzäunung des Lagers patroullierte38. Von außen wurde das Lager turnusmäßig von jeweils 25 Angehörigen des Pol. Res. Bat. 64 bewacht. Andorfer hatte nur wenig zu tun:
»Die eigentliche Lagerverwaltung stellten die Lagerinsassen selbst. Es gab einen männlichen und einen weiblichen Lagerverwalter und Verwaltungspersonal von etwa 30 Leuten, die in der Lagerverwaltung als Bürokräfte tätig waren. [...] Das Lager selbst war mit Stacheldraht umgeben und wurde von Polizisten bewacht. Die Wachmannschaft befand sich außerhalb der Umzäunung und hatte am eigentlichen Lagergelände nichts zu tun. Leute vom BdS hielten sich im Lager auch nicht auf. Es gab kein eigentliches Lagerpersonal von deutscher Seite. Meine Aufgabe bestand eigentlich nur darin, daß mir von der jüdischen Lagerverwaltung Bitten und Beschwerden vorgetragen wurden und daß ich vor der Durchführung von Verbesserungen und Einrichtungen gefragt werden mußte. So wurde beispielsweise einmal eine Duschanstalt installiert, dann wurde ein kleines Lazarett eingerichtet und schließlich wurden auch Verbesserungen in der Küchenhalle vorgenommen. Für diese Verbesserungen wurde von außen
her kein Material geliefert, sondern wurde eben aus leeren Lagerhallen ausgebaut, was benötigt worden ist. Um Verpflegung oder sonstigen Nachschub hatte ich mich eigentlich nicht zu kümmern39. Da es noch vor Beginn der (Vergasungs-)Aktion ziemlich kalt war und das Brennholz knapp wurde, habe ich einmal über Ersuchen der jüdischen Lagerleitung für eine Brennholzlieferung Sorge getragen. Der Transport kam am Wasserweg und die Schiffe wurden von den Lagerinsassen entladen. Die Arbeit besorgten zum Großteil junge Frauen, zumal es verhältnismäßig wenige männliche Lagerinsassen gab40.«
Andorfer übernachtete in seinem Belgrader Quartier. Jeden Morgen erstattete er in seiner Belgrader Dienststelle eine Meldung über die Zustände im Lager41. Anschließend fuhr er ins KZ und ließ sich von der jüdischen Lagerverwaltung über den neuesten Stand berichten. Nach Andorfers Aussage entstand zwischen ihm und den jüdischen Verwaltungshäftlingen rasch ein persönliches Verhältnis: Er trank mit ihnen Kaffee, spielte Karten und erklärte den Lagerinsassen, sie würden bald nach Rumänien weitertransportiert werden42. Vermutlich in der ersten Märzwoche 1942 wurde Andorfer in seine Dienststelle
Browning, Fateful Months, S. 71. Diese Aussage ist nur insofern richtig, als die Feldkommandantur Belgrad die Nahrungsmittelmenge festlegte und die Belgrader Stadtverwaltung anwies, die festgelegte Menge ins Lager zu liefern. Andorfer mußte die Ankunft der Nahrungsmittel nur bestätigen. Da die gelieferten Lebensmittel (die aus dem geraubten Judenvermögen bezahlt wurden) bei weitem nicht ausreichten, um das Überleben der Lagerinsassen zu garantieren, wäre es Andorfers Aufgabe gewesen, bei den zuständigen Stellen zu intervenieren. Während Andorfers Vorgänger als Lagerkommandant (Edgar Enge) mehrmals um eine höhere Zulieferung angesucht hatte, findet sich in den Akten kein Hinweis auf entsprechende Aktivitäten Andorfers. 40 Prozeß Andorfer, Vernehmungsprotokoll vom 30.8.1967. 41 BA, 70 Jugoslawien, Bd 33, Anklageschrift gegen den BdS Schäfer, S. 29. 42 Browning, Fateful Months, S. 79 f. Wenn auch in beschönigender Form, so dürften diese Aussagen Andorfers zumindest tendenziell der Wahrheit nahekommen. Sie bestätigen die plausible Annah38
39
me, daß Andorfer in den Wochen vor dem Eintreffen des Gaswagens nicht über das weitere Schicksal der Lagerinsassen informiert war.
178 V. Die
Vergasung der jüdischen Frauen und Kinder aus dem Konzentrationslager Sajmiste
bestellt. Dort erhielt er die Information, demnächst werde ein »Spezialfahrzeug« aus Berlin eintreffen, in dem die Juden des Lagers »eingeschläfert« werden sollten43. Unmittelbar darauf entließ man die 292 internierten Roma-Frauen und -Kinder aus dem Lager. Andorfer entwarf
bungslosen
einen ebenso einfachen wie teuflischen Plan, Ablauf der Vergasungen zu garantieren:
nun
um
einen
möglichst rei-
»Ich habe vor Beginn der Aktion neue Anschläge im Lager anbringen lassen und die Insassen darauf aufmerksam gemacht, daß die Umsiedlung nicht nach dem Osten, sondern vorläufig als Zwischenstation auf jugoslawischem Gebiet durchgeführt werde44.«
Gefangenen wollten aber genauere Details über das neue Lager wissen. Um die ständige Fragerei der Insassen zu beenden, entwarf Andorfer auch noch eine fiktive Lagerordnung für das neue Lager und hängte sie im KZ auf45. Um ja keine Zweifel aufkommen zu lassen, gab er die Weisung, die Häftlinge könnten ihr Gepäck mitnehmen; außerdem solle jeder Transport von einem jüdischen Arzt und einer Krankenschwester begleitet werden. In ihrer Unwissenheit nahmen die Häftlinge an, daß jede örtliche Veränderung nur eine Verbesserung gegenüber den grauenhaften Zuständen im KZ Sajmiste bringen könnte und meldeten sich in Scharen freiwillig zur vermeintlichen Umsiedlung. AndorDie
fer war nicht einmal gezwungen, die Todeskandidaten für die einzelnen Transporte zusammenzustellen: »Ich glaube mich erinnern zu können, daß die jüdische Lagerleitung im einzelnen bestimmt hat, wer an welchen Tagen abtransportiert werden würde46.« Zwischen Anfang März und Anfang Mai 1942 fuhren, mit Ausnahme der Sonntage, jeden Morgen zwei Lastwagen von Belgrad zum KZ Sajmiste. Der kleinere der beiden Wagen fuhr in das Lager hinein und blieb vor dem Gebäude des Kommandanten stehen. Dort warteten schon jene Häftlinge, die sich am vorherigen Abend freiwillig zur »Umsiedlung« gemeldet hatten. Andorfer gab den Wartenden den Rat, »nur die wertvollsten Sachen mitzunehmen. Diesen Rat gab er in freundlicher Weise, mit der Begründung, sie würden zur Arbeit in ein anderes, besseres sein werde, sogar sehr gut47.« 43 44
45
46 47
Ebd., S. 79. Prozeß Andorfer, Vernehmungsprotokoll
Lager gebracht werden, wo die Verpflegung gut
vom
5.7.1967.
Bei seiner Vernehmung schützte Andorfer menschliche Motive für dieses Täuschungsmanöver vor: »Ich hatte keineswegs den Befehl, die Insassen des Lagers wegen des bevorstehenden Abtransportes in Irrtum zu führen. Ich habe den von mir bereits einmal erwähnten Anschlag nur deshalb angebracht, um die Menschen nicht unnötig leiden zu lassen. Ich wollte sie vor der Todesangst bewahren. Auch dann, wenn ich das Plakat nicht angebracht hätte, wäre nichts geändert worden. Ich glaube nicht, daß den Lagerinsassen eine Massenflucht gelungen wäre« (Prozeß Andorfer, Vernehmungsprotokoll vom 27.9.1967). Das Gericht akzepierte Andorfers Begründung und beurteilte sie als entlastendes Indiz: Das Gericht ist »deshalb nicht zu der sicheren Überzeugung gelangt, daß der Angeklagte die Täuschung der Lagerinsassen bezwecken oder vertiefen wollte, bzw. diesen Erfolg auch nur billigend in Kauf genommen hat« (ZStL, 503 AR 2656/67, Urteil gegen Andorfer, S. 20). In einem Brief an den Autor bestreitet Andorfer, jemals Anschläge oder eine fiktive Lagerordnung im KZ angebracht zu haben (Brief Andorfer an den Autor, 5.8.1993).
Prozeß Andorfer,
Vernehmungsprotokoll vom 27.9.1967 Zeugenaussage Hedwig Schönfein, zit. nach: Vecernje Novosti,
15.5.1967.
179
2. SS-Untersturmführer Herbert Andorfer
die
Gruppe ihr Gepäck in dem Fahrzeug und ging dann ahnungslos zu dem grau gestrichenen Saurer-Lastwagen, der vor dem Lagereingang auf sie wartete. Einer der beiden Gaswagenfahrer verteilte vor dem Einladen Süßigkeiten an die Kinder, so daß diese sich immer um das Gasauto sammelten und die Verladung rasch vor sich ging. Im etwa 10 m2 großen Innenraum waren der Breite nach etwa zehn Bänke aufgestellt, auf denen die jeweils etwa 50—80 Gefangenen Platz nahmen48. Dann wurde die hintere Flügeltür des Wagens geschlossen. Das Gasauto setzte sich in Richtung Save-Brücke in Bewegung. Dahinter folgten der offene Gepäckwagen und der Wagen Andorfers. Als der FahrNun
verstaute
zeugkonvoi an der Brücke angelangt war, mußte Andorfer an der kroatischen Grenzstelle Sonderpapiere vorzeigen, welche die kroatischen und deutschen Grenzbeamten anwiesen, den geschlossenen Lastkraftwagen ungehindert und unkontrolliert passieren zu lassen. Auf der serbischen Seite angelangt, bog der Gepäckwagen ab und lieferte die Habseder im ligkeiten Opfer Belgrader Depot der Nationalsozialistischen Volksfürsorge ab.
Der Gaswagen hielt kurz an, und einer der beiden Fahrer drehte einen Hebel um, wodurch nunmehr die Abgase in das Wageninnere geleitet wurden. Während der nun folgenden Fahrt quer durch Belgrad zum Zielort Avala, ca. 15 km südöstlich der serbischen Hauptstadt, wurden die Juden im Auto vergast. Andorfer folgte mit seinem Dienstwagen direkt dem Mordfahrzeug. Als der Gaswagen auf dem Schießplatz Avala (der schon im Herbst 1941 als Exekutionsort für Geiseln verwendet worden war) eintraf, hatte ein Häftlingskommando bereits Gruben für die im Auto vergasten Juden ausgehoben: »Ich schaufelte die Gruben für die Vergasten. Wir selbst mußten nur die Gruben ausheben, eine andere Gruppe von Häftlingen, die täglich von den Deutschen mitgebracht wurde, mußte danach die Gruben wieder zuschütten. [...] Aus der Entfernung sah ich ein kleines Auto kommen, in dem ein deutscher Offizier saß. Dann kam ein großer, verschlossener Wagen aus dem dicker Rauch herausquoll. [...] Ich —
—
habe diese Gräber für die erstickten Juden zwei Monate lang zwischen März und Mai 1942 ausgehoben. Wenn unsere deutschen Wächter sahen, daß der Konvoi eintraf, trieben sie uns weg und es wurde uns verboten hinzusehen. [...] In dieser Zeit grub ich 81 oder 82 Massengräber, in denen jeweils etwa 100 Ermordete Platz fanden49.«
Eine anderes Häftlingskommando mußte die Toten ausladen und anschließend die Gruben wieder zuschütten50. Täglich wurden diese Häftlingsgruppen von dem Angehörigen des Pol. Res. Bat. 64, Karl W, der schon an der Erschießung der männlichen Juden im Herbst 1941 beteiligt gewesen war51, und drei seiner Bataillonskameraden an den Ort des Grauens gebracht: 48
ZStL, AR 1256/61, Zeugenaussage
von
Hedwig Schönfein.
Aussage des »Grubenhäftlings« Militinovic vom Dezember 1944 (zit. nach Shelach, Sajmiste An Extermination Camp in Serbia, S. 252 [übersetzt ins Deutsche]). 50 Die Gaswagenexperten im RSHA waren zu dem Schluß gekommen, daß das Ausladen der Vergasten durch eigenes Polizeipersonal ungünstige Konsequenzen hatte. So schrieb Dr. Becker, Chefchemiker im RSHA, bei der Euthanasieaktion: »Die Kommandeure der betreffenden S. K. (Sicherheitskommandos) habe ich darauf aufmerksam gemacht, welch ungeheure seelische und gesundheitliche 49
—
51
Schäden diese Arbeit auf die Männer, wenn auch nicht sofort, so doch später haben kann. Die Männer beklagten sich bei mir über Kopfschmerzen, die nach jeder Ausladung auftreten« (Prozeß Andorfer, Beiakte Bd 3, Brief Beckers an Rauff, 16.5.1942). Ebd., Beiakte Bd2, Zeugenvernehmung Karl W, 24.11.1964.
180 V. Die
Vergasung der jüdischen
Frauen und Kinder
aus
dem
Konzentrationslager Sajmiste
»Etwa Anfang 1942 [...] mußte ich mich auf Anweisung meiner Kompanie beim Batl.-Kdr. Josten melden. Dieser erklärte mir, daß ich mich mit einigen Leuten beim SD in Belgrad zu melden hätte. Da das zum SD abgestellte Kommando aus vier Leuten zu bestehen hatte, suchte ich mir den schweren MG-Zug-Angehörigen Paul Seh. und die Kompanieangehörigen Leo L. und Karl L. aus und ging mit ihnen zum SD, wo ich mich auf der Dienststelle des damaligen SS-Obersturmführers Andorfer meldete. Dieser gab mir den Auftrag, mich am nächsten Morgen zu einem festgesetzten Zeitpunkt mit meinen Leuten im Gefängnis von Belgrad einzufinden. Hier hätte ich ein Arbeitskommando von Strafgefangenen zu übernehmen und mit diesen zum Schießplatz Avala zu fahren. Nähere Instruktionen gab er mir nicht. Am folgenden Morgen begab ich mich mit den vorgenannten Kompanieangehörigen zum Gefängnis, übernahm dort ein Arbeitskommando in Stärke von sieben Strafgefangenen und fuhr mit einem LKW des SD zum Schießplatz. Kurz darauf traf auch SS-Obersturmführer Andorfer mit einem PKW ein. Als ein Gaswagen eintraf, daß es sich um einen solchen handelte, erfuhr ich durch die Erklärungen des Andorfer, gab A.(ndorfer) mir genaue Anweisungen bzgl. meiner Aufgaben. Andorfer erklärte mir, daß es sich bei der Fracht des Lastwagens um Juden aus dem Lager Semlin handele, die vergast worden seien. Dieser Wagen war inzwischen in die Nähe von bereits ausgehobenen Gruben gefahren. Andorfer ging mit mir zu dieser Stelle hin. Ich erhielt nun von Andorfer den Auftrag, mit meinen Leuten dafür Sorge zu tragen, daß niemand des 7köpfigen Arbeitskommandos während der Bestattung der vergasten Juden flüchten konnte. Nun erfolgte die Entladung des Wagens, die etwa eine halbe Stunde dauerte. Während dieser Zeit verblieb Andorfer bei uns. Ich hatte einen meiner Leute in einer Entfernung von etwa 50-60 Metern auf dem Anfahrtweg zur Begräbnisstätte postiert, damit unsere Tätigkeit nicht durch Unbefugte gestört wurde. Wir drei führten dann die Bewachung des Arbeitskommandos durch. [...] Mit der Ladung dieses Lastwagens wurde eine Grube bis zum Rande gefüllt [...]. Die ausgehobene Grube war meiner Meinung nach etwa 5 Meter lang, 2 Meter breit und auch etwa 2 Meter tief. Diese Fahrten des Gaswagens erfolgten täglich, wobei es auch häufig vorkam, daß der Wagen zweimal am Tag eingesetzt wurde. [...] Ich möchte sagen, daß ich mir damals über das Unrecht, das der SD gemacht hat, keine Gedanken gemacht habe, jedenfalls nicht in dem Maße, wie man das heute macht52.«
Auf seinen Fahrten
Beerdigungsplatz wurde Andorfer meistens von seinem nunmehrigen Adjutanten, SS-Scharführer Edgar Enge, begleitet. In seinem Prozeß beschrieb Enge die Entladung der mittlerweile vergasten Juden: vom
KZ
zum
»Die Bestattung der vergasten Juden fand immer in demselben Gelände statt. Der Gaswagen fuhr bis in die Nähe der Grube. Nach Öffnen der Tür war festzustellen, daß die Leichen in der Regel mehr im rückwärtigen Teil des Wageninneren lagen. Die Häftlinge transportierten die Leichen dann in die Gruben und deckten diese dann anschließend mit Erde zu. Mir ist nicht aufgefallen, daß der Anteil an männlichen Leichen besonders niedrig war. Lebenszeichen habe ich bei den Vergasten in keinem Falle bemerkt. Die Gesichter hatten ein blasses Aussehen. Der Gaswagen war jeweils nicht erheblich verschmutzt. Im wesentlichen konnte man nur Erbrochenes im Wageninneren bemerken. Bei der Bestattung war kein Arzt zugegen. Es wurde auch nicht im einzelnen festgestellt, ob die vergasten Juden wirklich tot waren. [...] Zum Gaswagen selbst möchte ich sagen: Der Wagen sah ähnlich wie ein geschlossenes Lebensmittelfahrzeug aus. Er hatte hinten eine Tür, die zusätzlich durch einen Querbalken gesichert war. Innen war der Gaswagen mit Blech ausgeschlagen. Auf dem Boden befand sich ein Latten-
Ebd. In der Hauptverhandlung gegen Andorfer konnte »nicht mit ausreichender Sicherheit« geklärt
werden, ob die vier Polizeiangehörigen vor ihrem Einsatz von Andorfer Instruktionen über ihre Aufgabe erhielten (ZStL, 503 AR 2656/67, Urteil gegen Andorfer). In einem Brief an den Autor bestreitet Andorfer, den Polizeiangehörigen diesbezügliche Anweisungen erteilt zu haben (Brief Andorfer an den Autor, 5.8.1993). Der Zeuge Karl W spricht von einem SS-Obersturmführer, bei dem sich die Gruppe vor dem Einsatz melden mußte. Andorfer hatte eines SS-Untersturmführers inne.
zu
diesem
Zeitpunkt den Rang
2. SS-Untersturmführer Herbert Andorfer
181
der herausgenommen werden konnte. Der Wagen wurde jeweils auf dem Hof unserer Dienststelle gereinigt. Das wurde von den beiden Gaswagenfahrern gemacht53.« rost,
Zwei Monate lang, Tag für Tag, absolvierte der Gaswagen seine tödlichen Fahrten. Um die Entvölkerung des Judenlagers zu beschleunigen, wurde der Wagen meist zweimal täglich eingesetzt. Anfang Mai 1942 war die Aktion abgeschlossen die etwa 7500 Juden des KZ Sajmiste, überwiegend Frauen und Kinder, waren vergast54. Nachdem die letzten Juden verscharrt worden waren, wurden die sieben serbischen Gefangenen des »Totengräberkommandos« von den anwesenden deutschen Organen mit Maschinenpistolen niedergemäht und zu den anderen in die Grube geworfen55. Nach Abschluß der Vergasungen blieben noch einige Personen im KZ zurück. Zumeist NichtJüdinnen, die mit Juden verheiratet waren. Sie wurden unter der Bedingung strengster Geheimhaltung über die Geschehnisse im Lager nach ein paar Tagen entlassen56. Eine von ihnen war Dorothea Fink, die mit ihrem jüdischen Ehemann Walter als Teilnehmerin des »Kladovo-Transportes« in das Lager Sabac gekommen war. Sie hatte dort zuerst ihren Mann verloren und war dann mit den jüdischen Frauen und Kindern des Transportes in das KZ Sajmiste gebracht worden. In einem Brief an ihren Schwager schrieb sie nach Kriegsende: »Nun hatte ich das Glück, jemand nahm einen Brief von mir an die Deutsche Gesandtschaft in Belgrad mit. Der Brief kam in die rechten Hände, und es dauerte doch noch einige Zeit bis mich die SS —
freilassen mußte. Meine erste Frage war natürlich nach Walter. Hohnlächelnd sagte man mir, der wäre schon längst im Jenseits. Ich wollte darüber eine Bescheinigung haben. Das wurde abgelehnt. [...] Nun blieb ich in Belgrad und lebte von meiner Schneiderei. [...] Ich wollte nach Berlin zurück. Es wurde abgelehnt. Endlich nach einem Jahr bekam ich die Erlaubnis, nach Deutschland zu fahren. Es war im Juni 1942. Von den Frauen im KZ Semlin hörte ich, es wäre eine Seuche ausgebrochen und sie wären alle erschossen worden. Nun bekam ich von der Gesandtschaft ein Schreiben nach Deutschland mit, worin steht: >Walter Israel Fink ist am 16. Oktober 1941 in Sabac verstorben57.« 53 54
Ebd., Beiakte Bd 1, Vernehmungsprotokoll Edgar Enge, 20. und 21.1.1966. Die Zahl der vergasten Juden läßt sich nicht mehr exakt eruieren. Shelach kommt nach Auswertung der allerdings nicht kompletten und untereinander widersprüchlichen Meldungen über den Lagerstand im KZ Sajmiste zwischen Dezember 1941 und Anfang Mai 1942 zu dem Schluß, daß der Vergasung mindestens 8000 Juden zum Opfer gefallen sind (Shelach, Sajmiste An Extermination Camp in Serbia, S. 255). Offizielle jugoslawische Stellen geben die Zahl der Vergasten mit 7500 an (The Crimes of the Fascist Occupants and Their Collaborators Against Jews in Jugoslawia, Summary, S. 4). Bei seiner Vernehmung durch den jugoslawischen Gerichtshof schätzte der Stellvertreter des BdS, SS-Obersturmbannführer Teichmann, die Zahl der vergasten Juden auf etwa 7000 (BA, —
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Prozeß Eichmann, Vernehmungsprotokoll Ludwig Teichmann, 17.9.1946). Sowohl bei den Ermittlungen gegen die Schutzpolizisten als auch in den Prozessen gegen Andorfer und Enge spielte die Frage nach den Todesschützen aus juristischen Gründen eine wesentliche Rolle. Da sämtliche Beteiligten entweder behaupteten, nichts gesehen und nur die Schüsse gehört zu haben, bzw. sich gegenseitig der Morde beschuldigten, konnten die Schützen nicht ermittelt werden. 56 Shelach, Sajmiste An Extermination Camp in Serbia, S. 253. Jüdische Frauen, die mit NichtJuden 55
verheiratet waren, wurden anders als im Deutschen Reich in Serbien nicht von der Vernichtung ausgenommen. Die beiden Schwestern der Belgrader Jüdin Sidonia Jaar, Milena und Militza, wurden trotz ihrer Ehe mit NichtJuden im KZ Sajmiste umgebracht (YVA, 0 3/3457, Interview von Josef Schieber mit Sidonia Jaar, März 1968). » YVA, 0 10/12, Brief von Dorothea Fink an Henry Fink, 22.8.1945. —
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182 V. Die
Vergasung der jüdischen Frauen und Kinder
aus
dem
Konzentrationslager Sajmiste
Zuletzt blieb noch eine kleine Gruppe deutschsprachiger Juden aus dem Banat und eine Handvoll Überlebender des »Kladovo-Transportes« im Lager zurück. Sie mußten Aufräumungsarbeiten verrichten. Nach deren Beendigung wurden sie Ende Mai 1942 ebenfalls erschossen58. Den Juden gegenüber war Andorfers Täuschung ein voller Erfolg. Noch wenige Tage vor dem Ende der Vergasungen erzählte ein jüdisches Häftlingskind einem gerade ins Lager eingelieferten serbischen Gefangenen, der sich nach dem Verbleib seiner jüdischen Bekannten erkundigte: »Oh ja, die waren hier. [...] Vor kurzem wurden sie aber in Richtung Polen gebracht. Alle von uns
kommen dorthin ins Ghetto. Wir haben gehört, daß das Leben dort viel besser sein soll. Die Erwachsenen werden dort arbeiten, und wir, die Kinder, werden dort zur Schule gehen. Die meisten von uns sind schon weggegangen und ich warte schon ganz sehnsüchtig darauf, ihnen zu folgen59.«
Unter den deutschen Besatzern jedoch sprach sich der Massenmord rasch herum. Innerhalb des SD war es ein »offenes Geheimnis [...], daß mit dem Wagen die Juden vergast wurden60.« Auch im Pol. Res. Bat. 64 wußte man Bescheid:
Tätigkeit sickerte trotz aller Geheimhaltung allmählich in der Kompanie durch, zumal an Abstellungsunterkunft des Gaswagens auch eine Wache von unserer Kompanie lag, die mehrfach Gelegenheit hatte, den Gaswagen zu sehen61.« Der Abteilungschef beim Militärverwalter Turner, Dr. Walther U, konnte sich wiederum erinnern, »im Frühjahr 1942 aus Volksdeutschen Kreisen (erfahren zu haben), daß »Unsere
der die
die jüdischen Insassen des Lagers Semlin vergast würden62.« Die Leichen der Opfer waren auf dem Schießplatz verscharrt worden. Hier hielten die deutschen Truppen regelmäßig ihre Schießübungen ab. Der LKW-Fahrer der Feldkommandantur Belgrad, Anton W, erzählte, wie er die Überreste der vergasten Juden entdeckte: »Eines
Tages war wieder einmal Übungsschießen angesetzt und alle Angehörigen unserer Komman-
dantur, soweit sie dienstlich abkömmlich waren, fuhren per LKW nach dem Schießplatz, der etwa
14
bis 15 km südöstlich von Belgrad lag. Nach der Ankunft auf dem Schießplatz mußte ich befehlsgemäß mit meinem LKW die Schießscheiben an das Ende des Schießplatzes fahren. [...] Da ich die Bodenbeschaffenheit links und rechts der Fahrstraße kannte, fiel mir diesmal auf, daß sich auf den unmittelbar an der Straße gelegenen Geländestreifen frisch aufgeworfenes Erdreich befand, das nicht mehr mit Gras bewachsen war. Es waren auch die Konturen von viereckigen Aushebungen zu erkennen. Es handelte sich um zahlreiche solcher Rechtecke in jeweiliger Größe von schätzungsweise 5 mal 10 Metern und auch größer, wenn kein Baum dazwischen stand. Ich stoppte deshalb meinen LKW und stieg mit meinem Kameraden aus, mit dem ich die Scheiben aufstellen sollte. [...] Da es noch in der warmen Jahreszeit war, [...] bemerkte ich sofort einen süßlichen Geruch, wie er bei verwesendem Fleisch bemerkbar ist. Beim Nähertreten bemerkte ich auch Risse im Erdreich, in denen Kleiderfetzen bzw. Kleiderteile sichtbar waren. Es handelte sich bestimmt um Frauenkleider. Das habe ich genau gesehen. Von männlichen Kleidungsstücken habe ich nichts bemerkt. Es muß sich in diesem Falle meiner Meinung nach um ein Massengrab mit Frauen gehandelt haben63.«
Shelach, Sajmiste An Extermination Camp in Serbia, S. 253. ebd., S. 251 (ins Deutsche übersetzt). 60 Prozeß Andorfer, Beiakte Bd3, Vernehmungsprotokoll Edgar Enge, 2.5.1966. " ZStL, 503 AR 1256/61, Bd7, Vernehmungsniederschrift Karl W, 24.11.1964. " Ebd., Bd2, Zeugenaussage Dr. Walter U, 5.4.1952. « Ebd., 503 AR 12/62, Beiakte Bd6, Vernehmungsniederschrift Anton W, 9.8.1962. 58
59
Zit. nach:
—
2. SS-Untersturmführer Herbert
183
Andorfer
Mit der Geheimhaltung hatten es die Mörder zu diesem Zeitpunkt noch nicht so genau genommen. Erst als sich die Niederlage der Nazis abzuzeichnen begann, machten sie sich in hektischen Aktionen daran, die Spuren ihrer Massenmorde zu verwischen: Im November 1943 traf das »Sonderkommando 1005« des Einsatzgruppenführers Paul Blobel in Belgrad ein. Vier Monate lang wurden nun die Leichen der erschossenen und vergasten Opfer wieder ausgegraben, zu Scheiterhaufen geschichtet und verbrannt64. Die neue Tötungsart hatte problemlos funktioniert. Andorfer, über dessen Tätigkeit in seinem SS-Personalbogen zu lesen ist: »Abteilung III, ohne besondere Aufgaben«65, wurde das Begleiten des Gaswagens bald zu langweilig. Er beauftragte immer öfter seinen Adjutanten Enge mit der Eskortierung. Die Vergasungen wurden zu einer Routineangelegenheit. Mit der Ausrottung der Juden hatte Andorfer seine Aufgabe in Serbien beendet. Er wurde wieder zum SD Salzburg versetzt und stand ab 1943 in Italien im Einsatz gegen Partisanen.
Zu
Kriegsende wurde er in Italien am Kopf verwundet und gelangte, nach eigenen Anga-
in einem Schweizer Lazarett wieder zum Bewußtsein. Unter Nennung eines Namens erhielt Andorfer einen Fremdenpaß. Angeblich mit Hilfe der SS-Fluchtfalschen
ben,
erst
hilfe-Organisation »Odessa« entkam er vorerst nach Schweden und dann nach Venezuela.
er in die BRD zurück und suchte 1964 beim österreichischen Generalkonsulat in Hamburg unter seinem richtigen Namen um einen Paß an, den er auch anstandslos erhielt66. 1966 wurde Andorfer in der BRD zur Fahndung ausgeschrieben, 1967 in München verhaftet und den österreichischen Behörden übergeben. Kurze Zeit später wurde Andorfer an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert und von einem deutschen Gericht wegen Beihilfe zum Mord zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt67. Auch Andorfers Adjutanten, Scharführer Edgar Enge, der schon im Herbst 1941 als Beauftragter des BdS zumindest bei einer Judenerschießung durch die Wehrmacht dabei gewesen war68, wurde in der BRD der Prozeß gemacht. Der Staatsanwalt forderte viereinhalb Jahre Zuchthaus69. Enge wurde der Beihilfe zum Mord schuldig gesprochen, »jedoch wird von einer Bestrafung abgesehen70.« Anfang Mai 1942 waren die letzten Juden aus dem KZ Sajmiste vergast worden. Der BdS Schäfer, der umgehend von der Beendigung der Aktion informiert worden war, sandte daraufhin ein Fernschreiben an den Gaswagen-Einsatzleiter im RSHA, Pradel:
In den 50er Jahren kehrte
»Betrifft:
Spezialwagen Saurer.
Vorgang: Ohne.
Die Kraftfahrer SS-Scharf. Goetz und Meyer haben den Sonderauftrag durchgeführt, so daß die Genannten mit dem oben angegebenen Fahrzeug zurückbeordert werden können. Infolge Achsrisses der hinteren Achshälfte kann eine Überführung per Achse nicht durchgeführt werden. Ich habe daher angeordnet,
Ebd., 503 AR-Z 115/77, Ermittlungen gegen Angehörige des »Sonderkommandos 1005«; siehe auch Shelach, Sajmiste An Extermination Camp in Serbia, S. 254. « BA, R 58/841, SS-Personalbogen Herbert Andorfer. 66 Prozeß Andorfer, Vernehmungsprotokoll vom 21.2.1968. 67 ZStL, 503 AR 2656/67, Urteil in der Strafsache gegen Herbert Andorfer, S. 29 f.
64
—
68 69 70
Vgl. den Bericht Liepes über die »Geiselerschießungen« Ludwigsburger Zeitung, 11.6.1968. ZStL,
503 AR 706/66,
Bd3, Urteil in der Strafsache
wegen des
gegen
»Topola-Überfalles«, S. 89.
Edgar Enge,
5.8.1968.
184 V. Die Vergasung der
jüdischen Frauen und Kinder aus dem Konzentrationslager Sajmiste
daß das Fahrzeug verladen mit der Eisenbahn nach Berlin überführt wird. Voraussichtliches Eintreffen zwischen dem 11. und 12.6.42. Die Kraftfahrer Goetz und Meyer begleiten das Fahrzeug71.«
Jetzt konnte Schäfer endlich voll Stolz die Vollzugsmeldung nach Berlin übermitteln: »Serbien ist judenfrei72!«
71
72
Prozeß Andorfer, Beiakte Bd 3, Fernschreiben des BdS Schäfer
Major Pradel, 9.6.1942.
an
das RSHA, Abt. II D 3, z.Hd.
Dieses Dokument ist nicht erhalten geblieben. Doch nach seiner eigenen Darstellung sandte Schäfer ein Telegramm mit diesem Wortlaut an das RSHA (BA, 70 Jugoslawien, Bd 33, Urteil in der Strafsache gegen Dr. Emanuel Schäfer, 20.6.1953, S. 15).
VI.
Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
»Dieser Partisanenkrieg hat auch wieder seinen Vorteil: er gibt uns die Möglichkeit auszurotten, was sich gegen uns stellt1.«
Mit diesem Ausspruch vom Juli 1941 begegnete Hitler dem Aufruf Stalins, in der Sowjetunion mit dem Partisanenkampf gegen die deutschen Invasoren zu beginnen. Unter dem Deckmantel der Partisanenbekämpfung vollzogen Einsatzgruppen, Polizei und SD ihr Vernichtungswerk gegen den »jüdischen Bolschewismus« im Osten. Sie wurden dabei von der Wehrmacht auf vielfältige Weise unterstützt: Die Wehrmacht stellte Fahrzeuge und Treibstoff zur Verfügung, kennzeichnete und registrierte die Juden, übergab die routinemäßig von Heeresstreifen festgenommenen Juden, Partisanen und sonstige verdächtige Zivilisten »zur weiteren Behandlung«; hohe Militärs riefen in Befehlen an ihre Truppen zum vollen Verständnis »für die Notwendigkeit der harten, aber gerechten Sühne am jüdischen Untermenschentum«2 auf; in vereinzelten Fällen nahm die Truppe sogar selbst an Massenexekutionen von Juden durch die Einsatzkommandos teil3. Das Ausmaß der Beteiligung des Wehrmachtapparates an den Vernichtungsmaßnahmen gegen Juden, Zigeuner und die übrige Zivilbevölkerung war in dem unter militärischer Besatzung stehenden Serbien 1941/42 qualitativ noch weit größer als in der Sowjetunion. Im Generalgouvernement und auf sowjetischem Gebiet gab es zumindest eine formale Abgrenzung zwischen den Tätigkeitsbereichen von Wehrmacht und den Einsatzgruppen von Sipo und SD. In Serbien hingegen existierte diese Aufgabentrennung nur bis zum Sommer 1941. Mangels verfügbarer SD- und Polizeimannschaften wurde ab diesem Zeitpunkt die Truppe unter dem Kommando des Wehrmachtbefehlshabers mit der Partisanenbekämpfung betraut. Von der Besatzungsstruktur her ist die Situation in Serbien vom Herbst 1941 vergleichbar mit der in Frankreich. Auch dort war nach der Kapitulation ein Wehrmachtbefehlshaber eingesetzt worden, der mit einer einheimischen Verwaltung und Regierung kooperierte; ab Sommer 1941 setzte eine verstärkte Widerstandstätigkeit ein, die sich in Attentaten auf Angehörige der Besatzungsmacht äußerte; Hitler und Keitel drängten den Wehrmachtbefehlshaber Otto von Stülpnagel, für jeden getöteten Deutschen 100 Geiseln zu erschießen. Doch im Gegensatz zum Wehrmachtbefehlshaber in Serbien protestierte General Stülpnagel in Frankreich gegen diese Politik und wurde aus diesem Grund zu Jahresbeginn 1942 abgelöst. Während in Frankreich zwischen September 1941 und Zit. nach: Hillgruber, Die »Endlösung« und das deutsche Ostimperium, S. 146. Tagesbefehl des Generalfeldmarschalls von Reichenau vom 10.10.1941 (zit. nach: Streit, Keine Kameraden, S. 115). 3 So etwa am 2.7.1941, wo in der galizischen Ortschaft Luck vom Sonderkommando 4a der Einsatzgruppe C in einer als »Vergeltungsaktion« bezeichneten Massenerschießung unter Hinzuziehung eines Zuges Infanterie 1160 Juden erschossen wurden (Krausnick/Wilhelm, Die Truppe des Weltanschauungskrieges, S. 187). 1
2
186
VI.
Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
Geiselerschießungen durch Exekutionskommandos der Wehrmacht 466 Menschen getötet wurden4, fielen General Böhmes »Vergeltungspolitik« allein zwischen Oktober und Dezember 1941 mehr als 25 000 Menschen zum Opfer. Böhmes Vorgehensweise lag durchaus im »Wehrmachttrend«. Die oberste Wehrmachtführung hatte schon bei der Planung des Rußlandfeldzuges zugestimmt, die konventionellen Grenzen des Krieges zu überschreiten. Nur allzu willig hatte sie sich von Hitler auf einen schrankenlosen »Vernichtungskrieg gegen Bolschewismus und Judentum« einschwören lassen. Die Proteste der Wehrmacht gegen die Mordaktionen der Einsatzgruppen in Polen 1939 gehörten 1941 längst der Vergangenheit an. Entgegen den an kein Verbot gebundenen Einsatzgruppen war dem Aktionsradius der Wehrmacht aber eine formale Grenze gesetzt: Zumindest dem Anschein nach mußte jede Handlung mit militärischen Notwendigkeiten begründet werden. General Böhme stellte die von ihm selbst intern so bezeichnete »Strafaktion gegen die serbische Bevölkerung« nach außen als »militärische Sühnemaßnahme« dar, während er die Vernichtungsaktionen an den männlichen Juden als kriegsrechtlich legitimierte »Geiselerschießungen« klassifizierte eine Begründung, die von der obersten Wehrmachtführung widerspruchslos akzeptiert wurde. Böhme hatte mit der Erschießung aller männlichen Juden und nichtseßhaften Zigeuner alle gesetzlichen Möglichkeiten, die für die Wehrmacht im NS-System gerade noch zulässig waren, ausgeschöpft. Damit deckte sich Böhmes »Behandlung des Judenproblems« im Herbst 1941 mit der Vongehensweise der Einsatzgruppen in der Sowjetunion. Diese hatten Ende Juni 1941 von Heydrich den Auftrag bekommen, »alle Juden in Partei- und Staatsstellungen sowie sonstige >radikale Elemente< zu liquidieren«, worauf sie sich vorerst darauf beschränkten, »jüdische Männer insbesondere im wehrfähigen Alter >zur und anderen nicht aus Vergeltung< stichhaltigen Gründen zu exekutieren5.« Mit weniAusnahmen der sie mit gen begannen physischen Vernichtung der Frauen und Kinder erst einige Wochen später6. Als einzigem Wehrmachtbefehlshaber blieb es General Böhme vorbehalten, in seinem Besatzungsbereich die systematische Vernichtung der Juden einzuleiten. In einem von ihm persönlich unterzeichneten Befehl ordnete Böhme an, »sämtliche Juden« in Serbien als Geiseln zu nehmen und bei Angriffen auf die Besatzer oder auf Volksdeutsche zu erschießen7. Das war kein Geheimbefehl, sondern ein Tagesbefehl, der in insgesamt 37facher Ausfertigung an sämtliche Wehrmachteinheiten in Serbien, an Böhmes unmittelbaren Vorgesetzten (Generalfeldmarschall List) und an den Deutschen General in Agram (Glaise von Horstenau) übermittelt wurde. Dieser Befehl erfüllte alle »Endlösungskriterien«: Mai 1942 bei
—
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4
5 6
7
Birn, Die Höheren SS- und Polizeiführer, S. 250. Streim, Zur Eröffnung des allgemeinen Judenvernichtungsbefehls, S. 117.
—
Die im Sommer/Herbst 1941 im Baltikum operierende Einsatzgruppe A dachte bis Oktober 1941, daß ihre Aufgabe ausschließlich die Ermordung der erwachsenen männlichen Juden sei, ehe dieses »Mißverständnis« aufgeklärt wurde und sie zur Liquidierung der jüdischen Frauen und Kinder überging (Browning, Fateful Months, S. 19). BA-MA, RH 26—104/14, Befehl Böhmes betr.: Niederwerfung kommunistischer Aufstandsbewegung, 10.10.1941.
VI.
187
Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
Er leitete
a) den »Vorgang der vorsätzlichen und systematischen Tötung«8 der Juden ein. b) Für die Tötung war »das persönliche Verhalten eines Juden völlig unerheblich. Ob >aufsässig< oder >ängstlich-willig< [...], ob in irgendeinem Falle Täten oder nicht: gegenüber einem Juden war für individuelle Gesichtspunkte oder ein Prüfungsverfahren grundsätzlich kein Raum; er wurde erschossen, weil er ein Jude war9.« Was Krausnick für die Judenmorde der Einsatzgruppen in der Sowjetunion feststellt und Jäckel ganz allgemein als Kennzeichen der »Endlösung« definiert, trifft auch für Böhmes Anordnung in Serbien zu: Er ließ die männlichen Juden sowohl vorsätzlich als auch systematisch von Wehrmachteinheiten erschießen. Das individuelle Verhalten der Juden war dabei ebensowenig ausschlaggebend wie die Frage, ob sie in irgendeiner Beziehung zum Anlaßfall ihrer Ermordung standen. Der besagte Befehl wurde wortgetreu und widerspruchslos ausgeführt. Es wurden nicht nur die serbischen Juden, sondern auch die Juden des »Kladovo-Transportes« von der Wehrmacht liquidiert. Gerade dieses Faktum unterstreicht die Tatsache, daß sich Böhmes Befehl in den Rahmen der »Endlösung« eingliedern läßt: Die österreichischen, Berliner und Danziger Juden dieses Flüchtlingstransportes waren bereits im Juni 1941 also noch vor Ausbruch des Partisanenaufstandes von deutschen Organen in Sabac interniert worden und konnten daher nicht das geringste mit dem Partisanenaufstand zu tun haben. Die Wehrmachtführung war seit Beginn des Partisanenaufstandes verzweifelt bemüht gewesen, aus dem »müden Besatzungshaufen« eine engagierte Kampftruppe zu formen. Die mit viel Propaganda erfolgte Aufstellung von Jagdkommandos konnte aber ebensowenig wie die forcierte Erschießung von Zivilisten das rasche Umsichgreifen der Aufstandsbewegung verhindern. General Böhme versuchte auf mehreren Ebenen, die Kampfmoral seiner Truppen zu erhöhen. Zum einen operierte er mit »klassischen« Männerängsten: Wider besseren Wissens behauptete er, die Partisanen würden seine Soldaten bei einer Gefangennahme grauenhaft verstümmeln. Die solcherart geschürten Haß- und Angstgefühle konnten damit bei der Truppe als Vehikel für die »moralische Akzeptanz« der Vernichtungspolitik benutzt werden. Darüber hinaus appellierte Böhme an die historischen Revanchegelüste der zu einem hohen Grad aus Österreichern zusammengesetzten Truppe und forderte sie zum schonungslosen Vorgehen gegenüber der Zivilbevölkerung auf wohl wissend, wie empfänglich seine Soldaten für einen solchen Appell waren. Die Massaker in Kraljevo und Kragujevac sowie die anschließende Belobigung der daran beteiligten Einheiten zeigen, daß die Rechnung aufging. In diesem Klima des ungehemmten Massenmordes ließ sich die Judenvernichtung »en passant« durchführen. Sie mußte nicht explizit als solche bezeichnet werden, sondern konnte als »Sühnemaßnahme« militärisch deklariert und damit von der Truppe selbst durchgeführt werden. Böhme konnte davon ausgehen, daß durch seinen 1:100 Geiselerschießungsbefehl die vergleichsweise geringe Zahl von Juden in wenigen Erschießungs—
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8
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Als solchen definiert Jäckel die »Endlösung« (Jäckel, Die Entschlußbildung als historisches Problem, S. 10). Krausnick/Wilhelm, Die Truppe des Weltanschauungskrieges, S. 14.
188
VI.
Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
aktionen »erledigt« sein würde. Dazu brauchte nur eine relativ kleine Anzahl von Wehrmachtangehörigen involviert zu werden, so daß keine besonders negativen Auswirkungen auf die Moral der Truppe zu befürchten waren. Es fällt auf, daß sich die einzelnen Truppenteile bei der praktischen Durchführung dieser Mordpolitik durch nichts unterschieden. Ob Kampfdivision (etwa General Hinghofers 342. ID) oder Besatzungsdivision der 15. Welle, ob Nachrichtenregiment oder Landesschützenbataillon10 sie alle führten bei entsprechendem Befehl widerspruchslos Massaker an Juden, Zigeunern und anderen serbischen Zivilisten durch. Aufgrund von Zeugenaussagen, aber insbesondere durch Interviews mit ehemaligen Wehrmachtangehörigen, die im Herbst 1941 in Serbien stationiert waren, gewinnt man den Eindruck, daß die Soldaten auf diese Aktionen unterschiedlich reagierten. Teils nahm man die zum hemmungslosen Morden auffordernden Befehle der Offiziere begierig auf, da sie Gelegenheit boten, militärische Schlappen und Frustrationen zu kompensieren. Der Stolz der Soldaten über ihre diesbezüglichen »Leistungen« drückte sich u. a. in eingehenden Beschreibungen der Massenexekutionen und in Beilage entsprechender Photos in Heimatbriefen aus11. Die auffordernde Frage seiner Kameraden: »Gehst' mit Juden erschießen?12«, mit der der Wiener Franz H. zu seiner Verwunderung empfangen wurde, als er von einem Heimaturlaub im Oktober 1941 zu seiner Nachrichtenkompanie in Belgrad zurückgekehrt war, deutet nicht gerade darauf hin, daß die Judenerschießungen bei den daran beteiligten Soldaten generell tiefe Betroffenheit ausgelöst hätten Andere Soldaten schwiegen und versuchten dadurch ihr Entsetzen zu verbergen. Heute auf ihre Teilnahme bei Judenerschießungen angesprochen, rechtfertigen sich ehemalige Wehrmachtangehörige dennoch unisono mit Hinweisen auf den »harten Partisanenkampf, der eben zu Grausamkeiten auf beiden Seiten geführt hat«. Der aus Linz stammende ehemalige Angehörige der 3. Kompanie des ANR 521, A.A.13, der nach eigenen, nicht verifizierbaren Angaben lediglich Absperrposten bei zwei Judenerschießungen nach dem Partisanenüberfall auf Wehrmachtsoldaten bei Topóla gewesen war, behauptet, er und auch andere Kameraden der Kompanie hätten die Judenaber mehr darüber gespro»innerlich untereinander niemals erschießungen abgelehnt«, chen. Auf meine erstaunte Bemerkung, ich könne zwar nachvollziehen, daß er es als Gefreiter nicht gewagt hatte, bei seinem Vorgesetzten gegen die Judenerschießungen zu protestieren, es sei mir aber unverständlich, warum die an den Erschießungen beteilig—
...
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11
12 13
Landesschützeneinheiten stellten u. a auch die Wachmannschaften im Konzentrationslager von Nis, in dem Juden und partisanenverdächtige Personen gefangengehalten und bei Bedarf als Geiseln erschossen wurden (BA-MA, RH 53—18/378, Bericht des Gefreiten Willi Schätzer, 1./920, über den Dienst
im Konzentrationslager Nis, 25.6.1942). Trotz der von Böhmes Stabschef Pemsel angedrohten hohen Strafen wurde diese private Kriegsberichterstattung von den Wehrmachtsoldaten weiter praktiziert. Im Dezember 1941 sah sich der Stabschef des nunmehrigen Befehlshabers in Serbien abermals gezwungen, seine Truppen auf das Photographierverbot hinzuweisen und gleichzeitig die Abgabe bereits gemachter Aufnahmen inklusive der Negative einzufordern (ebd., RH 26—104/52, Befehl betr.: Photographieren der Vollstreckung von Urteilen durch standrechtliche Erschießung, 15.12.1941). ZStL, 503 AR-Z 2/66, Vorermittlungen gegen Walter L., Zeugenaussage Franz H. Die Initialen wurden auf ausdrücklichen Wunsch des Interviewten geändert.
VI. ten
Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
189
Soldaten über diese »Aktionen« nicht einmal untereinander sprachen, entspann sich
folgender Dialog:
»Autor: Ich bin nicht so naiv, zu denken, daß es (von Angehörigen des Exekutionskommandos gegenüber dem Kompaniechef W. M.) einen Protest gegeben hätte, aber zumindest eine Diskussion untereinander ...? A. A.: Schauen Sie, ein jeder will überleben. Und jeder war froh, daß er bei dieser Einheit ist. Also das muß man hier auch einmal aussprechen. Autor: Also besser in Serbien als in Rußland? A. A.: Das war ja fast eine Lebensversicherung. Und da wollte man auch nicht riskieren, daß man dann plötzlich irgendwo bei der Infanterie landet in Rußland, bei einer Strafkompanie vielleicht. Autor: Das Hemd war einem näher als der Rock? A.A.: Ganz sicher14.« —
—
Dieser Dialog illustriert, daß von dieser Seite kaum eine Stockung im reibungslosen Ablauf der blutigen Vergeltungspolitik zu befürchten war. Ihre »Lebensversicherung« riskierten die Soldaten wegen der Juden, Zigeuner und Serben nicht. Daher wagten sie keine Kritik gegenüber Vorgesetzten, schien ihnen die Weigerung, an den Exekutionen teilzunehmen, schon als zu hohes Risiko, brachten sie nicht einmal den Mut auf, darüber zu sprechen aus berechtigter oder unberechtigter Angst, von Kameraden denunziert oder etwa strafversetzt zu werden, wenn sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Judenerschießungen geäußert hätten15. Die deutschen Besatzer in Serbien waren sich vollkommen darüber im klaren, daß die Geiselerschießungen nur als Vorwand für die Liquidierung der Juden dienten. Während sie sich im offiziellen Schriftverkehr aber strikt an die übliche, euphemistische Sprachregelung hielten, nannte der Chef der Militärverwaltung, Harald Turner, in einem vertraulichen Privatbrief an seinen Freund, SS-Gruppenführer Richard Hildebrandt, die Sache beim richtigen Namen, indem er darauf verwies, daß sich »die Judenfrage auf diese Weise am schnellsten«16 löst. Anregungen für eine solche Lösung waren zuvor schon aus Berlin gekommen: Anfang September 1941 hatte Eichmann in einem Telefongespräch mit Legationsrat Rademacher in Berlin die Erschießung der serbischen Juden vorgeschlagen. Diese Option wurde von Rademacher und seinem Vorgesetzten, Unterstaatssekretär Luther, aufgegriffen, als »Geiselaktion« deklariert und dem Gesandten Benzler nach Belgrad übermittelt17. —
14 15
Interview mit A.A., 22.2.1990. Die Legende, den Soldaten hätte bei einer
Weigerung, an Exekutionen teilzunehmen, die ErschieAuch der oftmals zitierte »Fall Schulz« erweist sich als Schimäre: In internationalen Medien wurde berichtet, daß der Gefreite Josef Schulz am 20. Juli 1941 im serbischen Städtchen Smederevska Palanka gemeinsam mit 16 Partisanen von einem Exekutionskommando der 714. Division erschossen worden wäre, nachdem er sich geweigert hätte, an der Partisanenerschießung teilzunehmen. Eine auf Anregung der Zentralen Stelle in Ludwigsburg erstellte Expertise des Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg ergab, daß Josef Schulz schon am Tag vor der Exekution der 16 Partisanen bei einem Feuergefecht mit Partisanen tödlich verwundet worden war (die Expertise ist auszugsweise abgedruckt in Heiner Lichtenstein, Himmlers grüne Helfer. Die Schutzund Ordnungspolizei im »Dritten Reich«, Köln 1990). NO-Dokument 5810, Brief Turners an Hildebrandt, 17.10.1941. »Die in Lagern zusammengefaßten Juden müssen eben als Geiseln für das Wohlverhalten ihrer Rassegenossen dienen« (PA-AA, Inland Hg, Fernschreiben Luthers an Benzler vom 16.9.1941).
ßung gedroht, entbehrt jeder Grundlage.
16 17
190
VI.
Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
Als Benzler danach mehrmals auf die Deportation der serbischen Juden drängte, sah sich Luther Anfang Oktober 1941 gezwungen, die Sache an Außenminister Ribbentrop heranzutragen, nicht ohne sich verärgert über die Begriffsstutzigkeit des Militärbefehlshabers zu mokieren und darauf hinzuweisen, daß in anderen Gebieten »andere Militärbefehlshaber mit einer wesentlich größeren Anzahl von Juden fertig geworden (sind) ohne überhaupt darüber zu reden18.« Luthers Beschwerde über General Böhme war unberechtigt, denn dieser hatte sich bereits zwei Wochen nach seiner Einsetzung als Befehlshaber in Serbien zur Erschießung der Juden entschlossen. In keinem anderen besetzten Land war der Entscheidungsprozeß zur Vernichtung der Juden in solch rasantem Tempo vor sich gegangen. Böhme hatte bei seiner Bestellung zum Bevollmächtigten Kommandierenden General in Serbien die Befehlsgewalt nicht nur über die dort stationierten Truppen, sondern auch über alle anderen deutschen Besatzungsorgane übernommen. Er allein entschied über die Methoden zur Niederschlagung des Aufstandes. Ohne seine Zustimmung konnten weder der deutsche Gesandte noch die Vertreter der Wirtschafts-, Polizei- oder Militärverwaltungsbehörden Entscheidungen treffen oder in Bereichen tätig werden, die direkt oder auch nur indirekt mit der Bekämpfung des Partisanenaufstandes zu tun hatten. Unmittelbar nach Böhmes Ankunft in Belgrad waren Benzler und Turner an ihn herangetreten und hatten auf eine baldige »Lösung der Judenfrage« gedrängt19. In einem persönlichen Schreiben an den Außenminister hatte Benzler versucht, seinem Ansuchen um Deportation der serbischen Juden zusätzlich Nachdruck zu verleihen, indem er darauf hinwies, Böhme und Danckelmann hätten ihn »erneut nachdrücklichst gebeten, auch in ihrem Namen möglichst sofortige Abschiebung der Juden außer Landes zu erwirken20.« Doch noch ehe eine Antwort aus Berlin eingetroffen war, hatte Böhme von sich aus die Entscheidung zur Ermordung der Juden gefällt. Als Grundlage dienten ihm zwei Befehle seiner Berliner Vorgesetzten: Hitlers Führerweisung Nr. 31a vom 16. September 1941, die den Auftrag enthielt, »auf weite Sicht im Gesamtraum mit den schärfsten Mitteln die Ordnung wiederherzustellen«21; und der Befehl des OKW-Chefs Keitel vom selben Tag, in dem dieser angeordnet hatte: »Als Sühne für ein deutsches Soldatenleben muß in diesen Fällen im allgemeinen die Todesstrafe für 50—100 Kommunisten als angemessen gelten«22, wobei Keitel wenige Tage später die Gruppe der Opfer noch um »nationalistische« und »bürgerlich-demokratische« Geiseln erweiterte23. Weder bei Hitler noch bei Keitel war von »Juden« die Rede gewesen. Doch eingebettet in das Klima des propagierten »Weltanschauungskrieges« genügten diese Befehle der Wehrmachtzentrale, um vor Ort daraus eigene Schlüsse zu ziehen und den Prozeß der »Endlösung der Judenfrage« in Serbien selbständig in Gang zu setzen. 18 19
20
21 22 23
PA-AA, Inland Hg, Vortragsnotiz Luthers
vom
2.10.1941.
Höchstwahrscheinlich war auch der Chef von Sipo und SD, Fuchs, in dieser Richtung aktiv. Da keine Unterlagen der Dienststelle aus dem Jahre 1941 mehr vorhanden sind, läßt sich diese naheliegende Vermutung nicht durch Dokumente überprüfen. PA-AA, Inland Hg, Brief Benzlers an Ribbentrop vom 28.9.1941. Hitlers Weisungen für die Kriegführung 1939—1945, S. 149f. BA-MA, RH 26-104/14, Befehl Keitels vom 16.9.1941. Ebd., RH 24-18/213, OKW Keitel an OKH/Gen. Quart, und Wbf. Südost, 28.9.1941.
VI.
191
Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
Beseitigung der »jüdisch-bolschewistischen Zersetzer« war bereits zum integralen Zielsetzungen der Wehrmacht geworden. Auch auf dem sowjetischen Kriegsschauplatz machten die Wehrmachtspitzen zumindest kein Hehl aus ihrem Einverständnis mit der Judenvernichtung; in einigen Fällen waren Wehrmachteinheiten bei Judenerschießungen der Einsatzkommandos sogar direkt involviert. Nach der Ermordung von mehr als 30000 Juden durch die Einsatzgruppe C in der Schlucht von Babi Yar bei Kiew erließ Generalfeldmarschall von Reichenau exakt an jenem Tag, an dem General Böhme die systematische Vernichtung der Juden in Serbien anordnete den bereits erwähnten Tagesbefehl, der mit Zustimmung Hitlers als Muster an die Oberkommandos der Heeresgruppen und Armeen im Osten verteilt wurde. Reichenau bezeichnete darin den Feldzug gegen das »jüdisch-bolschewistische System« als die geschichtliche Aufgabe der Wehrmacht: Die
Bestandteil der
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»Deshalb muß der Soldat für die Notwendigkeit der harten, aber gerechten Sühne am jüdischen Untermenschentum volles Verständnis haben. Sie hat den weiteren Zweck, Erhebungen im Rücken der Wehrmacht, die erfahrungsgemäß stets von Juden angezettelt wurden, im Keime zu ersticken24.«
Streit interpretiert Reichenaus Befehl als Zeichen für Hitler, »daß das Heer für weitergehende Forderungen reif war25.« Böhmes Befehl zeigte Hitler, daß das Heer nicht nur reif, sondern schon von sich aus bei der Vernichtung der Juden aktiv geworden war. Protest gegen diese Mordpolitik regte sich seitens des OKW nur einmal: als nach den hemmungslosen Massenmorden in Kraljevo und Kragujevac das eigentliche Ziel der »Befriedung« Serbiens die Ausbeutung der Ressourcen und Arbeitskräfte des Landes für die Zwecke der deutschen Kriegswirtschaft in Gefahr geriet. Da befahl das OKW, zu einer gezielteren Auswahl der Geiseln überzugehen. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, stellte Militärverwaltungschef Turner allerdings sofort klar, daß Juden und Zigeuner von diesen neuen Kriterien ausgenommen blieben26. General Böhme war sicher nicht mit dem Vorsatz nach Serbien gekommen, die dort lebenden Juden zu vernichten. Erst die konkreten Umstände, d. h. die Suche nach einem geeigneten »Reservoir« an Geiseln, gekoppelt mit der Aussichtslosigkeit, die Juden nach dem Osten zu deportieren, ließen den deutschen Besatzungsorganen die Ermordung der Juden als eine ebenso praktische wie einfache Lösung erscheinen. In der Holocaustforschung hat der Komplex »Endlösung der Judenfrage« auf theoretischer Ebene zu kontroversen Einschätzungen geführt. Die Rolle der Wehrmacht und der »Fall Serbien« blieben in der Diskussion allerdings weitgehend ausgeklammert. Gerade die Beleuchtung der Geschehnisse in Serbien kann aber zur Rekonstruktion der komplexen Genesis der »Endlösung der Judenfrage« und der Entschlußbildung neue, bisher —
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wenig beachtete Aspekte hinzufügen. Rekapitulieren wir kurz den Diskussions- und Forschungsstand: Da ein schriftlicher Befehl zur »Endlösung der Judenfrage« höchstwahrscheinlich niemals gegeben wurde (zumindest aber mit Sicherheit nicht erhalten geblieben ist) und 24 25 26
Zit. nach: »Gott mit uns«, S. 39f. Streit, Keine Kameraden, S. 117. NOKW-Dokument 802, Befehl Turner an sämtliche Kreis- und Feldkommandanturen, 26.10.1941.
192
VI.
Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
eine mündliche Anordnung nicht zweifelsfrei bestätigt werden kann, entbrannte in den letzten Jahren in Wissenschaftskreisen eine heftige Diskussion um die Frage der Entschlußbildung und zeitlichen Fixierung der Entscheidung zur systematischen Vernichtung der Juden. In der Diskussion kristallisierten sich zwei Theorieansätze heraus, die scheinbar in unvereinbarem Gegensatz zueinander stehen27. Nach einer Begriffsprägung von Mason werden ihre jeweiligen Vertreter als Intentionalisten bzw. Funktionalisten bezeichnet28. Die Intentionalisten gehen vereinfacht dargestellt davon aus, die Vernichtung der Juden sei ein ideologischer Fixpunkt in Hitlers Programm gewesen, dessen Realisierung er bereits in »Mein Kampf« explizit angekündigt hatte und den er seit seiner Machtübernahme im Jahre 1933 auch planmäßig politisch umsetzte. Die Intentionalisten sehen die nationalsozialistische Judenpolitik vom Boykott jüdischer Geschäfte im Jahre 1933 bis zur systematischen Tötung der Juden ab 1941 als eine stufenweise praktische Umsetzung dieser ideologischen Zielsetzung Hitlers. Im Diskurs um die Entschlußbildung zur »Endlösung durch physische Vernichtung« und den zeitlichen Beginn der Massenvernichtung vertreten sie den Standpunkt, Hitler habe zwischen Frühjahr und Sommer 1941 möglicherweise in einem schriftlichen, wahrscheinlich aber nur mündlichen Befehl an Himmler, Heydrich oder Göring die systematische Vernichtung der europäischen Juden —
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angeordnet.
liegt implizit das Bild einer streng monokratischen Struktur nationalsozialistischer Herrschaft zugrunde: an der Spitze Hitler, der allein alle wesentlichen politischen Entscheidungen traf, wobei die Vertreter dieser Theorie seine Alleinschuld »zwar nicht expressis verbis behaupten, aber mitunter gedankenlos implizierten29.« Dieser im wesentlichen linearen, monokausalen Ableitung stellen die Funktionalisten die Theorie einer mehr oder weniger anarchischen Polykratie des NS-Machtapparates gegenüber, welche sich auch in der Judenpolitik gegen das »Führerprinzip« durchgesetzt habe. Uwe Dietrich Adam etwa meinte, daß »von einer geplanten und gelenkten Politik auf diesem Gebiet (der Judenpolitik WM.) nicht die Rede sein kann, daß ein Gesamtplan über Art, Inhalt und Umfang der Judenverfolgung niemals bestand und daß auch die Massentötung und Vernichtung mit größter Wahrscheinlichkeit von Hitler nicht a priori als politisches Ziel angestrebt wurde30.« Von einer Polykratie des nationalsozialistischen Systems ausgehend, kommen die Vertreter dieser Theorie zu dem Schluß, daß nicht notwendigerweise ein schriftlicher oder mündlicher Geheimbefehl Hitlers zur Judenvernichtung vorgelegen haben muß, viel-
Der intentionalistischen Theorie
—
27
28
29 30
Jahre 1984 fand in Stuttgart ein Historikerkongreß statt, der ausschließlich dieser Kontroverse gewidmet war. Die Referate und Diskussionsbeiträge wurden veröffentlicht (Der Mord an den Juden im Zweiten Weltkrieg). Einen guten Überblick über die zentralen Punkte der Auseinandersetzung Im
bietet darin der Beitrag von Saul Friedländer, Vom Antisemitismus zur Ausrottung. Mason, Intention and Explanation. A Current Controversy about the Interpretation of National Socialism, S. 23 ff. Broszat, Hitler und die Genesis der »Endlösung«, S. 745. Adam, Judenpolitik im Dritten Reich, S. 357.
VI.
Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
193
mehr der Entschluß zur »Endlösung« auch durch konkurrierende Bestrebungen unterschiedlicher zentraler NS-Instanzen zustandegekommen sein könnte. Je nach Forschungsansatz setzen die Vertreter beider Positionen den Beginn der »Endlösung« zwischen März und Oktober 1941 an. Martin Broszat und Hans Mommsen vertreten den Standpunkt, daß ein expliziter »Endlösungsbefehl«, von wem auch immer, wahrscheinlich niemals erteilt worden ist eine These, die von anderen Forschern als beinahe ketzerisch gewertet wird. Mommsen spricht in Zusammenhang mit der Entschlußbildung zur Endlösung von einem Prozeß der »kumulativen Radikalisierung«, der mit Hitlers »Kommissarbefehl« vom März 1941 seinen Anfang genommen habe und sukzessive auf sämtliche Juden ausgedehnt worden sei31. Broszat wiederum meint, daß die Vernichtung der Juden auf »Improvisation« beruht habe. Durch die Kriegserfolge der Deutschen waren bis Sommer 1941 mehr als 12 Millionen Juden unter deutsche Herrschaft geraten, deren Deportation zu einem hoffnungslosen Unterfangen geworden wäre. Die »normative Kraft des Faktischen« ließ ihre Vernichtung als »einfachste« Lösung erscheinen. Als es im Spätherbst 1941 keine ausreichenden Aufnahmekapazitäten für Massendeportationen in Polen mehr gab, seien mit Billigung Hitlers verschiedenste Dienststellen des NS-Regimes aktiv geworden, um durch Vernichtungsaktionen die Zahl der Juden zumindest zu verringern32. Doch auch Broszat, der die polykratischen Strukturen des nationalsozialistischen Herrschaftssystems bislang am stärksten betonte, setzt eine Zustimmung Hitlers voraus, bevor die verschiedensten NSDienststellen mit der Judenvernichtung beginnen konnten33. In der ansonsten extrem kontrovers geführten Diskussion um die Frage nach Entschlußbildung und zeitlicher Fixierung der Entscheidung zur systematischen Vernichtung der Juden herrscht zwischen »Intentionalisten« und »Funktionalisten« in einem Punkt durchgehend Einigkeit: Die Entschlußbildung zur systematischen Ermordung der Juden kam ausschließlich »von oben«, es mußte ein Befehl oder eine Weisung von der NS-Spitze vorliegen, ehe man mit der Vernichtung vor Ort beginnen konnte. Doch weder die intentionalistischen Theorieansätze noch jene der Funktionalisten vermögen die Entschlußbildung zur »Endlösung der Judenfrage« in Serbien adäquat zu erklä—
31
»Mir scheint, daß mit
Ausweitung des Kommissarbefehls auf die systematische Massenvernichtung jüdischer Bevölkerungsgruppen seit dem Juli und insbesondere im August und September 1941 auch der zugrunde liegende Führerbefehl gleichsam automatisch ausgedehnt worden ist auf die sche Judenvernichtung« (Diskussionsbeitrag von Hans Mommsen, in: Der Mord an den systematiJuden im Zweiten Weltkrieg, S. 191). 32 »Mir scheint dagegen, daß es überhaupt keinen umfassenden Vernichtungsbefehl gegeben >Programm< der Judenvernichtung sich vielmehr aus Einzelaktionen heraus bis zum
hat, das
Frühjahr 1942
allmählich institutionell und faktisch entwickelte und nach der Errichtung der Vernichtungslager (Broszat, Hitler und die Genesis der »Endlösung«,
33
in Polen [...] bestimmenden Charakter erhielt« S. 753).
»Daß der Führer an der Lösung der Judenfrage in stärkstem Maße interessiert war, dürfte wohl keinem prominenten Funktionär des NS-Regimes verborgen gewesen sein. Der Gedanke, so wichtige Entscheidungen wie die Maßnahmen zur Judenvernichtung könnten ohne Hitlers Billigung von irgendjemand 1941/42 selbstherrlich getroffen worden sein, geht an dieser Grundtatsache ebenso vorbei wie an dem realen Verfassungszustand des >Hitler-Staates< in dieser Zeit« Ebd., (S. 756f.).
194
VI.
Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
Denn der erste Schritt in diese Richtung war hier weder von der Existenz eines umfassenden Judenvernichtungsbefehles noch von der Zustimmung Hitlers zur systematischen Ermordung der Juden abhängig gewesen. Im Mikrokosmos Serbien wurde bei der »Endlösung der Judenfrage« sowohl das hierarchische Führerprinzip (Intentionalisten) als auch der polykratische, dennoch zentral geleitete Entschlußbildungsprozeß (Funktionalisten) durch autonome Entscheidungen der Besatzer an der Peripherie durchbrochen. Zeitlich zwar parallel zum Entscheidungsprozeß der zentralen NS-Instanzen, aber von ihm unabhängig, faßten die deutschen Besatzungsorgane in Serbien autonom den Entschluß, mit der »Endlösung der Judenfrage« in ihrem regionalen Zuständigkeitsbereich zu beginnen. General Böhme brauchte dafür weder die Zustimmung seines unmittelbaren Vorgesetzten, noch die seines obersten Führers. Denn nicht nur den prominenten Funktionären des NS-Regimes, sondern auch Böhme war Hitlers Interesse an der »Lösung der Judenfrage« nicht verborgen geblieben. Dieses Interesse war 1941 so offensichtlich, daß sogar ein »kleiner« Wehrmachtgeneral, unabhängig von einem etwaigen »Endlösungsbefehl«, ohne ausdrücklichen Befehl ja sogar ohne Rückfrage bei seinem Vorgesetzten es wagen konnte, seinen Truppen die systematische Vernichtung der Juden zu befehlen. Serbien ist wohl das extremste Beispiel dafür, wieweit die »Antizipationsfähigkeit« bei der »Lösung der Judenfrage« im Herbst 1941 auf Wehrmachtebene fortgeschritten war. Diese theoretische Schlußfolgerung steht im Gegensatz zu Brownings Einschätzung. Browning kommt zwar ebenso zu der Erkenntnis, daß die Wehrmacht in Serbien selbständig die Entscheidung zur Ermordung der erwachsenen männlichen Juden gefällt hat. Da aber auch er sich von der Suche nach einer »Endlösungsentscheidung im Zentrum« nicht trennen konnte34, bezeichnet er die Ermordung der männlichen Juden nur als »Vorstufe zur Endlösung«35. Im Gegensatz zu Browning komme ¡ch ebenso wie Messerschmidt zum Schluß: »An den männlichen Juden (in Serbien W. M.) ist hier um diese Zeit die >Endlösung< vorgenommen worden36.« Das Resultat dieser Untersuchung stellt damit das Paradigma einer Entschlußbildung innerhalb der zentralen NS-Instanzen als notwendige Voraussetzung für die praktische Durchführung der systematischen Judenvernichtung vor Ort in Frage. Das im NS-System typische institutionelle Chaos gab es auch in Serbien. Ein Nebeneinander einzelner Dienststellen, deren Aufgaben und Kompetenzen sich überschnitten und niemals eindeutig geregelt wurden, war beständiger Anlaß zu oft verbissen geführten Konkurrenz- und Profilierungskämpfen zwischen den Besatzungsorganen37. Um so ren.
—
—
—
—
34
35
—
Browning vertritt die These, daß Hitler Ende Oktober oder spätestens Anfang November 1941 ein
definitiver Plan zur »Endlösung« vorgelegen haben muß und »daß November 1941 der späteste annehmbare Termin für Hitlers Genehmigung der Endlösung ist« (Browning, Zur Genesis der »Endlösung«, S. 108). »They (die Wehrmacht W M.) found their way to the mass murder of Jews on their own, even before the Final Solution was underway« (ders., Fateful Months, S. 6). Messerschmidt, Harte Sühne am Judentum, S. 126. Ein anschauliches Beispiel einer solchen Auseinandersetzung war der erbittert geführte Machtkampf zwischen dem Verwaltungschef Turner und dem HSSPF Meyszner, der Ende 1942 mit der Versetzung Turners endete (siehe dazu Browning, Harald Turner und die Militärverwaltung in Serbien —
36 37
1941-1942, S. 351 ff.).
VI.
195
Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
überraschender ist die nahtlose Ergänzung und friktionslose Kooperation der verschiedenen Besatzungsorgane bei der Judenvernichtung. Auf keinem anderen Schauplatz des Holocaust zogen alle Dienststellen so harmonisch an einem Strang. Das Motto aller Verantwortlichen lautete: die Juden müssen weg, egal wie. Der Holocaust in Serbien war eine Gemeinschaftstat des gesamten Besatzungsregimes, wobei die unmittelbare Verantwortlichkeit der verschiedenen Besatzungsorgane wechselte. Die beteiligten Instanzen agierten geradezu idealtypisch als homogener Apparat, ein Rad griff in das andere, wodurch ein unglaublich reibungsloser Ablauf des Vernichtungsprozesses ermöglicht wurde. Wer in den verschiedenen Phasen der Verfolgung gerade federführend war die Wehrmacht oder die Einsatzgruppe, die Militärverwaltung oder die Feldkommandanturen hing im wesentlichen von der aktuellen Situation ab. Soweit allgemeine Anweisungen von den Berliner Zentralstellen überhaupt notwendig waren, wurden sie »vor Ort« sofort der aktuellen Lage angepaßt. Geradezu virtuos lösten sich dabei politische und militärische Besatzungsstellen bei der Vorherrschaft in der Judenpolitik ab, harmonierten und ergänzten sich auf so perfekte Art, daß sie an Effizienz kaum zu überbieten waren. Über das Ziel (»die Juden müssen weg!«), herrschte zwischen den Besatzungsorganen von Beginn an Einigkeit, und über die dafür anzuwendenden Mittel kam man in den konkreten Situationen jeweils rasch zu einem Konsens. In keinem einzigen Dokument, das sich mit dem Holocaust in Serbien befaßt, taucht in dieser Frage auch nur die Andeutung eines Konfliktes zwischen den nationalsozialistischen Besatzern auf. Raul Hilberg stellte einmal entsetzt die rethorische Frage: —
—
»War diese Bereitschaft
(zur systematischen Ermordung der Juden W. M.) auch ohne Ansage oder W. M.) bei der Reichsbahn, bei der Wehrmacht, bei den Parteistellen, bei den Kreisleitern, überall schon so weit fortgeschritten, daß man überhaupt keine Befehle mehr benötigte38?«
Weisung (von Hitler
—
—
Zumindest für die Wehrmachtführung in Serbien müssen wir diese Frage zweifelsfrei mit »Ja« beantworten. Mit Hilfe der Wehrmacht war in Serbien die Judenvernichtung schon im Frühjahr 1942 mit der Vergasung der Frauen und Kinder endgültig abgeschlossen zu einem Zeitpunkt, als die erste Phase der fabrikmäßigen Vergasungen der europäischen Juden in Belzec, Sobibor und Treblinka (»Aktion Reinhard« unter der Leitung von Odilo Globocnik) gerade erst im Anlaufen war. Nach der Ermordung der estnischen Juden durch das Einsatzkommando A war Serbien somit das zweite Land, in dem die »Endlösung der Judenfrage« abgeschlossen war. Als im August 1942 General Löhr als Wehrmachtbefehlshaber Südost in Saloniki eingesetzt wurde, berichtete ihm der Chef der Militärverwaltung in Serbien, SS-Gruppenführer Harald Turner, stolz: Judenfrage, ebenso wie die Zigeunerfrage völlig liquidiert. Serbien einziges Land, in dem Judenfra—
»...
ge und
38 39
Zigeunerfrage gelöst39.«
Diskussionsbeitrag von Raul Hilberg in:
Der Mord an den Juden im Zweiten Weltkrieg, S. 187. NOKW-Dokument 1486, Vortrag des Chefs der Militärverwaltung, SS-Gruppenführer Harald Turner, beim Wehrmachtbefehlshaber Südost, General Löhr, 29.8.1942.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellen Bundesarchiv Koblenz (BA-K) Polizeidienststellen in den besetzten und R 70 Jugoslawien/33 All. Proz. 6 (Eichmann
eingegliederten Gebieten
Prozeß)
Persönlicher Stab Reichsführer SS NS 19/1730 Generalbevollmächtigter für die serbische Wirtschaft R 26
VI/602,
682
Reichssicherheitshauptamt R 58/841
Bundesarchiv-Militärarchiv
Freiburg (BA-MA)
Heeressanitätsinspektion
H 20/293 Oberkommando Heeresgruppe F (OB Südost) RH 19 XI/81 Armeeoberkommando 12 RH 20-12/121 Befehlshaber im Heeresgebiet Süd RH 22/155a Generalkommando XVIII. Gebirgs-Armeekorps RH 24-18/23, 27, 64, 86, 87, 165-169, 212, 213 Generalkommando XXX. Armeekorps RH
704.
24-30/270,
274-277
Infanterie-Division/104. Jäger-Division
RH 26-104/14-16, 52 717. Infanterie-Division/117. Jäger-Division RH 26-117/3, 12, 15 718. Infanterie-Division/118. Jäger-Division RH 26-118/3 342. Infanterie-Division RH 26-342/8, 11, 13-16, 26, 102, 104, 105, 107
Deutscher General in Agram/Deutscher Bevollmächtigter General in Kroatien RH 31 III/2 Wehrkreiskommando XVBT RH 53-18/378 Oberste Truppenkommandobehörde der Luftwaffe RL 7/657 Oberkommando der Wehrmacht/Wehrmachtführungsstab/Propaganda-Abteilung »Südost« beim Militärbefehlshaber in Serbien RW 4/v.231 30. Armeekorps RW 24-30/277
Quellen- und
198
Literaturverzeichnis
Territorialbefehlshaber Südost-Europa RW 40/5, 8, 11, 12, 14, 18, 20, 21, 23, 24, 32, 79, 187, 190 Politisches Archiv, Auswärtiges Amt Bonn (PA-AA) Botschaft Belgrad, Judenangelegenheiten Bd 62/6 Büro Staatssekretär Jugoslawien Inland II A/B (Juden in Jugoslawien 1936—43), Bd 65/4 Inland Hg, Bd 255
Zeitgeschichte München (IfZ München) Anlagen zur Ausarbeitung eines Berichtes des Bundesarchiv Koblenz über Serbien Institut für MA 515 MA 687
Berlin Document Center Akt Hans Rexeisen
(BDC)
Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen Ludwigsburg (ZStL) 503 AR-Z 36/76 503 AR 706/66 503 AR 2656/67 503 AR-Z 115/74 503 AR 1256/61 503 AR 2670/67 503 AR 1756/69 503 AR-Z 372/59 503 AR-Z 2/1966 503/AR-Z 54/66 503 AR 12/62 503 AR-Z 90/74 503 AR-Z 89/61 Staatsanwaltschaft (StA) Hannover, 2 Js 299/60 Verfahren gegen Pradel et al. Staatsanwaltschaft (StA) Stuttgart, 15 Js 85/67, Verfahren gegen Edgar Enge
Kriegsarchiv Wien (KA Wien) Nachlaß Böhme, B/556, Karton 50 Nachlaß Löhr, B/521, folio 18, folio 29 Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes Akt 3609
Landesgericht Wien (LG Wien) 27b/8508/62, Vorerhebungen gegen Otto K., Karl G.
(DÖW)
und Robert H.
27e, Vr 2260/67, Verfahren gegen Herbert Andorfer Archiv des Militärhistorischen Instituts German German
Archive, Archive,
Belgrad (AVJJ)
German
12-1-66 40-4-4
Archive,
50-4-4
Nedic Archive 27-10/5-2
Jevrejski Istorijski Muzej Beigrade (Jüdisch-historisches Museum Belgrad, JIMB) Bestand 21-1-1/20 Yad Vashem Archives (YVA) 0 10/12 0 1/309 0 17/80 0 3/3457 Centre de Documentation
Bestand CCLI-59
Juive Contemporaine
Paris
(CDJCP)
Literatur
National Archives T 501- R-245/117 T 501- R-251/638
Washington (NAW)
Interviews Interview Interview Interview Interview Interview Brief von
Johann Kerbler,
11.7.1988 und 11.8.1988 Robert Kaliwoda, 18.7.1988 Dr. Erich Adler, 22.11.1988 A. A., 28.8.1989 und 22.2.1990 Milo Dor, 11.12.1989 Herbert Andorfer an den Autor, 5.8.1993
mit mit mit mit mit
Literatur
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Haifa 96
Hamburg 183 Herzegowina 20, 112, 114, 134,
Babi Yar 191 Balkan 12,20 f., 23-25,27,29f., 42,45f., 50,112,
114, 119, 122, 128, 131, 151 26f., 31, 38, 87, 103, 114, 181
Banat 8, 20, Banjica 44 Baranja 27
Batschka 20, 27, 114 Belgrad 8 f., 12, 17-19, 22, 25-27, 34-39, 4346, 55-58, 62, 65 f., 69, 75, 78-82, 84, 87-92, 97-101,104-107,112,123,125 f., 133,147,150,
155, 159f., 165, 170, 174-182, 188-190
Belzec 195
Berchtesgaden
24
Berlin 12, 34, 44, 62, 105-107, 131, 169-171, 173f., 178, 181, 183, 189f., 195 Bor 28 Bosnien 20,
Ulf., 114, 123, 134, 151,
153
Bruck/Leitha 29
Bulgarien 15, 17, 19f, 110,
113
Cacak 52, 80,96,112,139,142,148,150,155,159 Cer-Gebirge 58, 60, 69, 71 f., 75, 77, 92, 139 Chelmno 172
Coventry
19
Dalmatien 25, 114, 153
Danzig
62
Deutschland 15-18, 22, 27, 30, 33f., 65, 76, 102f., 116, 127, 172, 174, 181, 183 Donau 26—28, 62, 103 Donji Dobric 31
Draginac
73
Drina 58
Erdeca 161 Frankreich 37, 42, 56, 80, 128, 185
Generalgouvernement
103, 185
Gorni Milanovac 147f., 158—160, 164 Graz 18 Griechenland 11, 15, 17, 19f., 23-25, 29f., 41,
55f., 80, 82, 88,
Groznice 161
110
152
Holland 23, 37
Innsbruck 29, 92, 175 Istanbul 133 Italien 16, 20, 22f., 27, 183
Jabuka 82, 101 Jadar 73 Jarak 64, 66
Javorak-Gebirge 72 Jugoslawien 7, 13, 15-21, 23f., 26, 28, 30f., 41, 58, 62,110-112, 114f., 117, 122-127, 129, 155, 175 Kärnten 19, 21, 25, 153 Kairo 133 Kalinovic 153 Kiew 191 Kladovo 62f., 65, 91 f., 94, 96, 181, 187 Klagenfurt 176 Klenak 64f., 93 Korfu 113 Kovin 88
Kragujevac 9,30, 80, 96,140,150,155,158-162, 164, 187, 191
Kraljevo 9, 139-141, 148, 150, 155-160, 165, 187, 191 Kreta 20f., 80 Kroatien 11, 20,
22f., 25f., 28-30, 58, 60, 68, 114f., 120, 151, 153, 176 Krupanj 72f., 124, 135, 137, 139
Krusevac
140, 158
Langwasser
Lepenica
24 162
Lienz 158 Linz 175, 188 London 129, 131, 144, 148, 151 f. Losnica 75, 90, 135, 137 Macva 68, 77 Majdanpek 38 Mala Pcelica 161
Marburg (Maribor)
175
Mazedonien 26, 112 f. Milanovac 141 Minsk 172 Mionica 147
208
Ortsregister 149—153, 155f, 158, 161, 165-171, 173, 175, 183, 185-195
Mitrovica 30
Mönichkirchen/Steiermark 19, 21 f.
Mogilew
Siebenbürgen
172
Montenegro 112—115, 123f., 151f. Moskau 18, 117, 119, 122f., 126—131, München 183 Münchendorf 18
145
Sowjetunion 7-9, 15, 18, 21, 30, 35, 41—43,
110, 117, 122f., 125-127, 129f., 153, 171f.,
Nil 30, 48 f., 88
185-187
Obrenovac 84 Österreich 12, 23—26, 29f., 56, 59, 62, 65, 80, 94, 102, 168 Österreich-Ungarn 7, 59 Palästina 26, 62, 95 f., 114 Pancevo 31, 87, 88, 101 Paris 24, 37, 122 Polen 7f., 40—42, 48, 80, 182, 186, 193 Poltawa 172
Pozega 143, Prag 112 Prnjavor 73
150
Ravna Gora Riga 172
111, 152
Stanovijaner-Feld
162
Steiermark 19, 21, 24 Strobel a. Wolfgangsee 159 Sudetenland 80 Syrmien 59, 74 35
Teesendorf 30 Thrazien 20 Tiflis 130
Toplica
113
Topóla 9, 79f., 84, 86, 90-92, 95-97, 101, 105, 107
Topovske Supe 43, 91, 98, Tresnjevik
(KZ)
Ungarn 20,
113
147f, 150,
155
Uzice 50, 52, 80, 96, 124, 136, 139, 141-145, Uzveze 71
172
Sajmiste (Semlin) 12, 69, 169f., 172-174,
161
Tschechoslowakei 62 Türkei 16
187
Sachsenhausen
101
Treblinka 195
Sabac 8,26, 38, 56-79, 84,90—96,137,175,181, 176-
178, 180-183 Saloniki 20, 28, 106, 112f., 141, 195 Salzburg 91, 175, 183 Sandzak 114 Save 58, 61 f., 65, 67, 69, 93f., 179 Save-Drina-Dreieck 57f., 67,69—71, 74f., 77,93, 139
Schwarzes Meer 26 f., 62 Schweden 183 Schweiz 183 Seekirchen a. Wallersee 91
Semmering
Sremska Mitrovica 58, 60, 66—70, 72, 92—94
Tas-Majdan
Rotterdam 19 Rumänien 18, 103, 174, 177 Rußland 34, 89, 103, 186, 189
136f.,
27
Slowenien 20 Sobibor 195 Sofia 112
Valjevo 9, 52, 96f., 107, 147, 150,
Warschau 19 Westfalen 80 Wien 18, 20,
Wien-Apang
24f., 27, 44, 62, 80, 94-96, 18
Wiener Neustadt 18, 21, 25
20
Serbien 7-9,11-13,21,23-26,28-30,33-35, 37, 60-69, 71, 73 f., 76, 80, 82-86, 88, 96, 101-115, 117-125, 128-136, 141 f., 144, 147,
160
Venezuela 183 Villach 175 f. Viciste 161 Völkermarkt 30, 158
Zagreb (Agram) 19, 129,
175
Zasavica 9, 66—69, 91, 93 f.
Zwölfaxing
18
98
Personenregister
Acimovic, Milan 33, 43, 50, Adam, Uwe Dietrich 192 Adler, Erich 36
Aldrian, Eduard 25 Aleksica, Nikola 161 Alexander, König von Jugoslawien Almuzlino, Haim 44 Andorfer, Herbert 174—181, 183
Angelis, Maximilian de Bader, Paul
Förster, Jürgen 9 Fuchs, Wilhelm 8, 29, 39, 79, 84, 86, 107, 170,
111
172f., 175f.
Gasser, Alois 88 Glaise von Horstenau, Edmund 22—25,28 f., 50, 58-60, 68 f., 150, 167, 186 Globocnik, Odilo 195
59
24 f.
Göring, Hermann 20, 29, 40, Götz, Wilhelm 174,
28 f., 133 f.
Bente, Karl 88 Benzler, Felix 26,29, 53,103—105,132,170,172, 189 f.
Bischofshausen, Günther Freiherr von 161 f. Blobel, Paul 182 Böhme, Franz 8f., 12f., 20,24f., 28, 55-61, 64, 66-72, 74-77, 79f., 83-86, 88, 90f., 94, 96f., 104—106,108,136,138,142,147-150,152,155 f., 158-160, 164—168, 171, 175, 186 f., 190f., 194 Bothmer, Freiherr Karl von 48 f. Botz, Gerhard 11 Brauchitsch, Walther Broszat, Martin 193
von
40
Browning Christopher R. 8, 13, 170,
194
Brunn 66
Churchill, Winston 117, 128 Ciano, Galeazzo 20 Cvetkovic, Dragisa 7, 15 f.
Danckelmann, Heinrich 8, 28,48 f., 79, 88,104, 134, 190
Desch, Otto 155 Diakow, Jaromir
Egger, Franz Eglseer, Karl
20
Eugen,
Prinz
Faninger,
von
Renatus
von
Gerald 9
195
Hildebrandt, Richard 107, 189 Himmler, Heinrich 40f., 48f., 51, 171 f., 192 Hinghofer, Walter 25, 28, 56, 60f., 63, 69—74, 77, 79, 139, 150, 188
Hitler, Adolf 11, 16, 18f., 21 f., 24, 26, 41 f., 49, 56, 100, 104, 123, 142, 185f., 190—195 Hötzendorf, Conrad von 60 Hoffmann, Paul 156 Hudson, Duane 143 f.
Jäckel, Eberhard
187
27 24
Jeckeln, Friedrich 172 Jelesic, Miloral Mica 93 Jodl, Alfred 22 Josten
189 34
179
Kaisenberg,
Ernst-Moritz
von
22, 29, 36, 46
Kaliwoda, Herbert 81 f. Kaltenbrunner, Ernst 174 Karadjordjevic, Paul, Prinzregent von Jugoslawien 101, 103
76
Faulmüller, Hans-Georg 84, Fink, Dorothea 95, 181 Fink, Walter 166, 181
Fleming,
Hilberg, Raul 9, 13,
Jansa, Alfred
120
Savoyen 27,
50 f.
Hahn, Hansi 95 f. Halder, Franz 41 f. Hau, Johann 89 Hecht, Anna 65, 92, 95 Hecht, Siegfried 65 Helm, Hans 21, 34 Heydrich, Reinhard 29,40f., 47,49,51,105,169, 171 f., 174, 186, 192
Janko, Sepp
159 25
Eichmann, Adolf 102f., 105f., Enge, Edgar 89, 177, 180, 183
122
Gravenhorst, Erich 29,
Jais, Franz 155 Jakein, Djuro 22
Djilas, Milovan 123, 125, 151 Djuric, Radomir 119, 140 Duvigneau, Wilhelm 90 Eden, Anthony 17,
Gorkic, Milan
192
183
90
Kasche, Siegfried 22 f. Keitel, Wilhelm 42, 85f., 185, Kerbler, Johann 82 Kewisch, Erich 133
190
Personenregister
210
Racic, Dragoslav 137 Rademacher, Franz 37f., 102-106,
Klein, Leo 96 Klein, Walter 96 König, Paul 160f., 163 Krausnick, Helmut 9, 187
Radojkovice, MilosavM. Radosavljevic 140 Rajakowitsch, Erich 37
Kuntze, Walter 13, 150 Kvaternik, Slavko 22, 59
Lange, Rudolf 171 Lehr, Josef 80 f. Liepe, Walter 87—90 List, Wilhelm 8 f., 13, 19, 28, 56 f., 76, 86, 133, 150, 186
Ljotic, Dimitrije 45, 109, 111, 142, 163,
165
Lockemann, Wilhelm 83 Löhr, Alexander 13, 18—20, 23, 25, 96, 153, 195
Lontschar, Adalbert 13, 25, 52, Lüstraeten, Erwin 89 Luther, Martin 103—105,
160
Messerschmidt, Manfred 42, 194 Meyer, Erwin 174, 183 Meyszner, August 168, 170—174 Mickl, Johann 25 Mihailovic, Draza 12,33, 57,108—112,114—125, 127-130, 132-138, 140-149, 151-154, 159 Misovic, Dragisa 142 Mitrovic, Tode 146 193 169 15 f.
Pantic, Dusan 146 Paul, (Wilhelm) 67 Pavlovic, Dragoslav 142 Pecanac, Dimitrije 109—111, 113, 117, Pemsel, Max 90, 165
König von Jugoslawien Petijanski, Bosko 163 Peter IL,
163
Pijade, Moscha 131 Pongruber, Ignaz 89—91 Popovic, Milorad 146 Pradel, Friedrich 174,
183
103 f.,
190
Ringel, Julius 20, 24 Rosenberg, Alfred 42 Rtanski 146
Sattler, Bruno 174 Schäfer, Emanuel 169f., 172—174, 176, 183 Schreiber, Gerhard 7 Schröder, Ludwig von 8,28, 38,40, 42, 44,49, 79
Stosic 162 Stracke, Fritz 36 Streit, Christian 9, 191 Stülpnagel, Karl Heinrich
Stuschka, Franz 106 Suhr, Friedrich 106 Sundhaussen, Holm
142-145, 153
152 f.
185
von
13
Heribert
von
22
Turner, Harald 29, 37, 43, 47, 51, 55, 66, 77, 79, 84, 86,96f., 104, 106f., 125,165, 169-173, 182, 189-191, 195
Vasié, Dragisa
142
Veesenmayer, Edmund 46, 103, Viebrans, Herbert 89
Vukmanovic-Tempo, Wagner, Eduard
133
52
Teichmann, Ludwig 46 Tito, Josip Broz 12, 109f., 122f., 126-131, 136,
Troll-Obergfell,
Nedic, Milan 50,70,94,105,109, Ulf., 116,123, 129, 133-135, 142, 145f., 149, 151 f. Neubacher, Hermann 25 f. Neuhausen, Franz 21, 29 Nincic, Momcilo 16
Petrovié, Marisav
Ribbentrop, Joachim von 15, 20, 26, 29,
Shelach, Menachem 13, 170 Simovic, Dusan 16-18, 120f., 144 Stalin, Josef 18, 89, 123, 127-131, 185 Stockhausen, Hans-Adalbert von 32, 35, 50,
May, Andreas 174 Mayer, Arno J. 9
Müller, Heinrich Mussolini, Benito
191
Schuschnigg, Kurt 24 Seyß-Inquart, Arthur 24
189 f.
Macek, Vladko 16, 120 Manica, Lubisa 161 Mason, Timothy 192 Matl, Josef 147,
Mommsen, Hans
Reichenau, Walter von Rendulic, Lothar 24 f. Rexeisen, Hans 175 f.
189
163
Svetozar 123
41
Waldheim, Kurt 12 Walther, Hans-Dieter 100 f. Weichs, Maximilian von 19, Weimann, Ernst 107 Windisch, Alois 25 Wolff, Karl 169 f., 173
Wurster, Eugen 13, 90f.
Zdravkoveca, Zila Zellner, Emil 25
105
163
31